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10/2017

Fritz + Fränzi

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Fr. 7.50 <strong>10</strong>/Oktober <strong>2017</strong><br />

Jesper Juul<br />

Wie man als Eltern<br />

eine erfüllte<br />

Paarbeziehung lebt<br />

Fabian Grolimund<br />

Was Eltern wissen<br />

müssen, wenn das<br />

Kind ein Träumer ist<br />

Digitale<br />

Revolution<br />

im Klassenzimmer


Inspirationen für Familien auf<br />

famigros.ch/ausflug<br />

Super<br />

Sonntag!<br />

Super<br />

Idee!<br />

Famigros verschönert das Familienleben mit vielen Ausflugsideen<br />

und wertvollen Tipps. Als Mitglied unseres Familienclubs<br />

profitieren Sie zudem von einem <strong>10</strong>x Cumulus-Vorteilcoupon<br />

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Editorial<br />

Bild: Geri Born<br />

Nik Niethammer<br />

Chefredaktor<br />

Jetzt mal ehrlich: Wann haben Sie das letzte Mal der Lehrerin, dem Lehrer Ihres<br />

Kindes Danke gesagt? Danke für die Leidenschaft, Ihrem Dreikäsehoch die Neunerreihe<br />

beizubringen? Danke für die Geduld mit Ihrer pubertierenden Tochter,<br />

deren Hormone seit Wochen verrückt spielen? Danke für die Bereitschaft, auch<br />

mit sperrigen Eltern konstruktiv zusammenzuarbeiten?<br />

Eben!<br />

«Der wichtigste Ort, an dem<br />

junge Menschen all jene<br />

Erfahrungen sammeln, die<br />

darüber bestimmen, ob sie<br />

sich später im Leben etwas<br />

zutrauen, ist die Schule.»<br />

Gerald Hüther, Neurobiologe und Buchautor<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Eine Lehrperson habe ihm kürzlich erzählt, sie bekomme nur Anrufe von Eltern,<br />

wenn etwas nicht gut laufe, sagt Urs Gfeller von der Pädagogischen Hochschule<br />

Bern in unserem Monatsinterview (ab Seite 36). «Es gibt nie eine positive Rückmeldung.»<br />

Gfeller leitet ein Internetforum für Lehrpersonen; 1700 Lehrkräfte<br />

sind registriert und können sich beraten lassen. Der erfahrene Coach appelliert<br />

auch an die Lehrpersonen, sich wenigstens einmal im Jahr mit einer ausschliesslich<br />

positiven Nachricht an die Eltern zu wenden. «Über einen solchen Anruf<br />

freut sich jede Mutter und jeder Vater.»<br />

Meine Frau und ich haben das übrigens gleich mal ausprobiert<br />

und der Lehrerin unseres Sohnes nach den Sommerferien<br />

eine Mail geschickt: «Wir wünschen Ihnen und der 2. Klasse<br />

ein glückliches und vielseitiges neues Schuljahr. Das Zeugnis<br />

fanden wir sehr treffend und einfühlsam formuliert. Wie<br />

schön, dass Sie unseren Sohn so differenziert wahrnehmen.<br />

Lassen Sie uns gerne weiterhin im Gespräch bleiben.»<br />

Sie glauben ja gar nicht, wie sehr sich die Lehrerin unseres<br />

Sohnes über diese Nachricht gefreut hat. Wollen Sie die Lehrperson<br />

Ihres Kindes auch strahlen sehen? Dann greifen Sie<br />

zum Hörer oder in die Tasten!<br />

***<br />

Bald benötigen wir in 90 Prozent aller Berufe digitale Kompetenzen. Wie bereiten<br />

die Schulen unsere Kinder darauf vor? Warum ist es so schwierig, digitales<br />

Lernen einzuführen? Wann macht der Einsatz eines Tablets Sinn? Und braucht<br />

es, um mit der technologischen Entwicklung mithalten zu können, ein eigenes<br />

Schulfach Informatik? Diesen Fragen geht meine Kollegin Bianca Fritz in unserem<br />

Dossier «Digitale Revolution im Klassenzimmer» auf den Grund. Eines<br />

ist gewiss: Ohne Lehrpersonen gelingt der digitale Wandel nicht. Auf sie kommt<br />

vieles zu. Nicht alle haben Lust darauf. Das Zauberwort heisst: Fortbildung.<br />

Ich wünsche Ihnen spannende Einsichten mit dieser Ausgabe. Ausgewählte<br />

Geschichten aus dem Heft sowie Texte, die wir nur online publizieren, finden<br />

Sie wie immer auf unserer Website unter www.fritzundfraenzi.ch.<br />

Herzlichst, Ihr Nik Niethammer<br />

850 Lehrstellen in 25 Berufen | www.login.org


Fr. 7.50 <strong>10</strong>/Oktober <strong>2017</strong><br />

Inhalt<br />

Ausgabe <strong>10</strong> / Oktober <strong>2017</strong><br />

Viele nützliche Informationen finden Sie auch auf<br />

fritzundfraenzi.ch und<br />

facebook.com/fritzundfraenzi.<br />

Psychologie & Gesellschaft<br />

44 Kettenbriefe aufs Handy<br />

Von harmlosen Spässen über<br />

Falschmeldungen bis zu Drohungen:<br />

Kinder sind mit manchen Nachrichten<br />

überfordert. Was Eltern tun können.<br />

Augmented Reality<br />

Dieses Zeichen im Heft bedeutet, dass Sie digitalen Mehrwert<br />

erhalten. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos und<br />

Zusatzinformationen zu den Artikeln.<br />

<strong>10</strong><br />

Dossier: Medien<br />

und Schule<br />

<strong>10</strong> Die digitale Schule<br />

Der Lehrplan 21 bringt «Medien und<br />

Informatik» in die Volksschule.<br />

Doch wie weit sind unsere Schulen<br />

in Sachen Digitalisierung?<br />

Bild: Salvatore Vinci / 13 Photo<br />

30 Keine Angst vor neuen Medien!<br />

Philippe Wampfler ist Lehrer und<br />

berät Kollegen beim Thema<br />

«digitaler Unterricht». Ein Interview.<br />

32 Wer soll das bezahlen?<br />

Jürg Brühlmann vom LCH über die<br />

Anforderungen, die auf die Schule der<br />

Zukunft zukommen.<br />

Jesper Juul<br />

Wie man mit Kindern<br />

eine erfüllte<br />

Paarbeziehung lebt<br />

Fabian Grolimund<br />

Was Eltern tun können,<br />

wenn das Kind ein<br />

Träumer ist<br />

Digitale<br />

Revolution<br />

im Klassenzimmer<br />

Cover<br />

Rico, 12, schreibt viel<br />

lieber auf dem Tablet<br />

als im Heft – «weil<br />

da Fehler gleich<br />

korrigiert werden».<br />

Bilder: Christian Aeberhard / 13 Photo, Raffael Waldner / 13 Photo, Sibylle Dubs, Désirée Good / 13 Photo<br />

4


36<br />

50<br />

68<br />

Urs Gfeller, womit haben Lehrpersonen<br />

heute am meisten zu kämpfen?<br />

Du musst noch üben! – Dieser Satz verdirbt<br />

Kindern die Freude am Musizieren.<br />

Lilani ist das Nesthäkchen unter drei älteren<br />

Brüdern – und trotzdem immer dabei.<br />

Erziehung & Schule<br />

46 Wie ein Fisch im Wasser?<br />

Schwimmen lernen ist<br />

bubileicht? Nicht für jeden, sagt<br />

Schwimm lehrerin Nadja Winter<br />

und erklärt im Interview, wieso.<br />

50 Kinder und Musik<br />

Ihr Kind will auf seinem Instrument<br />

nicht üben? 15 Tipps, die wirklich<br />

helfen.<br />

56 Kindesunterhalt<br />

eues eht neue Pflihte<br />

60 Lernen und Üben der Schrift<br />

Spiele mit Buchstaben und Wörtern<br />

motivieren.<br />

68 Grossfamilien<br />

Viele junge Paare wünschen sich<br />

wieder mehr als zwei Kinder.<br />

Wie fühlt sich das Leben zu sechst<br />

an? Ein Hausbesuch.<br />

Digital & Medial<br />

78 Kinder besser schützen<br />

Der Bundesrat verlangt für Games<br />

und Videos einen schweizweit<br />

einheitlichen Rahmen für<br />

Altersbeschränkungen. Ist das<br />

sinnvoll?<br />

Rubriken<br />

03 Editorial<br />

06 Entdecken<br />

36 Monatsinterview<br />

Urs Gfeller berät Lehrer, die sich<br />

im Berufsalltag Unterstützung<br />

wünschen. Ein Gespräch über neue<br />

Anforderungen im Lehrerberuf.<br />

42 Jesper Juul<br />

Wie können aus Verliebten Liebende<br />

werden? Der Familientherapeut<br />

antwortet einer Mutter.<br />

57 Mikael Krogerus<br />

nser lumnist ndet es an der eit<br />

Jungs feministisch zu erziehen.<br />

58 Fabian Grolimund<br />

Verträumte Kinder sind kreativ und<br />

fantasievoll, aber oft vom Alltag<br />

überfordert. Tipps für Eltern.<br />

64 Leserbriefe<br />

67 Stiftung Elternsein<br />

Ellen Ringier macht sich Gedanken<br />

zum Thema Loslassen und über den<br />

Herbst als Erntezeit.<br />

82 Eine Frage – drei Meinungen<br />

Aufräumen, mehr üben, Tisch decken –<br />

was tun, wenn die Tochter jede Bitte<br />

als Kritik auffasst?<br />

Service<br />

76 Verlosung<br />

80 Sponsoren/Impressum<br />

81 Buchtipps<br />

83 Abo<br />

Die nächste Ausgabe erscheint<br />

am 2. November <strong>2017</strong>.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 5


Entdecken<br />

Lass uns reden!<br />

3 FRAGEN<br />

Starten Sie<br />

die aktuelle<br />

Fritz+Fränzi-App,<br />

scannen Sie diese Seite<br />

und sehen Sie einen<br />

Beitrag von Caroline Märki<br />

und familylab.<br />

Paare, die Konflikte lösen wollen,<br />

sollten versuchen, das während eines<br />

gemeinsamen Spaziergangs zu tun.<br />

Dies ist das Ergebnis einer US-Studie.<br />

Demnach entspannt synchrones<br />

Gehen offenbar die Konfliktsituation:<br />

Es verbessert die Stimmung, setzt<br />

Kreativität frei und fördert so die<br />

Bereitschaft zur Versöhnung. Ausserdem<br />

scheint Spazierengehen beide<br />

Partner in die Lage zu versetzen,<br />

wieder konsensfähige Standpunkte<br />

einzunehmen und weniger zu konkurrieren,<br />

schreiben die Autoren.<br />

an Caroline Märki, Leiterin von Familylab Schweiz<br />

«Auf die innere Haltung kommt es an»<br />

2004 gründete der dänische Familientherapeut Jesper Juul das<br />

Elternberatungsprojekt «Familylab – Familienwerkstätten». Das Netzwerk<br />

ist inzwischen in 21 Ländern aktiv. Das Schweizer Familylab wird von der<br />

Elternbildnerin Caroline Märki geleitet.<br />

Interview: Evelin Hartmann<br />

Frau Märki, Familylab bietet neben Familienberatung und Elternkursen<br />

auch Elterngruppen an. Worin unterscheiden sich diese von<br />

anderen Elterngruppen?<br />

Statt eine bestimmte Erziehungsmethode zu lehren, vermitteln wir den<br />

Eltern, dass es auf eine innere Haltung gegenüber ihren Kindern und sich<br />

selbst als Mutter oder Vater ankommt. Der Austausch mit anderen Eltern<br />

unter fachlicher Leitung und die theoretischen Inputs sollen die Eltern<br />

stärken und zu mehr Sicherheit und Klarheit führen. Als Ausgangspunkt<br />

für die gemeinsame Arbeit sollen die Fragen, Konflikte oder Probleme<br />

dienen, die die Eltern im Umgang mit ihren Kindern erleben.<br />

Patentrezepte für klassische Konfliktsituationen gibt es also nicht.<br />

Wie laufen diese Elterngruppen organisatorisch ab?<br />

Die Teilnehmer treffen sich alle zwei bis drei Monate, an insgesamt fünf<br />

Terminen. Nach einem halben Jahr gibt es dann ein sechstes Treffen, eine<br />

Art Supervision, bei der wir fragen, wie es ihnen nun in ihrem Familienalltag<br />

ergeht.<br />

Und wie sind die Rückmeldungen?<br />

Mehrheitlich sehr positiv! Leider ist unser Angebot nicht überall bekannt,<br />

weshalb einige Gruppen in manchen Regionen nicht zustande kommen.<br />

Das ist für Interessierte immer sehr frustrierend. Daher arbeiten wir daran,<br />

von offiziellen beziehungsweise staatlichen Stellen anerkannt und dadurch<br />

bekannter zu werden.<br />

Alle Infos auf www.familylab.ch<br />

114 Franken zahlen Schweizer<br />

Eltern im Schnitt pro Monat<br />

für das Hobby ihres Kindes.<br />

(Quelle: Umfrage unter 300 Eltern,<br />

in Auftrag gegeben vom Kleinanzeigenportal tutti.ch)<br />

Auf ins grösste<br />

Aquarium<br />

Europas!<br />

Piranhas, Leopoldrochen,<br />

Alligatorhechte – die spannendsten<br />

Fische leben im<br />

Meer? Von wegen: In diesen<br />

Tagen eröffnet in Lausanne das<br />

grösste Süsswasser-Aquarium<br />

Europas – mit spektakulären<br />

Einblicken in die Süsswasser-<br />

Welt. AQUATIS Aquarium –<br />

Vivarium heisst es und lädt Besucher auf eine Süsswasser-Odyssee<br />

durch fünf Kontinente ein. In 46 Aquarien, Vivarien und Terrarien<br />

tummeln sich an die <strong>10</strong> 000 Fische und mehr als <strong>10</strong>0 Reptilien und<br />

Amphibien. Ziel sei es, den Menschen das Wasser und die Süsswasser-Lebensräume<br />

näherzubringen. Denn was man kennt und<br />

liebt, das schützt man.<br />

www.aquatis.ch<br />

Bilder: iStockphoto, ZVG<br />

6 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


«Die grosse Mehrheit der<br />

Jugendlichen erlernt einen<br />

positiven Umgang mit dem<br />

Smartphone. Sie entwickeln zum<br />

Teil neue Verhaltensformen<br />

und legen das Handy auch mal<br />

bewusst weg.»<br />

(Gregor Waller in einem Interview auf tagesanzeiger.ch)<br />

Gregor Waller ist Psychologe<br />

und forscht an der Zürcher<br />

Hochschule für Angewandte<br />

Wissenschaften. Er leitet den<br />

Schwerpunkt<br />

Medienpsychologie.<br />

Mutig, mutig!<br />

Bibbern, Staunen und ganz<br />

viel Gänsehauteffekt.<br />

«Mutig, mutig!» lautet das<br />

Motto der diesjährigen<br />

Schweizer Erzählnacht,<br />

wenn sich am <strong>10</strong>. November<br />

in der ganzen Schweiz<br />

Kinder, Jugendliche und<br />

Erwachsene in literarische<br />

Abenteuer stürzen. Initiiert wird die Schweizer<br />

Erzählnacht als Leseförderprojekt vom Schweizerischen<br />

Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM<br />

in Zusammenarbeit mit Bibliomedia und Unicef.<br />

Schulen, Bibliotheken, Buchhandlungen, Jugendtreffs<br />

und andere Organisationen sind herzlich eingeladen,<br />

teilzunehmen und sich auf www.sikjm.ch anzumelden.<br />

Schule im Koffer<br />

Sie würden gerne mal auf Weltreise<br />

gehen, aber das Kind muss in die<br />

Schule? Kein Problem! Das Angebot<br />

«Schule im Koffer» will Eltern die<br />

Möglichkeit bieten, ihre Kinder auch<br />

auf Reisen zu unterrichten – und zwar<br />

mit auf die Bedürfnisse ihres Kindes<br />

angepasstem Lernmaterial. Und da<br />

Familien meist keinen Platz für noch<br />

mehr Gepäck haben, ersetzt das iPad<br />

den (symbolischen) Koffer voller<br />

schwerer Schulbücher.<br />

Alle Infos auf www.schuleimkoffer.ch<br />

Fit für die Zukunft Was macht eigentlich eine Zimmerin? Oder ein<br />

Logopäde oder ein Visagist? Ja, das Geschlecht ist bewusst gewählt, auch wenn die<br />

meisten bei diesen Berufsbezeichnungen jeweils eine Frau oder eben einen Mann vor<br />

Augen haben eim ationalen ukunftstag, der dieses ahr am ovember stattfindet,<br />

sollen Mädchen und Buben die Seiten wechseln und so untypische Arbeitsfelder und<br />

ebensbereiche kennenlernen So sollen sie den ut finden, ihre ukunft losgelst von<br />

starren Geschlechterbildern in die Hand zu nehmen.<br />

www.nationalerzukunftstag.ch<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 7


Anzeige<br />

Wer Skiferien<br />

sagt, muss auch<br />

Tirol sagen<br />

Zauberteppich? Geschenkt! Spezialisierte<br />

Tiroler Regionen haben weit über die Minimalanforderungen<br />

an Familienskigebiete<br />

hinaus gedacht und liebevoll gestaltete Erlebniswelten<br />

geschaffen. Wir haben eine<br />

Skischule besucht und herausgefunden,<br />

dass Skifahren nicht nur cool ist, sondern<br />

auch fordert und fördert – und sogar<br />

schlau machen soll.<br />

Gerhard Told wirft den Drachen an. Röhren,<br />

Kindergeschrei. Langsam fährt Told los. Hinter<br />

sich zieht er einen Schlitten, der aussieht wie<br />

ein Zugwaggon, nur steht er auf Kufen statt<br />

auf Rädern. Ein Dutzend Kinder hängt an den<br />

offenen Seiten, winkt, lacht. „Das lieben sie“,<br />

hatte Told vorhin versichert. Jetzt, auf dem mit<br />

Holz und Pappmaché als Drache verkleideten<br />

Ski-Doo, lächelt er. Auch Told scheint diese Momente<br />

zu lieben. Mit den Kindern im Schlepptau<br />

dreht er eine Runde auf den verschneiten Gipfel.<br />

Dann hält er an. Aussteigen! Der Skiunterricht<br />

geht weiter.<br />

Früher waren Skikurse für Kinder fast eine<br />

Selbstverständlichkeit. Inzwischen hat sich<br />

das geändert, seit Jahren sinkt die Zahl junger<br />

Menschen, die den Sport erlernen. Was schade<br />

ist: Denn Skifahren fordert und fördert. Manche<br />

Experten sagen sogar: Macht schlau.<br />

Eine Frage der Motorik<br />

In Spitzenzeiten üben in einer Skischule wie<br />

jener von Told jede Woche bis zu 200 Kinder.<br />

Die meisten beginnen das Skifahren mit etwa<br />

vier Jahren. Ein gutes Alter, sie stehen dann<br />

schon recht sicher auf den Beinen, lernen<br />

gleichzeitig schnell neue Bewegungsabläufe.<br />

Und die zu beherrschen, ist beim Skifahren<br />

entscheidend. Schon ein einfacher Parallelschwung<br />

erfordert eine Menge Motorik: Der<br />

Fahrer muss im richtigen Moment die Hüfte<br />

knicken und den Stock einsetzen, ohne dabei<br />

Balance und Geschwindigkeit zu verlieren.<br />

Mediziner verweisen ausserdem darauf, dass<br />

sich beim Skifahren schnell Muskulatur aufbaut,<br />

in den Schultern, im Rücken, in den Beinen<br />

und im Gesäss. Vor allem starke Rückenund<br />

Gesässmuskeln sind wichtig: Sie können<br />

Haltungsschäden vorbeugen, weil sie helfen,<br />

den Oberkörper in einer aufrechten Position<br />

zu halten. Die Bewegung an der frischen Luft<br />

kurbelt den Kreislauf an.<br />

Wer sich bewegt, ist besser in der Schule<br />

Skiahren soll sogar schlau machen. Sagt jeden<br />

falls Frieder Beck, Hirnforscher und Lehrer.<br />

Beck war Trainer der deutschen Nationalmannschaft<br />

im Ski-Freestyle und ist überzeugt:<br />

409_17 Advertorial Winter <strong>2017</strong>/18 Fritz und Fränzi DU 08.09. 2-seitig wie 405_17.indd 1 20.07.17 15:41


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unterwegs sind, beschäftigen wir uns selten mit<br />

schulischen oder anderen Problemen. Trotzdem<br />

unterstützt uns der Sport bei deren Lösung“ – eben<br />

wegen der positiven Effekte auf unser Arbeitsgedächtnis.<br />

Rücksichtnahme und Vertrauen<br />

Physisch fitter, psychisch aufgeräumter – und<br />

sozial? Auch da können Kinder was dazulernen,<br />

sobald sie sich die Bretter anschnallen. Etwa Rücksichtnahme<br />

auf andere Menschen, schliesslich<br />

sind sie selten allein auf der Piste unterwegs. Auch<br />

Vertrauen in sich selbst, in die eigenen Fähigkeiten<br />

kann man aus dem Skifahren mitnehmen. Mit<br />

jeder Abfahrt schätzen Kinder ihr Können und<br />

ihre körperlichen Möglichkeiten realistischer<br />

ein. Erfolge stärken zudem das Selbstbewusstsein<br />

und motivieren zum Weitermachen.<br />

„Wer sich bewegt, ist besser in der Schule. Das<br />

ist statistisch erwiesen.“ Warum das so ist, liegt<br />

laut Beck am Aufbau des menschlichen Gehirns,<br />

das sich seit der Urzeit nicht mehr nennenswert<br />

verändert habe. Unsere Vorfahren seien immer<br />

in Bewegung gewesen, sie mussten raus aus ihrer<br />

Höhle, eine Wasserstelle suchen, Beeren oder<br />

Wild. Wer sich dabei ganz auf seine Aufgabe konzentrieren<br />

konnte, hatte einen evolutionären<br />

Vorteil, sagt Beck. Das führte dazu, dass Gehirnleistung<br />

und Bewegung quasi Hand in Hand gingen.<br />

„So wie damals reagiert unser System heute<br />

noch auf Bewegung.“ Heisst: Eine Sportart wie<br />

Skifahren, in der komplexe Bewegungsabläufe<br />

gesteuert werden müssen, hilft dabei, die Leistungsfähigkeit<br />

des Arbeitsgedächtnisses zu<br />

steigern – und damit die Konzentration. „Kinder,<br />

die sich besser konzentrieren können, können<br />

besser lernen und schreiben bessere Noten“,<br />

sagt Beck.<br />

Mit Schlauwerden allein ist es aber für Beck<br />

nicht getan. Er sieht im Skifahren noch einen<br />

weiteren Vorteil: die Umgebung. „Ein Wintertag<br />

mit Bergpanorama und glitzerndem Schnee<br />

steckt voller Glücksmomente, das gibt es so nirgends“,<br />

sagt er. Deshalb helfe Skifahren dabei,<br />

im Alltagsleben organisierter und psychisch aufgeräumter<br />

zu werden. „Wenn wir auf der Piste<br />

Bei Gerhard Told lässt sich das gut beobachten.<br />

Anfangs weinen manche Kinder noch, sie fremdeln<br />

mit der unbekannten Umgebung, ihnen<br />

fehlen die Eltern. Nach den ersten Übungen ändert<br />

sich das in der Regel schnell. Sie freuen sich über<br />

jede gelungene Fahrt, über jedes Lob des Skilehrers.<br />

Manche kommen dann aus dem Strahlen gar nicht<br />

mehr heraus. „Spass ist das Wichtigste“, wiederholt<br />

Told. „Wer die Lust am Skifahren verliert, ist mindestens<br />

für die Saison verloren.“ Vielleicht auch<br />

für immer. Dann geht Told noch einmal zu seinem<br />

umgebauten Ski-Doo hinüber, wirft den Drachen<br />

an. Röhren. Die Kinder antworten mit begeistertem<br />

Geschrei. Noch eine Runde. Skifahren macht<br />

ja Spass.<br />

Die Skischule von Gerhard Told ist eine der qualitätsgeprüften<br />

Tiroler Skischulen, die das Programm<br />

„Spielplatz Schnee“ anbieten. Kinder ab drei Jahren<br />

machen hier auf spielerische Art und Weise ihre<br />

ersten Versuche auf Skiern. Und damit das Skifahren<br />

lernen kinderleicht fällt und ganz ohne Stress passiert –<br />

gerade sehr jungen Skianfängern ist ein ganzer Tag<br />

auf den Brettern ohnehin zu anstrengend – werden<br />

den jüngsten Gästen auch abseits der Pisten alle<br />

möglichen Abenteuer im Schnee geboten, ob Tierspurensuche,<br />

Rutschtellerrutschen oder das gute alte<br />

Schneemannbauen.<br />

www.tirol.at/familie<br />

409_17 Advertorial Winter <strong>2017</strong>/18 Fritz und Fränzi DU 08.09. 2-seitig wie 405_17.indd 2 20.07.17 15:41


