Es ist nicht vorbei - BStU
Es ist nicht vorbei - BStU Es ist nicht vorbei - BStU
Mittwoch, 9. November 2011, 20.15 Uhr im Ersten Es ist nicht vorbei
- Seite 2 und 3: Es ist nicht vorbEi Mittwoch, 9. No
- Seite 4 und 5: 4 | Es ist nicht vorbei iNhalt Die
- Seite 6 und 7: 6 | Es ist nicht vorbei
- Seite 8 und 9: 8 | Es ist nicht vorbei „Das schl
- Seite 10 und 11: 10 | Es ist nicht vorbei
- Seite 12 und 13: 12 | Es ist nicht vorbei aNja KliNG
- Seite 14 und 15: 14 | Es ist nicht vorbei UlRich NoE
- Seite 16 und 17: 16 | Es ist nicht vorbei Die Dokume
- Seite 18 und 19: 18 | Es ist nicht vorbei Das fRaUEN
- Seite 20: Impressum Herausgegeben von der Pro
Mittwoch, 9. November 2011, 20.15 Uhr im Ersten<br />
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> vorbEi<br />
Mittwoch, 9. November 2011, 20.15 Uhr im Ersten<br />
DiE FrauEn von hohEnEck<br />
EiN DDR-GEfäNGNis UND sEiNE schattEN iN DiE GEGENwaRt<br />
Mittwoch, 9. November 2011, 21.45 Uhr im Ersten
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
VoRwoRt<br />
Der Titel bringt das Thema des Films auf den Punkt: „<strong>Es</strong> <strong>ist</strong><br />
<strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>“. Körperliche und, noch mehr, seelisch erlittene<br />
Pein lassen sich <strong>nicht</strong> verdrängen. Die Wunden der Vergangenheit<br />
wollen aufgearbeitet sein, bevor sie sich schließen<br />
können, auch wenn Narben zurückbleiben. Findet eine solche<br />
Aufarbeitung <strong>nicht</strong> statt, brechen sie immer wieder auf,<br />
verfolgen sie die Leidtragenden lebenslang. Die Not traumatisierter<br />
Opfer <strong>ist</strong> gegenwärtig erneut Gegenstand intensiver<br />
gesellschaftlicher Debatten, sei es bei den vielen Fällen<br />
sexuellen Missbrauchs oder bei den jungen kriegstraumageschädigten<br />
Soldaten. Dabei <strong>ist</strong> es immer wieder dieselbe<br />
Grunderfahrung, dasselbe Muster, von dem die Betroffenen<br />
berichten: „<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>“ – im Kopf gehen die Qualen<br />
weiter, im Körper zittern sie unaufhörlich nach.<br />
So auch in der Geschichte, die unser Film erzählt – eine Ge-<br />
schichte zugleich über ein dunkles Kapitel der jüngeren deut-<br />
schen Vergangenheit. Die Hauptperson, Carola Weber, erlei-<br />
det einen schweren Schock, als ihr Mann sie seinem neuen<br />
Krankenhauskollegen vorstellt. Vor ihr steht jener Arzt, der<br />
sie während ihrer Haftzeit in Hoheneck, dem größten Frauengefängnis<br />
der DDR, mit Psychopharmaka sedierte und mitverantwortlich<br />
wurde, dass sie bei der Gefängnisarbeit am<br />
Band zwei Finger verlor. Ihre Karriere als Pian<strong>ist</strong>in war damit<br />
für immer zerstört. Als sie ihm nun wiederbegegnet, lässt sie<br />
<strong>nicht</strong>s unversucht, dem Arzt seine Verstrickungen nachzuweisen.<br />
Familie, Beruf, Glück – sie setzt alles aufs Spiel, um<br />
ihr Leben von dem Schatten der einschneidenden Erlebnisse<br />
und dem erlittenen Trauma zu befreien. Anja Kling, Ulrich<br />
Noethen und Tobias Oertel spielen mit hoher Intensität in<br />
diesem genau recherchierten und beklemmend einfühlsam<br />
erzählten Film, für den der SWR gemeinsam mit dem RBB<br />
verantwortlich zeichnet.<br />
Seit Anfang der 50er Jahre bis 1989 waren rund 8.000 Frau-<br />
en aus politischen Gründen auf Hoheneck unter menschen-<br />
unwürdigen Bedingungen in Haft. Eine Dokumentation von<br />
Kr<strong>ist</strong>in Derfler, die auch das Drehbuch zu „<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>“<br />
schrieb, im Anschluss an den Fernsehfilm beleuchtet die h<strong>ist</strong>orischen<br />
Hintergründe. Viele der ehemals Inhaftierten leiden<br />
noch immer an den psychischen Spätfolgen. Bis heute<br />
warten sie auf Gerechtigkeit, Anerkennung oder mindestens<br />
eine offizielle Entschuldigung. Einige, die Klage erhoben haben,<br />
wurden selbst bedroht; viele Verfahren verliefen im<br />
Sande oder waren verjährt. Gerade bei den Verjährungsfr<strong>ist</strong>en<br />
setzt die Kritik der Opferverbände an. Auch unser Film<br />
fragt danach, ob es mit unserem Rechtsempfinden und unserem<br />
Selbstverständnis als einer offenen, modernen, das<br />
heißt, am Individuum als höchstem, unantastbaren Gut ausgerichteten<br />
Gesellschaft vereinbar <strong>ist</strong>, bei derart schweren<br />
Verbrechen die in etlichen Fällen frei herumlaufenden Täter<br />
ungestraft davonkommen zu lassen.<br />
Volker herres<br />
Programmdirektor Erstes Deutsches Fernsehen<br />
| 3
4 |<br />
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
iNhalt<br />
Die schlimmste Zeit ihres lebens hat carola weber tief in sich vergraben: ihre haftzeit nach<br />
der gescheiterten flucht aus der DDR. Bis sie glaubt, einem ihrer Peiniger aus dem frauengefängnis<br />
hoheneck gegenüberzustehen ... Von nun an setzt sie alles daran, dem arzt seine<br />
Verstrickung nachzuweisen.<br />
Carola Weber erschrickt bis ins Mark, als ihr Mann Jochen<br />
ihr seinen neuen Kollegen aus dem Krankenhaus vorstellt:<br />
Diese Stimme kennt sie. Sie zu hören, katapultiert Carola in<br />
die schlimmste Zeit ihres Lebens, die Haft im DDR-Frauengefängnis<br />
Hoheneck. Sie <strong>ist</strong> überzeugt, dass Prof. Wolfgang<br />
Limberg jener Arzt war, der sie dort mit Psychopharmaka<br />
behandelte, um eine Aussage zu erzwingen, und damit<br />
verschuldete, dass sie bei der Arbeit am Band zwei Finger<br />
verlor. Carolas Karriere als Pian<strong>ist</strong>in war damit für immer<br />
beendet.<br />
Als sie Limberg mit ihrem Verdacht konfrontiert, streitet der<br />
