Argumente zur Milch - Bauernverband Schleswig-Holstein eV
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<strong>Argumente</strong> <strong>zur</strong> <strong>Milch</strong> Stand: 17.07.2008<br />
1. Was plant die EU bei der <strong>Milch</strong>?……………………………………………………………….. 2<br />
2. Zu einer „flexiblen Mengensteuerung“……………………………………………………… 3<br />
3. Zum Basismilchpreis (so genannter „Systemwechsel“)………………………….. 5<br />
4. Wie soll ein auskömmlicher <strong>Milch</strong>preis erreicht werden?.……………………….. 6<br />
5. Zum Umrechnungsfaktor…………………………………………………………………………… 7<br />
6. Zur Abschaffung der Saldierung………………………………………………………………… 8<br />
7. Zur privatrechtlichen Umlage (0,5 ct/kg)……………………………………………….. 9
1. Was plant die EU bei der <strong>Milch</strong>?<br />
2<br />
Die <strong>Milch</strong>quotenregelung ist bis zum Jahr 2015 beschlossen. Die EU-<br />
Kommission beabsichtigt nicht, eine Verlängerung vorzuschlagen. Ohne einen<br />
solchen Vorschlag kann eine Verlängerung nicht beschlossen werden. Nötig<br />
wäre dann noch eine Mehrheit von 75% der 27 Mitgliedsstaaten, die nicht ersichtlich<br />
ist.<br />
Die EU-Kommission bereitet eine „sanfte Landung“ für das Auslaufen der<br />
<strong>Milch</strong>quote vor: Die <strong>Milch</strong>quote soll kontinuierlich aufgestockt werden. Erster<br />
Schritt war die europaweite Aufstockung zum 1. April 2008 um 2% (auch<br />
wenn die nationale Zuteilung noch aussteht).<br />
Die Kommission wird von der deutlichen Mehrheit der Mitgliedstaaten in dieser<br />
Politik unterstützt. Gegner der Erhöhung waren zwar Deutschland, Österreich,<br />
Frankreich, Malta und Finnland. Dies ist aber bei weitem nicht die <strong>zur</strong><br />
Verhinderung erforderliche Mehrheit. Die Befürworter der Quotenanhebung<br />
wollten eine noch deutlich stärkere Aufstockung. Die Anhebung um 2% war<br />
also schon ein Kompromiss.<br />
Die EU-Kommission hat in den Verordnungsvorschlägen zum Health Check eine<br />
weitere Aufstockung in den Jahren 2009 bis 2013 um jeweils 1% also insgesamt<br />
5% vorgeschlagen.
3<br />
2. Häufig ist von einer „flexiblen Mengensteuerung“ die Rede. Kann das<br />
funktionieren und wenn ja wie?<br />
Es finden sich zu diesem Thema ganz unterschiedliche Vorschläge. Sie reichen<br />
von einer Fortführung der <strong>Milch</strong>quote unter Kürzung und Abschaffung der Saldierung,<br />
über Anlieferbeschränkungen in den Satzungen der Meiereien bis hin<br />
zu einem gemeinsamen Mengenmanagement durch die Meiereien.<br />
Auch die Vorschläge des BDM sind hier nicht einheitlich. Auf ein und derselben<br />
Seite im Internet finden sich zwei verschiedene Vorschläge:<br />
Vorschlag A:<br />
Festlegung einer einzelbetrieblichen <strong>Milch</strong>referenzmenge durch den Staat<br />
oder ein mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattetes Europäisches <strong>Milch</strong><br />
Board. Regelmäßige, sehr zeitnahe Anpassung der <strong>Milch</strong>mengen mehrmals<br />
im Wirtschaftsjahr EU-weit. Dabei soll die Produktionsmenge je nach<br />
Marktlage verbindlich für Erzeuger und Meiereien erhöht oder gesenkt<br />
werden. Strafabgaben bei Überlieferung.<br />
Vorschlag B: „Mögliche Mengensteuerung“<br />
Das Einfachste – so der BDM – wäre eine Kürzung von einigen Prozent<br />
<strong>Milch</strong>quote. Insoweit sieht der BDM aber die „politische Realität …, dass die<br />
südlichen Mitgliedstaaten und die Beitrittsländer das nicht mittragen werden“<br />
