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Stadtbau und Stadtentwicklung<br />

Neubau und Sanierung Energie und Technik Markt und Management Rechtssprechung Haufe Gruppe<br />

MARKT UND MANAGEMENT<br />

aufgeführt und vielfach von einer entsprechenden<br />

Vermutung ausgegangen. Nach Fortfall des<br />

Anhangs III der Richtlinie 2004/18/EG besteht<br />

eine Vermutung, dass Wohnungsunternehmen<br />

öffentliche Auftraggeber sind, damit nicht mehr.<br />

Vielmehr ist – wie auch sonst schon in der vergaberechtlichen<br />

Rechtsprechung angenommen<br />

worden ist – immer eine Einzelfallprüfung nach<br />

den genannten drei Kriterien erforderlich.<br />

In der deutschen Rechtsprechung und Fachliteratur<br />

werden beide Ansichten vertreten. Auffallend<br />

ist nach Auswertung der einschlägigen<br />

Rechtsprechung, dass die Entscheidungen, die die<br />

Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber bejahen,<br />

zwar festhalten, dass eine Einzelfallprüfung<br />

vorgenommen werden muss, allesamt aber nie<br />

dezidierte Abwägungen vornehmen. Meist stützen<br />

diese Gerichte ihre Wertung letztlich auf die<br />

Einhaltung der kommunalrechtlichen Vorgaben,<br />

so dass diesen Entscheidungen nach sämtliche<br />

kommunale Unternehmen per se öffentliche<br />

Auftraggeber sein müssten. Wäre dies der Fall,<br />

hätte der Gesetzgeber spätestens mit der Vergabereform<br />

eine entsprechende Klarstellung in die<br />

dezidierte Regelung der öffentlichen Auftraggeber<br />

mitaufgenommen.<br />

Inhouse-Vergabe<br />

Die Inhouse-Vergabe ist erstmals in § 108 E-<br />

GWB kodifiziert. Nach der Regelung müssen<br />

mehr als 80 % der Tätigkeiten der kontrollierten<br />

juristischen Person der Ausführung der Aufgaben<br />

dienen, mit denen sie von dem die Kontrolle<br />

ausübenden öffentlichen Auftraggeber oder von<br />

anderen von diesem kontrollierten juristischen<br />

Personen betraut wurden. Künftig können öffentliche<br />

Unternehmen Aufträge ihrer Gesellschafter<br />

ohne Ausschreibung erhalten, solange sie unter<br />

20 % ihres Geschäfts mit privaten Dritten durchführen.<br />

Die Gesetzesbegründung hebt, wie auch die EU-<br />

Richtlinie, hervor, dass das Vergaberecht öffentliche<br />

Auftraggeber grundsätzlich nicht in ihrer<br />

Freiheit beschränken soll, die ihnen übertragenen<br />

Aufgaben gemeinsam mit anderen öffentlichen<br />

Auftraggebern oder eigenen Unternehmen zu erfüllen.<br />

Wesentliche Aussage ist, dass die Rechtsprechung<br />

des EuGH kodifiziert wird und die europäischen<br />

Vorgaben im Rahmen der Umsetzung<br />

ins deutsche Recht inhaltlich 1:1 übernommen<br />

werden. Demnach sind etwaige Umsätze, die ein<br />

Auftragnehmer mit Privaten erzielt, grundsätzlich<br />

nicht Inhouse-schädlich, sofern diese Umsätze der<br />

Ausführung einer von der Kommune oder ihren<br />

eigenen Einrichtungen übertragenen Aufgabe<br />

dienen. Zutreffend spricht die Gesetzesbegründung<br />

zu § 108 Abs. 1 Nr. 2 GWB-E davon, dass<br />

es „in diesem Zusammenhang unerheblich ist, ob<br />

der Begünstigte der Ausführung des Auftrags der<br />

Auftraggeber selbst oder ein davon abweichender<br />

Nutzer (Anmerkung: Mieter) der Leistung ist“.<br />

„Für alle, die noch eine Resthoffnung auf die in Brüssel wieder einmal<br />

versprochene Vereinfachung des Vergaberechts hatten, sei gleich<br />

vorweggenommen: Das GWB-Vergaberecht wird nicht etwas schlanker<br />

und übersichtlicher, sondern umfangreicher und ausdifferenzierter.“<br />

Dr. Daniel Soudry, Soudry & Soudry Rechtsanwälte Berlin, Vergabeblog.de vom 26.5.2015, Nr. 22546<br />

