E&W November 2010 - GEW
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E&W November 2010 - GEW
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Erziehung<br />
undW ssenschaft<br />
Zeitschrift der Bildungs erkschaft <strong>GEW</strong> 11/<strong>2010</strong><br />
Qualifikation:<br />
Bezahlung:<br />
sehr gut<br />
ungenügend<br />
Acht<br />
Protokolle der<br />
Ungerechtigkeit
GASTKOMMENTAR<br />
Ökonomisch und<br />
pädagogisch geboten!<br />
„Entgeltordnung durchsetzen!“, titelt die<br />
<strong>GEW</strong>-Publikation zur Tarifrunde 2011.<br />
Bereits bei den Tarifverhandlungen 2003,<br />
heißt es hier, hätten sich die Gewerkschaften<br />
des öffentlichen Dienstes mit den Arbeitgebern<br />
in der Tarifgemeinschaft deutscher<br />
Länder (TdL) über eine einheitliche<br />
tarifliche Regelung für alle angestellten<br />
Lehrkräfte verständigt. Heute – und das ist<br />
blamabel – will die TdL von ihrer Zusage<br />
nichts mehr wissen.<br />
Wer eine moderne, transparente und vor allem<br />
diskriminierungsfreie Entgeltordnung,<br />
die für alle Lehrkräfte gilt, mit dem Argument<br />
des Sparzwanges öffentlicher<br />
Haushalte ablehnt,<br />
entpuppt sich als<br />
politisch unverantwortlich,<br />
weil zukunftsunfähig.<br />
Denn die konservative<br />
Ideologie, öffentliche Personalmittel<br />
einzusparen,<br />
steht im massiven Widerspruch<br />
zum immer wieder<br />
von Bund und Ländern verkündeten<br />
Primat der Bildung<br />
als notwendiger<br />
„Humanressource“ in ei-<br />
nem rohstoffarmen Land.<br />
Und: Sie lenkt von ande- Rudolf Hickel<br />
ren ernsthaften politischen<br />
Lösungen ab, die die öffentlichen<br />
Haushalte sanieren könnten. Würde allein<br />
der von der Hotellobby forcierte ermäßigte<br />
Steuersatz von sieben Prozent bei der<br />
Mehrwertsteuer für das Beherbergungsgewerbe<br />
wieder aufgehoben, stünde dem<br />
Staat eine Milliarde Euro mehr zur Verfügung.<br />
Darüber hinaus könnten mit einer<br />
moderaten Wiederbelebung der Vermögensteuer<br />
nach dem Motto „Bildungsreichtum<br />
für alle durch die Reichen“ den Länderhaushalten<br />
über zwölf Milliarden Euro zufließen.<br />
Fest steht: Ein modernes Tarifvertragssystem<br />
ist die wesentliche Voraussetzung für<br />
eine bessere Bildung. Das Lernen in der<br />
Schule ist ein interaktiver Prozess. Und das<br />
Ergebnis ist umso wertvoller, je stärker die<br />
Schülerinnen und Schüler nicht auf die Rolle<br />
der schlichten Nachfrager reduziert werden.<br />
Dazu bedarf es kompetenter Teamarbeit<br />
motivierter Lehrerinnen und Lehrer.<br />
Kontraproduktiv ist es, wenn sich Kollegien<br />
durch willkürlich gesetzte unterschiedliche<br />
Bezahlungen spalten lassen. Eine allge-<br />
2 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
meine diskriminierungsfreie Entgeltordnung<br />
kann es schaffen, motivationshemmende<br />
Grenzen – auch in den Köpfen – zu<br />
überwinden. Sie ist ökonomisch geboten<br />
und rechtlich selbstverständlich. Deshalb<br />
sollten die Verhandlungsparteien in der<br />
kommenden Tarifrunde die ohnehin<br />
schwierige Einstufung der Beschäftigten<br />
nicht weiterhin verkomplizieren, sondern<br />
im neuen Eingruppierungsrecht endlich<br />
einen fairen Konsens erzielen.<br />
Die internationale Arbeitsmarktforschung<br />
lehrt eindeutig, dass ein einheitliches und<br />
diskriminierungsfreies Tarifsystem gesellschaftliche<br />
Effizienz und Produktivität<br />
steigert. So ist die<br />
unterschiedliche Bezahlung<br />
bei gleichen Arbeitsanforderungen<br />
in hoch komplexen<br />
Produktionsvorgängen aufgrund<br />
der Reibungsverluste<br />
in vielen Unternehmen<br />
schnell wieder eingestellt<br />
worden. In den Schulen mit<br />
ihren differenzierten und anspruchsvollen<br />
Aufgaben erzeugt<br />
die derzeit willkürliche,<br />
nicht allgemein geregelte<br />
und rational nicht nachvollziehbare<br />
differenzierte Entlohnung<br />
ebenso Reibungsverluste<br />
wie schwere Belastungen.<br />
Gemessen am ökonomischen Prinzip ist der<br />
Beitrag Lehrender zur ökonomisch-gesellschaftlichen<br />
Wertschöpfung adäquat zu<br />
entgelten. Die gewerkschaftliche Forderung<br />
„gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist<br />
daher nicht nur folgerichtig, sondern auch<br />
dringend umzusetzen. Denn niemand kann<br />
ernsthaft die heute stark voneinander abweichenden<br />
Lehrerverdienste mit unterschiedlichen<br />
Ausbildungskosten oder gar<br />
einer abweichenden Leistungsanforderung<br />
legitimieren. Und – ein weiterer zentraler<br />
Punkt: Differenzierte Gehälter nach willkürlich<br />
bestimmter individueller Leistung in<br />
den Schulen stehen im Widerspruch zum<br />
Modell „einer Schule für alle“ sowie einer<br />
einheitlichen Ausbildung für alle Lehrkräfte<br />
(s. Seite 19). Bis heute aber werden Pädagoginnen<br />
und Pädagogen oft doppelt bestraft:<br />
Ihr Einsatz in Schulformen, die ihrer<br />
Ausbildung nicht entsprechen, wird noch<br />
mit einem niedrigen Entgelt „belohnt“.<br />
Prof. Rudolf Hickel, Institut Arbeit und<br />
Wirtschaft, Universität Bremen<br />
Foto: imago<br />
Prämie<br />
des Monats<br />
Seite 5<br />
Mit der richtigen Strategie kommen<br />
Sie ans Ziel. Werben Sie ein neues<br />
<strong>GEW</strong>-Mitglied und Sie erhalten<br />
„Dominion“ – das Spiel des Jahres<br />
2009. Spannende Spieleabende<br />
wünscht Ihre <strong>GEW</strong>!<br />
Impressum<br />
Erziehung und Wissenschaft<br />
Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 62. Jg.<br />
Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft<br />
im Deutschen Gewerkschaftsbund.<br />
Vorsitzender: Ulrich Thöne.<br />
Redaktion: Ulf Rödde (verantwortlich),<br />
Helga Haas-Rietschel.<br />
Redaktionsassistenz: Renate Körner.<br />
Postanschrift der Redaktion:<br />
Reifenberger Straße 21, 60489 Frankfurt a. M.,<br />
Telefon (0 69) 7 89 73-0, Telefax (0 69) 7 89 73-202.<br />
Internet: www.gew.de<br />
Redaktionsschluss ist der 10. eines jeden Monats.<br />
Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich, jeweils<br />
am 5. des Monats mit Ausnahme der Sommerferien.<br />
Gestaltung: Werbeagentur Zimmermann,<br />
Heddernheimer Landstraße 144, 60439 Frankfurt<br />
Druck: apm AG, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt.<br />
Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag<br />
enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der Bezugspreis<br />
jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30 Zustellgebühr inkl.<br />
MwSt. Für die Mitglieder der Landesverbände Bayern,<br />
Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Rheinland-Pfalz, Saar, Sachsen, Schleswig-Holstein und<br />
Thüringen werden die jeweiligen Landeszeitungen der<br />
E&W beigelegt. Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />
und Rezensionsexemplare wird keine Verantwortung<br />
übernommen. Die mit dem Namen des Verfassers gekennzeichneten<br />
Beiträge stellen nicht unbedingt die<br />
Meinung der Redaktion oder des Herausgebers dar.<br />
Verlag mit Anzeigenabteilung: Stamm Verlag GmbH,<br />
Goldammerweg 16, 45134 Essen,<br />
Verantwortlich für Anzeigen: Mathias Müller,<br />
Tel. (0201) 84300-0,Telefax (0201) 472590,<br />
anzeigen@stamm.de; www.erziehungundwissenschaft.de,<br />
gültige Anzeigenpreisliste Nr. 37 vom 1. 1. 2009,<br />
Anzeigenschluss ca. am 5. des Vormonats.<br />
E&W wird auf chlorfrei<br />
gebleichtem Papier gedruckt.<br />
ISSN 0342-0671
Acht Protokolle der Ungerechtigkeit: Lehrkräfte äußern<br />
ihren Unmut darüber, dass ihr Verdienst nicht ihrer Qualifikation<br />
entspreche – sei es, dass sie ihre Ausbildung in der<br />
DDR absolvierten oder nicht den klassischen Weg beschritten<br />
haben. In den Verhandlungen zur Länder-Entgeltordnung<br />
(L-ego) will die <strong>GEW</strong> diese Ungerechtigkeiten angehen<br />
und Lösungen finden. Denn letztlich können auch die<br />
Arbeitgeber nicht daran vorbei: Die deutsche Schule ist ein<br />
„gestörtes System“, das Kinder früh sortiert, damit Desintegration<br />
befördert sowie die Tätigkeit der Lehrkräfte unterschiedlich<br />
wertschätzt und ungerecht bezahlt. Eine <strong>GEW</strong>-<br />
Online-Befragung zeigt: Die Mitglieder unterstützen die gewerkschaftliche<br />
Forderung nach „gleichem Lohn für gleichwertige<br />
Arbeit“. Schwerpunkt Tarifrunde mit Statements<br />
prominenter Wissenschaftler: Seite6ff.<br />
Gastkommentar<br />
Ökonomisch und pädagogisch geboten! Seite 2<br />
Impressum Seite 2<br />
Auf einen Blick Seite 4<br />
Titel: Tarifrunde<br />
1. Acht Protokolle: Lehrkräfte ungerecht entlohnt Seite 6<br />
2. Länder-Entgeltordnung: Jetzt geht’s ans Eingemachte Seite 11<br />
3. <strong>GEW</strong>-Kommentar: Gestörtes System Seite 11<br />
4. Benachteiligung im Osten: Lehrkräfte zweiter Klasse Seite 12<br />
5. Interview mit Katrin Osterloh:<br />
„Ungerechtigkeit ausgleichen“ Seite 15<br />
6. Land zahlt schlechter als Kommune: Teppich mit Löchern Seite 16<br />
7. <strong>GEW</strong>-Online-Befragung:<br />
Mitglieder wollen einheitliche Bezahlung Seite 18<br />
8. Mit dem Master in die Schule Seite 19<br />
9. Grundschule: „Der Lehrer ist normalerweise eine Frau“ Seite 20<br />
10. Die sechs Mythen der Staatsverschuldung Seite 21<br />
Bildungspolitik<br />
1. Peter Petersens Weg zu Hitler Seite 22<br />
2. Prekäre Lage der Honorarlehrkräfte:<br />
„Die totale Ungerechtigkeit“ Seite 24<br />
3. TALIS-Studie: Was das Lernen erschwert Seite 25<br />
4. Marktnahe US-Schulreformen:<br />
„Arenen des Leistungswettbewerbs“ Seite 26<br />
Cartoon: Thomas Plaßmann<br />
Hartz IV-Reform: Das von Schwarz-Gelb großspurig<br />
angekündigte „Bildungspaket“ für den<br />
Nachwuchs der Ärmsten hat sich als ein Mini-<br />
Päckchen entpuppt. Auch künftig gibt es für die<br />
Kinder aus Hartz IV-Familien weder ausreichend<br />
Geld für Bildungs- noch für kulturelle oder<br />
Sportangebote. Es wirft zudem die Frage auf, ob<br />
durch Sach- statt Geldleistungen Hartz IV-Empfänger<br />
als Eltern bevormundet und stigmatisiert<br />
werden. DGB und Wohlfahrtsverbände stellen<br />
fest: Der Gesetzesentwurf zur Reform der Grundsiche-rung<br />
ist keine Basis zur Bekämpfung von<br />
(Bildungs-)Armut bei Kindern. Denn es ist nach<br />
Kassen- statt nach Verfassungslage entschieden<br />
worden: Seite 28 ff.<br />
E&W-Hintergrund zur Hartz IV-Reform<br />
1. „Bildungspaket“: Zehn Euro für alles Seite 28<br />
2. Nach Kassen- statt Verfassungslage Seite 29<br />
3. „Armut trifft den Nerv der Schule“ Seite 32<br />
4. Interview mit Jürgen Borchert:<br />
„Menschenwürde verträgt sich nicht mit Hütchenspielen“ Seite 34<br />
5. <strong>GEW</strong>-Kommentar: „Ein Herz für Kinder?“ Seite 35<br />
9. <strong>November</strong><br />
Eine andere Art der Zeitzeugendokumentation:<br />
Der Film „Per la Vita“ Seite 36<br />
Recht und Rechtsschutz Seite 37<br />
Marktplatz Seite 38<br />
<strong>GEW</strong>-Intern<br />
Mitgliederservice Seite 40<br />
Leserforum Seite 43<br />
Diesmal Seite 48<br />
Titel: Werbeagentur Zimmermann<br />
Cartoon: Freimut Wössner<br />
Auf ein Wort ...<br />
Die <strong>GEW</strong> hat im vergangenen<br />
Jahr per Saldo über 6000 Mitglieder<br />
gewonnen. Auch <strong>2010</strong><br />
hat sich die positive Entwicklung<br />
fortgesetzt. Vor allem<br />
während der Tarifauseinandersetzungen<br />
sind viele Kolleginnen<br />
und Kollegen in die Bildungsgewerkschafteingetreten.<br />
Damit geben wir uns aber<br />
nicht zufrieden. Die Verhandlungen<br />
über die Länder-Entgeltordnung<br />
(L-ego) für Lehrkräfte,<br />
aber auch das Engagement für<br />
ein inklusives Bildungssystem<br />
erfordern eine starke <strong>GEW</strong>.<br />
Denn wir wollen diese Auseinandersetzungen<br />
gewinnen!<br />
Dafür brauchen wir Ihre, Deine<br />
Unterstützung. In den nächsten<br />
Monaten werden jeder Ausgabe<br />
der „Erziehung und Wissenschaft“<br />
zwei Flugblätter der Serie<br />
„Auf ein Wort, liebe Kollegin,<br />
lieber Kollege“ beigeheftet.<br />
Wir bitten alle Leserinnen<br />
und Leser, die Blätter herauszutrennen<br />
und über die Inhalte<br />
das persönliche Gespräch mit<br />
Kolleginnen und Kollegen am<br />
Arbeitsplatz oder im Bekanntenkreis<br />
zu suchen und diese<br />
für eine Mitgliedschaft in der<br />
<strong>GEW</strong> zu gewinnen.<br />
Herzlichen Dank für Ihre,<br />
Deine Unterstützung!<br />
Ulf Rödde, Redaktionsleiter der<br />
„Erziehung und Wissenschaft“<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 3
AUF EINEN BLICK<br />
Kein Mindestlohn für Weiterbildner<br />
Die rund 23 000 Beschäftigten der Weiterbildungsbranche erhalten<br />
auch künftig keinen Mindestlohn. Das Bundesarbeitsministerium<br />
lehnte einen Antrag von Arbeitgebern und Gewerkschaften<br />
ab, den im Mai 2009 vereinbarten Branchentarifvertrag<br />
für allgemeinverbindlich zu erklären. Es könne nicht<br />
sein, dass „Arbeitssuchende fit gemacht werden sollen für den<br />
Arbeitsmarkt von Honorarlehrkräften, die trotz Hochschulabschluss<br />
häufig nur 1400 bis 1800 Euro brutto verdienen“,<br />
kritisierte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-<br />
Bundestagsfraktion, Annette Gramme (s. auch E&W 10/<strong>2010</strong><br />
und Seite 24). <strong>GEW</strong>-Tarifexpertin Ilse Schaad bemängelte: „Billiganbietern<br />
in der Aus- und Weiterbildung bleiben weiter Tür<br />
und Tor geöffnet. Weiterbildner werden mit Almosen abgespeist.“<br />
Mit dem Branchentarifvertrag Weiterbildung wäre eine<br />
untere Haltelinie gegen Dumpinglöhne eingezogen worden.<br />
Er sah untere Lohngrenzen zwischen 10,93 Euro in den<br />
östlichen Bundesländern und 12,28 Euro Stundenhonorar im<br />
Westen vor. Vereinbart hatten ihn <strong>GEW</strong>, ver.di und die Zweckgemeinschaft<br />
von Mitgliedsunternehmen des Bundesverbands<br />
der Träger beruflicher Bildung.<br />
Lehrkräfte als Leiharbeiter<br />
Mit dem Einsatz von Leiharbeits-Lehrkräften soll an den hessischen<br />
Schulen künftig akuter Lehrermangel in Fächern wie<br />
Physik und Chemie beseitigt werden. Das sieht der Entwurf<br />
für das neue Schulgesetz von Kultusministerin Dorothea Henzler<br />
(FDP) vor. Schulen sollen die Möglichkeit erhalten, Lücken<br />
im Personalbestand über Verträge mit privaten Personaldienstleistern<br />
zu schließen. Die Opposition kritisierte das Vorhaben<br />
scharf. „Der Unterricht an unseren Schulen muss von vollausgebildeten<br />
Lehrkräften durchgeführt werden“, so der SPD-<br />
Landtagsabgeordnete Günter Rudolph. Henzler verteidigte<br />
ihren Vorstoß mit dem Argument, um den Unterricht in Mangelfächern<br />
abdecken zu können, wolle man in Ausnahmefällen<br />
auf Leihlehrerarbeitskräfte zurückgreifen. Die Bewerber<br />
müssten über ausreichende Qualifikationen verfügen, hieß es<br />
aus dem Kultusministerium. Die Kritiker halten das für Augenwischerei.<br />
„Damit öffnet man Nichtqualifizierten Tür und<br />
Tor“, monierte der hessische <strong>GEW</strong>-Vorsitzende Jochen Nagel.<br />
Leiharbeitsfirmen seien auf Profit aus, die Frage nach der Befähigung<br />
der Bewerber sei bestenfalls zweitrangig.<br />
Lehrkräfte monatelang ohne Lohn<br />
Hunderte neu eingestellte Lehrer, Beamte, Vertretungskräfte<br />
und Quereinsteiger, berichtete SPIEGEL-online, müssten<br />
teilweise monatelang auf ihren ersten Lohn warten. Besonders<br />
überfordert seien die Behörden in Nordrhein-Westfalen<br />
(NRW). Ursache für die Verzögerungen bei den Einkommenszahlungen:<br />
Die zuständigen Behörden schafften es offenbar<br />
nicht, die neuen Staatsdiener rechtzeitig in die richtigen<br />
Gehaltsgruppen des neuen Tarifvertrags der Länder (TV-L)<br />
einzusortieren. Ute Lorenz, Tarifexpertin beim <strong>GEW</strong>-Landesverband<br />
NRW: „Die Landesregierung hat die Verwaltungen<br />
kaputtgespart. Die Folgen sehen wir jetzt.“ Stichproben von<br />
SPIEGEL-online zeigten, dass auch in anderen Ländern nicht<br />
alles reibungslos läuft: In Baden-Württemberg etwa kritisieren<br />
Personalräte „Verschlankungen in den Behörden, die zu mehrwöchigen<br />
Verzögerungen der Gehaltszahlungen führen“.<br />
<strong>GEW</strong>-Tarifexpertin Ilse Schaad hält den betroffenen Landesre-<br />
4 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Foto: dpa<br />
gierungen vor, dass sie von den Verzögerungen profitierten:<br />
„Das Geld, das zu spät ausgezahlt wird, können die Länder in<br />
der Zwischenzeit ertragreich anlegen.“<br />
Ausbildungspakt: Regierung knickt ein<br />
Der DGB hat der Bundesregierung vorgeworfen, bei den Verhandlungen<br />
über einen neuen Ausbildungspakt vor der Wirtschaft<br />
eingeknickt zu sein. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende<br />
Ingrid Sehrbrock sagte, die Bundesregierung habe ihr<br />
Wort gegenüber den Gewerkschaften nicht gehalten. Der<br />
DGB sei bereit gewesen, sich im Interesse junger Menschen<br />
am Pakt zu beteiligen. Doch die Arbeitgeberverbände hätten<br />
mit neuen Forderungen – Verschlechterung des Jugendarbeitsschutzes<br />
sowie Anerkennung zweijähriger Schmalspurausbildungen<br />
– die im Prinzip schon abgeschlossenen Verhandlungen<br />
kurz vor Vertragsunterzeichnung scheitern lassen. Dass<br />
die Bundesregierung nun einen Pakt – gültig bis 2014 – unter<br />
Ausschluss der Gewerkschaften unterzeichnet habe, ist nach<br />
Auffassung der Gewerkschafterin ein „handfester Skandal“.<br />
SPD: bis 2020 flächendeckend Ganztag<br />
Das „Bildungspaket“ von Bundesarbeitsministerin Ursula von<br />
der Leyen (CDU) sei nicht nur ein frommer Wunsch, kritisierte<br />
der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der SPD-<br />
Bundestagsfraktion, Ernst-Dieter Rossmann. Vor allem sei es bildungspolitisch<br />
völlig unzureichend, „denn mit nur rund 110<br />
Millionen Euro im Jahr für Lernförderung oder eintägige Ausflüge<br />
ist die Bildungsarmut nicht zu überwinden“. Rossmann<br />
fordert, die Bildungsinfrastruktur nachhaltig zu stärken: mehr<br />
Kitas, mehr qualifiziertes Lehrpersonal für die individuelle<br />
Förderung jedes einzelnen Kindes. Vor allem: Ein „Masterplan<br />
Ganztagsschule“ müsse als gemeinsame Bund-Länder-<br />
Anstrengung auf den Weg gebracht werden, unterstrich der<br />
Abgeordnete. Ziel sei, in den Ländern bis 2020 ein flächendeckendes<br />
und bedarfsgerechtes Ganztagsschulangebot von<br />
der Grundschule bis zum Abitur aufzubauen (s. auch E&W-<br />
Schwerpunkt „Ganztag“ 10/<strong>2010</strong>). Nähere Infos zum Masterplan<br />
unter: www.spdfraktion.de.<br />
Rund 100 000 Gewerkschafter und Beschäftigte aus 30 europäischen<br />
Ländern demonstrierten Ende September in Brüssel<br />
gegen die Reform des Stabilitätspakts. Die Kolleginnen<br />
und Kollegen aus rund 50 Organisationen brachten machtvoll<br />
zum Ausdruck, was sie der EU-Kommission schon lange vorhalten:<br />
die Freiheit des Binnenmarktes über die sozialen<br />
Rechte der Arbeitnehmer zu stellen.
#<br />
Bitte in Druckschrift ausfüllen.<br />
Ihre Daten sind entsprechend den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes geschützt.<br />
Antrag auf<br />
Mitgliedschaft<br />
Vorname/Name<br />
Straße/Nr.<br />
Land/PLZ/Ort<br />
Mitmachen lohnt sich...<br />
...für jedes neu geworbene <strong>GEW</strong>-Mitglied erwartet Sie das Spiel des Jahres 2009.<br />
Geburtsdatum/Nationalität<br />
Bisher gewerkschaftlich organisiert bei von bis (Monat/Jahr)<br />
Telefon Fax<br />
Jedes Mitglied der <strong>GEW</strong> ist verpflichtet, den satzungsgemäßen Beitrag zu entrichten und seine Zahlungen<br />
daraufhin regelmäßig zu überprüfen. Mit meiner Unterschrift auf diesem Antrag erkenne ich die<br />
Satzung der <strong>GEW</strong> an und ermächtige die <strong>GEW</strong> zugleich widerruflich, den von mir zu leistenden Mitgliedsbeitrag<br />
vierteljährlich von meinem Konto abzubuchen. Prämienberechtigt sind <strong>GEW</strong>-Mitglieder,<br />
die ein beitragzahlendes Mitglied werben. Der Landesverband Niedersachsen<br />
nimmt nicht an diesem Programm teil.<br />
Ort/Datum Unterschrift<br />
Daten desWerbers<br />
Ich habe die oben genannte Person als neues <strong>GEW</strong>-Mitglied geworben.<br />
Vorname/Name<br />
Straße/Nr.<br />
PLZ/Ort<br />
Ihr Mitgliedsbeitrag:<br />
- BeamtInnen zahlen 0,75 Prozent der Besoldungsgruppe und -stufe, nach der sie besoldet werden.<br />
- Angestellte zahlen 0,7 Prozent der Entgeltgruppe und Stufe, nach der vergütet wird.<br />
- Der Mindestbeitrag beträgt immer 0,6 Prozent der untersten Stufe der Entgeltgruppe 1 des TVöD.<br />
- Arbeitslose zahlen ein Drittel des Mindestbeitrages.<br />
- Studierende zahlen einen Festbetrag von 2,50 Euro.<br />
- Mitglieder im Referendariat oder Praktikum zahlen einen Festbetrag von 4 Euro.<br />
- Mitglieder im Ruhestand zahlen 0,66 Prozent ihrer Ruhestandsbezüge.<br />
Weitere Informationen sind der Beitragsordnung zu entnehmen.<br />
E-Mail<br />
Berufsbezeichnung/-ziel beschäftigt seit Fachgruppe<br />
Name/Ort der Bank<br />
Kontonummer BLZ<br />
Tarif-/Besoldungsgebiet<br />
Tarif-/Besoldungsgruppe Stufe seit<br />
Bruttoeinkommen € monatlich (falls nicht öffentlicher Dienst)<br />
Betrieb/Dienststelle/Schule Träger des Betriebes/der Dienststelle/der Schule<br />
Straße/Nr.des Betriebes/der Dienststelle/der Schule PLZ/Ort<br />
<strong>GEW</strong>-Landesverband<br />
Telefon Fax<br />
E-Mail<br />
Prämie des<br />
Monats <strong>November</strong><br />
„Dominion“ – das Spiel des Jahres 2009<br />
E+W-Prämie des<br />
Monats <strong>November</strong> <strong>2010</strong>/<br />
Spiel „Dominion“<br />
Beschäftigungsverhältnis<br />
Honorarkraft<br />
angestellt<br />
beamtet<br />
teilzeitbeschäftigt mit<br />
Prozent<br />
teilzeitbeschäftigt mit<br />
Std./Woche<br />
in Rente/pensioniert<br />
Altersteilzeit<br />
befristet bis<br />
arbeitslos<br />
beurlaubt ohne Bezüge<br />
im Studium<br />
in Elternzeit<br />
Referendariat/<br />
Berufspraktikum<br />
Sonstiges<br />
Bitte den Antrag<br />
vollständig ausfüllen<br />
und an folgende<br />
Adresse senden:<br />
Gewerkschaft<br />
Erziehung undWissenschaft<br />
Reifenberger Straße 21<br />
60489 Frankfurt a.M.<br />
Fax:069/78973-102<br />
Vielen Dank!<br />
Ihre <strong>GEW</strong>
TARIFRUNDE<br />
Lehrkräfte: unge<br />
6 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Wenn der Verdienst weder der Qualifikation noch der Arbeit entspricht<br />
Gleicher Lohn für<br />
gleich(wertig)e Tätigkeit?<br />
Das gilt zumindest nicht<br />
für jene Lehrkräfte,<br />
die keinen klassischen<br />
Ausbildungsweg oder<br />
diesen in der DDR<br />
absolviert haben.<br />
Acht Protokolle<br />
der Ungerechtigkeit.<br />
Die Gesamtschullehrerin<br />
Marion Bornhövd (55 Jahre, Lehrerin<br />
an einer Gesamtschule in Kürten,<br />
Nordrhein-Westfalen)<br />
Dass meine Ausbildung an der Fachhochschule<br />
in meinem Berufsleben zu<br />
einem solchen Problem würde, hätte ich<br />
Anfang der 1980er-Jahre nie gedacht.<br />
Ich habe mein Diplom als Übersetzerin<br />
für Englisch und Spanisch an der FH<br />
Köln gemacht. Mit meinem damaligen<br />
Mann gründete ich eine Sprachschule,<br />
unterrichtete Erwachsene und dol-<br />
Cartoons: Thoams Plaßmann<br />
metschte nebenher für Polizei und Gericht.<br />
Nach der Scheidung musste ich<br />
mich als freie Übersetzerin durchschlagen.<br />
Eines Tages hörte ich, dass Schulen<br />
händeringend Englischlehrkräfte suchten.<br />
Ich habe mich sofort als Vertretungslehrerin<br />
beworben. Zwischen 2004<br />
und 2009 war ich an fünf Schulen in drei<br />
Bundesländern tätig: Rheinland-Pfalz,<br />
Hessen und Nordrhein-Westfalen. Mal<br />
für drei Monate, mal für eineinhalb Jahre.<br />
Mal Vollzeit, mal 14 Wochenstunden,<br />
mal in der Sek. I und Oberstufe,<br />
mal in Gymnasium und Realschule. Anfangs<br />
war das sehr stressig.<br />
Heute bin ich ein Profi: Die Praxis hat<br />
mich fachlich und pädagogisch fit ge-
echt entlohnt!<br />
macht, selbst für die gymnasiale Oberstufe.<br />
Um so mehr ärgert mich mein Status:<br />
„Nichterfüllerin“, „Einfächlerin“,<br />
heißt es in der Verwaltungssprache. Spanisch<br />
wurde mir nie als zweites Fach anerkannt.<br />
Ich habe zig Anläufe gemacht,<br />
um mich nachzuqualifizieren. Immer<br />
wieder wimmelte man mich ab. Es hieß,<br />
mit einem FH-Abschluss in Fremdsprachen<br />
werde man nicht für ein Referendariat<br />
als Quereinsteigerin zugelassen.<br />
Sollte ich den Rest meines Lebens als<br />
Vertretungslehrerin arbeiten? Nur zufällig<br />
geriet ich eines Tages an den richtigen<br />
Sachbearbeiter, der mir verriet, dass<br />
FHler nun doch als Seiteneinsteiger zugelassen<br />
seien. Ich holte das Referendariat<br />
nach und bekam eine feste Stelle an<br />
einer Gesamtschule. Weniger Geld als<br />
meine Kollegen verdiene ich trotzdem:<br />
Ich werde nach TV-L 10 statt nach 11 bezahlt.<br />
Begründung: Mir fehle ja das<br />
zweite Fach! Ich habe mehrfach gegen<br />
meine Einstufung Widerspruch eingelegt.<br />
Erfolglos. Jetzt nehme ich es mit<br />
Humor, unterrichte fachfremd Erdkunde<br />
und Methodentraining. Höchste<br />
Zeit, dass endlich alle Lehrenden gleich<br />
bezahlt werden.<br />
Die Sonderschullehrerin<br />
Regina Hartmann (57 Jahre,<br />
Lehrerin an einer Sonderschule<br />
in Berlin Mitte)<br />
Ich bin seit 37 Jahren Lehrerin, aber seit<br />
dem Mauerfall muss ich mich dafür immer<br />
neu legitimieren. In der DDR<br />
schloss ich den Studiengang „Freundschaftspionierleiter<br />
einschließlich Lehrer<br />
unterer Klassen 1 bis 4“ in Deutsch,<br />
Musik und Mathe ab. Aber bei Mathe<br />
fehlte mir der Methodikteil. Angeblich<br />
war das der Grund für meine Kündigung<br />
nach der Wende im August 1991. Letztlich<br />
vermute ich politische Gründe dahinter,<br />
obwohl ich seit 1979 keine Pioniergruppe<br />
mehr geleitet habe. Mit der<br />
Kündigung hatte das Schulamt trotzdem<br />
keinen Erfolg. Weil ich 18 Jahre<br />
Tätigkeit als Mathelehrerin nachweisen<br />
konnte, gab das Gericht meiner Klage in<br />
zweiter Instanz Recht.<br />
1993 habe ich neben der Schule ein Ergänzungsstudium<br />
für Ostlehrkräfte im<br />
Fach Deutsch begonnen, um in der Sek<br />
I unterrichten zu können. Nach zwei<br />
Jahren stand ich vor dem Abschluss. Da<br />
sagte das Schulamt: „Sie brauchen gar<br />
nicht weiter zu machen. Ihre Zulassung<br />
zum Ergänzungsstudium war ein Versehen.<br />
Ehemalige Pionierleiter sind nicht<br />
zugelassen.“ Außerdem stufte man<br />
mich zur „Hilfserzieherin“ ab: BAT 6b.<br />
Ich war sehr wütend und habe mehrfach<br />
geklagt. Immer wieder wollte man mir<br />
mit neuen Begründungen den Lehrerstatus<br />
aberkennen und nicht einmal ein<br />
Erziehergehalt (BAT 4b) zahlen. 1998<br />
hieß es: „Wenn Sie bereit sind, an eine<br />
Sonderschule zu gehen, kommen Sie in<br />
Gehaltsstufe BAT 4b.“ Absurd, oder?<br />
Seit elf Jahren unterrichte ich an einer<br />
Sonderschule in Berlin Mitte. Die Arbeit<br />
macht mir Spaß. Meine finanzielle<br />
Benachteiligung bleibt ein Skandal.<br />
Dass Lehrerinnen und Lehrer ohne<br />
zweites Staatsexamen erst einmal eine<br />
etwas geringere Grundvergütung erhalten,<br />
ist zunächst in Ordnung. Aber danach?<br />
Wer sich dauerhaft bewährt, sollte<br />
auch besser bezahlt werden.<br />
Der Professor<br />
G. M. (50 Jahre, Hochschullehrer für<br />
Mathematik an einer Fachhochschule<br />
in Ostdeutschland)<br />
Ich arbeite und lehre als promovierter<br />
Mathematiker seit 1984 an verschiedenen<br />
Hochschulen. Vor elf Jahren habe<br />
ich an einer Fachhochschule in Mitteldeutschland<br />
den Fachbereich „Angewandte<br />
Mathematik“ mit aufgebaut.<br />
Mittlerweile leite ich dieses Fachgebiet<br />
und habe mehrere Curricula für Diplom-,<br />
Bachelor- und Master-Studiengänge<br />
eigenverantwortlich konzipiert.<br />
In meine Zuständigkeit fällt auch<br />
die Mathematik-Ausbildung angehender<br />
Ingenieure.<br />
Mein Stellenprofil entspricht dem einer<br />
typischen Professorenstelle. Ich betreibe<br />
zwar eigenständig Lehre, bin aber als<br />
„Lehrkraft für besondere Aufgaben“ (LfbA)<br />
in EG 11 eingruppiert und daher<br />
schlechter als ein wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter bezahlt, der mindestens in<br />
EG 13 eingestuft wird.<br />
Der Grund: An den Fachhochschulen<br />
(FH) in Ostdeutschland gibt es so gut<br />
wie keinen akademischen Mittelbau.<br />
Ursprünglich war der Status der LfbA als<br />
Karrierechance für Lehrkräfte an FHen<br />
gedacht. Mittlerweile ist die Situation<br />
derart pervertiert, dass man uns ausschließlich<br />
dafür einsetzt, um Geld für Professorenstellen,<br />
aber auch für wissenschaftliche<br />
Mitarbeiter zu sparen. Es ist<br />
daher nicht ungewöhnlich, dass ich Studierenden<br />
die Prüfung abnehme, die danach<br />
an der gleichen FH als Ingenieure<br />
auf eine Projektstelle kommen und da<br />
deutlich mehr verdienen als ich, ihr ehemaliger<br />
Hochschullehrer.<br />
An einen beruflichen Aufstieg ist nicht<br />
zu denken. Unsere Berufsgruppe sitzt<br />
quasi in einer bestimmten Gehaltsklasse<br />
fest, zumal es für Lehrkräfte im Hochschuldienst<br />
seit Jahrzehnten keine tarifrechtliche<br />
Vereinbarung gibt. Deshalb<br />
hoffe ich, dass die Gewerkschaften nicht<br />
nur mehr Geld für LfbA aushandeln,<br />
sondern auch eine tarifrechtliche Vereinbarung<br />
mit den Arbeitgebern erzielen.<br />
Die Grundschullehrerin<br />
Monika Nicolas-Schmitz (54 Jahre,<br />