und sie „noch mehr Quote“ fordern. Diese Betrachtung ist zutreffend,<br />
spricht allerdings auch gegen den Vorschlag A. Dieser Widerspruch wird<br />
nicht aufgelöst.<br />
Auch ein <strong>Milch</strong>rentenprogramm wird als problematisch angesehen.<br />
Als Lösung wird sodann ein EU-weiter Lieferverzicht gegen Entschädigung<br />
vorgeschlagen. Die Entschädigung von 10 ct je nicht geliefertem kg <strong>Milch</strong><br />
von maximal 30% der einzelbetrieblichen <strong>Milch</strong>quote soll finanziert werden<br />
aus der Superabgabe, eingesparten Marktordnungsausgaben, einer Kürzung<br />
der <strong>Milch</strong>prämie oder einer Umlage der <strong>Milch</strong>viehhalter von 0,5 ct je<br />
kg <strong>Milch</strong>. Soweit die EU dieses System nicht umsetzt, seien die <strong>Milch</strong>viehhalter<br />
gefordert, es in Eigenregie zu tun (zu diesem Vorschlag siehe S. 9).<br />
Alle Vorschläge, die auf eine Preisstützung durch Mengensteuerung abzielen,<br />
müssen Folgendes berücksichtigen und sich entgegenhalten lassen:<br />
• Wie der BDM selbst feststellt, kommt „keine Marktsteuerung … ohne eine<br />
Überprüfung der produzierten <strong>Milch</strong>mengen mit entsprechenden<br />
Strafabgaben bei Nichteinhaltung aus“. Dies setzt staatlichen Zwang<br />
voraus. Privatrechtliche Modelle, von denen immer wieder die Rede ist,<br />
oder ein Mengensteuerungssystem in Eigenregie der <strong>Milch</strong>viehhalter<br />
können dann aber nicht funktionieren. Privatrechtlich kann man nur<br />
appellieren, aber niemanden zwingen.<br />
• Eine Mengensteuerung, die funktioniert, d.h. für einen hohen <strong>Milch</strong>auszahlungspreis<br />
sorgt, bewirkt gleichzeitig, dass die Kosten für Überlassung<br />
und Nutzung der Lieferrechte hoch sind und einen erheblichen Teil<br />
des <strong>Milch</strong>preises abschöpfen (bekannte Diskussion der zu hohen „Quotenkosten“).
4<br />
• Es ist – wie der BDM ebenfalls feststellt – politische Realität, dass die<br />
überwiegende Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten keine beschränkende<br />
Mengensteuerung mehr will, sondern Quotenaufstockungen. Diese Mitgliedstaaten<br />
befürworten auch das Auslaufen der <strong>Milch</strong>quotenregelung.<br />
Diese Haltung hat Gründe:<br />
• Die bisherige <strong>Milch</strong>quotenregelung war eingebunden in das Preisstützungssystem<br />
der EU aus Intervention, Außenschutz (Zölle, Abschöpfung)<br />
und Exporterstattungen. Diese Regelungen stehen in den WTO-<br />
Verhandlungen unter ganz erheblichem Druck. Sie sind entweder schon<br />
soweit verändert, dass sie bedeutungslos sind (Intervention) oder ihr<br />
Abbau wurde bereits angekündigt und angeboten. Ohne oder mit einem<br />
zu geringen Außenschutz macht eine Mengenbeschränkung aber keinen<br />
Sinn, weil Mengen von Drittländern ohne Beschränkung auf den Inlandsmarkt<br />
gelangen würden und die <strong>Milch</strong>quote zulasten der heimischen<br />
Landwirte immer weiter gekürzt werden müsste.<br />
• Das immer wieder herangezogene kanadische Modell beruht auf Marktabschottung<br />
d.h. einem strengen Außenschutz und dem Verzicht auf<br />
Exporte. Demgemäß fordert der BDM den Erhalt des Außenschutzes<br />
und die Abschaffung der Exporterstattungen. Für die europäische<br />
<strong>Milch</strong>wirtschaft sind die Exporte aber entscheidend für ihre Wertschöpfung.<br />
Können diese nicht zu dem angestrebten hohen Inlandspreis auf<br />
Drittmärkten abgesetzt werden, bleiben nur zwei Möglichkeiten: Die<br />
