ERF Antenne 1112|2017 Meine Heimat Fremde Heimat
Das Magazin von ERF – Der Sinnsender
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<strong>ERF</strong> THEMA<br />
Die neue Kultur ist nicht falsch, nur anders<br />
Auch Deutschland wird bunter<br />
Da ich mehrmals für längere Zeit im Ausland gelebt<br />
habe, kenne ich diese Gefühle. Diese Übergangsphase,<br />
die auch als „Kulturschock“ bezeichnet wird, erlebt<br />
jeder unterschiedlich. Das Gute ist: Sie geht vorbei.<br />
Auch das habe ich erlebt.<br />
Mit der Zeit läuft die Kommunikation in der fremden<br />
Sprache besser, die Arbeit wird mehr und mehr Routine.<br />
Es entstehen neue Freundschaften. Und man stellt<br />
fest, dass so manches, was anders läuft als zu Hause,<br />
gar nicht so falsch ist. Im Gegenteil: Viele Gewohnheiten,<br />
Traditionen und Verhaltensweisen sind sogar<br />
überaus sinnvoll, praktisch und gut. In meiner Zeit<br />
in Paris war ich zum Beispiel begeistert davon, wie<br />
gerne Franzosen gutes Essen mögen. Sie nehmen sich<br />
Zeit für die gemeinsamen Mahlzeiten.<br />
Sie sind ein wichtiger Teil<br />
des Lebens.<br />
Daheim im<br />
Multikulti-Umfeld<br />
Nach wenigen<br />
Monaten habe<br />
ich die grauen<br />
Fassaden mit<br />
anderen Augen<br />
gesehen. Dahinter<br />
wohnten<br />
nun Freunde.<br />
Während meiner Zeit in Frankreich<br />
sind mir noch weitere<br />
Kulturen begegnet, von denen<br />
ich einiges lernen konnte. Im<br />
Nachhinein würde ich sogar<br />
sagen, dass ich die typisch französische<br />
Kultur nur am Rande<br />
wahrgenommen habe. Das lag<br />
daran, dass ich in einem internationalen<br />
Missionswerk und in<br />
einem multikulturellen Team<br />
gelebt und gearbeitet habe. Wir<br />
waren vorwiegend in Vierteln unterwegs,<br />
in denen fast ausschließlich Migranten lebten.<br />
Die meisten kamen aus Afrika und dem Nahen Osten.<br />
Die Gemeinde, die ich damals besuchte, war sehr<br />
weltoffen und bunt. <strong>Meine</strong> französischen Freunde dort<br />
waren es auch. Mit ihnen habe ich einen Mix an Kulturen<br />
kennengelernt, der seinen ganz eigenen Charme<br />
hatte und mich faszinierte. Das war besonders der Fall,<br />
wenn wir uns als Christen aus unterschiedlichsten Nationen<br />
zum Beten und Singen getroffen haben. Obwohl<br />
wir so verschieden waren, hatten wir eine gemeinsame<br />
Basis, die uns verband.<br />
Dieser Mix an Kulturen breitet sich auch in Deutschland<br />
immer mehr aus. Das liegt zum einen an der<br />
zunehmenden Globalisierung. Zum anderen steigt<br />
die Zahl der Flüchtlinge und Migranten. Dadurch<br />
verändert sich nicht nur in den großen Metropolen<br />
wie Hamburg, Berlin und Stuttgart das Straßenbild.<br />
Auch in kleineren Ortschaften ist der Einfluss fremder<br />
Kulturen deutlich sichtbar.<br />
An die kulturellen Einflüsse aus den Nachbarländern<br />
haben wir uns bereits gewöhnt. Italienische Restaurants<br />
und Eiscafés, griechische Tavernen und türkische<br />
Dönerbuden gehören mittlerweile zum Straßenbild.<br />
Sie sind aus unseren Städten und Dörfern kaum mehr<br />
wegzudenken.<br />
Afrikanische, arabische, indonesische<br />
oder indische Restaurants<br />
sind dagegen für viele noch<br />
fremd und gewöhnungsbedürftig.<br />
Und nach der letzten großen<br />
Flüchtlingswelle in 2015 blicken<br />
viele Menschen zunehmend mit<br />
Sorge und Angst auf die kulturellen<br />
Veränderungen, die Stück für<br />
Stück unser Land prägen.<br />
Ist unsere <strong>Heimat</strong><br />
noch sicher?<br />
Nach der anfänglichen Willkommenseuphorie<br />
hat sich nun auch<br />
Ernüchterung eingestellt. Die<br />
Tatsache, dass mit den Flüchtlingen<br />
auch einzelne Terroristen<br />
in unser Land gekommen sind, beunruhigt die<br />
Menschen. Sie fühlen sich in ihrer <strong>Heimat</strong> nicht mehr<br />
sicher. Der nächste Terroranschlag kann theoretisch<br />
jeden treffen.<br />
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass viele<br />
Bürger unseres Landes von den Politikern schärfere<br />
Kontrollen, Gesetze und Maßnahmen fordern, die<br />
die Spreu vom Weizen trennen. Die Regierung soll<br />
sicherstellen, dass nur solche Menschen bei uns Asyl<br />
erhalten, die in ihrer <strong>Heimat</strong> wirklich bedroht und<br />
unterdrückt werden.<br />
Das Erstaunliche: Nach wenigen Monaten habe ich<br />
mich daheim gefühlt. Selbst das Hochhausviertel, in<br />
dem wir arbeiteten, habe ich nach einiger Zeit nicht<br />
mehr so bedrohlich und hässlich empfunden wie am<br />
Anfang. Ich habe die grauen Fassaden mit anderen<br />
Augen gesehen. Denn dahinter wohnten nun Freunde.<br />
Pauschale Abschiebung ist keine Lösung<br />
Das stellt Politiker vor große Herausforderungen. Um<br />
dem weltweiten Flüchtlingsstrom der kommenden<br />
Jahre nachhaltig entgegenzuwirken, müssten geeignete<br />
Maßnahmen auf globaler Ebene beschlossen und<br />
umgesetzt werden.<br />
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ANTENNE 1112|17