ab, je in Hoheneck gewesen zu sein, geschweige denn als Arzt<br />
in Diensten der Stasi gestanden zu haben. Jochen gegenüber<br />
äußert er den Verdacht, dass die Haftzeit die seelische Gesundheit<br />
seiner Frau aus dem Gleichgewicht gebracht habe.<br />
Jochen <strong>ist</strong> erschüttert und verwirrt. In zehn Jahren Ehe hatte<br />
Carola ihm nie von diesem Teil ihrer Vergangenheit erzählt.<br />
Er kann verstehen, dass die Haft wegen gescheiterter Republikflucht<br />
ein traumatisches Erlebnis war, über das Carola<br />
<strong>nicht</strong> gerne redet, aber dass sie ihm etwas so Einschneidendes<br />
verheimlichen konnte, dass sie ihn sogar über den Verlust<br />
ihrer Finger belog, kränkt ihn in seiner Liebe zu ihr. Gleich-<br />
zeitig fällt es ihm schwer, die Anschuldigungen gegen Dr.<br />
Limberg nachzuvollziehen. Immerhin hat er selbst den Arzt<br />
eingestellt, <strong>nicht</strong> zuletzt wegen dessen hervorragenden Rufs<br />
als Neurologe.<br />
Carola <strong>ist</strong> Limbergs Ruf egal. Sie <strong>ist</strong> ihrer Sache sicher. Ihren<br />
ehemaligen Peiniger in überlegener Pose mit Frau und klavierspielender<br />
Tochter zu erleben, <strong>ist</strong> für sie eine Provokation:<br />
Dass der Mann, dem sie psychische Folter vorwirft, Karriere<br />
gemacht hat und ihr jetzt völlig ungerührt gegenübertritt,<br />
macht sie fassungslos. Sie beantragt eine erneute Einsicht<br />
in ihre Stasi-Akte und versucht, den Klarnamen des Arztes<br />
über seinen ehemaligen Führungsoffizier herauszufinden. Als<br />
das ergebnislos bleibt, fährt sie an den Ort, den sie in ihrem<br />
Leben eigentlich nie mehr wiedersehen wollte: das Frauengefängnis<br />
Hoheneck. Dort findet sie auch eine kleine Spur,<br />
mit der sie weitermachen kann. Gegen Jochens Willen, der<br />
um seine Position in der Klinik fürchtet und paranoide Züge<br />
im Verhalten seiner Frau sieht, setzt Carola ihre Spurensuche<br />
fort. Ihre Beziehung zu riskieren, kann Carola genauso wenig<br />
aufhalten, wie die zunehmende Gefahr, in die sie sich mit<br />
ihren Recherchen begibt. Denn je stärker der Druck wird, den<br />
sie ausübt, desto skrupelloser reagiert die Gegenseite.
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
| 5
6 |<br />
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
B<strong>Es</strong>EtZUNG/staB<br />
Carola Weber –––––––––––––––––––––– aNja KliNG<br />
Prof. Dr. Wolfgang Limberg –––––––––– UlRich NoEthEN<br />
Jochen Weber ––––––––––––––––––––– toBias oERtEl<br />
Monika Limberg ––––––––––––––––––– MEliKa foRoUtaN<br />
Friederike Limberg ––––––––––––––––– MERlE jUschKa<br />
Helga Gramski ––––––––––––––––––––– KiRstEN BlocK<br />
Renate Förster ––––––––––––––––––––– MaRiE GRUBER<br />
Weihe –––––––––––––––––––––––––––– ERNst GEoRG schwill<br />
Anne Weber ––––––––––––––––––––––– cathERiNE BoDE<br />
Hannes ––––––––––––––––––––––––––– PEtER fi<strong>Es</strong>ElER<br />
Frau Rohde –––––––––––––––––––––––– Rosa ENsKat<br />
Buch ––––––––––––––––––––––––––––– KR<strong>ist</strong>iN DERflER und clEMENs MURath<br />
Regie ––––––––––––––––––––––––––––– fRaNZisKa MElEtZKy<br />
Kamera ––––––––––––––––––––––––––– EEVa flEiG<br />
Schnitt ––––––––––––––––––––––––––– jüRGEN wiNKElBlEch<br />
Musik –––––––––––––––––––––––––––– johaNN<strong>Es</strong> KoBilKE<br />
Szenenbild –––––––––––––––––––––––– jöRG BaUMGaRtEN<br />
Kostümbild –––––––––––––––––––––––– iNGRiDa BENDZUK<br />
Besetzung –––––––––––––––––––––––– tiNa BöcKENhaUER<br />
Producer –––––––––––––––––––––––––– hEiKE stREich<br />
Produzent ––––––––––––––––––––––––– MichaEl lEhMaNN<br />
Redaktion ––––––––––––––––––––––––– MichaEl schMiDl/SWR,<br />
–––––––––––––––––––––––––––––––––– MaNfRED hattENDoRf/SWR,<br />
–––––––––––––––––––––––––––––––––– DaRia MohEB ZaNDi/RBB,<br />
–––––––––––––––––––––––––––––––––– RosEMaRiE wiNtGEN/RBB<br />
Eine Produktion der Studio Berlin Filmproduktion im Auftrag von SWR und RBB für Das Erste<br />
| 7
8 |<br />
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
„Das schlimmste <strong>ist</strong>, <strong>nicht</strong> Darüber reDen zu können.“<br />
G<strong>Es</strong>PRäch Mit DER DREhBUchaUtoRiN KR<strong>ist</strong>iN DERflER<br />
Frau Derfler, Sie gaben den Impuls zu<br />
dem Fernsehfilm „<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>“,<br />
nachdem Sie sich jahrelang mit dem<br />
Frauengefängnis Hoheneck und den<br />
Frauen beschäftigten, die dort aus politischen<br />
Gründen inhaftiert waren. Was an<br />
den Schicksalen der inhaftierten Frauen<br />
liegt Ihnen besonders am Herzen?<br />
Seit 1998 beschäftige ich mich als<br />
Drehbuchautorin mit der jüngsten<br />
deutschen Geschichte und versuche zu<br />
verstehen, wo der Riss heute in diesem<br />
Land verläuft. Die deutsche Teilung<br />
hat zwar den Osten und den Westen<br />
gespalten, aber nach der Wende tat<br />
sich ein neuer Riss auf: Zwischen Ost<br />
und Ost. Zwischen den Menschen, die<br />
in der DDR bis November 1989 lebten,<br />
und denjenigen, die lange vor der friedlichen<br />
Revolution ihr Leben für Freiheit<br />
und Demokratie riskiert haben und dafür<br />
hart bestraft wurden. Den Opfern<br />
der SED-Diktatur eine Stimme zu verleihen,<br />
auf ihre Schicksale die mediale<br />
Aufmerksamkeit zu lenken, war und<br />
<strong>ist</strong> mir ein großes Anliegen. Für diese<br />
Menschen <strong>ist</strong> die DDR <strong>nicht</strong> Vergangenheit,<br />
sondern ein Paket, das sie auf<br />
unterschied liche Weise immer noch<br />
mit sich herumschleppen.<br />
Das Frauengefängnis Hoheneck, in dem<br />
politische Gefangene wie Schwerkriminelle<br />
behandelt wurden, galt schon zu<br />
