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15. Salzburger Verkehrstage - SN-Beilage

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SPEZIAL<br />

SALZBURGER VERKEHRSTAGE I<br />

EingünstigeresCity-Ticket,mehrBusspuren,einzweiterRegionalbus-Musterkorridor,eineS-BahnimPinzgauoder800Park-&-Ride-Plätzemehr.AlldaswäreinSalzburgmöglich.<br />

WiemanPendlerinBusundBahnlockt<br />

ZuckerbrotoderPeitsche?FlächendeckendeParkraumbewirtschaftungoderAusbaudesöffentlichenVerkehrs?<br />

DieStadtBaselsetztaufeinenMixallerMaßnahmenundhatdenPendlergemeindeneingroßzügigesOffertgemacht.<br />

JOSEFBRUCKMOSER<br />

BASEL. 100.000 Pendler, davon ein beachtlicher<br />

Teil aus dem benachbarten Ausland,<br />

strömen von Montag bis Freitag in den Kanton<br />

Basel-Stadt ein. Auf die Frage, wie die<br />

Schweizer Grenzstadt den Pendlerverkehr zu<br />

steuern versuche, mit Zuckerbrot oder mit<br />

Peitsche, gibt Alain Groff eine klare Antwort:<br />

„Es braucht beides. Man kann das Verkehrssystem<br />

nur mit einem ganzen Bündel von<br />

Maßnahmen regeln.“<br />

Anders als in der Stadt Salzburg, die die<br />

Pendler zuletzt durch eine großräumige<br />

Parkraumbewirtschaftung abschrecken<br />

wollte, bietet Basel auch einiges an Zuckerbrot.<br />

„Wir haben in unserem Kanton seit weit<br />

über hundert Jahren die Tram als Rückgrat<br />

des öffentlichen Verkehrs, und die wurde<br />

glücklicherweise auch nicht demontiert“,<br />

sagt der Leiter des Amtes für Mobilität.<br />

„Durch die Tram ist der öffentliche Verkehr<br />

allgegenwärtig, und die Fahrgäste können<br />

sich darauf verlassen.“<br />

Auch die Stadt Basel hat seit dem Jahr 2011<br />

eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung<br />

umgesetzt. Doch die Pendler werden<br />

dadurch nicht nur ferngehalten. Vielmehr<br />

gab es einen zweiten, maßgeblichen<br />

Beschluss, der das Umsteigen auf S-Bahn,<br />

Tram und Bus erleichtern soll: Die zusätzlichen<br />

Einnahmen aus der Bewirtschaftung<br />

von 23.000 Parkplätzen verschwinden nicht<br />

im Budget der Stadt Basel. Sie fließen vielmehr<br />

zu 80 Prozent in einen „Pendlerfonds“.<br />

„Die, die den größten Nachteil aus der<br />

Parkraumbewirtschaftung in Basel haben,<br />

sollten auch die Vorteile aus den Gebühren<br />

haben“, sagt dazu Alain Groff. „Das heißt<br />

konkret, dass aus diesem Pendlerfonds jährlich<br />

zwei bis drei Millionen Schweizer Franken<br />

(rund 1,7 bis 2,6 Millionen Euro) in Verkehrsanlagen<br />

außerhalb der Stadt Basel investiert<br />

werden können. Unter anderem<br />

wurden Park-&-Ride- oder Bike-&-Ride-Anlagen<br />

an den S-Bahn-Strecken finanziert, die<br />

aus Frankreich oder Deutschland nach Basel<br />

führen.“ Die Verlängerung einer Tramlinie<br />

nach Saint-Louis wurde ebenso unterstützt<br />

wie auch Mitfahrerparkplätze an einem Autobahnanschluss<br />

in Frankreich, an denen<br />

Pendler ihre Autos abstellen und in Fahrgemeinschaften<br />

weiterfahren. „Dieser Pendlerfonds,<br />

den Basel eingerichtet hat, hat das politische<br />

Verständnis für die Parkgebühren in<br />

den angrenzenden Kommunen erheblich<br />

verbessert“, sagt der Mobilitätschef der<br />

Stadt. „Die Reaktion war: Das ist fair.“<br />

Damit die Pendler in der Stadt selbst effizient<br />

und pünktlich vorankommen, haben<br />

Tram und Bus durch Ampelsteuerungen<br />

weitgehenden Vorrang an den Kreuzungen.<br />

BILD: <strong>SN</strong>/PRIVAT<br />

„Das ist eine ganz wichtige Maßnahme für<br />

die Verlässlichkeit“, betont Groff. „Bei jeder<br />

neuen Lichtanlage wird in diese Technik investiert.<br />

Das lohnt sich schnell im Vergleich<br />

etwa zur Anschaffung zusätzlicher Busse.“<br />

Entscheidend ist nach Ansicht des Schweizer<br />

Verkehrsexperten, „dass der öffentliche<br />

Verkehr als System geplant wird und immer<br />

aus der Perspektive derer, die noch nicht<br />

„AusSicht<br />

derKunden<br />

planen.“<br />

AlainGroff,<br />

Basel<br />

Kunden sind, sondern es werden möchten“.<br />

Alain Groff berichtet dazu im <strong>SN</strong>-Gespräch<br />

von persönlichen Erfahrungen bei einem Familienurlaub<br />

in Portugal. „Wir waren teils<br />

mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs.<br />

Das war sogar für mich, der ich mich hauptberuflich<br />

mit dem öffentlichen Verkehr befasse,<br />

eine Herausforderung. Jeder Anbieter<br />

hat ein anderes System, andere Automaten,<br />

andere Tarife. Dem Kunden, der eine Strecke<br />

nicht kennt, sondern nur einmal im Urlaub<br />

von A nach B will, wird das äußerst schwer<br />

gemacht.“<br />

Ähnlich gehe es den ungeübten ÖV-Kunden<br />

in Basel. Die Folge sind Fragen über<br />

Fragen, die auch österreichischen Bus- und<br />

Bahnfahrern sehr bekannt vorkommen: Welcher<br />

Hund braucht ein Ticket, wer gilt noch<br />

als Kind, wie lange gilt eine Tageskarte, wo<br />

finde ich den Entwerter, ab wann dürfen<br />

Männer und Frauen ein Seniorenticket lösen<br />

und welcher Ausweis ist vorzuzeigen?<br />

„Ein Grundproblem des öffentlichen Verkehrs<br />

ist, dass er geografisch und nach den<br />

Grenzen politischer Verwaltungseinheiten<br />

organisiert ist“, sagt dazu Alain Groff. „Die<br />

Basler Verkehrsbetriebe kümmern sich um<br />

Basel, die <strong>Salzburger</strong> Verkehrsbetriebe kümmern<br />

sich um Salzburg, ein Verkehrsverbund<br />

kümmert sich nur um die Region, die zum<br />

Verbund gehört.“ Was fehle, seien nationale<br />

und internationale Plattformen, auf denen<br />

man die gesamte Fahrstrecke von Tür zu Tür<br />

so einfach buchen könne, wie man bereits<br />

ein Hotelzimmer oder eine Flugreise online<br />

buchen könne.<br />

Neue Apps, die auch Verkehrsverbünde<br />

übergreifen, sind nach Ansicht von Alain<br />

Groff ein Sprung nach vorn. „Man muss nur<br />

darauf achten, dass hier nicht wieder viele<br />

Teilsysteme entstehen. Wenn das gelingt, ist<br />

das eine riesige Chance, die Hürden für jene,<br />

die nicht in der Nutzung des öffentlichen<br />

Verkehrs geübt sind, massiv abzubauen.“


II SALZBURGER VERKEHRSTAGE DONNERSTAG, 5. OKTOBER 2017<br />

ANALYSE<br />

PeterHaibach<br />

„InBusundBahnmöchte<br />

jederseineigenesTerritorium“<br />

ImRückengedecktundnachvornfreieSicht–sohatsichderJägerinderSavannewohlgefühlt.<br />

DiesesSicherheitsstrebengiltbisheuteauchinöffentlichenVerkehrsmitteln.Wasistdazunotwendig?<br />