<strong>Milch</strong>menge auf dem Binnenmarkt steigt, der <strong>Milch</strong>auszahlungspreis<br />
sinkt (= eigentliches Ziel nicht erreicht) oder die <strong>Milch</strong>mengen müssen<br />
um die Exportmenge vermindert werden, d.h. eine enorme weitere<br />
Quotenkürzung wäre notwendig.<br />
• Es ist nicht erkennbar, wie das exportorientierte Europa und gerade<br />
Deutschland mit seinen hohen Warenexporten den Außenschutz (den<br />
der <strong>Bauernverband</strong> in der aktuellen Preissituation auch fordert) dauerhaft<br />
verteidigen kann gegenüber den entsprechenden Forderungen der<br />
Drittländer auf Marktzugang gerade für Agrarprodukte. Globalisierung<br />
ist kein Schlagwort sondern Realität.<br />
• Eine staatliche Mengensteuerung ohne das System der Preisstützung<br />
(Intervention, Abschöpfung, Exporterstattungen) ist verfassungsrechtlich<br />
nicht zu halten.<br />
• Zu unterstützen ist allerdings die Forderung, dass die Meiereien alles<br />
daran setzen müssen, jahreszeitlich bedingte Überschüsse aufzufangen,<br />
um sie nicht – wie im Frühjahr geschehen – auf die Preisverhandlungen<br />
für die Frischeprodukte durchschlagen zu lassen.
5<br />
3. Was ist von dem Vorschlag des BDM zu halten, dass das <strong>Milch</strong> Board<br />
für alle <strong>Milch</strong>erzeuger einen Basismilchpreis mit dem <strong>Milch</strong>industrieverband<br />
aushandeln soll (sog. „Systemwechsel“)?<br />
Dieser Vorschlag wirft zunächst einmal mehr Fragen als Antworten auf:<br />
• Der Vorschlag zielt darauf ab, ein Monopol auf Primärerzeugerebene zu<br />
bilden, also nicht weniger als alle 100.000 <strong>Milch</strong>erzeuger in Deutschland<br />
und 1,5 Mio. <strong>Milch</strong>viehhalter in der EU zu bündeln. Es ist nicht<br />
klar, wie das ohne Zwang gelingen kann.<br />
• Es gibt zwar eine Ausnahme vom Kartellverbot für die Vereinigungen<br />
landwirtschaftlicher Erzeuger (§ 28 GWB). Diese Ausnahme gilt jedoch<br />
ausdrücklich nicht für Preisbindungen. Erzeugergemeinschaften dürfen<br />
nur Preisempfehlungen aussprechen (§ 11 Marktstrukturgesetz).<br />
• Der <strong>Milch</strong>industrieverband ist zu Preisverhandlungen nicht ermächtigt.<br />
Aus Sicht des BDM war es ein Ziel des Lieferstopps, die Meiereien zu<br />
einer Bevollmächtigung des MIV zu bringen. Es ist nicht ersichtlich, wie<br />
dies für alle rund 120 Meiereien gelingen kann, zumal dies nicht weniger<br />
als die Aufgabe der eigenen Geschäftspolitik der einzelnen Meiereien<br />
bedeuten würde. Abgesehen davon sind keineswegs alle Meiereien<br />
Mitglied im MIV.<br />
• Auch in Zukunft ist von unterschiedlich hohen Verwertungserlösen der<br />
einzelnen Meiereien auszugehen. Woher sollen die fehlenden Finanzmittel<br />
kommen, wenn eine Meierei den Basismilchpreis nicht bezahlen<br />
kann? Falls diese Meierei aufgegeben werden soll, wer nimmt deren<br />
<strong>Milch</strong>mengen dann ab? Warum sollten diese zusätzlichen Mengen dann<br />
eine bessere Verwertung finden? Müssten dann nicht wieder die einzelbetrieblichen<br />
Mengen gekürzt werden?<br />
• Es ist gesellschaftspolitisch nicht denkbar, dass in der Bundesrepublik<br />
Deutschland ein Kartell geduldet würde, dass für einen ganzen Sektor<br />
der Land- und Ernährungswirtschaft die Marktwirtschaft ausschaltet.<br />
Zumal dieses Kartell unmittelbare Auswirkungen auf die Verbraucherpreise<br />
für Grundnahrungsmittel und damit die Lebenshaltungskosten<br />
hätte.