DDR-Zeiten als besonders grausam. Die<br />
Haftbedingungen waren unmenschlich,<br />
die Frauen mussten im Dreischichtsystem<br />
Zwangsarbeit le<strong>ist</strong>en. Gemeinsam<br />
mit Mörderinnen und ehemaligen KZ-<br />
Wärterinnen.<br />
Viele von ihnen sind traumatisiert, verdrängen,<br />
können bis heute <strong>nicht</strong> darüber<br />
sprechen, was ihnen widerfahren<br />
<strong>ist</strong>, bzw. dürfen <strong>nicht</strong> darüber sprechen,<br />
aus Angst vor rechtlichen Schritten.<br />
Vor allem nach der Wende sind viele<br />
der ehemaligen Täter in den Westen<br />
gezogen und leben dort ihr ganz normales<br />
Leben. Den Tätern heute wieder<br />
zu begegnen, die von einem System ins<br />
andere gewechselt sind und ihre Karrieren<br />
als Richter, Politiker, Rechtsanwälte,<br />
Ärzte, Sporttrainer usw. fortsetzen<br />
konnten, <strong>ist</strong> für diese Frauen eine bittere<br />
Erfahrung.<br />
Einige, die gewagt haben, ihre ehemaligen<br />
Peiniger anzuzeigen, wurden selbst<br />
verklagt oder bedroht. Die me<strong>ist</strong>en dieser<br />
Verfahren verliefen im Sande, die<br />
Taten waren verjährt. Die Opfer fühlen<br />
sich von der Politik alleine gelassen. Sie<br />
kämpfen <strong>nicht</strong> nur um ihre mageren<br />
Opferrenten, sondern im Wesentlichen<br />
um Gerechtigkeit und Anerkennung.<br />
Eine Entschuldigung hat es nie gegeben.<br />
Im Gegenteil. Niemand fühlt sich<br />
verantwortlich für die Drangsalierungen,<br />
die so vielfältig und perfide waren<br />
wie die DDR selbst.<br />
Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen?<br />
Recherche beginnt im Kopf. In dem<br />
Moment, wo ich eine neue Geschichte<br />
entwickle und anfange, mir viele Fragen<br />
zu stellen. Aber Fantasie schöpft<br />
auch aus Wissen. Um glaubwürdige<br />
Charaktere erzählen zu können, um<br />
ihre Motivation zu verstehen, also das,<br />
was sie antreibt, muss ich sie kennenlernen.<br />
In diesem speziellen Fall also<br />
Frauen, die in Hoheneck aus politischen<br />
Gründen inhaftiert waren. Seit<br />
2008 bin ich regelmäßig nach Stollberg<br />
zum Jahrestreffen der ehemaligen Ho-<br />
heneckerinnen gefahren. Aber <strong>nicht</strong><br />
nur in Stollberg habe ich viele der Zeitzeuginnen<br />
getroffen; einige habe ich<br />
auch privat besucht und immer wieder<br />
die gleichen Fragen gestellt: Warum<br />
wolltest du weg aus der DDR? Was war<br />
dein Vergehen? Auf welche Weise b<strong>ist</strong><br />
du geflohen? Wie lautete dein Urteil?<br />
Was hast du in Hoheneck erlebt? Einige<br />
wurden inhaftiert, weil sie lediglich einen<br />
Ausreiseantrag ge stellt hatten. Ho-<br />
heneck, das wurde mir schnell klar, <strong>ist</strong><br />
eine unverheilte Bruchstelle im Leben<br />
jeder dieser Frauen. Bis heute.<br />
Meine Recherchen bezogen sich aber<br />
<strong>nicht</strong> nur auf die politisch Inhaftierten<br />
in Hoheneck. Sondern auch auf die Verstrickungen<br />
zwischen dem Min<strong>ist</strong>erium<br />
für Staatssicherheit (MfS) und dem<br />
MdI, übrigens ein Fass ohne Boden. Hoheneck<br />
unterstand offiziell dem Min<strong>ist</strong>erium<br />
des Inneren. Trotzdem ging die<br />
Stasi munter ein und aus und entschied,<br />
wer vom Westen freigekauft wurde<br />
und wer <strong>nicht</strong>. Ärzte, Wachpersonal,<br />
Erzieher haben inoffiziell für die Stasi<br />
gearbeitet und eifrig Berichte über die<br />
Politischen geschrieben. Sie haben damit<br />
manche Ausreise verhindert. Aber<br />
sie haben sich auch gegenseitig bespitzelt.<br />
Ich habe groteske Stasiakten gelesen.<br />
Ohne Recherche <strong>ist</strong> wahrhaftiges<br />
Erzählen <strong>nicht</strong> möglich. Deshalb war<br />
diese Vorarbeit so eminent wichtig für<br />
die Drehbuchentwicklung.<br />
Neben meiner Arbeit am Drehbuch entstand<br />
gemeinsam mit meinem Mann,<br />
dem Regisseur Dietmar Klein, der Dokumentarfilm<br />
„Ein Tag zählt wie ein Jahr“.<br />
Bis zu 8.000 politisch inhaftierte Frauen<br />
soll es bis 1989 in Hoheneck gegeben<br />
haben. Unser Film zeigt Frauenschick-
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
sale von den frühen 50ern bis zu den<br />
späten 80er Jahren und er zeigt auch<br />
die nächste Generation, die Kinder der<br />
Inhaftierten, die mit den Folgen dieser<br />
Vergangenheit bis heute zu kämpfen<br />
haben.<br />
Für den Film mussten die Fakten und<br />
Schicksale zu einer Geschichte verdichtet<br />
werden. Gibt es ein direktes Vorbild<br />
für die Figur der Carola Weber? Wie<br />
gingen Sie vor bei der Konstruktion der<br />
Geschichte? Welche Aspekte sind Ihnen<br />
besonders wichtig?<br />
„<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>“ <strong>ist</strong> kein Biopic. Die<br />
Geschichte, ihre Protagon<strong>ist</strong>en sind frei<br />
erfunden, das möchte ich ausdrücklich<br />
betonen. „Meine“ Carola Weber, ihr<br />
Schick sal, das sich mit dem Haftarzt<br />
Prof. Limberg so unwiderruflich ver-<br />
knüpft, hätte aber genauso stattfinden<br />
können. Hoheneck <strong>ist</strong> die Bruchstelle in<br />
Carolas Leben. Sie kam als junge, vielversprechende<br />
Pian<strong>ist</strong>in ins Gefängnis,<br />
sie hätte Karriere machen können, aber<br />
sie hat gegen den Staat rebelliert und<br />
bekam das System in aller Härte zu<br />
spüren. Das „System“, hinter dem sich<br />
Menschen verbargen, Menschen wie<br />
Prof. Limberg, die ihre Macht ausnutzten,<br />
haben eine andere Carola aus ihr<br />
gemacht.<br />
Sie erzählen die Geschichte einer traumatisierten<br />
Frau und Sie erzählen sie<br />