JOSEFBRUCKMOSER<br />

Über menschenfreundliche Verkehrsmittel<br />

sprachen die <strong>SN</strong> mit der<br />

Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher.<br />

<strong>SN</strong>:WassindwichtigeFaktoren<br />

fürmenschenfreundliche<br />

Mobilität?<br />

Oberzaucher: Meist wird an der monetären<br />

Schraube gedreht, um Menschen<br />

für den öffentlichen Verkehr<br />

zu gewinnen. Man macht das Autofahren<br />

teurer und Öffi-Fahren günstig.<br />

Aber Menschen sind komplexe<br />

Entscheidungstreffer. Die Tarife sind<br />

nur einer von vielen Faktoren dafür.<br />

<strong>SN</strong>:365EurofürdasJahresticket<br />

inWiensindeintollesAngebot.<br />

Es würde aber nie funktionieren,<br />

wenn die anderen Faktoren nicht<br />

stimmen.<br />

<strong>SN</strong>:Wasistdarüberhinaus<br />

notwendig?<br />

In Wien können Sie sehr viele Wege<br />

mit den öffentlichen Verkehrsmitteln<br />

schneller zurücklegen als mit dem<br />

Pkw. Mit dem Auto können Sie im<br />

Stau stehen und müssen vielleicht<br />

lange einen Parkplatz suchen. Daher<br />

spricht der Zeitfaktor sehr häufig für<br />

den öffentlichen Verkehr. Und in der<br />

heutigen gehetzten Welt ist Zeit eine<br />

Währung, die viel kostbarer ist als<br />

Geld. Ein weiterer wichtiger Faktor ist<br />

Verlässlichkeit. Ich muss damit rechnen<br />

können, dass U-Bahn oder Straßenbahn<br />

tatsächlich zur angesagten<br />

Zeit fahren. Wenn ich in Wien zum<br />

Flughafen muss, kann ich die Zeit mit<br />

der Bahn besser kalkulieren als mit<br />

dem Auto – aber nur, wenn Fahrpläne<br />

eingehalten werden.<br />

Auch dynamische Zeitanzeigen<br />

tragen viel dazu bei, dem Fahrgast zumindest<br />

die Illusion zu geben, dass er<br />

die Kontrolle über seine Zeit hat.<br />

Wenn ich sehe, dass die U-Bahn in<br />

drei Minuten kommt, und das auch<br />

stimmt, wird die Wartezeit zwar nicht<br />

kürzer, aber ich habe das gute Gefühl<br />

zu wissen, wie es um meine Zeit bestellt<br />

ist. Das erhöht die Akzeptanz<br />

öffentlicher Verkehrsmittel enorm.<br />

<strong>SN</strong>:Fahrgästeklagenhäufig<br />

darüber,dasseinZugunerwartet<br />

stehtundniemandsagt,warum.<br />

Ich pendle beruflich viel zwischen<br />

Wien und Ulm und erlebe immer<br />

wieder Verzögerungen an den Baustellen<br />

zwischen Salzburg und München.<br />

Weil ich oft dort fahre, ist das<br />

für mich eine Verzögerung, mit der<br />

ich rechnen kann, weil sie immer ungefähr<br />

gleich ist.<br />

Andere Fahrgäste, die zufällig einmal<br />

auf dieser Strecke unterwegs<br />

sind, wissen das aber nicht und bekommen<br />

Informationen oft nur sehr<br />

tröpferlweise. Menschen, die wenig<br />

reisen, fragen dann verständlicherweise<br />

nervös, wann es weitergeht<br />

und ob sie ihren Anschluss erreichen.<br />

Information schafft da viel Sicherheit<br />

und ein gutes Gefühl.<br />

<strong>SN</strong>:DasAutohatdenVorteil<br />

derIndividualität.InderU-Bahn<br />

binichzwischenziganderen<br />

Fahrgästeneingeklemmt.<br />

Tatsächlich ist das Auto eine Art mobiles<br />

Territorium. In der Evolution<br />

des Menschen hat das Territorium<br />

immer eine große Rolle gespielt. Die<br />

größte Stärke des Autos ist, dass ich<br />

die Kontrolle über diesen nach außen<br />

