Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein ... - MIK NRW
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<strong>Verfassungsschutzbericht</strong> <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Nord rhein-Westfalen 2010<br />
Die organisatorischen Wurzeln der 'Millî Görüş' in Deutschland reichen bis in die Mitte<br />
der 1970er Jahre zurück. Anfang der 1980er kam es zu einer Krise, als ein erheblicher<br />
Teil der damaligen 'Millî Görüş'-Anhänger sich Cemaleddin Kaplan, dem späteren<br />
„Kalifen von Köln“ und Gründer <strong>des</strong> 'Kalifatsstaats' zuwandte. Der Streit zwischen<br />
Erbakan und Kaplan entzündete sich an der Frage, ob man auf politische Beteiligung<br />
innerhalb der herrschenden Ordnung setzen solle, so Erbakans Strategie, oder auf<br />
eine revolutionäre Umgestaltung der Türkei hinwirken solle, wie Kaplan es nach dem<br />
Vorbild der iranischen Revolution vorschwebte.<br />
Danach begann eine Neustrukturierung der 'Millî Görüş' in Deutschland durch Angehörige<br />
der 1983 in der Türkei gegründeten 'Refah Partisi', die hierfür von Necmettin<br />
Erbakans nach Deutschland entsandt worden waren. Die Verbindung zwischen der<br />
Bewegung in der Türkei und der 1985 gegründeten 'Vereinigung der neuen Weltsicht<br />
in Europa e.V.' ('Avrupa Millî Görüş Teşkilatları' – AMGT) war dementsprechend eng.<br />
Im Zuge einer organisatorischen Neuordnung 1995/96 entstand aus der AMGT die<br />
heute bekannte Struktur der 'Millî Görüş' in Europa mit der 'Europäischen Moscheebau-<br />
und Unterstützungsgemeinschaft' (EMUG) und der 'Islamischen Gemeinschaft<br />
Millî Görüş' (IGMG). Diese Neuorganisation spiegelt vor allem eine Aufgabentrennung<br />
wider: die EMUG verwaltet die Immobilien, die IGMG übernimmt Aufgaben im religiösen,<br />
kulturellen und sozialen Bereich.<br />
Die IGMG selbst stellt die Neuorganisation als entscheidenden Einschnitt dar. Eine<br />
neue Generation von Führungskräften sei aufgerückt, und 'Millî Görüş' in Deutschland<br />
<strong>des</strong>halb nicht mehr islamistisch. Richtig daran ist, dass nach 1995 teilweise<br />
ein Generationswechsel auch auf der Führungsebene stattgefunden hat. Dennoch<br />
waren in den Vorständen von EMUG und IGMG dieselben Personen vertreten, die<br />
zuvor den Vorstand der AMGT gebildet hatten. Mittlerweile – so kann man mit guten<br />
Gründen annehmen – sind sowohl in den Vorständen wie auch unter den übrigen<br />
Mitgliedern der IGMG etliche, die die ideologischen Vorgaben von Necmettin Erbakan<br />
– zumin<strong>des</strong>t nicht mehr in Gänze – teilen. Doch auch die islamistisch ausgerichteten<br />
Erbakan-Anhänger sind nach wie vor auf allen Ebenen zahlreich in der Organisation<br />
vertreten und bemühen sich, ihre ideologischen Ziele in und mit Hilfe der Organisation<br />
zu verwirklichen.<br />
226 islAmismus