Leseprobe Personalrat 12_2017

13.12.2017 Aufrufe

titelthema schöneberger forum 2017 Der Personalrat 12 | 2017 Gleichstellung im öffentlichen Dienst gleichberechtigung Auf dem Papier scheint der öffentliche Dienst gleichstellungspolitisch gut aufgestellt. Das sagen jedenfalls die Gleichberechtigungsgesetze. Doch die Praxis sieht anders aus. VON ELKE WIECHMANN darum geht es 1. Der Staat muss die Gleichberechtigung von Frauen und Männern auch wirklich durchsetzen. 2. Trotz vieler Gleichberechtigungsgesetze finden sich im öffentlichen Dienst nur wenige Frauen in Spitzenpositionen. 3. Familienbedingte Ausfallzeiten erweisen sich für Frauen weiterhin als Karrierehemmnisse. Der öffentliche Dienst ist weiblich. Mehr als 60 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, wenngleich unterschiedlich verteilt auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene, wo schließlich die meisten Frauen arbeiten. Damit hat sich der öffentliche Dienst in den letzten mehr als 25 Jahren zu einem »Frauenarbeitsmarkt« gewandelt. 1 Dieses Bild vermittelt auf den ersten Blick unter anderem, der öffentliche Dienst sei gleichstellungspolitisch gut aufgestellt. Auf den zweiten Blick ergeben sich allerdings einige Fragen: Denn Frauen sind noch immer deutlich seltener in Führungspositionen vertreten – je höher die Position, desto weniger sind sie zu finden. Ein Drittel der beschäftigten Frauen im öffentlichen Dienst arbeitet in Teilzeit, und das nicht immer freiwillig. Sie sind seltener in (politisch) richtungsweisenden Gremien vertreten, entscheiden also deutlich weniger über künftige Wege mit. All dies kann mittlerweile kaum noch mit den geringeren Qualifikationsvoraussetzungen von Frauen gegenüber Männern erklärt werden, wenn wir doch seit Jahrzehnten die guten und zum Teil sogar besseren Bildungsabschlüsse von Frauen beobachten können. Auch die gleichstellungspolitische Gesetzeslage insbesondere für den öffentlichen Dienst kann als umfangreich und vielfältig bezeichnet werden. Wo sind dann die Hemmnisse für die gleichstellungspolitische (Weiter-) Entwicklung? Gleiche Rechte – institutionelle Gleichstellung Bei der Gleichstellung sind die Perspektiven im Lebensverlauf von Männern und Frauen zu berücksichtigen. Die gleichstellungspolitische Ausgangslage im öffentlichen Dienst sieht auf den ersten Blick gut aus. Der Staat ist in der Verantwortung, die »tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung« voranzutreiben (Art. 3 Abs. 2 GG) und dafür tut er einiges. Denn institutionell ist die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern im 21. Jahrhundert in Deutschland in vielen Gesetzen verankert und wird darüber hinaus von der Europäischen Union gesetzlich gestützt und für die Mitgliedstaaten gefordert. 18 1 An dieser Stelle kann nicht näher auf die grundsätzlichen Ver änderungen im öffentlichen Dienst eingegangen werden, die etwa zeitgleich mit den Verwaltungsmodernisierungen Anfang der 1990er Jahre in den Kommunen ihren Ausgang nahmen, begleitet von zum Teil massivem Personalabbau, von Haushalts defiziten oder neuen Tarifen (ab 2005 und sukzessive auch für Beamte), die aber dennoch in Zusammenhang gebracht werden müssen. 2 Die 16 Bundesländer bezeichnen ihre Landesgleichstellungsgesetze unterschiedlich. In Nordrhein-Westfalen heißt es zum Beispiel Landesgleichstellungsgesetz, in Baden-Württemberg Chancengleichheitsgesetz oder in Hessen Gleichberechtigungsgesetz. Hier soll der Einfachheit halber der Begriff Landesgleichstellungsgesetz genutzt werden. 3 Seit dem 1.1.2016 gilt die feste Geschlechterquote von 30 Prozent für neu zu besetzende Aufsichtsratsposten in börsennotierten und voll mitbestimmten Unternehmen.

