Mixology - Magazin für Barkultur 5-17
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COCKTAIL<br />
DIE PERSPEKTIVE<br />
DER FETTECKE<br />
In Nordamerika gehört der Benton’s<br />
Old Fashioned beinahe zum Standardrepertoire<br />
jeder besseren Bar.<br />
Das setzt eine gewisse Nachfrage voraus.<br />
Doch haben wir es wirklich mit einem<br />
»modernen Klassiker« zu tun oder eher<br />
mit einem abstrakten Pionierwerk?<br />
Text Nils Wrage<br />
Foto Tim Klöcker<br />
Don Lee also kam in der damals noch blutjungen und bis heute wegweisenden<br />
New Yorker Bar Please Don’t Tell (PDT) auf die Idee, den<br />
Bourbon <strong>für</strong> einen Old Fashioned im Vorfeld mit Baconfett zu versetzen.<br />
Es liest sich eigenartig, wenn es so formuliert ist. Denn die Barwelt<br />
kennt dieses Verfahren heute relativ flächendeckend als »Fat-Washing«.<br />
Aber zwischen 2007 und 20<strong>17</strong> liegt in der Bar ein veritables Zeitalter.<br />
Damals jedenfalls war das noch so abgefahren, dass sogar Lees Chef,<br />
Jim Meehan, die Idee <strong>für</strong> dermaßen bescheuert hielt, dass er seine Bar<br />
nicht wirklich da<strong>für</strong> hergeben mochte: Er erlaubte Lee zwar, seinen<br />
Bourbon derart zu behandeln und ihn anzubieten, verlangte aber von<br />
ihm, das Fat-Washing daheim zu vollziehen und den fertigen Schnaps<br />
dann mitzubringen.<br />
2011 schließlich wurde das PDT zur »World’s Best Bar« gewählt. Der<br />
meistverkaufte Drink in der besten Bar der Welt? Der »Benton’s Old<br />
Fashioned«, Lees simple Abwandlung des Klassikers aus Bitters, Ahornsirup<br />
– und fat-washed Bourbon. Irgendwann erlaubte Meehan übrigens<br />
dann doch, dass der Bourbon in der Bar hergestellt wird.<br />
Schnaps und Fett und Fleisch bedingen sich in gewisser Weise. Fast<br />
nichts ruft einen so starken Fleischappetit hervor wie eine Handvoll<br />
Drinks, das weiß jeder, der nach der Bar noch – fast wie ferngesteuert<br />
– schnell am nächsten Burgerladen anhalten musste. Oder es werden<br />
Gedanken ans letzte Katerfrühstück wach, das eher selten geprägt ist<br />
von Quinoa, Müsli und Obstsalat. Der Nachdurst, er will Deftiges.<br />
Gleichwohl gab (und gibt) es noch immer eine ziemlich starre Trennlinie<br />
im Zusammenspiel von Fett, Fleisch und Deftigem einerseits und<br />
Drinks andererseits: Sie liegt im klassischen Nebeneinander begründet.<br />
Drinks mussten (und müssen) prinzipiell geprägt sein durch Aspekte<br />
von Säure, Süße und Bitterem. Da kann man noch so viel darüber sprechen,<br />
dass eine Zitrone auch in minimalem Ausmaß die Umami-Rezeptoren<br />
auf der Zunge triggert oder davon, dass viele Spirituosen Rauch<br />
und Würze mitbringen.<br />
Wenn sogar der Chef noch am Speck zweifelt<br />
Daher verwundert es auch nicht, dass es 2007 Don Lee war, der quasi<br />
als erster ein Stück Fleisch in seinen Bourbon legte: Denn westlich des<br />
Atlantiks, vor allem in den USA, war (und ist) man auch wahrhaft herzhaften<br />
Drinks gegenüber schon immer aufgeschlossener gewesen. Die<br />
»Bloody Mary« – beispielsweise in Deutschland salopp formuliert immer<br />
ein Zaungast des alkoholischen Geschehens geblieben – als Dauergast<br />
bei jedem besseren Brunch ist da der beredte, stillschweigende Zeuge.<br />
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Ein Weltwunder? Oder eine Pflichtsache?<br />
Im selben Jahr, 2011, nahm der britische Bar-Experte Angus Winchester<br />
im Rahmen eines Artikels eine informelle Auflistung vor, die er schmissig<br />
als die »Sieben Cocktail-Weltwunder« der Bar-Renaissance deutete.<br />
Also jene sieben Drinks aus der Zeit seit ca. 1990, die wirklich mehr oder<br />
weniger global zu stehenden Begriffen, zu selbstverständlichen Drinks<br />
geworden waren. Dazu zählte er den Benton’s Old Fashioned.<br />
Natürlich sind solche Listen sowieso immer blöd. Erstens sind sie<br />
subjektiv, ganz gleich, wie erfahren jene sind, die sie aufstellen. Zweitens<br />
bleiben sie Momentaufnahmen. Aus heutiger Sicht mutet es etwa<br />
geradezu abstrus an, dass auf Winchesters Liste zwar der »Penicillin«<br />
(ein ewiger Bartender-Liebling) oder der »Sweet Heat« (von dem wirklich<br />
keine Sau spricht) stehen, aber weder »Old Cuban«, »Richmond<br />
Gimlet« oder ein gewisser »Gin Basil Smash« (der mittlerweile so sehr<br />
Klassiker ist, dass man in Berlin ramschige Derivate davon <strong>für</strong> fünf Euro<br />
angeboten bekommt). Und all diese Drinks gab es damals schon. Dennoch<br />
liegt es nah, warum Winchester den Benton’s Old Fashioned in<br />
seine Liste aufnahm, aus zweierlei Gründen:<br />
1. In die Liste musste ein Drink, der eine Old-Fashioned-Architektur<br />
besitzt.<br />
2. Der Drinks steht dort nicht nur um seiner selbst Willen, sondern um<br />
seiner Signalhaftigkeit in Bezug auf die Technik des Fat-Washings.<br />
Foto: Tim Klöcker