abgegrenzten Raum habe und mich<br />

in dieser kleinen Blase als Herrscher<br />

fühlen kann. Ich kann zwar nicht bestimmen,<br />

ob ich tatsächlich fahren<br />

kann oder ob ich im Stau stecke. Aber<br />

das ist außerhalb meines Territoriums.<br />

Drinnen kann ich bestimmen,<br />

ob ich meinen Gedanken nachhänge,<br />

Musik höre oder die Nachrichten einschalte.<br />

BILD: <strong>SN</strong>/PRIVAT<br />

Und was ganz besonders wichtig<br />

ist: Es kommen mir keine fremden<br />

Leute zu nahe. Ich habe einen geschützten<br />

persönlichen Raum. Das ist<br />

evolutionsbiologisch sehr wichtig,<br />

vor allem, wenn wir es mit Fremden<br />

zu tun haben.<br />

„Gesucht<br />

wirddie<br />

Distanz.“<br />

Elisabeth<br />

Oberzaucher, Biologin<br />

<strong>SN</strong>:WelchePlätzesindin<br />

öffentlichenVerkehrsmitteln<br />

besondersbeliebt?<br />

Man kann in der Innenraumgestaltung<br />

von öffentlichen Verkehrsmitteln<br />

darauf achten, dass es zu weniger<br />

Verletzungen dieser Distanz kommt,<br />

die ich gegenüber anderen benötige.<br />

Es ist für den Menschen wichtig, dass<br />

er den Überblick über seine Umgebung<br />

hat. Das evolutionäre Relikt, das<br />

da dahintersteckt, wird durch die<br />

„Prospect Refuge Escape“-Theorie erklärt.<br />

Ich brauche Aussicht nach vorn<br />

und Schutz nach hinten.<br />

Daher sind auch im Kaffeehaus die<br />

Plätze besonders beliebt, auf denen<br />

ich eine schützende Wand im Rücken<br />

habe und nach vorn den Überblick,<br />

der mir das Gefühl gibt, ich bin Herr<br />

meiner Lage, ich habe die Kontrolle.<br />

<strong>SN</strong>:Wasistdavoninöffentlichen<br />

Verkehrsmittelnumsetzbar,<br />

ohnedassmanzuvielePlätze<br />

verliert?<br />

Plätze verlieren ist relativ. Wenn Sie<br />

viele Sitzplätze haben, die schlecht<br />

ausgestattet sind und daher nicht<br />

ausgelastet sind, nützt das nichts.<br />

Ideal sind Einzelplätze, damit die<br />

Distanz zu anderen Fahrgästen gewahrt<br />

ist und ich keinen unmittelba-<br />

Sitzplätzesind<br />

begehrt,wenn<br />

sieÜberblick<br />

übermein<br />

„Territorium“<br />

verschaffen.<br />

BILD: <strong>SN</strong>/ANTON PRLIC<br />

ren Körperkontakt mit ihnen habe.<br />

Daher beanspruchen Einzelreisende<br />

gern einen Doppelsitz und schaffen<br />

durch ein Gepäckstück auf dem<br />

zweiten Sitz die Distanz, damit ihnen<br />

niemand zu nahe rückt – was<br />

naturgemäß nur funktioniert, wenn<br />

ich außerhalb frequentierter Zeiten<br />

unterwegs bin.<br />

Der nächste Parameter ist der<br />

Überblick. Ich muss als Fahrgast das<br />

Gefühl haben, dass ich die Umgebung<br />

ausreichend unter Kontrolle<br />

habe, um rechtzeitig auf Ereignisse<br />

reagieren zu können.<br />

<strong>SN</strong>:WelcheKriteriengelten<br />

inderU-Bahn,woesnaturgemäß<br />

enghergeht?<br />

Im Fernverkehr steigen Sie ein und<br />

wollen für eine längere Fahrzeit Ihr<br />

Territorium sichern. Im Nahverkehr<br />

sind die Bedürfnisse ein wenig anders.<br />

In der Straßenbahn oder in der<br />

U-Bahn geht es darum, dass ich<br />

rasch an den Platz hinkomme, zu<br />

dem ich hinwill, und ebenso schnell<br />

wieder hinauskomme. Da spielen<br />

Bewegungsbarrieren eine große Rolle,<br />

