Leseprobe Personalrat 12_2017

13.12.2017 Aufrufe

echtsprechung Leitsätze Der Personalrat 12 | 2017 Recht kompakt Leit­ und Orientierungssätze aus der Arbeitsund Verwaltungsgerichtsbarkeit beamtenrecht Finanzieller Ausgleich eines Lebensarbeitszeitkontos personalvertretungsrecht Vorlage einer AU­Bescheinigung ab dem ersten Krankheitstag 1. Zur Reichweite der Allzuständigkeit des Personalrats sowie zur Bedeutung der beispielhaft aufgezählten Mitbestimmungstatbestände nach dem Bremischen Personalvertretungsgesetz (wie Beschluss vom 31.5.2017 – 6 LP 37/16). 2. Bei einer an einen einzelnen Arbeitnehmer gerichteten Anordnung, ab dem ersten Krankheitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, handelt es sich um eine personelle Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinn. OVG Bremen, Beschluss vom 31.5.2017 – OVG 6 LP 54/15 personalvertretungsrecht Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung 1. Das Bremische Personalvertretungsgesetz sieht eine Allzuständigkeit des Personalrats vor. Die im Gesetz enthaltenen Beispielskataloge der sozialen, personellen und organisatorischen Mitbestimmung schränken die Allzuständigkeit nicht ein. 2. In personellen Angelegenheiten ist die Mitbestimmung des Personalrats nur gegeben, wenn die Dienststellenleitung beabsichtigt, gegenüber einem Bediensteten eine Maßnahme zu ergreifen. Der Maßnahmebegriff hat im Personalvertretungsrecht einen fest umrissenen Inhalt. 3. Bei der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung handelt es sich um eine Maßnahme. OVG Bremen, Beschluss vom 31.5.2017 – OVG 6 LP 37/16 1. Die unterschiedliche Behandlung von Personen, die aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen nicht (mehr) in der Lage sind, ein Guthaben auf ihrem Lebensarbeitszeitkonto auszugleichen und Personen, die auf Grund eigenen Willensentschlusses hierzu nicht in der Lage sind, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. 2. Der Fall des Dienstherrenwechsels wird weder von der Störfallregelung des § 2 Abs. 6 der PflichtstundenVO (Hessen) noch von dem Regelfall der Ermäßigung im letzten Schuljahr bzw. letzten Schuljahr des § 2 Abs. 4 PflichtstundenVO (Hessen) erfasst, sondern von § 2 Abs. 5 der PflichtstundenVO (Hessen), nach dem auf Antrag eine Ermäßigung vorgesehen ist, soweit dringende dienstliche Belange nicht beeinträchtigt werden. 3. Unterlässt es der betroffene Beamte oder die betroffene Beamtin, einen Freistellungs- bzw. Ermäßigungsantrag zu stellen und damit das Lebensarbeitszeitkonto abzubauen, steht ihm / ihr nach erfolgter Versetzung eine Ausgleichszahlung nicht zu. Eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 6 der PflichtstundenVO (Hessen) ist in dieser Konstellation nicht geboten. 4. Die Freistellung oder Ermäßigung vor Dienstherrenwechsel setzt zwingend voraus, dass der betroffene Beamte bzw. die betroffene Beamtin einen Freistellungs-/Ermäßigungsantrag gestellt hat. 5. Die Richtlinien zum Lebensarbeitszeitkonto können als (verwaltungsinterne) Erlassregelungen neben den gesetzlichen Vorgaben selbst keinen Zahlungsanspruch begründen Hessischer VGH, Urteil vom 3.5.2017 – 1 A 1806/16 arbeitsrecht Kündigung wegen sexueller Belästigung Die absichtliche Berührung primärer oder sekundärer Geschlechtsmerkmale eines anderen ist sexuell bestimmt i.S.d. § 3 Abs. 4 AGG. Es handelt sich um einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre. Auf eine sexuelle Motivation der Berührung kommt es nicht an. BAG, Urteil vom 29.6.2017 – 2 AZR 302/16 36

