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Leseprobe AiB 12_2017

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Arbeitsrecht<br />

im Betrieb<br />

<strong>AiB</strong> | FACHZEITSCHRIFT FÜR DEN BETRIEBSRAT<br />

aib-web.de<br />

38. JAHRGANG<br />

ISSN 0174<strong>12</strong>25<br />

D 3591<br />

<strong>12</strong> | <strong>2017</strong><br />

KÜNDIGUNG<br />

So sind Betriebsräte<br />

geschützt<br />

aktuelles Schärfere Gesetze gegen Mobbing<br />

grundlagen Wichtige Kontrolle bei Eingruppierungen<br />

rechtsprechung Höhere Hürden für Versetzungen


titelthema<br />

kündigung vom betriebsrat<br />

<strong>AiB</strong> <strong>12</strong> | <strong>2017</strong><br />

Besonders geschützt<br />

betriebsratswahl Auch Interessenvertreter sind nicht davor gefeit,<br />

dass ihnen gekündigt wird. Allerdings sind dafür die Hürden hoch.<br />

Es gelten spezielle Regeln für Betriebsratsmitglieder.<br />

VON STEFANIE PRITZEL UND BERND SPENGLER<br />

10


<strong>AiB</strong> <strong>12</strong> | <strong>2017</strong><br />

kündigung vom betriebsrat<br />

titelthema<br />

Es ist kein Geheimnis, dass viele<br />

Arbeit geber lieber keinen Betriebsrat<br />

hätten. Jetzt, wo die Wahlen anstehen,<br />

wird daher so manch einem<br />

das Leben schwergemacht. Besonderen Schutz<br />

vor Kündigungen gibt § 15 Kündigungsschutzgesetz<br />

(KSchG). Hiernach ist die ordentliche<br />

Kündigung von Betriebsratsmitgliedern<br />

(Abs. 1), Mitgliedern des Wahlvorstandes und<br />

Wahlbewerbern (Abs. 3) sowie von Initiatoren<br />

der Betriebsratswahl (Abs. 3a) grundsätzlich<br />

unzulässig. Arbeitnehmer sollen nicht aus<br />

Angst vor Kündigungen davor zurückschrecken,<br />

betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben<br />

zu übernehmen und übernommene Aufgaben<br />

wahrzunehmen. Neben der Unabhängigkeit der<br />

Amtsführung soll § 15 KSchG das Betriebsratsgremium<br />

in seiner personellen Zusammensetzung<br />

für die Dauer der Wahl periode schützen.<br />

Um den durch § 15 Abs. 1 und 3 KSchG geschützten<br />

Personenkreis auch gegen willkürliche<br />

außerordentliche Kündigungen zu sichern,<br />

bindet § 103 BetrVG deren außerordentliche<br />

Kündigung an die vorher erteilte Zustimmung<br />

des Betriebsrats und legt dem Arbeitgeber auf,<br />

im Falle der Zustimmungsverweigerung die Zustimmung<br />

des Betriebsrats gerichtlich ersetzen<br />

zu lassen, bevor er eine außerordentliche Kündigung<br />

aussprechen darf.<br />

darum geht es<br />

1. § 15 KSchG schließt<br />

für den Normalfall die<br />

ordentliche Kündigung<br />

gegenüber dem geschützten<br />

Personenkreis aus<br />

und lässt nur die außerordentliche<br />