Lehrerin an einer ehemaligen verbundenen<br />
Haupt- und Grundschule, jetzt<br />
nur Grundschule in Waxweiler, Rheinland-Pfalz)<br />
Das Bewerbungsgespräch mit dem Direktor<br />
der Hauptschule klingt mir heute<br />
noch in den Ohren: „Können Sie morgen<br />
anfangen?“ An der ganzen Schule<br />
gab es nur eine Englischlehrerin, verzweifelt<br />
suchte er Verstärkung. Ein paar<br />
Tage später stand ich allein vor der Klasse.<br />
Die versprochene Hospitation fiel<br />
TARIFRUNDE<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 7
TARIFRUNDE<br />
aus, stattdessen bekam ich ein „Lehrermanual“<br />
in die Hand gedrückt, eine Art<br />
Gebrauchsanweisung für den Unterricht.<br />
Die ersten Wochen waren der<br />
„Hammer“: 6., 7., 8. Klassen an der<br />
Hauptschule. Aber ich habe mich<br />
durchgebissen und es geschafft. Dass ich<br />
„wegen mangelnder pädagogischer<br />
Qualifikation“ in BAT 4b eingestuft<br />
worden bin, war zunächst kein großes<br />
Thema. Sonst stimme der Personalrat<br />
nicht zu, erklärte der Schulleiter.<br />
Heute ärgert mich das ungeheuer. Ich<br />
bin Klassenleiterin, unterrichte derzeit<br />
Mathe, Deutsch, Französisch, Sachkunde<br />
und habe federführend ein Comenius-Projekt<br />
auf die Beine gestellt. Ich besuche<br />
Fortbildungen, mache die gleiche<br />
Arbeit wie voll ausgebildete Lehrkräfte.<br />
Trotzdem klebt ein Makel an mir, der<br />
8 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
sich nie tilgen lässt. Abgestempelt als<br />
„uq“ (unterqualifiziert) oder „mq“ (minderqualifiziert).<br />
Schon der Jargon zeigt,<br />
was manche Kollegen von Quereinsteigern<br />
denken. Dabei habe ich reichlich<br />
pädagogische Erfahrung gesammelt und<br />
einen Englisch-Abschluss an der Pariser<br />
Sorbonne in der Tasche.<br />
Erfolglos bewarb ich mich für das Quereinsteigerprogramm<br />
der Landesregierung.<br />
2006, wegen der Umstellung von<br />
BAT auf TVöD, bot man mir einen neuen<br />
Arbeitsvertrag an, mit weniger Urlaubsgeld.<br />
„Wenn Sie nicht unterschreiben,<br />
müssen Sie gehen“, hieß es lapidar.<br />
Zum Glück passierte dabei ein formaler<br />
Fehler. Ich konnte mich auf Festanstellung<br />
einklagen. Mein Antrag auf Vollzeit<br />
wurde aber abgelehnt. Ich unterrichte<br />
heute 26 Wochenstunden und be-<br />
komme dafür knapp 3500 Euro brutto,<br />
das sind mehr als 500 Euro weniger als<br />
Kollegen erhalten, die lediglich eine<br />
Stunde mehr unterrichten. Gerecht ist<br />
das nicht. Von der <strong>GEW</strong> erwarte ich,<br />
dass sie verbindliche Regelungen mit<br />
den Ländern aushandelt, wie Ausbildungslücken<br />
durch Berufspraxis finanziell<br />
ausgeglichen werden können.<br />
Die Sozialpädagogin<br />
Regina Hiertz (33 Jahre, Lehrerin an<br />
einer Grundschule in Köln)<br />
Mein Studium als Diplom-Sozialpädagogin<br />
habe ich an der Universität<br />
Siegen absolviert. Nach dem Diplom-
Abschluss ging ich in den Schuldienst.<br />
Heute unterrichte ich an einer sozialen<br />
Brennpunkt-Schule in Köln Kinder, die<br />
noch nicht schulreif sind, weil sie<br />
Sprach- oder Verhaltensdefizite aufweisen,<br />
obwohl sie vom Alter her bereits<br />
schulpflichtig sind. Überwiegend unterrichte<br />
ich zwar, aber meine besondere<br />
Aufgabe besteht darin, diese Kinder im<br />
so genannten Teamteaching in Kleingruppen<br />
individuell zu fördern. Ziel ist,<br />
ihnen einen Verbleib in der Regelklasse<br />
zu ermöglichen. Manchmal muss ich<br />
auch eine Grundschullehrerin in den<br />
„normalen“ Klassen vertreten, wenn<br />
diese z.B. erkrankt oder auf Fortbildung<br />
ist. Nach meinem Studium war ich<br />
zunächst acht Jahre lang befristet beschäftigt<br />
und musste mehrfach die<br />
Schule wechseln. Erst seit dem Schuljahr<br />
2009/10 bin ich fest angestellt. Dadurch<br />
hat sich meine Situation zwar verbessert,<br />
finanziell werde ich allerdings<br />
weiterhin benachteiligt. Für eine Tätigkeit,<br />
die der einer Lehrkraft mit zweitem<br />
Staatsexamen entspricht, erhalte ich<br />
derzeit lediglich Gehalt nach Entgeltgruppe<br />
10 des TV-L. Da ich verheiratet<br />
bin und mein Mann auch verdient,<br />
kommen wir finanziell über die Runden.<br />
Wäre ich alleinstehend, hätte ich<br />
monatlich kaum mehr als 1500 Euro<br />
netto in der Tasche.<br />
Die Seiteneinsteigerin<br />
C. A. (44 Jahre, Lehrerin an einer<br />
Hauptschule in Bottrop, ursprünglich<br />
Mode-Designerin)<br />
Ich arbeite seit achteinhalb Jahren als<br />
Hauptschullehrerin und unterrichte<br />
Schüler der fünften bis zehnten Klasse.<br />
Wie fast jede andere Hauptschullehrkraft<br />
unterrichte ich alles außer Religion<br />
und Sport. Nach dem Abitur habe ich<br />
zunächst eine Lehre als Schneiderin absolviert,<br />
anschließend Design studiert<br />
und mein FH-Studium als staatlich geprüfte<br />
Modegestalterin abgeschlossen.<br />
Nach einigen Jahren in diesem Beruf habe<br />
ich mich „schulscharf“ an einer<br />
Hauptschule beworben und bin dort im<br />
Februar 2003 für das Fach Textilgestaltung<br />
eingestellt worden. Berufsbegleitend<br />
habe ich mich am Studienseminar<br />
pädagogisch weitergebildet, außerdem<br />
einen Zertifikatskurs besucht und damit<br />
die unbefristete Lehrbefähigung für das<br />
Fach Englisch erworben. Fortbildungen<br />
sind für mich obligatorisch. Von Anfang<br />
an wurde ich zwar wie jede andere Lehrkraft<br />
eingesetzt, d. h. ich unterrichte<br />
noch andere Fächer, korrigiere Klassenarbeiten,<br />
halte Prüfungen ab, habe Klassenordinate,<br />
schreibe Gutachten und<br />
vertrete Kollegen im Krankheitsfall.<br />
Beim Verdienst schlägt sich das bisher<br />
nicht nieder: lediglich Entgeltgruppe 9!<br />
Dabei bin ich keine Ausnahme, ich kenne<br />
Seiteneinsteiger, die finanziell noch<br />
schlechter dran sind. Aufstiegschancen?<br />
Fehlanzeige! Vor einem Jahr hieß es,<br />
Seiteneinsteiger könnten sich in Nordrhein-Westfalen<br />
(NRW) nachqualifizieren.<br />
Dies galt dann leider nur für Kollegen,<br />
die einen Hochschulabschluss vorweisen<br />
konnten. Ein Fachhochschulabschluss<br />
reichte dafür offenbar nicht aus.<br />
Von der kommenden Tarifrunde erwarte<br />
ich, dass die <strong>GEW</strong> ihre Forderung „gleicher<br />
Lohn für gleiche Arbeit“ durchsetzen<br />
kann und ich endlich adäquat als<br />
Lehrerin bezahlt werde.<br />
Der Australier<br />
Nick Strauss (42 Jahre, Englischlehrer<br />
an der Integrierten Stadtteilschule in<br />
Bremerhaven Lehe)<br />
Das Angebot klang verlockend: Ausländische<br />
Lehrer für die Bremer Schulen<br />
gesucht. Prima, dachte ich, das passt<br />
doch ideal. Ich bin Australier, habe eine<br />
britische Anerkennung für meine australische<br />
Lehrerausbildung, einen MA<br />
in Development Studies, mehr als zehn<br />
Jahre Unterrichtserfahrung an britischen<br />
Gesamt- und Sonderschulen.<br />
2006 kam ich in den deutschen Schuldienst<br />
und bin gleich voll eingestiegen:<br />
27 Stunden Unterricht, sechs Klassen,<br />
Klassenleitung, später Vertrauenslehrer.<br />
Das Klima an der Schule war gut, im Kollegium<br />
fühlte ich mich hundertprozentig<br />
anerkannt. Erst allmählich dämmerte<br />
mir, dass hier etwas nicht ganz fair lief.<br />
Ich bekam lediglich TV-L 11, viele meiner<br />
deutschen Kollegen TV-L 13. Meine<br />
englische Zusatzausbildung in Sonderpädagogik<br />
hat man nicht anerkannt.<br />
Kurzum, ich erhielt bis zu 500 Euro weniger<br />
als die meisten deutschen Lehrkräfte.<br />
Man kann von rund 4000 Euro brutto<br />
ganz gut leben, in Ordnung ist mein Verdienst<br />
aber nicht. Ein weiteres Problem:<br />
Viele Bewerber aus England sind wie ich<br />
damals gar nicht richtig eingearbeitet<br />
worden. 72 Stunden nach der Landung<br />
in Bremen standen sie in den Klassenzimmern<br />
und es hieß: macht mal.<br />
Deshalb engagiere ich mich in der<br />
<strong>GEW</strong> als Betriebsgruppensprecher gegen<br />
die Ungleichbehandlung ausländischer<br />
Lehrerinnen und Lehrer. Klar ist:<br />
Alle Lehrkräfte sollten gleich bezahlt<br />
werden, unabhängig von Herkunft,<br />
Schulform und Klassenstufe, Beamtenoder<br />
Angestelltenstatus.<br />
Die Diplom-<br />
Pädagogin<br />
Heidemarie Bodner (56 Jahre, Lehrerin<br />
an einer Berufsschule in Dresden)<br />
Ich arbeite seit 1979 als Lehrerin. Meine<br />
pädagogische Tätigkeit begann bereits<br />
1972 als Erzieherin. Sechs Jahre lang habe<br />
ich diesen Beruf ausgeübt, danach<br />
ein zweijähriges Studium an der Humboldt-Universität<br />
(HU) in Berlin als Diplom-Pädagogin<br />
absolviert. Anschließend<br />
bildete ich Erzieherinnen an der<br />
Pädagogischen Schule in Dresden aus.<br />
Heute arbeite ich in der sächsischen Metropole<br />
als Lehrerin am Beruflichen<br />
Schulzentrum für Gesundheits- und Sozialwesen.<br />
Nach 1990 sind meine Kolleginnen und<br />
Kollegen und ich mit Diplom-Abschluss<br />
zunächst nach BAT III bezahlt<br />
worden. Recht bald erfolgte aber eine<br />
Rückstufung auf die Gehaltsstufe einer<br />
Erzieherin. Es hieß, ich hätte nicht die<br />
erforderliche Lehrbefähigung. Die HU<br />
Berlin hat mir diese nachträglich bestätigt.<br />
Mein Widerspruch gegen die<br />
Rückstufung war dennoch erfolglos.<br />
Man teilte mir mit, dass man solche Fälle<br />
wie den meinigen beim Einigungsvertrag<br />
einfach „vergessen“ habe.<br />
Jetzt habe ich die letzte Stufe in der Entgeltgruppe<br />
10 erreicht: etwa 3800 Euro<br />
Bruttoverdienst im Monat. Wäre ich wie<br />
andere Pädagogen zwei Gehaltsgruppen<br />
höher eingruppiert, bekäme ich monatlich<br />
rund 500 Euro mehr. Deshalb fühle<br />
ich mich ungerecht behandelt, denn ich<br />
gehe trotz nachgewiesener Hochschulqualifikation<br />
mit weniger Geld als andere<br />
Lehrkräfte nach Hause. An meiner<br />
Schule gibt es noch einige solcher „Altfälle“,<br />
sie nehmen allerdings ab, da die<br />
betroffenen Kolleginnen und Kollegen<br />
nach und nach in Rente gehen.<br />
Aufgezeichnet von Jürgen Amendt,<br />
Redakteur „Neues Deutschland“,<br />
und Anja Dilk, freie Journalistin<br />
FH = Fachhochschule<br />
BAT = Bundesangestelltentarifvertrag<br />
TV-L = Tarifvertrag der Länder<br />
TVöD = Tarifvertrag öffentlicher<br />
Dienst<br />
EG = Entgeltgruppe<br />
TARIFRUNDE<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 9
TARIFRUNDE<br />
Jetzt geht’s ans Eingemachte<br />
10 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Verhandlungen zur Länder-Entgeltordnung für Lehrkräfte<br />
Nach fast fünf Monaten Pause sind<br />
die Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft<br />
deutscher Länder (TdL)<br />
über die Eingruppierung angestellter<br />
Lehrkräfte am 14. Oktober fortgesetzt<br />
worden. Dabei machten die Arbeitgeber<br />
erneut deutlich, dass sie gut auf<br />
eine tarifvertragliche Regelung verzichten<br />
könnten. Dennoch werden<br />
jetzt in kleinem Kreis Sondierungsgespräche<br />
geführt.<br />
Die Arbeitgebervertreter betonten<br />
in seltener Offenheit,<br />
wie wichtig den Bundesländern<br />
die Freiheit sei,<br />
Lehrkräfte so billig einzukaufen,<br />
wie es geht. Weder<br />
Gerechtigkeitsargumenten noch bildungspolitischen<br />
Erwägungen wollen<br />
sie in irgendeiner Weise Gehör schenken.<br />
Am Ende der Verhandlungsrunde waren<br />
sich Arbeitgeber und Gewerkschaften<br />
Foto: Kay Herschelmann<br />
Talkshows und<br />
Feuilletons aller<br />
Zeitungen<br />
in Deutschland<br />
quellen über<br />
mit Interviews<br />
und Kommentaren<br />
über die<br />
Integrationsbereitschaft<br />
von<br />
Menschen mit<br />
Ilse Schaad<br />
Migrationshintergrund.<br />
Während die Republik sich über Integration<br />
streitet, wird die Tatsache, dass<br />
ein die gesellschaftliche Realität stark<br />
prägender Sektor – der Bildungsbereich<br />
– trotz anders gerichteter Anstrengungen<br />
vieler engagierter Lehrkräfte,<br />
Schüler und Eltern von Trennung und<br />
Desintegration lebt, vornehm verschwiegen.<br />
In Kita und Schule machen<br />
zumindest einig, dass die Positionen<br />
noch weit auseinander lägen und es hohen<br />
Klärungsbedarf sowohl mit Blick<br />
auf die konkreten tariflichen Umsetzungen<br />
als auch die inhaltliche Gestaltung<br />
gebe. Nun soll eine Sondierungskommission<br />
bis zum Beginn der Tarifrunde<br />
2011 einen Einigungskorridor ausloten.<br />
Sie besteht aus jeweils fünf Arbeitgeberund<br />
Arbeitnehmervertretern. Die Verhandlungsführung<br />
für die Gewerkschaften<br />
hat die sächsische <strong>GEW</strong>-Vorsitzende<br />
Sabine Gerold. Weitere Mitglieder für die<br />
<strong>GEW</strong> sind Doro Schäfer, amtierende Vorsitzende<br />
der <strong>GEW</strong> Nordrhein-Westfalen,<br />
und Peter Jonas, Tarifreferent beim<br />
Hauptvorstand. Mit dabei sind zudem<br />
zwei Vertreter der dbb Tarifunion. Die<br />
Arbeitgeberdelegation wird von einer<br />
Mitarbeiterin des sächsischen Finanzministeriums<br />
geleitet. Die Sondierungskommission<br />
nimmt ihre Arbeit am 4.<br />
<strong>November</strong> auf. Begleitet werden die Gespräche<br />
von der Verhandlungskommission<br />
der <strong>GEW</strong>.<br />
Den Lehrerverhandlungen vorangegan-<br />
Gestörtes System<br />
<strong>GEW</strong>-Kommentar<br />
Kinder ihre ersten kollektiven Systemerfahrungen.<br />
Würde dieses System von<br />
Akzeptanz, Anerkennung und Gleichwertigkeit<br />
geprägt, hätten Abschottung<br />
und Diskriminierung im späteren privaten<br />
und beruflichen Leben weniger<br />
Chancen.<br />
Deshalb muss die Frage erlaubt sein, ob<br />
ein System, das selbst kaum integrationsfähig<br />
ist, das Recht hat, bestimmten<br />
systematisch benachteiligten Gruppen<br />
fehlende Integrationsbereitschaft vorzuwerfen,<br />
oder ob nicht vielmehr die Frage<br />
nach Beendigung der Diskriminierungen<br />
auf die Tagesordnung gesetzt werden<br />
muss.<br />
Ein Blick auf das „System Schule“ in diesem<br />
Zusammenhang ist ernüchternd.<br />
Hier gibt es keinen Bereich, in dem Lehrende<br />
und Lernende nicht auf die eine<br />
oder andere Weise getrennt und in Hierarchien<br />
einsortiert werden.<br />
gen waren am 4. und 5. Oktober Tarifgespräche<br />
der Gewerkschaften des öffentlichen<br />
Dienstes mit der TdL zur allgemeinen<br />
Entgeltordnung für die Länder<br />
(L-ego). Diese waren seit Februar<br />
<strong>2010</strong> unterbrochen und sollen jetzt in<br />
Arbeitsgruppen und mehreren Verhandlungsrunden<br />
bis zum Beginn der<br />
Tarifrunde 2011 vorläufig abgeschlossen<br />
werden. Die Angestellten der Länder<br />
werden derzeit noch nach den Regeln<br />
des alten Bundesangestellten-Tarifvertrags<br />
(BAT) ihren Entgeltgruppen<br />
zugeordnet. Diese gelten jedoch nicht<br />
für Lehrkräfte! Zwischen ver.di und<br />
<strong>GEW</strong> ist Konsens, dass die neue Entgeltordnung<br />
zum TV-L nur dann tarifvertraglich<br />
vereinbart wird, wenn die Lehrkräfte<br />
mit aufgenommen werden.<br />
Wie weiter?<br />
Angesichts der anfänglich absoluten<br />
Verweigerungshaltung der Arbeitgeber<br />
kann es als bescheidener Fortschritt gewertet<br />
werden, dass man sich jetzt endlich<br />
in einer kleineren Gruppe den vie-<br />
Früh werden die Kinder nach sozialer<br />
Herkunft in gegliederte Schulformen,<br />
denen jeweils unterschiedliche gesellschaftliche<br />
Erfolgschancen zugeordnet<br />
sind, sortiert. Schule garantiert höhere<br />
Bildung für Kinder aus Akademikerfamilien<br />
und praktische Bildung fürs<br />
Volk. Wie energisch dieses System von<br />
den Begünstigten verteidigt wird, hat<br />
die „Volksabstimmung“ gegen die Einführung<br />
der sechsjährigen Primarschule<br />
in Hamburg gezeigt (s. E&W 9/<strong>2010</strong>).<br />
Das häufig verwendete Zitat „Weltweit<br />
gibt es 17 Länder, in denen Kinder und<br />
Jugendliche in verschiedene Schulformen,<br />
die meist ihrer sozialen Herkunft<br />
entsprechen, sortiert werden. 16 davon<br />
liegen in Deutschland“ mag etwas plakativ<br />
sein – richtig ist es trotzdem.<br />
Auch wenn in den Bundesländern die<br />
Namen bestimmter Schulformen gerne<br />
gewechselt werden – am System ändert
Länder-Entgeltordnung<br />
len offenen Sachfragen zuwendet.<br />
Aber es wird sehr schwierig, die<br />
Lehrkräfte-Entgeltordnung durchzusetzen.<br />
Freiwillig werden die Arbeitgeber<br />
ihre komfortable Position<br />
nicht räumen. Über die Lehrrichtlinien<br />
bestimmen sie seit Jahr<br />
und Tag über die Bezahlung der<br />
Lehrkräfte – ohne tarifvertragliche<br />
Bindung. Da eine bessere Eingruppierung<br />
der Lehrkräfte die Arbeitgeber<br />
Geld kostet, wird es eine<br />
endgültige Einigung wohl erst im<br />
Rahmen der Spitzengespräche in<br />
der Tarifrunde 2011 geben. Es ist<br />
sich nichts. Konsequent wird die<br />
Trennung der Systeme ebenfalls mit<br />
List und Tücke in die Lehrerausbildung<br />
übertragen und hier mit Zähnen<br />
und Klauen verteidigt. Dabei<br />
hatte der Bundestag 1971 in einem<br />
Anfall von Weisheit – Stichwort: Bildungsexpansion<br />
– von den Ländern<br />
verlangt, die Lehrerausbildung zu<br />
vereinheitlichen, um bundesweit<br />
gleiche Standards durchzusetzen.<br />
Der Beschluss blieb jedoch ohne<br />
Folgen. Durch die unsinnige Föderalismusreform<br />
des Jahres 2006 haben<br />
die Länder noch mehr Kompetenzen<br />
bekommen, was dem gesamten<br />
Bildungssystem nicht gut tut. Statt<br />
wissenschaftlichen Erkenntnissen –<br />
besonders am Anfang einer Schulkarriere<br />
brauchen alle Kinder besonders<br />
gut ausgebildete Lehrkräfte, die<br />
jedes Kind fördern uns keines<br />
zurücklassen – mit einer gleich langen,<br />
gleichwertigen und zu gleichen<br />
Abschlüssen führenden Lehrerausbildung<br />
Rechnung zu tragen, versucht<br />
jedes Land, die eigentlich für<br />
alle Lehrkräfte mit sechs plus vier Se-<br />
TARIFRUNDE<br />
nun Sache der <strong>GEW</strong>-Mitglieder,<br />
im Rahmen der Tarifauseinandersetzungen<br />
durch massive öffentliche<br />
Präsenz und entsprechende<br />
Streikbeteiligung klarzumachen,<br />
dass die Lehrerfragen gelöst werden<br />
müssen. Dazu bedarf es allerdings<br />
einer breiten Mobilisierung –<br />
und: Es müssen möglichst viele<br />
Mitglieder gewonnen werden.<br />
Ilse Schaad, Leiterin des <strong>GEW</strong>-<br />
Arbeitsbereichs Angestellten- und<br />
Beamtenpolitik<br />
mestern beschlossene Masterausbildung<br />
zu verkürzen und<br />
zu ändern. Das Ziel der Übung<br />
liegt auf der Hand: Es soll vermieden<br />
werden, dass eine<br />
gleichwertige Ausbildung zu<br />
gleicher Bezahlung der Lehrkräfte<br />
führt.<br />
Der Schutz dieses überkommenen,<br />
aussondernden Systems<br />
gelingt durch ein nahezu perfektes<br />
Ineinandergreifen aller<br />
Komponenten – gesteuert von<br />
denjenigen, die Vorteile aus<br />
dem Status quo ziehen.<br />
Wenn diejenigen, die darunter<br />
leiden, etwas ändern wollen,<br />
müssen auch sie lernen, gemeinsam<br />
zu steuern.<br />
Die Frage der Trennung der Bildungssysteme<br />
ist gleichzeitig<br />
eine der Trennung der Lehrerqualifikation<br />
und der Bezahlung.<br />
Ilse Schaad, Leiterin des <strong>GEW</strong>-<br />
Arbeitsbereichs Angestellten- und<br />
Beamtenpolitik<br />
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11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 11
TARIFRUNDE<br />
Lehrkräfte zweiter Klasse<br />
12 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Viel Ärger über Benachteiligung im Osten<br />
Für viele Lehrkräfte in den neuen<br />
Bundesländern geht es bei den<br />
Verhandlungen über eine Länder-Entgeltordnung<br />
(L-ego) für Lehrkräfte<br />
nicht nur um mehr tarifliche Gestaltungsmacht<br />
für eine Mehrheit, die<br />
nach wie vor nicht verbeamtet ist.<br />
Sie wollen auch, dass die Benachteiligung<br />
bei der Bezahlung wegen ihrer<br />
DDR-Ausbildung endlich überwunden<br />
wird.<br />
1990/91 erschien auch im Osten<br />
die Anbindung der Arbeitsbedingungen<br />
der Lehrkräfte<br />
an das im Westen „herkömmliche“<br />
Beamtenrecht<br />
logisch. War doch der Beamtenstatus<br />
Normalität in westdeutschen<br />
Schulen und damit – der Logik des Einigungsprozesses<br />
folgend – auch nahe Perspektive<br />
in den ostdeutschen Schulen.<br />
Die „herkömmlichen Lehrämter“ waren<br />
1990 im Westen noch weitgehend bun-<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Mecklenburg-Vorp.<br />
Sachsen<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Thüringen<br />
Berlin<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt – Sonderauswertung <strong>2010</strong><br />
deseinheitlich geregelt. Hier „zugeordnet“<br />
zu werden, war für viele Lehrkräfte<br />
im Osten durchaus lukrativ. Dass es hinter<br />
den gut überschaubaren Bundesregelungen<br />
auch einen üppigen föderalen<br />
Flickenteppich von Anerkennungsverfahren,<br />
Landesbesoldungen und Eingruppierungsrichtlinien<br />
gab, der den<br />
Ländern viel Spielraum für eigenwillige<br />
Bewertungen bot, erschloss sich erst<br />
nach und nach. Auch die <strong>GEW</strong> hielt es<br />
1991 für sinnvoll, in den Bundesangestelltentarifvertrag<br />
Ost (BAT-O) bei der<br />
Eingruppierung der Lehrkräfte einen<br />
Verweis auf die entsprechende Beamtenbesoldung<br />
aufzunehmen.<br />
Die weitreichenden Konsequenzen dieser<br />
tariflichen Verweisung – die der<br />
<strong>GEW</strong> heute bei den Verhandlungen zur<br />
Entgeltordnung in den östlichen Bundesländern<br />
Friedenspflicht auferlegt –<br />
konnte damals niemand überblicken.<br />
Übergangsrecht gab es in allen Lebensbereichen.<br />
Bei der Angleichung der Lebensverhältnisse<br />
in Ost und West wurde<br />
manche Illusion geweckt – und auch<br />
Brandenburg<br />
Hessen<br />
Bundesdurchschnitt<br />
Hamburg<br />
Bremen<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Rheinland-Pfalz<br />
ganz schnell wieder zerstört. Eine Anbindung<br />
an das Beamtenrecht wirkte in<br />
dieser Situation weit weniger bedrohlich<br />
als viele andere westdeutsche „Segnungen“.<br />
Dass auch noch 20 Jahre später der<br />
Beamtenstatus in den ostdeutschen<br />
Lehrerzimmern keinesfalls die Norm<br />
sein würde, konnten sich damals nur<br />
wenige vorstellen.<br />
DDR-Lehrerabschlüsse<br />
Die Anbindung an das Beamtenrecht<br />
bestimmte auch die Art und Weise der<br />
Anerkennung der Ausbildungsabschlüsse<br />
bei der Überführung der ostdeutschen<br />
Lehrkräfte in die bundesdeutschen<br />
Bezahlungssysteme, die im<br />
Schul- und Hochschulbereich in der Regel<br />
Besoldungsstrukturen waren.<br />
Konnten die ostdeutschen Lehrkräfte<br />
die nur schleppende Ost-West-Angleichung<br />
der Einkommen angesichts der<br />
Entwicklung bei anderen Berufsgruppen<br />
noch halbwegs nachvollziehen, fehlte<br />
ihnen jedes Verständnis für die entwürdigende<br />
Diskussion über die Bewertung<br />
Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Beschäftigten im Schuldienst<br />
der Länder zum 30. Juni 2009 in Prozent<br />
99.85<br />
97,15<br />
83,54<br />
50,75<br />
44,06<br />
29,11<br />
27,26<br />
25,73<br />
24,58<br />
23,97<br />
18,70<br />
17,68<br />
14,87<br />
Bayern<br />
14,63<br />
Saarland<br />
14,58<br />
Niedersachsen<br />
13,09<br />
Schleswig-Holstein<br />
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TARIFRUNDE<br />
ihrer Ausbildung und das damit verbundene<br />
Hinauszögern der Gleichstellung<br />
bei der Besoldung mit ihren Kollegen im<br />
Westen. Schulsystem, Klassenteiler und<br />
Pflichtstunden etwa sind deutlich zügiger<br />
angeglichen worden.<br />
Laut Einigungsvertrag hatte die Kultusministerkonferenz<br />
(KMK) den Auftrag,<br />
die Anerkennung der in der DDR erworbenen<br />
Lehrerabschlüsse zu regeln. In<br />
kaum einem anderen Bereich unterschied<br />
sich die Ausbildung für einen vermeintlich<br />
gleichen Beruf in Ost und<br />
West so stark wie im Schulbereich. Die<br />
DDR-Lehrerausbildung kannte weder<br />
unterschiedlich bewertete Lehrämter<br />
noch Laufbahnen und dafür notwendige<br />
formale Voraussetzungen. „Erfüller“ und<br />
„Nichterfüller“, „Stellenkegel“ und „Bewährungsfeststellung“<br />
waren unbekannte<br />
Vokabeln. Statt dessen gab es vielfältige<br />
Qualifizierungswege neben dem<br />
grundständigen Direktstudium, die weitgehend<br />
zu gleicher und gleichbezahlter<br />
Tätigkeit in der Schule berechtigten.<br />
Diese Unterschiede und damit verbundene<br />
unbefriedigende Lösungen bei der<br />
Überführung von DDR-Abschlüssen in<br />
die im Westen üblichen Lehrämter sind<br />
bis heute Grundlage für eine sehr weitreichende<br />
Bewertungsmacht des Arbeitgebers<br />
und die ungleiche Bezahlung völlig<br />
gleicher Tätigkeit.<br />
Da die Lehrer in der DDR beim Berufsstart<br />
in der Regel nicht älter als 25 Jahre<br />
waren, arbeiten in den Schulen im Osten<br />
auch heute noch ganz überwiegend<br />
Lehrkräfte mit DDR-Abschlüssen. Darunter<br />
sind nicht wenige, deren Ausbildung<br />
mit einem im Westen üblichen<br />
Lehramt nicht zu vergleichen ist oder<br />
von der KMK als nicht ausreichend für<br />
eine Gleichstellung bewertet wurde. Die<br />
größten Gruppen sind die Lehrkräfte für<br />
untere Klassen/Unterstufenlehrer, Ein-<br />
Fach-Diplomlehrer, Erzieher/Freundschaftspionierleiter<br />
(FPL) mit Lehrbefähigungen,<br />
Berufspädagogen mit Fachschulausbildung<br />
und Sonderpädagogen,<br />
die sich über Fernstudien qualifiziert<br />
hatten.<br />
Die KMK hatte in ihren Empfehlungen<br />
vom Mai 1993 auch mögliche Wege zur<br />
Gleichstellung über Zusatzqualifikation<br />
oder Bewährung in der Tätigkeit aufgezeigt.<br />
Diese Spielräume nutzten die Länder<br />
je nach politischer Konstellation sehr<br />
unterschiedlich: Sachsen-Anhalt z.B.<br />
sehr großzügig, Sachsen fast gar nicht.<br />
Bis heute wird deshalb auch im Osten<br />
gleiche Tätigkeit bei gleicher Qualifikation<br />
zum Teil nicht gleich bezahlt.<br />
Der erst nach massiven Protesten zustande<br />
gekommene Greifswalder KMK-Beschluss<br />
hatte nur empfehlenden Charak-<br />
14 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
ter und musste vom Bundesgesetzgeber<br />
in das Beamtenrecht umgesetzt werden.<br />
Das scheiterte nach erneut unwürdiger<br />
Debatte vor allem am Widerstand Sachsens.<br />
Der Bundesgesetzgeber überließ<br />
schließlich im August 1994 die Einstufung<br />
der Lehrer mit DDR-Ausbildung<br />
weitgehend den neuen Bundesländern<br />
(einschließlich Berlin) selbst – nicht ohne<br />
vorher noch die Gunst der Stunde für<br />
eine Bewertung der im Osten neu entstandenen<br />
Ausbildungen für neue<br />
Schulformen in der Sekundarstufe I als<br />
so genannte „Stufenlehrämter“ zu nutzen<br />
und damit eine Gleichstellung mit<br />
dem Realschullehramt zu verhindern.<br />
Mit Verweis auf das Beamtenrecht können<br />
deshalb nur 35 bis 40 Prozent der<br />
Lehrer an Mittel-, Regel- und Sekundarschulen<br />
und inzwischen auch an den Regionalschulen<br />
in Mecklenburg-Vorpommern<br />
in die Entgeltgruppe (EG) 13 eingruppiert<br />
werden. Trotz völlig gleicher<br />
Ausbildung und Tätigkeit können alle<br />
anderen Lehrkräfte nicht aufsteigen.<br />
Lehrerrichtlinie Ost<br />
Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder<br />
(TdL) nutzte das Scheitern einer Bundes-Besoldungsregelung,<br />
um eine eigene<br />
Lehrerrichtlinie Ost herauszugeben, die<br />
bis heute gilt. Sie gruppiert nicht nur typische<br />
Ost-Fallgruppen von Lehrkräften<br />
(mit einer DDR-Ausbildung, für die die<br />
KMK keine Zuordnungsempfehlung zu<br />
einem Lehramt der alten Bundesländer<br />
gegeben hat, z.B. Erzieher/FPL mit<br />
Lehrbefähigung für die unteren Klassen)<br />
deutlich niedriger als ihre Kollegen mit<br />
zuordnungsfähigen Ausbildungen ein,<br />
sondern sortiert auch einige in Ost und<br />
West vergleichbare Fallgruppen unterhalb<br />
der im Westen üblichen Vergütung<br />
ein (z.B. Lehrkräfte für besondere Aufgaben<br />
an Fachhochschulen).<br />
DDR-Ausbildung<br />
In Sachsen-Anhalt werden auch<br />
Lehrkräfte mit einer DDR-Ausbildung<br />
benachteiligt, die bis zum 31.<br />
Dezember 1996 – aus unterschiedlichen<br />
Gründen – nicht im Schuldienst<br />
eines ostdeutschen Bundeslandes<br />
tätig waren und deshalb keine<br />
Bewährungsfeststellung nach dem<br />
Einigungsvertrag erhalten konnten.<br />
Sie werden als so genannte „Nichterfüller“<br />
behandelt und auch bei gleicher<br />
Ausbildung und Tätigkeit ein<br />
bis zwei Vergütungsgruppen niedriger<br />
als ihre Kollegen mit Bewährungsfeststellung<br />
eingeordnet.<br />
Wie schamlos die ursprünglich zum<br />
Schutz angestellter Lehrkräfte durchaus<br />
sinnvolle tarifliche Verweisung auf das<br />
Beamtenrecht und die Ermächtigung zu<br />
ergänzenden Richtlinien inzwischen<br />
zum Nachteil der Beschäftigten ausgenutzt<br />
wird, zeigt das sächsische Beispiel:<br />
Erst lehnte der Freistaat sowohl eine gesetzliche<br />
Regelung der Lehrerbesoldung<br />
(wie sie alle anderen neuen Länder trafen)<br />
als auch Tarifverhandlungen zur Lehrereingruppierung<br />
mit Hinweis auf eine<br />
noch ausstehende politische Entscheidung<br />
zur Verbeamtung ab. Dann widersetzte<br />
er sich vehement einer bundesgesetzlichen<br />
Umsetzung der KMK-Empfehlungen.<br />
Seit Sachsen sich politisch gegen<br />
eine Verbeamtung der Lehrkräfte entschieden<br />
hat, beruft sich das Land auf die<br />