Der Personalrat 12 | 2017 Orientierungssätze rechtsprechung arbeitsrecht arbeitsrecht Nebeneinander von Arbeits­ und Dienstvertrag Es ist rechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber ein freies Dienstverhältnis begründet, das neben dem Arbeitsverhältnis besteht. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das dem Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrags zustehende Weisungsrecht nicht für die Tätigkeiten gilt, die der Vertragspartner aufgrund des Dienstverhältnisses schuldet. BAG, Urteil vom 27.6.2017 – 9 AZR 851/16 arbeitsrecht Entstehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses 1. Für die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags kommt es auf die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gegebenen Umstände an. Später eintretende Änderungen haben grundsätzlich keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der vereinbarten Befristung. Fällt der bei Vertragsschluss gegebene Sachgrund für die Befristung später weg, entsteht daher kein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn sich während der Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses die Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert. 2. Wird jedoch in einem Änderungsvertrag unter Beibehaltung der vertraglich vereinbarten Befristungsdauer eine Änderung der Tätigkeit und ggf. der Vergütung vereinbart, unterliegt der Änderungsvertrag als letzter Arbeitsvertrag der Befristungskontrolle. In diesem Fall kommt es darauf an, ob bei Abschluss des Änderungsvertrags ein Sachgrund für die Befristung bestand. Die Befristung des Änderungsvertrags kann allerdings nur dann auf ihre Wirksamkeit überprüft werden, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG die Unwirksamkeit der Befristung des Änderungsvertrags geltend macht. BAG, Urteil vom 17.5.2017 – 7 AZR 301/15 Befristung zur Vertretung 1. Die vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers und die darauf beruhende Abordnung in einen anderen Arbeitsbereich für die Dauer der Teilzeitbeschäftigung kann einen Sachgrund für die Befristung des Arbeitsvertrags mit einer vollzeitbeschäftigten Vertretungskraft nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG darstellen. 2. Die Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des Vertretenen ist Teil des Sachgrunds der Vertretung. Erforderlich ist, dass der Arbeitgeber bei Vertragsschluss berechtigterweise mit der Rückkehr der Stammkraft rechnen durfte. Bei einer »Abordnungsvertretung« muss der Arbeitgeber bei der von ihm anzustellenden Prognose alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Dazu gehören nicht nur etwaige Erklärungen der abgeordneten Stammkraft über ihre Rückkehrabsichten, sondern insbesondere auch die Planungs- und Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers. Diese Anforderungen sind auch dann zu stellen, wenn der Vertretungsbedarf auf einer zeitlich begrenzten Reduzierung der Arbeitszeit der Stammkraft und zusätzlich darauf beruht, dass diese mit dem verbleibenden Arbeitszeitvolumen in einen anderen Arbeitsbereich abgeordnet wurde. BAG, Urteil vom 12.4.2017 – 7 AZR 436/15 tarifrecht Eingruppierung eines Ausbilders 1. Eine Ausbildungswerkstatt i.S.d. Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 9a Fallgr. 2 Teil III Abschn. 4 EntgeltO Bund setzt voraus, dass sie allein Ausbildungszwecken dient. 2. Die daraus folgende Höherbewertung der Ausbildertätigkeit in – reinen – Ausbildungswerkstätten gegenüber der Ausbildertätigkeit eines Handwerkers in »normalen« Werkstätten durch die Tarifvertragsparteien ist von deren Regelungsmacht umfasst und auch unter Gleichheitsaspekten nicht zu beanstanden. BAG, Urteil vom 26.4.2017 – 4 AZR 331/16 37

echtsprechung<br />

Leitsätze<br />

Der <strong>Personalrat</strong> <strong>12</strong> | <strong>2017</strong><br />