Die digitale<br />

Schule<br />

Schon bald benötigen wir in 90 Prozent<br />

aller Berufe digitale Kompetenzen.<br />

Wie bereiten die Schweizer Schulen<br />

unsere Kinder auf diese Berufswelt vor?<br />

Warum ist es so schwierig, digitales<br />

Lernen einzuführen? Und lernt man am<br />

Tablet besser als mit dem Schulheft?<br />

Eine Spurensuche.<br />

Text: Bianca Fritz, Virginia Nolan (Porträts)<br />

Bilder: Rita Palanikumar / 13 Photo<br />

Programmierende<br />

Primarschüler?<br />

An der Bläsi-Schule<br />

Basel ist das<br />

bereits Realität.<br />

<strong>10</strong> Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Bild: Christian Aeberhard / 13 Photo<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 11


Dossier<br />

12<br />

Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Die einen recherchieren fix<br />

am eigenen Smartphone,<br />

die anderen streng überwacht<br />

am langsamen Schul-PC.<br />

Bild: Salvatore Vinci / 13 Photo<br />

Im Hofmatt-<br />

Schulhaus in<br />

Arth arbeiten<br />

die Kinder am<br />

eigenen Tablet.<br />

Planarbeit im Hofmatt- Grunder. «Wenn die Schildkröte 360<br />

Schulhaus Arth, einer Mal einen Schritt macht und sich<br />

Projektschule für «Bring um ein Grad dreht, dann bekommen<br />

wir einen Kreis. Welchen<br />

your own device»<br />

(«Bring dein eigenes Befehl müssen wir nun der Schildkröte<br />

Gerät mit»): Auf den Tischen der<br />

5. Klasse liegen Tablets und Smartphones<br />

neben Heften und Stiften.<br />

Viele der meist 12-jährigen Schüler<br />

tragen Kopfhörer. Ein Schüler lümmelt<br />

auf dem Fensterbrett, scannt<br />

einen QR-Code mit seinem Tablet,<br />

schaut sich ein Youtube-Video an<br />

und beantwortet Fragen dazu.<br />

Ein anderer hört einen Text auf<br />

Französisch, den der Lehrer in der<br />

virtuellen Cloud hinterlegt hat.<br />

Gleichzeitig liest er den Text im<br />

Arbeitsheft mit und stoppt, um in<br />

einer Vokabel-App Wörter nachzuschlagen.<br />

Diese schreibt er wiederum<br />

mit Bleistift ins Heft.<br />

Nebenan hören Schülerinnen mit<br />

Kopfhörern gemeinsam ein Diktat<br />

auf dem Tablet und schreiben von<br />

Hand mit. Ob alles richtig ist, können<br />

sie anschliessend selbst kontrollieren<br />

– die Datei dazu liegt in der<br />

Cloud.<br />

Szenenwechsel, Primarschule<br />

Bläsi in Basel. Die Lehrerin Ursula<br />

Grunder eröffnet die Programmierstunde.<br />

Die Primarschüler sollen<br />

mit einer virtuellen Schildkröte eine<br />

Blume auf dem Bildschirm zeichnen.<br />

«Wer kann mir helfen, mit dem<br />

Repeat-Befehl eine Blumenform zu<br />

programmieren?» Rascheln. Niemand<br />

meldet sich. Sie versucht es<br />

anders: «Wie viel Grad macht die<br />

Schildkröte, wenn sie sich viermal<br />

um 90 Grad dreht?» Jetzt schnellen<br />

die Hände in die Höhe. «360 Grad»,<br />

geben, damit sie einen Kreis<br />

zeichnet?» Wieder schnellen ein<br />

paar Hände hoch. «repeat360 Klammer<br />

fd 1 rt 1 Klammer!», tönt es aus<br />

der anderen Ecke. «Genau! Super<br />

gemacht!» Ursula Grunder dreht<br />

sich zur Wandtafel und schreibt den<br />

Befehl auf. So geht es weiter, bis die<br />

Schüler den ganzen Code haben –<br />

dann hopsen die Kinder vom Stuhlkreis<br />

zurück an die Rechner, um den<br />

Befehl auszuprobieren.<br />

Noch ist das digitale Lernen keine<br />

Selbstverständlichkeit in Schweizer<br />

Schulhäusern. Aber Projektschulen<br />

wie die beiden oben genannten<br />

weisen die Richtung, in die es geht:<br />

ein selbstverständliches Hin und<br />

Her zwischen Heft und Tablet, Primarschüler,<br />

die mit ihrer eigenen<br />

Programmiersprache die Regeln der<br />

Programmierung verstehen lernen.<br />

Wie digital sind die Schweizer<br />

Schulen heute schon? Was können<br />

Eltern erwarten? Während in vielen<br />

Primarschulen noch analog gelernt<br />

wird, kommen Schweizer Schülerinnen<br />

und Schüler spätestens in der<br />

Sek I und Oberstufe wohl überall<br />

mit digitalen Medien in Berührung.<br />

Wie viel und was die Kinder am<br />

Computer machen, ob sie auf alte<br />

Schulgeräte im Computerraum oder<br />

das Handy zugreifen und wie schnell<br />

ihre Internetverbindung ist, ist allerdings<br />

extrem unterschiedlich. Es<br />

hängt von der Schule und vor allem<br />

von der jeweiligen Lehrperson und<br />

ruft ein Mädchen. «Sehr gut!», sagt ihrer Technikaffinität ab. >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 13


Dossier<br />

Bald lernen bereits<br />

Primarschüler das<br />

Hinterfragen von Medien.<br />

>>> Mit der Einführung des<br />

Moduls «Medien und Informatik»<br />

des Lehrplans 21 werden Lernziele<br />

rund um digitale Medien allerdings<br />

fest in der Volksschulbildung verankert.<br />

Ein grosser Teil der Kantone<br />

hat diesen Lehrplan unterzeichnet<br />

und setzt ihn Schritt für Schritt um.<br />

Demnach lernen Schülerinnen und<br />

Schüler künftig schon in der Primarstufe<br />

Anwendungskompetenzen<br />

und das kritische Hinterfragen von<br />

Medien. Und sogar der Bereich<br />

Informatik ist mit Grundkenntnissen<br />

von Programmiersprachen enthalten.<br />

(Mehr dazu unter «Medien<br />

und Informatik» auf Seite 28.) Diese<br />

digitale Bildung wird im Lehrplan<br />

als eine Notwendigkeit beschrieben,<br />

um die Schülerinnen und Schüler<br />

auf die immer stärker digitalisierte<br />

Berufswelt vorzubereiten. Nach EU-<br />

Schätzungen erfordern bald 90 Prozent<br />

aller Berufe digitale Kompetenzen.<br />

Die pädagogischen Hochschulen<br />

(PH) bieten eine Weiterbildung für<br />

Lehrpersonen an, die «Medien und<br />

Informatik» unterrichten werden<br />

und oft gerade im Bereich Informatik<br />

Wissenslücken aufweisen. Laut<br />

Rahel Tschopp, Bereichsleiterin<br />

Medienbildung und Informatik an<br />

der PH Zürich, füllen sich die Plätze<br />

für diese Weiterbildung sehr schnell,<br />

und auch in der Grundausbildung<br />

für neue Lehrpersonen erhält der<br />

Bereich einen immer grösseren Stellenwert.<br />

Ziel sei, dass mittelfristig<br />

alle Lehrpersonen über die erforderlichen<br />

Kompetenzen verfügen,<br />

Inhalte aus Medienbildung und<br />

Informatik in den Unterricht einzubringen.<br />

Momentan würden dies<br />

vor allem Lehrerinnen und Lehrer<br />

>>><br />

mit einer Affinität für Medien<br />

«Im Unterricht<br />

herrscht<br />

Handyverbot»<br />

Sarina Blöchlinger, 11, aus<br />

Dürnten ZH verbringt zu Hause<br />

viel Zeit vor dem Bildschirm.<br />

In der Schule arbeitet die<br />

Sechstklässlerin regelmässig<br />

am Computer, würde aber auch<br />

Tablets und Smartphones<br />

im Klassenzimmer begrüssen.<br />

«Wir haben zu Hause haufenweise elektronische<br />

Geräte: Tablets, Laptops und<br />

Smartphones, auch die Apple-Watch.<br />

Wahrscheinlich liegt das daran, dass<br />

mein Papa Informatikspezialist ist.<br />

Ich kann mich schon gar nicht mehr<br />

erinnern, wann ich mein erstes Handy<br />

bekommen habe. Den Umgang damit<br />

habe ich mir mehrheitlich selbst beigebracht,<br />

das ist ja auch nicht schwer.<br />

Wenn ich Fragen habe, gehe ich damit<br />

zu meinem Vater oder zu meinen älteren<br />

Geschwistern. In der Klasse arbeiten<br />

wir pro Woche ein bis zwei Mal am<br />

Computer, jeweils in unterschiedlichen<br />

Fächern, wo es gerade passt. So dürfen<br />

wir uns beim Zeichnen Inspiration aus<br />

dem Internet holen, auch in Mathe üben<br />

wir oft am Computer. Auf der Website<br />

des Lehrmittelverlags Zürich gibt es<br />

viele Zahlenspiele und gute Übungen<br />

für logisches Denken. Bei Vorträgen<br />

lassen uns die Lehrerinnen die Wahl, ob<br />

wir Informationen aus Büchern zusammentragen<br />

oder uns im Internet schlaumachen<br />

wollen. Ich mache meist beides,<br />

bevorzuge aber eigentlich das Internet.<br />

Man kommt schneller zu seinen Infos.<br />

Allerdings sind es so viele, dass es nicht<br />

einfach ist, den Überblick zu behalten.<br />

Wenn ich Angaben aus dem Internet<br />

nutze, achte ich darauf, dass unterschiedliche<br />

Webseiten zu einem Thema<br />

mehr oder weniger das Gleiche sagen.<br />

Dann wirds schon stimmen. Ich würde<br />

mich freuen, wenn wir nicht nur Laptops,<br />

sondern auch Tablets oder Smartphones<br />

zum Arbeiten nutzen könnten. Im Unterricht<br />

herrscht aber leider Handyverbot.<br />

Dafür verbringe ich privat viel Zeit damit.<br />

Ich surfe am liebsten auf Youtube,<br />

schaue mir Pferdefilme an oder Videos<br />

von Dagi Bee, da geht es um Styling und<br />

Mode. Zum Gamen benutze ich meinen<br />

Laptop oder Papas iPad. Meine Eltern<br />

machen mir wenig Vorschriften. Bei<br />

schlechtem Wetter darf ich allerdings<br />

höchstens eine halbe Stunde gamen,<br />

weil meine Eltern nicht wollen, dass ich<br />

dann den ganzen Tag vor dem Bildschirm<br />

rumhocke. Wenn die Sonne scheint, gehe<br />

ich lieber raus.»<br />

14


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 15


Dossier<br />

«Ich selbst habe<br />

kein Handy,<br />

was echt nervt»<br />

Noé Gächter aus Fehraltorf ZH ist<br />

in die Oberstufe übergetreten und<br />

hofft, dass digitale Medien dort<br />

auch auf dem Stundenplan stehen.<br />

In der sechsten Klasse übte<br />

sich der 13-Jährige bereits im<br />

Programmieren.<br />

«In der sechsten Klasse hatte ich das<br />

Glück, dass unser Klassenlehrer seinen<br />

Kollegen mit den digitalen Medien weit<br />

voraus war. Wir arbeiteten vier Stunden<br />

pro Woche am Computer, zwei davon<br />

u fien eien eder chler hae<br />

einen ccoun auf rofaonlinecom o<br />

ir eorafie und eusch en Vom<br />

Karteikärtchen über Grammatikspiele<br />

bis zur interaktiven Landeskarte gibt es<br />

ganz verschiedene Lernvarianten. Wir<br />

gestalteten auch Plakate zu Lernthemen,<br />

vermischten Handschriftliches mit<br />

ildern und eelemenen aus dem<br />

Internet. Unser Lehrer zeigte uns auch<br />

Aussergewöhnliches: So realisierten<br />

wir mit der Software Audacity ein Hörspiel,<br />

auch die Programmiersprache<br />

crach lernen ir ennen as ane<br />

hat natürlich nichts mit der Art von<br />

Programmieren zu tun, wie sie Papa als<br />

Informatiker kennt. Für Scratch braucht<br />

es eine schierien eefehle man<br />

programmiert mit bunten Blöcken, zum<br />

Beispiel Spiele oder Animationen. Mit<br />

unserem Lehrer diskutierten wir auch<br />

den Umgang mit Hasskommentaren<br />

oder die Frage, welche Informationen<br />

vertrauenswürdig sind. Ich persönlich<br />

setze auf Wikipedia, den herkömmlichen<br />

edien hineen raue ich nich Vor<br />

einigen Monaten lösten Freunde von mir<br />

ver sehentlich einen schlimmen Unfall<br />

aus als sie mi euer eerimenieren<br />

Im Internet kursierten daraufhin Falschmeldungen,<br />

die mich traurig machten.<br />

Unser ehemaliger Klassenlehrer war<br />

überzeugt davon, dass digitale Medien in<br />

der Schule der Zukunft immer wichtiger<br />

werden. Ich hoffe es! Ich werde wohl<br />

nicht mehr erleben, wie wir mit Tablets<br />

und Smartphones lernen. Ich sehe viele<br />

Kinder mit Smartphone, die gar nicht<br />

wissen, was sie da in der Hand haben.<br />

Ich selbst habe kein Handy, was echt<br />

nervt. Meine ältere Schwester bekam ihr<br />

erstes mit 12, ich bin jetzt 13 und warte<br />

immer noch darauf.»<br />

16 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

«Online<br />

lernt man<br />

vielseitiger»<br />

Noés Bruder Luc spielt gern mit<br />

Mathe-Apps, allerdings eher zu<br />

Hause als in der Schule. Die dürfte<br />

digitale Medien ruhig öfter<br />

einsetzen, wenn es nach dem<br />

11-Jährigen ginge.<br />

«Mathe ist mein Lieblingsfach. Ich rechne<br />

sogar in der Freizeit gerne, am meisten<br />

Spass macht es mir mit Apps wie Math<br />

Attax oder König der Mathematik, das<br />

ist mein liebstes Rechenspiel. Dabei<br />

sammelt man Punkte und kämpft mit<br />

anderen Nutzern um den Königstitel. Ich<br />

spiele solche Spiele meist auf dem iPad<br />

meiner Mutter, selten auf dem Tablet,<br />

das meinem Lehrer gehört. Manchmal<br />

dürfen wir es als Belohnung benutzen,<br />

wenn wir einen Auftrag gut erledigt<br />

haben. Ich besuche eine kleine Privatschule,<br />

da gibts natürlich auch Computer.<br />

Wir nutzen sie vielleicht einmal pro<br />

Woche. Online lernt man vielseitiger als<br />

mit Büchern. Ich hasse Bücher, weil mir<br />

Lesen Mühe macht. In Deutsch machen<br />

wir Übungen online. Wir Schüler nutzen<br />

den Computer meist, um Vorträge zu<br />

schreiben. Recherchieren im Internet<br />

ist einfacher als in der Biblio thek. Mir<br />

gefällt, dass Google Informationen so<br />

schnell finde nd doch sind es u iele<br />

Wenn ich wählen könnte, würde ich<br />

lieber Menschen befragen, die auf einem<br />

bestimmten Gebiet Experten sind. Ich<br />

habe gehört, dass gewisse Architekten<br />

mein Lieblingsgame Minecraft nutzen,<br />

um ihre Modellhäuser zu basteln. Das<br />

finde ich ech cool ein ruder o<br />

und ich lieben es, Minecraft zu spielen.<br />

Wir haben beide einen eigenen Laptop,<br />

den Papa mit seinen vielen Sicherheitseinstellungen<br />

kontrolliert. Wer mir den<br />

man mi dem nerne eierach<br />

hat? Ich selbst, da gibts ja auch nicht<br />

viel beizubringen. Ein paar Mal darüberwischen,<br />

und drin bist du. Sowas<br />

muss man einfach können, sonst ist das<br />

ziemlich uncool. Es ist auch ziemlich<br />

uncool, kein Handy zu haben.»<br />

Beim Programmieren haben<br />

auch sprachlich schwache<br />

Schüler Erfolgserlebnisse.<br />

>>> und Informatik oder einer<br />

abgeschlossenen Weiterbildung<br />

umsetzen, so Rahel Tschopp.<br />

Digitales Lernen ist individuell<br />

und integrativ<br />

Die Digitalisierung der Schule hat<br />

viele Fürsprecher, zum Beispiel den<br />

ETH-Informatikprofessor Juraj<br />

Hrom kovič: «Die Informatik fördert<br />

wichtige Grundkompetenzen wie<br />

eigenständiges und kritisches Denken.<br />

Darum ist sie für mich so wichtig<br />

wie Sprach- und Matheunterricht»,<br />

sagte er in einem Interview<br />

mit Fritz+Fränzi Online. Lehrpersonen<br />

wie der Zürcher Gymnasiallehrer<br />

Phi l ippe Wampfler, die digitale<br />

Medien schon selbstverständlich<br />

im Unterricht nutzen, sind überzeugt:<br />

Das Digitale macht die Schulen<br />

besser.<br />

Ein Argument für die digitale<br />

Schule: Digitale Lernprogramme<br />

passen sich individuell an den Leistungsstand<br />

des einzelnen Schülers<br />

an und senden gleichzeitig die Er -<br />

gebnisse an die Lehrperson, die<br />

dann besser auf Stärken und Schwächen<br />

eingehen kann.<br />

Jörg Dräger von der Bertelsmann-Stiftung<br />

sieht darin gar einen<br />

Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit in<br />

der Schule: «Die Digitalisierung<br />

macht gute Bildung für alle möglich.»<br />

In der Basler Primarschule<br />

Bläsi betonen die Lehrpersonen den<br />

integrativen Aspekt: Beim Programmieren<br />

können auch Schülerinnen<br />

und Schüler mit schwachen Sprachkenntnissen<br />

Erfolgserlebnisse<br />

haben. Die Schweizer Schülerinnen<br />

und Schüler seien für einmal nicht<br />

im Vorteil.<br />

Doch längst nicht alle sehen die<br />

Entwicklung hin zur digitalen Schule<br />

so positiv. Während so manchen<br />

Eltern die Entwicklung gar nicht<br />

schnell genug gehen kann, verstehen<br />

andere nicht, dass das Kind jetzt<br />

auch noch in der Schule am Handy<br />

hängen soll, wenn es das doch zu<br />

Hause schon zwei bis drei Stunden<br />

>>><br />

am Tag macht. Die Zahl<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 17


Dossier<br />

>>> stammt aus der repräsentativen<br />

JAMES-Studie 2016, in der<br />

Schweizer Jugendliche zu ihrem<br />

Medienverhalten befragt wurden.<br />

Als in den Schulgebäuden leistungsstarke<br />

WLAN-Geräte installiert<br />

werden sollten, regte sich an<br />

einigen Orten sehr starker Widerstand,<br />

weil die Eltern eine grosse<br />

Strahlenbelastung der Kinder fürchteten.<br />

«Dafür haben wir inzwischen<br />

eine Lösung gefunden», sagt Schulleiterpräsident<br />

Bernard Gertsch:<br />

Statt einem starken Gerät werden<br />

mehrere schwächere Geräte installiert,<br />

die sich nur einschalten, wenn<br />

sie genutzt werden.<br />

Wenn die Schule bestimmt, welche<br />

Geräte die Kinder nutzen<br />

Für andere Reibungspunkte mit dem<br />

Elternhaus gibt es allerdings keine so<br />

einfache Lösung. «Wir sind uns<br />

bewusst, dass die Mediennutzung<br />

neben den Hausaufgaben der zweite<br />

grosse Bereich ist, in welchem Schule<br />

in den privaten Bereich übergreift<br />

– und wir sind hier auf die Mitarbeit<br />

der Eltern angewiesen», sagt Bernard<br />

Gertsch. Für «Bring your own device»-Unterricht<br />

zum Beispiel brauchen<br />

die Kinder ein eigenes Gerät.<br />

Besitzen sie keines, dürfen sie Schultablets<br />

mit nach Hause nehmen und<br />

nutzen – selbst dann, wenn die Eltern<br />

noch warten wollten mit der Einführung<br />

eines solchen Gerätes.<br />

Anderseits bekommen die Lehrpersonen<br />

so auch mit, ob die Kinder<br />

zu Hause einen vernünftigen, regulierten<br />

Umgang mit den Medien<br />

erlernt haben.<br />

Bei der Medienbildung<br />

ist die Schule auf<br />

die Mithilfe der<br />

Eltern angewiesen.<br />

Bis vor Kurzem noch ging man<br />

davon aus: Medienerziehung ist<br />

Elternsache. Zu Hause wird demnach<br />

geklärt, welche Webseiten und Programme<br />

genutzt werden dürfen und<br />

wann das Gerät ausgeschaltet sein<br />

muss. Die Schule hingegen unterstützt<br />

die Eltern, indem sie Schülerinnen<br />

und Schülern Medienkompetenz<br />

beibringt. Hier klärt man<br />

Fragen wie: Welche Mechanismen<br />

stecken hinter den Programmen und<br />

Internetanwendungen? Wo findet<br />

man verlässliche Informationen und<br />

wie erkennt man Fake-News?<br />

So weit die Theorie. In der Praxis<br />

aber sind die Grenzen längst flies -<br />

send: Lehrpersonen fordern auf,<br />

bestimmte Programme zu installieren,<br />

die sie für die gemeinsame<br />

Arbeit brauchen, und sie sprechen<br />

mit den Kindern darüber, welche<br />

Regeln sinnvoll sind, damit die Ge -<br />

räte keinen Stress auslösen. Gleichzeitig<br />

haben sie damit zu kämpfen,<br />

wenn Schülerinnen und Schü- >>><br />

«Ich bestimme<br />

das Tempo»<br />

Flurin Meier, 8, fällt Mathe<br />

leichter, wenn er auf dem Tablet<br />

üben kann. Im Schulunterricht<br />

habe das Gerät aber nichts<br />

erloren finde der eilssler<br />

aus erne <br />

echnen is an schn schieri<br />

Manchmal stellt uns die Lehrerin eine<br />

ufae und hrend ich noch am<br />

Nachrechnen bin, ist sie schon bei der<br />

nchsen anelan o schnell eh<br />

das. Auf dem Tablet meiner Mama<br />

mach echnen mehr ass auch<br />

eil ich das emo sels esimmen<br />

ann nd lusi sind die ahesiele<br />

auch ich hae schon eine ene<br />

miles esammel ein ruder und<br />

ich dürfen Mamas Tablet manchmal<br />

auch fr omuersiele nuen ir<br />

sielen dann eo oder auernhofsiele<br />

die efallen mir esonders u<br />

a muss man sich um einen anen<br />

of und die iere mmern nlich<br />

aussäen und ernten. Meine Mutter<br />

mche aer eeils dass ich uers<br />

ein aar ahlenunen mache eor<br />

ich ein iel einne as is oa<br />

Das Tablet ist cool – in der Schule<br />

mche ich edoch eines haen ch<br />

sse nich ou i dem om-<br />

uer haen ir im nerrich isher<br />

nie eareie s ineressier mich<br />

auch nicht so besonders, ich habe<br />

andere os um eisiel in ich<br />

eine asserrae und schimme frs<br />

een ern<br />

18 Oktober <strong>2017</strong>


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 19


Dossier<br />

20 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Wenn das Internet mehr weiss als<br />