Verweisung im 1. Änderungstarifvertrag<br />
zum BAT-O und regelt die Eingruppierung<br />
der Lehrkräfte ausschließlich über<br />
einseitig erlassene Lehrer-Richtlinien und<br />
die TdL-Richtlinien Ost.<br />
Mit Rechtsschutz der <strong>GEW</strong> sind unzählige<br />
Klagen gegen Eingruppierungen<br />
nach diesen Richtlinien geführt worden.<br />
Jeder erfolgreiche Rechtsstreit hat<br />
den Freistaat bewogen, seine Richtlinien<br />
nachzubessern, um vom Gericht aufgedeckte<br />
Lücken zu schließen. An der<br />
sehr umfangreichen Rechtssprechung<br />
zu den sächsischen Richtlinien kann<br />
man eindrucksvoll studieren, was es bedeutet,<br />
wenn der Arbeitgeber ein einseitiges<br />
Gestaltungsrecht hat. Was 1991 als<br />
Schutzvorschrift für eine vermeintliche<br />
Minderheit von Lehrkräften in den<br />
BAT-O aufgenommen wurde, hat sich<br />
zu einem Benachteiligungsinstrument<br />
für die Mehrheit der sächsischen Lehrkräfte<br />
gegenüber ihren Kollegen in den<br />
anderen Bundesländern entwickelt.<br />
Inzwischen hat sich die Situation grundlegend<br />
verändert. Vermeintliche Ausbildungsdefizite<br />
ostdeutscher Lehrkräfte<br />
sind durch Qualifikation und Bewährung<br />
in der Tätigkeit mehr als ausgeglichen.<br />
Und die bundesweit inzwischen fast<br />
200000 nicht verbeamteten Lehrkräfte in<br />
den Schulen sind auch keine kleine Minderheit<br />
mehr. Es ist an der Zeit, die Eingruppierung<br />
dieser großen Beschäftigtengruppe<br />
im öffentlichen Dienst der Länder<br />
endlich per Tarifvertrag zu regeln und die<br />
Ungleichbehandlung von Lehrkräften<br />
bei gleichwertiger Tätigkeit zu beenden –<br />
und zwar in Ost und West!<br />
Sabine Gerold, Vorsitzende der <strong>GEW</strong> Sachsen
Foto: Privat<br />
Foto: Privat<br />
TARIFRUNDE<br />
„Ungerechtigkeit<br />
ausgleichen“<br />
Interview mit Katrin Osterloh, Schulhorterzieherin, Jena<br />
E &W: Anders<br />
als in anderen<br />
Bundesländern<br />
waren die Schulhorte<br />
in Thüringen<br />
bislang<br />
integraler Bestandteil<br />
der<br />
Grundschulen.<br />
Katrin Osterloh Jetzt will das<br />
Land die Horte<br />
kommunalisieren und hat an mehreren<br />
Orten entsprechende Modellversuche<br />
gestartet. Damit würden auch die Erzieherinnen<br />
nicht mehr im Landesdienst<br />
stehen. Sie arbeiten an einer solchen<br />
Schule. Was hat sich für Sie geändert?<br />
Katrin Osterloh: Für mich persönlich<br />
nichts. Ich wurde lediglich<br />
vom Land der Kommune zugewiesen.<br />
Ich erhalte aber weiterhin<br />
mein Gehalt vom Land Thüringen.<br />
Wir haben allerdings im Team<br />
neue Erzieherinnen, die die Stadt<br />
Jena der Schule zugewiesen hat<br />
und die anders, weil von der Kommune,<br />
bezahlt werden.<br />
E &W: Wie wirkt sich das auf das Gehaltsgefüge<br />
im Team aus?<br />
Osterloh: Wir „Landes-Erzieherinnen“<br />
verdienen zurzeit meist<br />
mehr als die neu eingestellten Kolleginnen,<br />
aber nur, weil wir mehr<br />
Berufsjahre mitbringen. Wer heute<br />
im Landesdienst als Erzieherin anfängt,<br />
wird deutlich schlechter eingruppiert<br />
als die Kolleginnen, die<br />
von der Stadt ihr Gehalt beziehen.<br />
E &W: Das heißt, Sie und Ihre Kolleginnen<br />
haben für die gleiche Arbeit monatlich<br />
unterschiedlich viel im Portemonnaie?<br />
Osterloh: Genau. Um diese Ungerechtigkeit<br />
auszugleichen, fordern<br />
wir eine Entgeltordnung auch für<br />
den Landesdienst, zumindest zu<br />
den Konditionen des Tarifvertrags<br />
für den öffentlichen Dienst<br />
(TVöD, Eingruppierung Sozialund<br />
Erziehungsdienst).<br />
E &W: Am31.Juli2012wirdder<br />
Modellversuch enden. Daran haben<br />
bislang 22 der insgesamt 30 thüringischen<br />
Kommunen und Landkreise teilgenommen.<br />
Wissen Sie, wie es danach<br />
weitergeht?<br />
Osterloh: Dazu gibt die Regierung<br />
bislang keine Auskunft. Wir<br />
hängen in der Schwebe, zumal das<br />
Land ja weiterhin Erzieherinnen<br />
in jenen Kommunen einstellt, die<br />
nicht am Modellversuch teilnehmen<br />
– nur zu schlechteren Konditionen.<br />
Interview: Jürgen Amendt,<br />
Redakteur „Neues Deutschland“<br />
„Alle gleich gut qualifizieren“<br />
„Wo würden Sie lieber unterrichten, in einer siebten<br />
Hauptschulklasse oder in einer zwölften Gymnasialklasse?<br />
Nein, das soll nicht heißen, dass das<br />
eine leichter ist als das andere. Beides kann ziemlich<br />
belastend und anstrengend sein. Haben Sie schon<br />
einmal versucht, einem Sechsjährigen die Bedeutung<br />
der Zahl ‚0‘ zu erklären? Für den Aufbau eines<br />
Ursula Neumann<br />
gerechteren Schulsystems ist die Ausbildung der<br />
Lehrerinnen und Lehrer ein wichtiger Baustein. Da-<br />
bei ist es unbedingt notwendig, Grundschullehrkräfte genauso gut zu<br />
qualifizieren wie Pädagogen anderer Schulstufen und -formen. Und<br />
ebenso zu bezahlen! Worauf es ankommt, ist die Vermittlung einer<br />
wissenschaftlichen Basis für die je spezifische Praxis und die Fähigkeit,<br />
individuelle Bedürfnisse der Lernenden zu erkennen und für den<br />
Unterricht zu nutzen.“<br />
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11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 15
TARIFRUNDE<br />
Cartoon: Thomas Plaßmann<br />
Teppich mit Löchern<br />
16 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Warum eine Erzieherin im Schulhort schlechter bezahlt wird als in der Kita nebenan<br />
Öffentlicher Dienst = öffentlicher<br />
Dienst, denken Sie? Das stimmt schon<br />
lange nicht mehr. Die Arbeitgeber im<br />
öffentlichen Dienst bilden seit dem<br />
Jahr 2004 keine Einheit mehr. Mit<br />
dem Tarifvertrag für den öffentlichen<br />
Dienst (TVöD), der 2005 in Kraft<br />
trat, und dem Tarifvertrag der Länder<br />
(TV-L) 2006 gibt es zwar zwei<br />
Flächentarifverträge. Doch dieser<br />
Teppich hat Löcher. Und der Mottenfraß<br />
schreitet fort. Je nachdem, wo sie<br />
beschäftigt sind, erhalten Arbeitnehmer<br />
für die gleiche Arbeit unterschiedlichen<br />
Lohn.<br />
Ein besonders drastisches Beispiel<br />
für ungleiche Entlohnung<br />
im öffentlichen Dienst<br />
sind Erzieherinnen und Erzieher.<br />
Das Problem: Die<br />
neuen Tarifverträge im öffentlichen<br />
Dienst sind ohne Entgeltordnung<br />
auf den Weg gebracht worden. Die<br />
Eingruppierung in das aktuelle Regelwerk<br />
richtet sich zwar weiterhin nach<br />
dem alten, eigentlich abgeschafften<br />
Bundesangestelltentarifvertrag (BAT),<br />
aber die hier verankerten Bewährungsaufstiege<br />
und Vergütungsgruppenzulagen<br />
gelten im neuen System nicht mehr.<br />
Nach einem erfolgreichen mehrwöchigen<br />
Streik 2009 setzten die bei den<br />
Kommunen Beschäftigten für den Sozial-<br />
und Erziehungsdienst eine deutlich<br />
bessere tarifliche Eingruppierung durch.<br />
Aber auch die Länder beschäftigen Erzieherinnen<br />
und Erzieher. Für diese gilt<br />
die neue Entgeltordnung des Sozialund<br />
Erziehungsdienstes jedoch nicht.<br />
So lange keine Allgemeine Entgeltordnung<br />
zum TV-L abgeschlossen ist, gruppieren<br />
die Bundesländer sie nach Gutdünken<br />
unterschiedlich ein. Werden Erzieherinnen<br />
im Unterricht eingesetzt,<br />
ordnen die meisten Länder gemäß der<br />
Lehrerrichtlinien der Tarifgemeinschaft<br />
deutscher Länder (TdL) ein, die per Erlass<br />
mit unterschiedlich starken Abweichungen<br />
für das jeweilige Bundesland in<br />
Kraft gesetzt werden.<br />
Weniger Geld im Hort<br />
Es gibt aber noch eine weitere Variante:<br />
Erzieherinnen und Erzieher in Schulhorten,<br />
die beim Land beschäftigt sind,
werden nicht nach Lehrerrichtlinie<br />
einsortiert, sondern nach dem<br />
alten BAT. Für diese Erzieherinnen<br />
gilt weiterhin eine Eingruppierung<br />
in Entgeltgruppe (EG) 6 (BAT<br />
VIb) – allerdings ohne die Bewährungsaufstiege<br />
und Zulagen.<br />
Diese stehen nur den übergeleiteten<br />
Beschäftigten zu, also denen,<br />
die vom BAT in den TV-L übernommen<br />
worden sind. Nach dem<br />
1. <strong>November</strong> 2006 Eingestellte<br />
bleiben in der EG 6 stecken. Das<br />
bedeutet einen monatlichen Gehaltsunterschied<br />
von 170 bis zu<br />
mehr als 300 Euro (EG 8 Stufe 6<br />
plus Zulage im Vergleich zu EG 6<br />
Stufe 6).<br />
Leergefegter Markt<br />
Der Arbeitsmarkt für Erzieherinnen<br />
und Erzieher ist weitgehend<br />
leergefegt. Der Grund: Das Angebot<br />
an Kita-Plätzen und Ganztagsbetreuung<br />
wurde zwar aus politischen<br />
Gründen ausgebaut, aber<br />
man hat versäumt, zugleich die<br />
Ausbildungskapazitäten entsprechend<br />
des steigenden Personalbedarfs<br />
zu erhöhen. Im Gegenteil,<br />
die Fachschulen im Osten wurden<br />
nahezu flächendeckend geschlossen.<br />
Private und öffentliche Träger<br />
haben jetzt Schwierigkeiten, freiwerdende<br />
Stellen mit qualifizierten<br />
Fachkräften zu besetzen. Bei<br />
der Wahl des Arbeitsplatzes spielt<br />
die Bezahlung für die Bewerberin-<br />
TARIFRUNDE<br />
nen und Bewerber eine immer<br />
größere Rolle. Die Folge: Einzelne<br />
Bundesländer wie Sachsen-Anhalt<br />
haben erhebliche Personalengpässe<br />
in den Schulhorten. Mit problematischen<br />
Folgen, die immer zu<br />
Lasten der Beschäftigten und der<br />
Qualität der Betreuung gehen (s.<br />
Seite 15).<br />
Gleichklang herstellen<br />
Klar ist: Die alten Verhältnisse, als<br />
für den öffentlichen Dienst bundesweit<br />
einheitliche Beschäftigungsbedingungen<br />
galten, werden<br />
so schnell nicht wiederkehren.<br />
Einstweilen lassen sich die Ungerechtigkeiten<br />
nur durch eine Entgeltordnung<br />
zum TV-L beseitigen,<br />
die zumindest für einen Gleichklang<br />
bei der Eingruppierung<br />
sorgt.<br />
Auch im TVöD-Bereich wird über<br />
eine neue Entgeltordnung verhandelt.<br />
Hier gilt es nicht nur, die<br />
2009 für den Sozial- und Erziehungsdienst<br />
erkämpften Verbesserungen<br />
zu sichern, sondern auch<br />
ein erneutes Auseinanderdriften<br />
der Beschäftigungsverhältnisse<br />
zwischen Bund und Kommunen<br />
auf der einen Seite und den Ländern<br />
auf der anderen zu verhindern.<br />
Oliver Brüchert,<br />
Referent für Tarifkoordination im<br />
<strong>GEW</strong>-Arbeitsbereich Angestelltenund<br />
Beamtenpolitik<br />
Erzieherinnen in Leiharbeit<br />
<strong>GEW</strong> bittet um Mitarbeit<br />
Seit einigen Jahren „boomt“ die Leiharbeit. Mittlerweile kommt jede<br />
dritte bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldete Stelle von einer<br />
Zeitarbeitsfirma. Auch im Bereich der Kindertageseinrichtungen<br />
breitet sich Zeitarbeit aus. Immer mehr Zeitarbeitsfirmen – nach einer<br />
Recherche der <strong>GEW</strong> zirka 130 Agenturen – vermitteln pädagogisches<br />
Personal. Kommunen und Träger nutzen deren Dienste zunehmend<br />
für Einrichtungen der Jugendhilfe. Anlass für die Bildungsgewerkschaft<br />
nachzuforschen, wie sich der verstärkte Einsatz von Zeitarbeitnehmern<br />
im pädagogischen Bereich auswirkt und wie die Arbeitsbedingungen<br />
aussehen. Für eine Studie sucht die <strong>GEW</strong> deshalb Erzieherinnen<br />
und Erzieher, die entweder selbst bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt<br />
sind oder solche Kolleginnen und Kollegen kennen bzw. in einer<br />
Einrichtung oder bei einem Träger arbeiten, der über Zeitarbeitsfirmen<br />
Personal einstellt, und die bereit sind, über ihre Erfahrungen zu<br />
berichten. Alle Informationen werden vertraulich behandelt.<br />
Karin Röder, Sozialarbeiterin im Anerkennungsjahr<br />
beim <strong>GEW</strong>-Hauptvorstand<br />
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E-Mail: karin.roeder@gew.de.<br />
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<strong>2010</strong> <strong>2010</strong><br />
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Bestnote,„bilanzstärkste Bestnot t ote,<br />
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11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 17
TARIFRUNDE<br />
Fast 2500 Mitglieder haben<br />
sich an der Online-<br />
Befragung der <strong>GEW</strong> zur<br />
Tarifrunde 2011 im September<br />
beteiligt. Die<br />
Ergebnisse der Studie<br />
sind repräsentativ für<br />
Mitglieder der Bildungsgewerkschaft,<br />
die an<br />
Schulen als angestellte<br />
oder verbeamtete Lehrkräfte<br />
beschäftigt sind.<br />
Die <strong>GEW</strong> hatte die Unternehmensberatung<br />
Michael Gedatus<br />
(UMG) mit der Unter-<br />
<strong>GEW</strong>-Mitglieder wollen gleichen<br />
Lohn für gleichwertige Arbeit<br />
18 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Online-Befragung der Bildungsgewerkschaft<br />
Die <strong>GEW</strong>-Mitglieder an Schulen<br />
wollen endlich gleichen Lohn für<br />
gleichwertige Arbeit. Und sie wollen,<br />
dass sich ihre Gewerkschaft für diese<br />
Forderung in der nächsten Tarifrunde<br />
stark macht. Das ist das Ergebnis<br />
einer für <strong>GEW</strong>-Mitglieder repräsentativen<br />
Online-Befragung, die die<br />
Bildungsgewerkschaft zu Schuljahresbeginn<br />
gestartet hatte.<br />
Es ist noch gar nicht so lange<br />
her, da warfen die Arbeitgeber<br />
der <strong>GEW</strong> bei den Verhandlungen<br />
über eine per Tarifvertrag<br />
geregelte Länder-<br />
Entgeltordnung (L-ego) für<br />
Lehrkräfte vor: Das sei eine Funktionärsdebatte,<br />
den Mitgliedern sei das<br />
Thema egal. Diese Behauptung der Ver-<br />
treter der Tarifgemeinschaft deutscher<br />
Länder (TdL) ist jetzt empirisch widerlegt.<br />
98,6 Prozent der befragten <strong>GEW</strong>-<br />
Mitglieder machten deutlich, dass die<br />
Eingruppierung angestellter Lehrkräfte<br />
endlich tarifvertraglich geregelt werden<br />
soll. Das Thema ist in der Bildungsgewerkschaft<br />
gut verankert: Gut drei Viertel<br />
wollen, dass die Frage Entgeltordnung<br />
Top-Thema der Tarifrunde 2011<br />
wird.<br />
Anachronismus<br />
Ziel ist, Lehrkräfte einheitlich zu entlohnen.<br />
Knapp 90 Prozent der Befragten<br />
meinen, dass Lehrkräfte bei gleicher<br />
(Master-)Ausbildung und gleichwertiger<br />
Arbeit auch gleich bezahlt werden sollen.<br />
Ein Einkommen, das sich an<br />
Schulart und -stufe nach dem Motto<br />
„kleine Kinder – kleines Gehalt, große<br />
Kinder – großes Gehalt“ orientiert, ist<br />
ein Anachronismus und in der heutigen<br />
Zeit nicht mehr vermittelbar. Zudem<br />
verlangen 95 Prozent, dass Lehrkräfte<br />
genauso gut bezahlt werden wie andere<br />
Akademikergruppen, die im öffentlichen<br />
Dienst beschäftigt sind. Weil sie<br />
niedriger eingruppiert sind, verdienen<br />
beispielsweise Lehrkräfte an Grundund<br />
Hauptschulen weniger<br />
als Ingenieure oder ihre Kolleginnen<br />
und Kollegen an<br />
Gymnasien.<br />
Ebenfalls fast 95 Prozent der<br />
<strong>GEW</strong>-Mitglieder sehen nicht<br />
ein, warum angestellte Lehrkräfte<br />
Monat für Monat netto<br />
weniger Geld in der Tasche<br />
haben als verbeamtete Kollegen,<br />
die die gleiche Arbeit<br />
machen und die gleichen<br />
Qualifikationen mitbringen.<br />
Übrigens tragen die verbeamteten<br />
Kolleginnen und<br />
Kollegen diese Forderung<br />
voll mit. Das belegt die Zustimmungsquote<br />
von gut 94<br />
Prozent. Auch dies ein deutliches<br />
Signal an die Arbeitgeber,<br />
dass für die Angestellten<br />
bei den L-ego-Verhandlungen<br />
etwas getan werden<br />
muss.<br />
Aktionsbereit<br />
Und die <strong>GEW</strong>-Mitglieder,<br />
insbesondere die angestellten<br />
Lehrkräfte, sind auch be-<br />
reit, sich zu engagieren, um diese Ziele<br />
zu erreichen. Fast 87 Prozent wollen sich<br />
an Aktionen beteiligen, sollten sich die<br />
Arbeitgeber nicht ausreichend bewegen.<br />
Drei Viertel der Angestellten kündigten<br />
an, auch zu streiken, sollte dies notwendig<br />
werden, um wieder Schwung in die<br />
Verhandlungen zu bringen. Dabei ist<br />
die Aktions- und Streikbereitschaft in<br />
den östlichen Bundesländern besonders<br />
stark ausgeprägt.<br />
Ulf Rödde, Redaktionsleiter<br />
der „Erziehung und Wissenschaft“<br />
Die <strong>GEW</strong> bedankt sich bei allen Kolleginnen<br />
und Kollegen, die sich an der Befragung beteiligt<br />
haben, sehr herzlich. Die Antworten haben<br />
wichtige Hinweise und Informationen<br />
für unsere weitere Arbeit gegeben.<br />
suchung beauftragt. „Einheitlich bezahlen:<br />
Online-Mitgliederbefragung<br />
ja nein k. A. n = 2471; Angaben in Prozent<br />
Aussage 1<br />
Regelung der<br />
Eingruppierung per<br />
Tarifvertrag<br />
0,7<br />
0,7<br />
Aussage 3<br />
Gleiche Bezahlung bei<br />
gleicher<br />
Qualifikation und<br />
gleichwertiger Tätigkeit<br />
1,6<br />
10,3<br />
Aussage 4<br />
Orientierung der Bezahlung<br />
an<br />
anderen akad.<br />
Berufen im<br />
öffentlichen Dienst<br />
2,2<br />
2,9<br />
Aussage 5<br />
Gleicher Lohn<br />
für Angestellte<br />
und Beamte<br />
bei gleichen<br />
Prämissen<br />
1,7<br />
3,8<br />
98,6 88,1 94,9 94,5<br />
unverzichtbar“<br />
„Wir wissen, dass<br />
die Arbeit der<br />
Lehrerinnen und<br />
Lehrer – die im<br />
Klassenzimmer,<br />
die in Beratungsprozessen,<br />
die im<br />
Bereich der Schul-<br />
Klaus Klemm entwicklung und<br />
auch die am heimischen Schreibtisch<br />
– in ihren Anforderungen, in<br />
ihrer Verantwortung und in ihrer Belastung<br />
nicht danach unterschieden<br />
werden kann und darf, ob sie von<br />
Angestellten oder Beamten, von<br />
Lehrenden mit länger oder kürzer<br />
angelegten Studienzeiten oder von<br />
Pädagogen mit ‚Mangel- oder mit<br />
Überschussfächern’ geleistet wird.<br />
Eine einheitliche Bezahlung der<br />
Lehrerarbeit ist daher unverzichtbar.<br />
Dies gilt vor allem mit Blick in die<br />
Zukunft. Denn in den kommenden<br />
Jahren wird die Zahl derer, die sich<br />
für ein Lehramtsstudium entscheiden,<br />
den tatsächlichen Bedarf in den<br />
Schulen nicht ausreichend decken.“<br />
Klaus Klemm, Bildungsforscher em.,<br />
Uni Duisburg-Essen
Cartoon: Thomas Plaßmann<br />
Mit dem Master<br />
in die Schule<br />
Lehrerausbildung nach Bologna erfordert einheitliche Bezahlung<br />
Der Bologna-Prozess zur Schaffung<br />
eines Europäischen Hochschulraums<br />
hat nicht nur zu einem weitreichenden<br />
Umbau der Studiengänge mit den Abschlüssen<br />
Bachelor und Master geführt.<br />
Er hat auch handfeste Folgen<br />
für die Bezahlung der Beschäftigten,<br />
die im neuen System eine Hochschulausbildung<br />
durchlaufen haben. Das<br />
Beispiel der Neuordnung der Lehrerbildung<br />
zeigt, welche Chancen und<br />
Risiken damit für Lehrerinnen und<br />
Lehrer verbunden sind.<br />
Inzwischen haben neun von sechzehn<br />
Bundesländern die Lehrerbildung<br />
komplett auf Bachelorund<br />
Masterstudiengänge umgestellt,<br />
weitere fünf Länder teilweise,<br />
nur zwei Länder – Mecklenburg-Vorpommern<br />
und das Saarland –<br />
verweigern sich der Bologna-Reform.<br />
Der erkennbare Wildwuchs in den Ländern<br />
– manche führen Bachelor und<br />
Master ein, andere nicht, wieder andere<br />
teilweise – ist von der Kultusministerkonferenz<br />
(KMK) durchaus gewollt:<br />
Mit ihrem Quedlinburger Beschluss<br />
von 2005 akzeptierte sie zwar Bologna<br />
auch für die Lehrerbildung, nahm die<br />
Länder aber nicht in die Pflicht.<br />
Chaos Studiendauer<br />
Langfristig nicht hinnehmen wollte die<br />
KMK indes das breite Spektrum an unterschiedlicher<br />
Studiendauer: Auf den<br />
sechssemestrigen Bachelor folgt nur in<br />
wenigen Ländern für alle Schularten<br />
und -stufen ein „großer Master“ von vier<br />
Semestern, der „kleine Master“ von nur<br />
zwei Semestern feiert vielerorts fröhliche<br />
Urständ – insbesondere für die<br />
Lehrämter der Primar- und Sekundarstufe<br />
I. Mit ihren Beschlüssen von 2007<br />
und 2008 stellte die KMK klar, dass<br />
auch in der Lehrerbildung das gelten<br />
müsse, was die Strukturvorgaben für alle<br />
anderen Studiengänge verlangen: eine<br />
Dauer von insgesamt zehn Semestern<br />
für alle konsekutiven Bachelor- und<br />
Masterstudiengänge. Dass die KMK dabei<br />
ein Schlupfloch offen gelassen hat –<br />
die zehn Semester können Lehramtsanwärter<br />
auch dadurch erreichen, dass sie<br />
sich Teile des Vorbereitungsdienstes auf<br />
das Masterstudium anrechnen lassen –,<br />
hat die <strong>GEW</strong> stets scharf kritisiert. Das<br />
ändert aber nichts daran, dass sich die<br />
KMK grundsätzlich zum Standard einer<br />
zehnsemestrigen Bachelor-Master-Ausbildung<br />
für Lehrende aller Schularten<br />
und -stufen bekannt hat.<br />
Genauso wichtig: Der „Qualifikationsrahmen<br />
für deutsche Hochschulabschlüsse“,<br />
den die KMK bereits 2005 im<br />
Vorgriff auf den derzeit diskutierten bildungsbereichsübergreifenden„Deutschen<br />
Qualifikationsrahmen (DQR)“<br />
(s. E&W 9/<strong>2010</strong>) beschlossen hat, ordnet<br />
alle Masterabschlüsse der gleichen Qualifikationsstufe<br />
zu. Wie viele Semester<br />
notwendig sind, um den Master zu erwerben,<br />
spielt dabei keine Rolle.<br />
Für die Diskussion um die Eingruppierung<br />
von Lehrkräften hat das einschneidende<br />
Konsequenzen. Zum einen sind<br />
alle Bundesländer gehalten, die Dauer<br />
ihrer konsekutiven Bachelor-Master-<br />
Lehramtsstudiengänge auf zehn Semester<br />
anzugleichen. Zum anderen darf die<br />
Renitenz einiger Länder, die an „kleinen<br />
Mastern“ für Grundschul- und Sek. I-<br />
Lehrkräfte festhalten, nicht dazu<br />
führen, dass Kolleginnen und Kollegen<br />
mit einem kürzeren Studium ein geringeres<br />
Ausbildungsniveau unterstellt<br />
wird. Jeder Masterabschluss bescheinigt,<br />
dass die Absolventen Kenntnisse,<br />
Kompetenzen und Fertigkeiten auf der<br />
Stufe 2 des KMK-Qualifikationsrahmens<br />
für Hochschulabschlüsse erreicht<br />
haben. Master ist Master, egal ob „klein“<br />
oder „groß“.<br />
In den laufenden Verhandlungen über<br />
eine Länder-Entgeltordnung (L-ego) für<br />
Lehrkräfte, die die <strong>GEW</strong> mit der Tarifgemeinschaft<br />
deutscher Länder (TdL),<br />
führt, zeigte sich bereits, dass diese Konsequenzen<br />
der Bologna-Reform Wasser<br />
auf die Mühlen gewerkschaftlicher Forderungen<br />
sind. Wenn Pädagogen im Bachelor-<br />
und Master-System gleich lang<br />
ausgebildet werden müssen, außerdem,<br />
unabhängig von der Studiendauer, mit<br />
dem Master-Abschluss das gleiche Qualifikationsniveau<br />
erreichen: Welche<br />
Gründe gibt es dann noch, Lehrkräfte<br />
unterschiedlich zu bezahlen? Keine,<br />
sagt die <strong>GEW</strong> und fordert für alle Lehrkräfte<br />
eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe<br />
14!<br />
Offen für Bachelor-Lehrkraft<br />
Zum Abschluss muss noch etwas Wasser<br />
in den Wein gegossen werden. Denn die<br />
KMK hat mit ihren Beschlüssen zur<br />
Lehrerbildung klammheimlich die Tür<br />
für die Bachelor-Lehrkraft geöffnet. Absolventen<br />
eines akkreditierten Bachelor-<br />
Studiengangs von sieben Semestern<br />
können direkt zum Referendariat zugelassen<br />
werden, heißt es im KMK-Beschluss<br />
vom Februar 2007. Auch wenn<br />
bisher kein Land diese Option gewählt<br />
hat, besteht doch die Gefahr, dass man<br />
z. B. Grundschullehrkräfte bereits mit<br />
dem Bachelor in die Schule schickt. Das<br />
Argument „Master ist Master“ würde für<br />
Bachelor-Pädagogen nicht mehr greifen.<br />
Die Folge: eine niedrigere Eingruppierung.<br />
Die Bildungsgewerkschaft beharrt<br />
daher auf ihrer Forderung nach einer<br />
Lehrerausbildung auf Master-Niveau.<br />
Und sieht sich darin durch das<br />
jüngste Positionspapier des Europäischen<br />
Gewerkschaftskomitees für Bildung<br />
(ETUCE) „Teacher Education in<br />
Europe“ (s. http://etuce.homestead.com/<br />
Publications2008/ETUCE_PolicyPaper_<br />
en_web.pdf) bestätigt.<br />
Andreas Keller, Leiter des <strong>GEW</strong>-Organisationsbereichs<br />
Hochschule und Forschung<br />
TARIFRUNDE<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 19
TARIFRUNDE<br />
„Der Lehrer ist eine Frau“<br />
20 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Schlechtere Eingruppierung der Grundschullehrerinnen überwinden!<br />
Die meisten Grundschullehrer (sic!)<br />
sind Frauen. Aus diesem Phänomen<br />
entwickelte der amerikanische Soziologe<br />
Talcott Parsons 1964 in seinem<br />
berühmten Aufsatz „Die Schulklasse<br />
als soziales System“ eine ganze Theorie<br />
schulischer Sozialisation. Viele seiner<br />
Überlegungen prägen bis heute die<br />
pädagogische Diskussion. Und auch<br />
an der Realität, dass insbesondere an<br />
Grundschulen fast nur Frauen unterrichten,<br />
hat sich nichts geändert.<br />
Ob die schlechtere Bezahlung<br />
der Grundschullehrerinnen<br />
gegenüber den<br />
Gymnasiallehrern daher<br />
kommt, dass es sich um einen<br />
„Frauenberuf“ handelt,<br />
oder ob umgekehrt der hohe Frauenanteil<br />
eine Folge der schlechten Bezahlung<br />
ist, wird sich nie ganz klären lassen.<br />
Tatsache ist, dass es für diese fortgesetzte<br />
Diskriminierung keine pädagogische<br />
oder in irgend einer anderen Weise überzeugende<br />
sachliche Begründung gibt.<br />
In der Oktober-Ausgabe der E&W (s.<br />
Seite 36 f.) erläuterte Ilse Schaad, wie<br />
die neuen Lehrerbildungsgesetze die<br />
schlechtere Besoldung der Grundschullehrerinnen<br />
gegenüber anderen Lehrämtern<br />
fortschreiben. Eine ergänzende<br />
Statistik über den „Frauenanteil nach<br />
Schulart“ zeigte auf: In der Grundschule<br />
(Besoldungsgruppe A12, gehobener<br />
Dienst) liegt die Quote bei stolzen 87,7<br />
Prozent, im Gymnasium (Besoldungsgruppe<br />
A13, höherer Dienst) hingegen<br />
Foto: imago<br />
bei 54,3 Prozent. Die niedrigere Besoldung<br />
wird entsprechend auf angestellte<br />
Lehrerinnen übertragen. Lehrerinnen<br />
an Grund-, Haupt- und Realschulen<br />
werden in der Regel nach Entgeltgruppe<br />
(EG) 11 bezahlt. Das bedeutet: Sie verdienen<br />
zwischen 400 und 500 Euro weniger<br />
im Monat als in der EG 13.<br />
Diese Ungerechtigkeit lässt sich nur<br />
durch ein tarifliches Eingruppierungsrecht<br />
beenden. Die <strong>GEW</strong> verlangt für<br />
alle Lehrkräfte unabhängig von Schulform<br />
und -stufe die gleiche Bezahlung.<br />
Diese Forderung zielt nicht zuletzt darauf<br />
ab, die antiquierte geschlechtsspezifische<br />
Diskriminierung von Frauen zu<br />
verwinden.<br />
Oliver Brüchert, Referent für Tarifkoordination<br />
im Arbeitsbereich Angestelltenund<br />
Beamtenpolitik<br />
Deutscher Sonderweg<br />
In fast allen Ländern ist der Frauenanteil<br />
bei den Primarschullehrkräften<br />
überdurchschnittlich hoch.<br />
Aber nur in wenigen Staaten außer<br />
Deutschland verdienen Grundund<br />
Sekundarschullehrkräfte unterschiedlich.<br />
Gleiche Bezahlung:<br />
Frankreich, Portugal, Griechenland,<br />
Australien, Dänemark, Schottland,<br />
Nordirland, Irland, Norwegen,<br />
Großbritannien, Schweden, Polen,<br />
Italien und Finnland.<br />
Unterschiede in der Bezahlung:<br />
Spanien, Marokko, Schweiz und<br />
Lettland. is<br />
Foto: Kay Herschelmann Foto: Privat<br />
„Eine Schule –<br />
eine Vergütung“<br />
„In der Forderung,<br />
alle Lehrkräfte<br />
einheitlich<br />
zu bezahlen, spiegelt<br />
sich die Erkenntnis,<br />
dass die<br />
Aufgaben in den<br />
unterschiedlichen<br />
Ludwig Huber Lehrämtern zwar<br />
differieren, aber letztlich gleichermaßen<br />
anspruchsvoll und wichtig<br />
sind. Zugleich wird in ihr die notwendige<br />
Entwicklung zur ‚Einen<br />
Schule für alle Kinder’ antizipiert.<br />
Dies setzt voraus, dass die bisher unterschiedlichen<br />
Ausbildungsgänge<br />
auf dasselbe Niveau gebracht werden.“<br />
Ludwig Huber, em. Professor für<br />
Erziehungswissenschaften Uni Bielefeld<br />
„Anachronismus“<br />
„Ein zukunftsfähiges<br />
Tarifsystem<br />
kann nur bedeuten:<br />
gleiche Bezahlung<br />
für alle<br />
voll ausgebildeten<br />
Lehrkräfte, egal in<br />
Rolf Dobischat welcher Schulform<br />
sie tätig sind. Es ist angesichts<br />
der stetig wachsenden pädagogischen,<br />
lernorganisatorischen und didaktisch-methodischenAnforderungen<br />
an das Lehrpersonal – und<br />
zwar in allen Schulformen – ein<br />
Anachronismus, die bestehende<br />
Einkommensdifferenzierung aufrechtzuerhalten.<br />
Qualifikation und<br />
Kompetenz müssen zentraler Maßstab<br />
für die Entlohnung sein, nicht<br />
der individuelle Einsatz in verschiedenen<br />
Schulformen, die letztlich<br />
ebenso anachronistisch sind.”<br />
Rolf Dobischat, Bildungsforscher an der<br />
Uni Duisburg-Essen und Präsident des<br />
Deutschen Studentenwerks (DSW)
Cartoon: Thomas Plaßmann<br />
Die sechs Mythen der<br />
Staatsverschuldung<br />
Nutzen und Risiken der Haushaltsdefizite<br />
Vor dem G20-Treffen Ende Juni im kanadischen<br />
Toronto hatten die USA von<br />
Europa gefordert, den Schuldenabbau<br />
nicht zu übertreiben und die Konjunktur<br />
weiter zu stützen. In Deutschland<br />
hingegen scheint man sich einig zu sein:<br />
Schulden sind schlecht, das Defizit<br />
muss runter. Doch Schulden sind nicht<br />
gleich Schulden. Was für die schwäbische<br />
Hausfrau ein Graus ist, kann einen<br />
Staat voranbringen. Der folgende<br />
Beitrag nennt Vorurteile in Sachen<br />
Staatsschulden und erklärt die Zusammenhänge.<br />
1.<br />
„Schulden<br />
machen ärmer“<br />
Das mag bei einem Arbeitnehmer zutreffen.<br />
Nimmt er zum Beispiel einen<br />