von heute aus. Wieso haben Sie sich für<br />
diesen dramaturgischen Aufbau entschieden?<br />
Das Schlimmste am Schlimmen <strong>ist</strong>,<br />
<strong>nicht</strong> darüber reden zu können. Die<br />
Scham über das erlittene Unrecht hat<br />
viele der ehemals inhaftierten Frauen<br />
stumm gemacht. Für viele <strong>ist</strong> es ein<br />
jahrelanger Prozess, bis sie sich wieder<br />
öffnen können und beginnen, von<br />
ihrem Leid zu erzählen. Auch deshalb<br />
nimmt das jahrelange Schweigen meiner<br />
Protagon<strong>ist</strong>in ihrem eigenen westdeutschen<br />
Ehemann gegenüber einen<br />
so großen Stellenwert ein und zerstört<br />
fast ihre Ehe. Jochen wirft Carola dieses<br />
Schweigen vor. Aus seiner Perspektive<br />
<strong>ist</strong> es ein massiver Vertrauensbruch,<br />
dass Carola ihm diesen Teil ihrer Vergangenheit<br />
verschwiegen hat. Er ignoriert<br />
ihre Traumatisierung, dass sie<br />
<strong>nicht</strong> reden konnte.<br />
Aus heutiger Sicht zu erzählen, hebt die<br />
h<strong>ist</strong>orische D<strong>ist</strong>anz auf, deshalb habe<br />
ich die Geschichte in der Gegenwart<br />
angesiedelt. Der Film verspricht <strong>nicht</strong><br />
‚<strong>Es</strong> war einmal‘, sondern behauptet ‚<strong>Es</strong><br />
<strong>ist</strong>‘ (<strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>).<br />
Sie haben als Erzählperspektive die der<br />
Carola Weber gewählt. <strong>Es</strong> wird ja immer<br />
wieder konstatiert, dass die Mediengesellschaft<br />
dazu neigt, ihr Interesse den<br />
Tätern als den Handelnden zuzuwenden<br />
und die Opfer zu vergessen. Wollten Sie<br />
dem etwas entgegensetzen? Oder haben<br />
Sie auch mal erwogen, die Geschichte<br />
aus der Perspektive von Jochen zu<br />
erzählen, die ja, was den Kenntnisstand<br />
betrifft, die des Publikums <strong>ist</strong>?<br />
Carolas fast pathologisch anmutende<br />
Suche nach dem Täter bzw. nach dessen<br />
Entlarvung und das Unvermögen<br />
ihres westdeutschen Ehemanns, damit<br />
umzugehen, waren mir besonders<br />
wichtig. Jochens Erzählperspektive<br />
wäre schlichtweg undramatisch gewesen,<br />
denn er <strong>ist</strong> ja weder der Täter noch<br />
das Opfer. Er gerät zwischen die Fron-<br />
ten, zwischen Carola und Prof. Limberg.<br />
Seine Konflikte beziehen sich auf die<br />
Aspekte Loyalität und Vertrauen.<br />
<strong>Es</strong> stimmt, ich wollte dem allgemeinen<br />
Trend auch etwas entgegensetzen,<br />
denn ich bemerke schon die Tendenz,<br />
die Täter in den Mittelpunkt einer Filmhandlung<br />
zu stellen. Die Nazi-Täter,<br />
die RAF-Täter, den Vergewaltiger, den<br />
Amokläufer. Sie erscheinen auf den ersten<br />
Blick wohl interessanter und wer<br />
identifiziert sich schon freiwillig mit<br />
einem Täter? Wohl kaum einer. <strong>Es</strong> <strong>ist</strong><br />
also einfacher, einem Täter beim Morden<br />
zuzusehen und sich von ihm abzugrenzen,<br />
als einem Opfer bei seiner<br />
Ohnmacht zuzusehen und Empathie zu<br />
entwickeln.<br />
Welche Bedeutung hat Verdrängung bei<br />
den Figuren des Films? <strong>Es</strong> wird ja auch im<br />
Dokumentarfilm immer wieder deutlich,<br />
wie stark die Erlebnisse einem Prozess<br />
des Verdrängens unterworfen wurden,<br />
um es ertragbar zu machen – wie befreiend<br />
es aber andererseits <strong>ist</strong>, frei darüber<br />
reden zu können. Auch Limberg <strong>ist</strong> im<br />
Übrigen eine Figur, die ihre Vergangenheit<br />
verdrängt.<br />
Das <strong>ist</strong> ein wichtiger Punkt. Sowohl<br />
bei den Opfern als auch bei den Tätern<br />
geht es um Verdrängung. Bei den einen<br />
um das verdrängte Leid, bei den anderen<br />
um die verdrängte Schuld bzw. das<br />
hartnäckige Leugnen der persönlichen<br />
Verantwortung. Der Täter sagt: Nicht<br />
ich habe gehandelt, sondern das „System“<br />
hat mir keine andere Wahl gelassen.<br />
Deshalb kann es auch keine „Versöhnung“<br />
zwischen den beiden Lagern<br />
geben. Das würde voraussetzen, dass<br />
beide Seiten das Gespräch suchen. Der<br />
Dialog wird aber einseitig geführt; nur<br />
| 9
10 |<br />
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
die Opfer sind an Aufarbeitung interes-<br />
siert. Die Stasi-Ärzte, Wärter und Erzie-<br />
her, die wir für unsere Doku kontaktiert<br />
haben, verweigern selbst mir als Journal<strong>ist</strong>in<br />
das Gespräch. Sie wollen <strong>nicht</strong><br />
reden. Sie wollen sich <strong>nicht</strong> erinnern. Sie<br />
wollen sich auch <strong>nicht</strong> konfrontieren,<br />
geschweige denn reflektieren. Im Film<br />
geht Carola einen Schritt weiter und<br />
fordert von Prof. Limberg das Schuldbekenntnis<br />
ein. Natürlich bekommt sie<br />
es <strong>nicht</strong> und so nehmen die Ereignisse<br />
ihren Lauf, bis zum bitteren Ende.<br />
Mehr als 20 Jahre nach dem Mauerfall<br />
scheinen die Verbrechen des Systems<br />
schon wieder in Vergessenheit zu geraten.<br />
Welche Kraft und Wirkung trauen<br />
Sie einem Fernsehfilm zu, was erhoffen<br />
Sie sich?<br />
Natürlich wünsche ich den Frauen, dass<br />
sie gehört werden, und vielleicht kann<br />
der kleine Themenabend am 9. November<br />
– mit Fernsehfilm und Doku – dazu<br />
beitragen.<br />
<strong>Es</strong> gibt seltsamerweise wenig Empathie<br />
in unserer Gesellschaft für die Opfer<br />
der SED-Diktatur. Der Westen interessiert<br />
sich <strong>nicht</strong> dafür, nach dem Motto:<br />
Jetzt <strong>ist</strong> doch alles gut – und im Osten<br />
gibt es die Haltung: Selbst schuld. Warum<br />
haben die <strong>nicht</strong> einfach den Mund<br />