der Lehrer, ändert sich auch<br />

dessen Rolle. Das ist nicht immer<br />

leicht für Lehrpersonen.<br />

«Digitales sollte<br />

Bücher nicht<br />

ersetzen»<br />

Chiara Caviezel, 15, aus Rapperswil<br />

finde dass diiale edien<br />

einem das Lernen vereinfachen.<br />

Dennoch ist die Schülerin der<br />

dritten Oberstufe dagegen, dass<br />

Tablets und Co. Bücher und Papier<br />

ersetzen.<br />

ch finde es sinnoll enn die chule<br />

digitale Medien im Unterricht einsetzt,<br />

mit ihnen lernt es sich manchmal echt<br />

einfacher n eorafie eschiche<br />

oder für politische Themen nutzen wir<br />

zum Beispiel toporopa.eu, da gibts<br />

interaktive Quizspiele um Europa und<br />

die EU. So fallen einem diese Themen<br />

leichter. Auch Mathe übe ich oft online,<br />

bei uns hat jeder Schüler einen Account<br />

auf der Plattform mathbuch.info, die<br />

eine Ergänzung zu unserem Mathebuch<br />

darstellt. In der Schule arbeiten wir<br />

durchschnittlich zweimal pro Woche am<br />

Computer. Wenn der Computerraum<br />

besetzt ist, erlauben uns manche Lehrer,<br />

Infos auch übers Handy zu recherchieren.<br />

Das hat mich zunächst ganz<br />

schön erstaunt – erwischen sie einen<br />

in der Pause mit dem Gerät, ist es weg.<br />

Wie und wo wir recherchieren, ist uns<br />

überlassen. Welchen Informationen ich<br />

vertraue? Das haben wir im Unterricht<br />

noch nie diskutiert. Zu Hause verbringe<br />

ich zwei bis drei Stunden pro Tag am<br />

Bildschirm, je nachdem, wie viel es für<br />

die Schule zu erledigen gibt. Was mir<br />

auffll Prfunssoff lei mir hufi<br />

besser im Kopf, wenn ich Zusammenfassungen<br />

handschriftlich aufschreibe, statt<br />

sie im Laptop einzugeben. Ich arbeite<br />

gerne mit digitalen Medien, wünsche mir<br />

aber nicht, dass sie in der Schule Bücher<br />

und Paier erseen ch finde es u<br />

wenn wir zwischendurch auch mit etwas<br />

Handfestem arbeiten, wo wir sonst<br />

schon die ganze Zeit am Bildschirm<br />

hängen. Die Vorstellung, dass im Unterricht<br />

alle nur noch ein Tablet brauchen,<br />

mag ich nicht. Ich verbringe auch viel<br />

Zeit am Handy, für den Umgang damit<br />

gibts zu Hause aber klare Regeln: An<br />

einem Abend pro Woche darf ich mich<br />

damit ins Zimmer zurückziehen, an zwei<br />

Abenden kann ich es im Wohnzimmer<br />

benutzen. Die restlichen zwei Abende<br />

sind handyfrei und gehören der Familie<br />

– zum gemeinsamen Essen, Reden oder<br />

Filmeschauen. Am Wochenende schauen<br />

wir jeweils, wie es gerade passt. Das<br />

finde ich an u so<br />

>>> ler von klein auf Mediengeräte<br />

unreguliert nutzen konnten. Diese<br />

haben oft wenig Verständnis dafür,<br />

wenn sie einmal etwas im Kopf rechnen<br />

oder etwas von Hand schreiben<br />

sollen.<br />

Neben den Eltern sind auch viele<br />

Lehrpersonen skeptisch bis kritisch,<br />

wenn es um die Nutzung von digitalen<br />

Medien im Unterricht geht.<br />

Das liegt zum einen daran, dass sich<br />

laut einer Studie von Ralf Biermann<br />

(2009) häufig gerade die Menschen<br />

für den Lehrberuf entscheiden, die<br />

Medien ohnehin schon kritisch ge -<br />

genüberstehen. «Sie haben selbst<br />

positive Erfahrungen mit der analogen<br />

Schule gemacht und werden<br />

Lehrerinnen, um das weiterzugeben.<br />

Nicht um etwas zu ändern», fasst<br />

Philippe Wampfler, Lehrer und<br />

Medienpädagoge, die Situation zu -<br />

sammen (siehe Interview Seite 30).<br />

Für die Lehrpersonen ändert sich<br />

mit der Digitalisierung der Schulwelt<br />

auch ihre Rolle: Sie sind nicht<br />

mehr die einzige Wissensquelle,<br />

sondern Begleiter und Coach, wenn<br />

Kinder sich Wissen selbst aneignen<br />

und Aufgaben lösen. Sie zeigen Kindern,<br />

wie man Informationen be -<br />

wertet und verarbeitet, müssen aber<br />

auf der anderen Seite akzeptieren,<br />

dass viele Kinder und Jugendliche<br />

ihnen in der flinken Handhabung<br />

der digitalen Geräte voraus sind.<br />

Der Kulturkrieg um die<br />

Digitalisierung verunsichert Eltern<br />

In den konträren Meinungen von<br />

Eltern und Lehrpersonen spiegelt<br />

sich ein Kulturkrieg wider, der rund<br />

um die Digitalisierung tobt. >>><br />

21


Dossier<br />

>>> Auf der einen Seite stehen die<br />

Technikbegeisterten, die davon<br />

schwärmen, dass dank spielerischer<br />

Programme auf dem Smartphone<br />

sogar unbeliebte Aufgaben gerne<br />

gelöst werden. Auf der anderen Seite<br />

Psychiater und Kinderärzte, die<br />

vor den Folgen von zu hohem Me -<br />

dien konsum warnen.<br />

Der bekannteste Kritiker, Hirnforscher<br />

Manfred Spitzer, schreibt in<br />

Büchern wie «Digitale Demenz»<br />

und «Cyberkrank», dass Computer<br />

die Auseinandersetzung mit der<br />

wirklichen Welt und damit das<br />

wichtigste geistige Training verhindern.<br />

«Wenn ich Informationsverarbeitung<br />

nicht im Gehirn, sondern<br />

Mathe und Physik machen<br />

als Lern-App, die piept und<br />

blinkt, einfach mehr Spass.<br />

im Computer betreibe, hat das<br />

Gehirn nichts gelernt», sagte er in<br />

einem Interview mit dem Deutschlandfunk.<br />

Unter Wissenschaftlern<br />

jedoch sind seine Thesen umstritten.<br />

Und mehr noch die Schlüsse, die er<br />

daraus zieht, nämlich, dass Computer<br />

in Schulen nichts verloren hätten.<br />

>>><br />

Voll motiviert<br />

schreiben diese<br />

Schülerinnen<br />

ihre ersten<br />

Programme.<br />

«Es mangelt<br />

an Aufklärung»<br />

efan ien finde dass die<br />

Schule das Potenzial digitaler<br />

Medien zu wenig ausschöpft. Der<br />

Vater zweier Teenager aus<br />

Rapperswil SG wünscht sich, dass<br />

man vorwärtsmacht – nicht nur,<br />

was die Nutzung digitaler Medien<br />

angeht, sondern auch in Sachen<br />

Risikoaufklärung.<br />

«Ich bin Fotograf und war früher Informatiker<br />

– beide Berufe bedingen, dass<br />

ich mich stark mit digitalen Medien<br />

beschäftige. Ich sehe in der Schule<br />

grosses Potenzial dafür, aber da gibt es<br />

viel Luft nach oben. Es beginnt schon<br />

damit, dass Kinder und Jugendliche<br />

mit Rucksäcken unterwegs sind, die<br />

so schwer beladen sind, als ginge man<br />

damit auf Weltreise. Ist das noch zeitgemäss,<br />

wo eigentlich sämtliche Lehrbücher<br />

auf ein Tablet geladen werden<br />

könnten? Wohl kaum. Einige werden<br />

jetzt argumentieren, das käme zu teuer.<br />

ieser einun in ich definii nich ch<br />

denke sogar, die elektronische Lösung<br />

würde auf lange Sicht weniger kosten<br />

als Bücher, sie würde – als weiterer<br />

Vorteil – zudem eine einfachere Aktualisierung<br />

der Lehrmittel erlauben. Es<br />

muss auch niemand Ablenkung durchs<br />

Internet befürchten, wenn das Tablet<br />

entsprechend eingestellt wird. Ich persönlich<br />

bin dafür, dass es ausschliesslich<br />

als Arbeitsinstrument genutzt wird. Die<br />

meisten Kinder beschäftigen sich gerne<br />

mit digitalen Medien. Das hat einen<br />

motivierenden Effekt, der umso stärker<br />

ist, wenn interaktiv und spielerisch<br />

gelernt wird. Dieses Potenzial sollte die<br />

Schule besser ausschöpfen. Mir scheint,<br />

unsere Tochter Chiara lerne motivierter,<br />

wenn sie Mathe am Computer üben<br />

kann, auch die Plattform Toporopa, die<br />

sie in eorafie nu is oll ie inder<br />

schulen ihr Wissen in einem Quiz, wo sie<br />

Länder-, Fluss- oder Städtenamen per<br />

Mausklick zuordnen. Wenn ich daran<br />

dene ie mhsam eorafielernen u<br />

meiner chulei ar aren oieren<br />

Ländernamen abdecken, alles neu<br />

einzeichnen – das macht keinen Spass.<br />

Elektronische Medien sind ergiebig,<br />

der Computer kann ständig neue Aufgaben<br />

generieren, wo ein Übungsbuch<br />

irgendwann durchgearbeitet ist. Bei<br />

Chiara ist derzeit die Lehrstellen-<br />

suche aktuell. Mich erstaunt, wie viele<br />

Betriebe bereits eine Online-Bewerbung<br />

erwarten. Dokumente einscannen, PDFs<br />

generieren und zusammenfügen – wir<br />

als Eltern mussten unserer Tochter<br />

zeigen, wie es geht. Das wäre doch<br />

Aufgabe der Schule. Ich frage mich,<br />

was Kinder machen, denen zu Hause<br />

niemand weiterhelfen kann. Ich bin<br />

digitalen Medien gegenüber in jeder<br />

Hinsicht aufgeschlossen, woran es mir<br />

in der Schule aber ganz klar mangelt,<br />

ist Aufklärung. In der Schule unserer<br />

Tochter musste es zuerst zu einem<br />

tragischen Vorfall von Cybermobbing<br />

kommen, damit das Thema überhaupt<br />

auf den Tisch kam und auch die Eltern<br />

vorbeikommen mussten, um sich etwas<br />

über Risiken im Internet anzuhören.<br />

Kindern ist nicht bewusst, dass das<br />

Internet nichts vergisst. Dass ihnen<br />

zum Verhängnis werden kann, was sie<br />

von sich preisgeben. Auch Eltern sind<br />

zu wenig sensibilisiert. Meine Frau und<br />

ich versuchen, es unseren Kindern so<br />

u erlren Verschic nur nhale die<br />

ihr ohne Bedenken auch ans schwarze<br />

Brett beim Hauseingang hängen würdet.<br />

Alles andere gehört ins persönliche<br />

Gespräch.»<br />

ild oen hrisian eerhard Phoo<br />

22


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 23


Dossier<br />

Medien können dick,<br />

dumm und faul machen.<br />

Oder kreativ und schlau.<br />

Es kommt darauf an,<br />

wie man sie nutzt.<br />

>>> Kritiker wie Befürworter der<br />

Digitalisierung führen sich widersprechende<br />

Studien ins Feld und<br />

werfen der jeweils anderen Seite vor,<br />

bestechlich und tendenziös zu sein.<br />

Das verunsichert Eltern zusätzlich.<br />

Wer in der Diskussion etwas genauer<br />

hinsieht, bemerkt allerdings, dass<br />

die Seiten häufig von verschiedenen<br />

Annahmen ausgehen. Medienpädagogen<br />

und technikbegeisterte Lehrer<br />

sprechen oft davon, dass Schüler die<br />

Medien als Hilfsmittel nutzen sollen,<br />

um etwas zu produzieren: Präsentationen<br />

vorbereiten, Informationen<br />

zusammentragen, Aufgaben lösen<br />

und sofort Feedback erhalten. Kritiker<br />

hingegen sprechen vom Me -<br />

dienkonsum zur Unterhaltung, der<br />

dick, dumm und unglücklich macht.<br />

Tatsächlich zeigt auch die<br />

JAMES-Studie, dass viele Jugendliche<br />

in ihrer Freizeit Medien hauptsächlich<br />

passiv konsumieren. Die<br />

internationale Vergleichsstudie zur<br />

Medienkompetenz eines unabhängigen<br />

Verbunds wissenschaftlicher<br />

Institutionen für Bildungsforschung<br />

(ICILS) zeigte 2013: Die Digitalkompetenz<br />

der «Digital Natives»<br />

Bild: Christian Aeberhard / 13 Photo<br />

24 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Digital und<br />

Analog vereint:<br />

Ein<br />

Programmcode<br />

auf der<br />

Wandtafel.<br />

vention zu betreiben, so der Hirnforscher.<br />

«Ein völlig verkürztes Verständnis<br />

von Medienbildung», meint<br />

dazu Thomas Merz, Medienpädagoge<br />

und Prorektor der Pädagogischen<br />

Hochschule Thurgau.<br />

Schulleiterpräsident Bernard<br />

Gertsch sieht die ganze Diskussion<br />

unaufgeregt: «Die Digitalisierung<br />

betrifft uns alle, die Schule ist als Teil<br />

der Gesellschaft verpflichtet mitzumachen.<br />

Wir wollen den Mediengebrauch<br />

der Kinder nicht forcieren,<br />

sondern Medien dort verwenden,<br />

wo sie Sinn machen», sagt er. Rahel<br />

Tschopp von der PH Zürich sagt, sie<br />

möchte die Eltern mit ins Boot holen<br />

und sie von der Wichtigkeit von<br />

digitalen Medien in der Schule überzeugen:<br />

«Die Kinder nutzen die<br />

Geräte ohnehin. In der Schule können<br />

Lehrpersonen sie dafür sensibilisieren,<br />

dies kompetenter und<br />

bewusster zu tun, und ihnen Wissen<br />

zur Funktionsweise von Medien vermitteln.»<br />

Schulsponsoring: Wenn Firmen<br />

Geräte und Software bezahlen<br />

Unbestritten ist, dass sich mit dem<br />

Einsatz neuer Medien in der Schule<br />

auch neue Fragen stellen. Wie geht<br />

man zum Beispiel mit den Unternehmen<br />

um, die im Schulzimmer einen<br />

neuen Markt wittern und grosszügige<br />

Sponsoring-Angebote an die<br />

Schulhäuser schicken? Potenzial gibt<br />

es in der Schweiz genug. Laut Schulleiterpräsident<br />

Gertsch herrscht tendenziell<br />

ein Stadt-Land-Gefälle, was<br />

die technische Ausstattung der Schulen<br />

angeht. Mittel zur Ausstattung<br />

machen grosse Firmen schnell und<br />

unkompliziert locker. Die Finanzierung<br />

mit Geldern aus Schulgemeinde<br />

und Kanton ist hingegen komplex<br />

und langwierig. Spezielle Bundesmittel<br />

für die Umsetzung des Lehrplans<br />

21 gab es bisher nicht (mehr<br />

dazu auf Seite 32).<br />

Für die Konzerne ist Schulsponsoring<br />

eine gute Sache: Ihre Namen<br />

werden schon früh in den Köpfen<br />

der Kinder verankert, und die Firmen<br />

können sich die Finanzierung<br />

gleichzeitig als gesellschaftliches<br />

Engagement auf die Fahnen schreiben.<br />

Laut New York Times gibt es in<br />

den USA einige Schulen, die sich<br />

ihre PC- und Internetausstattung<br />

komplett von Google finanzieren<br />

lassen. Das Ergebnis: Die Schüler<br />

haben Google als Synonym für «gute<br />

Technologie» abgespeichert. In der<br />

Schweiz gibt Samsung nach SRF-<br />

Informationen zum Beispiel pro<br />

Jahr etwa eine halbe Million Franken<br />

aus, um Schüler mit Tablets auszustatten,<br />

eine Studie zu finanzieren,<br />

die untersucht, wie sich dadurch der<br />

Unterricht verändert, und die Lehrerausbildung<br />

an der PH Zürich zu<br />

unterstützen. Swisscom sponsere<br />

den Schulen Leistungen im Wert<br />

von jährlich 20 Millionen Franken,<br />

unter anderem den schnellen Internetanschluss.<br />

Wenn die Schülerinnen und<br />

Schüler sich erst einmal an ein be -<br />

stimmtes Gerät oder Programm gewöhnt<br />

haben, dürfen sich die Hersteller<br />

Hoffnungen machen, dass sie<br />

dieses auch nach ihrer Schulzeit<br />

kaufen werden. Microsoft beispielsweise<br />

stellt Lehrpersonen und Schülerinnen<br />

neben Schulungen auch<br />

kostenlose Office-Pakete zur Verfügung.<br />

Diese laufen mit Ende der<br />

Schulzeit aus. «Das ist eine Winwin-Situation»,<br />

sagt Marc Weder,<br />

Geschäftsbereichsleiter Bildungskunden<br />

bei Microsoft Schweiz.<br />

Wie viel Schulsponsoring erlaubt<br />

ist und ob die Schulen das tatsächlich<br />

nutzen, ist sehr unterschiedlich,<br />

und noch wird keine Statistik darüber<br />

geführt. In der Romandie ist<br />

die Gesetzgebung sehr viel strenger<br />

als in der Deutschschweiz, in der<br />

Waadt ist das Schulsponsoring<br />

gesetzlich komplett verboten.<br />

Um einer Vereinnahmung der<br />

Schulen durch Unternehmen entgegenzuwirken<br />

haben der Dachverband<br />

Lehrerinnen und Lehrer<br />

Schweiz LCH, die Jacobs Foundation<br />

und die Mercator-Stifgeht<br />

über das Öffnen einer E-Mail<br />

nur selten hinaus. Davon, gefährliche<br />

Inhalte zu erkennen oder selbst<br />

eine Webseite zu gestalten, sind viele<br />

Jugendliche weit entfernt.<br />

Spricht das nicht umso mehr<br />

dafür, Kindern in der Schule einen<br />

kritischen und kreativen Umgang<br />

mit Medien beizubringen? Manfred<br />

Spitzer tut dieses Argument in<br />

einem «Zeit»-Interview mit den<br />

Worten ab: «Medienbildung? Hier<br />

geht es doch nur darum, die Kinder<br />

anzufixen.» Man gebe Kindern doch<br />

auch keinen Alkohol, um Suchtprä- >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 25