zum Beispiel wenn Sie um eine<br />

scharfe Kante herum müssen, um<br />

auf einen Sitzplatz zu kommen.<br />

Auch hier sind also mehr Sitzplätze<br />

nicht besser, wenn sie schlecht erreichbar<br />

sind.<br />

<strong>SN</strong>:Gehtesdaauchimmer<br />

umdenFluchtweg?<br />

Es muss nicht der Fluchtweg sein,<br />

aber ich muss auf dem Weg zum<br />

Sitzplatz und von dort zur Tür viel<br />

Bewegungsfreiheit haben, ohne<br />

über Fahrgäste drübersteigen zu<br />

müssen, mit denen ich nicht in Berührung<br />

kommen will.<br />

ElisabethOberzaucher,Biologin<br />

undEvolutionspsychologinander<br />

UniversitätWien;wissenschaftliche<br />

LeiterindesVereinsUrbanHuman.<br />

StarkeLobby<br />

fürdenÖV<br />

Die <strong>15.</strong> Internationalen<br />

<strong>Salzburger</strong> <strong>Verkehrstage</strong><br />

2017 wollen aufzeigen,<br />

was zu tun ist, um den<br />

Menschen in Stadt und<br />

Umland ihre Lebensqualität<br />

zu erhalten oder sie<br />

wieder zurückzugeben.<br />

Best-Practice-Beispiele aus<br />

europäischen Städten und<br />

Regionen weisen den Weg.<br />

Hochkarätige Expertinnen<br />

und Experten berichten<br />

über die positiven<br />

Auswirkungen ihrer Projekte.<br />

Sie setzen heute<br />

schon Maßstäbe für innovative<br />

Mobilitätslösungen.<br />

Es geht um einen Mix<br />

vielfältiger Maßnahmen<br />

und einen Paradigmenwechsel:<br />

Verkehrsplanung<br />

vom Menschen her gedacht,<br />

nicht vom Auto.<br />

Ansprechende P&R-<br />

Plätze außerhalb der Stadt<br />

und abgestimmte Ampelsteuerungen<br />

in der Stadt<br />

sind einfach zu realisieren<br />

und hoch wirksam. Ein<br />

Ziel muss auch sein, dass<br />

Fahrgäste schneller und<br />

mit einfachem Ticketing<br />

unterwegs sind. Voraussetzung<br />

dafür ist ein dichter<br />

Taktverkehr bei allen<br />

Bus- und Bahnlinien.<br />

Dafür braucht es einen<br />

Grundkonsens von Stadt<br />

und Land, dass der öffentliche<br />

Verkehr Vorrang vor<br />

Pkw und Lkw hat. Dieser<br />

Grundkonsens wurde in<br />

Salzburg 1992 unter dem<br />

damaligen Landesverkehrsreferenten<br />

Arno Gasteiger<br />

erreicht: S-Bahnund<br />

Buslinien wurden errichtet<br />

und ausgebaut, der<br />

<strong>Salzburger</strong> Verkehrsverbund<br />

geschaffen. Salzburg<br />

wurde zur Obus-Stadt Europas.<br />

Schafbergbahn und<br />

Pinzgauer Lokalbahn<br />

konnten beweisen, dass<br />

Regionalbahnen wirtschaftlich<br />

sein können.<br />

Und heute? Die Weltkulturerbe-Stadt<br />

Salzburg<br />

wurde zur Stau-Stadt. Unzählige<br />

Verkehrsplanungen<br />

wurden in Auftrag gegeben,<br />

wenig umgesetzt.<br />

Notwendig ist daher eine<br />

starke Lobby für ein<br />

umwelt- und menschengerechtes<br />

Salzburg. Das<br />

neu geschaffene FORUM<br />

MOBIL will mit nationaler<br />

und internationaler Vernetzung<br />

– u. a. mit der<br />

Schweizer „Denkfabrik<br />

Mobilität“ – eine kräftige<br />

Stimme dafür sein.<br />

Info: WWW.FORUM-MOBIL.AT


DONNERSTAG, 5. OKTOBER 2017<br />

SALZBURGER VERKEHRSTAGE III<br />

Nachtsumvierwirdabgebucht<br />

BeijedemEinsteigenineinweiteresVerkehrsmitteleinweiteresTicketlösen?Nein,beiFairtiq<br />

inderSchweizmussmannurkurzdasSmartphonebedienen.AllesWeiterefunktioniertautomatisch.<br />