Kündigung zu.<br />

2. Erst nach Ende des<br />

Nachwirkungszeitraums<br />

kann der Arbeitgeber<br />

den geschützten Arbeitnehmern<br />

ordentlich<br />

kündigen.<br />

3. Bei der außerordentlichen<br />

Kündigung von<br />

Mit gliedern des Betriebsrats,<br />

der JAV, des Wahlvorstandes<br />

sowie von<br />

Wahlbewerbern muss der<br />

Betriebsrat zustimmen.<br />

Ordentliche Kündigung ist ausgeschlossen<br />

§ 15 Abs. 1 bis Abs. 3a KSchG schließt die ordentliche<br />

Kündigung der dort genannten Personen<br />

für die genannte Dauer aus. Das Kündigungsverbot<br />

erfasst alle Arten von ordentlichen<br />

Kündigungen und gilt auch in der Insolvenz.<br />

Erfasst sind beispielsweise Änderungskündigungen<br />

– sprich Kündigungen, die die einseitige<br />

Änderung der Bedingungen des Arbeitsvertrages<br />

durch den Arbeitgeber zum Ziel haben –,<br />

ebenso wie Kündigungen im Kleinbetrieb.<br />

§ 15 KSchG schützt jedoch nicht vor sonstigen<br />

Beendigungen des Arbeitsverhältnisses<br />

wie Aufhebungsverträgen oder der Befristung<br />

des Arbeitsverhältnisses. In diesen Fällen tritt<br />

trotz der Wahl zum Betriebsrat das Ende des<br />

Arbeitsverhältnisses ein. Wird allerdings mit<br />

einem Betriebsratsmitglied während der Amtszeit<br />

eine – weitere – Befristungsabrede getroffen,<br />

kann diese unwirksam sein, wenn dem<br />

Betriebsratsmitglied nur wegen seiner Betriebsratstätigkeit<br />

statt eines unbefristeten ein befristetes<br />

Arbeitsverhältnisses angeboten wird. 1<br />

1 Vgl. BAG 25.6.2014 – 7 AZR 847/<strong>12</strong>.<br />

11


aktuelles<br />

Keine Chance für Betriebsrats-Mobbing<br />

<strong>AiB</strong> <strong>12</strong> | <strong>2017</strong><br />

Keine Chance für<br />

Betriebsrats-Mobbing<br />

betriebsratsbehinderung Die Zahl der Fälle, in denen Unter nehmen<br />

gegen Beschäftigte und Betriebsräte vorgehen, nimmt zu. Das ist illegal.<br />

Einschlägige Rechtsanwaltskanzleien und Detekteien verdienen<br />

mit Bossing und Union Busting viel Geld. Die DGB- Gewerkschaften<br />

fordern bessere Gesetze und konsequente Strafverfolgung.<br />

VON KLAUS HEIMANN<br />

Der Fall aus Neumünster beweist: Die Wahl<br />

des Betriebsrats oder die ungehinderte Arbeit<br />

der Interessenvertretung ist keineswegs<br />

in allen Betrieben eine demokratische Selbstdarum<br />

geht es<br />

1. Bossing und Union<br />

Busting sind auch in<br />

Deutschland als Werkzeuge<br />

zur Betriebsratsbehinderung<br />

Praxis.<br />

2. Betriebsrats wahlen<br />

und die Arbeit der<br />

Betriebs räte brauchen<br />

einen wirksamen und besseren<br />

rechtlichen Schutz.<br />

3. Bei Gesetzesverstößen<br />

muss es eine nachhaltige<br />

