AUS DEM DISTRIKT NICHT HADERN, SONDERN DIE ÄRMEL HOCH- KREMPELN! Viel vorgenommen hat sich Burkhard Kemmann für seine Amtszeit. Der Unternehmensberater möchte durch neue Strategien, Strukturen, Systeme, Prozesse und Verhaltensweisen die Attraktivität und Leistungsfähigkeit des deutschen Distriktes optimieren. KM-Redakteur Alexander Becker hat den neuen Governor zu den Details befragt. Alexander Becker: Wie sieht die aktuelle Situation insbesondere hinsichtlich der Mitgliederzahlen der deutschen Kiwanis-Clubs aus? Burkhard Kemmann: Seit einigen Jahren haben wir viele Clubs ge- schlossen. Darum haben wir im Frühjahr in einer Beraterkreissitzung beschlossen, strukturelle Maßnahmen zu ergreifen. Damit möchten wir vor allem das Ziele erreichen, den Vorstand und den Governor näher an die 10 Kiwanis-Magazin | Oktober 2017
AUS DEM DISTRIKT Clubs zu bringen. Künftig sind somit die Clubs unsere Kunden und wir sind als Dienstleister für die Clubs da. Vor diesem Hintergrund werden wir die Bereichsleiterstruktur auf die Ebene der Governors verlagern, d.h. der neu initiierte Vize Governor, der Governor elect und der Immediate Past Governor werden eine Region in Deutschland betreuen. AB: Das bedeutet, dass es nur noch drei Regionen gibt. Führt dies nicht zu höheren Reisekosten, wenn statt der bisher regional beheimateten Bereichs-Chairs die Governors teilweise sehr lange Anfahrtswege haben? BK: Wir hatten in der Bereichsstruktur genauso Fahrtkosten, dadurch dass die Lt. Governors zu Sitzungen reisen mussten. Diese Kosten haben sich nur verschoben. Ich bin davon überzeugt, dass wir einerseits nicht wesentlich mehr Reisekosten haben, aber auch davon, dass wir die genannten Maßnahmen durchführen müssen, da wir durch den Mitgliederschwund eine Beitragsreduzierung stattfindet und wir weniger Mittel zur Verfügung haben. AB: Inwieweit werden die Governors bei ihren neuen Aufgaben unterstützt? BK: Wir wollen einen Pool regionaler Berater gründen, der sich im Wesentlichen aus Past Governors und anderen erfahrenen Kiwaniern rekrutieren soll. Wenn in einem Club Probleme auftreten, kann der jeweilige Regional-Governor diese Berater einsetzen bis die Problematik gelöst ist. AB: Mitgliederschwund und Club-Sterben sind große Herausforderungen. Wie willst du Kiwanis-Freunde dazu bewegen, sich für Club-Neugründungen einzusetzen? Warum sollte sich ein Kiwanier die Mühe machen, einen neuen Club zu gründen? BK: Der Erhalt bestehender Clubs hat zwar oberste Priorität, doch sollte jede Division versuchen, zumindest einen neuen Club zu gründen. Weiterhin soll jeder Club pro Jahr vier neue, möglichst junge Mitglieder gewinnen. Der Altersdurchschnitt der Mitglieder muss möglichst unter 65 Jahren gehalten werden. Der Regional-Governor hat den Auftrag, die Lt. Governor dazu zu bewegen, diese Aktivitäten ins Rollen zu bringen. Das sind hehre Ziele, aber wir sind auf einem guten Weg. Wir müssen die Veränderungen unbedingt mit ganzem Herzen umsetzen – dann werden wir auch erfolgreich sein. AB: Über welche Kommunikationskanäle willst du Mitglieder über die Veränderungen und laufenden Entwicklungen informieren? BK: Insbesondere über Facebook können wir eine Kommunikation anstoßen. Ergänzend hierzu muss sich jeder Kiwanier selbst in seinem Umfeld nach Menschen umschauen, die in diesen Club hineinpassen können. Diese Aufgabe sollte idealerweise ein Wachstumsbeauftragter pro Club übernehmen. AB: Welche Möglichkeiten gibt es für Clubs, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen? BK: Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Adventszeit fallen mir da beispielsweise Weihnachtsmärkte ein, an denen man sich beteiligen und mit Menschen in Kontakt kommen kann. Das ist alles schon geschehen und funktioniert wunderbar – man muss es nur tun. Dafür bedarf es allerdings der Offenheit, andersartige Menschen in den Club sowie die regionale Presse mit ins Boot zu holen. AB: Was ist hinsichtlich Eliminate geplant? BK: Es fehlen („in Deutschland“ – Anm. der Redaktion) lediglich noch etwa 88.000 Euro. Ich möchte versuchen, (Groß)Spender zu bekommen, um das Thema abschließen zu können. AB: Seit dem 1. Oktober 2017 gehörst du dem Executive Committee von Kiwanis Europa an. Wie siehst du die geplanten Entwicklungen zu Veränderung der Strukturen? BK: Ich sehe diese ganze Entwicklung