ZÜRICH. Der Fahrgast steigt in den<br />

Bus, die Straßenbahn oder die Bahn,<br />

tippt einmal in der entsprechenden<br />

App auf sein Smartphone und schon<br />

geht es los. Steigt er in der weiteren<br />

Folge seiner Fahrt von der Bahn in<br />

den Bus oder von dort in die Straßenbahn<br />

um, ist weder ein weiteres Ticket<br />

noch eine weitere Eingabe auf<br />

dem Smartphone nötig. Ab jetzt<br />

macht Fairtiq alles von selbst.<br />

So schaut die künftige ideale Abrechnung<br />

einer Fahrt mit beliebigen<br />

Beförderungsmitteln im öffentlichen<br />

Verkehr aus, die Gian-Mattia Schucan<br />

mit seiner FAIRTIQ AG anstrebt.<br />

Vorerst muss der Kunde noch sowohl<br />

beim ersten Einsteigen in ein öffentliches<br />

Verkehrsmittel als auch beim<br />

Ende der gesamten Fahrt sein Smartphone<br />

betätigen. Er kann sich aber<br />

schon jetzt darauf verlassen, dass er<br />

die gesamte Strecke nicht nur mit einem<br />

gültigen Ticket unterwegs ist,<br />

sondern auch mit dem besten Tarif.<br />

„Wir schaffen das weitestgehend, haben<br />

aber noch keine Garantie in unsere<br />

allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />

hineingeschrieben, weil wir<br />

nur jene Tickets vertreiben dürfen,<br />

die von den Anbietern dafür freigegeben<br />

sind.“<br />

Die sogenannte Bestpreis-Automatik<br />

verrechnet dem Fahrgast immer<br />

die günstigst mögliche Ticket-Kombination.<br />

Vergisst der Kunde am Ende<br />

seiner Reise die Abmeldung, wird er<br />

BILD: <strong>SN</strong><br />

von der App automatisch daran erinnert.<br />

„Dank der Check-out-Erinnerung<br />

kommt es nur noch bei ungefähr<br />

einer von 700 Fahrten zu einem vergessenen<br />

Check-out. Dies macht das<br />

Reisen für den Kunden bequem und<br />

senkt die Kosten für den Kundendienst.“<br />

Der Tarif von klassischen Mehrfahrtentickets<br />

ist meist nicht dabei.<br />

„Aber wir haben einen Fairtiq-Bonus,<br />

eine moderne Version der Streifenkarte“,<br />

sagt Schucan. „Wenn ein Kunde<br />

an mindestens fünf Tagen mit<br />

Fairtiq gefahren ist, bekommt er für<br />

den Folgemonat fünf Prozent seines<br />

Monatsumsatzes in Form eines Gutscheins.“<br />

Zwei Drittel der Schweiz sind nach<br />

Auskunft des Betreibers derzeit<br />

durch Fairtiq abgedeckt. Inkludiert<br />

sind dabei alle Angebote, die Benutzer<br />

des öffentlichen Verkehrs in der<br />

Schweiz auch im Verbund haben.<br />

Ausgenommen sind touristische Angebote<br />

wie Schiffe oder Bergbahnen.<br />

Auch die Weiterfahrt von Verbund zu<br />

Verbund ist vorerst noch nicht möglich.<br />

Bis Anfang 2018 sollen aber<br />

„Schwelle<br />

wird<br />

niedriger.“<br />

Gian-MattiaSchucan,<br />

FAIRTIQ-Geschäftsführer<br />

EinmalantippenundkeineGedankenmehranFahrkartenverlieren. BILD: <strong>SN</strong>/FAIRTIQ<br />

Fahrten in der gesamten Schweiz<br />

möglich werden.<br />

Für die Verkehrsunternehmen<br />

sieht Schucan vor allem den Vorteil,<br />

dass die Schwelle für die Nutzung des<br />

öffentlichen Verkehrs niedriger werde<br />

– und damit neue Kunden angesprochen<br />

würden. Außerdem seien<br />

Monats- und Jahreskarten nicht tangiert.<br />

„Die bleiben sowohl für die Nutzer<br />

attraktiv wie auch für die Anbieter.“<br />

Bei klassischen Prepaid-Tickets<br />

auf dem Handy seien die Schweizer<br />

Bundesbahnen weitaus dominierend.<br />

Ein Traum des Fairtiq-Gründers ist<br />

z. B. ein Monatsticket mit Preisdeckelung.<br />

Das würde so funktionieren,<br />

dass ich für 50 Franken im Monat<br />

auch dann noch fahren kann, wenn<br />

ich diesen Betrag eigentlich schon<br />

verbraucht habe. Die Nutzung des<br />

öffentlichen Verkehrs wäre also mit<br />

50 Franken gedeckelt, egal wie viel<br />

ich fahre.<br />

Bin ich aber umgekehrt in einem<br />

Monat weniger unterwegs, so würde<br />

nur der Betrag für diese wenigen<br />

Fahrten verrechnet – und nicht wie<br />

derzeit bei einem Monatsticket üblich<br />

der gesamte Preis des Tickets,<br />

auch wenn es in einem Monat kaum<br />

genutzt wurde. job<br />

<strong>Salzburger</strong><br />

<strong>Verkehrstage</strong><br />

WemgehörtdieStadt?<br />

Einklugerskandinavischer<br />

Planersagtedazu:Eine<br />

Stadtistlebenswert,wenn<br />

einanderaufihrenGassen<br />

undPlätzenMenschen<br />

begegnenkönnen.<br />

Wiesehenerfolgreiche<br />

Modelleausinurbanen<br />

RegionenEuropasundwie<br />

istesgelungen,siepolitischdurchzusetzen?<br />

DurchVerbote,durchneue<br />

AngeboteundAnreizsystemefürdieKommunen–<br />

odereineMischungausallemwieetwaimschwedischenGöteborg?<br />

DieInternationalen<strong>Salzburger</strong><strong>Verkehrstage</strong>2017<br />