Kredit für ein Auto auf, muss er die<br />
Summe später zurückzahlen, inklusive<br />
Zins. Per Saldo wird er durch Schulden<br />
also ärmer. Doch ist ein Staat kein Privathaushalt.<br />
Sein Einkommen ist nicht<br />
fix. Er kann durch seine Ausgaben das<br />
Wachstum fördern. Stehen den höheren<br />
Schulden eine höhere Wirtschaftsleistung<br />
und höhere Steuereinnahmen gegenüber,<br />
so ist die Schuldenzunahme<br />
kein Problem.<br />
2.<br />
„Schulden belasten<br />
unsere Kinder“<br />
Das aktuelle Sparprogramm der Bundesregierung<br />
bedeute „weniger Zinszahlungen<br />
für Kinder und Enkel“, so<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).<br />
Doch ist dies irreführend. Absolut werden<br />
die Zinszahlungen sicher nicht sinken,<br />
sondern steigen – schließlich steigt ja auch<br />
die Staatsschuld weiter, nur nicht mehr so<br />
schnell. Ein echter Abbau des Schuldenberges<br />
ist in keinem Land geplant. Was alle<br />
Regierungen nur wollen, ist ein Rückgang<br />
der Schuldenquote – also des Verhältnisses<br />
von Schuldenstand zu Wirtschaftsleistung.<br />
Und dieses Verhältnis<br />
sinkt auch bei steigenden Schulden, solange<br />
die Wirtschaft schneller wächst als<br />
die Kreditlast. Darauf setzen die USA.<br />
3.<br />
„Schulden hemmen<br />
das Wachstum“<br />
Zunächst fördern Schulden das Wachstum.<br />
Denn: Erhebt ein Staat zu seiner<br />
Finanzierung Steuern, entzieht er der<br />
Gesellschaft Geld, das andernfalls für<br />
Wachstum zur Verfügung stünde. Verschuldet<br />
er sich stattdessen, nimmt er<br />
niemandem etwas weg. Seinen Gläubigern<br />
gibt er Staatsanleihen – das sind<br />
hochliquide Wertpapiere, die jederzeit<br />
zu Geld gemacht werden können.<br />
Durch seine Anleihen schafft der Staat<br />
also Geldkapital, seine Schulden sind<br />
das Vermögen seiner Gläubiger. Zudem<br />
erhöht er durch Kreditaufnahme seinen<br />
Konsum, baut Brücken, bezahlt Beamte<br />
und anderes mehr. So fördert er das<br />
Wachstum. Letztlich zählt, dass der<br />
Schuldenberg nicht schneller wächst als<br />
das Bruttoinlandsprodukt (BIP).<br />
4.<br />
„Schulden schaffen<br />
Inflation“<br />
Per se nicht. Dafür müssten Geldmenge<br />
und Löhne steigen.<br />
5.<br />
„Schuldenabbau fördert<br />
das Wachstum“<br />
Nicht unbedingt. Fährt ein Staat seine<br />
Defizite zurück, so entfällt Nachfrage,<br />
das Wirtschaftswachstum wird belastet.<br />
Die Bank of America schätzt, dass die<br />
Sparprogramme die Euro-Zone <strong>2010</strong><br />
und 2011 jeweils 0,3 Prozentpunkte<br />
Wachstum kosten werden. Sinkt die<br />
Wirtschaftskraft, so kann die Schuldenquote<br />
sogar anwachsen – trotz Sparprogramm.<br />
Das meint US-Finanzminister<br />
Timothy Geithner, wenn er Merkel entgegnet:<br />
„Ohne Wachstum werden die<br />
Defizite weiter steigen.“ Aber auch die<br />
Umkehrung – Sparen schadet dem<br />
Wachstum – stimmt so allgemein nicht.<br />
Die Geschichte kennt Beispiele von<br />
Staaten, die trotz rigider Fiskalpolitik<br />
ordentlich gewachsen sind. Allerdings<br />
half ihnen dabei häufig ein globaler Aufschwung.<br />
6.<br />
„Wir müssen<br />
sparen“<br />
Von wegen „wir“: Staatliches Sparen bedeutet<br />
Umschichtung von weniger produktiven<br />
Ausgaben hin zu Ausgaben,<br />
die das Wachstum ankurbeln, um die<br />
Zahlungen an die Gläubiger zu finanzieren.<br />
„Sparen“ ist daher meist Umverteilung<br />
– von Empfängern staatlicher<br />
Transferleistungen zu den Vermögensbesitzern.<br />
Stephan Kaufmann, Redakteur DuMont<br />
Redaktionsgemeinschaft GmbH<br />
TARIFRUNDE<br />
aus: Frankfurter Rundschau<br />
vom 25. Juni <strong>2010</strong>;<br />
„Thema des Tages“. Nachdruck<br />
mit freundlicher Genehmigung<br />
der DuMont<br />
Redaktionsgemeinschaft<br />
GmbH<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 21
Foto: Uni Jena Foto: Ullstein<br />
BILDUNGSPOLITIK<br />
Pädagogik<br />
unterm Hakenkreuz:<br />
Die meisten<br />
Schulen standen<br />
unter nationalsozialistischem<br />
Einfluss –<br />
so auch die Jena-<br />
Plan-Modellschulen.<br />
In der Lehrer-<br />
Schüler-Beziehung<br />
spiegelte<br />
sich das Verhältnis<br />
von „Führer<br />
und Gefolgschaft“<br />
wider.<br />
Janusz Korczak<br />
Peter Petersen<br />
Foto: dpa<br />
Peter Petersens Weg zu Hitler<br />
22 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Entzauberung eines reformpädagogischen Mythos‘<br />
Mit dem Schulkonzept des Jena-Plans<br />
hat sich wohl jede Lehrerin und jeder<br />
Lehrer im Rahmen der Ausbildung<br />
schon einmal befasst. Etliche Schulen,<br />
die sich diesem reformpädagogischen<br />
Konzept verpflichtet fühlen, tragen<br />
auch den Namen seines Ideengebers:<br />
Peter Petersen. Doch mit der Verstrickung<br />
Petersens in den Nationalsozialismus,<br />
dem Einfluss nationalsozialistischer<br />
Ideologie auf sein pädagogisches<br />
Denken hat man sich sehr lange<br />
kaum auseinandergesetzt. Der Erziehungswissenschaftler<br />
Benjamin<br />
Ortmeyer hat in seiner Forschungsarbeit<br />
den Mythos Petersen nun entzaubert<br />
und damit eine Debatte angestoßen.<br />
Im Jenaer Stadtteil „Paradies“ gab<br />
es einen Karl-Marx-Platz. Nach<br />
der Wende wollten die Stadtväter<br />
dem Platz einen ideologisch weniger<br />
„anstößigen“ Namen geben.<br />
Der international bekannte Reformpädagoge<br />
Peter Petersen schien dafür geeignet.<br />
Schließlich war er lange Zeit Professor<br />
in Jena und hat dort eine Versuchsschule<br />
betrieben, nach der sein<br />
Schulkonzept „Jena-Plan“ heißt. Doch<br />
seit einem Jahr fordern Bürgerinnen<br />
und Bürger, den Platz wieder umzubenennen.<br />
Grund: Der scheinbar über jeden<br />
ideologischen Zweifel erhabene<br />
Schulgründer entpuppte sich als Antidemokrat,<br />
Rassist und Nazianhänger.<br />
Selbst in seinen nach dem Krieg überarbeiteten<br />
Schriften, die für die Reformpädagogik<br />
der Bundesrepublik richtungsweisend<br />
waren, dem „Kleinen Jena-<br />
Plan“ und der „Führungslehre des Un-<br />
terrichts“, fand der Frankfurter Erziehungswissenschaftler<br />
Benjamin Ortmeyer<br />
(s. S. 23 Marginalspalte) Petersens antidemokratisches<br />
und reaktionäres Gedankengut.<br />
Petersen-Schulen in Hamburg,<br />
Hannover, Köln und anderen Orten<br />
luden Ortmeyer zum Gespräch ein,<br />
es gab heftige Diskussionen über den<br />
Namensgeber und Autor des „Jena-<br />
Plan“. Nun wollen sich viele Schulen<br />
vom Namen dieses zweifelhaft gewordenen<br />
Reformpädagogen trennen.<br />
In seinem von der Max-Traeger-Stiftung<br />
geförderten Forschungsprojekt „ad fontes“<br />
hat Ortmeyer die Schriften von vier<br />
Säulenheiligen der deutschen Nachkriegspädagogik<br />
aus der NS-Zeit ausgewertet:<br />
Eduard Spranger, Herman Nohl<br />
und Erich Weniger – den führenden Köpfen<br />
der bis in die 1960er-Jahre an deutschen<br />
Hochschulen tonangebenden<br />
geisteswissenschaftlichen Pädagogik –
und Peter Petersen, dem Reformpädagogen,<br />
auf den sich bis heute anerkannte<br />
Reformschulen und -initiativen berufen.<br />
Selten löste eine pädagogische Habilitationsschrift<br />
so viel öffentlichen<br />
Wirbel aus wie die gut 600-seitige Arbeit<br />
Ortmeyers.<br />
Der Erziehungswissenschaftler belegt<br />
mit zahlreichen Artikeln aus Petersens<br />
Feder dessen Nähe zum Nationalsozialismus.<br />
1933 schrieb Petersen beispielsweise<br />
in der Zeitschrift „Blut und Boden“,<br />
„der Jude“ wirke in allem „zersetzend,<br />
verflachend, ja vergiftend“, für<br />
ihn trete alles „in den Dienst seines<br />
Machtstrebens“. Adolf Hitler wird als<br />
„Erzieher des Volkes“ gelobt, die Eugenik-Gesetze<br />
des NS-Regimes werden<br />
befürwortet. Außerdem fanden in seinen<br />
Jenaer Modellschulen die in der<br />
NS-Zeit üblichen Fahnenappelle statt,<br />
bei denen mit „Heil Hitler“ gegrüßt<br />
wurde.<br />
Alles andere als demokratisch<br />
Waren das – schlimm genug – nur „Demutsgesten“<br />
gegenüber den Herrschenden?<br />
Nein, meint Ortmeyer, und verweist<br />
auf die Kontinuität in Petersens<br />
Denken von der Weimarer Republik bis<br />
in die Nachkriegszeit. Petersens Reformschule<br />
sei alles andere als demokratisch,<br />
stellt der Erziehungswissenschaftler dar.<br />
Die Lehrer-Schüler-Beziehung begriff<br />
Petersen als Verhältnis von Führer und<br />
Gefolgschaft. Sein Gemeinschaftsdenken<br />
war eng verknüpft mit einem rassistischen<br />
und antidemokratischen Volkstumsbegriff.<br />
Und nach dem Krieg? In der überarbeiteten<br />
Neuauflage des „Kleinen Jena-<br />
Plan“ von 1946 zitiert Petersen zustimmend<br />
seine Schülerin Frieda Stoppenbrink-Buchholz<br />
mit ihrem Werk über das<br />
„brauchbare Hilfsschulkind“, ein Begriff,<br />
der offensichtlich zwischen<br />
„brauchbaren“ und „unbrauchbaren“<br />
Menschen unterscheidet und sich<br />
zwanglos in eine Politik der Aussonderung<br />
einfügt. Stoppenbrink-Buchholz<br />
konnte zwar darauf verweisen, dass sie<br />
als Leiterin einer Hamburger Hilfsschule<br />
der Zwangssterilisation des einen oder<br />
anderen ihrer „brauchbaren“ Kinder<br />
nicht zugestimmt hatte, um den Preis<br />
freilich, dass sie diese Maßnahme bei<br />
anderen ihrer Zöglinge durchaus empfahl.<br />
In der nach seinem Tode veröffentlichten<br />
Schrift „Der Mensch in der Erziehungswirklichkeit“<br />
legt Petersen nahe,<br />
dass lediglich eine kleine „satanische“<br />
Clique dafür verantwortlich war,<br />
dass aus den hehren Volkstumsideen des<br />
Nationalsozialismus das „teuflische“<br />
Nazi-Regime wurde.<br />
Rund 50 Schulen in der Bundesrepublik<br />
führen Peter Petersen noch in ihrem Namen<br />
oder berufen sich explizit auf die<br />
Jena-Plan-Pädagogik. In den Niederlanden<br />
ist die Jena-Plan-Bewegung sogar<br />
noch weiter verbreitet als hierzulande,<br />
denn: Unterricht in jahrgangsgemischten<br />
Gruppen, Gruppenarbeit, Freiarbeit,<br />
Wochenplan, Montagskreis – all<br />
das sind mittlerweile bewährte Elemente<br />
einer Reformpädagogik, wie sie auch<br />
von vielen Gewerkschaftern vorangetrieben<br />
wird. Ist das jetzt alles falsch?<br />
Debatte angestoßen<br />
Ortmeyer ist mittlerweile in über einem<br />
Dutzend Veranstaltungen aufgetreten,<br />
in Jena, Hamburg, Hannover und Köln<br />
beispielsweise. Orte, an denen es überall<br />
bewährte und anerkannte Peter-Petersen-Schulen<br />
gibt. Dort reagierte man<br />
zwar mit Erschrecken auf seine Befunde,<br />
er traf aber auch auf eine große Bereitschaft,<br />
sich damit auseinanderzusetzen.<br />
In Hamburg, Hannover und Köln<br />
erwogen Einrichtungen, ob sie ihren<br />
Namen ändern sollten. „Der Name ist<br />
nicht mehr haltbar, weil Peter Petersen<br />
nicht mehr als Vorbild und Orientierungspunkt<br />
dienen kann“, meinte etwa<br />
Ute Pape, Schulleiterin der Peter-Petersen-Gesamtschule<br />
in Hamburg-Wellingsbüttel.<br />
Als erste hat die ehemalige<br />
Peter-Petersen-Schule in Weiterstadt bei<br />
Darmstadt (Hessen) die Konsequenz gezogen<br />
und sich in Anna-Freud-Schule<br />
umbenannt.<br />
Denken war bekannt<br />
Er habe zwar einige Quellen neu erschlossen,<br />
aber prinzipiell sei Petersens<br />
Denkrichtung durchaus bekannt gewesen,<br />
betont Ortmeyer. Schon 1933 hat<br />
sich Fritz Helling aus dem „Bund Entschiedener<br />
Schulreformer“ mit Petersens<br />
antidemokratischer Konzeption<br />
auseinandergesetzt. 1956 hat er sich in<br />
seinem Aufsatz „Petersens Weg zu Hitler“<br />
erneut kritisch geäußert. Zwar blieb<br />
Petersen Professor in Jena und Leiter seiner<br />
Versuchsschule, aber er konnte trotz<br />
seiner ideologischen Wendemanöver –<br />
er trat nach 1945 der SPD bei und war<br />
danach SED-Mitglied – in der sowjetischen<br />
Zone nicht veröffentlichen.<br />
In der Restaurationszeit der Adenauer-<br />
Ära hatten kritische und sozialistische<br />
pädagogische Reformtraditionen* keinen<br />
Platz. Trotz – oder vielleicht gerade<br />
wegen? – seiner Nazi-Nähe war Petersen<br />
daher der einzige Reformpädagoge aus<br />
der Weimarer Zeit, der zunächst als Namens-<br />
und Ideengeber reformpädagogischer<br />
Schulen in der Bundesrepublik<br />
reüssieren konnte. Bereits 1949 wurde in<br />
Hannover die erste Petersen-Schule gegründet.<br />
Ortmeyers Kritik richtet sich nicht gegen<br />
die Reformpädagogik und ihre<br />
Ideen, darauf legt der Erziehungswissenschaftler<br />
und engagierte Gewerkschafter<br />
großen Wert. Ebenso wie der Züricher<br />
Erziehungswissenschaftler Jürgen Oelkers<br />
weist er aber darauf hin, dass die Methoden<br />
und Grundsätze des Jena-Plans –<br />
Gruppenarbeit, jahrgangsübergreifender<br />
Unterricht, Verzicht auf Noten, Wochenplan<br />
– keinesfalls originäre Gedanken<br />
Petersens waren. Anfang des 20.<br />
Jahrhunderts gab es eine breite deutsche<br />
und internationale Reformbewegung.<br />
Erinnert sei nicht nur an die vielen anderen<br />
deutschen Reformpädagogen (s.<br />
E&W 6/<strong>2010</strong>), sondern auch an die internationale<br />
Reformpädagogik, etwa an<br />
John Dewey (s. E&W 6/<strong>2010</strong>) und Janusz<br />
Korczak**. Die deutschen Schulreformer<br />
seien gut beraten, sich mehr auf solche<br />
demokratischen Traditionslinien zu<br />
berufen, meint Ortmeyer.<br />
Ob nun eine Petersen-Schule ihren Namen<br />
ändere oder nicht, sei letztlich<br />
nicht entscheidend: „Die Diskussionen,<br />
die von Lehrerinnen und Lehrern, Eltern,<br />
zum Teil von Schülerinnen und<br />
Schülern, geführt werden, das ist für<br />
mich das Wertvolle. Man wird nicht<br />
mehr naiv zurückkehren können und<br />
völlig vorbehaltlos Petersens ‚Führungslehre<br />
des Unterrichts‘ lesen oder den<br />
Studierenden den ,kleinen Jena-Plan‘ an<br />
die Hand geben. Auch an den Hochschulen<br />
hat sich durch die Forschungslage<br />
eine Menge verändert.“<br />
Karl-Heinz Heinemann, freier Journalist<br />
* In der Weimarer Republik gab es eine bunte Szene<br />
der Reformpädagogik. Viele ihrer Vertreter wie Paul<br />
Oestreich, Fritz Karsen oder Minna Specht (s. E&W<br />
6/<strong>2010</strong>) sahen sich eher bei den Kommunisten, Sozialisten<br />
oder Sozialdemokraten beheimatet als bei<br />
den Nationalkonservativen wie Petersen.<br />
** Janusz Korczak, eigentlich: Henryk Goldszmit,<br />
polnischer Kinderarzt, Kinderbuchautor und bedeutender<br />
Reformpädagoge. Er wurde 1942 vermutlich<br />
im Vernichtungslager Treblinka von den Nazis ermordet.<br />
Seine zusätzlichen Einnahmen aus seinen<br />
schriftstellerischen Arbeiten kamen seinem ärztlichen<br />
und sozialen Engagement für arme und verwahrloste<br />
Kinder zugute. 1911 übernahm er die Leitung des<br />
neu errichteten jüdischen Waisenhauses in Warschau<br />
und gab den Arztberuf auf. Als Waisenhausleiter<br />
hatte er Spielraum, seine auf prinzipiellen Kinderrechten<br />
fußenden pädagogischen Ideen umzusetzen<br />
(Kinderrepublikmodell). 1940 ging Korczak mit seinen<br />
Kindern in das Warschauer Getto. 1942 kamen<br />
etwa 200 der von ihm betreuten Waisen in das Vernichtungslager<br />
Treblinka. Obwohl Korczak wusste,<br />
dass dies wahrscheinlich seinen Tod bedeutete, ließ er<br />
seine Kinder nicht im Stich (s. Bild S. 22).<br />
BILDUNGSPOLITIK<br />
Ortmeyer, Benjamin:<br />
Mythos und Pathos<br />
statt Logos und Ethos.<br />
Zu den Publikationen<br />
führender Erziehungswissenschaftler<br />
in der<br />
NS-Zeit: Eduard<br />
Spranger, Herman<br />
Nohl, Erich Weniger<br />
und Peter Petersen,<br />
Weinheim/Basel<br />
2009.<br />
Die neu erschienene<br />
Broschüre der <strong>GEW</strong>-<br />
Studis Hessen „Peter Petersen<br />
und die NS-Zeit“<br />
enthält einen Petersen<br />
betreffenden Auszug<br />
aus dem im Beltz-Verlag<br />
<strong>2010</strong> in zweiter Auflage<br />
erschienenen Buch<br />
„Mythos und Pathos<br />
statt Logos und Ethos<br />
(s. oben) sowie u. a. acht<br />
Original-Faksimile von<br />
Schriften Petersens aus<br />
der NS-Zeit.<br />
Es kann gegen Rechnung<br />
für sieben Euro<br />
bei der <strong>GEW</strong> Hessen,<br />
Zimmerweg 12, 60325<br />
Frankfurt am Main, bestellt<br />
werden.<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 23
BILDUNGSPOLITIK<br />
Bundesweites<br />
Treffen des<br />
DaZ-Netzwerks:<br />
20. <strong>November</strong>,<br />
14 Uhr,<br />
Köln, DGB-Haus,<br />
Hans-Böckler-Platz.<br />
Infos unter:<br />
www.daz-netzwerk.de<br />
„Die totale Ungerechtigkeit“<br />
24 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Mehr Geld für Einwanderer-Sprachkurse – doch die Lage der Lehrkräfte bleibt prekär<br />
Rund 18.000 freiberufliche Lehrkräfte<br />
unterrichten Deutsch als Zweitsprache<br />
(DaZ). Zu Niedrighonoraren, ohne<br />
Absicherung im Krankheitsfall. Das<br />
Bundesinnenministerium erhöhte den<br />
Etat für Integrationskurse um 59 Millionen<br />
Euro. Das reiche nicht, berichten<br />
DaZ-Dozenten.<br />
Die Arbeit macht mir Spaß“,<br />
sagt Helga Steinmaier. „Man<br />
spürt: Was man tut, wird<br />
gebraucht.“ Die 56-Jährige<br />
Dortmunderin unterrichtet<br />
Deutsch als Zweitsprache.<br />
Ihre Schülerinnen und Schüler<br />
kommen aus der Türkei, der Ukraine,<br />
Afghanistan oder Bosnien. Doch wenn<br />
die freiberufliche Lehrerin auf ihre Kontoauszüge<br />
schaut, steigt die Wut in ihr<br />
hoch. „Die totale Ungerechtigkeit“,<br />
schimpft die Diplom-Pädagogin mit<br />
Zweitstudium und weiteren Zusatzqualifikationen.<br />
„Eine Gemeinheit“<br />
Pro Unterrichtsstunde erhält sie lediglich<br />
18 Euro Honorar. Bei hundert Unterrichtsstunden<br />
im Monat macht das<br />
1800 Euro Bruttoumsatz. Kolleginnen<br />
und Kollegen von Steinmaier berichten,<br />
dass sie sogar nur acht Euro pro Unterrichtsstunde<br />
verdienen. Vom Umsatz<br />
gehen nicht nur die Steuern ab. Die Honorarlehrerin<br />
zahlt weitere 320 Euro<br />
monatlich für die gesetzliche Krankenund<br />
Pflegeversicherung. 360 Euro<br />
fließen in die gesetzliche Rentenversicherung.<br />
„Ich muss hundert Prozent<br />
zahlen, also den Arbeitnehmer- sowie<br />
den Arbeitgeberanteil“, entrüstet sich<br />
Steinmeier über die Höhe des Rentenbeitrags.<br />
„Eine Gemeinheit.“<br />
Stephanie Odenwald, beim <strong>GEW</strong>-Hauptvorstand<br />
für Weiterbildung verantwortlich,<br />
spricht von einem „Skandal“.<br />
Hochqualifizierte pädagogische Arbeit<br />
werde „oftmals auf Hartz IV-Niveau bezahlt“,<br />
so Odenwald. Sie habe Verständnis<br />
für „Verbitterung und Wut“ der Beschäftigten.<br />
Dabei genießt Einwanderer-Sprachunterricht<br />
angeblich höchste politische<br />
Priorität. „Wir haben das Erlernen der<br />
deutschen Sprache zu einem Kernelement<br />
von Integration gemacht“, erklärt<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).<br />
„Deutschkenntnisse früh und umfassend<br />
fördern“, lautet ein Ziel des bundesweiten<br />
Integrationsprogramms, das<br />
Bundesinnenminister Thomas de Maizière<br />
(CDU) im September vorgestellt hat<br />
(s. E&W 9/<strong>2010</strong>).<br />
Wer die Einwanderer unterrichtet, leidet<br />
unter ständiger Unsicherheit. Steinmaier<br />
etwa, seit 25 Jahren im Beruf, hangelt<br />
sich von einem Drei-Monats-Vertrag<br />
zum nächsten. Hinzu kommt: Wenn<br />
die Integrationskurse in den Schulferien<br />
pausieren, bleiben viele DaZ-Dozenten<br />
ohne Einkommen. „Das kann es ja<br />
nicht sein“, so die 56-Jährige.<br />
„Kleine Absicherung“<br />
Ein Gutachten zum „Finanzierungssystem<br />
der Integrationskurse“, verfasst im<br />
Dezember 2009 im Auftrag des Bundesamtes<br />
für Migration und Flüchtlinge<br />
(BAMF), bestätigt die prekäre Lage. Die<br />
„unterdurchschnittliche Vergütung“ der<br />
Lehrkräfte wird offengelegt, ebenso der<br />
„drohende Verdienstausfall im Krankheitsfall“.<br />
Die Studie, die die Berliner<br />
Unternehmensberatung Ramboll erstellte,<br />
betont zudem, „dass keine finanzielle<br />
Absicherung für Urlaubs- und Regenerationsphasen<br />
besteht“. Auch von<br />
der „geringen Beschäftigungssicherheit“<br />
ist die Rede.<br />
Im Gutachten steht allerdings eine Aussage,<br />
die bei DaZ-Dozenten auf Protest<br />
stößt. Ramboll schreibt, dass es sich bei<br />
der Mehrzahl der Lehrkräfte „um Frauen<br />
handelt“, die mit ihrer Tätigkeit in Integrationskursen<br />
im Regelfall „einen ergänzenden<br />
Beitrag zum Haushaltseinkommen<br />
leisten“. Soll das etwa heißen,<br />
die Niedrigeinkommen sind halb so<br />
schlimm – weil der Ehemann oder Lebensgefährte<br />
die „Kohle“ ranschafft?<br />
„Zutiefst frauenfeindlich“, urteilt <strong>GEW</strong>-<br />
Weiterbildungsexpertin Odenwald.<br />
Das Bundesinnenministerium, dem das<br />
BAMF unterstellt ist, erklärt lapidar:<br />
„Die wirtschaftliche Situation von weiblichen<br />
Lehrkräften im Gegensatz zu<br />
ihren männlichen Kollegen war nicht<br />
Gegenstand der Untersuchung.“ Das<br />
Ministerium verweist darauf, dass der<br />
Etat für Integrationskurse im laufenden<br />
Jahr um 59 Millionen Euro erhöht worden<br />
sei. Damit stünden 218 Millionen<br />
Euro für die Sprachkurse bereit.<br />
Doch bei den DaZ-Lehrkräften käme<br />
Foto: imago<br />
Wer Einwanderer unterrichtet,<br />
wird sehr schlecht bezahlt,<br />
obwohl Integrationskurse<br />
angeblich höchste politische<br />
Priorität genießen.<br />
davon nichts an, kritisieren Betroffene.<br />
Sie fordern weiterhin mindestens 30<br />
Euro pro Unterrichtsstunde. Außerdem<br />
bezahlten Urlaub und Honorarfortzahlung<br />
im Krankheitsfall sowie die<br />
hälftige Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge.<br />
Matthias Holland-Letz, freier Journalist
Was das Lernen erschwert<br />
TALIS-Studie über Störfaktoren im Schulalltag<br />
Die Studie Teaching and Learning International<br />
Survey (TALIS) der Organisation<br />
für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
und Entwicklung (OECD)<br />
hat erstmals weltweit Schulleitungen<br />
und Lehrkräfte nach Arbeitsbedingungen,<br />
Störfaktoren des Unterrichts, beruflichen<br />
Entwicklungschancen sowie<br />
professionellen Überzeugungen und<br />
Einstellungen befragt. An TALIS beteiligten<br />
sich 23 Länder, zu denen<br />
Deutschland jedoch nicht gehörte. Da<br />
sich die Kultusministerkonferenz<br />
(KMK) geweigert hatte, bei TALIS<br />
mitzumachen, startete die <strong>GEW</strong><br />
2008 mit Zustimmung der OECD<br />
eine TALIS-affine Onlinebefragung<br />
(s. E&W 7-8/2009).<br />
E&W berichtet im Rahmen einer<br />
Serie über einzelne Ergebnisse<br />
der <strong>GEW</strong>-Studie. In<br />
dieser Ausgabe steht die Frage<br />
an die Schulleitungen, was<br />
ihrer Einschätzung nach das<br />
Lernen im schulischen Alltag beeinträchtigt,<br />
im Fokus.<br />
In der TALIS-Studie geht es wie in der<br />
<strong>GEW</strong>-Befragung zunächst um Belastungen,<br />
die die einzelne Schule oder die<br />
einzelne Lehrkraft nicht beeinflussen<br />
kann: etwa Klassengröße, viele schwierige<br />
Schüler in einer Schule oder Lehrermangel.<br />
In der <strong>GEW</strong>-Umfrage geben 60<br />
Prozent der Schulleitungen an, dass der<br />
Mangel an qualifizierten Lehrkräften<br />
den Unterricht erheblich (36,9 Prozent)<br />
oder sehr stark (23,8 Prozent) beeinträchtige.<br />
Dieser Wert ist im internationalen<br />
Vergleich sehr hoch. Ähnlich<br />
schlechte Werte wie in der <strong>GEW</strong>-Befragung<br />
finden sich nur noch in Mexiko<br />
und der Türkei.<br />
Zudem geben die TALIS-/<strong>GEW</strong>-Ergeb-<br />
Foto: dpa<br />
nisse Hinweise, was Schulen systemimmanent<br />
verbessern können. Dabei<br />
wird schnell klar, dass manch eine Verbesserung<br />
allein mit gutem Willen nicht<br />
zu bewerkstelligen ist, sondern dass<br />
dafür Geld, Zeit und Fortbildung bereitstehen<br />
müssen. Auf jeden Fall lohnt es<br />
sich, jenen Störfaktoren des Lernens<br />
nachzugehen, die durch Lehrer- und<br />
Schülerverhalten verursacht werden,<br />
und nach Lösungen zu suchen, diese zu<br />
beheben.<br />
Die aktuelle Debatte über bessere Unterrichtsqualität<br />
krankt vor allem daran,<br />
dass sie abstrakt und nicht am konkreten<br />
Einzelfall geführt wird. Es wird so<br />
getan, als sei es nur eine Frage des Wollens<br />
der Lehrkräfte, ob sie gut oder<br />
schlecht unterrichten, und als sei das<br />
Lehrerhandeln voraussetzungslos. Dieser<br />
Diskussion einflussreicher Erziehungswissenschaftler<br />
fehlt der ganzheitliche<br />
Blick auf die Realität von Schule<br />
und Unterricht, weil sie Struktur- und<br />
Finanzfragen ausblendet. Es ist zwar eine<br />
Banalität, aber ab und zu muss man<br />
daran erinnern: Auch Lehrkräfte sind<br />
Menschen und keine Heiligen oder<br />
Roboter. Sie haben Stärken und<br />
Schwächen, verfügen nicht unbegrenzt<br />
über Zeit. Sie können krank werden<br />
oder Probleme in der Familie haben.<br />
Und: Sie können weder die Qualität ihrer<br />
Ausbildung grundlegend beeinflussen<br />
noch darüber bestimmen, wie groß<br />
die Klasse oder die soziale Zusammensetzung<br />
der Schülerschaft ist. Ihre Tätigkeit<br />
ist sehr abhängig von äußeren Rahmenbedingungen.<br />
Trotzdem sind sie<br />
verpflichtet, ihr Bestes zu geben. Was<br />
nicht allen gelingt.<br />
Was Schulleitungen monieren<br />
So nennen Schulleitungen mangelnde<br />
Vorbereitung auf den Unterricht (17,5<br />
Prozent, OECD-Durchschnitt: 24 Prozent),<br />
Zuspätkommen (12,5 Prozent,<br />
OECD-Durchschnitt: 15 Prozent) und<br />
zynische Einstellung gegenüber Schülern<br />
(neun Prozent) als pädagogische<br />
Einstellungen von Lehrkräften, die sich<br />
im Schulalltag negativ auswirken.<br />
Deutsche Lehrer schneiden im internationalen<br />
Vergleich zwar recht gut ab,<br />
trotzdem: Eine selbstbewusste Profession<br />
sollte sich nicht scheuen, immanente<br />
Veränderungen ernsthaft zu diskutieren<br />
und selbstverschuldete Probleme anzugehen.<br />
Den Ursachen für schlechte Unterrichtsvorbereitung<br />
oder anhaltendes<br />
Zuspätkommen muss nachgegangen<br />
werden. Zu tolerieren ist unprofessionelles<br />
Verhalten in der Regel und auf Dauer<br />
nicht. Aber man muss wissen, dass sich<br />
ein unerwünschtes Verhalten erst dann<br />
verändern kann, wenn die individuelle<br />
Problemlage des Pädagogen in den Blick<br />
genommen wird. Das ist bei Lehrkräften<br />
nicht anders als bei Schülern.<br />
Es fällt auf, dass nach Auskunft der<br />
<strong>GEW</strong>-Schulleitungen deutsche Schüler<br />
den Unterricht etwas weniger „stören“ als<br />
im OECD-Durchschnitt. Alarmierend<br />
aber sind die hohen Werte, die gut 60<br />
Prozent der befragten Schulleitungen als<br />
Gründe für Unterrichtsstörungen nennen:<br />
Über den Gebrauch vulgärer und<br />
ordinärer Ausdrücke beschwert sich die<br />
Hälfte, über Zuspätkommen beklagt sich<br />
etwa ein Drittel, über unentschuldigtes<br />
Fehlen mehr als ein Viertel, Mobbing<br />
bemängelt wiederum ein gutes Drittel.<br />
Damit geht einher, dass die <strong>GEW</strong>-Lehrkräfte<br />
angeben, sie müssten knapp ein<br />
Fünftel (OECD-Schnitt: 12,9 Prozent)<br />
der Unterrichtszeit aufwenden, um Ordnung<br />
und Disziplin in der Klasse herzustellen.<br />
Bezieht man administrative Aufgaben<br />
mit ein, so bleiben durchschnittlich<br />
nur drei Viertel effektive Unterrichtszeit<br />
übrig (OECD-Schnitt: 79 Prozent).<br />
Etwa fünf Prozent der <strong>GEW</strong>-Befragten<br />
geben sogar an, ihnen stünde effektiv weniger<br />
als die Hälfte des Unterrichts als<br />
Lernzeit zur Verfügung.<br />
Diese Befunde verlangen nach Aufklärung<br />
und Abhilfe. Aber auch hier<br />
gilt: Allgemeine Rezepte helfen nicht,<br />
sondern nur der ganzheitliche Blick auf<br />
den Einzelfall bringt weiter. Manchmal<br />
kann man mit „Bordmitteln“ den Unterricht<br />
verbessern, manchmal bedarf es<br />
der Unterstützung von außen.<br />
Marianne Demmer, Leiterin des<br />
<strong>GEW</strong>-Organisationsbereichs Schule<br />
BILDUNGSPOLITIK<br />
Erste Ergebnisse sowie<br />
technische Informationen<br />
zur TALIS-Studie<br />
der OECD sind im<br />
Band „Creating Effective<br />
Teaching and Learning<br />
Environments“<br />
veröffentlicht, der unter<br />
www.oecd.org/edu/talis<br />
zum Download bereitsteht.<br />
Marianne Demmer, Matthias<br />
von Saldern (Hrsg.):<br />
„Helden des Alltags“.<br />
Erste Ergebnisse der<br />
Schulleitungs- und<br />
Lehrkräftebefragung<br />
(TALIS) in Deutschland.<br />
Die Deutsche<br />
Schule Beiheft, Band<br />
11/<strong>2010</strong>, 192 Seiten,<br />
19,90 Euro<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 25
Fotos: imago<br />
BILDUNGSPOLITIK<br />
Michael Bloomberg,Bürgermeister<br />
von New York.<br />
Er zentralisierte<br />
die Schulverwaltung<br />
und installierte<br />
ein knallhartes<br />
Job-Down-<br />
Management.<br />
„Arenen des Leistungswettbewerbs“<br />
26 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Diane Ravitchs fulminante Kritik an den marktnahen US-Schulreformen<br />
„Einst war ich voller Hoffnung, was<br />
Tests, freie Schulwahl und Märkte<br />
bringen können.“ Doch heute habe sie<br />
„tiefe Zweifel“. Diane Ravitch, eine<br />
der bekanntesten Erziehungswissenschaftlerinnen<br />
der USA, arbeitete in<br />
den 1990er-Jahren an hoher Stelle im<br />
Bildungsministerium unter Präsident<br />
George Bush, dem Vater von George<br />
W. Bush. Nun blickt sie auf die US-<br />
Schulreformen der vergangenen 20<br />
