SPORTaktiv Oktober 2017
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Gruppenbild mit Reichstag,<br />
pure Lauffreude<br />
bei Kilometer 21. Oben:<br />
Angelika und Marko<br />
freuen sich im Ziel.<br />
Fotos: Andreas Perer<br />
das gleiche Ziel. „Auch wenn das Training<br />
aufgrund kleinerer Verletzungen<br />
nicht ganz optimal gelaufen ist“. Andrea<br />
will die Schallmauer gemeinsam mit<br />
ihrer Tochter Teresa knacken. Sascha<br />
wiederum schaut „gar nicht auf die Uhr.<br />
Ich höre einfach auf meinen Körper und<br />
schaue, was geht“. Das Hineinhören in<br />
sich hat sich der Niederösterreicher bei<br />
so elementaren Erfahrungen wie einem<br />
160-Kilometer-Traillauf angeeignet.<br />
Bleibt noch Dieter, ÖBB-Fahrdienstleiter<br />
aus Graz. „Der Franz hat mich<br />
überredet“, erzählt er. Dabei mag er<br />
eigentlich keine Massenaufläufe. „Am<br />
liebsten lauf ich für mich allein.“ Na<br />
bravo, mehr Kontrast geht nicht. Knapp<br />
44.000 stehen jetzt am Start.<br />
Ein Schuss fällt. Zumindest sieht man<br />
das auf den Leinwänden. Denn der letzte<br />
Startblock ist so weit von der Startlinie<br />
entfernt, dass der Knall gar nicht<br />
mehr zu hören ist. 88.000 Laufschuhe<br />
trappeln los über den Asphalt, der Siegessäule<br />
entgegen und dann vorbei am<br />
Regierungsviertel, über die Spree, weiter<br />
in den Osten der Stadt, den Alexanderplatz<br />
lässt die Masse rechts liegen.<br />
Bei der Hälfte der Distanz künden die<br />
Österreich-Fahnen von Perer und dem<br />
Begleiter-Tross von einem Motivationsschub<br />
– besser als jedes Power-Gel. Weiter,<br />
immer weiter. 39, 40, 41 Kilometer<br />
geschafft. Jetzt die letzte Linkskurve und<br />
die 500 Meter für die wir alle trainiert<br />
haben. Durchs Brandenburger Tor, ein<br />
paar Schritte noch, Zieleinlauf. „Glück<br />
ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn<br />
man es teilt“, hat Albert Schweitzer gesagt.<br />
Im Zielgelände vor dem Reichstag<br />
füllen die Marathonläufer dieses Zitat<br />
mit Leben. Männer und Frauen liegen<br />
sich in den Armen, stoßen an, feiern.<br />
Franz posiert im Captain-America-Shirt,<br />
Sascha jubelt mit Angelika. Jeder erzählt,<br />
jeder hört zu, das Adrenalin tropft<br />
den meisten lange nach dem Zieleinlauf<br />
noch aus den Ohren. Auch Andrea<br />
kann wieder lachen. Das Experiment<br />
mit den Power-Gels hat ihr statt Energie<br />
und Bestzeit nur Übelkeit gebracht,<br />
dafür ist ihre Tochter in 3:47 angekommen.<br />
Übrigens 53 Minuten vor mir,<br />
dem laufenden Schreiber.<br />
Andreas Perer schwingt immer noch<br />
die Fahne, wartet auf alle Teilnehmer<br />
der Gruppe, setzt sie ins Fahrrad-Taxi<br />
zur S-Bahn. Auf der Finisher-Party am<br />
Abend im Hotel rennt der Schmäh wie<br />
in der Früh die Beine. Viele haben die<br />
wuchtige Medaille um den Hals, alle ein<br />
breites Grinsen im Gesicht. Auch Ruefa-Reiseleiter<br />
Perer freut sich mit den<br />
Finishern. Und freut sich auf Ende <strong>Oktober</strong>.<br />
Da will er in Dublin die Lust der<br />
letzten Meter wieder selbst auskosten.<br />
<strong>SPORTaktiv</strong><br />
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