Strafverfolgung geben.<br />

Sven Kronfeld ist schon lange im Geschäft<br />

und zwar viele Jahre als Betriebsratsvorsitzender<br />

bei der Daimler<br />

Niederlassung im schleswig-holsteinischen<br />

Neumünster. Auch nach Verkauf an<br />

die Süverkrüp Automobile GmbH kämpft der<br />

Autoverkäufer für die Einhaltung der Betriebsverfassung<br />

und von Tarifverträgen. Jetzt geht<br />

es um die Neuwahl des Betriebsrats und da<br />

gab es viel Ärger. Das Autohaus weigert sich,<br />

die dafür erforderlichen Unterlagen herauszugeben.<br />

Kronfeld will faire Betriebsratswahlen<br />

an allen Standorten. Das passte der Süverkrüp-Geschäftsführung<br />

nicht. Der betriebliche<br />

Wahlvorstand hatte keine andere Möglichkeit,<br />

als die Mitarbeiterlisten für alle fünf Standorte<br />

vor dem Arbeitsgericht einzuklagen. Süverkrüp<br />

Automobile wirft Kronfeld vor, dabei<br />

Falschaussagen über die Führungsstruktur des<br />

Betriebes gemacht zu haben. Das Automobilhaus<br />

wollte deshalb dem Betriebsratsvorsitzenden<br />

fristlos kündigen.<br />

Einschüchtern durch Kündigung<br />

Die IG Metall Kiel-Neumünster machte öffentlich<br />

Druck gegen die geplante Kündigung<br />

und rief zur Solidaritätskundgebung auf. Gewerkschaftssekretär<br />

Steffen Kreisl: »Die Kündigung<br />

ist reine Einschüchterungstaktik. Wer<br />

seine Meinung sagt, ist für Süverkrüp unbequem<br />

und soll weg. Das ist ein Angriff auf die<br />

Mitbestimmung.« Die Solidaritätskundgebung<br />

brauchte dann doch nicht stattzufinden: Die<br />

Geschäftsführung lenkte ein und nahm die<br />

geplante Kündigung vom Tisch. Und vor dem<br />

Arbeitsgericht hatte das Autohaus auch keinen<br />

Erfolg: Der Richter entschied, der Wahlvorstand<br />

erhält – zur Einleitung von Betriebsratswahlen<br />

– von der Geschäftsführung, die Mitarbeiterlisten<br />

an allen fünf Standorten.<br />

Kampf gegen Betriebsräte<br />

gut zu wissen<br />

Warum sind Arbeitgeber gegen<br />

Mitbestimmung?<br />

· Befürchtung und Erwartung von Mehrkosten<br />

(Entgelt, Urlaub, Sozialplan)<br />

· Abwehr der Gewerkschaften, da man keine<br />

Tarifbindung will. Mit der BR-Wahl erhält<br />

die Gewerkschaft Zugang in den Betrieb<br />

· Mitbestimmung verändert Organisationsund<br />

Entscheidungsstrukturen, die die »unternehmerische<br />

Freiheit« einschränken<br />

· Unkenntnis über die Vorteile der Mitbestimmung<br />

· Mitbestimmung hat eine negative Begleitvorstellung<br />

· Ablehnendes politisches Klima in<br />

der Öffentlichkeit<br />

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<strong>AiB</strong> <strong>12</strong> | <strong>2017</strong> Keine Chance für Betriebsrats-Mobbing aktuelles<br />