Jahre zurück – und zieht in ihrem neuen<br />
Buch eine vernichtende Bilanz.*<br />
Herbst 2001. New York City<br />
wählt einen der reichsten<br />
Männer der Welt zum Bürgermeister<br />
– den Medienmogul<br />
Michael Bloomberg.<br />
Er verspricht, das öffentliche<br />
Schulsystem auf Vordermann zu<br />
bringen. Bloomberg zentralisiert die<br />
Schulverwaltung. Er installiert ein knallhartes<br />
Top-Down-Management. Und er<br />
ordnet an, dass sich Mädchen und Jungen<br />
regelmäßig testen lassen müssen –<br />
in Lesen und Mathematik. „The business<br />
model“ nennt Diane Ravitch das<br />
Konzept.<br />
Training statt Unterricht<br />
Die Schulen der Riesenstadt reservieren<br />
fortan viel Unterrichtszeit zur Testvorbereitung.<br />
Viele Lehrer klagen: „Die<br />
Kinder werden trainiert, nicht mehr unterrichtet.“<br />
Naturwissenschaften, Ge-<br />
Öffentliche Schulen in New York stehen unter heftigem<br />
Wettbewerbsdruck. Vor allem die Charter Schools sorgen<br />
dafür, eine neue Form von Privatschulen, die der Staat<br />
vollständig subventioniert.<br />
schichte, Literatur, Erdkunde, Kunst<br />
und Sport hingegen erfahren „minimale<br />
Aufmerksamkeit“. Weil allein die Ergebnisse<br />
in Lesen und Mathe entscheiden,<br />
ob eine Schule als erfolgreich gilt. Auch<br />
in Deutschland setzen marktnahe Bildungspolitiker<br />
auf Tests und Vergleichsarbeiten.<br />
Für die <strong>GEW</strong> Ausdruck eines<br />
„verkürzten Bildungsbegriffs“, der die<br />
Schulen zu Arenen des Leistungswettbewerbs<br />
degradierte.**<br />
Kostenkiller<br />
Michael Bloomberg lässt zudem die<br />
Kostenkiller von der Leine. Die Firma<br />
Alvarez & Marsal, spezialisiert auf Unternehmensumbau,<br />
bekommt einen<br />
15,8-Millionen-Dollar-Vertrag. Und<br />
macht sich daran, das New Yorker<br />
Schulbus-System neu zu organisieren.<br />
Das führt zu einem Desaster. Im Januar<br />
2007, an den kältesten Tagen des Jahres,
stehen tausende Mädchen und Jungen in<br />
der Kälte, weil ihr Schulbus nicht mehr<br />
fährt. Selbst fünfjährigen Vorschulkindern<br />
wird gesagt, dass sie doch den öffentlichen<br />
Personennahverkehr nutzen<br />
könnten. „Bus Fiasco – Hell on Wheels“,<br />
titelt die New York Daily News.<br />
Bürgermeister Bloomberg steckt zwar<br />
deutlich mehr Geld in die öffentliche<br />
Bildung. Er schickt Berater in die Schulen<br />
und lässt große High Schools in zwei<br />
oder drei kleinere aufteilen. Doch seine<br />
Bilanz fällt bescheiden aus. So kommen<br />
die US-weiten unabhängigen Tests des<br />
National Assessment of Educational<br />
Progress (NAEP) zum Ergebnis: Von<br />
2003 bis 2007 erzielten die New Yorker<br />
Schüler „keine signifikante Verbesserung<br />
in Lesen oder Mathematik“. Einzige<br />
Ausnahme: Die Leistungen der Viertklässler<br />
verbesserten sich in Mathe. 2008<br />
standen im Staat New York Tests in Naturwissenschaften<br />
und Sozialkunde („social<br />
studies“) auf dem Programm: Rund<br />
80 Prozent der Schuldistrikte in New<br />
York City erzielten schlechte Resultate.<br />
Spannend und beeindruckend liest sich<br />
auch, was die Professorin über das USweite<br />
Schulreformgesetz „No Child Left<br />
Behind“ (NCLB) schreibt. Im Januar<br />
2002 von Präsident George W. Bush<br />
durchgedrückt, bietet NCLB den öffentlichen<br />
Schulen zwar ebenfalls zusätzliche<br />
finanzielle Unterstützung.<br />
Dafür müssen diese sich aber verpflichten,<br />
regelmäßig Tests durchzuziehen.<br />
Auch hier interessieren lediglich Lesen<br />
und Mathematik. Wie die Prüfungen zu<br />
gestalten sind, bleibt den Bundesstaaten<br />
überlassen.<br />
Bedrohlichster Punkt von NCLB: Alle<br />
Schulen des Landes müssen bis 2013/14<br />
sicherstellen, dass 100 Prozent ihrer<br />
Schüler in Lesen und Mathe den Status<br />
Tüchtigkeit („proficiency“) erreichen.<br />
Auf dem Weg dorthin haben sämtliche<br />
Schulen jährlich nachzuweisen, dass<br />
sich die Leistungen ihrer Schüler kontinuierlich<br />
verbessern („adequate yearly<br />
progress“, AYP). Kann eine Schule AYP<br />
nicht nachweisen, droht Schulleitern<br />
und Lehrkräften der Rausschmiss. Im<br />
schlimmsten Fall ordnen die Behörden<br />
an, die Schule zu schließen und neu aufzubauen<br />
(„restructure“).<br />
Auf Kritik stößt vor allem die rigorose<br />
100-Prozent-Vorgabe. „So ein Ziel wurde<br />
von keiner Nation jemals erreicht“, urteilt<br />
Diane Ravitch. „Nur Politiker versprechen<br />
solche Dinge“, heißt es in einer<br />
Studie der beiden Schulexperten Frederick<br />
M. Hess und Chester E. Finn Jr..<br />
Doch die Uhr tickt. Und die Schulen<br />
kämpfen, um AYP vorweisen zu können.<br />
Egal wie. Ein Schulleiter befahl seinen<br />
Lehrkräften: „Vergesst alles außer Testvorbereitung.“<br />
Unternehmen, die Tests, Prüfungsvorbereitung<br />
und Nachhilfe anbieten,<br />
kassieren pro Jahr Milliarden, finanziert<br />
von der öffentlichen Hand. „Aber<br />
die Vorteile für die Schüler des Landes<br />
sind nicht offensichtlich“, so die Professorin.<br />
Das belegen auch die NAEP-Tests.<br />
Beispiel Lesen für Achtklässler: Von 1998<br />
bis 2007 gab es keinen Fortschritt. Beispiel<br />
Mathe für Viertklässler: Von 2003<br />
bis 2007 erhöhten sich die Leistungen gerade<br />
mal um fünf Prozentpunkte. Zum<br />
Vergleich: Vor Inkrafttreten von NCLB,<br />
von 2000 bis 2003, betrug die Steigerung<br />
neun Prozentpunkte.<br />
Werbung für „Charter Schools“<br />
Marktnahe Schulreformer fördern zudem<br />
die freie Schulwahl („choice“). Ihre<br />
Theorie lautet: Wenn die Eltern wählen<br />
können, entsteht Wettbewerb zwischen<br />
den Schulen. Der sorgt dafür, dass sich<br />
Schulleiter und Lehrkräfte mehr anstrengen<br />
– zum Wohl der Kinder. Öffentliche<br />
Schulen unter Wettbewerbsdruck<br />
setzen, diese Aufgabe erledigen<br />
vor allem die Charter Schools. Eine<br />
neue Kategorie von Privatschulen, die<br />
vollständig vom Staat finanziert werden.<br />
Charter Schools sind von vielen<br />
Auflagen der Schulbehörden befreit. Sie<br />
können zum Beispiel Unterrichtsschwerpunkte<br />
frei wählen. Ethnische<br />
Minderheiten gründeten daher Charter<br />
Schools, um die eigene Kultur zu pflegen,<br />
berichtet Diane Ravitch: „Sei es<br />
afrozentriert, griechisch, indianisch, hebräisch<br />
oder arabisch.“ Zu den Betreibern<br />
gehörten Universitäten, Lehrer, Eltern<br />
und Philantropen ebenso wie Hedgefonds-Manager<br />
und kommerzielle<br />
Unternehmen. In den USA haben heute<br />
etwa 4600 Charter Schools ihre Pforten<br />
geöffnet. Sie unterrichten 1,4 Millionen<br />
Kinder und Jugendliche – vor allem<br />
in städtischen Bezirken, in denen viele<br />
Arme leben.<br />
Ein Schulmodell, das auch in Deutschland<br />
viele Anhänger hat. Dazu gehören<br />
der Bildungsökonom Ludger Wößmann,<br />
die FDP oder der Paritätische Wohlfahrtsverband.<br />
Vom „Zukunftsmodell<br />
Charter School“ schreibt auch der Bildungsjournalist<br />
und langjährige taz-Redakteur<br />
Christian Füller.<br />
Diane Ravitch spart nicht mit Kritik.<br />
Denn im Gegensatz zu öffentlichen<br />
Schulen haben Charter Schools das<br />
Recht, Schüler abzuweisen. Kinder mit<br />
besonderem Förderbedarf, zum Beispiel<br />
aus Einwandererfamilien („English-language<br />
learners“), sind deshalb an Charter<br />
Schools unterrepräsentiert, wie Studien<br />
belegen. US-Bildungsforscher be-<br />
obachten zudem, dass Charter Schools<br />
in armen Nachbarschaften die besonders<br />
begabten und motivierten Kinder<br />
abziehen. Diese fehlen dann an öffentlichen<br />
Schulen. Der Wettbewerb sorgt also<br />
nicht dafür, dass öffentliche Schulen<br />
besser werden – er schwächt die „public<br />
schools“.<br />
Zudem verhält sich die Charter-School-<br />
Bewegung zunehmend gewerkschaftsfeindlich.<br />
„Betreiber wollen Lehrkräfte<br />
nach Belieben heuern und feuern“,<br />
schreibt die Autorin. Sie streben eigene<br />
Gehaltssysteme an, um Lehrkräfte nach<br />
Leistung zu bezahlen. Und sie wollen<br />
die Arbeitszeiten ausdehnen.<br />
Und die Qualität? „Einige Charter<br />
Schools sind exzellent, einige sind miserabel,<br />
die meisten irgendwo dazwischen“,<br />
fasst Ravitch zusammen. 2009<br />
ergab eine US-weite Studie der Stanford<br />
University: Schülerinnen und Schüler<br />
an den meisten Charter Schools zeigten<br />
schlechtere Leistungen als ihre Altersgenossen<br />
an öffentlichen Bildungseinrichtungen.<br />
Dennoch stecken private Sponsoren<br />
weiterhin Millionen Dollar in Charter<br />
Schools. Ravitch nennt vor allem die<br />
märchenhaft reichen Stiftungen der US-<br />
Milliardäre Bill Gates (Microsoft), Sam<br />
Walton (Wal-Mart-Supermärkte) und Eli<br />
Broad (Baubranche, Lebensversicherungen).<br />
Sie fördern besonders gerne Bildungsprojekte,<br />
die auf Wettbewerb und<br />
und Deregulierung zielen. Das erinnert<br />
an Deutschland. Auch hier setzen<br />
große, unternehmensnahe Stiftungen<br />
gerne auf Deregulierung (Bertelsmann-<br />
Stiftung) oder finanzieren private Bildungsanbieter<br />
(z. B. Hertie-Stiftung,<br />
Würth-Stiftung, ZEIT-Stiftung Ebelin<br />
und Gerd Bucerius, Dietmar-Hopp-Stiftung).<br />
„VerschwörungdesSchweigens“<br />
Der Einfluss der US-Stiftungen auf das<br />
amerikanische Bildungssystem sei<br />
enorm, betont Ravitch. Und „fundamental<br />
antidemokratisch“. „Wenn die<br />
Wähler diese Reformpläne nicht mögen,<br />
können sie die Stiftungen nicht aus<br />
dem Amt wählen“, bringt es die Autorin<br />
auf den Punkt. Das werde in den US-<br />
Massenmedien nicht thematisiert.<br />
Auch Akademiker scheuten sich, die<br />
schwerreichen „foundations“ zu kritisieren.<br />
Aus Furcht, die eigene Uni, das eigene<br />
wissenschaftliche Projekt würde<br />
dann künftig keine Stiftungsmittel mehr<br />
erhalten. Ergebnis dieser Ängste sei eine<br />
„Verschwörung des Schweigens“. Dieses<br />
Schweigen zu brechen, gelingt Diane<br />
Ravitch mit ihrem Buch.<br />
Matthias Holland-Letz, freier Journalist<br />
BILDUNGSPOLITIK<br />
Foto: Fotograf unbekannt<br />
Diane Ravitch, renommierteUS-Erziehungswissenschaftlerin,<br />
die in<br />
ihrem neuen Buch<br />
die US-Schulreformen<br />
aufs<br />
Schärfste kritisiert.<br />
* Diane Ravitch:The<br />
Death and Life of the<br />
Great American School<br />
System. How Testing<br />
and Choice are undermining<br />
Education, New<br />
York <strong>2010</strong>, 242 Seiten,<br />
26,95 US-Dollar.<br />
** Beschluss 3.18 des<br />
<strong>GEW</strong>-Gewerkschaftstages<br />
2009 (www.gew.de/<br />
Binaries/Binary55995/<br />
Beschl%C3%BCsse%<br />
20GT%202009.pdf).<br />
S. auch E&W 3/<strong>2010</strong><br />
Phorms schließt<br />
Schulen in Köln und<br />
Hannover<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 27
Cartoon: Freimut Wössner<br />
E&W-HINTERGRUND HARTZ IV<br />
Zehn Euro für alles<br />
28 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
„Bildungspaket“: noch nicht einmal ein Mini-„Päckchen“<br />
Mit der Ankündigung ihres umstrittenen<br />
Bildungschips hat Bundesarbeitsministerin<br />
Ursula von der Leyen<br />
(CDU) die Hoffnung auf mehr Bildungschancen<br />
für Kinder aus Hartz<br />
IV-Familien geweckt. Doch das von<br />
ihr großspurig angekündigte „Bildungspaket“<br />
entpuppt sich jetzt nicht<br />
einmal mehr als Mini-Päckchen.<br />
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
vom 9. Februar<br />
ist eindeutig. In<br />
schnörkelloser Sprache<br />
stellten die obersten Richter<br />
fest: Auch Kindern von<br />
Langzeitarbeitslosen mit Hartz IV-Bezug<br />
stehe ein eigenständiges „menschenwürdiges<br />
Existenzminimum“ zu<br />
(s. E&W 3/<strong>2010</strong> und 6/<strong>2010</strong>). Kinder<br />
und Jugendliche aus diesen Familien haben<br />
ein Teilhaberecht am gesellschaftlichen<br />
Leben Gleichaltriger. Das heißt:<br />
Mitmachen bei Sport und Spiel, privat<br />
wie im Verein, Teilnahme an kulturellen<br />
Aktivitäten auch außerhalb der Schule,<br />
etwa Musikunterricht oder Museumsbesuche<br />
– und selbstverständlich keine<br />
Ausgrenzung beim Schulmittagessen<br />
und bei Klassenfahrten.<br />
Ohne hinreichende staatliche Unterstützung<br />
in einer entscheidenden Lebensphase<br />
– folgerten die Richter in<br />
ihrem Urteil – bestehe ansonsten für<br />
diese Kinder und Jugendlichen die Gefahr,<br />
dass sie in ihren „Möglichkeiten<br />
eingeschränkt werden, später ihren Lebensunterhalt<br />
aus eigenen Kräften bestreiten<br />
zu können“. Und: Das Verfassungsgericht<br />
setzte dem Bund die Frist,<br />
bis Jahresende für Abhilfe zu sorgen.<br />
Scheitern vorprogrammiert<br />
Seit zehn Jahren belegen sowohl die<br />
PISA-Forschung wie auch andere Schulstudien<br />
zuvor, dass in keinem anderen<br />
vergleichbaren Industriestaat der Bildungserfolg<br />
von Jugendlichen so abhängig<br />
von der sozialen Herkunft ist wie in<br />
Deutschland. Der Bildungsforscher<br />
Klaus Klemm und auch andere sprechen<br />
inzwischen von regelrechten „Hartz<br />
IV-“ oder „Sozialgesetzbuch-Karrieren“.<br />
Leben die Eltern dauerhaft allein von<br />
„Stütze“ oder anderen staatlichen Transferleistungen,<br />
ist das Scheitern ihrer<br />
Kinder im Bildungssystem häufig vorprogrammiert.<br />
Es geht in der Tat um keine kleine Gruppe:<br />
Über 1,7 Millionen der unter 18-<br />
Jährigen in Deutschland wachsen in Familien<br />
auf, in der Mütter und Väter ausschließlich<br />
von Hartz IV-Unterstützung<br />
leben. 1,1 Millionen davon sind Schüler.<br />
Rechnet man die Kinder der so genannten<br />
Aufstocker und Geringverdiener<br />
hinzu, sind laut dem jüngsten Bildungsbericht<br />
von Bund und Ländern insgesamt<br />
3,4 Millionen der unter 18-Jährigen<br />
in Deutschland vom „Risikofaktor<br />
Armut“ bedroht. Aber von der Leyens<br />
„Bildungspaket“ zielte zunächst einmal<br />
vorrangig auf Hartz IV-Kinder.<br />
Ministerin warf Nebelkerzen<br />
Mit ihrem öffentlichkeitswirksamen<br />
Vorstoß für einen elektronischen Bildungschip<br />
warf die Ministerin im Spätsommer<br />
geschickt Nebelkerzen und<br />
weckte zunächst die Illusion, dass es für<br />
die Kinder der Ärmsten in dieser Gesellschaft<br />
künftig ausreichend Geld für Bildung<br />
geben soll, also nicht nur für<br />
Nachhilfe, sondern auch für Sport und<br />
Schwimmbadbesuche, Freizeitparks,<br />
Instrumentenlernen und gar Reitunterricht<br />
– und das alles abbuchbar von einem<br />
Bildungschip in der Art einer wiederaufladbaren<br />
Geldkarte.<br />
Doch vom Bildungschip ist inzwischen<br />
nicht mehr viel übrig geblieben – außer<br />
ein paar Modellversuchen, die im kommenden<br />
Herbst in einigen Kommunen<br />
starten sollen. Die Chipkonzeption war<br />
von Anfang an umstritten, nicht nur<br />
Opposition und Gewerkschaften kritisierten<br />
sie, auch innerhalb von Union<br />
und FDP gab es gegensätzliche Standpunkte.<br />
Aber was ist wirklich von den großspurigen<br />
Ankündigungen von der Leyens in<br />
ihrem inzwischen vorliegenden Referentenentwurf<br />
übrig geblieben? Pauschal<br />
zehn Euro pro Monat soll künftig<br />
jedes Kind aus einer Hartz IV-Familie<br />
erhalten – für Mitgliedschaft im Sportoder<br />
Musikverein, für Eintrittsgelder in<br />
Schwimmbäder oder Museen. Zum Erlernen<br />
eines Instruments oder gar für<br />
den beschworenen Reitunterricht reicht<br />
das natürlich nicht aus. Für Klassenfahrten<br />
ist ein Zuschuss von 30 Euro im Gespräch.<br />
„Wust an Bürokratie“<br />
Über die Finanzierung von Nachhilfestunden<br />
sollen die Jobcenter individuell<br />
entscheiden, zuvor muss die Schule attestieren,<br />
dass diese notwendig sind.<br />
<strong>GEW</strong>-Schulexpertin Marianne Demmer<br />
sieht daher auf die Lehrkräfte „einen<br />
Wust an Bürokratie“ zukommen sowie<br />
Auseinandersetzungen mit Eltern und
vor allem mit den lokalen Entscheidern,<br />
den Mitarbeitern in den Arbeitsagenturen.<br />
Demmer: „Die Förderung leistungsschwacher<br />
Schüler gehört in die<br />
Schule, nicht in private Nachhilfeinstitute.“<br />
Rechenspiele<br />
500 Millionen Euro hat Bundesfinanzminister<br />
Wolfgang Schäuble (CDU) inzwischen<br />
pro Jahr für das Bildungspaket<br />
in einem Sonderhaushalt des Bundes,<br />
dem Einzelplan 60, vorgesehen. Abgezwackt<br />
wurde das Geld von den zwölf<br />
Milliarden, die der Bund laut Koalitionsvertrag<br />
bis 2013 mehr für Bildung<br />
und Forschung ausgeben will. Eingerechnet<br />
sind darin jetzt allerdings jährlich<br />
125 Millionen für das Schulbedarfspaket,<br />
das es bereits seit zwei Jahren gibt<br />
und das zuvor als Einzeltitel im Haushalt<br />
des Bundesarbeitsministeriums auftauchte.<br />
Die 100 Euro pro Jahr, die ein<br />
bedürftiger Schüler für Hefte, Lernmittel<br />
und Bücherzuschuss mit diesem<br />
Schulstarterpaket bekommt, sollen<br />
künftig gesplittet werden. Ausbezahlt<br />
werden 70 Euro im ersten Schulhalbjahr,<br />
weitere 30 Euro dann im zweiten.<br />
Zu den 500 Millionen Euro kommen<br />
weitere 140 Millionen als Essenszuschuss<br />
für Hartz IV-Kinder hinzu, die<br />
die Bundesarbeitsministerin an anderen<br />
Stellen ihres Etats abzwacken muss. Mit<br />
zwei Euro pro Essen in Kitas wie Ganztagsschulen<br />
will sich der Staat beteiligen.<br />
Ein Eigenanteil von einem Euro<br />
pro Kind soll erhalten bleiben. Es kommen<br />
jedoch nur 15 bis maximal 20 Prozent<br />
der Schülerinnen und Schüler<br />
überhaupt in den Genuss einer Schulverpflegung,<br />
weil der Ausbau der Ganztagsschulen<br />
nach dem Auslaufen des<br />
Investitionsprogramms des Bundes<br />
(IZBB) – noch aus rot-grünen Regierungszeiten<br />
– in den Ländern erheblich<br />
ins Stocken geraten ist (s. E&W-Schwerpunkt<br />
10/<strong>2010</strong>). Im Bildungsausschuss<br />
des Bundestags hat Bildungsministerin<br />
Annette Schavan (CDU) unlängst die<br />
Forderung der Oppositionsfraktionen<br />
nach einer Neuauflage eines Ganztagsschulprogramms<br />
rigoros abgelehnt.<br />
Gerade aber im Ausbau der Infrastruktur,<br />
also mehr qualitativer Betreuung in<br />
Kitas und Ganztagsschulen, mehr<br />
Schulsozialarbeit und mehr Lehrkräften<br />
für die individuelle Förderung, sehen<br />
Opposition und Gewerkschaften eine<br />
wirkliche Verbesserung für die Kinder<br />
und Jugendlichen. Die zehn Euro „Taschengeld“<br />
sind allenfalls ein Tropfen<br />
auf den heißen Stein.<br />
Max Loewe, Bildungsjournalist<br />
Nach Kassen- statt<br />
Verfassungslage<br />
Keine Basis zur Bekämpfung von (Bildungs-)Armut bei Kindern<br />
„Der Gesetzentwurf* zur Neuregelung<br />
der Hartz IV-Sätze wird den<br />
Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils<br />
vom 9. Februar<br />
dieses Jahres nicht gerecht“, heißt es in<br />
einer Einschätzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes<br />
(DGB). Der DGB<br />
macht seine Kritik am Berechnungsverfahren<br />
der schwarz-gelben Bundesregierung<br />
fest, das nur zu einer marginalen<br />
Anhebung der Hartz IV-Sätze<br />
führt. Die Bundesregierung habe aber<br />
immerhin im Ansatz erkannt, wie eng<br />
Bildungs- mit materieller Armut verknüpft<br />
ist.<br />
Im Zentrum der gewerkschaftlichen<br />
Kritik steht das methodische<br />
Vorgehen des Bundesarbeitsministeriums<br />
(BMAS) bei der Regelsatzermittlung<br />
für Erwachsene und<br />
Kinder. Das Bundesverfassungsgericht<br />
(BVerfG) verlangt, in einem transparenten<br />
Verfahren per Gesetz die Regelsätze<br />
für Hartz IV-Empfänger neu zu<br />
berechnen. Doch genau an dieser Transparenz<br />
mangelt es. Das Ministerium hat<br />
zu der für die Regelsätze maßgeblichen<br />
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe<br />
2008 (EVS) zwar Sonderauswertungen<br />
vornehmen lassen, ohne aber die<br />
Auswahlkriterien (maßgebliche Referenzgruppe,<br />
Altersgruppen bei Minderjährigen)<br />
zu begründen und offenzulegen.<br />
Nur die als politisch opportun geltende<br />
methodische Variante ist schließlich<br />
in den Gesetzentwurf eingeflossen.<br />
Hintergrundinfo<br />
Die Regelsätze neu festzusetzen, ist nicht „nur“ bedeutsam für die rund 6,7 Millionen<br />
Hartz IV- und 800 000 Sozialhilfeempfänger, sondern für alle Einkommensteuerzahler.<br />
Denn die Höhe des soziokulturellen Existenzminimums –<br />
nichts anderes sind die Regelsätze – wirkt sich auf die steuerlichen Grundfreibeträge<br />
und indirekt auf das Kindergeld aus. D. h.: Jede Regelsatzerhöhung macht<br />
sich auch im Portemonnaie aller Steuerpflichtigen bemerkbar. Auch deshalb ist<br />
die Bundesregierung so zögerlich, den Hartz IV-Empfängern mehr zum Leben<br />
zuzugestehen.<br />
E&W-HINTERGRUND HARTZ IV<br />
D.h. die Regierung hat die Methode am<br />
gewünschten Ergebnis orientiert, damit<br />
die Resultate auch „passen“. Der politischen<br />
Taktik des Vorgehens entspricht,<br />
dass die Bundesregierung eine von allen<br />
Oppositionsparteien im Bundestag sowie<br />
zahlreichen Verbänden geforderte<br />
unabhängige Sachverständigenkommission<br />
bisher abgelehnt hat.<br />
Rechentricks<br />
Ein zentraler Punkt: Im Entwurf, vorgelegt<br />
von Bundesarbeitsministerin Ursula<br />
von der Leyen (CDU), ist nicht begründet,<br />
warum beim Regelsatz für Alleinstehende<br />
auf das Verbrauchsverhalten<br />
ausgerechnet der unteren 15 Prozent der<br />
Einkommenspyramide (als so genannte<br />
Referenzgruppe) abgestellt wird. Wäre<br />
die Referenzgruppe – wie bisher – bei<br />
den unteren 20 Prozent geblieben, hätte<br />
sich für Alleinstehende nur aus diesem<br />
Grund ein um 18 Euro höherer Regelsatz<br />
ergeben.<br />
Ein weiteres methodisch schwerwiegendes<br />
Defizit: Das BMAS hat keine eigenen<br />
statistischen Erhebungen zu den<br />
Bedarfen, insbesondere von Kindern im<br />
Bereich Bildung und soziale Teilhabe,<br />
gestartet. Darin liegt auch das Dilemma:<br />
Die EVS hat nicht die tatsächlichen Bedarfe<br />
von Hartz IV-Empfängern und<br />
ihren Kindern ermittelt, sondern lediglich<br />
das Konsumverhalten von Haushalten<br />
mit niedrigen Einkommen erhoben.<br />
Wenn bei den Geringverdienern relevante<br />
Bedarfe von Kindern (z. B. Internetzugang<br />
für Schüler) nicht als Ausgaben<br />
festgehalten worden sind, hat die<br />
EVS keine entsprechenden Kosten ver-<br />
* s. www.bmas.de/<br />
portal/47946/property<br />
=pdf/<strong>2010</strong>__09__26__<br />
prozess__regelsatz_<br />
ermittlung_sgb2.pdf<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 29
E&W-HINTERGRUND HARTZ IV<br />
Das Bündnis „Kindergrundsicherung“,<br />
in<br />
dem die <strong>GEW</strong> Mitglied<br />
ist, hat einen Fünf-<br />
Punkte-Plan gegen Kinderarmut<br />
vorgelegt. „Alle<br />
Kinder und Jugendlichen<br />
haben ein Recht<br />
auf gute Bildung. Dies<br />
wird mit dem so genannten<br />
Bildungspaket<br />
nicht verwirklicht“, erklärte<br />
das Bündnis gegenüber<br />
der Öffentlichkeit.<br />
Pressemitteilung<br />
und Fünf-Punkte-Positionspapier<br />
finden Sie auf<br />
der <strong>GEW</strong>-Website unter:<br />
www.gew.de/verbaende_<br />
fordern_kinder_<br />
befaehigen.html.<br />
** Kerstin, Mathilde/Clausen,<br />
K.: Wie teuer<br />
ist eine gesunde<br />
Ernährung für Kinder<br />
und Jugendliche?<br />
Ernährungsumschau<br />
2007.<br />
„Keine kleinen<br />
Arbeitslosen“<br />
Heinz Hilgers, Präsident<br />
des Deutschen<br />
Kinderschutzbundes<br />
(DKSB), zu den neuenHartzIV-Regelungen<br />
und den Folgen<br />
für die Kinder:<br />
Heinz Hilgers Die neu berechneten<br />
Kinderregelsätze sind weder transparent<br />
noch ausreichend. Der Anteil<br />
des Einkommens, der für ein Kind<br />
ausgegeben werden soll, ist von der<br />
Bundesregierung auch schlecht begründet.<br />
Denn: Wie von 120 Euro<br />
pro Jahr die Teilhabe am sozialen<br />
und kulturellen Leben mit Vereinsbeiträgen,<br />
Kosten für ein Instrument,<br />
Sportkleidung etc. bezahlt<br />
werden soll, ist mehr als fraglich.<br />
Das gleiche gilt für das Schulbedarfspaket<br />
von 100 Euro pro Jahr. Dabei<br />
hatte das Bundesverfassungsgericht<br />
(BVerfG) genau diese „ins Blaue hinein<br />
geschätzte“ Vorgehensweise in<br />
seinem Urteil im Februar dieses Jahres<br />
kritisiert. Dass zudem Familienlotsen<br />
in den Jobcentern statt der Jugendhilfe<br />
für die gesellschaftliche<br />
Teilhabe der Kinder zuständig sein<br />
sollen, ist wirklich nicht nachvollziehbar.<br />
Kinder sind keine kleinen<br />
Erwachsenen und erst recht keine<br />
kleinen Arbeitslosen. Der DKSB<br />
fordert eine sozial gerechte, besteuerte<br />
Kindergrundsicherung in Höhe<br />
von 502 Euro monatlich. Damit<br />
könnte Politik die Kinder und Familien<br />
fördern, die die staatliche Unterstützung<br />
am dringendsten brauchen,<br />
statt wie im Moment Familien<br />
mit sehr hohem Einkommen durch<br />
den Familienlastenausgleich zu begünstigen.<br />
Foto: imago<br />
bucht. Deshalb taucht ein entsprechender<br />
Bedarf im Regelsatz auch nicht auf.<br />
So wird im Entwurf z.B. für den Bildungsbedarf<br />
eines Erwachsenen ein Betrag<br />
von 1,39 Euro angesetzt (für Kursgebühren<br />
etwa) und in den Regelsatz<br />
eingerechnet. Diese lächerlich geringe<br />
Summe spiegelt nicht den tatsächlichen<br />
Bedarf, sie zeigt lediglich den aktuellen<br />
Mangel auf.<br />
Scheinrealität<br />
In der EVS erfasste Kitagebühren werden<br />
durch die „normative Bereinigung“<br />
des BMAS (s. Kasten, S. 31 unten) bei<br />
den Regelsätzen auch nicht berücksich-<br />
30 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
tigt. Sie fielen, heißt es zur Begründung,<br />
für Hartz IV-Empfänger nicht an. Im<br />
wirklichen Leben gibt es jedoch bundesweit<br />
einen Flickenteppich von landesund<br />
kommunal unterschiedlichen Regelungen<br />
mit Blick auf die Freistellung von<br />
Kitagebühren oder Kostenübernahme<br />
von Schulbüchern und der Schülerbeförderung,<br />
bei denen viele Eltern erheblich<br />
in die Tasche greifen müssen. Der<br />
DGB plädiert deshalb für unabhängige<br />
Gutachten, die den tatsächlichen<br />
Grundbedarf von Kindern ermitteln, die<br />
EVS-Ergebnisse überprüfen und sie ggf.<br />
korrigieren. Bezeichnend für die vom<br />
BMAS gewählte Berechnungsmethode:<br />
Bedarfsstudien im Bereich gesunder<br />
Kinderernährung sind ignoriert worden.<br />
So hat beispielsweise das Dortmunder<br />
Institut für Kinderernähung erforscht,<br />
dass der bisherige Regelsatz allein für die<br />
Ernährung der Kinder um etwa ein Drittel<br />
zu niedrig angesetzt sei, um die Kinder<br />
gesund zu ernähren. **<br />
Zur Diskussion über die Kinderregelsätze<br />
generell: Die Gewerkschaften plädieren<br />
für einen „Runden Tisch Kinderarmut“<br />
mit Vertretern von Bund, Ländern<br />
und Kommunen sowie Bildungs- und<br />
Jugendhilfeexperten. Die Debatte um<br />
den Bildungschip hat gezeigt, dass die<br />
Probleme viel umfassender sind und<br />
nicht nur das Hartz IV-System berühren<br />
(s. Seite 28). Der enge Zusammenhang<br />
zwischen Einkommens- und Bildungsarmut<br />
weist aber ebenso auf Versäumnisse<br />
des föderalen Bildungssystems<br />
hin. Bildungspolitik schafft es bisher<br />
nur unzureichend, die Bildungsarmut<br />
von Kindern zu stoppen und Hartz IV-<br />
Karrieren zu verhindern. Die Frage „Bildungschip<br />
ja oder nein“ ist hingegen eine<br />
nachrangige. Zunächst muss der Gesetzgeber<br />
einen Mindestbedarf an Bildung<br />
und sozialer Teilhabe für jedes<br />
Kind definieren, bevor man über ein<br />
Entweder-Oder von Geld und Sachleistungen<br />
nachdenkt. Wenn man sich dennoch<br />
für Sachleistungen entscheidet,<br />
sind insbesondere Zweckmäßigkeit,<br />
Diskriminierungsfreiheit und Datenschutz<br />
sowie Aufwand und Missbrauchsanfälligkeit<br />
zu diskutieren.<br />
Außerdem: Ein Chip erscheint nur auf<br />
den ersten Blick als ein zeitgemäßes Angebot.<br />
Aus Sicht des DGB spricht mehr<br />
für eine Kombination von Geldleistung<br />
und direkten Förderangeboten für die
etroffenen Kinder und Jugendlichen.<br />
Es macht wenig Sinn, einzelnen Schülerinnen<br />
und Schülern aus Hartz IV-Familien<br />
eine externe Nachhilfe zu finanzieren,<br />
sie jedoch Kindern aus anderen einkommensschwachen<br />
Haushalten mit<br />
den gleichen Schulproblemen nicht zu<br />
gewähren. Das löst nur eine gesellschaftliche<br />
Neiddebatte aus.<br />
Infrastruktur ausbauen<br />
DGB und <strong>GEW</strong> schlagen einen ande-<br />
ren Weg vor: Sie setzen sich für einen<br />
massiven Ausbau der Infrastruktur im<br />
Bildungsbereich ein. Dafür müssen sie<br />
sich politisch künftig besser abstimmen.<br />
Denn: Was der Bund für arme Familien<br />
zusätzlich zahlt, dürfen Länder und<br />
Kommunen nicht gleich – z.B. über<br />
höhere Kitagebühren – wieder einkassieren.<br />
Damit Bund und Länder zügig<br />
zu verbindlichen Vereinbarungen kommen,<br />
sollte das Kooperationsverbot im<br />
Bildungswesen, das im Grundgesetz ver-<br />
Richtschnur: Berechnung der Regelsätze<br />
E&W-HINTERGRUND HARTZ IV<br />
ankert ist (Artikel 104 b GG), schleunigst<br />
wieder abgeschafft werden. Das<br />
wäre die Vorraussetzung, um zusätzliche<br />
finanzielle Leistungen des Bundes<br />
für benachteiligte Kinder und Jugendliche<br />
gezielt mit Landesmitteln zu kombinieren.<br />
Der Begriff „Bildungsoffensive“<br />
– siehe Dresdener Bildungsgipfel! –<br />
wäre dann mehr als nur Polit-PR.<br />
Ingo Kolf, DGB-Bundesvorstand,<br />
