ERF Antenne 1112|2017 Meine Heimat Fremde Heimat
Das Magazin von ERF – Der Sinnsender
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<strong>ERF</strong> THEMA<br />
Liebe und Vernunft führen<br />
nach Deutschland<br />
Nach Deutschland zu kommen, war in gewisser Weise eine Vernunftentscheidung.<br />
Mit Anfang 20 lernte er seine Frau Jasminka<br />
kennen, die zum <strong>Heimat</strong>urlaub nach Serbien kam. Sie war durch<br />
ihre Familie bereits im Alter von elf Monaten nach Deutschland<br />
gekommen. Dass Branko und Jasminka Zelenak sich entschlossen,<br />
ihr gemeinsames Leben in Deutschland aufzubauen, hatte<br />
natürlich mit dem Krieg zu tun, der damals in Jugoslawien tobte.<br />
Die Zukunftsaussichten dort schienen nicht gerade rosig, obwohl<br />
Branko Zelenak in Serbien mehrere Jahre als selbstständiger Hochbauunternehmer<br />
mit fünf Angestellten tätig war. Heute arbeitet<br />
er bei <strong>ERF</strong> Medien.<br />
Undeutsch gelassen<br />
Man würde in dem hochgewachsenen Mann mit dem grauem<br />
Bart und der eckigen, randlosen Brille nicht direkt einen südeuropäischen<br />
Lebemenschen vermuten. Doch er hat ein so vergnügtes<br />
Lachen und diese unbekümmerte Gelassenheit, die einem<br />
Deutschen irgendwie fremd ist. Trotzdem ist Branko Zelenak ein<br />
eher sachlicher Typ. Bei <strong>ERF</strong> Medien arbeitet er als Gebäudemanager,<br />
kümmert sich um Wartungsarbeiten, TÜV-Termine,<br />
Brandschutz. Durch seine Affinität zur Technik ist er damals zum<br />
Perspektiven-Chor gekommen, der regelmäßig in den Räumen<br />
von <strong>ERF</strong> Medien übte. Darüber kam er zum <strong>ERF</strong>. Denn Branko<br />
Zelenak hat sofort versucht, Kontakte in Deutschland zu knüpfen.<br />
Freundschaften und Beziehungen sind auf dem Balkan so<br />
essentiell wie die Luft zum Atmen. In Deutschland merkte er: Es<br />
kommt vor, dass man neben seinem Nachbarn den Gehsteig fegt,<br />
sich die Besen schon fast berühren und man sich trotzdem nicht<br />
„Guten Tag“ sagt. Man sei immer etwas distanziert. „Selbst unter<br />
Freunden redet man in Deutschland nicht so viel über Herzensangelegenheiten<br />
wie in Serbien“, vergleicht er.<br />
Hier fehlt doch was<br />
Manchmal fragt Branko Zelenak sich, wie es wohl für Flüchtlinge<br />
sein muss, die aus einer noch ferneren Kultur kommen. Als ich<br />
näher nachfrage, wird er nachdenklich. Selbst habe er noch keine<br />
Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht. Von einem türkischen<br />
Nachbarn aber kann er berichten, dem er mal geholfen habe, einen<br />
Zaun im Garten zu bauen. „Er und seine Frau waren sehr freundlich<br />
und haben mich danach gleich zu sich nach Hause eingeladen<br />
und einen Schwarztee aufgesetzt. Das war sehr schön“, erinnert<br />
er sich. Nach einer kurzen Pause sagt er, wie zu sich selbst: „Vielleicht<br />
können andere Kulturen wirklich eine Bereicherung sein.“<br />
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er dort das erfahren hat, was<br />
ihm in Deutschland manchmal fehlt.<br />
Viel investiert – und angekommen<br />
Bei Integration sei es wichtig zu wissen, was geht und was nicht.<br />
„Man sollte nicht versuchen, einen Menschen zu verändern. Das<br />
funktioniert nicht. Aber man kann Verständnis füreinander<br />
entwickeln“, meint er. Am meisten habe ihm damals geholfen,<br />
die deutsche Sprache zu lernen. Auch dafür war es wichtig,<br />
Freundschaften zu schließen. „Ich habe aber auch selbst daran<br />
gearbeitet, habe Nachrichten geschaut und versucht, möglichst viel<br />
auf Deutsch zu lesen“, sagt er. Nach Serbien möchte<br />
er nicht mehr zurück. „Mein Leben ist zu kurz, um<br />
mich ständig umzustellen“, sagt er. „Deutschland ist<br />
mein Zuhause, Serbien meine <strong>Heimat</strong>. Mein Kopf ist in<br />
Deutschland, mein Herz in Serbien.“ Zerrissen wirkt<br />
Branko Zelenak deswegen aber nicht. Für ihn scheint<br />
es zu reichen, die <strong>Heimat</strong> im Herzen zu haben. Für<br />
das praktische Leben hier und jetzt ist das Zuhause<br />
wichtiger.<br />
Er hat in Deutschland Freundschaften geschlossen, ein<br />
Haus gebaut. Seine Frau und seine vier Kinder leben<br />
hier, er besucht eine attraktive christliche Gemeinde in<br />
Wetzlar. Für Branko Zelenak ist es nicht ausschlaggebend,<br />
in welchem Land er wohnt. Er hätte ebenso gut<br />
nach Spanien oder Kanada ziehen können. Ist er aber<br />
nicht. Sein Zuhause ist jetzt hier. Branko Zelenak ist<br />
angekommen.<br />
Timo König ist 26 Jahre alt, stammt aus<br />
Ostfriesland und lebt jetzt in Gießen. Er<br />
absolviert zurzeit sein Volontariat in den<br />
Redaktionen von <strong>ERF</strong> Medien.<br />
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