fragenunterdemMotto<br />

„Rückeroberungder<br />

Stadt“nachLösungsansätzefüreinenachhaltige<br />

Raum-,Stadt-undVerkehrsentwicklung.Schwerpunktesindu.a.„Was<br />

machteuropäischeStädte<br />

attraktiv?“,Regionenmit<br />

Zukunft,Innovationsbörse.<br />

Eröffnung:<br />

Montag,16.Oktober,<br />

18.30Uhr,SchlossMirabell.<br />

Tagung:<br />

Dienstag,17.Oktober,<br />

9.15Uhr,bisMittwoch,<br />

18.Oktober,16Uhr,<br />

WIFISalzburg.<br />

Info/Anmeldung:<br />

forum-mobil.at/salzburger-verkehrstage/


IV SALZBURGER VERKEHRSTAGE DONNERSTAG, 5. OKTOBER 2017<br />

Salzburg<br />

nachhaltig<br />

mobil<br />

gestalten<br />

DieSalzburgAGzielt<br />

darauf,diewachsende<br />

MobilitätderStadtund<br />

desUmlandeseffizientund<br />

ökologischzuermöglichen.<br />

Der25Meter<br />

langeDoppelgelenk-Obus<br />

bietetPlatzfür<br />

203Fahrgäste<br />

(56Sitzplätze<br />

und147<br />

Stehplätze).<br />

BILD: <strong>SN</strong>/SALZBURG AG<br />

ANALYSE<br />

HorstEbner<br />

IMPRESSUM<br />

<strong>Salzburger</strong><strong>Verkehrstage</strong>istein<strong>SN</strong>-SPEZIAL<br />

