titelthema führung unD gesunDheit <strong>Gute</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>12</strong> | <strong>2017</strong> Wertschätzung als Gesundheitsressource führungsverhalten Der digitale Wandel stärkt die Selbstbestimmung bei der <strong>Arbeit</strong>. Vernetzung und der Zugang zu schier »unbegrenzter« Information fördern die Autonomie. Paradoxerweise steigt bei den Beschäftigten die Verunsicherung. Wertschätzende Führung kann Schutz bieten, die Gesundheit und das Wohlbefi nden stärken. VON BRIGITTA GRUBER 8
<strong>Gute</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>12</strong> | <strong>2017</strong> führung und gesundheit titelthema Lothar Schröder hat den Wandel der <strong>Arbeit</strong>swelt als »digitale Treppe« beschrieben, 1 auf der wir – Wirtschaft, Betriebsverantwortliche und Beschäftigte – schon einige Zeit immer zügiger und nahezu »trunken vor Begeisterung« voranschreiten. Jede Stufe bedeutet(e) Neuerungen: Es gibt <strong>Arbeit</strong>serleichterungen, Chancen und Anlässe für <strong>Arbeit</strong>sbegeisterung. Gleichzeitig werden den Beschäftigten aber auch große Anpassungsleistungen abverlangt. 2 Automation hat Beschäftigten so manche monotone oder schwere <strong>Arbeit</strong>stätigkeit abgenommen. Zugleich verstärkten sich die Sorgen bei angelernten Beschäftigten vor technologisch bedingter <strong>Arbeit</strong>slosigkeit. IT-Werkzeuge und -<strong>Arbeit</strong>ssysteme – vom PC über Tablets und Smartphones bis hin zu hochkomplexen Anlagen mit Robotik – haben die <strong>Arbeit</strong>swelt und den privaten Alltag erobert. Die damit zusammenhängenden ergonomischen Probleme und Fehlbeanspruchungen wurden von der <strong>Arbeit</strong>swissenschaft erkannt und der betriebliche <strong>Arbeit</strong>sschutz hat dafür Lösungen parat. 3 Digitaler und sozialer Wandel Seit die Technologie mobiler und vernetzter wurde, ergeben sich Möglichkeiten, »unabhängig« vom formalen <strong>Arbeit</strong>sort und von der formalen <strong>Arbeit</strong>szeit tätig zu sein. Das stellt neue Anforderungen an die Beschäftigten, verführt zu entgrenztem <strong>Arbeit</strong>en (an jedem Ort und zu jeder Zeit) und lässt fürsorgebasiertes Eingebundensein bei der <strong>Arbeit</strong> schwinden. Und nun gibt es erste Anwendungen der künstlichen Intelligenz im Personalwesen. Haben Personalverantwortliche bislang nach Bauchgefühl, Erfahrung und im besten Fall nach Gesprächen Entscheidungen getroffen, könnte sie künftig ein »denkender Roboter« mit datenbasierter Personalarbeit unterstützen. Ein Beispiel: Es gibt Software, die elektronisch eingereichte Bewerbungen, Lebensläufe oder weitere Internet-Informationen blitzschnell lesen und nach Übereinstimmungen mit dem Ausschreibungsprofil sortieren. Auch wenn manche dies als »erstaunlich feinfühlig« 4 bezeichnen, wirft die Datensammlung vom/ von den »gläsernen Mitarbeiter/innen« nicht nur Fragen aus dem Datenschutzrecht auf (vgl. Abb. 1 S. 10). Diese technologischen Veränderungen begünstigen tiefgreifende soziale Veränderungen: »We live in a VUCA World« tönt es auf YouTube. VUCA steht für · Volatility – Unbeständigkeit · Uncertainty – Unsicherheit · Complexity – Komplexität · Ambiguity – Mehrdeutigkeit Solange Menschen dafür ausreichend Lebensund <strong>Arbeit</strong>skraft aufbringen können, die dafür erforderlichen Fähigkeiten, eine gewisse Zuversicht und Mut mitbringen, eröffnet die VU- CA-Welt dem Einzelnen neue Möglichkeiten und Chancen. Andere, denen diese Voraussetzungen fehlen, sind verletzlicher. Das bemerken Menschen so: · »Ich lege mich immer mehr ins Zeug, aber es kommt nichts zurück. Was ich tue, hat keine Resonanz.« · »Ich kann mich anstrengen, aber kommen tut es dann doch ganz anders.« · »Meine Leistungen von gestern und heute verblassen, weil ich immer häufiger in neuen Teams arbeite und/oder Vorgesetzte immer schneller wechseln; sofern er/sie überhaupt noch ansprech- und greifbar ist/sind.« Die Zitate zeigen: Schleichend gehen soziale Ressourcen zum Meistern des Lebens und zur Bewältigung der Anforderungen verloren: wie soziales Eingebundensein bzw. »Getragen-Werden«. 5 Währenddessen wächst die Verausgabungserwartung an den Einzelnen. 6 Nach dem Motto: Wer <strong>Arbeit</strong> hat und sich dabei auch noch selbst verwirklichen kann, muss – so scheint es im <strong>Arbeit</strong>salltag – nicht mehr extra Dank erhalten. Die beschriebene Konstellation kann zu Enttäuschungen führen und persönliche sowie betriebliche Produktivität für Störungen anfällig machen. Eine wertschätzende und dann auch gesundheitsfördernde Mitarbeiter(innen)- führung muss dies frühzeitig wahrnehmen und kompensatorische Antworten suchen und umsetzen – am besten gemeinsam mit den Beschäftigten. Von der »Biologie der Enttäuschung« Der Medizinsoziologe Johannes Siegrist und sein Team untersuchten die negativen gesundheitlichen Auswirkungen von subjektiv empfundenen, ungerechten Tauschbeziehungen in der <strong>Arbeit</strong>swelt bzw. von sogenannten Gratifikationskrisen (im weiteren Text verwende ich Darum geht es 1. Moderne Methoden der Personalführung – über Ziele und Projektarbeit – erhöhen die Verantwortung der Beschäftigten und verändern die betriebsinterne Kommunikation. 2. Wo zuvor Weisungen erteilt und Leistungen kontrolliert wurden, findet weniger Austausch statt. Wie es Beschäftigten mit ihren Aufgaben und Projekten geht, ob Unterstützung und Ressourcen ausreichen, wird nahezu ausgeblendet. 3. In der Digitalisierung hat anerkennende Gesprächskultur nicht nur gesundheitsfördernde, sondern auch vertrauensbildende Bedeutung. Sie ist elementar für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. 1 Lothar Schröder (2016), s. Hinweise Seitenrand S. 11. 2 Zum betrieblichen Qualifizierungsbedarf s. Titelthema »<strong>Gute</strong> <strong>Arbeit</strong>« 4 / 2016, Hinweis im Seitenrand S. 10. 3 Vgl. Beitrag von Prof. Dr. Ralf Pieper, »<strong>Gute</strong> <strong>Arbeit</strong>« 11 / <strong>2017</strong> (Teil I), und Teil II in dieser Ausgabe (S. 25ff). 4 brand eins Consulting (<strong>2017</strong>) S. 26. 5 Vgl. Rosa, H. (<strong>2017</strong>), s. Hinweise Seitenrand S. 11. 6 Vgl. Glißmann, W. / Peters, K. (2001), s. Hinweise Seitenrand S. 11. 9