6<br />
4. Wie soll dann ein auskömmlicher <strong>Milch</strong>auszahlungspreis für die <strong>Milch</strong>viehhalter<br />
jetzt und vor allem nach Auslaufen der <strong>Milch</strong>quote sichergestellt<br />
werden?<br />
Dieser <strong>Milch</strong>preis muss am Markt erzielt werden:<br />
• Dies ist für die <strong>Milch</strong> neu, nicht aber für andere Bereiche landwirtschaftlicher<br />
Produkte wie Gemüse, Kartoffeln und Schweine. Was kann man<br />
aus diesen Bereichen lernen: Die Preise sind nicht immer auskömmlich,<br />
aber rückschauend betrachtet für die weitaus überwiegende Zeit. Auch<br />
<strong>Milch</strong>viehhalter müssen – wie die jüngste Vergangenheit zeigt – mit<br />
ganz erheblichen Preisschwankungen rechnen und Vorsorge treffen.<br />
• Dies fordert zu allererst die Meiereien. Sie müssen kosteneffizient arbeiten,<br />
in der Qualität führen und zusätzlich zu den Standarderzeugnissen<br />
(Frischmilch, Magermilchpulver, Butter) produktinnovativ sein, um<br />
die Produkte herzustellen, die Käufer finden, weil sie den sich ständig<br />
ändernden (steigenden) Erwartungen der heimischen Verbraucher und<br />
der Exportmärkte entsprechen.<br />
• Die Meiereien müssen mehr zusammenarbeiten und so ihre Verhandlungsposition<br />
gegenüber dem Einzelhandel stärken, z.B. durch Angebotsbündelung<br />
und Verkaufsgemeinschaften.<br />
• Die Wettbewerbsbedingungen der schleswig-holsteinischen <strong>Milch</strong>viehhalter<br />
sind nicht schlecht, sondern gut. Das gilt für praktisch alle wesentlichen<br />
betrieblichen Faktoren: Standortverhältnisse, <strong>Milch</strong>leistung,<br />
Betriebsstrukturen und -ausstattung, Ausbildungsstand etc.<br />
• Die schleswig-holsteinischen <strong>Milch</strong>viehhalter müssen deshalb ein Interesse<br />
haben, produzieren zu dürfen, um ihre Vorteile zu nutzen.<br />
• Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Forderung nach Preisstützung<br />
durch Marktsteuerung vor allem in den Regionen erhoben wird,<br />
die nach Standort und Struktur nicht so bevorteilt sind. Es ist aber das<br />
Interesse anzuerkennen, auch in diesen Regionen die <strong>Milch</strong>viehhaltung<br />
zu erhalten, zumal sie landschaftsbildprägend und von erheblicher gesellschaftspolitischer<br />
Bedeutung ist. Deshalb unterstützt der <strong>Bauernverband</strong><br />
<strong>Schleswig</strong>-<strong>Holstein</strong> die Forderung nach einem <strong>Milch</strong>fonds, aus<br />
dem vor allem investitionsfördernde Maßnahmen <strong>zur</strong> Verbesserung der<br />
Wettbewerbsfähigkeit aber auch andere Fördermaßnahmen für diese<br />
Regionen finanziert werden sollen. Dadurch darf der Wettbewerb aber<br />
nicht verzerrt oder ausgeschlossen werden.<br />
• Die mittel- und langfristigen Marktaussichten für <strong>Milch</strong>produkte und Lebensmittel<br />
überhaupt sind durchaus positiv. Der Weltmarkt bietet bei<br />
wachsender Bevölkerung und wachsender Kaufkraft in den bevölkerungsreichen<br />
Regionen ganz erhebliche Chancen und Perspektiven auch<br />
und gerade für die deutsche <strong>Milch</strong>wirtschaft. Diese Chancen kann und<br />
sollte eine marktorientierte Land- und Ernährungswirtschaft in Deutschland<br />
durch Konzentration auf Kosteneffizienz, Qualität und Produktinnovation<br />
nutzen.