gehalten und sich angepasst? Warum<br />
mussten die denn unbedingt flüchten,<br />
ausreisen oder sich mit den Staatsorganen<br />
anlegen? <strong>Es</strong> lebte sich doch ganz<br />
gut in der DDR ... Und warum <strong>ist</strong> jetzt<br />
<strong>nicht</strong> endlich mal Schluss mit dieser<br />
DDR-Vergangenheit, 22 Jahre nach der<br />
Wende? Aber es kann <strong>nicht</strong> „Schluss<br />
sein“ mit Schicksalen, die mit dieser<br />
Vergangenheit bis heute zu kämpfen<br />
haben. „Aufarbeitung“ und „Unrechts-<br />
staat“, diese Begriffe sind heute Reizworte.<br />
Fakt <strong>ist</strong>: Die DDR war eine sozial<strong>ist</strong>ische<br />
Diktatur, dazu muss man nur<br />
mal das Strafgesetzbuch der ehemaligen<br />
Deutschen Demokratischen (!) Republik<br />
studieren und die sogenannten<br />
„Gummiparagraphen“ 99, 100, 106, 107,<br />
213 und 249 lesen.<br />
Eine gesellschaftliche Debatte über<br />
das Gestern im Heute, die bis in die<br />
Familien hineinreicht, hat – entgegen<br />
aller Beteuerungen – <strong>nicht</strong> stattgefunden.<br />
Stiftungen und Behörden, die sich<br />
weiterhin um Aufklärung bemühen,<br />
werden angefeindet und müssen sich<br />
rechtfertigen. Aber ich glaube, die Fragen<br />
werden noch gestellt werden. Vielleicht<br />
braucht es noch eine gewisse Zeit,<br />
bis eine junge, unbefangene und geschichtsbewusste<br />
Generation anfängt,<br />
sich mit der Geschichte ihrer Eltern und<br />
Großeltern sachlich auseinanderzusetzen.<br />
Die me<strong>ist</strong>en Diskussionen werden<br />
ja nach wie vor sehr emotional geführt.<br />
Auch ich, als Westdeutsche, genauer<br />
gesagt als gebürtige Österreicherin, erlebe<br />
immer wieder, dass Menschen aus<br />
Ost und West mich nach meiner Motivation<br />
fragen. Wieso beschäftigst du<br />
dich damit? Was hast du eigentlich damit<br />
zu tun? Ich frage dann zurück: Hat<br />
der Osten die DDR für sich gepachtet?<br />
Wir haben eine gesamtdeutsche Geschichte<br />
und eine gemeinsame Verantwortung<br />
dafür. Aber vielleicht bin ich<br />
auch nur neugierig – weil ich verstehen<br />
will? Weil mich Menschen mit Bruchstellen<br />
interessieren? Suchen Sie sich<br />
eine Antwort aus!<br />
| 11
12 |<br />
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
aNja KliNG<br />
„Wir befinden uns im 22. Jahr nach dem Mauerfall.<br />
Ich bin ein Kind der DDR, hatte eine glückliche und<br />
behütete Kindheit, ohne politischen Drill mit schlimmen<br />
Auswirkungen selbst zu erleben. Und doch sind<br />
in diesem, meinem Land, Dinge passiert, vor denen<br />
man die Augen <strong>nicht</strong> verschließen darf. Dass man<br />
junge Frauen aus politischen Gründen ins Frauengefängnis<br />
Hoheneck gesperrt und ihnen zum Teil<br />
Unmenschliches angetan hat, gehört dazu.<br />
Viele dieser Frauen sind bis heute traumatisiert. Sie<br />
haben ein Recht darauf, dass man über ihre Geschichten<br />
spricht und ihre Peiniger anklagt. Wir erzählen in<br />
‚<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>‘ eine fiktive Geschichte mit realem<br />
Hintergrund und ich hoffe, somit einen kleinen Beitrag<br />
le<strong>ist</strong>en zu können im Kampf der Hoheneckerinnen<br />
um Aufklärung und Gerechtigkeit.“
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
toBias oERtEl<br />
„In der Vorbereitung auf die Dreharbei-<br />
ten zu ‚<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>‘ <strong>ist</strong> mir erst<br />
bewusst geworden, welche Auswirkungen<br />
der Machtapparat der ehemaligen<br />
DDR noch heute auf zahllose seiner<br />
Opfer hat. Wir werden noch lange über<br />
die Schrecken dieser Zeit reden müssen<br />
und uns mit der ungeheuerlichen<br />
Hinterlassenschaft dieses Regimes<br />
auseinander setzen müssen, wenn wir<br />
uns <strong>nicht</strong> an den Betroffenen schuldig<br />
machen wollen – auch wenn es uns<br />
noch so fremd und unwahrscheinlich<br />
vorkommen mag.“<br />
| 13
14 |<br />
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
UlRich NoEthEN<br />
„‚<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>‘ erzählt eine deutsche<br />
Geschichte, die mir <strong>nicht</strong> bekannt war.<br />
Und Vielen bis heute <strong>nicht</strong> bekannt <strong>ist</strong>.<br />
Eine DDR-Geschichte, die bestürzend und<br />
erschütternd <strong>ist</strong>. Und ich fand und finde es<br />
wichtig, diese Geschichte zu erzählen. Dieser<br />
Film tut das. Der scheinbar unbescholtene<br />
Doktor Limberg, den ich in diesem Film<br />
verkörpere, <strong>ist</strong> ein Mitmacher, ein Verdränger,<br />
ein Verbrecher, der glaubte, seine<br />
Untaten hinter sich gelassen zu haben, und<br />
der nun, da sie ihn einzuholen drohen, alles<br />
tut, um seine Person, seine Familie, seine<br />
Karriere zu retten. Die Enttarnung seiner<br />
Identität <strong>ist</strong> spannend – so spannend, wie<br />
der Film ‚<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>‘ diese ganze<br />
Geschichte erzählt. Franziska Meletzky, mit<br />
der ich zum ersten Mal zusammenarbeiten<br />
konnte, hat hier einen hochwertigen, aufwendigen<br />
Psycho-Thriller gedreht. Und ich<br />
freue mich, dass ich dabei sein durfte.“
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
„es gibt kein richtiges leben im falschen.“ REGissEURiN fRaNZisKa MElEtZKy<br />
„Diesen Film zu inszenieren, war für mich eine der größten<br />
Herausforderungen bis jetzt. Psychodramen faszinieren mich<br />
ohnehin sehr, dazu kam hier noch der private Moment meiner<br />
DDR-Vergangenheit.<br />
Meine Haltung zu diesem Staat, in dem ich meine Kindheit<br />