«Ich sehe das<br />

kritisch»<br />

Manuela Krattiger aus Arlesheim<br />

BL glaubt, dass der Umgang mit<br />

digitalen Medien eine gewisse<br />

Reife voraussetzt. Ihre Buben hält<br />

sie darum davon fern. Sie ist gegen<br />

den Einsatz von Tablets und Co.<br />

schon in der Primarschule.<br />

«Ich bin Mutter eines Kindergärtlers<br />

und eines Drittklässlers. Als mein älterer<br />

Sohn in der ersten Klasse nach Hause<br />

kam und mir erzählte, er arbeite im<br />

Unterricht am Computer, staunte ich<br />

nicht schlecht. Gerade, weil wir Eltern<br />

nicht informiert worden waren. Die<br />

Schüler übten Rechnen am Computer.<br />

ir missfiel dass sie diesen nich nur als<br />

Arbeitsinstrument nutzten: Wer schnell<br />

mit Mathe fertig war, durfte Computergames<br />

spielen. Auch in der zweiten<br />

Klasse kam der Computer zum Einsatz,<br />

nicht ständig, aber regelmässig. Mir<br />

geht das gegen den Strich, weil ich die<br />

Kinder zu Hause von digitalen Medien<br />

fernhalte – noch jedenfalls. Ich bin nicht<br />

weltfremd, nutze entsprechende Geräte<br />

selbst. Den Umgang der Kinder damit<br />

sehe ich aber kritisch. Wie können wir<br />

von ihnen erwarten, massvoll mit digitalen<br />

Medien umzugehen, wenn selbst<br />

Erwachsene das Handy kaum beiseitelegen<br />

können? Damit ein junger Mensch<br />

sich diesem Sog mit der nötigen Kraft<br />

entgegenstellen kann, braucht er eine<br />

gewisse Reife. Vor dem zehnten, zwölften<br />

Lebensjahr dürfte die, wie ich vermute,<br />

noch nicht erreicht sein. Ich besuche<br />

hufi lernildunsurse a erlee ich<br />

Mütter und Väter, die berichten, dass sie<br />

ihre zehnjährigen Kinder nicht vom Bildschirm<br />

wegkriegen. Ich glaube, dass eine<br />

entsprechend konsequente Haltung der<br />

Eltern dem entgegenwirken kann. Es ist<br />

aber schwierig, wenn die Schule untergräbt,<br />

was einem wichtig ist. Natürlich<br />

ist es normal, dass in der Zusammenarbeit<br />

von Schule und Elternhaus auch<br />

onie ensehen chieri irds<br />

wenn es um Grundwerte geht, und da<br />

gehört für mich der Umgang mit digitalen<br />

Medien dazu. Unsere Gemeinde<br />

plant, die Primarschule mit iPads aus-<br />

ursen as finde ich unanemessen<br />

weil die Geräte Kinder um wertvolle<br />

sinnliche und feinmotorische Erfahrungen<br />

bringen. Man weiss auch, dass<br />

LED-Displays zu Überreizung führen<br />

können – sicher nicht das Beste für<br />

Kinder, die ohnehin Schwierigkeiten<br />

haben mit Stillsitzen. Mein älterer Sohn<br />

besucht seit dem neuen Schuljahr die<br />

Steiner-Schule. Für mich ist es eine<br />

Erleichterung, dass digitale Medien<br />

dort explizit nicht erwünscht sind,<br />

zumindest auf Primarstufe. Das gibt<br />

mir als Mutter einen besseren Rückhalt.<br />

Selbstverständlich werde ich meinen<br />

Söhnen später erlauben, den Computer<br />

zu nutzen. Sollten dann auch Games zur<br />

eae sehen finden ir eine sun<br />

26 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

>>> tung eine Charta aufgesetzt,<br />

die viele Firmen unterzeichneten,<br />

die mit Schulen zusammenarbeiten.<br />

Darin verpflichten sie sich, unter<br />

anderem auf Product Placement<br />

und das Verteilen von Vergünstigungen<br />

für Produkte zu verzichten.<br />

So soll eine zu starke Werbewirkung<br />

durch Kooperationen ausgeschlossen<br />

werden.<br />

Der gläserne Schüler?<br />

Eine weitere sensible Frage lautet:<br />

Wie werden die Daten in einer digitalisierten<br />

Schule geschützt? Solange<br />

Klassenarbeiten nur in Hefte geschrieben<br />

wurden und auch Einträge<br />

bei schlechtem Benehmen nur im<br />

Klassenbuch der Lehrperson zu finden<br />

waren, bedurfte es noch eines<br />

grossen Aufwandes, diese Daten zu<br />

kopieren und zu verbreiten. Heute<br />

haben einige Kantone eine digitale<br />

Viele Lehrpersonen<br />

verwenden Programme,<br />

die aus Datenschutzsicht<br />

sehr kritisch sind.<br />

ID eingeführt, die jedem Schüler und<br />

jeder Lehrperson seine/ihre Daten<br />

eindeutig zuordnet. Die ID soll einen<br />

Schulwechsel erleichtern, auch kantonsübergreifend.<br />

Hier gibt es klare<br />

Regeln, welche Daten verschlüsselt<br />

sein müssen und welche nicht (mehr<br />

dazu auf Seite 34).<br />

Wenn Schülerinnen und Schüler<br />

allerdings im Unterricht ins Internet<br />

gehen, ob für eine Recherche oder<br />

um bestimmte Programme in einer<br />

internetbasierten Cloud zu nutzen,<br />

hinterlassen sie auch dort eine Datenspur.<br />

Marc Weder von Microsoft versichert,<br />

dass Daten in der Microsoft-<br />

Cloud Office 365 entsprechend den<br />

Richtlinien des Verbandes Schweizer<br />

Datenschützer gespeichert werden.<br />

Nur: Lehrerinnen und Lehrer benutzen<br />

an Schweizer Schulen auch sehr<br />

oft Programme von Firmen, die keine<br />

Charta unterzeichnet haben oder<br />

nicht den Datenschutzrichtlinien der<br />

Schulen entsprechen – Google,<br />

Dropbox oder die iCloud zum<br />

Datenaustausch zum Beispiel. Diese<br />

haben ihre Datenserver in den >>><br />

tel.Dr.<br />

Mehr Infos auf<br />

visana.ch/telemedizin<br />

Medizinische Beratung am Telefon durch eine Fachperson,<br />

jeden Tag rund um die Uhr. Im Akutfall oder bei Unsicherheit.<br />

Das ist Service.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 27


Dossier<br />

Bild: Salvatore Vinci / 13 Photo<br />

«Medien und<br />

Informatik»<br />

im Lehrplan 21<br />

Der Lehrplan 21 legt die Kompetenzen<br />

fest, die die Schülerinnen und Schüler in<br />

ihrer Volksschulzeit, vom Kindergarten<br />

bis und mit 9. Klasse, erlernen sollen. Im<br />

Modul «Medien und Informatik» geht es<br />

zum einen darum, den Mediengebrauch<br />

ausserhalb der Schule aufzugreifen<br />

und u reeieren um anderen sollen<br />

Schüler mit Anwendungskompetenzen<br />

und grundlegenden Informatikkenntnissen<br />

auf die Berufswelt vorbereitet<br />

werden, da diese heute «praktisch in<br />

jedem Beruf erforderlich» seien, so die<br />

Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz.<br />

Thomas Merz von der PH<br />

Thurgau, der am Lehrplan mitgearbeitet<br />

hat, weist darauf hin, dass der Lehrplan<br />

weit mehr als die Nutzung von Medien<br />

im Unterricht fordert: «Es geht darum,<br />

Schülerinnen und Schüler auf die<br />

neuen Herausforderungen der digitalen<br />

Gesellschaft vorzubereiten. Da gehört<br />

viel Hintergrundwissen dazu, da setzen<br />

sich Schülerinnen und Schüler mit den<br />

inssen on edien auf die esellschaft<br />

auseinander, mit Risiken in ihrer<br />

Nutzung, mit der Bedeutung digitaler<br />

Medien für die Demokratie, mit neuen<br />

eruichen omeenen mi der lle<br />

an negativen Nachrichten, deren Wir-<br />

unen und ielem mehr ielseunen<br />

des Moduls «Medien und Informatik»<br />

sind,<br />

1. dass Schülerinnen und Schüler<br />

Medien und ihre Bedeutung für die<br />

Gesellschaft verstehen, kritisch hinterfragen<br />

und kompetent und verantwortungsvoll<br />

nutzen;<br />

2. dass Schülerinnen und Schüler<br />

verstehen, welche grundsätzlichen<br />

technischen Mechanismen hinter den<br />

digitalen Medien stecken, damit sie<br />

diese Grundkonzepte der Informatik<br />

nutzen können, um eigene Probleme<br />

zu lösen;<br />

3. dass Schülerinnen und Schüler Hardund<br />

Software kompetent nutzen, um<br />

Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

in der Schule, im Alltag<br />

und im Berufsleben einzusetzen.<br />

Im Zyklus I, der die ersten vier Jahre<br />

einschliesslich Kindergarten umfasst,<br />

soll die Medienkompetenz nicht in einem<br />

eienen ach ermiel erden sondern<br />

immer wieder fächerübergreifend dort<br />

auferiffen erden o es ass iele<br />

des ersen lus sind um eisiel<br />

dass die Schülerinnen und Schüler ein<br />

Gerät einschalten und sich anmelden<br />

können oder dass sie lernen, Medien<br />

stufengerecht kreativ zu nutzen und sich<br />

über ihre eigene Medienerfahrung auszutauschen.<br />

In den Zyklen II ( 3.– 6. Schuljahr)<br />

und III (Sekundarstufe) emfiehl der<br />

Lehrplan, dass die Kinder mindestens<br />

zwei Jahreswochenstunden Medien<br />

und Informatik besuchen, um zentrale,<br />

rundleende hemen ssemaisch u<br />

erareien und ie diese eien eingehalten<br />

werden, entscheiden die jeweiligen<br />

Kantone. Mit den Schülern wachsen<br />

auch die Kompetenzziele. So sollen sie<br />

im drien lus uner anderem lernen<br />

die Absicht hinter Medienbeiträgen zu<br />

erkennen, Medien zur Veröffentlichung<br />

eigener Ideen zu nutzen und Algorithmen<br />

für Computerprogramme mit Variablen<br />

und Unterprogrammen zu erstellen.<br />

Auf Gymnasialstufe is das ach<br />

Informatik ein wählbares Ergänzungsfach.<br />

Die Erziehungsdirektorenkonferenz<br />

berät derzeit, ob es hier<br />

Pichfach erden soll n den Berufsschulen<br />

ist das Bild noch heterogener<br />

als an anderen Schulen, weil die Integration<br />

neuer Medien hier stark vom angestrebten<br />

Berufsbild abhängt.<br />

28 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Nicht jeder, der Lehrer wird,<br />

ist ein Freund der neuen<br />

Medien und kennt sich<br />

darin gut aus.<br />

>>> USA. In einer Schweizer Schule<br />

dürften sie daher offiziell nicht<br />

verwendet werden.<br />

Ein weiteres Problem: Der einzelnen<br />

Lehrperson wird beim Unterrichten<br />

nicht auf die Finger geschaut.<br />

Und wie bereits erwähnt, ist nicht<br />

jeder, der den Lehrberuf ergreift, ein<br />

Freund des Einsatzes neuer Medien<br />

und kennt sich gut aus. Leitfäden zu<br />

den Themen Datenschutz und<br />

Sponsoring geben eine Orientierungshilfe,<br />

aber die tatsächliche<br />

Umsetzung liegt bei der einzelnen<br />

Lehrperson. Sie entscheidet darüber,<br />

ob die Geräte sicher, gewinnbringend<br />

und pädagogisch sinnvoll eingesetzt<br />

werden. Oder um es mit den<br />

Worten von Schulleiterpräsident<br />

Bernard Gertsch zu sagen: «Es gibt<br />

bisher keine überzeugenden Langzeitstudien,<br />

die uns zeigen, dass man<br />

mit digitalen Medien besser lernt –<br />

aber sehr viele, die zeigen, dass eine<br />

gute Lehrperson einen Unterschied<br />

macht.»<br />

Da die Digitalisierung der Schulen<br />

in vollem Gang ist, wird sich eine<br />

gute Lehrperson mindestens genauso<br />

stark mit den Chancen und Risiken<br />

der «Generation Smartphone»<br />

auseinandersetzen müssen wie die<br />

Eltern der Kinder. Denn die digitale<br />

Welt ist zu komplex und zu wichtig,<br />

als dass wir unsere Kinder damit<br />

alleine lassen sollten.<br />

>>><br />

Scannen Sie<br />

die Seite mit der<br />

Fritz+Fränzi-App, und<br />

sehen Sie ein Video-<br />

Interview mit Professor<br />

Beat Döbeli zum Thema<br />

digitale Schule.<br />

Bianca Fritz<br />

leitet die Online-Redaktion von Fritz+Fränzi.<br />

In ihrer Schulzeit hat sie nur wenige Stunden<br />

IT-Unterricht im muffeligen Computerraum<br />

verbracht. Die strenge Aufsicht des Lehrers<br />

ar daei eienlich erssi denn die<br />

Internetverbindung war ohnehin viel zu<br />

lansam um im e u surfen<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 29


Dossier<br />

« Kinder lernen Sprache<br />

und Bilder digital kennen»<br />

Er arbeitet mit digitalen Tafeln, Smartphones und lässt seine<br />

Schülerinnen und Schüler Youtube-Videos drehen: der Lehrer<br />

Philippe Wampfler über die Vorurteile von Kolleginnen<br />

und Kollegen und die Grenzen des Digitalen. Interview: Bianca Fritz<br />

err apfler ie aren eine er ersten<br />

ehrpersonen er cheiz ie<br />

igitale eien i nterricht eingesetzt<br />

haben. haben ie ein uch<br />

über soziale eien in er chule<br />

geschrieben it elcher otiation<br />

Wir hatten an unserer Schule eine<br />

sehr theoretische Fortbildung zum<br />

Thema soziale Medien mit externen<br />

Experten. Was dabei zu kurz kam,<br />

war die Frage, wie Jugendliche diese<br />

Netzwerke nutzen. Da gibt es eine<br />

Wissenskluft zwischen Schülerinnen<br />

und Schülern und Lehrpersonen.<br />

Kurz darauf bin ich in Weiterbildungsferien<br />

gegangen, habe einen<br />

Blog zum Thema begonnen, Tagungen<br />

besucht und das erste Buch zum<br />

Einsatz von Social Media in Schulen<br />

geschrieben. Seither werde ich selbst<br />

als Experte zu Weiterbildungen in<br />

Schulen eingeladen. Wobei ich den<br />

Schulen sage: «Ihr könnt die Verantwortung<br />

nicht dauerhaft an Externe<br />

delegieren. Ihr müsst euch selbst mit<br />

neuen Medien auseinandersetzen.»<br />

achen igitale eien en nterricht<br />

grunstzlich besser<br />

Ein Unterricht ohne den Einsatz von<br />

Medien ist gar nicht möglich. Auch<br />

die Wandtafel ist ein Medium. Digitale<br />

Medien sind einfach zeitgemässe<br />

Medien. Ein Unterricht ohne<br />

diese wirkt künstlich. Ich brauche<br />

die Tafel noch oft – manchmal digitalisiere<br />

ich sie. Ich schaue immer,<br />

was didaktisch sinnvoll ist.<br />

o ist er insatz on igitalen<br />

eien nicht sinnoll<br />

Zum Beispiel, wenn sich die Schülerinnen<br />

und Schüler zusammensetzen,<br />

um einen Konflikt zu lösen. Da<br />

wäre es problematisch, wenn es digitale<br />

Aufzeichnungen geben würde.<br />

Oder wenn die Motorik wichtig ist:<br />

Was beim Von-Hand-Schreiben in<br />

der Primarschule passiert, kann mit<br />

digitalen Medien nicht gefördert<br />

werden.<br />

in ie auf ierstne bei Kollegen<br />

gestossen als ie neue eien i<br />

nterricht eingesetzt haben<br />

Im Prinzip war den anderen egal,<br />

was ich im Klassenzimmer machte.<br />

Nach und nach hat aber die Schulleitung<br />

gemerkt, dass sie auf den<br />

Mediengebrauch der Kinder reagieren<br />

muss. Zunächst hat man es mit<br />

einem Handyverbot probiert. Das<br />

liess sich aber nicht umsetzen. Also<br />

wurde umgeschwenkt auf «Bring<br />

your own device»: Die Geräte, welche<br />

die Jugendlichen ohnehin dabei<br />

hatten, sollten im Unterricht genutzt<br />

werden. Das hat zu einigen negativen<br />

Reaktionen geführt.<br />

as sin enn ie orurteile oer<br />

ngste ie i ehrerkollegiu<br />

erbreitet sin<br />

Manche Lehrpersonen an Gymnasien<br />

unterrichten ihr Fach noch so,<br />

wie sie es im Studium gelernt haben.<br />

Gerade in den Sprachwissenschaften<br />

heisst das: in Bibliotheken gehen,<br />

Bücher suchen und lesen. Dann<br />

kommen Schüler und sagen: «Ich<br />

finde das aber alles im Netz!» Das<br />

kann bei der Lehrperson zu einer<br />

Sinnkrise führen. In einer digitalisierten<br />

Welt ändert sich auch deren<br />

Rolle. Sie ist nicht mehr die einzige<br />

Wissensquelle. Zudem begibt man<br />

sich mit den neuen Medien auf ein<br />

Feld, auf dem die Schülerinnen und<br />

Schüler souveräner sind. Damit verschieben<br />

sich die Machtverhältnisse.<br />

ber es gibt a auch üngere ehr<br />

personen ie selbst schon seit ahren<br />

igitale eien benutzen.<br />

Ja, das ist ein Grund, warum sich die<br />

Lage langsam entspannt. Allerdings<br />

zeigen Untersuchungen auch, dass<br />

die Menschen, die sich für den Lehrerberuf<br />

ausbilden lassen, dem Einsatz<br />

der digitalen Medien in der<br />

Schule generell eher kritisch gegenüberstehen.<br />

ie kot as<br />

Sie haben selbst positive Erfahrungen<br />

mit der analogen Schule gemacht<br />

und werden Lehrerin oder Lehrer,<br />

um das weiterzugeben. Nicht um<br />

etwas zu ändern.<br />

ibt es auch on eiten er ltern<br />

egenin<br />

Eltern sind eine sehr heterogene<br />

Gruppe. Die einen sagen: «Ich kämpfe<br />

ja zu Hause schon gegen das Gerät,<br />

warum wollt ihr es jetzt auch noch<br />

in der Schule einsetzen?» Andere<br />

30 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


arbeiten selbst mit digitalen Medien<br />

und finden die Schule völlig veraltet.<br />

Die meisten Eltern aber stehen dem<br />

Thema unaufgeregt gegenüber. Ganz<br />

anders als noch vor fünf oder zehn<br />

Jahren. Sie haben inzwischen eigene<br />

Erfahrung mit Smartphones und<br />

Computern gesammelt und sich eine<br />

Vorstellung davon geschaffen, welche<br />

Regeln es im Umgang mit den<br />

Geräten geben soll. Trotzdem gibt es<br />

natürlich einen Legitimationsdruck,<br />

wenn Schulen digitaler werden. Und<br />

das ist gut so.<br />

Warum?<br />

Weil wir immer wieder überlegen<br />

und begründen müssen, was wir tun.<br />

Das tut uns gut, Lehrpersonen sind<br />

ja keine Halbgötter.<br />

ie beeinflussen ie eienregeln<br />

aus e lternhaus en nterricht<br />

Kinder aus einem Elternhaus mit<br />

hohem Bildungsstand haben oft<br />

strenge Regeln und die Kinder<br />

bekommen meist auch erst spät ein<br />

Smartphone, zum Beispiel mit Übertritt<br />

in die Oberstufe. Bei niedrigem<br />

Bildungsstand wird das Handy hingegen<br />

häufig früher gegeben und mit<br />

weniger Regeln verbunden, zum<br />

Beispiel, damit das Kind ruhig ist.<br />

Die Kinder, die schon jung, mit sechs<br />

oder sieben, ein Handy besitzen,<br />

haben also oft keine Mediennutzungsregeln<br />

gelernt. Das sehen dann<br />

die Lehrpersonen und sagen: «Also<br />

bei so jungen Kindern sollte man<br />

Handys nicht einsetzen.»<br />

n ie sehen ie as ollte es<br />

schon in er Priarschule Kontakte<br />

it igitalen eien geben<br />

Ganz klar ja. Nicht als Ersatz für den<br />

Wald und motorische Erlebnisse,<br />

aber zusätzlich. Die Primarschule<br />

prägt unser Verständnis von Schule<br />

und Wissensaneignung stark. Sie ist<br />

– bis auf ein paar Vorzeigeprojekte<br />

– stark analog geprägt. Dabei lernen<br />

Kinder in der Welt ausserhalb der<br />

Schule Sprache und Bilder oft digital<br />

kennen. Meine Kinder haben das<br />

Schreiben an den Tram-Automaten<br />

gelernt, wo sie Buchstaben eingegeben<br />

haben.<br />

ie iel igital re zu iel<br />

Es gibt dieses amerikanische Modell,<br />

eine echte Schreckensvision: Jeder<br />

Schüler ist abgetrennt hinter dem<br />

PC, und für <strong>10</strong>0 Schüler hat es vielleicht<br />

drei Lehrpersonen, alles andere<br />

regeln individuell angepasste<br />

Lernprogramme. Und hinter denen<br />

steht eine mächtige Industrie. Der<br />

wichtigste Aspekt von Schule ist<br />

doch der soziale. Man muss hier<br />

Beziehungen knüpfen können.<br />

hre chülerinnen un chüler sin<br />

u ie ahre alt un haben alle ein<br />

eigenes artphone. ie setzen ie<br />

neue eien i nterricht ein<br />

Nehmen wir den Deutschunterricht<br />

als Beispiel: Ich könnte einfach an<br />

die Wandtafel schreiben, was «erlebte<br />

Rede» ist. Oder ich lasse es die<br />

Schülerinnen und Schüler selber mit<br />

dem Smartphone suchen, erstelle ein<br />

Google Doc und darin tragen die<br />

Schüler verschiedene Informationen<br />

zusammen. Anschliessend können<br />

sie vergleichen: Was ist eine gute<br />

Quelle? Dabei stellen sie fest, dass es<br />

verschiedene Definitionen gibt, also<br />

keine Einigkeit herrscht. Ich bin<br />

überzeugt, dass sie es sich so besser<br />

merken können, als wenn ich es<br />

ihnen nur erzähle.<br />

aben ie noch ein eispiel<br />

Alles Organisatorische läuft über<br />

einen WhatsApp-Chat. Hier können<br />

mir die Schülerinnen und Schüler<br />

Fragen zu den Hausaufgaben stellen<br />

und ich weiss, wo sie stehen. Daran<br />

kann ich im Unterricht anknüpfen.<br />

as heisst ie als ehrer üssen<br />

tunen erreichbar sein<br />

Nein, da muss man eine Kommunikationskultur<br />

finden. Ich habe feste<br />

Zeiten, wann ich bei WhatsApp<br />

online bin und Fragen beantworte.<br />

Man entwickelt auch eine Filterkompetenz<br />

und sieht, auf welche Nachrichten<br />

man sofort antworten muss.<br />

ine Kopetenz ie auch ie chüler<br />

erlernen sollten.<br />

Ja klar, darüber sprechen wir im<br />

Unterricht. Es gibt unterschiedliche<br />

Erwartungen, wie schnell jemand<br />

antworten muss. Das kann in Stress<br />

ausarten. Vor Prüfungen haben manche<br />

meiner Schülerinnen und Schüler<br />

die Strategie entwickelt, den Klassenchat<br />

stumm zu schalten. Damit sie<br />

sich nicht gegenseitig verrückt<br />

machen können.<br />

üssen ans in hren Prüfungen<br />

ausgeschaltet bleiben<br />

Klassische Prüfungen mache ich persönlich<br />

nicht. Ich arbeite kompetenzorientiert.<br />

Zum Beispiel habe ich<br />

Schülerinnen und Schülern gerade<br />

einen Kommentar zu einem Roman<br />

schreiben lassen – in Google Docs.<br />

Dazu geben dann andere Schülerinnen<br />

und Schüler und ich nach strengen<br />

Regeln Feedback. Danach können<br />

sie ihren Text fertig schreiben.<br />

Wir arbeiten zusammen daran, einen<br />

Text zu verbessern. Das wird auch<br />

dem heutigen Textverständnis ge -<br />

recht: Digitale Texte sind nie einfach<br />

fertig. Ich möchte, dass die Schülerinnen<br />

und Schüler bei mir so arbeiten<br />

lernen, wie sie es später in der<br />

Berufswelt brauchen.<br />

ber geben sie sich nicht eniger<br />

ühe it eine et enn sie issen<br />

ass es nur eine erste ersion ist<br />

Bei Aufsätzen hat es schon immer<br />

Texte gegeben, die eher unüberlegt<br />

schienen und die man besser noch<br />

einmal überarbeitet hätte. Der Wille,<br />

einen bereits fertigen Text zu verbessern,<br />

war hingegen eher noch kleiner.<br />

Wie gehen Wampflers Schüler<br />

damit um, dass er in den sozialen<br />

Medien so bekannt ist? Wie<br />

beurteilt er die Medienkompetenz<br />

an den Schulen? Die lange Version<br />

des Interviews finden Sie auf<br />

fritzunfraenzi.ch oder in der AR-<br />

App – einfach damit diese<br />

Seite scannen.<br />

Philippe Wampfler<br />

ist Gymnasiallehrer für Deutsch und<br />

Philosophie, Dozent für Fachdidaktik<br />

Deutsch und Autor mehrerer Bücher zum<br />

Thema Schule und Social Media. Er wohnt<br />

in Zürich und hat drei Kinder.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 31


Die Schule von morgen<br />

Jürg Brühlmann vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH ist überzeugt:<br />

Die Digitalisierung wird die Volksschule grundlegend verändern. Text: Jürg Brühlmann<br />