Der Personalrat 12 | 2017 schöneberger forum 2017 titelthema Neben dem Grundgesetz wurden das Bundesgleichberechtigungsgesetz (BGleiG) sowie die Landesgleichberechtigungsgesetze (LGG) 2 in allen 16 Bundesländern beschlossen. Bundesgleichberechtigungsgesetz und Landesgleichstellungsgesetze beziehen sich ausschließlich auf den öffentlichen Dienst. Diese Gesetze schließen unter anderem die Institutionalisierung von Gleichstellungsbeauftragten vor allem als Beraterinnen der Behörden ein. Aber auch in anderen Gesetzen ist die Gleichstellung integriert: So beispielsweise im Bundesgremiengesetz oder im Landesbeamtengesetz NRW, um nur zwei Beispiele zu nennen. Darüber hinaus trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im August 2006 in Kraft. Seit 2016 gilt das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG) 3 , kurz Quotengesetz. Schließlich ist Gleichberechtigung auch im Betriebsverfassungsgesetz sowie den Personalvertretungsgesetzen der einzelnen Bundesländer verankert und damit Aufgabe von Betriebs- und Personalräten in privaten Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen. Damit ist der öffentliche Sektor gleichstellungspolitisch deutlich stärker reguliert als die Privatwirtschaft. Zumindest für den öffentlichen Dienst ist also anzunehmen, dass die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Deutschland fester Bestandteil ist. Gleiche Chancen – strukturelle Grenzen Die Wahrnehmung ist ambivalent: Es gibt zwar eine Vielzahl von Gleichstellungsgesetzen, Gleichstellungsbeauftragten, Gleichstellungsberichten und Instrumenten, allerdings auch Zweifel an ihrer Wirksamkeit, wenn man die Zahlen zu Rate zieht. Je höher die Positionen, desto weniger Frauen sind nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch im gleichstellungspolitisch gut regulierten öffentlichen Dienst zu finden. Ein kurzer Blick auf Spitzenpositionen soll dies verdeutlichen: Der Anteil der beamteten Staatssekretärinnen in den Bundesministerien betrug in der 18. Wahlperiode (bis 2017) 18 Prozent. 4 Der Anteil der Dezernentinnen als Spitzenposition auf kommunaler Ebene beträgt 2017 5 29 Prozent. Will man die Führungspositionen im öffentlichen Dienst genauer in den Blick nehmen, dann wird es schwierig, denn einheitlich erfasst sind sie nicht. Schimeta 6 stellt fest, dass nicht alle Personen, die als Führungskräfte in den Statistiken geführt werden, auch tatsächlich führen, sondern in dieser Rubrik finden sich häufig auch hochqualifizierte Fachkräfte, was letztlich das Bild verfälscht. Mit einem qualifizierten Überblick wird es somit schwierig. Es werden unter anderem zwei Problemfelder für eine noch immer nicht erreichte Gleichstellung