und Jugend verbrachte, <strong>ist</strong> eindeutig: ‚<strong>Es</strong> gibt kein richtiges<br />
Leben im falschen‘. Natürlich hatte ich trotzdem einige meiner<br />
glücklichsten Momente in dieser Zeit erlebt, habe ehrliche<br />
Freundschaften erfahren und verrückte Dinge gemacht in<br />
dieser Dunsthaube der Sicherheit. Mein Glück damals war, zu<br />
jung zu sein für politische Aktivitäten und dazu auch noch<br />
parteilose, liberale Eltern zu haben.<br />
„ein geschenk an authentizität“<br />
„Der Film ‚<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>‘ war eine der größten Heraus-<br />
forderungen für uns als Produzenten. Wie erzählt man eine<br />
fiktive Geschichte vor dem Hintergrund realer Ereignisse<br />
und menschlicher Schicksale? Denn das Frauengefängnis<br />
‚Hoheneck‘ ex<strong>ist</strong>ierte 40 Jahre in der DDR und die Frauen,<br />
die dort zu Unrecht eingesperrt waren, leben mit den traumatisierenden<br />
Erfahrungen heute in einem wiedervereinten<br />
Deutschland weiter. Wir sind glücklich, mit unseren Partnern<br />
beim SWR und RBB und den Drehbuchautoren Kr<strong>ist</strong>in Derfler<br />
Ich habe viel gelernt während der intensiven Vorbereitungen<br />
für diesen Film; mehr und mehr offenbarte sich mir ein sehr<br />
dunkles, unbedingt erzählenswertes Kapitel.<br />
Das Drehbuch nutzt die realen Vorgänge damals im Frauengefängnis<br />
Hoheneck und dessen Folgen bis heute, um ein<br />
zeitloses Psychodrama zu erzählen, in dem Wahnsinn und<br />
Gesundheit, Wahrheit und Lüge sich relativieren und ebenso<br />
austauschbar werden. Trotzdem: Hätte es nie eine DDR<br />
gegeben, sondern nur diese Geschichte über einen fiktiven,<br />
sozial<strong>ist</strong>ischen Staat und seine fiktiven Langzeitfolgen – ich<br />
hätte es unbedingt und mit genau diesen Schauspielern inszenieren<br />
wollen.“<br />
PRoDUZENt MichaEl lEhMaNN UND PRoDUcERiN hEiKE stREich üBER „<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> Nicht VoRBEi“<br />
und Clemens Murath, die das Herzstück des Projekts waren,<br />
diesen Film auf die Beine gestellt zu haben. Die Regisseurin<br />
Franziska Meletzky hat gemeinsam mit der Kamerafrau Eva<br />
Fleig und allen anderen künstlerischen Gewerken diesen für<br />
uns so wichtigen Stoff kongenial umgesetzt. Und die Besetzung<br />
mit Anja Kling, Ulrich Noethen, Tobias Oertel und Melika<br />
Foroutan <strong>ist</strong> ein Geschenk an Authentizität und berührender<br />
schauspielerischer Le<strong>ist</strong>ung.“<br />
| 15
16 |<br />
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
Die Dokumentation:<br />
DiE fRaUEN VoN hohENEcK – EiN DDR-GEfäNGNis UND sEiNE schattEN iN DiE GEGENwaRt<br />
Mittwoch, 9. November 2011, 21.45 Uhr im Ersten<br />
autoren: Kr<strong>ist</strong>in Derfler und Dietmar Klein<br />
Redaktion: hans-Michael Kassel (swR)<br />
Im Anschluss an den Fernsehfilm „<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong>“ will die<br />
30-minütige Dokumentation „Die Frauen von Hoheneck“<br />
den h<strong>ist</strong>orischen Hintergrund deutlich machen und ein Licht<br />
auf diesen bisher wenig bekannten, beklemmenden Teil der<br />
DDR-Realität werfen, der die Menschen bis heute <strong>nicht</strong> loslässt.<br />
Im Frauengefängnis Hoheneck nahe Chemnitz wurden ab<br />
den späten 40er Jahren, vor allem aber nach 1970, Frauen inhaftiert,<br />
die wiederholte Ausreiseanträge gestellt oder Republikflucht<br />
geplant hatten. Ihr Wunsch nach Freiheit, nach Familienzusammenführung<br />
u. a. wurde vom DDR-Regime mit<br />
Kriminalisierung, erniedrigenden Haftbedingungen, Übergriffen<br />
des Knast-Personals (z. B. Schlägen) sowie der Ärzte<br />
(Behandlung mit Psychopharmaka), Zwangsarbeit und vor<br />
allem mit der Zerstörung ihrer Familien (Zwangsadoptionen,<br />
geheimdienstliche Zersetzung innerhalb der Familie und andere<br />
Maßnahmen) beantwortet.<br />
Heute, im Jahr 22 nach dem Mauerfall, geht es aber vor<br />
allem um die Frage der Aufarbeitung: Können die Frauen von<br />
Hoheneck Ruhe finden?<br />
Die Autoren Kr<strong>ist</strong>in Derfler und Dietmar Klein haben in<br />
mehrjährigen Recherchen mit vielen Frauen gesprochen. Drei<br />
exemplarische Beispiele stellen sie im Film vor:<br />
Ellen Thiemann wurde wegen versuchter Republikflucht verurteilt,<br />
verraten vom eigenen Ehemann. Ihre Inhaftierung in<br />
Hoheneck bleibt ein Trauma und <strong>ist</strong> noch heute lebendig. Sie<br />
klagt Menschen an, die dabei mitmachten, sie wie viele andere<br />
Frauen systematisch zu entrechten. Sie gibt sich <strong>nicht</strong><br />
damit zufrieden, dass die Taten längst verjährt sind, und sich<br />
die Täter hinter bürgerlichen Fassaden verstecken können.<br />
Helga Riede wurde verraten, als sie im Kofferraum eines<br />
Autos in den Westen wollte. Verräter war der Mann ihrer<br />
Schwester, der dafür die Verdienstmedaille der DDR erhielt.<br />
Der Kontakt mit der Schwester <strong>ist</strong> abgebrochen, die Lüge und<br />
der Verrat stehen zwischen den Frauen. Heute will Helga Riede<br />
versuchen, sich mit der Schwester auszusöhnen.<br />
Regina Labahn hatte mehrere Ausreiseanträge gestellt, als<br />
eines Tages ihre Kinder <strong>nicht</strong> mehr aus der Schule kamen. Sie<br />
waren von der Staatsmacht in ein Heim gesteckt worden. Regina<br />
Labahn landete in Hoheneck. Erst sieben Jahre später,<br />
am Tag nach dem Mauerfall, durfte sie ihre Kinder wieder<br />
vom Heim abholen. Noch heute <strong>ist</strong> die emotionale Entfremdung<br />
spürbar, das Eltern-Kind-Verhältnis massiv gestört.<br />
Aber sie kämpft um ihre Familie.