7<br />
5. Es wird gefordert, den Faktor für die Umrechnung der angelieferten<br />
<strong>Milch</strong> von Liter in Kilogramm von 1,02 auf 1,03 abzuändern. Warum<br />
unterstützt der <strong>Bauernverband</strong> diese Forderung nicht?<br />
In Europa kommen verschiedene Umrechnungsfaktoren <strong>zur</strong> Anwendung.<br />
Während Deutschland und Dänemark 1,02 nutzen, rechnet Österreich mit<br />
1,025 und das übrige Europa mit 1,03. Den absolut richtigen Umrechnungsfaktor<br />
gibt es nicht, da das tatsächliche Verhältnis von Volumen zu Gewicht<br />
von den Inhaltsstoffen der <strong>Milch</strong> abhängig ist und von daher von Betrieb zu<br />
Betrieb schwankt.<br />
Eine Abänderung des Umrechnungsfaktors würde nur national wirken. Die in<br />
Deutschland lieferbare Menge müsste um 1 % gekürzt werden. Unsere europäischen<br />
Nachbarn, insbesondere in Dänemark und den Niederlanden mit ihrer<br />
hohen Selbstversorgung, könnten unveränderte Mengen produzieren und<br />
die Mengenreduzierung in Deutschland für sich nutzen, indem sie diese Mengen<br />
nach Deutschland hineinliefern.<br />
Die Auswirkungen der Abänderung des Umrechnungsfaktors kann an folgendem<br />
Beispiel deutlich gemacht werden:<br />
Auswirkungen auf den <strong>Milch</strong>erzeuger<br />
Umrechnungsfaktor Quotenmengen in kg <strong>Milch</strong>menge in Liter<br />
1,02 100.000 98.039<br />
1,03 100.000 97.087<br />
Differenz: -952 Liter<br />
Ein <strong>Milch</strong>erzeuger darf also 952 Liter weniger abliefern, um 100.000<br />
kg Quote zu erfüllen.<br />
Auswirkungen auf Meiereien:<br />
Die Meierei bekommt weniger Rohstoff angeliefert:<br />
- geringere Ausbeute, weniger Produkte können hergestellt werden;<br />
- weniger Erlös für die Meierei<br />
Beispiel:<br />
Eine Meierei verarbeitet 100 Mio kg <strong>Milch</strong> zu Käse und kann diesen am Markt<br />
für 3 €/kg verkaufen.<br />
<strong>Milch</strong>quote in kg/ Angelieferte Käse in kg Erlöse<br />
Umrechnungsfaktor <strong>Milch</strong> in Liter 3 €/kg<br />
100.000.000 (1,02) 98.039.216 9.803.922 29.411.765 €<br />
100.000.000 (1,03) 97.087.379 9.708.738 29.126.214 €<br />
Differenz: 285.551 €<br />
Dies entspricht einer möglichen <strong>Milch</strong>geldreduzierung von 0,285<br />
ct/kg Anlieferungsmilch<br />
Die EU Kommission könnte allerdings bei einer Änderung des deutschen Umrechnungsfaktors<br />
wie 1984 bei Quoteneinführung wiederum von zugeteilter<br />
<strong>Milch</strong>menge in Litern ausgehen und das Gewicht mit dem neuen Umrechnungsfaktor<br />
neu bestimmen. Dann hätte die Abänderung des Umrechnungsfaktors<br />
auf 1,03 eine Erhöhung der deutschen Quotenmenge (in kg) <strong>zur</strong> Folge.<br />
Dies wäre jedoch nicht mengenwirksam, da die Liefermenge <strong>zur</strong> Erfüllung<br />
dieser Quote unverändert bleibt.
