4-2017
Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement
Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement
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Editorial<br />
4.0 jetzt auch in der Medizintechnik?<br />
Beim Lesen der Trendthemen der Medica/<br />
Compamed stieß ich auf den Begriff<br />
„Medizin 4.0”. Er erinnerte mich natürlich<br />
an Industrie 4.0, einen Begriff, der bereits<br />
zur Genüge strapaziert worden ist. Also<br />
jetzt Medizin 4.0. Doch was steckt eigentlich<br />
dahinter? Anders als bei Industrie 4.0<br />
steht der Mensch im Mittelpunkt. Ähnlich<br />
wie bei den Maschinen in Industrie 4.0 werden<br />
die Daten des Menschen bereits digitalisiert<br />
und archiviert. Jetzt kommt nur noch<br />
ihre Verknüpfung hinzu.<br />
Digitalisierung<br />
Sie ist nicht nur die Voraussetzung für<br />
Medizin 4.0, sondern eines der Key Features<br />
der Medica/Compamed. Durch die<br />
Digitalisierung der Patientendaten entstehen<br />
viele neue Möglichkeiten zu besseren<br />
Diagnosen und demzufolge passgenauen<br />
Behandlungen im Kontext des Patienten.<br />
Werden beispielsweise Röntgenaufnahmen<br />
digitalisiert und gespeichert, sind sie<br />
von überall zugänglich, auch von mobilen<br />
Geräten. So kann auch ein Röntgenbild mit<br />
einem Spezialisten, der nicht vor Ort ist,<br />
besprochen und eine zweite Meinung eingeholt<br />
werden. Dies ist ein großer Vorteil.<br />
Allerdings wird die Speicherung der Patientendaten<br />
oft wegen Datenschutzbedenken<br />
abgelehnt.<br />
Führt man die aufgenommenen Daten in<br />
großen Datenbanken zusammen, können<br />
diese ausgewertet werden, um Krankheiten<br />
besser zu verstehen und anschließend besser<br />
behandeln zu können. Außerdem können<br />
sie problemlos zwischen Forschung<br />
und Versorgung ausgetauscht werden.<br />
Durch die Miniaturisierung ist die Produktion<br />
unterschiedlichster transportabler Sensoren<br />
möglich. Diese werden in Wearables<br />
montiert und nehmen kontinuierlich Vitalparameter<br />
auf, die dann zu einem ganzheitlichen<br />
Bild des Patienten zusammengesetzt<br />
und beispielsweise für Online-Therapien<br />
genutzt werden können. Auf der Compamed<br />
werden neue Gesundheitsanwendungen<br />
für Smartphones, Tablet-PC oder<br />
Wearables im dafür medizinisch relevanten<br />
Kontext vorgestellt.<br />
3D-Druck<br />
Ebenso wichtig ist das Thema 3D-Druck.<br />
Mit diesem Verfahren können leichte, stabile<br />
und komplexe Strukturen kostengünstig<br />
hergestellt werden. Er trägt wesentlich<br />
zur Personalisierung der Medizin bei.<br />
Besonders im Bereich der Prothetik, Zahnmedizin<br />
und Orthopädie können Prothesen,<br />
Knochen und Gelenke patientenspezifisch<br />
nachgedruckt werden. Hier ist der<br />
3D-Druck schon sehr erfolgreich. Das Ziel<br />
ist beispielsweise, dass aus einem Röntgenoder<br />
MRT-Bild während der Behandlung<br />
das Ersatzteil hergestellt und noch in der<br />
gleichen Sitzung eingesetzt werden kann.<br />
Andererseits ist es möglich, Implantate mit<br />
zusätzlichen Funktionalitäten herzustellen.<br />
Beispielsweise können die Implantate mit<br />
einer Porenstruktur versehen werden, die<br />
das Einwachsverhalten fördert. Die Herstellung<br />
dieser Strukturen wäre konventionell<br />
nicht möglich oder sehr teuer.<br />
Eine Besonderheit stellen die resorbierbaren<br />
Implantate dar. Sie haben eine definierte<br />
Porenstruktur, in die der neue Knochen<br />
gut einwachsen kann. Trotzdem sind<br />
sie sehr stabil. Während des Abbaus des<br />
Implantates wird es durch den einwachsenden<br />
Knochen verstärkt. Der Abbau verläuft<br />
schneller, als bei einem voll flächigen Implantat.<br />
Die Forschung beschäftigt sich bereits<br />
mit dem Thema Gewebe und Organe Drucken.<br />
Bis es hier allerdings zu wirtschaftlichen<br />
und funktionalen Ergebnissen kommt,<br />
sind noch weitere Anstrengungen notwendig.<br />
Robotik<br />
Der OP-Roboter liegt voll im Trend. Dieser<br />
Gedanke mag uns im ersten Moment<br />
erschrecken. Allerdings geht es nicht darum,<br />
dass ein Roboter den Menschen eigenständig<br />
operiert, sondern den Arzt bestmöglich<br />
dabei unterstützt. Und dies findet in<br />
einem Intelligenten Operationssaal statt. Er<br />
erfasst, was der Operateur gerade tut und<br />
weiß aufgrund von hinterlegten Prozessen,<br />
was als nächstes geschieht oder geschehen<br />
sollte. Wie in der Produktion auch, gibt es<br />
eine Work-flow-Prozesskarte, die am OP-<br />
Tisch hängt oder eingeblendet wird und<br />
dem Arzt zeigt, welcher Schritt als nächstes<br />
erfolgt und was dabei zu beachten ist.<br />
Sind beispielsweise zusätzliche Patientendaten<br />
für den Operateur zu einem Schritt<br />
wichtig, werden sie automatisch eingeblendet<br />
oder der OP-Tisch wird in eine andere<br />
Position gefahren, in der der Arzt besser<br />
arbeiten kann. Im Intelligenten Operationssaal<br />
passen sich also die Geräte und<br />
Systeme der Situation an. Der Operateur<br />
kann über Sprache oder Gesten zusätzliche<br />
Informationen anfordern oder Aktionen auslösen.<br />
Ein neues Unterstützungstool ist eine<br />
Wärmebildkamera, die zeigt, wo sich Blutgefäße<br />
im Patienten befinden. Das System<br />
warnt dann den Arzt, wenn er zu nahe an<br />
die Gefäße herankommt.<br />
Standards und Normen ermöglichen die<br />
Kommunikation zwischen den unterschiedlichen<br />
Geräten. So können im Operationssaal<br />
Geräte verschiedenster Hersteller zum<br />
Einsatz kommen.<br />
Dies sind nur einige Beispiele für die vielen<br />
Neuheiten, die auf der Compamed <strong>2017</strong><br />
präsentiert werden und über die Sie auf<br />
den folgenden Seiten Informationen finden.<br />
Christiane Erdmann<br />
meditronic-journal 4/<strong>2017</strong><br />
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