von Männern und Frauen im Erwerbsleben ausgemacht: Einerseits wird eine unbefriedigende Umsetzung der Gleichstellungsgesetze in der Praxis ausgemacht und andererseits wird in den letzten Jahren verstärkt die unterschiedliche Lebensverlaufsperspektive von Männern und Frauen diskutiert. Gleichstellungsgesetze enthalten häufig Formulierungen, die eher auf Soll- und Kann-Maßnahmen setzen, und denen zum Teil wirkungsvolle Anreiz-, Sanktions- und Kontrollmechanismen fehlen. Damit degradieren sie zu »soft laws« oder zahnlosen Tigern. Das liegt nicht immer nur am Gesetzgeber. So hat das Beispiel des 2016 novellierten Landesbeamtengesetzes in Nordrhein-Westfalen gezeigt, dass der Widerstand auf dem Fuße folgte: Das Oberverwaltungsgericht von Nordrhein-Westfalen hatte im Februar 2017 entschieden, dass die Vorschrift zur Frauenförderung bei Beförderungen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. 7 Die Neufassung des Beförderungsparagrafen (§ 19 Abs. 6 Landesbeamtengesetz NRW) ist mit dem verankerten Gebot der Bestenauslese verfassungsrechtlich nicht vereinbar und verstoße gegen Art. 33 Abs. 2 GG, entschieden die Richter. Hier sahen sie den Verfassungsbruch in der Formulierung, dass Frauen bei »im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung« bevorzugt zu befördern seien. »Im Wesentlichen« wurde daraufhin von der neuen Landesregierung (CDU und FDP), die im politischen Diskurs bereits vorher der Novellierung kritisch gegenüber stand, gestrichen. Die dienstliche Beurteilung als Grundlage für die Bestenauslese steht bereits seit einigen Jahren in der gleichstellungspolitischen Kritik 8 , weil Frauen auffallend häufig schlechter beurteilt werden als Männer und damit das Nachsehen bei Beförderungen haben. Insbesondere die Bewertungs- bzw. Beurteilungskri- Berücksichtigt bereits das neue BDSG! Auf dem neusten Stand Wolfgang Däubler Gläserne Belegschaften Das Handbuch zum Beschäftigtendatenschutz 7., aktualisierte u. überarb. Auflage 2017. 678 Seiten, gebunden € 59,90 ISBN: 978-3-7663-6620-7 www.bund-verlag.de/6620 4 Vgl. Amtliches Handbuch des Deutschen Bundestages. 5 Vgl. Holtkamp/Wiechmann/Buß, Genderranking deutscher Großstädte, Heinrich-Böll-Stiftung, 2017. 6 Vgl. Schimeta, Einsam an der Spitze. Frauen in Führungspositionen im Öffentlichen Sektor, Friedrich-Ebert Stiftung, 2014. 7 OVG Nordrhein-Westfalen 21.2.2017 – 6 B 1109/16 –, juris. 8 Vgl. zum Beispiel Jochmann-Döll/Tondorf, Nach Leistung, Eignung und Befähigung? – Beurteilung von Frauen und Männern im Polizeidienst, Hans-Böckler-Stiftung, Arbeitspapier 276. Hierzu auch Jochmann-Döll, in diesem Heft ab Seite 12. kontakt@bund-verlag.de 19 Info-Telefon: 069 / 79 50 10-20