8<br />
6. Was ist von der Forderung zu halten, die Saldierung über- und unterlieferter<br />
<strong>Milch</strong>mengen abzuschaffen, damit vom ersten Kilogramm<br />
<strong>Milch</strong>überlieferung an die volle Superabgabe erhoben wird?<br />
Die Saldierungsmöglichkeit ist im europäischen Recht verankert. Einzelne Mitgliedstaaten<br />
können dieses Saldierungsrecht deshalb nicht aussetzen. Denkbar<br />
wäre aber eine nationale Regelung, die eine Erhebung der Superabgabe<br />
ab dem ersten Kilogramm einer Überlieferung festlegt. Jedoch gibt das EU-<br />
Recht einen engen Rahmen für solche Möglichkeiten vor:<br />
a. Ist die nationale Quote eingehalten, haben aber einzelne Erzeuger ihre<br />
Quote überliefert, so muss die von diesen Erzeugern einbehaltene Superabgabe<br />
in voller Höhe an sie erstattet werden. Eine Überlieferung wäre in<br />
diesem Fall also rechtlich zwingend abgabefrei.<br />
b. Sollte die nationale Quote überschritten sein, würde von den Überlieferern<br />
wegen der nicht durchgeführten Saldierung eine höhere Superabgabesumme<br />
einbehalten als bei Durchführung der Saldierung erforderlich wäre.<br />
Die dadurch mehr gezahlte Superabgabe ist nach dem EU-Recht zwingend<br />
zu verwenden:<br />
� für ein <strong>Milch</strong>rentenprogramm oder<br />
� für eine Rückzahlung an die Überlieferer nach objektiven Kriterien.<br />
Diese objektiven Kriterien sind im EU-Recht bereits definiert:<br />
o geografische Lage des Betriebes<br />
o maximale Besatzdichte<br />
o Höhe der Überschreitung<br />
o Referenzmenge des Betriebes<br />
Ein <strong>Milch</strong>rentenprogramm wird aus guten Gründen von allen Seiten abgelehnt,<br />
da es sowohl den Quotenpreis nach oben treibt, als auch die Verfügbarkeit<br />
der Produktionsrechte für wachsende Betriebe wieder erschwert.<br />
Eine Rückzahlung der einbehaltenen Beträge nach objektiven Kriterien (b.)<br />
eröffnet der Politik alle Möglichkeiten, steuernd eine Umverteilung der Gelder<br />
vorzunehmen. Angesicht der Kriterien ginge dies zulasten der sog.<br />
Gunstregionen wie der norddeutschen Tiefebene.<br />
Die Abschaffung der Saldierung bringt also entweder nichts (oben a.) oder es<br />
profitieren andere Regionen davon (oben b.).<br />
Die Befürworter versprechen sich von der Abschaffung eine <strong>Milch</strong>mengenreduzierung<br />
und dadurch einen steigenden <strong>Milch</strong>preis. Eine entscheidende Mengenwirkung<br />
ist aber aus mehreren Gründen nicht zu erwarten:<br />
• Zum einen wird es auch nach der Saldierungsabschaffung sicher noch<br />
Überlieferungen geben.<br />
• Überlieferer würden nicht ausgeschöpfte Quoten zukaufen und weiterliefern.<br />
Die Menge kommt trotzdem an den Markt und die Quotenkosten<br />
steigen.<br />
• Zum anderen würde die Abschaffung nur national gelten. Wenn überhaupt<br />
würde sich die Menge nur in Deutschland verringern. Die deutschen<br />
Meiereien verlören Marktanteile und die markstarken Meiereien<br />
der Nachbarländer (vor allem aus DK und NL) würden gerne die <strong>Milch</strong>lücke<br />
schließen.