Diese Gesetzesbegründung erteilt damit einzelnen<br />

Oberlandesgerichten in Deutschland, die plötzlich<br />

- ohne Veranlassung durch den EuGH – weitere<br />

Anforderungen an die Inhouse-Fähigkeit stellten,<br />

z. B., dass es in der jeweiligen Sparte keine anderen<br />

Anbieter geben dürfte (OLG Hamburg vom 14. Dezember<br />

2010) oder dass nur Dienstleistungen im<br />

Rahmen kommunaler Pflichtaufgaben bei der<br />

Berechnung des Drittgeschäfts (Wesentlichkeit)<br />

unberücksichtigt bleiben dürfen (OLG Celle, Beschluss<br />

vom 17. Dezember 2014), eine Absage.<br />

Weitere Neuerungen im Überblick<br />

Leistungsbeschreibung<br />

Eine § 8 Abs. 1 EG VOL/A bzw. § 7 Abs. 1 Nr. 1<br />

EG VOB/A vergleichbare Regelung enthält § 121<br />

Abs. 1. Danach muss die Leistungsbeschreibung<br />

alle für die Angebotserstellung erforderlichen Angaben<br />

enthalten. Außerdem muss die Leistung so<br />

eindeutig und erschöpfend beschrieben sein, dass<br />

alle Bieter sie in dem gleichen Sinn verstehen und<br />

die eingehenden Angebote miteinander vergleichbar<br />

sind.<br />

Eignung<br />

Ausgangspunkt für die Eignung sind nunmehr<br />

§ 122 GWB ff., die die beiden Kategorien „Ausschlussgründe“<br />

und „Eignungskriterien“ vorgeben<br />

und damit die wesentlichen Prüfungsschritte vorzeichnen.<br />

Die Eignung setzt sich fortan nur noch<br />

aus den Elementen „Leistungsfähigkeit“ und<br />

„Fachkunde“ zusammen (nicht mehr: „Zuverlässigkeit“<br />

und „Gesetzestreue“).<br />

Vertragsänderungen<br />

§ 132 GWB setzt Art. 72 der Richtlinie um und<br />

bestimmt nun erstmals, unter welchen Voraussetzungen<br />

laufende Verträge geändert oder erweitert<br />

werden dürfen, ohne dass eine erneute Ausschreibung<br />

erforderlich wird.<br />

Kündigung öffentlicher Aufträge<br />

Gänzlich neu ist § 133, der erstmals regelt, unter<br />

welchen Voraussetzungen öffentliche Auftraggeber<br />

einmal vergebene Aufträge wieder beenden<br />

können.<br />

Rechtsschutz<br />

Die Vorschriften zum Rechtsschutz wandern von<br />

den bisherigen §§ 102 ff. GWB weit nach hinten<br />

und finden sich unter §§ 155 ff. wieder. Besonders<br />

zu erwähnen ist die Thematik der „unverzüglichen<br />

Rüge“. Seit dem Urteil des EuGH vom 28. Januar<br />

2010 (Rs. C-406/08) besteht Unsicherheit bezüglich<br />

der Rechtmäßigkeit des Erfordernisses,<br />

behauptete Vergaberechtsverstöße unverzüglich<br />

zu rügen, bevor ein Nachprüfungsantrag gestellt<br />

wird. Zwar ist der Begriff der Unverzüglichkeit in<br />

§ 122 BGB als „ohne schuldhaftes Zögern“ definiert.<br />

Wirkliche Klarheit, die der EuGH für rechtliche<br />

Ausschlussfristen fordert, bringt dies aber<br />

nicht. Der Entwurf will die Problematik lösen,<br />

indem eine Rüge zwar weiterhin grundsätzlich<br />

Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens<br />

bleibt. Allerdings fordert<br />

§ 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 nur noch, dass ein erkannter<br />

Verstoß vor dem Nachprüfungsantrag<br />

zu rügen ist.<br />

Fazit<br />

Für alle, die noch eine Resthoffnung auf die in<br />

Brüssel wieder einmal versprochene Vereinfachung<br />

des Vergaberechts hatten, sei gleich vorweggenommen:<br />

Das Vergaberecht wird nicht etwa<br />

schlanker und übersichtlicher, sondern umfangreicher<br />

und ausdifferenzierter. Trotz einer Verdopplung<br />

der Vorschriften sind dem Gesetzgeber<br />

aber keineswegs die Bemühungen abzusprechen,<br />

das GBW-Vergaberecht logischer zu ordnen und<br />

das Vergaberecht dadurch insgesamt übersichtlicher<br />

zu gestalten.<br />

Bei Fragen zu dieser Thematik stehen Ihnen die<br />

regionalen Prüfungsverbände der Wohnungs- und<br />

Immobilienwirtschaft und ihre nahestehenden<br />

Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gerne zur<br />

Verfügung.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.pruefungsverbaende.de<br />

456 8 | 2016

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