«Das Sponsoring wird<br />

forciert, bezahlt wird mit den<br />

Daten unserer Kinder.»<br />

Jürg Brühlmann, lic. phil., ist Primar-,<br />

Sekundar- und Sonderklassenlehrer und leitet<br />

die Pädagogische Arbeitsstelle des<br />

Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer<br />

Schweiz LCH.<br />

Der Lehrplan 21 bringt<br />

den Unterricht zu<br />

den Informationsund<br />

Kommunikationstechnologien<br />

(ICT) und Medien in die Volksschule.<br />

Kinder recherchieren Informationen<br />

und lernen sie zu bewerten,<br />

können Bildsprache interpretieren<br />

und hinterfragen, nutzen selbstver-<br />

Recherchieren, Bewerten,<br />

Programmierlogik – das<br />

alles lernen Kinder in<br />

Zukunft in der Schule.<br />

ständlich unterschiedlichste Programme<br />

und lernen, zu verstehen,<br />

wie die Programmierlogik funktioniert.<br />

Solche Inhalte und Kompetenzen<br />

lernen die Kinder in Zukunft in<br />

der Schule. Bis die Schulen so weit<br />

sind, kann es noch einige Jahre dauern:<br />

je nachdem, wie rasch der jeweilige<br />

Kanton den Lehrplan 21<br />

einführt, ob genug Zeit und Geld<br />

zur Verfügung gestellt werden für<br />

die Weiterbildung der Lehrpersonen,<br />

ob die Lehrmittel aktualisiert<br />

werden und ob die Schule ausreichend<br />

mit Hard- und Software ausgerüstet<br />

wird.<br />

Digitalisierung kostet<br />

In Winterthur wurden auf das neue<br />

Schuljahr hin 40 Schulhäuser für 2,5<br />

Millionen Franken mit 2000 Notebooks<br />

und 900 Tablets ausgerüstet.<br />

Jedes Kind erhielt einen USB-Stick<br />

mit Linux-Betriebssystem, Lernund<br />

Softwareprogrammen, die auch<br />

zu Hause laufen sollen. Es scheint,<br />

als ob nun in den Gemeinden das<br />

grosse Aufrüsten beginnt. Die schulische<br />

Infrastruktur wird nicht vom<br />

Kanton gestellt, sondern muss von<br />

den Gemeinden finanziert werden,<br />

teilweise mit Beiträgen des Kantons.<br />

Die Volksschule ist gemäss Bundesverfassung,<br />

Artikel 19 unentgeltlich.<br />

Daher ist es richtig, dass die Eltern<br />

nicht mit Anschaffungen oder Abokosten<br />

belastet werden.<br />

Kinder wollen als Individuen<br />

gesehen und gefördert werden. Ers-<br />

te öffentliche Schulen setzen als Pioniere<br />

für alters- und leistungsdurchmischte<br />

Lerngruppen voll auf die<br />

Personalisierung mit digitalem<br />

Lernwegmanagement und digitalen<br />

Lernaufgaben einschliesslich Lernmaterial<br />

im Hintergrund. Das Lernen<br />

jedes Kindes kann auf übersichtlichen<br />

Kompetenzrastern im<br />

Auge behalten werden und bleibt für<br />

Lehrpersonen und Eltern nachvollziehbar.<br />

Andere Schulen stellen um<br />

auf flexible Stundenpläne, erste private<br />

Schulen verzichten sogar auf<br />

fixe Ferienzeiten und bieten Ferncoaching<br />

für die Hausaufgaben oder<br />

bei Abwesenheiten.<br />

Gelernt werden kann immer,<br />

auch abends, Auszeiten und Ferien<br />

sind jederzeit möglich. Elternbussen<br />

aufgrund von unentschuldigten<br />

Absenzen werden abgelöst durch<br />

Lernzielvereinbarungen im Dreieck<br />

Kind – Eltern – Schule. Die Lehrpersonen<br />

fördern als Coaches die Kinder,<br />

damit sie die gewünschten standardisierten<br />

Tests bestehen, welche<br />

anstelle der Lehrpersonen die promotionswirksame<br />

Beurteilung und<br />

Selektion übernehmen.<br />

Digitalisierung bringt völlig neue<br />

Zukunftsszenarien<br />

Im Hintergrund warten bereits grosse<br />

Unternehmen, die all dies im<br />

Abonnement anbieten: Cloud-<br />

Lösungen, Social Media, interaktive<br />

Webseiten, alle Arten Apps und<br />

Lernprogramme, Videotutorials,<br />

32 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

modulares Lernmaterial, Lernwegtracking<br />

und internationale Tests.<br />

Vielleicht umfassen die Pakete bald<br />

auch spezialisierte Lehrpersonen,<br />

die teilweise vor Ort sind und anderes<br />

im Ferncoaching abdecken. Korrekturen<br />

können weitgehend automatisiert<br />

erledigt werden. Schreiben<br />

wird unwichtiger, weil den Computern<br />

Texte diktiert werden können.<br />

Menschenähnliche Roboter können<br />

Fragen beantworten, emotionale Be -<br />

dürfnisse abdecken, singen oder<br />

erzählen.<br />

Derartige Angebote verlangen<br />

einen enormen Investitionsbedarf<br />

und sind dafür nach oben skalierbar.<br />

Nur die immer noch notwendige<br />

soziale Betreuung der Kinder muss<br />

lokal sichergestellt werden, entweder<br />

professionell gegen Bezahlung<br />

durch die Eltern oder kostengünstiger<br />

mit Freiwilligen. Regionale<br />

Lehrmittelverlage und einzelne<br />

Kantone können mit Eigenentwicklungen<br />

da nicht mehr mithalten.<br />

Digitalisierung erfordert politische<br />

Willensbildung<br />

Mit derartigen Szenarien werden<br />

wir uns bald schon politisch als<br />

Wahl- und Stimmberechtigte, aber<br />

auch persönlich als Eltern auseinandersetzen<br />

müssen. Die Bildungskosten<br />

sind neben den Gesundheitskosten<br />

die auffälligsten Ausgaben in<br />

den Gemeinden und Kantonen. Um<br />

in Kantonen und Gemeinden weiter<br />

Steuern senken zu können, schlagen<br />

führende Politiker und Medien eine<br />

Menschenähnliche Roboter<br />

können Fragen beantworten,<br />

emotionale Bedürfnisse<br />

abdecken, singen und erzählen.<br />

massive Senkung der Kosten auch<br />

im Bildungswesen vor. Wie in den<br />

USA bereits zu sehen ist, sind auch<br />

digitale Billigstlösungen möglich:<br />

Das Sponsoring wird forciert, be -<br />

zahlt wird mit den Daten und der<br />

Beeinflussung der Kinder, Kosten<br />

werden nach dem Prinzip BYOD<br />

(bring your own device) und über<br />

Gebühren auf die Eltern abgewälzt,<br />

einfach testbare Fächer bilden die<br />

Grundbildung, der Rest muss privat<br />

dazugekauft werden.<br />

Wir sehen im Gesundheitswesen<br />

bereits ähnliche Entwicklungen, wo<br />

Menschen nach Betreuungsintensität<br />

«taxiert» werden. Das Verursacherprinzip<br />

kennen wir bereits.<br />

Das Prinzip der Finanzierung von<br />

Grundangeboten via progressive<br />

Steuern wird abgelöst durch das<br />

Verursacherprinzip, wie bereits bei<br />

den TV/Internet-Gebühren, den<br />

Autobahnvignetten, beim Wasser<br />

oder beim Kehricht.<br />

Heute ist noch kaum vorstellbar,<br />

dass eines Tages auch die heute noch<br />

vielfältigen Berufsaufgaben der<br />

Lehrpersonen auf andere Berufsgruppen,<br />

Laien und Assistenzpersonal<br />

aufgeteilt und damit modularisiert<br />

werden könnten: die Planung<br />

von Unterricht, das Vermitteln von<br />

prüfungsfähigen Kompetenzen (das<br />

«Lehren»), das Trainieren und Üben,<br />

die soziale Betreuung und die Führung<br />

der Gruppen, das Herstellen<br />

von Lernmaterial, das Prüfen, Testen<br />

und Beurteilen. Schauen wir uns in<br />

anderen Berufen und Wirtschaftszweigen<br />

um, geschieht aber genau<br />

das.<br />

Digitalisierung schafft die<br />

Allrounderin ab<br />

Die Vorstellung der Allrounderin,<br />

die neun Fächer möglichst in dividual<br />

isiert unterrichtet, eine maximal<br />

heterogene Klasse führt, die sozialen<br />

und personalen Kompetenzen jedes<br />

Kindes fördert, rund um die Uhr auf<br />

die Sorgen der Eltern eingeht und<br />

auch abends online bei Aufgaben<br />

hilft, Kinder beurteilt und für spätere<br />

schulische und berufliche Karrieren<br />

selektioniert – von diesem Bild<br />

werden wir uns vielleicht schon bald<br />

verabschieden müssen, wenn sich die<br />

Trends fortsetzen.<br />

Alles nur Utopien? Vermutlich<br />

nicht, wenn wir schauen, was um<br />

uns herum gerade passiert.<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 33


Dossier<br />

«Schulen sollen nur Clouds<br />

aus Europa brauchen»<br />

Macht die Digitalisierung aus unseren Kindern gläserne<br />

Schüler? Markus Willi von von der eidgenössischen Fachstelle<br />

educa.ch erklärt, was mit deren Daten passiert. Interview: Bianca Fritz<br />

Weiterführende<br />

Informationen<br />

Um Datenschutz an Schulen geht<br />

es im Leitfaden für Lehrpersonen<br />

und Schulleiter auf www.mediendatensicherheit-schulen.info.<br />

Dieser wurde in trinationaler<br />

Zusammenarbeit (Deutschland,<br />

Österreich, Schweiz) unter Mitarbeit<br />

des Dachverbands Lehrerinnen<br />

und Lehrer Schweiz LCH erstellt.<br />

Herr Willi, immer mehr Schüler<br />

beantworten Testfragen digital oder<br />

schreiben in Google Docs. Wie werden<br />

diese Daten geschützt?<br />

Das kommt ganz auf die Schule und<br />

ihre IT-Infrastruktur an – da lassen<br />

sich keine generellen Aussagen<br />

machen. Manche Schulen speichern<br />

ihre Daten auf lokalen Festplatten,<br />

andere nutzen dafür webbasierte<br />

Cloud-Dienste.<br />

Aber es gibt ja sicher Empfehlungen.<br />

Absolut. So sollen die Schulen beispielsweise<br />

nach Empfehlung der<br />

Konferenz der Schweizerischen<br />

Datenschutzbeauftragten privat nur<br />

Cloud-Dienste verwenden, die ihre<br />

Server im europäischen Datenraum<br />

stehen haben. Und besonders schützenswerte<br />

Personendaten wie zum<br />

Beispiel über Religionszugehörigkeit,<br />

Gesundheitszustand oder Massnahmen<br />

der Sozialhilfe, dürfen nur<br />

verschlüsselt in der Cloud abgespeichert<br />

werden.<br />

Und Testergebnisse der Schüler?<br />

Wenn es sich nicht um besonders<br />

schützenswerte Daten handelt, dürfen<br />

diese gespeichert werden. Aus<br />

unserer Sicht ist das aber bei den<br />

meisten Tests nicht der Fall.<br />

Sie unterstützen die Kantone dabei,<br />

Schüler- beziehungsweise Bildungs-<br />

IDs anzulegen und diese kantonsübergreifend<br />

zu vereinheitlichen. Was hat<br />

es mit diesen IDs auf sich?<br />

Um einen sicheren Zugang zu<br />

Online-Diensten zu gewährleisten,<br />

sollen alle Schülerinnen, Schüler und<br />

Lehrpersonen zukünftig eine digitale<br />

Identität erhalten. In einigen Kantonen<br />

bestehen bereits solche zentralen<br />

Lösungen, etwa in Genf oder<br />

Basel-Stadt. Wir versuchen, auf nationaler<br />

Ebene alle diese Lösungen<br />

zusammenzufassen, sodass die Da-<br />

ten bei einem Wohnortswechsel über<br />

die Kantonsgrenzen hinaus mitgenommen<br />

werden können.<br />

Dürfen Eltern diese ID sehen?<br />

Sie dürfen nicht nur, sie müssen der<br />

Speicherung zustimmen. Zudem<br />

haben sie ein Anrecht auf Einsicht<br />

in die Daten ihres Kindes und dürfen<br />

auch deren Löschung veranlassen.<br />

Damit können Kinder wohl nicht mehr<br />

behaupten, dass sie eine bessere Note<br />

geschrieben haben ...<br />

(lacht) Da finden gewitzte Schüler<br />

bestimmt andere Wege.<br />

Markus Willi<br />

arbeitet bei educa.ch, der eidgenössischen<br />

Fachagentur für Informations- und<br />

Kommunikationstechnologien (ICT) und<br />

Bildung.<br />

Im nächsten Heft:<br />

Ernährung<br />

Zuckerfrei und ohne Kohlenhydrate, dafür<br />

vegetarisch oder sogar vegan: Ernährungstrends<br />

gibt es viele. Doch welcher ist der richtige Weg zu<br />

einer gesunden Ernährung? Und wer gibt diesen<br />

vor? Das Dossier-Thema im November.<br />

Bild: iStockphoto<br />

34 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 35


Monatsinterview<br />

« Es braucht ein Bündnis<br />

mit den Eltern»<br />

Vielen Lehrpersonen machen die hohen Anforderungen an ihren Beruf zu schaffen, sie sind<br />

Burn-out-gefährdet, steigen aus. «Es reicht heute nicht mehr, eine ambitionierte Lehrperson<br />

zu sein, die ihren Beruf liebt», sagt Urs Gfeller von der Pädagogischen Hochschule Bern.<br />

Der Pädagoge über den allgemeinen Autoritätsverlust, zu hohe Ideale und wichtige Sätze<br />

am ersten Elternabend. Interview: Evelin Hartmann Bilder: Raffael Waldner / 13 Photo<br />

Ein heller Raum in der<br />

Pädagogischen Hochschule Bern.<br />

Zusammengeschobene Tische sollen<br />

kleinen Gruppen die gemeinsame<br />

Arbeit ermöglichen, Loungemöbel das<br />

Entspannen. Hinter einem Raumteiler<br />

erwartet den Besucher das Herzstück<br />

des grossen Zimmers: ein alter,<br />

wunderschöner Holztisch. «So etwa<br />

soll der Klassenraum von morgen<br />

aussehen», sagt Urs Gfeller,<br />

Bereichsleiter Berufsbiografie,<br />

Beratung und Unterstützung an der<br />

PH Bern. «Wollen wir uns setzten?»<br />

selbst an sich stellen und die von<br />

aussen auf sie zukommen, nicht<br />

gewachsen. Andere haben das Lehramtsstudium<br />

von Anfang an als<br />

Grundausbildung gesehen, auf der<br />

sie weiter aufbauen möchten.<br />

Sie leiten an der Pädagogischen Hochschule<br />

Bern den Bereich Berufsbiograe<br />

eratung un nterstützung.<br />

Dieser bietet unter anderem ein<br />

«Viele Lehrer<br />

nutzen solche<br />

Beratungsangebote<br />

wie unsere recht<br />

spät.»<br />

durch die Schulleitung über Rechtsfragen<br />

bis hin zu Fragen zur Elternarbeit.<br />

Leider machen wir die Beobachtung,<br />

dass viele Lehrpersonen<br />

solche Beratungsangebote wie unseres<br />

recht spät nutzen ...<br />

… und diese tauchen dann in den Statistiken<br />

als ieenigen ehrpersonen<br />

auf ie ihren ob nach oer sogar<br />

ahren an en agel hngen.<br />

aru<br />

Sagen wir, manche von ihnen. Einige<br />

haben das Gefühl, dass sie selbst<br />

immer älter und die Kinder immer<br />

jünger werden. Die Digitalisierung<br />

schreitet immer weiter voran, viele<br />

Lehrpersonen meinen, mit den neuen<br />

Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

ihrer Schüler diesbezüglich nicht<br />

Schritt halten zu können. Sie können<br />

sich schlichtweg nicht vorstellen, mit<br />

diesem Beruf in Pension zu gehen.<br />

Einen anderen Grund sehe ich in den<br />

gesellschaftlichen Veränderungen<br />

der letzten Jahrzehnte.<br />

Die da wären?<br />

Ich spreche insbesondere den allgemeinen<br />

Autoritätsverlust an. Früher<br />

galten Ärzte, Pfarrer und auch Lehrpersonen<br />

als die unumstösslichen<br />

Instanzen auf ihrem Gebiet. Heute<br />

err feller tuien zufolge gibt ee<br />

fünfte ehrperson in en ersten ier<br />

ahren ihren eruf auf. in es irklich<br />

so iele<br />

Ich kenne diese Studien auch. Ob<br />

dies viele sind oder ob dies vergleichbar<br />

mit andern Berufsgattungen ist,<br />

kann ich nicht mit Bestimmtheit<br />

sagen.<br />

ber elches sin ie rüne für iesen<br />

frühen usstieg aus e eruf<br />

Trotz einer guten Grundausbildung,<br />

trotz ausgebauten Praktika, trotz<br />

speziellen Angeboten für Berufseinsteigende<br />

ist der Schritt zur selbstverantwortlich<br />

handelnden Lehrperson<br />

noch immer gross. Viele fühlen<br />

nternetforu an über as sich ehrpersonen<br />

beraten lassen knnen.<br />

ittlereile sin ort run ehrpersonen<br />

registriert. as brennt ehrerinnen<br />

un ehrern heute unter en<br />

Nägeln?<br />

Das Spektrum an Themen, mit<br />

denen Lehrpersonen auf uns zukommen,<br />

ist sehr breit und reicht von<br />

schwierigem Schülerverhalten oder<br />

anspruchsvollen Unterrichtssituationen,<br />

gibt es das Internet. Wir können uns<br />

sich all den Ansprüchen, die sie fehlender Unterstützung zu jeder Zeit über alles inforgibt<br />

>>><br />

36 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Monatsinterview<br />

Urs Gfeller leitet ein<br />

Internetforum für<br />

Lehrpersonen. Rund<br />

1700 Lehrkräfte sind<br />

dort registriert und<br />

können sich beraten<br />

lassen.


Monatsinterview<br />

>>> mieren und ausgewiesene<br />

Experten mit unserem (Halb-)Wissen<br />

konfrontieren.<br />

Was bedeutet das für den Schulalltag?<br />

Es reicht heute nicht mehr aus, eine<br />

ambitionierte Lehrperson zu sein,<br />

die ihren Beruf liebt. Lehrpersonen<br />

müssen sich als Fachkräfte, als Pädagoginnen<br />

und Pädagogen ausweisen.<br />

Gegenüber den Eltern?<br />

Vor allem gegenüber den Eltern, ja.<br />

Als Lehrperson muss ich überzeugt<br />

sein von mir und meiner Art, zu<br />

unterrichten, und ich muss meinen<br />

Auftrag als Lehrperson klar kommunizieren<br />

können. Und das bereits<br />

am ersten Elternabend: «Liebe<br />

Eltern, von diesem Menschenbild<br />

gehe ich aus, dies verstehe ich unter<br />

Lernen, ich wende diese oder jene<br />

Didaktik an, dies erwarte ich von<br />

Ihnen, liebe Eltern, und das können<br />

Sie von mir erwarten. Meine Elterninformation<br />

ist wie folgt. Zu diesen<br />

Zeiten können Sie mich telefonisch<br />

erreichen, zu jenen nicht.» Wenn<br />

eine Lehrperson heute nicht genau<br />

sagen kann, was sie unter Lernen<br />

versteht, haben Eltern sehr schnell<br />

das Gefühl, dass sie es anstelle von<br />

ihr sagen müssen. Wer sich vor den<br />

Eltern nicht klar definiert, wird verständlicherweise<br />

von ihnen definiert.<br />

Familien stehen heute unter einem<br />

hohen wirtschaftlichen Druck. Und<br />

viele Eltern haben Sorge, dass ihr Kind<br />

den Anschluss in dieser globalisierten<br />

Welt nicht schafft.<br />

Das ist oft so. Dazu kommt noch,<br />

dass viele Eltern ein schlechtes<br />

Gewissen plagt, für ihre Kinder zu<br />

wenig Zeit zu haben. Und dieses<br />

schlechte Gewissen projiziert man<br />

auf die Schule: Wenigstens dort muss<br />

ihr Kind zu dem kommen, was es<br />

braucht. Dass dem so ist, ist absolut<br />

verständlich.<br />

Mit welchen Folgen?<br />

Sehen Sie, es geht darum, zum Wohle<br />

des Kindes ein Wir-Gefühl zu<br />

schaffen. Es braucht ein Bündnis mit<br />

den Eltern, das aufzeigt, was ihre<br />

Aufgabe und was Aufgabe der Schu-


le ist. Wenn sich Eltern aber nur<br />

kritisch gegenüber der Schule positionieren,<br />

dann ist das eine sehr<br />

schwierige Aufgabe. Lehrpersonen<br />

müssen sich das Vertrauen der Eltern<br />

heute verdienen, es ist nicht mehr<br />

«kraft ihres Amtes» gegeben.<br />

Die Elternarbeit kommt heute immer<br />

noch zu kurz?<br />

Meiner Ansicht nach ja. Dabei ist die<br />

Elternarbeit ein Schlüssel zum Lernerfolg<br />

der Kinder. Und zur Gesunderhaltung<br />

der Lehrperson. Es gilt, die<br />

Eltern in einem für sie möglichen<br />

Mass einzuladen, am Entwicklungsprozess<br />

ihrer Kinder im Rahmen der<br />

Schule teilzunehmen und Mitverantwortung<br />

zu übernehmen. Es gilt, die<br />

«Es geht darum,<br />

ein Wir-Gefühl zu<br />

erzeugen», sagt<br />

Urs Gfeller.<br />

Eltern als Partner auf Augenhöhe<br />

ernst zu nehmen. Als Partner, der uns<br />

sein Liebstes anvertraut, seine Kinder.<br />

Das ist sehr wichtig. Dort verharren<br />

wir oft noch zu sehr in alten<br />

Formen.<br />

Nun stellen wir uns eine Klasse mit<br />

20 Schülern vor, von denen sich 3<br />

gegen die Lehrperson verschworen<br />

haben. Deren Eltern wollen die Fehler<br />

aber nicht beim eigenen Kind sehen.<br />

Was wollen Sie denn da machen? Das<br />

ist doch alles andere als einfach!<br />

Da haben Sie recht. Und so etwas<br />

kommt nicht selten vor. Aber es<br />

kommt auch auf das Verhalten der<br />

Lehrperson an. Kinder und Jugendliche<br />

sehnen sich danach, so angenommen<br />

zu werden, wie sie sind.<br />

Wenn ein Kind aggressiv handelt,<br />

dann ist das nicht per se ein aggressives<br />

Kind, sondern das Verhalten<br />

ist immer an ein Setting gebunden.<br />

Dieses Kind ist nicht rund um die<br />

Uhr aggressiv. Oft steht hinter der<br />

Aggression eine Not, die von der<br />

Lehrperson gesehen werden sollte.<br />

Wenn dies geschieht, ist im Verhältnis<br />

Lehrperson - Schüler oder Schülerin<br />

schon viel gewonnen.<br />

Können Sie ein Beispiel nennen?<br />

Als ich vor vielen Jahren selbst unterrichtet<br />

habe, gab es in meiner Klasse<br />

einmal einen Reto. Der 17-Jährige<br />

hat alles sabotiert, was ich gemacht<br />

habe, reingeschwatzt, die Klasse zur<br />

Unruhe verführt. Er hat meine komplette<br />

Aufmerksamkeit auf sich gezogen.<br />

Was haben Sie unternommen?<br />

Wir haben einen Lernvertrag aufgesetzt,<br />

den Reto, seine Eltern und ich<br />

unterschrieben haben. Doch das hat<br />

alles nichts gebracht. Irgendwann<br />

habe ich ihn dann durch Zufall Fussball<br />

spielen sehen. Am Wochenende,<br />

fernab vom Schulhaus. Ich war verblüfft.<br />

War dieser talentierte Bub der<br />

Reto, der mir das Lehrerleben so<br />

schwer macht? Am Montag habe ich<br />

ihn dann angesprochen: «Reto, ich<br />

habe dich Fussball spielen sehen und<br />

ich war tief beeindruckt.» Es mag<br />

kitschig klingen aber von diesem<br />

Moment an gab es keine Probleme<br />

mehr mit ihm. Ich hatte Reto dort<br />

erlebt, wo er jemand ist, wo er seine<br />

Begabung lebt. Er fühlte sich von mir<br />

in seinem Wert erkannt.<br />

«Über ein Kind, das<br />

fleissig seine Arbeit<br />

macht, weiss die<br />

Lehrperson meist<br />

wenig zu sagen.»<br />

Was heisst das für die Beziehung von<br />

Lehrpersonen zu ihren Schülern?<br />

Dort, wo Lehrpersonen in die Beziehung<br />

zu ihren Schülern investieren,<br />

können Dinge, die nicht gut laufen,<br />

undramatischer angesprochen und<br />

gelöst werden. Ein «Bis hierhin und<br />

nicht weiter» wird von Kindern und<br />

Jugendlichen letztendlich geschätzt.<br />

Es muss aber auf der Ebene des<br />

«Angenommenseins» passieren.<br />

Nicht umsonst heisst es, dass «Beziehung<br />

vor Erziehung kommt». Doch<br />

in unserer Kultur sind wir oft zu<br />

defizitorientiert.<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Wir schauen vor allem auf das, was<br />