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
| 17
18 |<br />
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
Das fRaUENGEfäNGNis hohENEcK<br />
<strong>Es</strong> gibt Ortsnamen, die zum Synonym<br />
geworden sind für Schrecken und<br />
menschliches Leid. Auf dem „Bautzen-<br />
Forum“ berichten jedes Jahr ehemals<br />
politisch Verfolgte aus der Sowjetischen<br />
Besatzungszone (SBZ) bzw. der<br />
DDR über zahlreiche solche Orte. Diese<br />
ergreifenden Schilderungen sind eine<br />
Enzyklopädie ostdeutscher Haft- und<br />
Leidensorte: das NKWD-Gefängnis in<br />
der Postdamer Le<strong>ist</strong>ikowstraße, die sowjetischen<br />
Speziallager Buchenwald<br />
und Sachsenhausen, das „Gelbe Elend“<br />
in Bautzen und die Zentrale Untersuchungshaftanstalt<br />
in Berlin-Hohenschönhausen<br />
– die Aufzählung ließe<br />
sich beliebig fortsetzen.<br />
Auch das Zuchthaus Hoheneck, die<br />
„Burg“ wie die Häftlinge sie nannten,<br />
gehört in die Reihe dieser Schreckensorte.<br />
Hoheneck war aus vielerlei<br />
Gründen eines der skandalösesten Gefängnisse<br />
des SED-Staates. Der Name<br />
konnotiert wie so viele andere Orte<br />
mit der NS-Herrschaft und verbietet<br />
eigentlich eine Nutzung als Gefängnis.<br />
Immerhin hatten hier bereits 1933 die<br />
Nationalsozial<strong>ist</strong>en kurzzeitig ein sogenanntes<br />
„wildes KZ“ eingerichtet. Doch<br />
ebenso wenig, wie die Sowjetische Besatzungsmacht<br />
davor zurückschreckte,<br />
die Anlagen der ehemaligen Konzentrationslager<br />
Buchenwald und Sachsenhausen<br />
weiter zu nutzen, hatte die SED<br />
Skrupel, in den Zuchthäusern Brandenburg<br />
oder Bautzen politische Häftlinge<br />
einzusperren. Obwohl dort noch kurz<br />
zuvor Erich Honecker und Ernst Thälmann<br />
inhaftiert waren!<br />
Doch der Ort Hoheneck <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> nur<br />
symbolisch aufgeladen. Darüber hinaus<br />
entspricht das Gebäude <strong>nicht</strong> den<br />
Anforderungen für einen Strafvollzug<br />
im 20. Jahrhundert. Immerhin geht es<br />
zurück auf einen Vorgängerbau aus<br />
dem 16. Jahrhundert und beherbergte<br />
bereits 1862 ein „Sächsisches Weiberzuchthaus“<br />
und später diverse Haftanstalten<br />
für Männer. Die durch den<br />
SED-Staat hier eingesperrten Frauen<br />
berichten in ihren Erinnerungen über<br />
das kalte, feuchte Klima, über unzureichende<br />
hygienische Verhältnisse<br />
und über die Enge in den hoffnungslos<br />
überbelegten Zellen. All das aber hat<br />
die Verantwortlichen zuerst der sowjetischen<br />
Besatzungsbehörden und<br />
später des Partei- und Staatsapparates<br />
der DDR <strong>nicht</strong> davon abgehalten, hier<br />
Menschen einzusperren. Die Umstände<br />
des Strafvollzuges – so die offizielle<br />
Bezeichnung in der DDR – war in Hoheneck<br />
zu jeder Zeit ein Skandal.<br />
Der eigentliche Skandal von Hoheneck<br />
aber sind die Gründe, derentwegen<br />
die SED Tausende Frauen verschleppen<br />
ließ. Im Jahr 1950 wurden aus den aufgelösten<br />
sowjetischen Speziallagern<br />
Baut zen und Sachsenhausen über ein-<br />
tausend Frauen auf die Burg ver legt.<br />
Das für maximal 600 Häftlinge ausge-<br />
legte Zuchthaus war damit hoffungslos<br />
über belegt. Seitdem kamen nach Ho-<br />
heneck gewöhnliche Kriminelle ebenso<br />
wie poli tische Gefangene und Frauen,<br />
die einfach ihr Menschenrecht auf Frei-<br />
zügigkeit, auf das freie Wort oder auf<br />
die freie Religionsausübung für sich in<br />
Anspruch genommen hatten. Für das<br />
SED-Regime waren sie alle Verbrecher<br />
und wurden verbrecherisch behan -<br />
delt – allerdings wurden sie <strong>nicht</strong> wie<br />
die übrigen Verbrecher behandelt.<br />
Denn im Gefängnisalltag dominierten<br />
die ge wöhnlichen Kriminellen, vor denen<br />
sich die politischen Gefangenen in<br />
Acht nehmen mussten.<br />
Zusammen mit diesen Frauen kamen<br />
auch 30 Kleinkinder, die in den Lagern<br />
geboren worden waren, hierher. Diese,<br />
und viele bis 1952 im Gefängnis geborene<br />
Kinder, wurden von ihren Müttern<br />
getrennt und auf Kinderheime in der<br />
DDR verteilt. <strong>Es</strong> gibt zahlreiche Berichte<br />
über solchen entsetzlichen Kindesraub,<br />
unter dem heute noch Mütter und Kinder<br />
leiden.<br />
Welchen ‚Wert‘ die SED den hier eingesperrten<br />
Frauen beimaß, verdeutlicht<br />
ein weiteres düsteres Kapitel der DDR-<br />
Geschichte. Von Anfang der 1950er Jahre<br />
bis 1989 waren rund 8.000 Frauen<br />
aus politischen Gründen auf Hoheneck<br />
in Haft. Viele von ihnen gelangten<br />
durch Freikauf in den Westen. Denn<br />
der seit Beginn der 1960er Jahre durch<br />
die Bundesrepublik betriebene Häftlingsfreikauf<br />
war für das SED-Regime<br />
ein einträgliches Geschäft. Von 1963 bis<br />
1989 verkaufte die DDR für insgesamt<br />
etwa 3,5 Milliarden DM geschätzte<br />
34.000 Häftlinge an die Bundesrepublik<br />
Deutschland. Die Mehrzahl dieser<br />
Gefangenen verbrachte die letzten<br />
Tage in der DDR im ehemaligen Gefängnis<br />
auf dem Chemnitzer Kaßberg. Der in<br />
Anspielung auf den Rechtsanwalt Wolf-<br />
gang Vogel als „Vogelkäfig“ bezeichnete<br />
Bau steht heute zum Verkauf und wird<br />
wohl bald abgerissen werden. Damit<br />
wäre in Chemnitz der letzte authentische<br />
Ort der Unterdrückung und Willkürherrschaft<br />
im SED-Staat verloren.<br />
Das Schicksal der Burg Hoheneck <strong>ist</strong><br />
ebenfalls ungewiß. Die ehemalige<br />
„Straf vollzugseinrichtung Hoheneck“<br />
wurde im Jahr 2001 vom Fre<strong>ist</strong>aat Sach-<br />
sen geschlossen. Im Jahr 2004 wurde<br />
die gesamte Anlage zu einem symbolischen<br />
Preis an einen privaten Investor<br />
verkauft, der wohl geschmacklose<br />
kommerzielle Angebote plante („Jail-<br />
House-Feeling“ und „Knastfrühstück<br />
in originalen Zellen“), sich jedoch bald<br />
wieder zurückzog. Heute bewirbt die
<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> <strong>vorbei</strong><br />
Firma im Internet unter „www.ho-<br />
heneck.com“ das Schloß Hoheneck als<br />
‚das einzige Frauengefängnis der DDR,<br />
vollständig authentisch erhalten, hart<br />
und schonungslos in seiner Wirkung‘.<br />
Mehr als 20 Jahre nach der friedlichen<br />