verständlichkeit. Union Busting (Gewerkschaftsvermeidung)<br />

oder Betriebsrats-Bossing<br />

(Mobbing) ist schon lange kein Phänomen<br />

mehr, das nur in den USA zum Alltag gehört.<br />

Beobachter der Szene wie Aktion Arbeitsunrecht<br />

oder work-watch wollen seit der Jahrtausendwende<br />

eine »schleichende Kulturrevolution«<br />

im Unternehmerlager festgestellt<br />

haben. Rudolf Luz, Leiter der Betriebspolitik,<br />

beim Vorstand der IG Metall, bestätigt diese<br />

Entwicklung: »Es gibt einen verstärkten Widerstand<br />

von Arbeitgebern gegen Betriebsratsgründungen.«<br />

Handfeste Einschüchterungen<br />

der Kandidaten für Betriebsratswahlen, willkürliche<br />

Kündigungen, Akteure bekommen<br />

attraktivere Jobs oder mehr Geld angeboten,<br />

wenn sie ihr Vorhaben aufgeben – die Liste<br />

der Behinderungen ist lang.<br />

Betriebsratswahl als Hochrisikoprojekt<br />

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann<br />

spricht auf der ersten bundesweiten Tagung<br />

zur Union Busting und Bossing davon, dass<br />

die Gründung eines Betriebsrats zunehmend<br />

ein »Hochrisikoprojekt« ist. Es habe nichts<br />

mit sozialer Marktwirtschaft zu tun, wenn Arbeitnehmer<br />

ihre berufliche Existenz für eine<br />

Betriebsratsgründung aufs Spiel setzen müssten.<br />

Hoffmann stellt klar: »Der Angriff auf<br />

Betriebsräte ist ein Angriff auf die deutsche<br />

Mitbestimmung«.<br />

Eindeutiges Gesetz ohne Relevanz<br />

Dabei ist die Lage eigentlich völlig klar: Gewählte<br />

Betriebsratsmitglieder oder Betriebsratsgründer<br />

haben gesetzliche Schutzrechte:<br />

§ 20 BetrVG (»Niemand darf die Wahl des<br />

Betriebsrats behindern«), § 78 BetrVG (Interessenvertretungen<br />

»dürfen in der Ausübung<br />

ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert<br />

werden«) oder § 119 BetrVG (»Mit Freiheitsstrafe<br />

bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe<br />

wird bestraft« wer die Arbeit der Interessenvertretungen<br />

behindert).<br />

Diese Schutzbestimmungen haben in der<br />

Praxis kaum Relevanz: § 119 BetrVG ist wenig<br />

bekannt, Verstöße als Straftatbestand kaum<br />

verfolgt. Zu einer Anklage kommt es fast nie.<br />

Obwohl das Gesetz eindeutig ist, scheuen<br />

sich die Staatsanwälte davor, Arbeitgeber als<br />

Straftäter anzuklagen. Das Interesse an Überwachung<br />

und Strafverfolgung ist gering entwickelt<br />

und ausgeprägt.<br />

Sanktionen dringend erforderlich<br />

DGB-Chef Hoffman drängt deshalb auf Veränderungen.<br />

Er will die strafrechtliche Verfolgung<br />

von Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz<br />