schlecht läuft. Es gibt Untersuchungen,<br />

die zeigen, dass im Elternhaus<br />

zigmal mehr sanktioniert wird als<br />

gelobt. Wie oft weisen wir ein Kind<br />

zurecht, das sich beim Znacht unangepasst<br />

benimmt: «Zapple nicht so<br />

herum», «Benutz Messer und Gabel»,<br />

«Sprich nicht mit vollem Mund» und<br />

so weiter. Ebenso in der Schule. Über<br />

das Kind, das unauffällig und fleissig<br />

seine Arbeit macht, weiss die Lehrperson<br />

oft wenig zu sagen – aber auch<br />

dieses Kind möchte wahrgenommen<br />

werden. Oder stellen Sie sich einen<br />

Elternabend vor: 18 Elternpaare sind<br />

zufrieden mit der Lehrerin, 2 be -<br />

schweren sich über ihren Unterrichtsstil<br />

– worüber denkt die Lehrperson<br />

wohl nach, wenn sie nach<br />

Hause geht? >>><br />

39


Monatsinterview<br />

>>> Wahrscheinlich über das, was<br />

sie vermeintlich falsch gemacht hat –<br />

und eigentlich besser machen müsste.<br />

Eine wesentliche Aufgabe von Lehrpersonen<br />

ist, ein Kind zu beGUTachten,<br />

das Gelingende in den Fokus zu<br />

nehmen. Dadurch entstehen Be ziehung<br />

und das Vertrauen, Defizitäres<br />

angehen zu können. So entsteht auch<br />

eine andere Stimmung in der Klasse.<br />

Sie erwähnten zu Beginn unseres<br />

Gesprächs das Verhältnis zwischen<br />

Lehrpersonen und Schulleitung.<br />

Das ist in unserer Beratung häufig<br />

ein Thema. Ich erlebe Lehrpersonen,<br />

die beklagen, dass die Schulleitungen<br />

vor den Eltern kuschen. Andere<br />

Lehrpersonen gehen Kollegen, die<br />

unter Beschuss stehen, aus dem Weg,<br />

weil sie nicht selbst in die Schusslinie<br />

geraten möchten. Wir raten betroffenen<br />

Lehrpersonen, sich in diesen<br />

Fällen Hilfe zu holen, damit das geklärt<br />

wird. Das passiert leider zu<br />

selten.<br />

Mit welchen Folgen?<br />

Es besteht die Gefahr, in die Einsamkeit<br />

abzudriften, weder von der<br />

Schulleitung noch von Kollegen oder<br />

den Eltern verstanden zu werden. Oft<br />

führt dies in die Krankschreibung.<br />

Sprechen Sie von Einzelfällen?<br />

Nein, eine von 15 Lehrpersonen<br />

fühlt ähnlich. Das Einzelkämpfertum<br />

ist immer noch ein grosses Thema.<br />

Dabei können nur in kooperierenden<br />

Teams die vielfältigen<br />

Aufgaben erfüllt werden, die an die<br />

Schule gestellt werden.<br />

«Das Gefühl, ich<br />

werde von manchen<br />

Eltern nicht<br />

gemocht, weil ich in<br />

ihren Augen ihrem<br />

Kind nicht gerecht<br />

werde, tut weh.»<br />

Welche Persönlichkeiten laufen am<br />

meisten Gefahr auszubrennen?<br />

Diejenigen, die ihre Bestätigung<br />

hauptsächlich von aussen suchen.<br />

Die hohe Ideale haben, wenig Ambiguitätstoleranz,<br />

das heisst, eine ge -<br />

wisse «Unsicherheitstoleranz», kaum<br />

selbstregulative Fähigkeiten und<br />

wenig soziale Kontakte. Ausserdem<br />

sind natürlich Menschen gefährdet,<br />

die perfektionistisch veranlagt sind,<br />

die es allen recht machen wollen. Das<br />

Gefühl, ich werde von manchen<br />

Eltern nicht gemocht, weil ich in<br />

ihren Augen ihrem Kind nicht ge -<br />

recht werde, tut weh. Das muss man<br />

aushalten können. Wer das nicht<br />

kann, kommt ins Rechtfertigen. Ich<br />

kann erklären, informieren, aber wer<br />

rechtfertigt, der hat verloren.<br />

Was kann ich denn als Mutter beziehungsweise<br />

Vater für ein gutes Verhältnis<br />

zur Lehrperson meines Kindes<br />

tun?<br />

Wichtig ist, Achtung und Respekt zu<br />

zeigen. Auch vor der Grösse der Aufgabe,<br />

mit 20 Kindern unterwegs zu<br />

sein. Das verdient höchste Achtung,<br />

vor allem wenn spürbar ist, dass diese<br />

Lehrperson ihren Beruf – natürlich<br />

– nicht fehlerfrei, aber doch von<br />

ganzem Herzen ausübt. Ich habe vor<br />

Kurzem mit einer Lehrperson ge -<br />

sprochen, die gesagt hat, es sei schon<br />

traurig, sie bekomme nur Anrufe<br />

von Eltern, wenn etwas nicht gut<br />

laufe. Es gebe nie eine positive Rückmeldung.<br />

Was haben Sie dieser Lehrperson<br />

gesagt?<br />

Fritz+Fränzi-Autorin<br />

Evelin Hartmann<br />

im Gespräch mit<br />

Urs Gfeller an der<br />

Pädagogischen<br />

Hochschule in Bern.<br />

Zur Person<br />

Urs Gfeller, M. A., war Primar- und<br />

Sekundarlehrer, studierte Theologie<br />

und Psychologie und liess sich zum<br />

Coach/Supervisor BSO und zum<br />

Ehe- und Familientherapeuten<br />

weiterbilden. Heute leitet er den<br />

ereich erufsiorafie eraun<br />

und Unterstützung an der<br />

Pädagogischen Hochschule Bern.<br />

Er ist Vater dreier erwachsener<br />

Kinder und wohnt in Bern.<br />

40 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ich habe sie gefragt, ob sie denn die<br />

Eltern anrufe, wenn etwas Schönes<br />

vorgefallen sei. Wie gesagt, Eltern<br />

haben nicht viel Zeit. Aber über<br />

einen Anruf im Jahr, in dem die<br />

Lehrperson ausschliesslich etwas<br />

Positives über ihr Kind berichtet,<br />

darüber würde sich jede Mutter,<br />

jeder Vater freuen. So würden Eltern<br />

die Schule auch noch einmal anders<br />

kennenlernen. Es ist doch so, dass<br />

wir die Schule über die Schilderungen<br />

unserer Kinder wahrnehmen.<br />

Und die Kinder erzählen auch<br />

manchmal Dinge, die objektiv<br />

betrachtet nicht so gelaufen sind.<br />

Weil sie dann gut dastehen oder sich<br />

Freiraum erkämpfen möchten. Das<br />

Bild von der Schule wird vom Kind<br />

vermittelt.<br />

Ein Klassiker wäre der Satz: «Ich kann<br />

die Hausaufgaben nicht machen, weil<br />

die Lehrerin das schlecht erklärt hat,<br />

erklär du es mir.»<br />

Dann geht es nicht darum, als Vater<br />

oder Mutter noch einmal die Aufgabe<br />

zu erklären, sondern zu sagen:<br />

«Dann geh doch morgen noch einmal<br />

zur Lehrerin und sag, du hättest<br />

es nicht begriffen.» Dies machen<br />

aber viele Eltern nicht. Was auch<br />

nachvollziehbar ist. In der Pubertät<br />

sind die Momente, in denen Eltern<br />

und Kinder gemeinsam über die<br />

Schule schimpfen, oftmals die einzigen,<br />

in denen sie sich noch einig sein<br />

können.<br />

Was längerfristig gesehen für das Wir-<br />

Gefühl zwischen Elternhaus und Schule<br />

nicht besonders förderlich ist.<br />

Das ist so. Wenn es Eltern aber gelingen<br />

würde, der Lehrperson wertneutral<br />

zuzuhören und das ernst zu<br />

nehmen, was sie sagt, und wenn sich<br />

an derseits die Lehrperson bewusst<br />

machen würde, dass sie das Kostbarste<br />

dieser Eltern in die Zukunft<br />

hinein begleitet, dann wäre viel<br />

gewonnen. Denn Kinder brauchen<br />

eine Gemeinschaft, die sie trägt, sie<br />

brauchen Herausforderungen, an<br />

denen sie wachsen können, und sie<br />

brauchen Vorbilder, an denen sie<br />

sich orientieren können.<br />

>>><br />

Life-Domains<br />

in Balance ?<br />

Dies sind zuge lassene Arznei -<br />

Selbsttest: Wie steht es um<br />

mittel. Lassen Sie sich von einer<br />

Fachperson beraten und lesen Sie<br />

Ihre Life-Domain-Balance ?<br />

die Packungs beilagen. Max Zeller<br />

Söhne AG, 8590 Romanshorn<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 41<br />

www.zellerag.ch<br />

www.zellerag.ch/a4<br />

Natürlich aus<br />

der Schweiz.


Kolumne<br />

Eltern oder Liebende sein – oder beides?<br />

Eltern haben ein Recht auf Zweisamkeit, denn es sollten nicht immer nur die Kinder<br />

im Zentrum stehen. Wie kann man mit Kindern in einer erfüllten Paarbeziehung<br />

bleiben? Und wann ist es besser, getrennte Wege zu gehen?<br />

Jesper Juul<br />

ist Familientherapeut und Autor<br />

zahlreicher internationaler Bestseller<br />

zum Thema Erziehung und Familien.<br />

1948 in Dänemark geboren, fuhr er<br />

nach dem Schulabschluss zur See, war<br />

später Betonarbeiter, Tellerwäscher<br />

und Barkeeper. Nach der<br />

Lehrerausbildung arbeitete er als<br />

Heimerzieher und Sozialarbeiter<br />

und bildete sich in den Niederlanden<br />

und den USA bei Walter Kempler zum<br />

Familientherapeuten weiter. Seit 2012<br />

leidet Juul an einer Entzündung der<br />

cenmarsssiei und si<br />

im Rollstuhl.<br />

Jesper Juul hat einen erwachsenen<br />

Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter<br />

Ehe geschieden.<br />

Frage einer Mutter: «Seit<br />

Längerem haben mein<br />

Mann und ich keine gute<br />

Beziehung mehr. Wir sind<br />

sehr jung zusammengekommen<br />

und waren verrückt nacheinander.<br />

Seit unsere zwei Buben,<br />

drei und sechs Jahre alt, auf der Welt<br />

sind, existiert unsere Beziehung fast<br />

nicht mehr. Ich gehe voll auf in der<br />

Mutterrolle und in der Liebe zu<br />

unseren Kindern. Sex hatten wir seit<br />

meinen Schwangerschaften kaum<br />

mehr, auch nicht auf meine Initiative<br />

hin. Ich fühle mich von meinem<br />

Mann schlecht behandelt. Er kritisiert<br />

mich oft, verspottet mich und<br />

gibt mir, wenn überhaupt, einsilbige<br />

Antworten. Er ist unfreundlich zu<br />

meiner Familie und oft gereizt.<br />

Für unsere Buben ist mein Mann<br />

ein wunderbarer Vater. Er spielt mit<br />

ihnen und tollt mit ihnen im Wald<br />

herum. Aber er kann dann ganz<br />

plötzlich sehr wütend und laut werden,<br />

etwa, wenn die Jungs am Morgen<br />

etwas länger haben, um sich<br />

anzuziehen.<br />

Eine Beziehung braucht<br />

dringend die Aufmerksamkeit<br />

beider Erwachsenen,<br />

um zu überleben.<br />

Im Beisein von unseren Kindern<br />

versuchen mein Mann und ich uns<br />

zu beherrschen. Wir organisieren<br />

uns gut, sodass die Kinder nicht zu<br />

viel mitbekommen. Ich halte mich<br />

zurück mit meiner Meinung, weil ich<br />

Angst habe, dass er dann gemeine<br />

Kommentare fallen lässt. Wir streiten<br />

eigentlich nicht, aber es herrscht<br />

eine unruhige Stimmung.<br />

Es gibt aber immer wieder Zeiten,<br />

in denen alles völlig normal<br />

abläuft. Wir erledigen unseren Alltag,<br />

und mein Mann sagt vor den<br />

Kindern, dass er glücklich sei und er<br />

die Welt in Ordnung finde. Er ist<br />

kein Mann der grossen Worte, und<br />

es fällt ihm schwer, Gefühle und<br />

Gedanken zu äussern. Ich habe meinem<br />

Mann eine gemeinsame Gesprächstherapie<br />

vorgeschlagen. Das<br />

will er aber ganz klar nicht.<br />

Ich bin bereit, an unserer Beziehung<br />

zu arbeiten, denn ich weiss,<br />

wie wichtig das für das Umfeld<br />

unserer Kinder ist. Aber wenn mein<br />

Mann das nicht will, frage ich mich,<br />

ob es nicht besser wäre, mich zu<br />

trennen, solange die Kinder noch so<br />

klein sind. Ich möchte unseren Kindern<br />

während ihres Aufwachsens<br />

eine sichere Umgebung geben, im<br />

Idealfall mit Vater und Mutter. Ich<br />

empfinde es als Niederlage und habe<br />

Angst davor, den Kindern emotional<br />

zu schaden, wenn sie mit getrennt<br />

lebenden Eltern aufwachsen müssen.<br />

Die Vorstellung, getrennt zu<br />

sein, macht mich unendlich traurig.<br />

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />

42 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ich wünsche mir so sehr, dass wir als<br />

Familie bestehen, als Eltern gemeinsam<br />

am Leben unserer Kinder teilnehmen<br />

können, und ich kann mir<br />

nicht vorstellen, mit einem anderen<br />

Partner all das zu erleben. Ich möchte<br />

auch nicht daran denken, wie es<br />

wäre, wenn unsere Kinder eine<br />

«Stiefmutter» hätten.<br />

Antwort von Jesper Juul<br />

In der Fachwelt wird seit vielen Jahren<br />

darüber geschrieben, dass die<br />

Eltern in modernen Familien zwischen<br />

Fürsorge für die Kinder und<br />

dem Versuch, die intime Paarbeziehung<br />

miteinander weiterzuleben,<br />

hin- und hergerissen sind. Das zeigt<br />

Ihr Beispiel ganz gut. Klar ist: Im<br />

Familienleben beeinflussen alle Mitglieder<br />

einander – sowohl in guten<br />

als auch in schlechten Zeiten.<br />

Dass die Beziehung zu Ihrem<br />

Mann gerade jetzt, nach zwei Kindern,<br />

in der Krise steckt, ist normal.<br />

Sie sind zwei Erwachsene mit unterschiedlichen<br />

Bedürfnissen, wobei<br />

meist die Kinder im Zentrum des<br />

Familienlebens stehen. Das ist<br />

schlecht für alle Beteiligten. Das<br />

Leben der Erwachsenen ist auf diese<br />

Weise gefährlich auf ein Minimum<br />

und auf bestimmte Rollen reduziert<br />

– das ist ungesund für die ganze<br />

Familie.<br />

Sie haben völlig recht damit, dass<br />

es nicht gut für die Kinder ist, wenn<br />

sie in einem Zuhause aufwachsen,<br />

in dem die Liebe zwischen den<br />

Erwachsenen verblasst ist und zusehends<br />

verschwindet. Es tut den Kindern<br />

nicht direkt «weh», aber es<br />

raubt ihnen die Möglichkeit, wichtige<br />

Erfahrungen zu machen, die sie<br />

in ihrem eigenen Erwachsenenleben<br />

benötigen werden.<br />

Immer mehr Paare lassen sich<br />

zwei bis vier Jahre nach der Geburt<br />

des ersten Kindes scheiden. Der<br />

Übergang vom Verliebtsein zur Liebe<br />

gelingt ihnen kaum oder gar<br />

nicht. Ich empfehle Ihnen, sich<br />

selbst zu fragen, ob Sie Sehnsucht<br />

nach Ihrem Mann verspüren. Nicht<br />

nur, was sexuelles Verlangen betrifft,<br />

sondern als «Herzenswunsch».<br />

Ist diese Sehnsucht da, gibt es<br />

Hoffnung, und Sie könnten Ihrem<br />

Mann in Ihren eigenen Worten etwa<br />

Folgendes sagen: «Ich bin unglücklich<br />

mit dir, kann aber selbst nicht<br />

herausfinden, warum oder was ich<br />

anders machen kann. Deshalb<br />

möchte ich professionelle Hilfe. Diese<br />

bekomme ich nur, wenn du mit<br />

dabei bist. Wenn du das nicht möchtest,<br />

müssen wir uns trennen.»<br />

Oder Sie suchen sich einen erfahrenen<br />

Familientherapeuten, der sich<br />

auf die Beziehung der Erwachsenen<br />

konzentriert. Denken Sie daran,<br />

dass Ihre Beziehung quasi Ihr erstes<br />

gemeinsames «Baby» war und dass<br />

dieses Baby dringend die Aufmerksamkeit<br />

beider Elternteile braucht,<br />

um zu überleben und sich weiterzuentwickeln.<br />

Ihre Gedanken und Sorgen über<br />

das Wohlergehen Ihrer Kinder<br />

nach einer Trennung oder Scheidung<br />

sind verständlich und auch<br />

realistisch. Aber auch wenn Sie mit<br />

Ihrem Mann nicht zusammenleben<br />

können, hängt das Wohlergehen<br />

Ihrer Söhne von Ihrer beider<br />

Bereitschaft und Fähigkeit ab, miteinander<br />

zu kooperieren und zu<br />

kommunizieren.<br />

Ihre Kinder können bestimmt<br />

über Jahre mit dem emotionalen<br />

Abstand zwischen ihren Eltern<br />

leben. Dagegen würde eine destruktive<br />

Kommunikation zwischen<br />

Ihnen und Ihrem Mann das<br />

Leben Ihrer Kinder für Jahre beeinflussen.<br />

Der Übergang vom Verliebtsein<br />

zur Liebe gelingt immer mehr<br />

Paaren kaum oder gar nicht.<br />

Es gibt Menschen, die nicht zusammenleben<br />

können, obwohl sie sich<br />

tief lieben. Und es gibt Bedingungen,<br />

unter denen der Wille zur Intimität<br />

und für den Kampf für die Entwicklung<br />

beider verloren gegangen ist. In<br />

beiden Fällen gibt es keinen direkt<br />

«Schuldigen». Beide Parteien sind<br />

meist gleichermassen, also 50:50,<br />

verantwortlich für ihr gegenwärtiges<br />

Leben – einschliesslich der Tatsache,<br />

dass Kinder vielleicht durch ein<br />

bestimmtes Verhalten seitens dieser<br />

Erwachsenen leiden.<br />

Haben auch Sie eine Frage an Jesper Juul,<br />

die er persönlich beantworten soll?<br />

Dann schreiben Sie uns eine E-Mail an<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch oder<br />

einen Brief an: Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97,<br />

8008 Zürich<br />

Die Kolumnen von Jesper Juul entstehen<br />

in Zusammenarbeit mit<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 43


Psychologie & Gesellschaft<br />

Nachrichten, die Panik auslösen<br />

Heute kommen Kettenbriefe übers Smartphone. Längst nicht all diese<br />

Nachrichten sind harmlos: Kinder brauchen die Begleitung ihrer Eltern,<br />

um damit richtig umzugehen. Text: Susan Edthofer<br />

Via WhatsApp, Instagram oder andere<br />

Social-Media-Kanäle werden Menschen<br />

blitzschnell informiert oder mobilisiert.<br />

Nicht verwunderlich, dass der Versand<br />

von Kettenbriefen, die früher per Post<br />

verschickt wurden, neuen Aufschwung erhält. Umso<br />

wichtiger ist es, Kinder im Umgang mit Nachrichten<br />

sorgfältig zu begleiten. Denn es gibt Inhalte, die Angst<br />

und Panik auslösen können.<br />

Das Spektrum von Kettenbriefen reicht von harmlosen<br />

Mitteilungen über Schreckensmeldungen bis zu<br />

üblen Drohungen. In jedem Fall sind die Inhalte aus der<br />

Luft gegriffen und schlicht falsch. Absichtlich in Umlauf<br />

gebrachte Falschmeldungen bezeichnet man auch als<br />

Hoax (neuerdings als Fake News). Im Englischen steht<br />

dieser Begriff für Scherz oder Schwindel.<br />

Falschmeldungen erkennen lernen<br />

Aufgabe von Eltern und Lehrpersonen ist es, Kindern<br />

zu helfen, solche Hoaxes zu erkennen und ihnen zu<br />

erklären, dass die Drohungen oder Prophezeiungen<br />

haltlos sind. Das klingt einfacher, als es ist. Dass Kinder<br />

ob solchen Meldungen erschrecken, ist nicht verwunderlich.<br />

Zu lesen, dass man sterbe oder Angehörige in<br />

den Tod treibe, wenn man eine Nachricht nicht weiterleite,<br />

kann verständlicherweise Panik auslösen. Auch<br />

wenn sich bloss ein mulmiges Gefühl breitmacht, diese<br />

Art von Mitteilungen bleibt nicht wirkungslos. Mittlerweile<br />

gibt es Hoax-Datenbanken wie www.hoaxmap.org<br />

oder www.mimikama.at, die helfen, Gerüchte und<br />

Falsch meldungen zu erkennen.<br />

Meldungen, die kursieren<br />

Kettenbriefe lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen:<br />

Vor Gefahren zu warnen, gehört zu den Klassikern.<br />

Durch die Verbreitung von Gerüchten und Hassmeldungen<br />

Empörung auszudrücken, ist ebenfalls ein<br />

beliebtes Mittel. Mit Wenn-dann-Drohungen werden<br />

Ängste geschürt. Klickköder oder Clickbaiting möchte<br />

die Neugierde wecken und bewirken, dass etwas angeklickt<br />

wird. Ankündigungen, dass Gebühren erhöht<br />

würden oder ein Account gelöscht werde, sollen Verunsicherung<br />

auslösen. Harmlosere Kettenbriefe<br />

sind sogenannte Sozialbarometer.<br />

Wer zum Beispiel viele Herzchen<br />

be kommt, kann so die eigene Beliebtheit<br />

messen. Auch Eventorganisation geschieht<br />

immer häufiger via Kettenmeldungen.<br />

Dazu gehören Aufrufe wie «Morgen<br />

kommen alle Mädchen in Pink in die Schule» oder<br />

«Nach dem Unterricht treffen sich alle Fussball spielenden<br />

Jungs auf dem Pausenplatz». Punkto Vielfalt scheint<br />

die Kreativität keine Grenzen zu kennen. Schade, wenn<br />

dieses Ideenpotenzial für angst einflössenden Blödsinn<br />

genutzt wird.<br />

Was Eltern tun können – vier Tipps<br />

Pro Juventute Elternberatung<br />

«Mit Wenn-dann-<br />

Drohungen werden<br />

Ängste geschürt.»<br />

Susan Edthofer ist Redaktorin<br />

im Bereich Kommunikation<br />

von Pro Juventute.<br />

• Bringen Sie Ihrem Kind bei, nicht alle WhatsApp-Meldungen zu<br />

glauben. Regen Sie Ihr Kind an, Dinge zu hinterfragen und skeptisch<br />

zu sein. Oft deuten reisserische Formulierungen und drastische<br />

Bilder auf Falschmeldungen hin.<br />

• Erklären Sie Ihrem Kind, was Kettenbriefe bezwecken und wie man<br />

sie erkennen kann. Weisen Sie darauf hin, dass mit erfundenen<br />

Meldungen Leute erschreckt und verängstigt werden sollen.<br />

• Schauen Sie sich gemeinsam solche Inhalte an und lassen Sie Ihren<br />

Sohn oder Ihre Tochter entscheiden, welche Meldungen gelöscht<br />

oder weitergeleitet werden. So trägt Ihr Kind dazu bei, dass andere<br />

Kinder und Jugendliche nicht ebenfalls unnötig erschreckt werden.<br />

• Nutzen Sie Hoax-Datenbanken wie www.hoaxmap.org oder<br />

www.mimikama.at, um zusammen mit Ihrem Kind die Richtigkeit<br />

von Meldungen zu überprüfen.<br />

Bei Pro Juventute Elternberatung können Eltern und Bezugspersonen von<br />

Kindern und Jugendlichen jederzeit telefonisch (058 261 61 61) oder online<br />

(www.projuventute-elternberatung.ch) Fragen zum Familienalltag, zu<br />

Erziehung und Schule stellen. Ausser den normalen Telefongebühren fallen<br />

eine osen an n den lernriefen und rariefen finden lern<br />

Informationen für den Erziehungsalltag. Mehr Infos: www.projuventute.ch<br />

44 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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Für alle, die mitreden wollen.