Redaktion:JosefBruckmoser<br />

Gestaltung:WalterBrand<br />

Projektbetreuung:RüdigerBoennecken<br />

Alle:Karolingerstraße40,5021Salzburg<br />

Die Salzburg AG bietet mit dem Obus seit Jahren<br />

urbane Elektromobilität in Reinkultur und<br />

nutzt nun die Chancen der Digitalisierung und<br />

technischen Weiterentwicklung für die Attraktivierung<br />

des öffentlichen Personennahverkehrs<br />

(ÖPNV) in Salzburg und dem Umland.<br />

Gerade jetzt ist es dringend an der Zeit, um<br />

Bahn, Bus und Obus den Vorrang einzuräumen,<br />

den es braucht, um den motorisierten<br />

Individualverkehr auf den ÖPNV zu verlagern.<br />

Zukünftig gilt es den Modalsplit zugunsten<br />

des ÖPNV signifikant zu erhöhen, um die<br />

wachsende Mobilität der Stadt und des Umlandes<br />

effizient und ökologisch zu ermöglichen.<br />

Die Verkürzung der Intervalle, die Beschleunigung<br />

des ÖPNV und die Erschließung weiterer<br />

Siedlungsgebiete – auch außerhalb der Landeshauptstadt<br />

– sind hier der einzige richtige Weg.<br />

Mit einer gleichzeitigen Attraktivierung des<br />

ÖPNV durch die Erhöhung der Fahrplantreue,<br />

mehr Komfort in den Fahrzeugen und an Haltestellen<br />

wird die Salzburg AG mit Hilfe der<br />

Gebietskörperschaften den Umstieg vom Auto<br />

auf Bahn, Bus und Obus erleichtern. Uns ist<br />

die Verantwortung für Umwelt und Gesundheit<br />

sehr wichtig, und so setzt die Salzburg AG<br />

auch zukünftig auf nachhaltige Verkehrslösungen,<br />

unterstützt von multimodalen Angeboten<br />

und digitaler Vernetzung.<br />

Wesentlich ist aber auch die Wirtschaftlichkeit.<br />

Neue Geschäftsfelder, eine solide Finanzierung<br />

und interne Prozessoptimierungen garantieren<br />

einen betriebswirtschaftlich stabilen<br />

und wachsenden ÖPNV, wie es ein prosperierender<br />

Wirtschaftsraum dringend braucht. Dabei<br />

gilt es die knappen öffentlichen Mittel zielgerichtet<br />

einzusetzen: Der bestehende Ferienfahrplan<br />

ist eine sinnvolle Anpassung auf die<br />

extrem sinkende Nachfrage in den Sommerferien.<br />

Nachfrageorientierung und Kundenorien-<br />

tierung sind äußerst wichtig für den ÖPNV. So<br />

wird zum Beispiel der Fahrplan in Graz, Linz<br />

und Wien in den Sommerferien noch stärker<br />

reduziert als in Salzburg.<br />

Um effektive Verlagerungen zu erzielen, bedarf<br />

es sinnvoller Verbesserungsmaßnahmen<br />

wie die Angebotsausweitung in der Hauptverkehrszeit<br />

(z. B. durch Doppelgelenk-Obusse),<br />

die Intervallverlängerung am Abend und die<br />

Verdichtung einzelner Linien. Wesentlich ist<br />

die Verknüpfung von Fern-, Regional- und<br />

Stadtverkehr. Jedes Verkehrssystem soll seine<br />

Stärken nutzen und sich an Systemgrenzen<br />

durch Nahverkehrsknoten sinnvoll verknüpfen.<br />

Die Salzburg AG setzt auch künftig auf das<br />

System Obus als langfristiges Rückgrat nachhaltiger<br />

Mobilität in der Landeshauptstadt.<br />

Ing. Mag. Horst Ebner ist<br />

Vorstand der Salzburg AG<br />

SogewinntderBusdie<br />

entscheidendeersteMeile<br />

BILD: <strong>SN</strong>/???????????????<br />

JOSEFBRUCKMOSER<br />

Der <strong>Salzburger</strong> Verkehrsexperte Günther Penetzdorfer<br />

ist wesentlich am Fuschl-Mondsee-Projekt<br />

(Fumo) beteiligt. Viel dreht sich<br />

dabei um die Frage: „Wie bringe ich die Menschen<br />

auf der ersten Meile in den ÖV?“<br />

<strong>SN</strong>:WiebringtmanPendlerausdem<br />