Recht kompakt<br />

Leit­ und Orientierungssätze aus der Arbeitsund<br />

Verwaltungsgerichtsbarkeit<br />

beamtenrecht<br />

Finanzieller Ausgleich eines<br />

Lebensarbeitszeitkontos<br />

personalvertretungsrecht<br />

Vorlage einer AU­Bescheinigung<br />

ab dem ersten Krankheitstag<br />

1. Zur Reichweite der Allzuständigkeit des <strong>Personalrat</strong>s sowie<br />

zur Bedeutung der beispielhaft aufgezählten Mitbestimmungstatbestände<br />

nach dem Bremischen Personalvertretungsgesetz<br />

(wie Beschluss vom 31.5.<strong>2017</strong> – 6 LP 37/16).<br />

2. Bei einer an einen einzelnen Arbeitnehmer gerichteten<br />

Anordnung, ab dem ersten Krankheitstag eine ärztliche<br />

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, handelt es sich<br />

um eine personelle Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen<br />

Sinn.<br />

OVG Bremen, Beschluss vom 31.5.<strong>2017</strong> – OVG 6 LP 54/15<br />

personalvertretungsrecht<br />

Anordnung einer amtsärztlichen<br />

Untersuchung<br />

1. Das Bremische Personalvertretungsgesetz sieht eine Allzuständigkeit<br />

des <strong>Personalrat</strong>s vor. Die im Gesetz enthaltenen<br />

Beispielskataloge der sozialen, personellen und organisatorischen<br />

Mitbestimmung schränken die Allzuständigkeit nicht ein.<br />

2. In personellen Angelegenheiten ist die Mitbestimmung<br />

des <strong>Personalrat</strong>s nur gegeben, wenn die Dienststellenleitung<br />

beabsichtigt, gegenüber einem Bediensteten eine Maßnahme<br />

zu ergreifen. Der Maßnahmebegriff hat im Personalvertretungsrecht<br />

einen fest umrissenen Inhalt.<br />

3. Bei der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung<br />

handelt es sich um eine Maßnahme.<br />

OVG Bremen, Beschluss vom 31.5.<strong>2017</strong> – OVG 6 LP 37/16<br />

1. Die unterschiedliche Behandlung von Personen, die aus<br />

von ihnen nicht zu vertretenden Gründen nicht (mehr) in der<br />

Lage sind, ein Guthaben auf ihrem Lebensarbeitszeitkonto<br />

auszugleichen und Personen, die auf Grund eigenen Willensentschlusses<br />

hierzu nicht in der Lage sind, verstößt nicht<br />

gegen Art. 3 Abs. 1 GG.<br />

2. Der Fall des Dienstherrenwechsels wird weder von der<br />

Störfallregelung des § 2 Abs. 6 der PflichtstundenVO (Hessen)<br />

noch von dem Regelfall der Ermäßigung im letzten Schuljahr<br />

bzw. letzten Schuljahr des § 2 Abs. 4 PflichtstundenVO<br />

(Hessen) erfasst, sondern von § 2 Abs. 5 der PflichtstundenVO<br />

(Hessen), nach dem auf Antrag eine Ermäßigung vorgesehen<br />

ist, soweit dringende dienstliche Belange nicht beeinträchtigt<br />

werden.<br />

3. Unterlässt es der betroffene Beamte oder die betroffene<br />

Beamtin, einen Freistellungs- bzw. Ermäßigungsantrag zu stellen<br />

und damit das Lebensarbeitszeitkonto abzubauen, steht<br />

ihm / ihr nach erfolgter Versetzung eine Ausgleichszahlung<br />

nicht zu. Eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 6 der PflichtstundenVO<br />

(Hessen) ist in dieser Konstellation nicht geboten.<br />

4. Die Freistellung oder Ermäßigung vor Dienstherrenwechsel<br />

setzt zwingend voraus, dass der betroffene Beamte bzw. die<br />

betroffene Beamtin einen Freistellungs-/Ermäßigungsantrag<br />

gestellt hat.<br />

5. Die Richtlinien zum Lebensarbeitszeitkonto können als (verwaltungsinterne)<br />

Erlassregelungen neben den gesetzlichen<br />

Vorgaben selbst keinen Zahlungsanspruch begründen<br />

Hessischer VGH, Urteil vom 3.5.<strong>2017</strong> – 1 A 1806/16<br />

arbeitsrecht<br />

Kündigung wegen sexueller<br />

Belästigung<br />

Die absichtliche Berührung primärer oder sekundärer Geschlechtsmerkmale<br />

eines anderen ist sexuell bestimmt i.S.d.<br />

§ 3 Abs. 4 AGG. Es handelt sich um einen Eingriff in die körperliche<br />

Intimsphäre. Auf eine sexuelle Motivation der Berührung<br />

kommt es nicht an.<br />

BAG, Urteil vom 29.6.<strong>2017</strong> – 2 AZR 302/16<br />

36

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!