9<br />
7. Es wird vorgeschlagen, alle Meiereien sollten eine privatrechtliche<br />
Umlage von 0,5 ct je kg <strong>Milch</strong> einführen, die <strong>zur</strong> Marktentlastung<br />
eingesetzt werden soll. Was ist davon zu halten?<br />
Die Umlagemittel sollen entweder eingesetzt werden,<br />
a. um bei einer Preisschwäche damit Produkte aus dem Markt herauszukaufen<br />
oder<br />
b. um damit europaweit einen Lieferverzicht für <strong>Milch</strong>erzeuger zu finanzieren,<br />
die für jedes nicht gelieferte Kilogramm <strong>Milch</strong> bis max. 30% ihrer<br />
Quote z.B. 10 ct erhalten sollen.<br />
Der Vorschlag a wäre ein Rückfall in die Intervention. Bei Auslagerung würden<br />
die Mengen wieder den Markt belasten und den Preis senken. Ein<br />
Rechtsgutachten, das von BDM und MIV (<strong>Milch</strong>industrieverband) in Auftrag<br />
gegeben wurde, kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass ein solcher privatrechtlicher<br />
Interventionsfonds unzulässig ist, weil er gegen europäisches<br />
kartellrecht verstößt und hohe Bußgelder der EU-Kommission und Schadensersatzforderungen<br />
Dritter <strong>zur</strong> Folge haben könnte.<br />
Der Vorschlag b ist aus mehreren Gründen nicht möglich und nicht sinnvoll:<br />
• Bei der beabsichtigten flächendeckenden Umsetzung bei allen Meiereien<br />
bestehen auch gegen ihn schwerwiegende kartellrechtliche Bedenken.<br />
• Die Verwaltung der Lieferverzichtsverträge und die Verteilung der Entschädigung<br />
müssten europaweit und meiereiübergreifend organisiert<br />
werden. Der bürokratische Aufwand für diese Lieferverzichtsverwaltung<br />
und -überwachung wäre enorm.<br />
• Es fragt sich, ob 10 ct überhaupt ausreichen. Da es um den Verzicht<br />
auf die „letzten Kilogramm“ der Produktion geht, rechnet der <strong>Milch</strong>erzeuger<br />
mit Grenzkosten. Erhöht man die Entschädigung, müsste auch<br />
die Umlage höher sein oder man könnte nicht die benötigten Mengen<br />
herauskaufen.<br />
• Ob ein einzelner <strong>Milch</strong>erzeuger gegen Entschädigung auf einen Teil seiner<br />
<strong>Milch</strong>erzeugung verzichtet, wird er entscheidend von der Höhe des<br />
<strong>Milch</strong>preises abhängig machen. Dann kann der <strong>Milch</strong>preis auch direkt<br />
die Menge steuern und man braucht das komplizierte Lieferverzichtsmodell<br />
nicht.<br />
• Außerdem: Ziel des Lieferverzichts ist ein hoher <strong>Milch</strong>preis (43 ct). Warum<br />
sollte ein einzelner <strong>Milch</strong>erzeuger auf diesen hohen <strong>Milch</strong>preis für<br />
einen Teil seiner Produktion verzichten, damit ihn seine Berufskollegen<br />
für 100% ihrer Menge bekommen? Die Entschädigung müsste dann<br />
schon 43 ct betragen. Dann könnte man mit 0,5 ct gerade mal 1 % der<br />
Menge herauskaufen, davon sind aber preisstabilisierende Auswirkungen<br />
nicht sicher zu erwarten, jedenfalls nicht auf einen Preis von 43 ct.<br />
• Warum sollten die <strong>Milch</strong>erzeuger bei so unsicheren Aussichten freiwillig<br />
auf 0,5 ct ihres sicheren <strong>Milch</strong>geldes verzichten (bei 600.000 kg <strong>Milch</strong>menge<br />
wären das schon 3.000 Euro).