in der Hand von Schwerpunktstaatsanwaltschaften<br />

bündeln. Außerdem sollen nicht<br />

mehr die Beschäftigen oder die Gewerkschaft<br />

Strafanzeige stellen, sondern die Staatsanwaltschaft<br />

direkt und unmittelbar Gesetzesverstöße<br />

von Amts wegen verfolgen (Offzialdelikt).<br />

Außerdem will Hoffmann einen wirkungsvollen<br />

Schutz für die Initiatoren einer Betriebsratswahl.<br />

»Der besondere Kündigungsschutz<br />

gilt bei Erstwahlen für die ersten drei Einladenden<br />

zur Wahlversammlung, aber nicht für<br />

die Vierte oder den Fünften. Der besondere<br />

Kündigungsschutz gilt ebenso für die Wahlvorstandsmitglieder,<br />

aber nicht für die Ersatzmitglieder<br />

oder die nicht gewählten Kandidaten«,<br />

kritisiert der DGB-Chef. »Alle engagieren sich<br />

für eine Betriebsratswahl. Deshalb brauchen<br />

alle wirksamen Schutz.«<br />

In Konfliktfällen ist aber nicht nur rechtliche<br />

Unterstützung gefragt. »Viele Fälle zeigen,<br />

dass Initiatoren und Betriebsräte einen<br />

enormen physischen Druck ausgesetzt sind<br />

und deshalb eine kompetente Beratung durch<br />

ihre Gewerkschaft benötigen«, beschreibt Bereichsleiter<br />

Luz die Herausforderung.<br />

Eine der wichtigsten Phasen bei der Betriebsratsgründung,<br />

nämlich dann, wenn die<br />

Initiatoren mit den Beschäftigten diskutieren<br />

fakten<br />

Maßnahmen gegen gewählte<br />

Betriebsräte<br />

Mitglieder des BR zum<br />

Rücktritt gedrängt<br />

48,1 %<br />

Kündigung BR-Mitglied 39,2 %<br />

Auflösung BR durch Arbeitsgericht<br />

beantragt<br />

24,1 %<br />

Aufspaltung Unternehmen 11,4 %<br />

Verlagerung oder Schließung<br />

des Betriebs<br />

8,9 %<br />

Sonstige 15,2 %<br />

Quelle: Zweite WSI-Befragung hauptamtlicher<br />

Gewerkschafter 2015<br />

statements<br />

Uwe Lagorsky, CDU,<br />

fordert klipp und klar:<br />

»Setzt eine Mitbestimmungskommission<br />

ein.«<br />

Für Bernd Rützel, SPD,<br />

ist wichtig: »In ihrem<br />

Wahlprogramm forderte<br />

die SPD eine Absenkung<br />

der Schwelle<br />

bei der paritätischen<br />

Mit bestimmung – von<br />

bisher 2.000 auf 1.000<br />

Mitarbeiter.«<br />

Beate Müller- Gemmeke,<br />

BÜNDNIS 90/<br />

DIE GRÜNEN, verlangt:<br />

»Aktive Beschäftigte<br />

müssen einen besonderen<br />

Schutz erhalten,<br />

wenn sie einen Betriebsrat<br />

gründen wollen.«<br />

Jutta Krellmann,<br />

Die Linke, sagt: »Wir<br />

dürfen nicht länger ignorieren,<br />

dass Betriebsratsarbeit<br />

in immer mehr<br />

Betrieben zum Abschuss<br />

freigegeben ist.«<br />

27


grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Personalakte digital<br />