«Schwimmen ist nicht so einfach!»<br />

ach erkehrsunfllen ist rtrinken die hufigste nfalltodesursache für Kinder in der Schweiz<br />

wischen und sind Kinder unter ahren in den hiesigen Seen, Flüssen und dern<br />

ertrunken ie wichtig und wie schwierig Schwimmen sei, werde vllig unterschätzt, sagt<br />

Schwimmlehrerin ada inter eshalb muss sie manchmal sogar ltern retten Interview: Bianca Fritz<br />

46 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

Kinder sollten auch tauchen,<br />

die Augen unter Wasser öffnen<br />

und im Wasser schweben<br />

können.<br />

Bilder: Evi Gwerder, Glarus<br />

Im Wasser<br />

machen Kinder<br />

oft intuitiv die<br />

richtigen<br />

Bewegungen,<br />

wenn man sie zu<br />

nichts zwingt.<br />

Frau Winter, warum ertrinken immer<br />

wieder Kinder in der Schweiz?<br />

Bei kleinen Kindern ist das Problem,<br />

dass Eltern oft denken, dass es reicht,<br />

wenn die Kleinen Schwimmflügel<br />

anhaben. Sie wiegen sich in Sicherheit<br />

und schauen nicht mehr genügend<br />

hin. Aber die Luft kann aus den<br />

Schwimmflügeln entweichen, und<br />

Kinder können umfallen. Kleine<br />

Kinder bleiben dann einfach mit<br />

dem Gesicht im Wasser liegen. Sie<br />

kommen nicht mehr hoch und können<br />

innert 20 Sekunden im flachen<br />

Kinderbecken ertrinken.<br />

Und was ist das Problem bei grösseren<br />

Kindern?<br />

Dass sie sich falsch einschätzen. Insbesondere<br />

bei Teenagern kommen<br />

Mutproben, waghalsige Sprünge und<br />

Schwimmen unter Alkoholeinfluss<br />

dazu. Es ertrinken viel mehr Buben<br />

als Mädchen. Auch Eltern überschätzen<br />

die Schwimmfähigkeiten ihrer<br />

Kinder sehr oft. Sie denken, dass ihr<br />

Kind schwimmen kann, wenn es ein<br />

paar Züge Brustschwimmen am<br />

Stück hinkriegt. Aber Schwimmenlernen<br />

ist so viel mehr.<br />

Nämlich?<br />

Zum einen sollten Kinder tauchen.<br />

Sie müssen unter Wasser die Augen<br />

aufmachen und lernen, die Orientierung<br />

wiederzugewinnen. Ausserdem<br />

sollten sie im Wasser schweben<br />

können – den natürlichen Auftrieb<br />

des Wassers nutzen. So können sie<br />

eine Pause machen, wenn sie müde<br />

werden. Auch ein kräftesparender<br />

Schwimmstil, bei dem die Kinder<br />

viel gleiten, ist wichtig.<br />

Das klingt jetzt nicht so schwierig.<br />

Täuschen Sie sich nicht! Nicht nur<br />

Kinder überschätzen ihre Schwimmfähigkeiten<br />

gerne, sondern auch<br />

deren Eltern. Wenn ich die Eltern<br />

aber in meinen Kursen bitte, die<br />

Übungen mitzumachen, sieht es<br />

ganz anders aus. Neulich ist ein Vater<br />

beim Versuch, auf dem Rücken zu<br />

schweben, untergegangen. Er hatte<br />

unterschätzt, wie viele Muskeln es<br />

braucht, um auf dem Wasser flach<br />

liegen zu bleiben.<br />

Wann können Eltern Ihre Kinder mit<br />

gutem Gefühl in der Badi alleine<br />

lassen?<br />

Hier empfehle ich den BFU-Wassersicherheitscheck.<br />

Kinder müssen da<br />

recht viel können: ein Purzelbaum<br />

unter Wasser, 1 Minute im tiefen<br />

Wasser auf der Stelle treten, ohne<br />

unterzugehen, und anschliessend<br />

noch 50 Meter schwimmen. Damit<br />

sind auch viele Erwachsene überfordert.<br />

Viele Kinder sind im Alter von<br />

8 bis <strong>10</strong> Jahren so weit, dass sie den<br />

Test bestehen können.<br />

Warum macht man den Test nicht verbindlich<br />

in der Schule?<br />

In manchen Kantonen funktioniert<br />

das. Aber was Schwimmunterricht<br />

angeht, fehlt ein flächendeckendes<br />

Angebot. Mit dem Lehrplan 21 soll<br />

zwar allen Kindern in der Primarschule<br />

Schwimmunterricht zur Verfügung<br />

stehen, aber für manche<br />

Schulen wird die Umsetzung sehr<br />

schwierig. Gerade wenn es weit und<br />

breit kein Hallenbad gibt. Ich kenne<br />

Schulen, wo nur einmal jährlich ein<br />

einwöchiger Schwimmkurs angeboten<br />

werden kann. Dann gibt es solche,<br />

die gerade mal eine Stun- >>><br />

47


Erziehung & Schule<br />

>>> de im Stundenplan eingeplant<br />

haben – inklusive umziehen und<br />

föhnen. Da ist effizienter Schwimmunterricht<br />

sehr schwierig. Auch sind<br />

nicht immer Fachpersonen da, dann<br />

übernehmen manchmal einfach die<br />

Klassenlehrer den Schwimm -<br />

unterricht.<br />

Wie gut sind die Schwimmkenntnisse<br />

der Kinder, wenn sie in die Schule<br />

kommen?<br />

Da haben wir die ganze Bandbreite.<br />

Je nach Wohnort, Bildungsstand<br />

und auch religiösen Überzeugungen<br />

der Eltern sind die Kinder entweder<br />

schon recht passable Schwimmer,<br />

oder das Element Wasser ist<br />

ihnen noch fremd und sie haben<br />

vielleicht sogar Angst davor. In meinen<br />

Kursen sind hauptsächlich<br />

Schwimmen ist in unserem<br />

Land nicht ein Plausch oder<br />

ein nettes Hobby, sondern<br />

überlebenswichtig.<br />

Kinder aus Familien, denen das<br />

Schwimmenlernen sehr wichtig ist<br />

und die sich einen Schwimmkurs<br />

leisten können.<br />

So ein Kurs ist natürlich auch eine<br />

nanzielle elastung.<br />

Das stimmt. Aber ich habe schon<br />

Fälle gehabt, wo das Sozialamt den<br />

Kurs übernommen hat, wenn es für<br />

die Familie schwierig war. Das Problem<br />

ist eher, dass Eltern Schwimmen<br />

als Plausch sehen, als nettes<br />

Hobby und nicht als das, was es ist:<br />

überlebenswichtig in einem Land, in<br />

dem so viel gebadet wird wie in der<br />

Schweiz.<br />

Was macht man, wenn Kinder Angst<br />

vor dem Wasser haben?<br />

Wir lassen den Kindern vor allem<br />

viel Zeit und die Möglichkeit, das<br />

Element spielerisch und auf ihre<br />

Weise zu erkunden. Ich baue die<br />

Übungen so auf, dass die Kinder<br />

Freude am Wasser haben und gar<br />

nicht merken, dass sie dabei ganz viel<br />

lernen. Spannend ist, zu beobachten,<br />

dass Kinder oft intuitiv die richtigen<br />

Bewegungen machen, wenn man sie<br />

lässt und sie zu nichts zwingt.<br />

Wie Frösche?<br />

Eben nicht. Das Kraulen ist für Kinder<br />

einfacher, weil sie den Beinschlag<br />

oft schon selbst einbringen und die<br />

Bewegungen nicht in einem so komplexen<br />

Rhythmus koordinieren müssen<br />

wie beim Brustschwimmen.<br />

Ausserdem ist es auch ergonomisch<br />

sinnvoller. Daher lehrt man seit rund<br />

13 Jahren das Kraulen vor dem<br />

Brustschwimmen.<br />

n en eien ist erzeit iel o<br />

sekunren rtrinken ie ee.<br />

Wenn beim reflexartigen Einatmen<br />

unter Wasser grössere Mengen Wasser<br />

in die Lunge strömen und trotz<br />

Abhusten Restflüssigkeit zurückbleibt,<br />

kann dieses zu einer Lungenentzündung<br />

mit Ödem führen. Und<br />

das kann wieder um innert weniger<br />

Laden Sie die<br />

ritzrnzi<br />

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unsere ink zu<br />

assersicherheitscheck<br />

ieo.<br />

Der Unterricht<br />

muss Spass<br />

machen – dann<br />

geschieht das<br />

ernen ganz<br />

nebenbei.<br />

48 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


mein<br />

Stunden tödlich sein. Folgende Symptome<br />

können auf Restwasser in der<br />

Lunge hindeuten:<br />

• andauerndes Husten seit dem<br />

Verschlucken;<br />

• das Kind wirkt etwas atemlos,<br />

• dem Kind ist vom verschluckten<br />

Wasser übel;<br />

• das Kind verhält sich seltsam:<br />

es ist müde oder besonders<br />

euphorisch (grössere Kinder);<br />

• die Lippen wirken bläulich;<br />

• Gänsehaut, Zittern oder Frösteln;<br />

• Druckgefühl oder Schmerz<br />

hinter dem Brustbein (Achtung:<br />

kleine Kinder können das meist<br />

noch nicht klar äussern);<br />

• Zuckungen der Gesichts muskeln.<br />

Bei diesen Symptomen und nach<br />

einer Bewusstlosigkeit oder einer<br />

Reanimation gehört das Kind unbedingt<br />

zur Beobachtung ins Spital,<br />

auch wenn es ihm scheinbar gut geht.<br />

Dies gilt übrigens auch für Erwachsene.<br />

Beim normalen Verschlucken<br />

von wenig Wasser beim Baden<br />

besteht jedoch keine Gefahr. Dieses<br />

Wasser kann von gesunden Kindern<br />

gut abgehustet werden.<br />

>>><br />

mein<br />

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Nadja Winter ist Schwimmschulinhaberin und<br />

Kursleiterin in Glarus. Sie ist Mutter dreier Kinder,<br />

3, 5 und 7, und hat mit swimsports.ch ein Lehrmittel<br />

zum Schwimmen publiziert. facebook.com/<br />

gumpifrosch, gumpifrosch-lernt-schwimmen.ch.<br />

Bianca Fritz<br />

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erinnert sich noch, wie sie stolz ihr «Seepferdchen»-<br />

Abzeichen auf den Badeanzug nähte. In der Schule<br />

landete sie dann trotzdem bei den Nichtschwimmern,<br />

weil sie – wie heute noch – gemächlich schwamm.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong><br />

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Erziehung & Schule<br />

Spielen statt üben!<br />

Ein Kind möchte ein Instrument lernen. Die Eltern unterstützen diesen Wunsch, mieten<br />

ein Instrument und melden das Kind bei der Musikschule an. Bald folgt die Ernüchterung:<br />

das Kind will nicht üben. Damit zu Hause Musik statt Streit erklingt, brauchen kleine<br />

Anfänger die richtige Unterstützung. Text und Bilder: Sibylle Dubs


Wo die Familie<br />

zusammenkommt,<br />

musiziert sichs<br />

besser.


Erziehung & Schule<br />

Viele Kinder wünschen<br />

sich ein Instrument,<br />

weil sie eine Vorstellung<br />

haben, wie sie<br />

diesem Töne und<br />

Klänge entlocken. Diese Lust und<br />

Neugierde sind die besten Voraussetzungen,<br />

ein Instrument zu lernen.<br />

Oft haben die Kinder mit der<br />

Lehrperson im Unterricht Freude<br />

am Spiel, doch zu Hause wird das<br />

Instrument zur ungeliebten Pflicht.<br />

Eine Ursache dafür ist, dass wir<br />

Erwachsenen zwischen dem Üben<br />

und dem Musizieren, zwischen dem<br />

fehlerhaften und dem perfekt Vorgetragenen<br />

unterscheiden. Es gibt<br />

Eltern, die erzählen, wie schrecklich<br />

es klinge, wenn ihr Kind übe. Der<br />

Zauber der Musik, dem wir uns bei<br />

Konzerten oder Aufnahmen hingeben,<br />

wird beim Anfänger-Üben<br />

nicht gesucht und daher auch nicht<br />

gefunden. Das ist frustrierend für<br />

Kinder, die sich eigentlich wünschten,<br />

sich auf dem Instrument auszudrücken.<br />

Wenn beispielsweise eine kleine<br />

Anfängerin ein Lied wie «Der Mond<br />

ist aufgegangen» mit viel Mühe auf<br />

dem Instrument gelernt hat, wird<br />

das Stück selten zelebriert, sondern<br />

abgehakt. Dabei wären schon die<br />

ersten zwei Takte es wert, sie zu würdigen.<br />

Man kann sie mit viel Hingabe<br />

oder auch mal witzig schnell, laut<br />

oder leise spielen. Das ist nicht kindisch,<br />

sondern das Wesentliche, was<br />

der Musik innewohnt. Wir Erwachsenen<br />

soll ten Anfänger auf dem Weg<br />

zum persönlichen Aus- >>><br />

Wir Erwachsenen<br />

unterscheiden<br />

leider zwischen dem<br />

Üben und dem<br />

Musizieren.<br />

52 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


15 Tipps gegen Frust beim Üben<br />

1. Lachen Sie niemals jemanden aus, der<br />

musiziert, schon gar nicht Ihr Kind.<br />

2. Überprüfen Sie den Ort, an dem Ihr Kind<br />

musiziert. Steht das Klavier in einem Abstellraum<br />

oder Keller? Ist der Notenständer<br />

mitten im Chaos platziert? Nehmen<br />

Sie das Instrument in den Wohnraum<br />

oder in die Küche, dort, wo sich die Familie<br />

am wohlsten fühlt.<br />

3. Setzen Sie sich zum Üben zu Ihrem Kind.<br />

Nehmen Sie sich anfangs genauso Zeit,<br />

wie es Ihr Kind tut. Sagen Sie zum Beispiel<br />

«Machst du etwas Musik?» statt<br />

«Du musst noch üben!».<br />

4. Hören Sie aktiv jedem Ton zu und laden<br />

Sie das Kind dazu ein, seinem Spiel zuzuhören.<br />

Bald können dazu die Augen geschlossen<br />

werden.<br />

5. Die Stimme (Ihre oder die des Kindes)<br />

kann mitsingen oder als Echo oder Pausenfüller<br />

erklingen – und schon haben<br />

Sie ein Duett.<br />

6. Viele Kinder beginnen mitten im Üben zu<br />

experimentieren. Versuchen Sie in dem<br />

Moment nicht, es auf den vermeintlich<br />

seriösen Pfad der Noten zurückzubringen.<br />

Halten Sie das wilde Spiel aus. Hören<br />

Sie auch dort aktiv zu und fragen Sie<br />

nachher, was das Kind gesucht und vielleicht<br />

gefunden hat. Berichten Sie auch<br />

darüber, was Ihnen aufgefallen ist.<br />

7. Seien Sie ehrlich zum Kind. Jedes Training<br />

braucht hin und wieder Überwindung.<br />

8. Sorgen Sie dafür, dass Geschwister nicht<br />

stören. So wie man dem Redenden nicht<br />

ins Wort fällt, unterbricht man nicht,<br />

wenn jemand am Instrument spielt. Regelmässiges<br />

Musizieren führt zu einem<br />

neuen Tagesablauf, an den sich die Familie<br />

vielleicht gewöhnen muss.<br />

9. Reduzieren Sie in Krisen Dauer und Inhalt<br />

beim Üben. Manchmal genügt ein<br />

einziger Takt. Vorzugsweise wählt das<br />

Kind die Stelle selber aus. Erklären Sie<br />

Ihrem Kind, dass der Körper das Stück<br />

abspeichert und dass es wichtig ist,<br />

langsam und entspannt zu üben. Der<br />

Körper speichert eben auch den Stress<br />

ab.<br />

<strong>10</strong>. Das Üben muss nicht ausschliesslich mit<br />

dem nsrumen safinden chauen<br />

Sie sich zusammen das Notenheft auf<br />

dem Sofa an. Reden Sie über die Namen<br />

der Stücke. Falls Sie selber Noten lesen<br />

können, reden Sie über die Partitur: Was<br />

ist es für eine Tonart, was für eine Taktart,<br />

wie viele Stellen mit Sechzehntelnoten<br />

hat es, wo muss man die Töne lange halten?<br />

Singen Sie die Melodie zusammen,<br />

hüpfen und klatschen Sie die Rhythmen.<br />

Vergleichen Sie im Internet verschiedene<br />

Aufnahmen des Stücks.<br />

11. Falls Sie selber ein Instrument spielen<br />

können, begleiten Sie Ihr Kind. Das kann<br />

auch ein Geschwister oder Nachbarskind<br />

übernehmen. Viele Musikschulen<br />

bieten Anfängerensembles an. Gemeinsames<br />

Musizieren ist eine tiefgreifende<br />

Erfahrung.<br />

12. Wenn Sie keine Zeit haben, Ihr Kind aber<br />

gerne beim Üben unterstützen möchten,<br />

fragen Sie in der Musikschule, ob ein Jugendlicher<br />

gegen Entgelt regelmässig<br />

vorbeikommt, um mit Ihrem Kind zu musizieren.<br />

13. Führen Sie Ihrem Kind den Fortschritt<br />

vor Augen und freuen Sie sich darüber.<br />

Vielleicht machen Sie regelmässig kleine<br />

Aufnahmen.<br />

14. Nehmen Sie alte Stücke hervor. Es ist<br />

wertvoll, wenn das Kind das eigene Re-<br />

eroire e<br />

15. Ein Anfängerkind in den Unterricht zu<br />

begleiten, signalisiert Interesse und<br />

Wertschätzung. Gerade bei jüngeren<br />

Kindern kann es hilfreich sein, wenn die<br />

Eltern Tipps der Lehrperson mithören.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 53


Erziehung & Schule<br />

>>> druck be gleiten, denn dieser<br />

ist so anspruchsvoll wie lustvoll.<br />

Musizieren heisst spielen,<br />

nicht üben<br />

Leider hat ein Instrument zu spielen<br />

in unserer Gesellschaft mehr mit<br />

Leistung als mit Genuss zu tun. Das<br />

beginnt damit, dass wir das Kind<br />

auffordern, «zu üben» – und nicht,<br />

«Musik zu machen». Andreas Zihler,<br />

Musikprofessor an der Zürcher<br />

Hochschule der Künste, mahnt seine<br />

Studentinnen und Studenten: «Es<br />

heisst ‹ein Instrument spielen› und<br />

nicht ‹ein Instrument arbeiten›.»<br />

Wenn das Üben zur Arbeit wird,<br />

Wird das Üben<br />

zur Arbeit,<br />

beginnen die<br />

Kinder sich<br />

zu verweigern.<br />

beginnen die Kinder zu schummeln<br />

und sich zu verweigern, bis schliesslich<br />

der Unterricht gekündigt wird.<br />

Bei so manchem Kind stellt sich<br />

nicht bloss Erleichterung, sondern<br />

auch das Gefühl ein, versagt zu<br />

haben. Musikalisches Versagen ist in<br />

vielen Köpfen schon so eingebrannt<br />

und akzeptiert, dass man diese Ab -<br />

surdität kaum hinterfragt. Wie wäre<br />

es, wenn ein fussballbegeistertes<br />

Kind täglich Konditionstraining und<br />

Balljonglage machen und Spielstrategie<br />

büffeln müsste und es nur selten<br />

einen Match spielen könnte? Es<br />

käme dem Zauber des Spiels gar<br />

nicht mehr auf die Spur. Es würde<br />

wenig Fortschritte machen und diese<br />

selber kaum erkennen. Schliesslich<br />

würde das Kind das Hobby aufgeben,<br />

weil es zu anspruchsvoll ist.<br />

Ein unvorstellbares Szenario. In der<br />

Musik ist es für viele Menschen die<br />

eigene Erfahrung.<br />

Das Üben ist in manchen Familien<br />

ein Streitthema wie die Hausaufgaben.<br />

Während letztere von der<br />

Schule vorgeschrieben sind, hat das<br />

Üben eines Instruments eine<br />

Schuld-Komponente: «Du wolltest<br />

doch Harfe spielen!», «Weisst du,<br />

was die Miete des Klaviers kostet?»,<br />

«Wir haben ein halbes Jahr Klarinettenunterricht<br />

bezahlt, jetzt halte<br />

so lange durch». Von solchen Sätzen<br />

ist nicht viel zu halten. Sie zementieren<br />

die Ansicht, dass ein Instrument<br />

zu spielen etwas für besonders<br />

pflichtbewusste oder hochbegabte<br />

Kinder sei.<br />

Eltern sollten sich fragen: Warum<br />

soll unser Kind ein Instrument lernen?<br />

Um Musik zu leben und zu<br />

erleben, wäre die Antwort der elementaren<br />

Musikpädagogik. Um<br />

dem Kind die Möglichkeit zu geben,<br />

aus sich selbst künstlerisch tätig zu<br />

werden. Dazu gehört auch, dass das<br />

Kind die Technik und das Notenlesen<br />

lernt. Denn damit kann der<br />

Ausdruck differenziert und Musik<br />

zum Teil sogar in Worte gefasst werden.<br />

Wie wird also aus dem täglichen<br />

Üben Musik? Indem die Eltern selber<br />

diese Haltung einnehmen und<br />

das Kind unterstützen. Eltern sollten<br />

ihren musizierenden Kindern aktiv<br />

zuhören. Töne, und seien sie noch<br />

so wacklig und ungenau, werden zur<br />

Musik, wenn ihnen Aufmerksamkeit<br />

geschenkt wird. Dadurch lauschen<br />

die Kinder selber von Beginn<br />

weg ihrem Spiel, welches einen ganz<br />

anderen Wert erhält.<br />

Hören ist auch bei Profimusikern<br />

ein zentrales Thema. In der Musikpädagogik<br />

wird zwischen verschiedenen<br />

Hörarten unterschieden. Eine<br />

davon ist das integrierte Hören. Dieses<br />

bedeutet, die Musik zu geniessen<br />

Wacklige Töne<br />

werden zur Musik,<br />

wenn ihnen<br />

Aufmerksamkeit<br />

geschenkt wird.<br />

und sich von ihr berühren zu lassen,<br />

auch wenn Fehler oder Unsicherheiten<br />

da sind. Hört ein Kind sich selber<br />

auf diese Weise zu, verbessert<br />

sich das Spiel automatisch und es<br />

bleibt motiviert.<br />

Eine Studienfreundin erzählte<br />

mir, ihr sei das Üben als Kind leichtgefallen,<br />

weil ihre Mutter sich mit<br />

der «Lismete» zu ihr hingesetzt und<br />

gestrickt habe, während sie Klavier<br />

spielte. Bei allen drei Töchtern der<br />

Familie war die Mutter täglich die<br />

strickende Zuhörerin. Meine Freundin<br />

spielt heute virtuos und hemmungsfrei<br />

Klavier.<br />

Natürlich kann bei schwierigen<br />

Stücken mit neuen Techniken jede<br />

Motivation einmal zusammenfallen.<br />

Hier ist die Erkenntnis wichtig, dass<br />

es sich beim Lernen eines Instrumentes<br />

um Bewegungslernen handelt<br />

und nicht um analytischen<br />

Denksport. Der Körper lernt subtil<br />

und schnell. Es ist wesentlich, ihm<br />

zu vertrauen, dass er sich Griffe,<br />

Haltung, Anschläge, Ansätze (bei<br />

Blasinstrumenten) automatisch<br />

merkt. Es fasziniert Kinder wie auch<br />

Erwachsene, festzustellen, wie eine<br />

langsam eingeübte Stelle immer besser<br />

geht, weil der Körper diese<br />

54 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


«abgespeichert» hat. Dies ist nicht<br />

anders als bei Bewegungsabläufen<br />

im Sport. Den Ball richtig zu werfen<br />

oder zu kicken, braucht Wiederholung<br />

und gelingt unter Druck nicht<br />

besser.<br />

Schliesslich tut es gut, darauf zu<br />

achten, dass künstlerisches Üben<br />

zielorientiert ist. Das Kind soll das<br />

Instrument mit einer Absicht zur<br />

Hand nehmen. Zum Beispiel, um<br />

den Noten auf dem Papier zum ersten<br />

Mal Leben einzuhauchen oder<br />

auch mal eine bestimmte Passage<br />

fehlerfrei zu spielen. Üben bedeutet<br />

nicht Tastendrücken, bis die Zeit um<br />

ist. Eine Tonleiter darf nicht erledigt<br />

werden wie eine Seite Rechnungen.<br />

«Ich zahle so viel Geld in den<br />

Musikunterricht, nun ist es auch<br />

noch meine Aufgabe, mit dem Kind<br />

zu üben?», höre ich nicht selten. Es<br />

braucht diese Investition. Allerdings<br />

mehr in die Haltung, dass die geübten<br />

Töne Musik sind. Dass die Musik<br />

Kommunikation bedeutet zwischen<br />

Ihrem Kind und der Umwelt. So<br />

können schon die ersten sieben Töne<br />

von «Der Mond ist aufgegangen» ein<br />

kleines Konzert werden auf dem Klavier,<br />

der Flöte oder dem Cello Ihrer<br />

Tochter oder Ihres Sohnes.<br />

>>><br />

Sibylle Dubs<br />

übt selber viel mehr, seit das Klavier zu Hause in der<br />

Küche steht. Die ganze Familie der Musikpädagogin<br />

musiziert in der Küche. Der Esstisch wurde ins<br />

Wohnzimmer ausquartiert. Doch auch wenn die<br />

Musik in den Alltag integriert ist, müssen<br />

die Kinder, 7 und <strong>10</strong> Jahre, noch regelmässig ans<br />

Spielen erinnert werden.<br />

Publireportage<br />

Arosa lädt Ihre Sprösslinge ein<br />

«Skischule inklusive» für die Kinder<br />

Ob das erste Mal auf den Skiern<br />

stehen, im Snowpark über die<br />

Kicker springen oder beim Skirennen<br />

eine Medaille holen – am<br />

schönsten geht das in der Skiund<br />

Snowboardschule in Arosa<br />

– und erst noch geschenkt! Denn<br />

alle Kinder bis und mit 17 Jahre<br />

kommen hier in den Genuss von<br />

kostenlosem Gruppenunterricht<br />

bei der Schweizerischen Ski- &<br />

Snowboardschule Arosa und der<br />

ABC Schneesportschule, wenn sie<br />

mindestens während zwei Nächten<br />

in einer der teilnehmenden<br />

Ferienwohnungen oder Hotels<br />

Winterferien geniessen.<br />

In Arosa haben die Kinder die perfekten<br />

Voraussetzungen, um zum<br />

nächsten Gian Simmen oder Roger<br />

Staub – beides Olympiasieger<br />

– heranzuwachsen: 225 Pistenkilometer<br />

für jedes Niveau, zwei<br />

Kinderländer für die Kleinsten und<br />

sympathische Skilehrer, die bei jedem<br />

Kind die Begeisterung für<br />

den Schneesport wecken können.<br />

So lernt man in Arosa kinderleicht<br />

Skifahren oder Snowboarden.<br />

Arosa freut sich, seit der Wintersaison<br />

2012/13 mit der «Skischule<br />

inklusive» einen Beitrag an<br />

die Nachwuchsförderung leisten<br />

zu können und die jüngsten<br />

Gäste zurück auf die Piste zu bringen.<br />

Detaillierte Informationen<br />

zum Angebot finden Sie unter<br />

arosa.ch/skischuleinklusive.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 55