zersiedeltenFlachgauindenBus?<br />

Penetzdorfer: Grundlage ist ein Halbstundentakt<br />

über den ganzen Tag in der gesamten Region<br />

Fuschlsee Mondsee. Dazu wird momentan<br />

in einem Testbetrieb untersucht, wie<br />

Menschen aus der Fläche mit autonom fahrenden<br />

Kleinbussen die zentralen Buslinien,<br />

in dem Fall die Linie 150, erreichen können.<br />

Ein Beispiel, wie das in Zukunft aussehen<br />

kann: Ein Bewohner aus der Region will in die<br />

Stadt Salzburg fahren. Er weiß, dass er mit<br />

der Linie 150 halbstündlich in die Stadt<br />

kommt. Entscheidend ist es jetzt, ihn zu einer<br />

Haltestelle dieser Linie zu bringen. Der autonom<br />

fahrende Digibus ist dafür ein attraktives<br />

Angebot, das sogar finanzierbar ist.<br />

Sobald die Technik ausgereift ist, braucht<br />

der potenzielle Fahrgast den selbstfahrenden<br />

Kleinbus nur über ein SMS, eine App oder per<br />

Telefon abrufen. In diesem Moment weiß der<br />

Bus, dass er fahren soll. Und er wird das tun.<br />

<strong>SN</strong>:WasistschonRealitätundwas<br />

istZukunftsmusik?<br />

Derzeit kann ein autonom fahrender Bus mit<br />

einem Operator an Bord eine genau definierte<br />

Strecke abfahren. Der Bus fährt diese Strecke,<br />

„Deröffentliche<br />

Verkehrmuss<br />

einfachsein.“<br />

GüntherPenetzdorfer,<br />

Verkehrsexperte<br />

die dreidimensional eingescannt wurde, millimetergenau<br />

ab. Nach dieser ersten Testphase,<br />

die Ende 2017 abgeschlossen sein<br />

wird, wird in einem fünfjährigen Folgeprojekt<br />

die Marktreife entwickelt werden.<br />

<strong>SN</strong>:IstsodasGrundproblemgelöst,<br />

dassmandenFahrgastaufder„ersten<br />

Meile“gewinntoderverliert?<br />

In einem stark zersiedelten Gebiet wie dem<br />

Flachgau lebt der Großteil der Menschen, die<br />

die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen können,<br />

nicht an der zentralen Buslinie, sondern<br />

in der Fläche. Ein Anschluss an den öffentlichen<br />

Verkehr ist aber nur attraktiv, wenn in<br />

fünf Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad<br />

eine Haltestelle erreichbar ist.<br />

Man muss Mobilität in der Region aus den<br />

Bedürfnissen und der Notwendigkeit der<br />

dort lebenden Menschen entwickeln. Daher<br />

ist die erste Meile so wichtig! Dort müssen wir<br />

die Autofahrer erreichen, denn wer zu Hause<br />

ins Auto steigt, fährt damit bis zum Ziel. Aber<br />

man kann Mobilitätsbedürfnisse vielfältiger<br />

bewältigen: mit Anrufsystemen für Busse,<br />

Sharing und Mitfahrdiensten, mit Park-&-<br />

Ride- und Bike-&-Ride-Systemen. Und das<br />

muss man mit den heute verfügbaren digitalen<br />

Steuerungstechniken tun.<br />

<strong>SN</strong>:SienennenalseinwichtigesAnliegen,<br />

denöffentlichenVerkehrsichtbarer<br />

zumachen.Wasistdazutun?<br />

Viele Angebote im öffentlichen Verkehr sind<br />

derzeit nicht durchschaubar. Es geht daher<br />

um einfache Informationen an einer Stelle,<br />

wie idealerweise einer digitalen Echtzeitinformation<br />

oder einer – und wirklich nur einer!<br />

– Telefonnummer, bei der ich rasch Auskunft<br />

über Fahrzeiten und -kosten sowie<br />

Streckenverlauf erhalte, und das nicht nur in<br />

Deutsch, sondern auch in Englisch. Zur Orientierung<br />

sollen an den Haltestellen Umgebungs-<br />

und Linienpläne helfen.

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