Bereich Arbeitsmarktpolitik<br />
Die Regelsätze werden aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes abgeleitet, die<br />
alle fünf Jahre (zuletzt 2008) erhoben wird. Die Auswertung der EVS 2008 liegt erst seit Kurzem vor. Rund 60 000 zufällig<br />
ausgewählte Haushalte führen über drei Monate ein Haushaltsbuch, in dem sie alle Ausgaben getrennt nach zehn so genannten<br />
Verbrauchsabteilungen (z. B. Nahrung, Bekleidung, Bildung) eintragen.<br />
Da die Hartz IV-Empfänger – das ist politisch gewollt – nicht genauso „gut“ leben sollen wie die „unteren“ 15 bzw. 20 Prozent<br />
der Bevölkerung, werden noch so genannte Abschläge von den einzelnen Verbrauchspositionen ausgerechnet – ohne<br />
diese jedoch vorher politisch zu diskutieren. Das sind die so genannten „Wertentscheidungen“, die rein normativ ohne empirische<br />
Begründung getroffen werden. Ein Beispiel: Die Ausgaben für Tabak und Alkohol, aber auch für Schnittblumen<br />
oder Gartengeräte sind bei der Neuberechnung nicht mehr berücksichtigt worden.<br />
Herausgenommen aus der Referenzgruppe der unteren 15 bzw. 20 Prozent wurden Personen, die ausschließlich auf Sozialhilfe<br />
oder Hartz IV-Leistungen angewiesen sind. Dies dient der Vermeidung so genannter Zirkelschlüsse: Der Lebensunterhalt<br />
der Ärmsten darf sich nicht nach dem Konsum der Ärmsten richten.<br />
Cartoon: Freimut Wössner<br />
„Armut in<br />
Deutschland“<br />
Unterrichtsmaterial<br />
Fünf Euro mehr und kein Zuschlag<br />
für Kinder – die neuen Hartz IV-Regelsätze<br />
sorgen aktuell für heftige<br />
Diskussionen und rücken das Thema<br />
Armut in Deutschland in den<br />
Mittelpunkt. Was bedeutet Armut?<br />
Wie leben Familien mit Hartz IV?<br />
Und welche Formen der Armut gibt<br />
es? Mit diesen und weiteren Fragen<br />
beschäftigen sich die aktuellen Unterrichtsmaterialien,<br />
die die Aktion<br />
Mensch gemeinsam mit dem Bundesverband<br />
der Arbeiterwohlfahrt (AWO)<br />
und dem Paritätischen Gesamtverband<br />
unter dem Titel „Armut in Deutschland“<br />
herausgebracht hat.<br />
Geeignet für Schüler von der 1. bis<br />
zur 12. Klasse, konzipiert für den<br />
fächerübergreifenden sowie handlungsorientierten<br />
Unterricht.<br />
Bezug unter: www.aktion-mensch.de/<br />
unterricht. Download von Bildmaterial<br />
unter folgendem Link:<br />
http://download.cobra-tech.de/<br />
download/Referenz_AKM_<br />
Armut.zip<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 31
E&W-HINTERGRUND HARTZ IV<br />
„Armut trifft den Nerv der Schule“<br />
Wie gehen Lehrkräfte und Stadtteile mit Armut um?<br />
Wie macht sich Armut im Schulalltag<br />
bemerkbar? Was können Kollegien<br />
und Schulleitungen sowie die Politik<br />
vor Ort tun, um den verhängnisvollen<br />
Kreislauf von Einkommens- und Bildungsarmut<br />
zu durchbrechen? Ein<br />
Blick in Berliner Stadtbezirke, in denen<br />
viele Hartz IV-Empfängerfamilien<br />
leben.<br />
Elternabend an einem Berliner<br />
Gymnasium, Thema ist die<br />
Klassenfahrt. Skifahren in<br />
Österreich oder Wandern in<br />
Brandenburg? Die Entscheidung<br />
fällt schnell: Es geht<br />
zum Wandern. Alle Kinder sollen mitkommen<br />
können, die Skifahrt ist zu teuer.<br />
Die Schule liegt zwischen Kreuzberg<br />
und Neukölln. Viele Familien leben hier<br />
von Hartz IV. Wer Arbeit hat, verdient<br />
meist nicht viel mehr.<br />
Eine Mutter hebt den Finger. Selbst die<br />
knapp 160 Euro für die Brandenburg-<br />
Reise seien für sie zu viel, sagt sie leise.<br />
Auch bei der großen Tochter stehe eine<br />
Klassenfahrt an: „Ich bin allein mit drei<br />
Kindern. Mit meinem Lohn als Verkäuferin<br />
kommen wir gerade so hin.“ Einen<br />
Moment ist es still in der Klasse. Dann<br />
hat eine andere Mutter eine Idee: Wer<br />
könne, solle doch einfach etwas mehr<br />
zahlen, schlägt sie vor: „Das kriegen wir<br />
doch hin!“<br />
Armut: Ein Problem, das in der Hauptstadt<br />
längst nicht mehr nur die Schülerschaft<br />
der Hauptschulen betrifft. Oft kämen<br />
Eltern und bäten unter vier Augen<br />
um die Möglichkeit zur Ratenzahlung,<br />
erzählt die Klassenlehrerin des Gymnasiums.<br />
Dass Geldnot aber so offen angesprochen<br />
wird „und dann andere Eltern<br />
spontan einspringen“, habe sie heute<br />
zum ersten Mal erlebt: „Es ist gut, wenn<br />
eine soziale Mischung da ist, bei der das<br />
noch geht!“<br />
Auch an Inge Hirschmanns Grundschule,<br />
ebenfalls in Kreuzberg, helfen besser<br />
verdienende Mütter und Väter, Angebote<br />
für alle Kinder zu finanzieren. Etwa<br />
den kostenpflichtigen Gitarrenunterricht:<br />
„Manche Eltern zahlen etwas<br />
mehr. So können wir dann auch ein paar<br />
Kinder in den Kurs nehmen, die sich das<br />
sonst nicht leisten könnten“, sagt die<br />
Schulleiterin, die auch Vorsitzende des<br />
Berliner Grundschulverbands ist. Den-<br />
32 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
noch treffe Armut „den Nerv der Schule“,<br />
sagt Hirschmann: „Wir machen hier<br />
Theaterarbeit. Doch wenn wir uns mal<br />
ein Stück anschauen wollen, sind für<br />
viele Eltern die Eintrittspreise einfach<br />
zu hoch.“ Das halte wiederum Mittelschichtfamilien<br />
von der Schule fern:<br />
„Die denken, bei uns laufe ja nichts.“<br />
Deshalb bemüht sich ihre Schule um<br />
andere Geldquellen: Sponsoren, Stiftungen<br />
oder Geld aus den Fördertöpfen<br />
für soziale Stadtentwicklung. Das bedeute<br />
aber eine enorme zusätzliche Anstrengung<br />
für die Lehrkräfte, sagt Hirschmann:<br />
„Wir haben ja keine Zeitressource<br />
dafür.“<br />
Jedes dritte ein Hartz IV-Kind<br />
Jedes dritte Berliner Kind unter 15 Jahren<br />
lebt von Hartz IV. In Kreuzberg sind<br />
es 50 Prozent, in Neukölln 53. Im Norden<br />
des Bezirks liege der Anteil an man-<br />
chen Schulen bei über 90 Prozent, sagt<br />
Franziska Giffey, SPD-Bildungsstadträtin<br />
in Neukölln: „Und die Selbstverdiener<br />
dort haben auch geringe Einkommen.“<br />
Daran müsse sich der<br />
Schulalltag orientieren: In Neukölln<br />
bietet die bezirkliche Musikschule deshalb<br />
an Brennpunktschulen kostenlos<br />
Unterricht an. „Wir erreichen so Kinder,<br />
die sich das Musizieren sonst nicht leisten<br />
könnten“, sagt Giffey.<br />
Marzahn-Hellersdorf im Berliner Osten:<br />
46 Prozent der unter 15-Jährigen leben<br />
von Hartz IV. Vor allem in den<br />
großen Plattenbausiedlungen des Bezirks<br />
wachse die Armut, sagt Schulstadtrat<br />
Stefan Komoß (SPD): „Das führt direkt<br />
zu Bildungsproblemen.“ Komoß<br />
belegt das mit Zahlen: Die jahrgangsübergreifende<br />
Schulanfangsphase (SAPH)<br />
an den Berliner Grundschulen, die die<br />
ersten zwei Schuljahre zusammenfasst,<br />
Cartoon: Freimut Wössner
können Schnelllerner in einem Jahr<br />
durchlaufen, wer länger braucht, kann<br />
drei Jahre bleiben. Im Bezirksdurchschnitt<br />
sind 25 Prozent der Kinder so genannte<br />
Verweiler – in den Plattenbausiedlungen<br />
über 50 Prozent. Komoß<br />
sieht deshalb in der SAPH schon „ein<br />
gutes Mittel im Kampf gegen Bildungsfolgen<br />
von Armut: Denn so schaffen wir<br />
im dritten Schuljahr annähernd gute<br />
Ausgangschancen für alle Kinder.“<br />
„Inklusion vorantreiben“<br />
Ein weiteres Mittel sei der Abbau von<br />
Sonderschulen: Sechs Prozent der Berliner<br />
Schüler besuchen solche Förderschulen,<br />
in Marzahn-Hellersdorf sind es<br />
13 Prozent. Drei Viertel der Schüler erreichen<br />
keinen Abschluss und bleiben<br />
damit ohne Zukunftschancen: „Diese<br />
Schulform produziert Armut“, so Komoß.<br />
„Deshalb treiben wir im Bezirk die<br />
Inklusion voran: Grundschulen sollen<br />
Kinder mit Förderbedarf nicht mehr an<br />
Sonderschulen abgeben, stattdessen<br />
schicken wir die Sonderpädagogen an<br />
die anderen Schulen.“ Dass der Bezirk<br />
im vergangenen Jahr seine zuvor<br />
schlechten Ergebnisse beim Grundschulvergleichstest<br />
VERA immerhin<br />
auf Berliner Durchschnittsniveau verbessern<br />
konnte, führt Komoß auch darauf<br />
zurück.<br />
Schulessen: geringe Akzeptanz<br />
Doch Bezirkspolitik kann nicht alle Probleme<br />
lösen, weiß der Stadtrat. Nur 15<br />
Prozent der Oberschüler in Marzahn-<br />
Hellersdorf nehmen etwa am Schulessen<br />
teil, das fast alle Schulen anbieten.<br />
Zwei Euro koste ein Essen im Durchschnitt,<br />
so Komoß – ob die geringe Akzeptanz<br />
dennoch am Preis liegt, will er<br />
demnächst durch eine Befragung überprüfen<br />
lassen.<br />
Auch Wilfried Kauert, Leiter einer Oberschule<br />
in Berlin-Wedding, musste feststellen,<br />
dass das von seiner Schule angebotene<br />
Mittagessen kaum wahrgenommen<br />
wird. Allein auf Geldnot führt das<br />
der Schulleiter aber nicht zurück: „Viele<br />
Mütter sind zuhause, da wird nach der<br />
Schule dort gegessen.“ Armut mache<br />
sich an seiner Schule dennoch bemerkbar,<br />
konstatiert Kauert: Sie wirke sich<br />
beispielsweise auf die Schulwahl aus:<br />
„Viele Kinder kommen schlicht deshalb<br />
zu uns, weil sich die Familie Fahrkarten<br />
für weitere Schulwege nicht leisten<br />
kann.“ Seine Schule, deren Schüler zu<br />
über 90 Prozent aus Einwandererfamilien<br />
stammen, hat ihr Lernkonzept vor einigen<br />
Jahren radikal umgebaut: Statt<br />
Frontalunterricht gibt es selbstständiges<br />
Arbeiten mit Lernbausteinen, jeder<br />
Schüler folgt einem individuellen Lernplan<br />
und meldet sich dann zu Prüfungen<br />
an, wenn er den Lernstoff in eigenem<br />
Tempo bewältigt hat. So vermeidet<br />
die Schule nebenbei noch eine andere<br />
Armutsfolge: „Wir arbeiten mit eigenem<br />
Unterrichtsmaterial, das wir allen Schülern<br />
kostenlos zur Verfügung stellen“,<br />
sagt Kauert: „Auch denen, die nicht von<br />
der Zuzahlung für Lernmittel befreit<br />
sind.“<br />
Um Geld geht es auch bei der Teamsitzung<br />
der Lehrerinnen und Lehrer der<br />
siebten Klassen an der Oberschule Skalitzer<br />
Straße in Kreuzberg. Mit der zu<br />
diesem Schuljahr umgesetzten Berliner<br />
Schulreform wird aus der ehemals halbtägigen<br />
Schule eine Integrierte Sekundarschule<br />
mit Ganztagsbetrieb – und<br />
Mittagessen. 2,80 Euro kostet das täglich:<br />
Für viele Schülerinnen und<br />
Schüler offenbar zu teuer, die Beteiligung<br />
sei gering, berichtet eine Pädagogin.<br />
Robert Hasse, Mittelstufenleiter der<br />
Oberschule, hält Geldnot aber nicht für<br />
das größte Problem: „Es kommt auch<br />
darauf an, wofür Eltern bereit sind zu<br />
bezahlen“, meint er. Viele investierten<br />
lieber „in große Fernsehgeräte“ als in<br />
Bildung. „Richtige Armut sehe ich an<br />
unserer Schule nicht“, sagt Hasse. Gerade<br />
bei Leistungsempfängern fingen Sozialamt<br />
und Jobcenter viele Kosten auf.<br />
„Und die Geringverdiener, die wirklich<br />
Hilfe brauchen, sagen es oft nicht.“ Für<br />
Klassenfahrten biete der Förderverein<br />
der Schule Kredite an, die in Raten<br />
zurückgezahlt werden können: „Wir haben<br />
aber schon erlebt, dass Eltern, die<br />
erst aus Kostengründen die Teilnahme<br />
ihrer Kinder ablehnten, diese dann trotz<br />
des Kreditangebots nicht mitfahren<br />
ließen. Die durften einfach nicht!“ Ge-<br />
E&W-HINTERGRUND HARTZ IV<br />
gen die aus solchen Elternhäusern mitgebrachte<br />
„Erfahrungsarmut“ der Kinder<br />
müsse Schule ankämpfen, meint<br />
Hasse.<br />
Höre sie von Pädagogen Aussagen wie<br />
„Klassenfahrten zahlt doch das Amt!“,<br />
ärgere sie sich, so Sabine Bäumer (Name<br />
geändert!), Sozialarbeiterin an einer<br />
Brennpunktschule. Viele Lehrkräfte<br />
wüssten einfach zu wenig über die Lebenssituation<br />
ihrer Schüler: „Sie machen<br />
eben keine Hausbesuche, das<br />
gehört ja auch nicht zu ihren Aufgaben.“<br />
Doch gerade für Familien mit vielen<br />
Kindern seien die Nebenkosten von<br />
Schule, Schulessen, Klassenfahrten<br />
oder Ausflügen oft wirklich zu hoch.<br />
Lehrerinnen und Lehrern fehle es<br />
schlicht an der Zeit, sich mit Einzelschicksalen<br />
zu befassen, stellt Helmut<br />
Wittmann, Ansprechpartner für Schulsozialarbeit<br />
beim Träger „Jugendwohnen<br />
im Kiez“, fest. Zwar gebe es „ein<br />
großes Bemühen, auf Einzelne einzugehen“,<br />
so Wittmann: „Doch da reicht<br />
nicht ein einziges Gespräch.“ Schulsozialarbeit<br />
als „dritte Kraft“ könne helfen.<br />
„Schulen in sozialen Brennpunkten<br />
brauchen eine bessere materielle und<br />
personelle Ausstattung“, fordert Grundschulleiterin<br />
Hirschmann: „Wir können<br />
diese Herausforderungen sonst nicht<br />
bewältigen.“ Und: „Die Schulen selbst<br />
sind arm“, fügt Mittelstufenleiter Hasse<br />
hinzu. Seine Oberschule setzt deshalb<br />
auf den Aufbau eines Netzwerks aus Unternehmen<br />
und Stiftungen, das die<br />
Schüler für den Übergang in Berufsausbildungen<br />
qualifiziert. „Nur so können<br />
wir soziale Ungerechtigkeit ausgleichen“,<br />
sagt Hasse.<br />
Alke Wierth, Redakteurin der „taz“<br />
Stand: 31. Dezember 2008, Empfänger von Existenzsicherungsleistunaus<br />
„Monitoring Soziale gen unter 15 Jahren in Prozent der<br />
Stadtentwicklung“, SenStadt. 2009 Einwohner unter 15 Jahren<br />
Berlin gesamt 37,4<br />
Mitte 54,7<br />
Friedrichshain-Kreuzberg 50,0<br />
Pankow 22,5<br />
Charlottenburg-Wilmersdorf 25,6<br />
Spandau 40,6<br />
Steglitz-Zehlendorf 16,6<br />
Tempelhof-Schöneberg 33,5<br />
Neukölln 53,9<br />
Treptow-Köpenick 26,3<br />
Marzahn-Hellersdorf 46,0<br />
Lichtenberg 40,1<br />
Reinickendorf 36,2<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 33
Foto: dpa<br />
E&W-HINTERGRUND HARTZ IV<br />
Jürgen Borchert<br />
Anke Hassel, Christof<br />
Schiller: Der Fall Hartz<br />
IV. Wie es zur Agenda<br />
<strong>2010</strong> kam und wie es<br />
weitergeht. Campus<br />
Verlag, <strong>2010</strong>, 250 Seiten,<br />
24,90 Euro.<br />
„Menschenwürde verträgt sich<br />
nicht mit Hütchenspielen“<br />
34 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Interview mit dem hessischen Sozialrichter Jürgen Borchert<br />
E &W: Am 20. Oktober ist im Kabinett die<br />
Neuregelung der Grundsicherung beschlossen<br />
worden. Wird sie dem Anspruch des Urteils<br />
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom<br />
Februar 2009 nach mehr Transparenz bei<br />
den Berechnungen für das Existenzminimum<br />
gerecht?<br />
Jürgen Borchert: Die Menschenwürde<br />
und damit auch die Ermittlung des Existenzminimums<br />
vertragen sich nicht mit<br />
Hütchenspielen. Wenn der Gesetzgeber<br />
sich zu einer Methode für die Berechnung<br />
der Regelsätze entschlossen hat,<br />
darf er nach dem Urteil nur ausnahmsweise<br />
und nur mit nachvollziehbarer<br />
Begründung davon abweichen. Das<br />
Bundesarbeitsministerium ist aber von<br />
der eigenen Festlegung auf das so genannte<br />
„Statistikmodell“ abgewichen<br />
und hat etliche Warenposten herausgenommen.<br />
Damit hat man das Statistikmodell<br />
gravierend „verunreinigt“.<br />
E &W: Hat die Bundesregierung nach Kassenlage<br />
entschieden, was Menschen für ihre<br />
Grundsicherung brauchen?<br />
Borchert: Im Gesetzentwurf fällt auf,<br />
dass ein Warenkatalog von zirka 20<br />
Konsumgütern aus der empirischen Datenbasis<br />
entfernt wurde. Bei jedem einzelnen<br />
– z.B. Schnittblumen, Alkohol<br />
und Tabakwaren, Haustiere etc. – wird<br />
zu prüfen sein, ob die Bedingungen für<br />
die Abweichungen vom Statistikmodell<br />
erfüllt worden sind. Bedenken, zumindest<br />
unter dem Postulat der „Realitätsgerechtigkeit“,<br />
ergeben sich auch, weil<br />
man nur Haushalte zugrunde gelegt hat,<br />
die keine Ausgaben für Treibstoff verbuchten.<br />
Das führt zu einer systematischen<br />
Benachteiligung von Familien,<br />
die meist in ländlichen Randgebieten<br />
wohnen und auf Mobilität angewiesen<br />
sind.<br />
E &W: Bundesarbeitsministerin Ursula von<br />
der Leyen (CDU) behauptet, das „Bildungspaket“<br />
für Kinder leite einen „Kulturwechsel“<br />
ein. Stimmen Sie zu?<br />
Borchert: Zuvor waren in den Regelleistungen<br />
keine Ausgaben für Bildung enthalten.<br />
Wenn Frau von der Leyen das für<br />
einen Skandal hält, hat sie recht, zumal<br />
das BVerfG auf dieses Manko bereits<br />
1999 hingewiesen hatte. Die angekün-<br />
digten Leistungen sind jedoch ohne irgendwelche<br />
Belege einfach „ins Blaue<br />
geschätzt“ – ein Verfahren, das gerade in<br />
Karlsruhe abgewatscht wurde. Von einem<br />
Kulturwechsel zu sprechen, ist also<br />
sehr vollmundig. Im Detail betrachtet,<br />
ist das Bildungspaket tatsächlich eine<br />
Zumutung.<br />
E &W: Warum?<br />
Borchert: Gutscheine statt Geld zu verteilen<br />
und dies damit zu begründen,<br />
dass Hartz IV-Eltern nicht in der Lage<br />
wären, ihre Kinder verantwortlich zu erziehen,<br />
ist anmaßend und ungerecht.<br />
E &W: Frau von der Leyen unterstellt, dass<br />
Hartz IV-Eltern das Geld eher in Flachbildschirme<br />
verjubelten als dass sie es in die Bildung<br />
ihrer Kinder investierten.<br />
Borchert: Für ihre Behauptung liefert<br />
die Bundesarbeitsministerin ebenfalls<br />
nicht den geringsten Nachweis. Alle Untersuchungen<br />
weisen auf das Gegenteil<br />
hin: Hartz IV-Empfänger verschulden<br />
sich eher, als dass sie den Bildungsbedarf<br />
ihrer Kinder vernachlässigen. Diese<br />
pauschale Elternbeschimpfung ist ein<br />
Skandal. Schwarz-Gelb will arme Kinder<br />
heute wie früher Asylbewerber behandeln,<br />
denen man durch Gutscheine<br />
klar machte: Ihr seid in Deutschland<br />
nicht erwünscht.<br />
E &W: Die Debatte über das Bildungspaket<br />
scheint auch ein Ablenkungsmanöver vom<br />
Sparpaket der Bundesregierung zu sein, das<br />
Einkommensarme besonders schröpft: etwa<br />
mit der Streichung des Elterngelds oder dem<br />
Kappen der Rentenbeiträge.<br />
Borchert: Die komplette Reform wird<br />
mit rund einer Milliarde Euro pro Jahr<br />
veranschlagt. Auf der anderen Seite<br />
spart der Staat durch die geplanten Streichungen<br />
bei Hartz IV-Empfängern rund<br />
fünf Milliarden Euro jährlich ein. Mithin<br />
erzielt Bundesfinanzminister Wolfgang<br />
Schäuble (CDU) auf Kosten der<br />
Ärmsten der Armen ein Plus von vier<br />
Milliarden Euro im Haushaltssäckel.<br />
Die Bundesregierung lässt so ausgerechnet<br />
die unteren 20 Prozent der Bevölkerung<br />
für die Riesenlöcher büßen, die kriminelle<br />
Banker und Finanzzocker in die<br />
öffentlichen Haushalte gerissen haben.<br />
E &W: Die SPD kritisiert, dass das Gutscheinmodell<br />
„weltfremd“ und „ein bürokratisches<br />
Monster“ sei.<br />
Borchert: Die Verwaltung der Bildungsgutscheine<br />
soll nach dem Gesetzentwurf<br />
einer ungeeigneten Institution<br />
übertragen werden, nämlich dem Jobcenter.<br />
Dort hat man weder die personellen<br />
Ressourcen noch die Kompetenzen<br />
dafür. Die Bundesagentur für Arbeit<br />
(BA) ist doch kein „Bundesjugendhilfeamt“!<br />
Wenn die Gutscheine tatsächlich<br />
kommen, müssen die Schulen oder die<br />
Jugendämter ran.<br />
E &W: Nun heißt es, das Gute am Bildungspaket<br />
sei die Abkehr vom Prinzip<br />
„Gießkanne“?<br />
Borchert: Der Staat darf Eltern<br />
grundsätzlich nur dann in ihre Erziehung<br />
hineinregieren, wenn das staatliche<br />
Wächteramt es erfordert. Warum<br />
macht man es bei den Bildungsbedarfen<br />
nicht ähnlich wie bei den Wohnkosten,<br />
die erst im Fall eines Missbrauchs vom<br />
Amt direkt an den Vermieter überwiesen<br />
werden? Dass das Geld zweckgebunden<br />
für Bildung ausgegeben wird, ist nachzuweisen.<br />
Wenn dieser Nachweis nicht<br />
erbracht wird, kann man über das Gutscheinmodell<br />
nachdenken. Aber die kategorische<br />
Unterstellung, arme Eltern<br />
wären in ihrer Erziehung nicht verantwortungsbewusst<br />
und würden die Gelder<br />
verjuxen, steht in schroffem Gegensatz<br />
zur Menschenwürde.<br />
E &W: Bleibt die Frage: Kann die Justiz Lebenslagen<br />
verbessern?<br />
Borchert: Tatsächlich gibt es eine Reihe<br />
von Verfassungsurteilen, die klare und<br />
weitreichende Verfassungsaufträge zugunsten<br />
der Familien und Kinder enthielten:<br />
das Trümmerfrauen-, das Pflege-<br />
und jetzt auch das Hartz IV-Urteil.<br />
Diese Aufträge wurden von der Politik<br />
aber stets unterlaufen oder konterkariert.<br />
Zumindest was Kinder betrifft,<br />
muss man deshalb leider feststellen:<br />
Kinder sind keine Wähler und deshalb<br />
wird ihre Situation von der Politik regelmäßig<br />
vernachlässigt.<br />
Interview: Helga Haas-Rietschel, Redakteurin<br />
der „Erziehung und Wissenschaft“
„Ein Herz für Kinder?“<br />
<strong>GEW</strong>-Kommentar: Hartz IV-Reform und Bildungspaket schreiben Armut fest<br />
Foto: Kay Herschelmann<br />
Ulrich Thöne<br />
Beim Geld endet bekanntlich die<br />
Freundschaft. Bei der Neuregelung der<br />
Hartz IV-Sätze für Kinder geht es um<br />
viel Geld. Kein Wunder, wenn alle Politikerschwüre,<br />
für die Interessen der<br />
Kinder einzutreten, leicht zur Makulatur<br />
geraten.<br />
Die Auflage des Bundesverfassungsgerichts,<br />
den Regelbedarf für das Existenzminimum<br />
von Kindern und Erwachsenen<br />
neu zu berechnen, bietet<br />
der Bundesregierung im Prinzip eine<br />
große Chance: Wahlversprechen einzulösen<br />
und Fehlentscheidungen der<br />
Vorgängerkoalitionen – gerade auch<br />
der rot-grünen! – zu korrigieren. Politik<br />
könnte endlich die von Karlsruhe<br />
angemahnten notwendigen Schritte<br />
einleiten, Kindern und Erwachsenen<br />
ein menschenwürdiges Existenzminimum<br />
zu gewährleisten. Die Ausgaben<br />
für Bildung und die Teilhabe am gesellschaftlichen<br />
Leben dürften bei Kindern<br />
nicht ausgeklammert werden, forderten<br />
die Richter. Doch stattdessen<br />
hat Schwarz-Gelb die Kinder- und Bildungsarmut<br />
festgeschrieben.<br />
Denn das vom Bundesarbeitsministerium<br />
wie ein Evangelium verkündete<br />
„Bildungspaket“ für Kinder aus Hartz-<br />
IV-Familien erwies sich schnell als Ablenkungsmanöver.<br />
Der an sich richtige<br />
Kerngedanke, einen Gießkanneneffekt<br />
durch konkrete Einzelleistungen wie<br />
Schulausflüge und Mittagessen zu ersetzen,<br />
scheiterte von Anfang an in einem<br />
Gestrüpp diskriminierender, ineffizienter<br />
und kostenintensiver Verwaltungsregelungen;<br />
allen voran die ge-<br />
plante Chipkarte. Das Notwendige,<br />
die Infrastruktur im Bildungs- und Erziehungsbereich<br />
zu stärken, ist in Ursula<br />
von der Leyens (CDU) Gesetzentwurf<br />
bloß angedacht, aber umgehend wieder<br />
zu Grabe getragen worden – mit<br />
dem wohlfeilen Hinweis auf die<br />
Verbotsschilder des Bildungsföderalismus.<br />
Ein weiterer Kritikpunkt: Die Bundesregierung<br />
hat keine eigenen statistischen<br />
Berechnungen erhoben. Stattdessen<br />
hat sie ein Verfahren angewandt,<br />
bei dem die Grundsicherung<br />
nicht über einen Warenkorb, sondern<br />
über die Konsumdaten einer bestimmten<br />
Referenzgruppe ermittelt wurden<br />
(s. Seiten 29-31). Die Absicht: die Regelsätze<br />
mit Hilfe statistischer Tricks<br />
herunterzurechnen. Das Volumen für<br />
die neuen Hartz IV-Sätze (rund 480<br />
Millionen Euro) war vorab politisch<br />
festgelegt. Der individuelle Bedarf zur<br />
Existenzsicherung ist so lange zurechtgestutzt<br />
worden, bis beispielsweise<br />
auch CSU-Generalsekretär Alexander<br />
Dobrindt sich beruhigt zurücklehnen<br />
konnte: „Jetzt passt die Berechnung.“<br />
Die Bundesregierung hätte ganz anders<br />
rechnen können. Im Bereich des<br />
Familienlastenausgleichs etwa gibt es<br />
solide Modelle und Berechnungen. Sie<br />
zeigen Wege auf, Kinderarmut erheblich<br />
zu reduzieren.<br />
Im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung<br />
haben z.B. die Frankfurter Verteilungsforscher<br />
Ingrid Becker und Richard Hauser<br />
drei unterschiedliche Ansätze beschrieben:<br />
Reform des Kinderzuschlags,<br />
Erhöhung des Kindergeldes,<br />
Einführung einer Kindergrundsicherung.<br />
Becker und Hauser rechneten<br />
Kostenbelastung, Umverteilungseffekte<br />
und gesellschaftlichen Nutzen<br />
durch. Ergebnis: Die systemwidrige<br />
Benachteiligung einkommensschwacher<br />
Familien sowie ein Großteil der<br />
Kinderarmut in Deutschland ließen<br />
sich beseitigen. Am besten sicherlich<br />
über eine Kindergrundsicherung.<br />
Doch auch eine zeitliche Staffelung<br />
oder eine Kombination aller drei Modelle<br />
wäre denkbar.<br />
Für das effektivste, aber auch teuerste<br />
Konzept – die Kindergrundsicherung<br />
– errechnet das Autorenteam: Bei zusätzlichen<br />
Kosten (gegenüber dem<br />
E&W-HINTERGRUND HARTZ IV<br />
heutigen System) in Höhe von ungefähr<br />
25 Milliarden Euro würde die Armutsquote<br />
der unter 16-Jährigen um<br />
drei Viertel auf 4,3 Prozent zurückgehen,<br />
mit höheren Ausgaben von rund<br />
33 Milliarden könnte man diese Quote<br />
sogar um vier Fünftel auf 3,3 Prozent<br />
senken.<br />
Utopisch – nein, keineswegs. Denn die<br />
Autoren erstellen eine realistische Gegenfinanzierung,<br />
eine Kombination<br />
aus verändertem Einkommensteuertarif,<br />
reformiertem Ehegattensplitting,<br />
höherer Erbschaft- sowie wieder eingeführter<br />
Vermögensteuer.<br />
Wer Kinderarmut wirksam bekämpfen<br />
will, muss vor allem mehr „echte“<br />
Ganztagsangebote in Kitas und Schulen<br />
bereitstellen und darüber hinaus<br />
Gebührenfreiheit in den Bildungseinrichtungen<br />
garantieren. Frisches Obst<br />
und ein Mittagessen sollten kostenlos<br />
sein. Lernmittel nicht länger den Geldbeutel<br />
der Eltern belasten, ebenso wenig<br />
wie Nachhilfe oder pädagogische<br />
und kulturelle Aktivitäten. Klassenfahrten<br />
oder ein Zoobesuch sollten<br />
umsonst sein. Für diese unterstützenden<br />
Leistungen brauchen die Kommunen<br />
vor allem eins: erheblich mehr<br />
Einnahmen.<br />
Unrealistisch? Keineswegs! Die Bildungsgewerkschaft<br />
macht in ihrem<br />
Steuerkonzept Vorschläge, wie die<br />
Städte und Gemeinden ihre leeren<br />
Kassen füllen könnten (s. E&W<br />
5/<strong>2010</strong>). Im Kern geht es um die<br />
alte Frage, wer über die Verteilung<br />
des erwirtschafteten gesellschaftlichen<br />
Reichtums entscheidet. Sollen es die<br />
Zocker und Boni-Kassierer der Banken<br />
sein, für die 25 Prozent Jahresrendite<br />
als Zielmarke gilt? Sollen es die zehn<br />
Prozent der Superreichen dieser Republik<br />
sein, die sich auf Kosten aller anderen<br />
zusätzlich bereichern? Oder sollen<br />
volkswirtschaftliche Entscheidungen<br />
demokratischen Regeln folgen<br />
und von der Mehrheit der Bevölkerung<br />
getroffen werden?<br />
Ist das alles nur eine unzulässige, vereinfachende<br />
Polarisierung? Gegenfrage:<br />
Wie lange soll uns dieser Vorwurf<br />
noch beeindrucken?<br />
Ulrich Thöne, <strong>GEW</strong>-Vorsitzender<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 35
9. NOVEMBER<br />
* CD „Per la Vita“, aldenterecordz<br />
DVD „Per la Vita“ inkl.<br />
pädagogischem Material:AuschwitzKomitee@tonline.de<br />
und Tel.: 0175-<br />
9374446<br />
** Literaturhinweis:<br />
Esther Bejarano, Birgit<br />
Gärtner: Wir leben trotzdem.<br />
Esther Bejarano –<br />
vom Mädchenorchester<br />
in Auschwitz zur Künstlerin<br />
für den Frieden.<br />
Herausgegeben vom<br />
Auschwitz-Komitee der<br />
Bundesrepublik<br />
Deutschland, Pahl-Rugenstein-Verlag<br />
2007,<br />
263 Seiten, 19,90 Euro.<br />
36 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Film über Klezmer- und Rap-Musik: eine andere Art der Zeitzeugen-Dokumentation<br />
Ein fünfköpfiges Filmteam dokumentierte<br />
die Zusammenarbeit der Hamburger<br />
Klezmer-Band „Coincidence“<br />
und der Kölner Hip-Hop-Gruppe<br />
„Microphone Mafia“. „Per la Vita“*<br />
heißen der Film und die gleichnamige<br />
CD, ein Appell gegen Vergessen und<br />
Diskriminierung. E&W sprach mit<br />
den Filmemacherinnen Katharina<br />
Obens und Tanja Seider.<br />
E &W: Sie haben das Projekt „Per la Vita“<br />
anderthalb Jahre mit der Kamera begleitet.<br />
Was hat Sie daran fasziniert, einen solchen<br />
Film zu drehen?<br />
Katharina Obens: Wir sehen eine einzigartige<br />
Chance für die historisch-politische<br />
Bildungsarbeit, da hier ein<br />
„Clash“ der Kulturen auf verschiedenen<br />
Ebenen stattfindet. Zum einen ist da die<br />
Ebene der Herkunft: Kutlu Yurtseven<br />
und Rossi Pennino sind so genannte Gastarbeiterkinder,<br />
ihre Eltern stammen aus<br />
der Türkei und Italien. Esther Bejarano ist<br />
eine in Deutschland geborene Jüdin, die<br />
nach Auschwitz deportiert wurde, nach<br />
1945 in Israel lebte und in den 1960er-<br />
Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland<br />
zurückkehrte. Zum anderen die<br />
Ebene des Altersunterschieds: Bejarano<br />
steht mit 85 Jahren mit ihren Kindern<br />
gemeinsam mit 30-jährigen Rappern auf<br />
der Rockbühne eines Jugendzentrums.<br />
Und nicht zuletzt die künstlerische Ebene:<br />
Die Bejaranos spielen internationale<br />
Friedenslieder und jiddische Musik. Die<br />
Microphone Mafia ist seit zwanzig Jahren<br />
mit Hip-Hop unterwegs. Aber beide<br />
Gruppen haben eines gemeinsam: Sie<br />
sind politisch denkende Menschen, die<br />
mit ihrer Musik gesellschaftliche Verhältnisse<br />
kritisieren und verändern wollen.<br />
E &W: Gab es Berührungsängste zwischen<br />
den beiden Bands?<br />
Obens: Die Rapper hatten Angst vor<br />
der ersten Begegnung mit Bejarano. In<br />
der Zusammenarbeit spielte aber das<br />