<strong>AiB</strong> <strong>12</strong> | <strong>2017</strong><br />

Personalakte digital<br />

datenschutz Die elektronische Personalakte rückt mit fortschrei<br />

tender Digitalisierung der Arbeitswelt stärker in den Fokus der<br />

Arbeitgeber. Welche Nutzen und Risiken sind mit ihrer Einführung<br />

verbunden und worauf müssen Betriebsräte achten?<br />

VON NADINE BURGSMÜLLER<br />

darum geht es<br />

1. Mit der elektronischen<br />

Personalakte werden<br />

Daten über jeden einzelnen<br />

Beschäftigten gesammelt<br />

und fälschungssicher<br />

archiviert.<br />

2. Die Daten der Beschäftigten<br />

werden auf Servern<br />

gespeichert, die sich auch<br />

im nicht europäischen<br />

Ausland befinden können.<br />

Hier ist Vorsicht geboten.<br />

3. Der Betriebsrat muss<br />

bei der Einführung der<br />

elektronischen Personalakte<br />

beteiligt werden.<br />

Die elektronische Personalakte<br />

dient dazu, Daten über jeden einzelnen<br />

Beschäftigten zu sammeln<br />

und so eine fälschungssichere Archivierung<br />

zu ermöglichen. Die Dokumente,<br />

die gespeichert werden, müssen den Originalen<br />

in Papierform entsprechen, um eine richtige<br />

Erfassung der Daten zu gewährleisten. Dies<br />

geschieht über spezielle Systeme, die für die<br />

Erstellung von elektronischen Personalakten<br />

programmiert wurden. Die Arbeitgeber sehen<br />

hierin eine Erleichterung des Zugriffs auf<br />

Personalakten und die Einsparung von Lagerungsräumen<br />

für Papierakten.<br />

Welche Risiken birgt das?<br />

Durch die genutzten Software-Programme ist<br />

es möglich, auf diese Daten von verschiedenen<br />

Standorten oder Arbeitsplätzen zuzugreifen.<br />

Die Betriebsräte sehen genau hierin eine Missbrauchsmöglichkeit.<br />

Die Systeme zur Erfassung<br />

der Mitarbeiterdaten erscheinen anfällig<br />

für Eingriffe in Form von Ausspähungen Dritter.<br />

Hier stellt sich für Betriebsräte die Frage,<br />

wie diese Missbrauchsmöglichkeiten reduziert<br />

werden können, um die Daten der Beschäftigten<br />

vor rechtswidrigen Eingriffen und Missbrauch<br />

zu schützen und welche Daten der Beschäftigten<br />

überhaupt erfasst werden dürfen.<br />

Die elektronische Personalakte stellt somit<br />

auf der einen Seite eine Erleichterung des Arbeitsablaufs<br />

für den Arbeitgeber dar. Auf der<br />

anderen Seite birgt sie jedoch Risiken, die von<br />

den Betriebsräten und auch vom Arbeitgeber<br />

möglichst gering gehalten werden müssen.<br />

Die elektronische Personalakte kann der<br />

Arbeitgeber nicht ohne Beteiligung des Betriebsrats<br />

einführen und nutzen. Bei der Umwandlung<br />

von analogen zu elektronischen<br />

Personalakten hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht<br />

nach § 87 Abs. 1 Nr. 6<br />

BetrVG. Auf dieser Stufe der stärksten Beteiligungsrechte<br />

des Betriebsrats kann der Arbeitgeber<br />

die geplante Maßnahme nicht umsetzen,<br />

ohne eine Einigung mit dem Betriebsrat erzielt<br />

zu haben oder im Falle des Scheiterns von Verhandlungen<br />

die Einigungsstelle anzurufen.<br />

Was sollte geregelt werden?<br />

Die Betriebsvereinbarung muss regeln, unter<br />

welchen Voraussetzungen die elektronische<br />

Personalakte eingeführt wird. Die Betriebsvereinbarung<br />

soll verhindern, dass die Beschäftigten<br />

durch die Einführung Nachteile erleiden,<br />

die in ihrem Umfang möglicherweise noch<br />

nicht überblickt werden können.<br />

Zunächst muss in der Betriebsvereinbarung<br />

das genaue System zur Erfassung der Beschäftigtendaten<br />

mit all seinen Funktionen beschrieben<br />

werden. Was kann das System und<br />

wie arbeitet es? Diese Systeme haben meist<br />

vielfältige Funktionen und es existieren genaue<br />

Beschreibungen dieser Funktionen, an denen<br />

sich der Betriebsrat orientieren kann. Häufig<br />

ermöglichen diese Systeme einen Zugriff von<br />

verschiedenen Stellen auf die Daten der Beschäftigten.<br />

Dies ist datenschutzrechtlich bedenklich.<br />

Daher sollten die Zugriffsrechte der<br />

unterschiedlichen Personen oder Stellen in<br />

der Betriebsvereinbarung geregelt werden.<br />

Das gleiche gilt für die Löschung von Dokumenten.<br />

Praktische Bedeutung hat dies<br />

etwa bei Abmahnungen, die nach Ablauf einer<br />

bestimmten Zeit aus der Personalakte zu entfernen<br />

sind. Nimmt man bei einer Personalakte<br />

in Papierform das Schriftstück einfach aus<br />

32


<strong>AiB</strong> <strong>12</strong> | <strong>2017</strong> Personalakte digital grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