sehr positiv im Hinblick darauf, dass wir in Europa mehr Eigenständigkeit bekommen und die Gelder, die wir hier generieren, auch für uns einsetzen können. Die Terminologie, nach der dies umgesetzt werden soll, sehe ich aber sehr skeptisch. Ich würde mich gerne dafür einsetzen, dass sich die unterstützten Aktivitäten auf solche zum Wohle von Kindern beschränken. Europa hat sicherlich andere Problematiken als zum Beispiel die USA und muss daher andere Projekte unterstützen als dort. Die aktuelle Flüchtlingsproblematik gibt es in den Vereinigten Staaten nicht. Kindern von Flüchtlingen bei der Integration zu helfen und sie für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen, kann beispielsweise eine zukünftige Aufgabe von uns sein. AB: Wie willst du dich im Sinne des deutschen Distriktes im EC einbringen? BK: Als Mitglied im europäischen Board werde ich mich dafür einsetzen, dass wir in Europa eine Einheit mit allen Kiwanis-Staaten bilden und Projekte bekommen, die den Menschen hier in Europa helfen. AB: Welche Ziele hast du mit der deutschen Kiwanis Foundation? BK: Die Foundation erfüllt ihre Hauptaufgabe, die Gelder zu verwalten und zu verteilen, meiner Ansicht nach sehr gut. Allenfalls die Zusammenarbeit von Foundation und Stiftung könnte noch intensiver gestaltet werden. AB: Und mit der Kiwanis Stiftung? BK: Als Jazzpianist liegen mir besonders die musikalischen Projekte der Stiftung am Herzen. Wir wollen mit Friederike Meinel und dem Deutsch-Polnischen Jugendorchester Konzerte geben, worum sich die Stiftung kümmert. Regionale Clubs können diese Formation buchen und durch die Organisation von Gastspielen wiederum Spendengelder akquirieren. So schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe, d.h. wir fördern die Musiker, unterstützen aber auch die Clubs. Darüber hinaus leiden viele Musikschulen unter Geldmangel. Kiwanis hilft hier bereits, doch möchte ich an die Clubs appellieren, dass Musikschulen als ein Hort der Kinder angesehen werden. So kommen Kinder von der Straße weg und erwerben durch das gemeinsame Musizieren soziale Kompetenz. AB: Wie sieht es mit den Kiwanis Young Professionals (KYP) aus? BK: Die Aktivitäten in Deutschland und darüber hinaus finde ich sehr gut und ich freue mich darüber, dass so viele junge Leute sich dort einsetzen und Projekte wie beispielsweise Feriencamps durchführen. Was ich mir auf die Fahnen geschrieben habe, ist die Musik, aber ich werde auch in jeglicher Weise das unterstützen, was mit der Förderung von jungen Leuten zu tun hat. AB: Wie lässt sich aus deiner Sicht der Bekanntheitsgrad von Kiwanis steigern? BK: Überregionale Aktivitäten müssten viel stärker in der Presse vertreten sein als bisher. Dahingehend gibt es Nachholbedarf. Durchaus interessante Projekte, die regional laufen, müssen überregional publiziert werden, um Sponsoren zu gewinnen. Dazu habe ich schon einige Ideen, über die ich an dieser Stelle aber noch nicht sprechen kann. AB: Was kann der Distrikt(-Vorstand) tun, um die Clubs bei der Mitglieder-Akquise zu unterstützen? BK: Wir wollen vor allem den Bekanntheitsgrad von Kiwanis steigern. Das fördert innerhalb der Bevölkerung die Bereitschaft, sich in den örtlichen Clubs zu engagieren. Wir haben auch einen Internet-Club gegründet, wo Neulinge, die sich noch nicht einem regionalen Club anschließen möchten, Kiwanis kennenlernen können. Später können sie von dort dann in einen örtlichen Club wechseln. AB: Was möchtest du den Lesern sonst noch mit auf den Weg geben? BK: Künftig soll der Vorstand als Dienstleister der Clubs gesehen und Clubs davon überzeugt werden, dass sie durch den Vorstand Unterstützung bekommen, damit sie ihre spezifischen Probleme in den Griff kriegen. Die aktuellen Task-Force-Aktivitäten sind nur der erste Schritt. Inwieweit wir erfolgreich sein werden, sehen wir in Zukunft. Jetzt ist es wichtig, dass wir zunächst nicht hadern, sondern die Ärmel hochkrempeln und in eine Richtung agieren. Und wir müssen an unseren Erfolg glauben, da es tödlich ist, wenn man etwas tut, aber nicht daran glaubt. Ich bin überzeugt, dass wir, wenn wir die Reformen mit hoher Transparenz und Aktivität durchführen, erfolgreich sein werden. Aber ohne Risiko keine Chancen. Besten Dank für das Interview. https://de.kiwanis.news/400379 Kiwanis-Magazin | Oktober 2017 11