„Heute“ und „Hier“ eine wesentlich<br />
größere Rolle als das „Damals“. Gemeinsamkeiten<br />
über die Musik waren<br />
entscheidender. So fragte Rossi Pennino<br />
einmal Esther Bejarano, warum und wie<br />
sie Musik machen könne, nachdem sie<br />
das Mädchenorchester von Auschwitz**<br />
überlebt habe. Sie antwortete:<br />
„Wenn sie mir auch das genommen hätten,<br />
dann hätten die Nazis mir alles genommen.“<br />
E &W: Wie ist der Film aufgebaut?<br />
Tanja Seider: So unterschiedlich die<br />
Protagonisten sind, so verschieden sind<br />
die Materialien und Themen, die wir gesammelt<br />
und zusammengeschnitten haben.<br />
Der Film erzählt keine chronologische<br />
Geschichte. Biografien treffen auf<br />
Interviews, Songtexte, alte Bandvideos,<br />
Kamerabeobachtungen von heute kommen<br />
hinzu. Eine Geschichte des Musikmachens<br />
als persönliches wie politisches<br />
Ausdrucksmittel, das immer wieder<br />
durch gemeinsame Plattenaufnahmen<br />
in Hamburg strukturiert ist. Meine Lieblingsszene:<br />
Bejarano hört zum ersten<br />
Mal die Musik von „Coincidence“: im<br />
Viervierteltakt Hip-Hop-Beat. Eine lange<br />
Kameraeinstellung auf ihr Gesicht<br />
zeigt: Zweifel, Zögern und Überraschung.<br />
E &W: Wer sind die Adressaten Ihrer Dokumentation?<br />
Seider: Sie richtet sich an Jugendliche<br />
und junge Erwachsene ab der 10. Klasse.<br />
Neben der DVD gibt es begleitendes<br />
pädagogisches Material, das unterschiedliche<br />
Aspekte des Films aufgreift:<br />
historische, biografische und filmtheoretische.<br />
Es ist eine andere Art von Zeitzeugen-Dokumentation.<br />
E &W: Grenzt sie sich damit von herkömmlichen<br />
Zeitzeugengesprächen ab?<br />
Obens: Solche Gespräche haben zumeist<br />
einen streng konzipierten Ablauf,<br />
finden möglicherweise noch in einer<br />
Schul-Aula mit 350 Schülerinnen und<br />
Schülern in einer eher sakralen Stimmung<br />
statt. Wir wollten dieses Konzept<br />
aufbrechen und den Dialog zwischen<br />
Jugendlichen und Zeitzeugen verstärken<br />
und fördern, aber eben auf eine andere<br />
Art. Zum einen steht in dem Film<br />
die Musik im Zentrum, zum anderen<br />
tritt ein Mensch auf, der viel erlitten hat<br />
und mit über Mitte achtzig noch agil im<br />
Leben steht. Es ist ein dynamischer und<br />
lebendiger Film, der aber nicht durch<br />
persönliche Begegnung etwas verändern<br />
will.<br />
E &W: Aber vielleicht doch ein „vorsorgendes“<br />
Festhalten der Erinnerung aufgrund des<br />
hohen Alters der Zeitzeugin?<br />
Obens: Wir zeigen Bejaranos aktuelles<br />
politisches Engagement, in dem die Vergangenheit<br />
ebenso wie die Familienbiografie<br />
eine exponierte Stellung einnimmt.<br />
Sie tritt noch heute in Schulen<br />
als Zeitzeugin auf, aber auch auf antifaschistischen<br />
Kundgebungen – beispielsweise<br />
in Berlin-Köpenick, wo sie vor der<br />
NPD-Zentrale antirassistische Lieder<br />
gesungen hat.<br />
E &W: Eine Jüdin, die die Shoah überlebte,<br />
und Rapper migrantischer Herkunft. Wie<br />
bringt der Film diese unterschiedlichen Lebenserfahrungen<br />
zusammen?<br />
Seider: Am Anfang erschien es uns<br />
zunächst problematisch, aber der Film<br />
erzählt die so gegensätzlichen Geschichten<br />
in einer medialen Collage. Wir ziehen<br />
keine Parallelen, sondern stellen die<br />
Biografien und Einstellungen nebeneinander.<br />
Zum Beispiel in dem Gespräch<br />
über den Begriff „Heimat“. Für Kutlu<br />
Yurtseven ist Deutschland sein Zuhause<br />
und die Türkei seine Heimat, während<br />
Esther Bejarano mit „Heimat“ schlicht<br />
nichts anzufangen weiß und sagt: „Sie<br />
fühlt sich zu Hause in einem Leben, in<br />
dem sie etwas bewirken kann“.<br />
Interview: Kendra Eckhorst,<br />
freie Journalistin
Recht und<br />
Rechtsschutz<br />
11/<strong>2010</strong> Informationen<br />
Berufserfahrung<br />
Stufenzuordnung im TV-L<br />
ist grundgesetzkonform<br />
Wer aus der Privatwirtschaft in den öffentlichen<br />
Dienst wechselt, profitiert nicht unbedingt<br />
von einer langen Berufserfahrung.<br />
Das gilt auch für ehemalige Beamtinnen<br />
und Beamte, die nach einer Beschäftigung in<br />
der Privatwirtschaft als angestellte Lehrkräfte<br />
die Tätigkeit beim gleichen Landesarbeitgeber<br />
wieder aufnehmen.<br />
Die Vergütung nach dem Tarifvertrag<br />
der Länder (TV-L, vom 12. Oktober<br />
2006) beruht auf Entgeltgruppen (EG) –<br />
mit einer weiteren Differenzierung nach<br />
fünf bis sechs Entgeltstufen. Für die Stufenzuordnung<br />
in einer EG ist u.a. die<br />
Berufserfahrung entscheidend. Allerdings<br />
kommt es darauf an, wo diese erworben<br />
wurde.<br />
Die im öffentlichen Dienst absolvierte<br />
Arbeitszeit wird als Berufserfahrung bei<br />
der Einstufung voll angerechnet, so lange<br />
die Tätigkeit nicht länger als sechs<br />
Monate unterbrochen worden ist.<br />
Wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt<br />
sind, kann auch die höchste Entgeltstufe<br />
erreicht werden. Für „extern“<br />
erworbene Berufserfahrung gilt: Einstufung<br />
in Entgeltstufe 2. Seit 31. Januar<br />
<strong>2010</strong> ist bei Neueinstellungen mit dreijähriger<br />
Berufserfahrung maximal Stufe<br />
3 möglich. Der Dienstherr kann weitere<br />
Berufsjahre – ganz oder teilweise – anrechnen<br />
(mehr als Stufe 3), wenn er<br />
nachweist, dass die Einstellung unbedingt<br />
nötig war, um den Personalbedarf<br />
zu decken und die bisherige Berufserfahrung<br />
einer Lehrkraft der neuen Aufgabe<br />
unmittelbar zugute kommt. Diese<br />
unterschiedliche Behandlung – mit Folgen<br />
für die Höhe des Einkommens –, so<br />
stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG)<br />
fest, verletze nicht den allgemeinen<br />
Gleichheitssatz des Grundgesetzes.<br />
Geklagt hatte ein ehemaliger Beamter,<br />
der 1995 aus dem Staatsdienst ausgeschieden<br />
war und danach an Privatschulen<br />
unterrichtet hatte. Seit September<br />
2007 ist er als angestellte Lehrkraft des<br />
beklagten Landes tätig, das ihn nach<br />
TV-L in die Stufe 2 der Entgeltgruppe 11<br />
der <strong>GEW</strong>–Bundesstelle<br />
für Rechtsschutz.<br />
Verantwortlich: Katrin Löber,<br />
Volker Busch, Gerhard Jens<br />
62. Jahrgang<br />
einordnete. Mit der Klage wollte er die<br />
Vergütung nach Stufe 5 erwirken, die<br />
ihm bei ununterbrochener Tätigkeit bei<br />
ein und demselben Dienstherrn zugestanden<br />
hätte. Vorinstanzen und BAG<br />
wiesen die Klage jedoch ab: Die Tarifvertragsparteien<br />
wollten, so die Richter,<br />
mit dem TV-L den Besitzstand der Lehrkräfte<br />
im öffentlichen Dienst schützen.<br />
Wer zu anderen Arbeitgebern wechsele,<br />
büßt diesen Schutz ein. Die Möglichkeit<br />
einer bis zu sechs Monaten begrenzten<br />
Dienstunterbrechung ohne<br />
Verlust des Besitzstandes bleibt damit<br />
ein Anreiz, das Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten<br />
bzw. neu zu begründen.<br />
Längere Unterbrechungszeiten erhöhten,<br />
so die Richter, die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass sich die beruflichen Kompetenzen<br />
veränderten. Denn in der Privatwirtschaft<br />
herrschten nach Ansicht<br />
der Richter gänzlich andere Arbeitsstrukturen.<br />
BAG vom 23. September <strong>2010</strong> –6 AZR<br />
180/09<br />
BAG vom 23. September <strong>2010</strong> – 6 AZR<br />
174/09<br />
FH-Abschluss aufgewertet<br />
Als Hochschulausbildung<br />
anerkannt<br />
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat den<br />
Begriff der abgeschlossenen „Hochschulausbildung“<br />
neu ausgelegt. Das Urteil bietet damit<br />
in einigen Fällen die Grundlage zur besseren<br />
Bezahlung angestellter Lehrkräfte, die<br />
ihre akademische Ausbildung an einer Fachhochschule<br />
(FH) absolviert haben.<br />
Ein FH-Abschluss erfülle das „Tatbestandsmerkmal“<br />
einer „abgeschlossenen<br />
Hochschulausbildung“, urteilte das<br />
BAG mit Blick auf die Richtlinien über<br />
die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis<br />
beschäftigten Lehrkräfte im<br />
Fachschuldienst des Bundes. Der Begriff<br />
der Hochschulausbildung habe<br />
sich stark verändert, so das BAG. Er sei<br />
als Oberbegriff zu verstehen, unter den<br />
verschiedene Hochschultypen fallen,<br />
darunter auch die FHen. Das Problem:<br />
Für Lehrkräfte im Fachschuldienst des<br />
Bundes gelten einheitliche Anforderun-<br />
gen und Tätigkeitsmerkmale – unabhängig<br />
vom akademischen Abschluss,<br />
trotzdem war die Vergütung eines Uni-<br />
Absolventen deutlich höher als die des<br />
FH-Absolventen.<br />
In dem hier zu entscheidenden Verfahren<br />
waren die Eingruppierungsrichtlinien<br />
nach Ansicht der Richter nicht klar<br />
genug gefasst. Der Begriff „wissenschaftliche“<br />
Hochschulausbildung werde ausdrücklich<br />
nicht erwähnt. Der Zusatz<br />
„wissenschaftlich“ sei dagegen in anderen<br />
Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes<br />
üblich. Der Verzicht auf das Eingruppierungsmerkmal„wissenschaftlich“<br />
deute darauf hin, dass es sich allgemein<br />
um eine abgeschlossene Hochschulausbildung<br />
handele.<br />
Der klagende Lehrer hatte nach der<br />
mittleren Reife eine Verwaltungsprüfung<br />
abgelegt, 1976 erfolgreich eine FH-<br />
Ausbildung als „Sozialpädagoge“ (grad.)<br />
abgeschlossen und 1977 die berufspraktische<br />
Prüfung Sozialpädagogik abgelegt.<br />
Seit 1978 ist er „Staatlich anerkannter<br />
Sozialpädagoge“. Im Juli 1997 begann<br />
der Kläger seine Tätigkeit an einer<br />
Bundeswehrfachschule, im März 2005<br />
hat man ihm den Dienstposten „Lehrer“<br />
übertragen. Zwischen ihm und der Bundeswehrfachschule<br />
sind drei Arbeitsverträge<br />
geschlossen worden, alle mit Bezug<br />
auf den damals gültigen Bundesangestelltentarifvertrag<br />
(BAT) und die o.g.<br />
Eingruppierungsrichtlinien.<br />
Deshalb vertrat der Kläger die Auffassung,<br />
er sei gemäß der Richtlinien in die<br />
Vergütungsgruppe IIb BAT einzugruppieren<br />
– wie Lehrkräfte mit akademischem<br />
Abschluss. Die dafür erforderlichen<br />
Voraussetzungen erfülle er, da er<br />
eine Hochschulausbildung vorweisen<br />
könne und als Fachoberschullehrer eingesetzt<br />
werde.<br />
Bereits in erster und zweiter Instanz<br />
sprachen die Richter dem Kläger ab Juni<br />
2004 die höhere Vergütung zu. Das<br />
BAG hat diese Urteile bestätigt und die<br />
Revision der beklagten Bundeswehrfachschule<br />
als unbegründet zurückgewiesen.<br />
Der Kläger werde seit Juni 2004<br />
als Fachschuloberlehrer im Sinne der<br />
Richtlinien eingesetzt, ihm stehe deshalb<br />
die höhere Vergütung zu.<br />
Das Urteil markiert in diesem speziellen<br />
Fall die Abkehr von einer unzeitgemäßen<br />
Rechtsprechung – zugunsten<br />
des Beschäftigten. Politisch wünschenswert<br />
wäre es, wenn das BAG diese Rechtsprechung<br />
auch auf sämtliche Verfahren<br />
ausdehnen würde, die eine Differenzierung<br />
zwischen FH- und Hochschulausbildung<br />
weiterhin vorsehen.<br />
BAGvom18.März2009–4AZR79/08<br />
Berufserfahrung<br />
FH-Abschluss<br />
aufgewertet<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 37
MARKTPLATZ<br />
<strong>GEW</strong> bei Facebook<br />
Soziale Netzwerke im Internet sind für viele Menschen zum<br />
festen Bestandteil ihrer Online-Kommunikation<br />
geworden. Auch die <strong>GEW</strong> hat den<br />
Schritt gewagt und ist jetzt Mitglied der Facebook-Community.<br />
Offensichtlich war es der<br />
richtige, denn nach sechs Wochen haben bereits<br />
fast 500 Kolleginnen und Kollegen mitgeteilt,<br />
dass ihnen die <strong>GEW</strong>-Facebook-Seite<br />
„gefällt“. Sie bekommen jetzt alle aktuellen<br />
<strong>GEW</strong>-Infos sofort auf ihre virtuelle Pinnwand<br />
geschickt. Wir freuen uns auf viele weitere<br />
Bekanntschaften und einen regen Austausch.<br />
www.facebook.com/pages/<strong>GEW</strong>-Gewerkschaft-Erziehung-und-<br />
Wissenschaft/405938596302.<br />
Tango mit einer Anaconda?<br />
kjl&m, die Fachzeitschrift für Kinder-, Jugendliteratur und Medien,<br />
hat ein neues Heft vorgelegt, das sich schwerpunktmäßig<br />
der Kinder- und Jugendliteratur Argentiniens „annähert“.<br />
Dass es neben Jorge Luis Borges weitere bedeutende Autorinnen<br />
und Autoren gibt und dass man in Argentinien nicht nur Fußball<br />
spielt, sondern auch eine wichtige und kreative Kinderund<br />
Jugendbuchszene vorfindet, wissen nur wenige. Die aktuelle<br />
Ausgabe (3/<strong>2010</strong>) zeigt, wie sich die Kinder- und Jugendliteratur<br />
in Argentinien entwickelt hat und veranschaulicht, wie<br />
man Grundschülern erste Informationen über das von<br />
Deutschland aus gesehen weit entfernte südamerikanische<br />
Land vermitteln kann. Außerdem wird auf die literarische<br />
Auseinandersetzung des deutschen Kinder- und Jugendbuchautors<br />
Frederik Hetmann mit dem argentinischen Revolutionär<br />
Che Guevara hingewiesen. Die AG Jugendliteratur und Medien<br />
(AJuM) der <strong>GEW</strong> gibt die Fachpublikation heraus. Sie erscheint<br />
im Münchener kopaed-Verlag.<br />
kjl&m greift regelmäßig Themen aus den Bereichen<br />
● Kinder- und Jugendliteratur in Schule und Bibliothek;<br />
● Forschung zur Kinder- und Jugendliteratur;<br />
● Medienpädagogische und literaturdidaktische Ansätze und<br />
● Arbeit in Schulbibliotheken<br />
auf. Rezensionen von Fachliteratur, Hinweise auf Unterrichtsmaterialien<br />
sowie Berichte und Informationen rund um die<br />
Kinder- und Jugendliteratur bieten weitere Anregungen für die<br />
Praxis.<br />
Bezug/Abonnement bei: kopaed, Pfälzer-Wald-Str. 64, 81539 München;<br />
info@kopaed.de; Einzelpreis elf Euro; Jahresabo 35 Euro (vier<br />
Ausgaben à 96 Seiten jährlich im Februar, Mai, August, <strong>November</strong>);<br />
ermäßigtes Abo 28 Euro (jeweils zuzügl. Versandkosten: Inland vier<br />
Euro, Ausland sechs Euro), Probeabo (zwei Ausgaben inkl. Versand)<br />
zwölf Euro.<br />
LesePeter<br />
Im Oktober ist das Jugendbuch von Nava Semel „Liebe für Anfänger“,<br />
das im Stuart & Jacoby Verlag erschienen ist, mit dem<br />
LesePeter ausgezeichnet worden. Übersetzt aus dem Hebräischen<br />
hat es Mirjam Pressler. Als Lektüre ist es für Jugendliche<br />
im Alter ab 13 Jahren geeignet.<br />
Zum Inhalt: In sieben Geschichten erzählt die Israelin Nava<br />
Semel einfühlsam, bewegend und gelegentlich humorvoll von<br />
der ersten Liebe.<br />
38 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Nava Semel: Liebe<br />
für Anfänger, Illustrationen<br />
von Gerda<br />
Raidt, übersetzt aus<br />
dem Hebräischen von<br />
Mirjam Pressler,<br />
Stuart & Jacoby Verlag<strong>2010</strong>,128Seiten,<br />
14,95 Euro.<br />
Im <strong>November</strong> erhält<br />
das Sachbuch<br />
„Das Buch, gegen<br />
das kein Kraut gewachsen<br />
ist“ von<br />
Gerda Anger-Schmidt<br />
und Renate Habinger den Lesepeter. Es ist im St. Pölten Verlag<br />
erschienen und für Kinder ab zehn Jahren empfohlen.<br />
Zum Inhalt: Das liebenswerte, aber zunächst chaotisch erscheinende<br />
Buch nimmt die Leser mit auf eine Reise durch die<br />
Welt der Kräuter und Gewürze. Sie lernen das Märchen<br />
„Zwerg Nase“ kennen und was es mit dem „Kräutlein Niesmitlust“<br />
auf sich hat. Und vielleicht bekommen sie Lust, einige<br />
Rezepte selbst auszuprobieren.<br />
Gerda Anger-Schmidt, Renate Habinger: Das Buch, gegen das kein<br />
Kraut gewachsen ist, St. Pölten Verlag <strong>2010</strong>, 116 Seiten, 19,90 Euro.<br />
Der LesePeter ist eine Auszeichnung der Arbeitsgemeinschaft<br />
Jugendliteratur und Medien (AJuM) der <strong>GEW</strong>. Er wird für ein<br />
herausragendes, aktuelles Buch der Kinder- und Jugendliteratur<br />
vergeben. Die ausführlichen Rezensionen sind im Internet<br />
unter www.ajum.de abzurufen.<br />
Verfilmte Kinderliteratur<br />
Die Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendliteratur (AJuM)<br />
in der <strong>GEW</strong> gibt jährlich einen Sonderband heraus: <strong>2010</strong> zur<br />
verfilmten Kinderliteratur. Ihr hat die Forschung bislang wenig<br />
Aufmerksamkeit geschenkt. Die Extra-Ausgabe konzentriert<br />
sich auf Filme, die auf literarischen Vorlagen basieren<br />
und deren Zielgruppe von der Kita bis ins Alter von zwölf, 13<br />
Jahren reicht.<br />
Bezugsadresse: kopaed, Pfälzer-Wald-Str. 64, 81539 München;<br />
info@kopaed.de.<br />
Flüchtlingskinder in Deutschland<br />
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Pro Asyl hat aktuelles Material<br />
zur Lage der Flüchtlingskinder in Deutschland herausgegeben,<br />
nachdem der so genannte Ausländervorbehalt zurückgenommen<br />
worden ist. Zum Hintergrund: Seit über 18 Jahren ist<br />
die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland geltendes<br />
Recht. Doch der bei der Ratifizierung festgeschriebene Vorbehalt,<br />
der Flüchtlingskindern elementare Rechte vorenthielt,<br />
wurde erst jetzt zurückgenommen. Die Autoren des Bandes,<br />
Heiko Kauffmann und Albert Riedelsheimer, ziehen eine Bilanz<br />
der „schier unendlichen Geschichte politischen Versagens,<br />
nicht eingelöster Versprechen und des nachlässigen Umgangs<br />
mit internationalem Recht“. Weitere Informationen: www.<br />
vonLoeper.de/fluechtlingskinder.<br />
„Kindeswohl oder Ausgrenzung? Flüchtlingskinder in Deutschland<br />
nach der Rücknahme der Vorbehalte“, herausgegeben von Heiko<br />
Kauffmann und Albert Riedelsheimer, im von Loeper Literaturverlag<br />
Karlsruhe <strong>2010</strong> erschienen, 280 Seiten, 16,90 Euro.
„Schulpädagogik heute“ online<br />
Die neue Ausgabe der Zeitschrift „Schulpädagogik heute“ ist<br />
seit September online: www.schulpaedagogik-heute.de.Aktuelles<br />
Thema: „Fächerübergreifendes Lernen“. Neben dem neuesten<br />
Wissen zum fächerübergreifenden Lernen ist ein Interview<br />
mit dem Wissenschaftsphilosophen Prof. Jürgen Mitelstraß zum<br />
interdisziplinären Lernen in der halbjährlich erscheinenden<br />
Online-Zeitschrift veröffentlicht. Zahlreiche Praxisartikel berichten<br />
von erfolgreichen Versuchen, fächerübergreifend zu<br />
unterrichten – mit Gewinn für die Schüler.<br />
„Schulpädagogik heute“ wird von einer Lehrer-Redaktion in<br />
Zusammenarbeit mit einem 33-köpfigen wissenschaftlichen<br />
Beirat für Deutschland, Österreich und die Schweiz herausgegeben.<br />
Beiträge für kommende Ausgaben, z.B. „Diagnostik<br />
und Förderung“ und „Binnendifferenzierung“, können von<br />
Kolleginnen und Kollegen jederzeit eingereicht werden an:<br />
sh@schulpaedagogik-heute.de.<br />
HÖRPOL – Erinnerungen für die Zukunft<br />
Seit über einem Jahr leitet eine ungewöhnliche Audioführung<br />
in Berlin Jugendliche durch Jüdische Geschichte, informiert<br />
über Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Dafür ist sie<br />
mit dem „Deutschen Bildungsmedien-Preis <strong>2010</strong>“ ausgezeichnet<br />
worden.<br />
Inge Deutschkron,<br />
deutsch-israelische<br />
Journalistin und<br />
Autorin, ist zu<br />
hören, ebenso der<br />
Schauspieler Axel<br />
Prahl. Die ZDF-<br />
Nachrichten-Moderatorin<br />
Marietta<br />
Slomka informiert<br />
über nationalsozialistischeWillkür.<br />
Der TheaterundFilmschauspieler<br />
Rufus Beck<br />
erzählt das Märchen von den „Bessermenschen“. Dazwischen<br />
Zeitzeugenberichte. Schauspieler des GRIPS-Theaters Berlin<br />
sprechen Gedichte und Hörspielszenen. Zu den einzelnen<br />
Hörstationen der Audioführung gibt es Musik aus Berlin: mal<br />
Rock, mal Beatbox, mal Hip-Hop – in Deutsch und Hebräisch.<br />
Und immer wieder sind Schülerinnen und Schüler<br />
aus sechs Schulklassen zu hören, die die Beiträge kommentieren.<br />
HÖRPOL ist im Internet unter Hoerpol.de frei zugänglich. Ein<br />
Stadtplan, in dem die 27 Hörstationen markiert sind, liegt<br />
zum Ausdruck bereit. HÖRPOL wurde speziell für Schüler aller<br />
Schularten von Klasse 9 bis 13 konzipiert. Unterstützt wird<br />
das Projekt u. a. von <strong>GEW</strong> und ver.di.<br />
Schülerwettbewerb zum 2. Mai 1933<br />
Der Schülerwettbewerb zur Geschichte des 2. Mai 1933 lädt<br />
die Klassen acht bis elf im Schuljahr <strong>2010</strong>/11 zur Teilnahme<br />
ein. Am Beispiel eines Gewerkschaftshauses in der eigenen<br />
Stadt oder Region gilt es, den nationalsozialistischen Überfall<br />
auf die Gewerkschaften zu recherchieren und darzustellen.<br />
Teilnehmen können Klassen, Teams und einzelne Schüler al-<br />
ler Schularten. Für die Prämierung der Arbeiten stehen 25000<br />
Euro zur Verfügung. Letzter Abgabetermin der Wettbewerbsbeiträge:<br />
7. Februar 2011. Weitere Informationen zum Wettbewerb<br />
im Netz unter: www.zweiter-mai-1933.de.<br />
KrisenKompass<br />
Notfallpläne, Gefahreneinschätzung, Handlungsstrategien<br />
und vor allem Prävention: Welche Schule kennt sich damit gut<br />
genug aus und hat sich wirklich auf alle Krisen vorbereitet?<br />
Der KrisenKompass, herausgegeben von Edyoucare, der internationalen<br />
Fachstelle für Gewaltprävention, Krisenprävention<br />
und Trauerbegleitung in Seuzach in der Schweiz, bietet<br />
Schulen sachkundige Unterstützung sowie Rat bei Unsicherheiten<br />
und will Leitfaden für alltägliche, aber auch schwere<br />
Krisen im Schulalltag sein. Vorausgesetzt, Schulen verstehen<br />
Krisenprävention als Teil der Schulentwicklung.<br />
Der KrisenKompass: Ringordner mit sechs Heften im A 4-Format:<br />
vier Einzelhefte zu den Themen Krisen, Tod, Abschied, Krisenmanagement,<br />
ein fünftes zum Thema Hintergründe, das sechste mit Zusatzmaterial.<br />
188 Seiten, 43 Blatt, 49,80 Euro. Nähere Informationen<br />
über: info@agentur-ratschlag.de.<br />
„Ich, Gott und die Welt“<br />
Hans Traxler, der berühmte Zeichner und Cartoonist, hat jetzt<br />
ein wunderbares Bilderbuch für Erwachsene mit dem Titel<br />
„Ich, Gott und die Welt“ im Reclam-Verlag herausgebracht.<br />
Neue Bildergedichte heißt die Unterzeile. Zeichnungen und<br />
Gedichte, die im Frühsommer vergangenen<br />
Jahres während eines Urlaubs<br />
entstanden sind. Es sind Verse<br />
über Künstler, über das Schaf und<br />
das Kätzchen, den Zeichner im Urlaub,<br />
über Seelenwanderung und<br />
den Ammersee und nicht zuletzt<br />
über des Künstlers letzten Willen.<br />
Aber nicht nur die Gedichtzeilen<br />
bringen zum Schmunzeln. Die<br />
Zeichnungen Traxlers haben es verdient,<br />
dass man außer dem schnellen<br />
Blick auf die Unterzeile „auch einen<br />
langen aufmerksamen Blick auf<br />
die Zeichnungen wirft“. Denn, wie<br />
er in seinem Nachwort „Alberto, Peter<br />
und die Zocker – eine Kunstbetrachtung“<br />
feststellt: „Cartoonisten<br />
sind die am meisten unterschätzten<br />
Künstler der letzten 200 Jahre.“<br />
Traxler war Gründungsmitglied der<br />
Satirezeitschriften Pardon und Titanic,<br />
zeichnete u.a. für die Magazine<br />
der ZEIT, der Süddeutschen und der<br />
Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Darüber hinaus verdankt ihm<br />
auch E&W viele bissig-ironische, schön gezeichnete Cartoons.<br />
2007 erhielt Traxler den Deutschen Karikaturenpreis<br />
für sein Lebenswerk.<br />
Hans Traxler: Ich, Gott und die Welt. Neue Bildergedichte, Reclam<br />
Verlag <strong>2010</strong>, 128 Seiten, 20 Euro.<br />
s. auch „Marktplatz“ Seite 44<br />
MARKTPLATZ<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 39
<strong>GEW</strong>-INTERN<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
wer verantwortlich vorsorgen will, kommt nicht daran vorbei, auch über die finanzielle Absicherung im Todesfall nachzudenken.<br />
Brechen Sie ein Tabu und treffen Sie Vorsorge für den Fall der Fälle.<br />
Ein Todesfall ist immer eine hohe psychische Belastung für alle Hinterbliebenen. Neben der Trauer müssen eine Reihe organisatorischer Aufgaben bewältigt<br />
werden. Von der Gestaltung der Trauerfeier bis hin zur Wohnungsauflösung. Aus Erfahrung wissen wir, dass die Kosten für eine würdige Bestattung<br />
5 000 EUR oft weit übersteigen. Sichern Sie Ihre Angehörigen rechtzeitig ab durch den Abschluss einer Sterbegeldversicherung. Denn seit<br />
dem 01.01.2004 wurde das von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlte Sterbegeld komplett gestrichen.<br />
Eigenverantwortung ist jetzt unverzichtbar – Wir helfen Ihnen dabei.<br />
Sie können jetzt mit der BFW-Sterbegeldversicherung Ihre Lücke in der Vorsorge schließen; dabei kommen Ihnen die besonders günstigen Beiträge<br />
für <strong>GEW</strong>-Mitglieder zugute. Diese und weitere Vorteile gelten auch für Ihre Angehörigen:<br />
Vorteile auf einen Blick:<br />
● Niedrige Beiträge durch Gruppenvertrag ● Garantierte Aufnahme bis 80 Jahre<br />
● Steuerbegünstigung der Beiträge ● Doppelzahlung bei Unfalltod<br />
● Keine Gesundheitsprüfung, ● Leistungsverbesserung durch Überschussbeteiligung<br />
Warum sollten Sie eine Sterbegeldversicherung beim Bildungs- und Förderungswerk der <strong>GEW</strong> abschließen?<br />
In der Bereitstellung finanzieller Mittel für ein würdiges Begräbnis sieht das BFW der <strong>GEW</strong> seine Hauptaufgabe. Durch den Gruppenvertrag mit der<br />
DBV Deutsche Beamtenversicherung bieten wir <strong>GEW</strong>-Mitgliedern und deren Angehörigen seit über 35 Jahren besonders günstige Versicherungsbeiträge.<br />
Wählen Sie eine Versicherungssumme zwischen 500 € und 12500 €.<br />
Senden Sie uns den folgenden Antrag am besten noch heute zurück.<br />
Beitragstabelle Monatsbeiträge je 500 EUR Versicherungssumme Tarif VG9/2008<br />
Eintritts Männer Frauen<br />
-alter EUR EUR<br />
15 0,59 EUR 0,51 EUR<br />
16 0,61 EUR 0,52 EUR<br />
17 0,62 EUR 0,53 EUR<br />
18 0,63 EUR 0,54 EUR<br />
19 0,65 EUR 0,56 EUR<br />
20 0,66 EUR 0,57 EUR<br />
21 0,67 EUR 0,58 EUR<br />
22 0,69 EUR 0,59 EUR<br />
23 0,71 EUR 0,60 EUR<br />
24 0,72 EUR 0,62 EUR<br />
25 0,74 EUR 0,63 EUR<br />
26 0,76 EUR 0,65 EUR<br />
27 0,78 EUR 0,66 EUR<br />
28 0,80 EUR 0,68 EUR<br />
29 0,82 EUR 0,69 EUR<br />
30 0,84 EUR 0,71 EUR<br />
31 0,86 EUR 0,73 EUR<br />
Bildungs- und Förderungswerk<br />
der <strong>GEW</strong> im DGB e.V.<br />
Eintrittsalter: Beginnjahr der Versicherung minus Geburtsjahr der zu versichernden Person.<br />
Bei Eintrittsalter 15-74 ist die Unfallzusatzversicherung obligatorisch eingeschlossen.<br />
Für andere Versicherungssummen als 500 Euro ist der Betrag entsprechend zu vervielfältigen.<br />
Die Monatsbeiträge sind versicherungstechnisch mit sieben Nachkommastellen gerechnet. Aus Vereinfachungsgründen sind aber nur zwei Nachkommastellen<br />
in der Beitragstabelle ausgewiesen. Deshalb kann es zu Rundungsdifferenzen kommen, die sich allerdings nur im Cent-Bereich bewegen.<br />
Endalter Beitragszahlung: 85 Jahre, aber mindestens fünf Jahre.<br />
40 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Eintritts Männer Frauen<br />
-alter EUR EUR<br />
32 0,89 EUR 0,75 EUR<br />
33 0,91 EUR 0,77 EUR<br />
34 0,94 EUR 0,79 EUR<br />
35 0,97 EUR 0,81 EUR<br />
36 1,00 EUR 0,83 EUR<br />
37 1,03 EUR 0,86 EUR<br />
38 1,06 EUR 0,88 EUR<br />
39 1,09 EUR 0,91 EUR<br />
40 1,13 EUR 0,94 EUR<br />
41 1,17 EUR 0,96 EUR<br />
42 1,21 EUR 0,99 EUR<br />
43 1,25 EUR 1,03 EUR<br />
44 1,30 EUR 1,06 EUR<br />
45 1,34 EUR 1,09 EUR<br />
46 1,39 EUR 1,13 EUR<br />
47 1,45 EUR 1,17 EUR<br />
48 1,50 EUR 1,21 EUR<br />
Eintritts Männer Frauen<br />
-alter EUR EUR<br />
49 1,56 EUR 1,26 EUR<br />
50 1,63 EUR 1,30 EUR<br />
51 1,69 EUR 1,35 EUR<br />
52 1,76 EUR 1,40 EUR<br />
53 1,84 EUR 1,46 EUR<br />
54 1,92 EUR 1,52 EUR<br />
55 2,00 EUR 1,58 EUR<br />
56 2,09 EUR 1,65 EUR<br />
57 2,18 EUR 1,72 EUR<br />
58 2,28 EUR 1,80 EUR<br />
59 2,39 EUR 1,88 EUR<br />
60 2,51 EUR 1,97 EUR<br />
61 2,63 EUR 2,07 EUR<br />
62 2,76 EUR 2,17 EUR<br />
63 2,91 EUR 2,29 EUR<br />
64 3,06 EUR 2,41 EUR<br />
65 3,23 EUR 2,55 EUR<br />
Eintritts Männer Frauen<br />
-alter EUR EUR<br />
66 3,42 EUR 2,70 EUR<br />
67 3,62 EUR 2,86 EUR<br />
68 3,84 EUR 3,05 EUR<br />
69 4,08 EUR 3,25 EUR<br />
70 4,35 EUR 3,48 EUR<br />
71 4,64 EUR 3,73 EUR<br />
72 4,97 EUR 4,02 EUR<br />
73 5,34 EUR 4,35 EUR<br />
74 5,75 EUR 4,73 EUR<br />
75 6,19 EUR 5,14 EUR<br />
76 6,75 EUR 5,66 EUR<br />
77 7,41 EUR 6,30 EUR<br />
78 8,22 EUR 7,09 EUR<br />
79 9,24 EUR 8,11 EUR<br />
80 10,61 EUR 9,49 EUR
Version G -03. <strong>2010</strong><br />
Beitrittserklärung bitte zurücksenden an:<br />
Bildungs- und Förderungswerk der <strong>GEW</strong> e.V., Postfach 90 04 09, 60444 Frankfurt<br />
Beitrittserklärung zur Gruppen-Sterbegeldversicherung<br />
(bis Alter 80) - Tarif VG9/2008<br />
Zu versichernde Person<br />
Versicherungsumfang<br />
Einzugsauftrag<br />
(bitte in jedem Fall ausfüllen)<br />
Produktbeschreibung<br />
Unfalltod-<br />
Zusatzversicherung<br />
Beitragszahlung<br />
Name / Vorname<br />
Straße / Hausnummer<br />
Versicherungsbeginn<br />
PLZ / Wohnort<br />
Geburtsdatum<br />
Telefonnummer für Rückfragen<br />
Ich beantrage eine Versicherungssumme von: (bitte ankreuzen)<br />
Versicherungssumme in €<br />
3.000<br />
5.000<br />
7.000<br />
10.000<br />
12.500<br />
Monatlicher Beitrag in €<br />
Ich wähle folgende Summe unter 12.500 Euro: Euro .....................<br />
zzgl. BFW-Mitgliedsbeitrag 0,05<br />
Mindestsumme 500,-- Euro<br />
Lastschriftbetrag ................<br />
Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die Beiträge für diese Gruppen-Sterbegeld-Versicherung bis auf schriftlichen Widerruf und der<br />
monatliche BFW-Mitgliedsbeitrag von € 0,05 im Lastschriftverfahren monatlich eingezogen werden.<br />