Revolution und dem Ende der SED-<br />
Herrschaft scheint also ungeklärt, was<br />
in einigen Jahren von diesem einstigen<br />
Ort der Einsperrung und Rechtlosigkeit<br />
bleiben. Was und wer wird beispielsweise<br />
im Jahr 2050 Zeugnis ablegen<br />
können von dem, was hier zwischen<br />
1945 und 1990 geschehen <strong>ist</strong>?<br />
In den vergangenen 50 Jahren sind<br />
zahlreiche Haftschicksale aufgeschrieben<br />
und somit für immer vor dem Vergessen<br />
bewahrt worden. Wohl das erste<br />
und vielleicht prominenteste Beispiel<br />
<strong>ist</strong> Margarethe Kempowski, die Mutter<br />
von Walter Kempowski, die 1948 von<br />
der sowjetischen Geheimpolizei verhaftet,<br />
zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt<br />
und dann hierher verschleppt<br />
wurde. 1984 schrieb Ellen Thiemann in<br />
der Bundesrepublik den Erlebnisbericht<br />
„Stell dich mit den Schergen gut“. Und<br />
nach 1990 erschienen zahllose Berichte<br />
über diesen Ort und das Schicksal der<br />
Menschen, die in Hoheneck eingesperrt<br />
waren. Stellvertretend seien genannt:<br />
Birgit Schlicke „Knast-Tagebuch“; Eva-<br />
Maria Neumann „Sie nahmen mir <strong>nicht</strong><br />
nur die Freiheit“. Und schließlich die<br />
Zeugnisse der Hohenecker Kinder, wie<br />
z.B. Ulrich Schachts „Hohenecker Protokolle“<br />
(1984) sowie Alex Latotzkys<br />
„Kindheit hinter Stacheldraht“. Alle diese<br />
Selbstzeugnisse berichten <strong>nicht</strong> nur<br />
über das Gefängnisleben in der DDR,<br />
sondern vor allem über das Wesen des<br />
SED-Staates.<br />
Doch diejenigen, die aus eigenem Erleben<br />
berichten können, werden irgendwann<br />
als Zeitzeugen <strong>nicht</strong> mehr zur<br />
Verfügung stehen. Neben dem, was der<br />
Fachh<strong>ist</strong>oriker als „ego papers“ bezeichnet,<br />
also autobiographisches Material<br />
wie Briefe, Tagebücher und Memoirenliteratur,<br />
sowie den leider gefährdeten<br />
Sachzeugnissen <strong>ist</strong> im Fall Hoheneck<br />
ein weiterer großer Quellenfundus<br />
überliefert. Denn die Täter von einst<br />
haben zahlreiche Spuren hinterlassen.<br />
Die Staatspartei SED, die Strafvollzugsbehörden<br />
und die Geheimpolizei haben<br />
umfangreiche Akten über ihre Opfer<br />
angelegt. Aus Sicht der Wissenschaft<br />
sind dies wertvollste Materialien, denn<br />
es sind sogenannte „Überreste“, d.h. sie<br />
sind unabsichtlich überliefert worden<br />
und geben uns also unverfälscht Auskunft<br />
über das Denken und Handeln<br />
der Täter, über deren Absichten und<br />
über die Zustände in Hoheneck.<br />
Die für Hoheneck zentrale Überlieferung<br />
der Geheimpolizei des SED-<br />
Staates wird heute von einer weltweit<br />
einmaligen Einrichtung verwahrt: Der<br />
„Bundesbeauftragte für die Unterlagen<br />
des Staatssicherheitsdienstes der<br />
ehemaligen DDR“ hat den gesetzlichen<br />
Auftrag, Verfolgten ihre Stasiakten zugänglich<br />
zu machen, die Öffentlichkeit<br />
über die SED-Herrschaft zu informieren<br />
sowie Wissenschaft und Medien bei<br />
ihrer Arbeit zu unterstützen. Anhand<br />
dieser Unterlagen können ehemals<br />
Ver folgte erfahren, wer sie in der DDR<br />
bespitzelt hat oder warum sie in der<br />
DDR keinen Studienplatz bekommen<br />
haben, ehemalige Gefangene können<br />
ihre Unschuld nachweisen oder eine<br />
Opferrente beantragen, Enteignete<br />
eine Entschädigung fordern und Angehörige<br />
Auskunft über das Schicksal<br />
verschleppter Ehemänner oder Kinder<br />
erhalten.<br />
Die <strong>BStU</strong> klärt auf und informiert, aber<br />
sie ermittelt <strong>nicht</strong> und klagt niemanden<br />
an – dies <strong>ist</strong> Aufgabe der Justiz. Denn<br />
anders als DDR-Staatsanwälte und Gerichte<br />
<strong>ist</strong> die Stasiunterlagenbehörde<br />
streng an Recht und Gesetz gebunden.<br />
Und auch die ehemals Verfolgten<br />
haben in den vergangenen 20 Jahren<br />
<strong>nicht</strong> willkürlich, sondern ausnahmslos<br />
klug gehandelt und damit das Vermächtnis<br />
der friedlichen Revolution<br />
weitergetragen: <strong>Es</strong> hat keinen einzigen<br />
Fall von Selbstjustiz gegeben, die früher<br />
Verfolgten haben an ihren nun bekannten<br />
und entmachteten Peinigern keine<br />
Rache oder Siegerjustiz geübt. Vorwürfe,<br />
die Stasiunterlagenbehörde würde<br />
Millionen ehemalige DDR-Bürger verfolgen,<br />
entbehren jeder Grundlage.<br />
Das MfS der DDR hatte etwa 90.000<br />
„hauptamtliche“ sowie weitere ca.<br />
180.000 spitzelnde „inoffizielle Mitarbeiter“.<br />
Die Mehrheit der circa 17 Millionen<br />
Bürgerinnen und Bürger der DDR<br />
hat sich auf eine Zusammenarbeit mit<br />
der Geheimpolizei <strong>nicht</strong> eingelassen<br />
und wurde eben deswegen beobachtet<br />
oder gar drangsaliert.<br />
Die Frauen von Hoheneck haben seinerzeit<br />
Mut bewiesen und ein Zeichen gegen<br />
das Vergessen und für die Zukunft<br />
gesetzt. Im Jahr 1953 traten sie mit dem<br />
Mut der Verzweiflung in einen Hungerstreik,<br />
um bessere Haftbedingungen<br />
und eine Überprüfung ihrer Verurteilungen<br />
zu erreichen. Und vor 20 Jahren,<br />
genau am 26. April 1991, gründeten sie<br />
den „Frauenkreis der ehemaligen Hoheneckerinnen“.<br />
Dr. clemens heitmann<br />
Leiter der <strong>BStU</strong>-Außenstelle Chemnitz<br />
| 19
Impressum<br />
Herausgegeben von der Programmdirektion<br />
Erstes Deutsches Fernsehen/Presse und Information<br />
Redaktion: Dr. Lars Jacob (Das Erste)<br />
Bildredaktion: Rita Jacobi<br />
Bildnachweis: SWR/Gordon Muehle;<br />
SWR/Repro (S.19)<br />
Grafik: din jank_münchen<br />
Druck: Steininger Druck e.K., Ismaning<br />
O-Töne und Radio-Kits zu diesem Film finden akkrediti erte<br />
Journal<strong>ist</strong>en in der Datenbank von ARD TVAudio, die im Pressedienst<br />
Online (https://presse.daserste.de) direkt verlinkt <strong>ist</strong>.<br />
www.ard-foto.de<br />
Pressekontakt<br />
Dr. Lars Jacob (Das Erste)<br />
Tel.: 089/5900-2898<br />
Fax: 089/5501259<br />
E-Mail: lars.jacob@DasErste.de<br />
Annette Gilcher (SWR)<br />
Tel.: 07221/929-4016<br />
E-Mail: annette.gilcher@swr.de<br />
Julia Kainz, Carina Fischer<br />
Filmcontact<br />
Tel. 030/2 79 08-700<br />
E-Mail: juliakainz@filmcontact<br />
www.DasErste.de