der Akte heraus und vernichtet es, muss bei<br />

der elektronischen Personalakte sichergestellt<br />

sein, dass das Dokument ohne Möglichkeit<br />

zur Wiederherstellung gelöscht wird.<br />

Schließlich haben der Datenschutz und<br />

das Bundesdatenschutzgesetz erhebliche Bedeutung<br />

bei einer Betriebsvereinbarung zur<br />

elektronischen Personalakte. Es stellt für alle<br />

Parteien klar, dass eine Nutzung der elektronischen<br />

Personalakte nur im Rahmen der datenschutzrechtlichen<br />

Bestimmungen möglich ist.<br />

Besondere Bedeutung hat § 32 Abs. 1<br />

Satz 1 BDSG (§ 26 Abs. 1 BDSG neu) der<br />

die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung<br />

personenbezogener Daten im Beschäftigungsverhältnis<br />

regelt. Wichtig ist dabei die Darstellung,<br />

zu welchem Zweck der Arbeitgeber<br />

die Personaldaten nutzen darf. Denn das Bundesdatenschutzgesetz<br />

legt für diese Zweckbindung<br />

einen engen Rahmen fest.<br />

Der Betriebsrat hat über § 87 Abs. 1 Nr. 6<br />

BetrVG die Möglichkeit, lenkend auf die Einführung<br />

der elektronischen Personalakte einzuwirken<br />

und die Nachteile und Risiken für<br />

die Arbeitnehmer so gering wie möglich zu<br />

halten oder auszuschließen und die persönlichen<br />

Daten vor Missbrauch zu schützen.<br />

Welche Daten dürfen gespeichert werden?<br />

Eine wichtige Frage stellt sich gleich bei der<br />

Einführung der elektronischen Personalakte:<br />

Welche Daten dürfen überhaupt erfasst werden?<br />

Eine gesetzliche Definition der Personalakte<br />

existiert nicht. Über ihren zulässigen Inhalt<br />

wurde jedoch in einigen Gerichtsverfahren<br />

entschieden. Anknüpfungspunkt solcher Entscheidungen<br />

ist häufig der bereits beschriebene<br />

Zweck, den der Arbeitgeber mit der Nutzung<br />

der Daten verfolgt. Nach § 32 Absatz 1 BDSG<br />

(§ 26 Abs. 1 BDSG neu) dürfen etwa solche<br />

Daten gespeichert werden, die zur Begründung<br />

oder Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nötig<br />

sind. Es muss ein unmittelbarer innerer Zusammenhang<br />

zum Arbeitsverhältnis bestehen.<br />

Diese Vorgabe lässt jedoch einen weiten<br />

Spielraum zu. Es stellt sich die Frage, inwieweit<br />

auch persönliche Daten der Beschäftigten<br />

für das Arbeitsverhältnis wichtig sind.<br />

Hier sollten die Betriebsvereinbarungen<br />

genaue Grenzen festlegen. Es muss konkret<br />

festgelegt werden, welche Daten für das Arbeitsverhältnis<br />

erfasst werden dürfen. Gerade<br />

auch die Speicherung von Gesundheitsdaten<br />

kann hier eine schwierige Entscheidung sein.<br />

Generell ist es möglich, Gesundheitsdaten zu<br />

speichern. Dies kommt gerade bei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen<br />

und Attesten in<br />

Betracht. Dürfen etwa Daten über eine chronische<br />

Krankheit des Beschäftigten in der Personalakte<br />

gespeichert werden? Dient dies dem<br />

Zweck des Arbeitsverhältnisses? Ferner kann<br />

es aus Sicht des Arbeitgebers erforderlich sein,<br />

bestimmte Krankheiten eines Arbeitnehmers<br />

zu dokumentieren. Allerdings nur, wenn die<br />

Erkrankung betriebliche Auswirkungen mit<br />

sich bringen kann. Eine Einschränkung hat<br />

das Bundesarbeitsgericht vorgenommen und<br />

entschieden, dass eine Dokumentation nicht<br />

unmittelbar in der Personalakte geschehen<br />

darf, sondern nur in einem verschlossenen<br />

Umschlag, damit er nicht ohne weiteres einsehbar<br />

ist. 1<br />

Auch an der Speicherung von Fehlzeiten<br />

hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse.<br />

Denn er muss nachvollziehen können, ob<br />

durch die Fehl- oder Krankzeiten das arbeitsvertragliche<br />

Austauschverhältnis gestört ist.<br />

Die Erfassung solcher Daten unterliegt jedoch<br />

auch der Mitbestimmung des Betriebsrats nach<br />

§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und muss Bestandteil<br />

einer solchen Betriebsvereinbarung sein.<br />

Beurteilungen, die die fachliche Eignung<br />

und Leistung des Arbeitnehmers belegen, dürfen<br />

ebenfalls in der Personalakte gespeichert<br />

Elektronische Personalakten<br />

sollen die Arbeit<br />

erleichtern und Lagerraum<br />

sparen.<br />

1 BAG <strong>12</strong>.9.2006 AP BGB § 611 Personalakte Nr. 1.<br />

33


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§<br />

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§<br />

Laut BAG vom 19. März 2014 ist die Zeitschrift »<strong>AiB</strong>«<br />

trotz Internetzugang für die Betriebsratsarbeit erforderlich.<br />

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