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Das Magazin von ERF – Der Sinnsender
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Warum sind die Deutschen<br />
so unspontan? Und wieso<br />
dreht sich alles um die<br />
Arbeit? Der Serbo-Slowake<br />
und <strong>ERF</strong> Mitarbeiter Branko<br />
Zelenak erlebt in den 90er<br />
Jahren einen Kulturschock,<br />
als er nach Deutschland<br />
kommt. Mittlerweile ist er<br />
hier zu Hause. Mit manchen<br />
Dingen hadert er ab und zu<br />
trotzdem noch.<br />
Von Timo König<br />
„Manchmal vermisse ich das sehr“, sagt Branislav<br />
Zelenak nachdenklich. Kindheitserinnerungen haben<br />
die Eigenart, alles in eine wohlige Geborgenheit zu hüllen,<br />
dessen ist sich der 49-Jährige bewusst. Trotzdem:<br />
Wenn er zurückdenkt an die sonnendurchfluteten<br />
Donauufer, an Volleyball und Lagerfeuer, den Duft<br />
von Spanferkel und Kesselgulasch, überkommt ihn<br />
das Gefühl, dorthin zurück zu wollen. „Damals sah<br />
es an der ganzen Donau aus, als würden Rauchsignale<br />
gesendet“, erzählt er schmunzelnd. Überall brutzelte<br />
etwas auf den Grills. Die Menschen auf dem Balkan<br />
leben gerne. „Leben“ nicht im Sinne von existieren,<br />
sondern von genießen und feiern. Als er mit 25 Jahren<br />
nach Deutschland kam, schrieb Branislav Zelenak seinen<br />
Freunden in der <strong>Heimat</strong>: „In Deutschland kann<br />
man arbeiten. Aber nicht leben.“<br />
Harmonisch – trotz der Unterschiede<br />
Branislav Zelenak, der meist Branko genannt wird,<br />
ist in Novi Sad aufgewachsen, einer Stadt in der Region<br />
Vojvodina in Nordserbien. Eigentlich ist er aber<br />
nicht Serbe, sondern Slowake. In der Vojvodina stellen<br />
Slowaken mit etwa 56.000 Personen die zweitgrößte<br />
Minderheit nach den Ungarn dar. Vor etwa 200 Jahren<br />
mussten sie als Protestanten aus dem Habsburger<br />
Reich vor der Gegenreformation fliehen. Heute sind die<br />
Straßenschilder zweisprachig und es gibt slowakischen<br />
Schulunterricht. Benachteiligung hat Branko Zelenak<br />
eigentlich nie erlebt. Das Zusammenleben verschiedener<br />
Volksgruppen war im Jugoslawien unter Tito<br />
Serbien<br />
generell lange Zeit harmonisch. „Ich hätte mir niemals<br />
vorstellen können, dass es einmal Krieg geben könnte“,<br />
sagt Branko Zelenak.<br />
10 ANTENNE 1112|17<br />
Mein<br />
Kopf ist in<br />
Deutschland,<br />
mein<br />
Herz in<br />
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