titelthema schöneberger forum <strong>2017</strong><br />

Der <strong>Personalrat</strong> <strong>12</strong> | <strong>2017</strong><br />

Gleichstellung im<br />

öffentlichen Dienst<br />

gleichberechtigung Auf dem Papier scheint der öffentliche<br />

Dienst gleichstellungspolitisch gut aufgestellt. Das sagen jedenfalls<br />

die Gleichberechtigungsgesetze. Doch die Praxis sieht anders aus.<br />

VON ELKE WIECHMANN<br />

darum geht es<br />

1. Der Staat muss die<br />

Gleichberechtigung<br />

von Frauen und Männern<br />

auch wirklich durchsetzen.<br />

2. Trotz vieler Gleichberechtigungsgesetze<br />

finden<br />

sich im öffentlichen<br />

Dienst nur wenige Frauen<br />

in Spitzenpositionen.<br />

3. Familienbedingte Ausfallzeiten<br />

erweisen sich<br />

für Frauen weiterhin als<br />

Karrierehemmnisse.<br />

Der öffentliche Dienst ist weiblich.<br />

Mehr als 60 Prozent der Beschäftigten<br />

sind Frauen, wenngleich unterschiedlich<br />

verteilt auf Bundes-,<br />

Länder- und kommunaler Ebene, wo schließlich<br />

die meisten Frauen arbeiten. Damit hat<br />

sich der öffentliche Dienst in den letzten mehr<br />

als 25 Jahren zu einem »Frauenarbeitsmarkt«<br />

gewandelt. 1 Dieses Bild vermittelt auf den ersten<br />

Blick unter anderem, der öffentliche Dienst<br />

sei gleichstellungspolitisch gut aufgestellt. Auf<br />

den zweiten Blick ergeben sich allerdings einige<br />

Fragen: Denn Frauen sind noch immer<br />

deutlich seltener in Führungspositionen vertreten<br />

– je höher die Position, desto weniger<br />

sind sie zu finden. Ein Drittel der beschäftigten<br />

Frauen im öffentlichen Dienst arbeitet in<br />

Teilzeit, und das nicht immer freiwillig. Sie<br />

sind seltener in (politisch) richtungsweisenden<br />

Gremien vertreten, entscheiden also deutlich<br />

weniger über künftige Wege mit. All dies kann<br />

mittlerweile kaum noch mit den geringeren<br />

Qualifikationsvoraussetzungen von Frauen<br />

gegenüber Männern erklärt werden, wenn wir<br />

doch seit Jahrzehnten die guten und zum Teil<br />

sogar besseren Bildungsabschlüsse von Frauen<br />

beobachten können. Auch die gleichstellungspolitische<br />

Gesetzeslage insbesondere für den<br />

öffentlichen Dienst kann als umfangreich und<br />

vielfältig bezeichnet werden. Wo sind dann die<br />

Hemmnisse für die gleichstellungspolitische<br />

(Weiter-) Entwicklung?<br />

Gleiche Rechte – institutionelle<br />

Gleichstellung<br />

Bei der Gleichstellung<br />

sind die Perspektiven<br />

im Lebensverlauf von<br />

Männern und Frauen<br />

zu berücksichtigen.<br />

Die gleichstellungspolitische Ausgangslage im<br />

öffentlichen Dienst sieht auf den ersten Blick<br />

gut aus. Der Staat ist in der Verantwortung,<br />

die »tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung«<br />

voranzutreiben (Art. 3 Abs. 2 GG)<br />

und dafür tut er einiges. Denn institutionell ist<br />

die Gleichberechtigung zwischen Frauen und<br />

Männern im 21. Jahrhundert in Deutschland<br />

in vielen Gesetzen verankert und wird darüber<br />

hinaus von der Europäischen Union gesetzlich<br />

gestützt und für die Mitgliedstaaten gefordert.<br />

18<br />

1 An dieser Stelle kann nicht näher auf die grundsätzlichen<br />

Ver änderungen im öffentlichen Dienst eingegangen werden,<br />

die etwa zeitgleich mit den Verwaltungsmodernisierungen<br />

Anfang der 1990er Jahre in den Kommunen ihren Ausgang<br />

nahmen, begleitet von zum Teil massivem Personalabbau,<br />

von Haushalts defiziten oder neuen Tarifen (ab 2005 und<br />

sukzessive auch für Beamte), die aber dennoch in Zusammenhang<br />

gebracht werden müssen.<br />

2 Die 16 Bundesländer bezeichnen ihre Landesgleichstellungsgesetze<br />

unterschiedlich. In Nordrhein-Westfalen heißt es zum<br />

Beispiel Landesgleichstellungsgesetz, in Baden-Württemberg<br />

Chancengleichheitsgesetz oder in Hessen Gleichberechtigungsgesetz.<br />

Hier soll der Einfachheit halber der Begriff Landesgleichstellungsgesetz<br />

genutzt werden.<br />

3 Seit dem 1.1.2016 gilt die feste Geschlechterquote von 30 Prozent<br />

für neu zu besetzende Aufsichtsratsposten in börsennotierten<br />

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