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Sachwert Magazin Ausgabe 62, Dezember 2017

WOLFGANG BOSBACH: Man sollte nicht nur meinung haben, sondern auch ahnung CLAUS VOGT: US-Wirtschaft wird weiter schön geredet

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CLAUS VOGT: US-Wirtschaft wird weiter schön geredet

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Geldpolitik<br />

Das Gold und die FED<br />

Wie funktioniert das System?<br />

Ist die Fed pleite? Das umgangssprachliche<br />

Kürzel »Fed« bezieht sich auf das<br />

gesamte Federal Reserve System, das aus<br />

zwölf regionalen Federal Reserve Banken<br />

besteht, die jeweils den Geschäftsbanken<br />

in der betreffenden Region gehören. Mit<br />

dem Wort »pleite« meinen wir insolvent<br />

– dass ihre Verbindlichkeiten höher wären<br />

als ihre Vermögenswerte, sodass ihr Gesamt-Nettovermögen<br />

negativ wäre. Aber<br />

abgesehen von Definitionen bleibt die<br />

Frage: Ist die Fed pleite?<br />

Ich hatte Gelegenheit, über diese Frage<br />

mit Mitgliedern des »Board of Governors«<br />

(»Vorstands«) zu sprechen, mit<br />

Präsidenten regionaler Federal-Reserve-Banken,<br />

hochrangigen Fed-Mitarbeitern<br />

sowie Präsidentschaftskandidaten<br />

und anderen. Die Antworten, die ich erhielt,<br />

waren »Nein«, »Ja«, »Vielleicht«<br />

und »Das spielt keine Rolle«. Jede dieser<br />

Antworten zeigt einen beunruhigenden<br />

Aspekt der Federal Reserve. Wir wollen<br />

uns diese Antworten etwas genauer ansehen<br />

und analysieren, was die Personen,<br />

die sie gegeben haben, eigentlich damit<br />

meinten.<br />

Oberflächlich betrachtet ist die Fed nicht<br />

insolvent. Während ich dies schreibe,<br />

weist die Bilanz der Fed Vermögenswerte<br />

von insgesamt etwa 4,49 Billionen Dollar<br />

aus, Verbindlichkeiten von insgesamt<br />

etwa 4,45 Billionen Dollar und ein Gesamtkapital<br />

(Vermögenswerte minus Verbindlichkeiten)<br />

von etwa 40 Milliarden<br />

Dollar. Zugegeben, die Fed ist hochgradig<br />

»leveraged« (»gehebelt«, also fremdfinanziert),<br />

etwa 114 zu 1. Der Leverage-Effekt<br />

beziehungsweise die Fremdfinanzierung<br />

verstärkt die Auswirkungen<br />

von Gewinnen und Verlusten auf das Eigenkapital.<br />

Schon durch einen Verlust von<br />

1 Prozent auf ihre Vermögenswerte wäre<br />

das gesamte Kapital der Fed vernichtet.<br />

In normalen Aktien- und Anleihemärkten<br />

kommt es ständig vor, dass die Kurse<br />

um 1 Prozent fallen. Die Bilanz der Fed ist<br />

hochgradig gehebelt und hängt am seidenen<br />

Faden, aber technisch gesehen ist<br />

die Fed nicht insolvent.<br />

Das bringt uns zu dem Konzept, der<br />

»marktgerechten Bewertung«. Wie der<br />

Ausdruck schon sagt, bedeutet das, dass<br />

jeder Vermögenswert aufgrund der besten<br />

verfügbaren Informationen nach dem<br />

aktuellen Marktpreis neu bewertet wird.<br />

Hedgefonds und Wertpapierhändler tun<br />

das jeden Tag, wenn auch die Ergebnisse<br />

nur periodisch berichtet werden. Banken<br />

führen ebenfalls für Teile ihrer Bilanz regelmäßig<br />

eine marktgerechte Bewertung<br />

durch. Manche Vermögenswerte werden<br />

zum Marktpreis bewertet, andere dagegen<br />

nicht, je nachdem, ob diese Anlagen<br />

für den Eigenhandel gedacht sind oder ob<br />

sie langfristige Investments darstellen. Die<br />

Fed bilanziert nicht nach aktuellen Marktwerten.<br />

Aber was wäre, wenn sie es täte?<br />

Wäre sie dann insolvent? Um diese Frage<br />

zu beantworten, müssen wir uns etwas<br />