Konto-Nummer Bankleitzahl<br />
Y Y<br />
Bank / Sparkasse / Postbank Konto-Inhaber<br />
Y<br />
Die Versicherungsleistung wird beim Tod der versicherten Person fällig.<br />
Das Höchsteintrittsalter beträgt 80 Jahre. Der Versicherer verzichtet auf<br />
eine Gesundheitsprüfung; stattdessen gilt beim Tod der versicherten<br />
Person im 1. Versicherungsjahr folgende Staffelung der Versicherungssumme:<br />
Bei Tod im 1. Monat: Rückzahlung des eingezahlten Beitrages;<br />
bei Tod im 2. Monat: Zahlung von 1/12 der Versicherungssumme; bei Tod<br />
im 3. Monat Zahlung von 2/12 der Versicherungssumme usw.; allmonat-<br />
Eine Unfalltod-Zusatzversicherung ist stets eingeschlossen, außer bei<br />
den Eintrittsaltern ab 75 Jahren. Bei Tod infolge eines Unfalls vor dem<br />
Ende des Versicherungsjahres, in dem die versicherte Person ihr 75.<br />
Die Beiträge sind bis zum Ende des Monats zu entrichten, in dem die<br />
versicherte Person stirbt; längstens jedoch bis zum Ende des Ver-<br />
Überschussbeteiligung Die von der DBV Deutsche Beamtenversicherung Lebensversicherung<br />
AG laufend erwirtschafteten Überschüsse werden in Form von Grund- und<br />
Zinsüberschussanteilen weitergegeben. Die Grundüberschussanteile<br />
werden mit den von mir zu zahlenden Versicherungsbeiträgen verrechnet.<br />
Zuwendungserklärung Die während meiner Mitgliedschaft auf die Sterbegeldversicherung<br />
anfallenden Grundüberschussanteile werden mit<br />
den von mir zu zahlenden Versicherungsbeiträgen verrechnet.<br />
Bis auf meinen jederzeit möglichen Widerruf wende ich dem<br />
BFW der <strong>GEW</strong> laufend Beträge in Höhe der jeweils verrechneten<br />
Überschussanteile zu. Dadurch kommen diese Beträge wirt-<br />
Unterschriften<br />
Bildungs- und Förderungswerk<br />
der <strong>GEW</strong> im DGB e.V.<br />
Über die Erhöhung des Versicherungsschutzes wird ein gesonderter Versicherungsschein erstellt.<br />
Bevor Sie diese Beitrittserklärung unterschreiben, lesen Sie bitte auf der<br />
Rückseite die Einwilligungserklärung der zu versichernden Person. Die Einwilligungserklärung<br />
enthält u.a. die Klausel nach dem Bundesdaten-<br />
Ort / Datum Unterschrift der zu versichernden Person<br />
Y Y Y<br />
Bitte kreuzen Sie an:<br />
weiblich männlich<br />
lich um 1/12 der Versicherungssumme steigend bis zur vollen Versicherungssumme<br />
ab Beginn des 2. Versicherungsjahres. Stirbt die<br />
versicherte Person vor Ablauf des ersten Versicherungsjahres infolge<br />
eines im ersten Versicherungsjahr eingetretenen Unfalls, wird stets<br />
die volle Versicherungsleistung erbracht.<br />
Interne Angaben<br />
Gruppenvertragsnummer Personenkreis Versicherungsscheinnummer Versicherungssumme Versicherungsbeginn<br />
4 7 9 0 0 5 8 6 6 1 4 7 0 1 2 0 1 0<br />
Y<br />
Ihr Servicetelefon<br />
069/78 97 32 05<br />
Bitte ankreuzen:<br />
Mitglied<br />
Familienangehörige/r<br />
Lebensjahr vollendet hat, wird die volle Versicherungssumme zusätzlich<br />
zur Sterbegeldleistung gezahlt.<br />
sicherungsjahres, in dem die versicherte Person das rechnungsmäßige<br />
85. Lebensjahr vollendet.<br />
Die Zinsüberschussanteile werden verzinslich angesammelt<br />
und zusammen mit der Versicherungsleistung ausgezahlt.<br />
schaftlich nicht mir, sondern dem BFW der <strong>GEW</strong> zu 64 % für<br />
satzungsgemäße Aufgaben und zu 36 % zur Förderung der<br />
Sterbegeldeinrichtung (Kostendeckungsmittel) zugute. Über<br />
die Höhe der Zuwendungen gibt das BFW der <strong>GEW</strong> auf Anfrage<br />
jederzeit Auskunft. Bei Widerruf der Zuwendungserklärung<br />
beträgt der monatliche BFW-Mitgliedsbeitrag 2,50 €.<br />
schutzgesetz (BDSG) und Hinweise zum Widerspruchsrecht; sie ist<br />
wichtiger Bestandteil des Vertrages. Sie machen mit Ihrer Unterschrift<br />
die Einwilligungserklärung zum Inhalt dieser Beitrittserklärung.<br />
Unterschrift der Kontoinhaberin/des Kontoinhabers<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 41
Einwilligungserklärung Die Vereinigung und die zu versichernde Person geben die nachfolgend abgedruckten Einwilligungserklärungen zur Datenverarbeitung<br />
nach dem Bundesdatenschutzgesetz und zur Schweigepflichtentbindung ab.<br />
Widerrufsrecht<br />
Sie können Ihre Erklärung bis zum Ablauf von 30 Tagen<br />
nach Erhalt des Versicherungsscheins und der<br />
Bestimmungen und Informationen zum Vertrag (BIV) ohne<br />
Angabe von Gründen schriftlich widerrufen. Eine<br />
Erklärung in Textform (z.B. per Brief, Fax oder E-Mail) ist<br />
I. Bedeutung dieser Erklärung und Widerrufsmöglichkeit<br />
Ihre personenbezogenen Daten benötigen wir zur Verhinderung<br />
von Versicherungsmissbrauch, zur Überprüfung unserer<br />
Leistungspflicht, zu Ihrer Beratung und Information sowie allgemein<br />
zur Antrags-, Vertrags- und Leistungsabwicklung.<br />
Personenbezogene Daten dürfen nach geltendem Datenschutzrecht<br />
nur erhoben, verarbeitet oder genutzt werden<br />
(Datenverwendung), wenn dies ein Gesetz ausdrücklich<br />
erlaubt oder anordnet oder wenn eine wirksame Einwilligung<br />
des Betroffenen vorliegt.<br />
Nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist die Verwendung<br />
Ihrer allgemeinen personenbezogenen Daten<br />
(z.B. Alter oder Adresse) erlaubt, wenn es der Zweckbestimmung<br />
eines Vertragsverhältnisses oder vertragsähnlichen<br />
Vertrauensverhältnisses dient (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG).<br />
Das gleiche gilt, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen<br />
der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu<br />
der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des<br />
Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung<br />
überwiegt (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG). Die Anwendung<br />
dieser Vorschriften erfordert in der Praxis oft eine umfangreiche<br />
und zeitintensive Einzelfallprüfung. Auf diese kann bei Vorliegen<br />
dieser Einwilligungserklärung verzichtet werden.<br />
Zudem ermöglicht diese Einwilligungserklärung eine Datenverwendung<br />
auch in den Fällen, die nicht von den Vorschriften<br />
des Bundesdatenschutzgesetzes erfasst werden<br />
(Vgl. dazu Ziffer II).<br />
Einen intensiveren Schutz genießen besondere Arten personenbezogener<br />
Daten (insbesondere Ihre Gesundheitsdaten).<br />
Diese dürfen wir im Regelfall nur verwenden, nachdem<br />
Sie hierin ausdrücklich eingewilligt haben (Vgl. dazu Ziffer III.).<br />
Mit den nachfolgenden Einwilligungen zu Ziffer II. und Ziffer<br />
III. ermöglichen Sie zudem eine Datenverwendung auch<br />
solcher Daten, die dem besonderen gesetzlichen Schutz von<br />
Privatgeheimnissen gemäß § 203 Strafgesetzbuch unterliegen.<br />
Diese Einwilligungen sind ab dem Zeitpunkt der Antragstellung<br />
wirksam. Sie wirken unabhängig davon, ob später<br />
der Versicherungsvertrag zustande kommt. Es steht Ihnen<br />
frei, diese Einwilligungserklärungen mit Wirkung für die<br />
Zukunft jederzeit ganz oder teilweise zu widerrufen. Dies<br />
lässt aber die gesetzlichen Datenverarbeitungsbefugnisse<br />
unberührt. Sollten die Einwilligungen ganz oder teilweise<br />
verweigert werden, kann das dazu führen, dass ein Versicherungsvertrag<br />
nicht zustandekommt.<br />
II. Erklärung zur Verwendung Ihrer allgemeinen personenbezogenen<br />
Daten<br />
Hiermit willige ich ein, dass meine personenbezogenen Daten<br />
unter Beachtung der Grundsätze der Datensparsamkeit und<br />
der Datenvermeidung verwendet werden<br />
1.a) zur Vertragsabwicklung und zur Prüfung der Leistungspflicht;<br />
b) zur Weitergabe an den/die für mich zuständigen Vermittler,<br />
soweit dies der ordnungsgemäßen Durchführung meiner<br />
Versicherungsangelegenheiten dient;<br />
Allgemeine Hinweise<br />
Mir ist bekannt, dass die Vereinigung Versicherungsnehmerin<br />
ist. Sie handelt in meinem Auftrag. Ich bevollmächtige die Vereinigung<br />
zur Vertretung bei der Abgabe und Entgegennahme<br />
aller das Versicherungsverhältnis betreffenden Willenserklärungen<br />
(einschließlich der Kündigung der Sterbegeldversicherung<br />
beim Ausscheiden des Mitglieds aus der Vereinigung);<br />
die Vertretungsbefugnis erstreckt sich jedoch nicht<br />
auf die Empfangnahme von Versicherungsleistungen und<br />
die Änderung des Bezugsrechts.<br />
Versicherungsträger<br />
DBV Deutsche Beamtenversicherung<br />
Lebensversicherung AG<br />
Sitz: Wiesbaden (AG Wiesbaden - HRB 7501-)<br />
Vorsitzender des Aufsichtsrats: Herbert Falk<br />
42 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Widerrufsbelehrung auf Abschluss eines Versicherungsvertrages<br />
ausreichend. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die<br />
rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu<br />
richten an: DBV Deutsche Beamtenversicherung Lebensversicherung<br />
AG, Frankfurter Str. 50, 65189 Wiesbaden.<br />
Sofern der vorseitig genannte Versicherungsbeginn vor<br />
2. zur gemeinschaftlichen Führung von Datensammlungen<br />
der zur AXA Gruppe gehörenden Unternehmen (zu denen<br />
auch die DBV Deutsche Beamtenversicherung zählt und<br />
die im Internet unter www.dbv.de einsehbar sind oder mir<br />
auf Wunsch mitgeteilt werden), um die Anliegen im Rahmen<br />
der Antrags-, Vertrags- und Leistungsabwicklung schnell,<br />
effektiv und kostengünstig bearbeiten zu können (z.B.<br />
richtige Zuordnung Ihrer Post oder Beitragszahlungen).<br />
Diese Datensammlungen enthalten Daten wie Name,<br />
Adresse, Geburtsdatum, Kundennummer, Versicherungsnummer,<br />
Kontonummer, Bankleitzahl, Art der bestehenden<br />
Verträge, sonstige Kontaktdaten;<br />
3. durch andere Unternehmen/Personen (Dienstleister) innerhalb<br />
und außerhalb der AXA Gruppe, denen der Versicherer<br />
oder ein Rückversicherer Aufgaben ganz oder teilweise zur<br />
Erledigung überträgt. Diese Dienstleister werden eingeschaltet,<br />
um die Antrags-, Vertrags- und Leistungsabwicklung<br />
möglichst schnell, effektiv und kostengünstig zu<br />
gestalten. Eine Erweiterung der Zweckbestimmung der<br />
Datenverwendung ist damit nicht verbunden. Die Dienstleister<br />
sind im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung verpflichtet,<br />
ein angemessenes Datenschutzniveau sicher zu stellen,<br />
einen zweckgebundenen und rechtlich zulässigen Umgang<br />
mit den Daten zu gewährleisten sowie den Grundsatz der<br />
Verschwiegenheit zu beachten;<br />
4. zur Verhinderung des Versicherungsmissbrauchs und bei<br />
der Klärung von Ansprüchen aus dem Versicherungsverhältnis<br />
durch Nutzung konzerneigener Datenbestände sowie<br />
Nutzung eines Hinweis- und Informationssystems der Versicherungswirtschaft<br />
mit Daten, die der Gesamtverband<br />
der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) im Auftrag<br />
der Versicherer verschlüsselt. Auf Basis dieses Systems<br />
kann es zu einem auf den konkreten Anlass bezogenen<br />
Austausch personenbezogener Daten zwischen dem<br />
anfragenden und dem angefragten Versicherer kommen;<br />
5. zur Beratung und Information über Versicherungs- und<br />
sonstige Finanzdienstleistungen durch<br />
a) den Versicherer, andere Unternehmen der AXA Gruppe und<br />
den für mich zuständigen Vermittler;<br />
b) Kooperationspartner des Versicherers (die im Internet<br />
unter www.axa.de einsehbar sind oder mir auf Wunsch<br />
mitgeteilt werden); soweit aufgrund von Kooperationen mit<br />
Gewerkschaften/Vereinen Vorteilskonditionen gewährt<br />
werden, bin ich damit einverstanden, dass der Versicherer<br />
zwecks Prüfung, ob eine entsprechende Mitgliedschaft<br />
besteht, mit den Gewerkschaften/Vereinen einen Datenabgleich<br />
vornimmt;<br />
6. zur Antrags-, Vertrags- und Leistungsabwicklung, indem<br />
der Versicherer Informationen über mein allgemeines<br />
Zahlungsverhalten einholt. Dies kann auch erfolgen durch<br />
ein anderes Unternehmen der AXA Gruppe oder eine Auskunftei<br />
(z.B. Bürgel, Infoscore, Creditreform, SCHUFA);<br />
7. zur Antrags-, Vertrags- und Leistungsabwicklung, indem<br />
Bei höherem Eintrittsalter können die zu zahlenden<br />
Beiträge in ihrem Gesamtbetrag die versicherte<br />
Leistung unter Umständen übersteigen.<br />
Eine Durchschrift der Beitrittserklärung wird mir unverzüglich<br />
nach Unterzeichnung zugesandt.<br />
Auf diesen Vertrag findet das Recht der Bundesrepublik<br />
Deutschland Anwendung.<br />
Soweit Vorteilskonditionen gewährt werden, die vom<br />
Bestehen der Mitgliedschaft zu einer Gewerk-<br />
Vorstand: Dr. Frank Keuper (Vors.), Dr. Patrick Dahmen,<br />
Wolfgang Hanssmann, Ulrich C. Nießen, Thomas Gerber,<br />
Dr. Heinz-Jürgen Schwering<br />
dem Ablauf der Widerrufsfrist liegt, bin ich damit einverstanden,<br />
dass der erste oder einmalige Beitrag (Einlösungsbeitrag)<br />
- abweichend von der gesetzlichen<br />
Regelung - vor Ablauf der Frist fällig d.h. unverzüglich zu<br />
zahlen ist.<br />
der Versicherer ein Unternehmen der AXA Gruppe oder<br />
eine Auskunftei eine auf der Grundlage mathematischstatistischer<br />
Verfahren erzeugte Einschätzung meiner<br />
Zahlungsfähigkeit bzw. der Kundenbeziehung (Scoring) einholt.<br />
III. Erklärungen zur Schweigepflichtentbindung und<br />
Verwendung von Gesundheitsdaten<br />
Schweigepflichtentbindung<br />
Zur Bewertung unserer Leistungspflicht kann es erforderlich<br />
werden, dass wir die Angaben prüfen, die zur Begründung<br />
von Ansprüchen gemacht werden oder die sich aus eingereichten<br />
Unterlagen (z.B. Rechnungen, Verordnungen, Gutachten)<br />
oder Mitteilungen beispielsweise eines Krankenhauses<br />
oder Arztes ergeben. Diese Überprüfung unter Einbeziehung<br />
von Gesundheitsdaten erfolgt nur, soweit hierzu<br />
ein Anlass besteht (z.B. Fragen zu Unfalltod oder Selbsttötung).<br />
Um diese Prüfung und Bewertung zu ermöglichen, geben<br />
Sie folgende Erklärung ab:<br />
a) Zum Zweck der Prüfung der Leistungspflicht befreie ich<br />
von ihrer Schweigepflicht Ärzte, Pflegepersonen und Bedienstete<br />
von Krankenhäusern, sonstigen Krankenanstallten,<br />
Pflegeheimen, Personenversicherern, gesetzlichen<br />
Krankenkassen sowie von Berufsgenossenschaften und<br />
Behörden, soweit ich dort in den letzten 10 Jahren vor<br />
Antragstellung untersucht, beraten oder behandelt worden<br />
bin bzw. versichert war oder einen Antrag auf Versicherung<br />
gestellt habe.<br />
b) Die Angehörigen des Versicherers und seiner Dienstleistungsgesellschaften<br />
befreie ich von ihrer Schweigepflicht<br />
insoweit, als Gesundheitsdaten an beratende Ärzte oder<br />
Gutachter weitergegeben werden. Wir werden Gesundheitsdaten<br />
nach den Absätzen a) und b) nur erheben zur Leistungspflichtprüfung.<br />
Datenverwendung<br />
Um die Datenverwendung zu ermöglichen, geben Sie<br />
folgende Erklärungen ab:<br />
a) Ich willige in die Verwendung der von den vorstehenden<br />
Schweigepflichtentbindungserklärungen erfassten Gesundheitsdaten<br />
zur Leistungsprüfung ein. Die Grundsätze der<br />
Datensparsamkeit und Datenvermeidung sind zu beachten.<br />
b) Ich willige ferner ein, dass die von den vorstehenden<br />
Schweigepflichtentbindungserklärungen erfassten Gesundheitsdaten<br />
unter Beachtung der Grundsätze der Datensparsamkeit<br />
und Datenvermeidung im Sinne der Ziffer II. Nr.<br />
1 (Vertragsabwicklung), Nr. 3 (Outsourcing an Dienstleister),<br />
Nr. 4 (Missbrauchsbekämpfung) und Nr. 5 (Beratung und<br />
Information) verwendet werden dürfen.<br />
Zur Missbrauchsbekämpfung im Rahmen einer besonderen<br />
Konzerndatenbank dürfen Gesundheitsdaten nur von<br />
Kranken-, Unfall- und Lebensversicherern eingesehen und<br />
verwendet werden (Ziffer II. 4).<br />
schaft/Vereinigung abhängig sind, erfolgt ein Datenabgleich<br />
mit dieser Organisation ohne Bekanntgabe der Versicherungsinhalte.<br />
Die für Ihre Versicherung zuständige Aufsichtsbehörde ist die<br />
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin),<br />
Postfach 1308, 53003 Bonn, Internet: www.bafin.de.<br />
Unser Unternehmen ist Mitglied im Verein Versicherungsombudsmann<br />
e.V., Postfach 080632, 10006 Berlin.<br />
Anschrift:<br />
Frankfurter Straße 50<br />
65189 Wiesbaden
Erziehung<br />
und Wissenschaft<br />
Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft <strong>GEW</strong> 6/<strong>2010</strong><br />
„Historische<br />
Bedingungen“<br />
(E&W 6/<strong>2010</strong>: Schwerpunkt<br />
Sexuelle Gewalt)<br />
Jürgen Oelkers fordert, die reformpädagogischen<br />
Konzepte an deren<br />
Umsetzung in der Realität zu<br />
prüfen. Dem stimme ich zu.<br />
Doch fordere ich Oelkers auf,<br />
auch die historischen Bedingungen<br />
zu bedenken. Warum hat es<br />
denn die Praxis vieler reformpädagogischer<br />
Ideen „so nie gegeben“?<br />
Mit der Gründung der Weimarer<br />
Republik war überhaupt<br />
erst eine Reform des elitären, obrigkeitsstaatlichen<br />
Schulsystems<br />
denkbar. Viele reformpädagogische<br />
Ansätze waren 1933 nach<br />
nur zwölf Jahren Demokratie<br />
noch nicht ausgereift. Warum<br />
knüpften die Pädagogischen<br />
Hochschulen 1946 an die Weimarer<br />
Republik an? Weil sie keine<br />
Fortsetzung von Gleichschaltung,<br />
Drill und keine Hierarchie aus Befehl<br />
und Gehorsam in der Schule<br />
mehr wollten.<br />
Irmgard Groß, Mülheim an der<br />
Ruhr<br />
„Schwarz-Weiß-Malerei“<br />
(E&W 9/<strong>2010</strong>, Seite 6 ff.: „Keine<br />
Verweigerer – eher Hungrige“)<br />
Und wieder nur Schwarz-Weiß-<br />
Malerei: Produktionsschulen werden<br />
gegen das Berufsvorbereitungsjahr<br />
(BVJ) ausgespielt. Wer<br />
die BVJ-Landschaft in Hamburg<br />
kennt, der weiß, dass etliche BV-<br />
Projekte ähnlich wie Produktionsschulen<br />
arbeiten. So auch „meine“<br />
Schule, die Gewerbeschule<br />
Bautechnik. Engagierte Kollegen,<br />
die freiwillig in dieser Schulform<br />
arbeiten, ein an der Produktion<br />
orientiertes Konzept, die Einbet-<br />
tung innerhalb der Gesamtschule,<br />
die Haltung der Lehrkräfte, dass<br />
jeder Schüler gut ist in irgendetwas<br />
und lernen will – das sind einige<br />
der Voraussetzungen, die<br />
dafür sorgen, dass das BVJ nicht<br />
zur Warteschleife wird. Und<br />
schließlich: Rauswerfen müssen<br />
wir auch niemanden. Ohne<br />
Kenntnisse seiner schulischen<br />
Vorgeschichte bekommt bei uns<br />
jeder seine Chance!<br />
Jens Tiedemann (per E-Mail)<br />
„Wichtiges Thema“<br />
(E&W 9/<strong>2010</strong>, Seite 23:<br />
„Mehr Männer in die Kitas“)<br />
Der Artikel greift ein wichtiges<br />
Thema auf. Als Fachkraft im Offenen<br />
Ganztag kenne ich die Probleme<br />
des Männermangels im Kita-<br />
und Hortbereich. Allerdings<br />
teile ich nicht die Auffassung,<br />
man könne keine „Handwerker“<br />
indieSchuleschicken.Inmeinem<br />
Bekanntenkreis gibt es einen<br />
ehemaligen Handwerker, der seinen<br />
Job verlor und eine Stelle als<br />
Erzieher annehmen musste. Er ist<br />
nicht nur in seinem neuen Job<br />
glücklich, sondern auch ein guter<br />
Pädagoge geworden.<br />
Melanie Görner (per E-Mail)<br />
„Zu viele Unaufgeklärte“<br />
(E&W 9/<strong>2010</strong>, Seite 25:<br />
„Die Zeit ist noch nicht reif“)<br />
Die grüne Schulsenatorin Christa<br />
Goetsch bringt es auf den Punkt:<br />
Der Bildungsfortschritt in Hamburg<br />
kommt wahrscheinlich<br />
durch viele „Unaufgeklärte“ aus<br />
dem Bürgertum und sicherlich<br />
auch aufgrund medialer Kampagnen<br />
in den nächsten Jahren noch<br />
nicht zum Zuge. Was Lehrkräfte<br />
aber unabhängig von der Schulstruktur<br />
für die Bildungschancen<br />
der Schüler tun können ist, die<br />
Qualität ihres Unterrichts zu verbessern.<br />
Ulrich Nagel (per E-Mail)<br />
„Abschreckung?“<br />
(E&W 9/<strong>2010</strong>, Seite 29:<br />
„Den Bundesländern gehen<br />
die Lehrkräfte aus“)<br />
Als pensionierte Lehrerin kann<br />
ich von Glück reden, dass mir das,<br />
was gegenwärtig in der Lehrerausbildung<br />
schief läuft, erspart geblieben<br />
ist. Heute werden Refe-<br />
rendarinnen und Referendare von<br />
praxisfremden Ausbildern abqualifiziert.<br />
Will man Lehrkräfte ausbilden<br />
oder will man junge, motivierte<br />
Menschen vom pädagogischen<br />
Beruf abschrecken? Und:<br />
Wie kann es angehen, dass mehr<br />
als die Hälfte bei den Prüfungen<br />
durchfallen? Sollten vielleicht die<br />
Ausbilder einmal auf den Prüfstand?<br />
Rosemarie Michel, Frankfurt am<br />
Main<br />
„Beamtentum für alle“<br />
(E&W 9/<strong>2010</strong>, Seite 37: „Länder<br />
wollen Beamte abstrafen“)<br />
Die <strong>GEW</strong> ist eine Interessenvertretung<br />
ihrer Mitglieder. Ich finde<br />
es beeindruckend, wie konsequent<br />
und beharrlich sie diesen<br />
Ansatz verfolgt – zumindest aus<br />
Sicht der Beamten. Sie hütet sich,<br />
diesen ebenso ewiggestrigen wie<br />
absurden Status und die damit<br />
verbundenen Privilegien wirklich<br />
in Frage zu stellen; bloß nicht antasten.<br />
Nur wenn es um das<br />
Streikrecht geht, fällt der <strong>GEW</strong><br />
auf, dass da etwas nicht stimmt.<br />
So kommt man sich mit den vielen<br />
Mitgliedern, die ja bekennenderweise<br />
mehrheitlich „fortschrittlich“<br />
und „links“ usw. sind,<br />
die aber als letztes auf ihre Beamtenprivilegien<br />
verzichten wollen,<br />
nicht in die Quere. Oder will die<br />
<strong>GEW</strong> gegen unzumutbare Arbeitsverhältnisse<br />
anderer Beschäftigter<br />
in Zukunft mit der Parole<br />
kämpfen: „Kommt zu uns! Beamtentum<br />
für alle!“?<br />
Christian Wild, Marburg<br />
„Nicht ignorieren“<br />
(E&W 9/<strong>2010</strong>, Seite 39:<br />
„Auf dem Vormarsch“)<br />
Der Artikel ist aus zwei Gründen<br />
ärgerlich: Der Autor, Jürgen<br />
Amendt, zitiert zwar den „Beutelsbacher<br />
Konsens“, d. h. das Überwältigungsverbot<br />
der Lehrkraft gegenüber<br />
den Schülern, spricht<br />
aber offenbar den Lehrkräften die<br />
Fähigkeit ab, diesen einzulösen.<br />
Amendt befürchtet, die Lehrkräfte<br />
gäben ihren Lehrauftrag an Jugendoffiziere<br />
ab, die ihre Vorträge<br />
zur Rekrutierung nutzten. Die<br />
Bundeswehr ist Verfassungsorgan<br />
der Bundesrepublik Deutschland.<br />
Damit sind Veranstaltungen mit<br />
der Bundeswehr oder mit Bundes-<br />
LESERFORUM<br />
Erziehung<br />
undWissenschaft<br />
Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft <strong>GEW</strong> 9/<strong>2010</strong><br />
Jugendliche auf demWeg von der Schule in den Beruf<br />
Kaum Chancen,<br />
voller Hoffnung<br />
wehrangehörigen nicht nur zulässig,<br />
sondern notwendig. Schule<br />
hat den eindeutigen Auftrag,<br />
Schülerinnen und Schülern auf<br />
dem Weg zu kritischen, demokratischen<br />
Staatsbürgern zu begleiten.<br />
Dazu gehört der Umgang mit<br />
den Institutionen dieses Landes.<br />
Ein Ignorieren der Bundeswehr<br />
hilft nicht weiter.<br />
Nikola Dzembritzki, Freiburg<br />
„Altersrassismus?“<br />
(E&W 9/<strong>2010</strong>, Seite 48:<br />
„Diesmal“)<br />
Da ist der E&W-Redaktion ja einmal<br />
etwas ganz Feines gelungen!<br />
Gut, dass ich mit meinen 61 Jahren<br />
– mein Gott, immer noch im<br />
Schuldienst! – weiß, was auf mich<br />
zukommt. Gerade als Frau (hätte<br />
die Zeichnung auch mit einem<br />
Mann funktioniert?). Ich freue<br />
mich, dass die <strong>GEW</strong> immer<br />
wacker die Interessen von uns<br />
„Alten“ vertritt, auch wenn ich irgendwann<br />
wahrscheinlich kaum<br />
noch vor die Tür treten kann, geschweige<br />
denn, mich in die Nähe<br />
von Kindern und Jungspunden<br />
wie der E&W-Redaktion wage.<br />
Mal ehrlich, ist so etwas nicht<br />
„Altersrassismus“?<br />
Sabine Krüger, Hamburg<br />
„Echt erschrocken“<br />
(E&W 10/<strong>2010</strong>: Schwerpunkt<br />
Ganztag)<br />
Über die Artikel zum Thema<br />
„Ganztagsschule“ bin ich echt erschrocken.<br />
Von einer Gewerkschaft<br />
hätte ich erwartet, dass sie<br />
sich für meine Arbeitsbedingungen<br />
interessiert und sich dafür einsetzt,<br />
diese zu verbessern. Oder<br />
habe ich da ein überholtes Ge-<br />
11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 43
LESERFORUM MARKTPLATZ<br />
werkschaftsverständnis und gilt<br />
das bei der „Bildungsgewerkschaft”<br />
<strong>GEW</strong> nicht mehr?<br />
Unsere Schule (Grundschule/Hessen)<br />
bietet seit diesem Jahr<br />
den Ganztag an. Aber die Kolleginnen<br />
und Kollegen im Nachmittagsbetrieb<br />
erhalten nur einen<br />
Teil der geleisteten Arbeitszeit angerechnet.<br />
Sie sind zum Teil<br />
durchgängig von 7.45 Uhr bis<br />
14.30 Uhr im Einsatz. Und das<br />
Mittagessen mit Erst- bis Viertklässern<br />
in extremer Geräuschkulisse<br />
ist auch keine Erholung (Aufsichtspflicht!)<br />
und muss noch von<br />
den Lehrkräften, mit täglich drei<br />
Euro, selbst gezahlt werden.<br />
Warum verliert die E&W kein<br />
Wort darüber, dass sich die Arbeitsbedingungen<br />
im Ganztag<br />
verschlechtert haben? 29 Stunden<br />
Unterrichtsverpflichtung bei einem<br />
Gehalt von A 12 ist kein<br />
Grund, alles hinzunehmen.<br />
Antje Swoboda (per E-Mail)<br />
„Unvergessen“<br />
(E&W 10/<strong>2010</strong>, Seite 28: Interview<br />
mit Jürgen Baumert)<br />
Jürgen Baumert wird uns unvergessen<br />
bleiben. Das deutsche Bildungsbürgertum<br />
und seine fest<br />
Burg Gymnasium verdanken ihm<br />
viel. Unübertroffen sein „Pisafake“,<br />
jener mit unvergleichlicher<br />
Chuzpe und bis heute andauernden<br />
Folgen angelegte Coup der<br />
Verfälschung der PISA-Ergebnisse<br />
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in Deutschland. Die Einzelheiten<br />
lassen sich hier nicht adä-<br />
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44 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
quat darstellen. Sie finden sich<br />
unter: http://bipomat.de/pisafake/<br />
pisafake.html.<br />
Rolf Jüngermann, Gelsenkirchen<br />
„Hohn für Mitglieder“<br />
(E&W 10/<strong>2010</strong>:<br />
Beilage „Berge & Meer“)<br />
Als langjähriges Gewerkschaftsmitglied<br />
möchte ich mein Unverständnis<br />
darüber äußern, dass die<br />
besten Angebote der Urlaubs-Reisetermine<br />
in Ihrer Beilage „berge<br />
& meer“ für die meisten Ihrer Klientel<br />
(nämlich die Lehrkräfte) ein<br />
Hohn sind. Z. B. die Reisetermine<br />
für „Baltikum, Litauen, ...“, „Vietnam.<br />
Hanoi bis ...“, „Kanada.<br />
Westen.“ etc. erinnern mich stark<br />
an die Angebote des Feriendienstes<br />
des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes<br />
(FDGB) der DDR<br />
– viele Angebote, aber keine für<br />
Lehrkräfte. Nur die „hochgelobten“<br />
Funktionäre in den übergeordneten<br />
Ämtern konnten (und<br />
können) außerhalb der Ferienzeiten<br />
derartige Angebote in Anspruch<br />
nehmen.<br />
A. Milbredt (per E-Mail)<br />
E &W-Briefkasten<br />
Postanschrift der Redaktion:<br />
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft<br />
Postfach 900409, 60444 Frankfurt a. M.,<br />
E-Mail: renate.koerner@gew.de<br />
Die E&W-Rubrik „Anschlagtafel“ ist auf<br />
unserer Website unter www.gew.de/<strong>GEW</strong>-<br />
Anschlagtafel. html zu finden.<br />
Verschiedenes<br />
Neonazis immer offensiver im Netz<br />
Zur rassistischen Gewalt anstachelnde Liedtexte werden derzeit<br />
als Gute-Nacht-Geschichten für Kinder im Internet verbreitet.<br />
Zur Melodie von Schlaf- und Kinderliedern werden<br />
der Holocaust geleugnet und zum Mord an Juden und<br />
Schwarzen aufgerufen. Auf die Neonaziblogs und Downloadplattformen<br />
greifen täglich bis zu 10000 User zu. Mehr als<br />
1870 Websites aus der Szene und mehrere Tausend rechtsextreme<br />
Beiträge in Communitys wie Facebook und auf Videoplattformen<br />
wie YouTube zählte die Jugendschutzstelle der<br />
Bundesländer.<br />
Wie sich die Propaganda von Neonazis erkennen lässt und<br />
was Einzelne dagegen tun können, zeigt der Videoclip „Wir<br />
sind online. Damit Neonazis offline gehen“ bei YouTube<br />
(www.youtube.com/watch?v=yU-yp_WZ3S8), der gemeinsam<br />
von www.jugendschutz.net und der Online-Beratung gegen<br />
Rechtsextremismus entwickelt worden ist. Die Online-Beratung<br />
des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ berät<br />
Menschen, die in ihrem persönlichen Umfeld mit Rechtsextremismus<br />
konfrontiert sind.<br />
(s. auch unter: www.online-beratung-gegen-rechtsextremismus.de/)<br />
Wettbewerb Kinder zum Olymp<br />
Die Kulturstiftung der Länder ruft zum siebten Mal bundesweit<br />
mit ihrer Bildungsinitiative „Kinder zum Olymp!“ zu einem<br />
Wettbewerb für Schulen auf. In Kooperationsprojekten<br />
mit außerschulischen Partnern – kulturellen Einrichtungen<br />
und Künstlern – sollen Schüler und Lehrkräfte neue Ideen<br />
entwickeln und umsetzen. Ausgezeichnet werden nicht nur<br />
Einzelprojekte, sondern auch die Schule mit dem überzeugendsten<br />
Kulturprofil. Eine Schule, in der die Künste<br />
fächerübergreifend den Alltag prägen. Teilnehmen können<br />
alle allgemein bildenden Schulen mit ihren Kulturpartnern<br />
sowie Kultureinrichtungen und Künstler mit ihren Schulkooperationen.<br />
Anmeldungen sind bis zum 30. <strong>November</strong> noch möglich. Der<br />
Wettbewerbsbeitrag muss bis zum 1. März 2011 eingereicht<br />
werden. Anmeldung und weitere Informationen unter:<br />
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11/<strong>2010</strong> Erziehung und Wissenschaft 47
Erziehung und Wissenschaft<br />
Diesmal<br />
48 Erziehung und Wissenschaft 11/<strong>2010</strong><br />
Cartoon: Thomas Plaßmann