näher mit den Einzelheiten der Fed-Bilanz<br />

beschäftigen.<br />

Ist die Fed<br />

pleite?<br />

XO Ja<br />

XO Nein<br />

XO Vielleicht<br />

XO Das spielt<br />

keine Rolle<br />

Die Preise von kurzfristigen Instrumenten,<br />

zum Beispiel von Geldmarktpapieren mit<br />

dreimonatiger Laufzeit, verändern sich so<br />

gut wie gar nicht. Sie unterliegen so geringen<br />

Schwankungen, dass sie sich kaum<br />

auf die Solvenz der Fed auswirken, selbst<br />

wenn sie marktgerecht bewertet würden.<br />

Das gilt allerdings nicht für Schatzanweisungen<br />

mit zehn Jahren Laufzeit sowie für<br />

30-jährige Staatsanleihen; diese beiden<br />

Instrumente sind sehr volatil (schwankungsanfällig).<br />

Tatsächlich nimmt die Volatilität<br />

(die technisch als »Laufzeit« bezeichnet<br />

wird) bei niedrigeren Zinsen zu.<br />

Bekanntlich waren die Zinsen in den vergangenen<br />

sechs Jahren nahe ihren historischen<br />

Tiefstständen, was bedeutet, dass<br />

solche Instrumente besonders anfällig<br />

für starke Schwankungen des jeweiligen<br />

Marktwertes waren.<br />

In der Bilanz der Fed werden »U.S. Treasury<br />

securities – Notes and Bonds, nominal«<br />

(»Wertpapiere des US-Finanzministeriums<br />

– Schatzbriefe und Anleihen, nominal«)<br />

in einer einzigen Kategorie zusammengefasst<br />

und zeigen, während ich dies schreibe,<br />

einen Bestand von etwa 2,3 Billionen<br />

Dollar. Darüber hinaus schlüsselt die Fed<br />

diese Bestände nach den regionalen Federal-Reserve-Banken<br />

auf. Von den 2,3<br />

Billionen, die vom Federal Reserve System<br />

insgesamt gehalten werden, stehen 1,48<br />

Billionen bei der Federal Reserve Bank of<br />

New York zu Buche. Das ergibt Sinn, da<br />

die New York Fed die Offenmarktoperationen<br />

für das gesamte System durchführt<br />

und im Rahmen der diversen »Quantitative<br />

Easing«-Programme (QE, »quantitative<br />

Lockerung«) als größter Käufer von<br />

Staatsanleihen auftritt. Die New York Fed<br />

wiederum veröffentlicht eine detaillierte<br />

Aufstellung der US-Staatsanleihen, die sie<br />

unter ihrem System Open Market Account<br />

(SOMA, »systemweites Offenmarktkonto«)<br />

hält. Mithilfe dieser detaillierten<br />

Informationen über diese Wertpapiere,<br />

eines tagesaktuellen Börsentickers sowie<br />

herkömmlicher Anleihen-Rechenregeln<br />

ist es möglich, diesen Teil der Fed-Bilanz<br />

marktgerecht zu bewerten.<br />

Die Daten der New York Fed zeigen, dass<br />

die Fed auf dem Höhepunkt der QE2-<br />

und QE3-Programme große Mengen von<br />

sehr schwankungsanfälligen Zehn-Jahres-Schatzbriefen<br />

gekauft hat. Für QE2<br />

fanden diese Käufe in der Zeit von November<br />

2010 bis Juni 2011 statt, für QE3<br />

von September 2012 bis Oktober 2014.<br />

Verwendet man nur diese Daten, war die<br />

Fed zu bestimmten Zeiten zwischen Juni<br />

und <strong>Dezember</strong> 2013 technisch insolvent,<br />

wenn man eine marktgerechte Bewertung<br />

dieser Wertpapiere zugrunde legt.<br />

Zu dieser Zeit erbrachte eine Zehn-Jahres-Anleihe<br />

eine Umlaufrendite von etwa<br />

3 Prozent. Zum Zeitpunkt der entsprechenden<br />

Käufe brachten die meisten<br />

dieser Zehn-Jahres-Schatzanweisungen<br />

Renditen von 1,5 bis 2,5 Prozent. Diese<br />

Veränderung der Renditen vom 1,5- auf<br />

das 3-Prozent-Niveau hätte durch marktgerechte<br />

Bewertung zu erheblichen Wertabschreibungen<br />

auf diesen Teil des Portfo-

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