In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post<br />

Erziehung & Schule<br />

Spielend Schreiben lernen<br />

Beim Spielen lernt es sich wie von selbst. Spiele mit Buchstaben und Wörtern<br />

motivieren Kinder zum Lernen und Üben der Schrift – und machen auch sonst<br />

Spass. Eine Spielauswahl zum Ausprobieren. Text: Johanna Oeschger<br />

Spielen und Lernen gehen Hand in<br />

Hand: Spiele wecken Emotionen, sie<br />

aktivieren und fordern uns. Das sind<br />

ideale Voraussetzungen fürs Lernen.<br />

Beim Spielen eignen sich Kinder ganz<br />

nebenbei soziale, kommunikative und<br />

kognitive Fähigkeiten an. Spiele rund<br />

um die Schrift motivieren zum Schreibenlernen<br />

und regen zum Erkunden von<br />

neuen Buchstaben, Wörtern und<br />

Schreibweisen an.<br />

Schriftmemory<br />

Aus Prospekten werden gleiche Wörter<br />

ausgeschnitten (oder von Schildern,<br />

Plakaten usw. abgeschrieben oder fotografiert)<br />

und auf Karten geklebt. Mit<br />

dieser Memory-Variante lernen Leseanfänger,<br />

erste Schriftbilder zu erkennen.<br />

Buchstaben-Twister<br />

Sechs (oder mehr) Karten werden mit<br />

Buchstaben beschriftet und in einem<br />

3×2-Raster auf den Boden oder Teppich<br />

geklebt. Der Spielleiter nennt nacheinander<br />

Buchstaben, die Spieler stellen<br />

abwechselnd Hand oder Fuss auf der<br />

entsprechenden Buchstabenkarte ab.<br />

Geübten Spielern nennt der Spielleiter<br />

kurze Wörter, die mit Händen und Füssen<br />

buchstabiert werden.<br />

Stadt-Land-Fluss<br />

Oder auch: Süssigkeit-Quatschwort-<br />

Trickfilmheldin. Die Spieler notieren für<br />

jede Kategorie möglichst schnell einen<br />

Begriff zu einem Anfangsbuchstaben,<br />

welcher zu Beginn des Spiels ermittelt<br />

wurde, also zum Beispiel «L» wie «Lebkuchen»,<br />

«Lussel» und «Lillifee».<br />

App-Tipp<br />

Happi Wörter<br />

Was haben Pilz, Baum und Bär gemeinsam? In diesem Assoziationsspiel<br />

für Kinder ab Grundschulalter gilt es, die Gemeinsamkeit<br />

dreier ilder u nden und das Lsunsrt aus den passenden<br />

Buchstaben zusammenzusetzen. Erhältlich für iOS. Kosten: Fr. 2.–.<br />

Johanna Oeschger<br />

ist Literatur- und Sprachwissenschaftlerin,<br />

unterrichtet Deutsch und Englisch<br />

auf der Sekundarstufe II und arbeitet als<br />

Mediendidaktikerin bei LerNetz.<br />

Bild: iStockphoto<br />

56 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Kolumne<br />

Wie erziehe ich meinen<br />

Sohn feministisch?<br />

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />

Es ist eigentlich unglaublich, wenn man darüber nachdenkt,<br />

dass in unserer Welt noch immer Männer den Ton angeben.<br />

Seit Jahrtausenden sitzen wir am Steuer, und unsere Bilanz ist,<br />

gelinde gesagt, eine Katastrophe: In den Konzernzentralen<br />

und auf den Pausenplätzen, in den Terrorzellen und<br />

Kommentar spalten, auf metaphorisch und in echt – Gewalt scheint unser<br />

Ding zu sein. Natürlich sind nicht alle Männer gewalttätig – es gibt<br />

Frauen, die uns punkto Rücksichtslosigkeit in nichts nachstehen –, und<br />

natürlich sind wir Männer nicht an aller Unbill schuld, und doch haben<br />

wir bei vielem, was schiefläuft, unsere Finger im Spiel. Die Gründe<br />

hierfür sind ebenso vielfältig wie komplex. Mindestens einer aber handelt<br />

von uns Eltern. Hat es allenfalls etwas mit der Art zu tun, wie wir unsere<br />

Jungs erziehen?<br />

Die wichtigsten Skills sind heute vermutlich Kommunikation,<br />

Koopera tion, Empathie. Schaut man sich aber in der Welt um, regiert<br />

eine breitbeinige, selbstgefällige Weltmännischkeit, die nie zögert, nie<br />

Fehler begeht, niemals zweifelt, sich nie Unsicherheit oder Ratlosigkeit<br />

eingesteht, niemals anderen Recht gibt. Die Logik dieser Welt: Der<br />

Klügere gibt nicht nach, er setzt sich durch. Es ist nebenbei bemerkt auch<br />

eine Welt, in der Frauen noch immer Nebenrollen spielen. Gleichzeitig<br />

scheinen wir paradoxerweise davon überzeugt, dass Gleichberechtigung<br />

schon lange verwirklicht wurde, weshalb sich Alltagssexismus und<br />

Antifeminismus derzeit wieder ungestört ausbreiten. Dieses Denken und<br />

Gebaren kommt natürlich nicht von ungefähr, denn das sind die Werte,<br />

denen wir Männer seit Jahrtausenden nacheifern und die wir Väter,<br />

bewusst oder unbewusst, auch unseren Söhnen vorleben.<br />

Kleine Idee: Wie wäre es, wenn wir das ändern? Denn ich fürchte, dass<br />

wir die Welt an die Wand fahren, wenn wir an den uralten Männlichkeitsidealen<br />

von Überlegenheit und Unangreifbarkeit festhalten. Als<br />

Ausgangspunkt unseres kleinen Umerziehungsversuchs steht der kluge<br />

Satz von Gloria Steinem: «Schön, dass wir angefangen haben, unsere<br />

Töchter wie unsere Söhne zu erziehen. Aber es wird erst funktionieren,<br />

wenn wir auch unsere Söhne mehr wie unsere Töchter behandeln.»<br />

Anders gesagt: Es ist an der Zeit, unsere Jungs feministisch zu erziehen.<br />

Aber was kann man machen? Als Vater zum Beispiel das hier: Begegne<br />

Frauen auf Augenhöhe, besonders jenen, die dir nahestehen – dein Sohn<br />

wird seine Haltung gegenüber Frauen daraus erlernen. Mach das Maul<br />

auf, wenn Männer sexistische Witze reissen – es wird mehr Mut kosten,<br />

als du glaubst. Pflege Freundschaften zu Frauen – überhaupt: beziehe dich<br />

auf Frauen; spreche auch von Sportlerinnen, Politikerinnen, von<br />

Denkerinnen, die dich beeinflussen. Sei zu Hause nicht der Assistent<br />

deiner Partnerin – gehe selbst in die Verantwortung. Erzähle dein Leben<br />

nicht ständig als Erfolgsgeschichte – erwähne auch Niederlagen,<br />

Unsicherheiten, Widerstände. Kurz: Sei respektvoll, sei mutig,<br />

unterwandere rein männliche Bezugssysteme, übernimm Verantwortung<br />

und vor allem: Sei stark, indem du Schwächen zeigst.<br />

Mikael Krogerus<br />

ist Autor und Journalist.<br />

Der Finne ist Vater einer Tochter<br />

und eines Sohnes, lebt in Biel<br />

und schreibt regelmässig für<br />

das Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi und andere<br />

Schweizer Medien.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 57


Elterncoaching<br />

Hilfe, mein Kind ist<br />

ein Träumer!<br />

Kleine Träumer sind kreativ und fantasievoll, aber oft vom Alltag<br />

überfordert. Und in der Schule wird ihre Neigung zum Problem.<br />

Wie Eltern ihrem verträumten Kind helfen und es unterstützen können.<br />

Fabian Grolimund<br />

ist Psychologe und Autor («Mit<br />

Kindern lernen»). In der Rubrik<br />

«Elterncoaching» beantwortet<br />

er Fragen aus dem Familienalltag.<br />

Der 38-Jährige ist verheiratet<br />

und Vater eines Sohnes, 5,<br />

und einer Tochter, 2. Er lebt<br />

mit seiner Familie in Freiburg.<br />

www.mit-kindern-lernen.ch<br />

www.biber-blog.com<br />

Als Eltern eines verträumten<br />

Kindes hat<br />

man es nicht leicht.<br />

Ständig muss man<br />

das Kind an alles<br />

Mögliche erinnern, mit ihm planen,<br />

es strukturieren und anleiten, kurz<br />

vor knapp noch seine unauffindbaren<br />

Sachen suchen, alles dreimal<br />

sagen und mit dem dabei aufkommenden<br />

Ärger fertig werden.<br />

Vielleicht macht man sich Sorgen:<br />

Was soll nur aus meinem Kind<br />

werden? Wie soll es die Schule<br />

schaffen, wenn es in Gedanken ständig<br />

woanders ist? Wie soll es später<br />

nur im Berufsleben Fuss fassen,<br />

wenn es selbst einfachsten Anweisungen<br />

nicht nachkommt, alles vergisst<br />

und verliert und für simple<br />

Aufgaben Stunden benötigt?<br />

Besonders verunsichernd sind<br />

oftmals die Rückmeldungen der<br />

Schule. Was soll man als Mutter oder<br />

Vater tun, wenn das Kind es in der<br />

Schule «schon könnte, aber einfach<br />

Verträumte Kinder sind<br />

empfindsam. Sie haben das<br />

Gefühl, dass alle dauernd<br />

irgendetwas von ihnen wollen.<br />

nicht zuhört und zu langsam ist»<br />

und «sich im Unterricht ständig<br />

ablenken lässt und vor sich hinträumt»?<br />

Die Eltern stehen unter Druck,<br />

den Kindern geht es nicht besser. Sie<br />

hören den ganzen Tag Sätze wie:<br />

«Geht das auch ein bisschen schneller?»,<br />

«Jetzt ist echt nicht die Zeit<br />

zum Spielen!», «Was starrst du denn<br />

schon wieder Löcher in die Luft?»,<br />

«Jetzt hast du schon wieder deine<br />

Handschuhe verloren! Meinst du<br />

eigentlich, wir sind Millionäre?»,<br />

«Schau, die anderen sind schon fast<br />

fertig und du hast noch gar nicht<br />

angefangen».<br />

Empfindsam, wie viele verträumte<br />

Kinder sind, spüren sie die dauernde<br />

Sorge um ihre Zukunft. Sie<br />

möchten es ihrem Umfeld recht<br />

machen, schaffen es aber nicht. Sie<br />

haben das Gefühl, dass alle dauernd<br />

irgendetwas von ihnen wollen, das<br />

sie nicht leisten können. Daraus<br />

kann ein immenser Leidensdruck<br />

entstehen und das Gefühl, «nicht<br />

richtig» zu sein.<br />

Dieses Leiden wird von Aussenstehenden<br />

oft unterschätzt. Vielleicht<br />

gerade deshalb, weil sich Träumerchen<br />

unter Druck in ihre<br />

Traumwelt zurückziehen und dann<br />

so wirken, als würden sie nichts an<br />

sich heranlassen und die Notwendigkeit<br />

all der Veränderungswünsche,<br />

die an sie herangetragen werden,<br />

nicht sehen.<br />

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />

58 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Wenn wir genauer hinschauen,<br />

sehen wir, wie entmutigt und traurig<br />

viele dieser Kinder sind.<br />

Wenn der Alltag müde macht<br />

Für viele verträumte Kinder ist der<br />

Alltag ein Kraftakt. Fast alles, was<br />

unsere moderne Welt von uns fordert,<br />

ist für sie mit einer besonderen<br />

Anstrengung verbunden.<br />

Verträumte Kinder haben selten<br />

Langeweile. Sie können sich oft<br />

stundenlang mit sich selbst beschäftigen<br />

und benötigen nur wenig<br />

Anregung von aussen. Wenn sie<br />

ihren Interessen in ihrem Tempo<br />

nachgehen dürfen, wirken sie<br />

manchmal wie in Trance, so versunken<br />

und konzentriert, dass sie kaum<br />

davon loszureissen sind. Ihre Fantasie<br />

und der Reichtum ihrer Innenwelt<br />

versetzen Aussenstehende<br />

immer wieder in Erstaunen.<br />

Diese Kinder sehen sich einer<br />

Gesellschaft ausgesetzt, die von<br />

ihnen Tempo und rasches Reagieren<br />

erwartet und sie mit Plänen, To-do-<br />

Listen und Aufgabenbergen überhäuft.<br />

Einer Welt, in der man wach<br />

und fokussiert von aussen vorgegebene<br />

Aufträge erledigen soll; in der<br />

die Uhr den Takt vorgibt; in der die<br />

Zeit stets gut genutzt werden soll,<br />

um immer höher gesteckte Ziele zu<br />

erreichen; in der es laut und geschäftig<br />

zu und her geht und man sich<br />

durchsetzen und behaupten muss.<br />

Wie Sie Ihr Kind unterstützen<br />

können<br />

Wie kann man als Eltern ein verträumtes<br />

Kind unterstützen? Sie<br />

können ihm zum einen helfen, mit<br />

den Anforderungen der Aussenwelt<br />

besser zurechtzukommen:<br />

• Visualisieren Sie die einzelnen<br />

Teilschritte von Abläufen wie<br />

«Schulthek packen» oder «Zimmer<br />

aufräumen» zum Beispiel<br />

mittels bebilderter Checklisten.<br />

• Bitten Sie Ihr Kind vor dem Einschlafen,<br />

sich wichtige Abläufe<br />

bildlich vorzustellen, als würde es<br />

einen Film ansehen.<br />

• Weisen Sie unliebsamen Aufgaben<br />

ein begrenztes Zeitbudget<br />

zu und stellen Sie dieses visuell<br />

dar, etwa mithilfe einer Eierkocher-Uhr.<br />

• Führen Sie einfache Ordnungssysteme<br />

ein, beispielsweise verschiedene<br />

Rollkisten für Spielsachen<br />

und Schulmaterial oder<br />

eine Farbkodierung für die Materialien<br />

verschiedener Schulfächer.<br />

• Helfen Sie Ihrem Kind, sein Ar -<br />

beitsgedächtnis zu entlasten, in -<br />

dem Aufgaben und Termine aufgeschrieben<br />

und – je nach Alter<br />

des Kindes – abfotografiert bzw.<br />

ins Handy einprogrammiert werden.<br />

• Planen Sie gemeinsam mit Ihrem<br />

Kind und zerlegen Sie die Aufgaben<br />

in überschaubare Teilschritte.<br />

Noch wichtiger ist jedoch, dass Sie<br />

Ihrem Kind die Möglichkeit geben,<br />

sich selbst zu sein und sich von den<br />

Herausforderungen des Alltags zu<br />

erholen. Falls Ihr Kind nach einem<br />

anstrengenden Schultag nicht auch<br />

noch davon erzählen mag, können<br />

Sie sich bewusst zurücknehmen.<br />

Vielleicht sagen Sie zu ihm: «Ich<br />

glaube, du brauchst ein wenig Ruhe.»<br />

Achten Sie auf genügend Erholungsphasen,<br />

in denen das Kind<br />

nicht auf die Uhr schauen muss und<br />

ungestört seinen Neigungen nachgehen<br />

kann.<br />

Seien sie einfach da: Viele Träumer<br />

geniessen es, wenn sie im gleichen<br />

Raum sein dürfen, ohne interagieren<br />

zu müssen. Wenn sie lesen,<br />

Lego bauen oder malen dürfen,<br />

während die Eltern ebenfalls lesen,<br />

in der Küche hantieren oder ihrer<br />

Arbeit nachgehen.<br />

Und das Wichtigste: Akzeptieren<br />

Sie, dass Sie Ihr Kind nicht ändern<br />

können.<br />

Verträumte Kinder hören immer<br />

wieder die Drohung: «Wenn das so<br />

bleibt, sehe ich schwarz.» Dahinter<br />

steckt der Glaube, dass das Kind<br />

zuerst ein anderer Mensch werden<br />

muss, damit es als Erwachsener<br />

Geben Sie Ihrem Kind die<br />

Möglichkeit, sich selbst zu sein<br />

und sich zu erholen von den<br />

Herausforderungen des Alltags.<br />

Erfolg haben und glücklich werden<br />

kann. Immer wieder begegnen uns<br />

in unserer Arbeit Eltern mit dieser<br />

Haltung.<br />

Dieser Veränderungswunsch ist<br />

nicht nur unerfüllbar, sondern auch<br />

unnötig. Verträumte Kinder bleiben<br />

meist etwas chaotisch, langsam und<br />

zerstreut. Sie werden auch in Zu -<br />

kunft vieles vergessen, zu wenig planen<br />

und vorausdenken.<br />

Und sie können trotzdem zu<br />

zufriedenen Erwachsenen werden.<br />

Dazu müssen sie sich aber nicht<br />

grundlegend verändern, sondern<br />

sich selbst kennen und annehmen<br />

können. Sie müssen wissen, wo ihre<br />

Stärken liegen, und diese kultivieren<br />

und ausbauen. Und sie müssen sich<br />

mit ihren Schwächen auseinandersetzen<br />

und Wege finden, um mit<br />

diesen umzugehen.<br />

In der nächsten Ausgabe:<br />

Wer wohnt da eigentlich unter meinem Dach? – Warum<br />

wir uns immer wieder neu kennenlernen müssen.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 59


Erziehung & Schule<br />

Wer zahlt im Falle einer<br />

Scheidung? Und wie viel?<br />

Seit dem 1. Juli dieses Jahres ist der Zivilstand der Eltern für die<br />

elterliche Sorge und die nterhaltsflicht im Falle einer rennung<br />

unerheblich – das verändert einiges. Ein Überblick. Text: Sandra Hotz<br />

Elias ist 12 Jahre alt und<br />

hat Probleme in der<br />

Schule, sodass sich die<br />

Mutter täglich intensiv<br />

um Struktur und Hausaufgabenhilfe<br />

kümmert. Anna ist 15<br />

Jahre alt und eine talentierte Reiterin.<br />

Sie beginnt demnächst eine Lehre<br />

als Tierpflegerin. Mara, 19 Jahre<br />

alt, wohnt seit Herbst in Zürich und<br />

studiert an der ETH Ingenieurswissenschaften.<br />

Die Familie lebt in<br />

Poschiavo GR.<br />

Betreuungsunterhalt<br />

Die Beziehung der Eltern kriselt seit<br />

längerer Zeit. Sie möchten sich trennen,<br />

machen sich aber Sorgen darüber,<br />

wie sie die Mietkosten für eine<br />

zweite Wohnung und das Geld für<br />

den Lebensunterhalt von Mara aufbringen<br />

können, sowie darüber, wer<br />

künftig die Hausaufgabenhilfe für<br />

Elias übernimmt, falls die Mutter ihr<br />

Arbeitspensum als Primarschullehrerin<br />

erhöhen müsste.<br />

Ein Betreuungsunterhalt<br />

verhindert eine Aufstockung<br />

des Arbeitspensums.<br />

Kinder kosten, keine Frage. Eltern<br />

wissen um die Kosten für den<br />

Lebensunterhalt, wie für Essen,<br />

Turnschuhe, Computer, Hobbys<br />

Schul- und Studiengelder. Zum<br />

Unterhalt eines Kindes zählt aber<br />

mehr als dieser Barbedarf (Barunterhalt),<br />

nämlich auch die Pflege<br />

und die Betreuung eines Kindes.<br />

Das Recht spricht neu von einem<br />

Betreuungsunterhalt, der im Falle<br />

einer Trennung geleistet werden<br />

muss.<br />

Der Anspruch des Kindes auf<br />

Pflege und Betreuung soll mit der<br />

Leistung des Betreuungsunterhalts<br />

umgesetzt und gewährleistet werden,<br />

indem der betreuende Elternteil<br />

die Möglichkeit hat, weiterhin zu<br />

Hause präsent sein zu können und<br />

nicht sein Arbeitspensum aufstocken<br />

zu müssen. Doch lassen Sie<br />

mich vorne beginnen.<br />

Alle Eltern haben ihren Kindern<br />

gegenüber eine umfassende Unterhaltspflicht.<br />

Das ist ihre Verantwortung<br />

und die Kehrseite ihres elterlichen<br />

Sorgerechts. Recht und Pflicht<br />

begründen sich mit dem rechtlichen<br />

Kindesverhältnis. Egal also, ob die<br />

Eltern von Elias, Anna und Mara<br />

verheiratet sind oder nicht, die Kinder<br />

haben kraft des Kindsverhältnisses<br />

einen Anspruch auf Unterhalt.<br />

60 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Das ist eine beachtliche Rechtsentwicklung:<br />

Der Zivilstand der Eltern<br />

ist für die gemeinsame elterliche<br />

Sorge (seit 1. 7. 2014) und die Unterhaltspflicht<br />

(nun seit 1. 1. <strong>2017</strong>)<br />

unbedeutend geworden.<br />

Individuelle Ansprüche<br />

Elias, Anna und Mara haben je einen<br />

individuellen Anspruch auf Unterhalt,<br />

der sich nach ihren Bedürfnissen<br />

richtet. Für das eine Kind fallen<br />

etwa Studienkosten an, für das andere<br />

mehr Unterstützung bei den<br />

Hausaufgaben. Jede Geburt weiterer<br />

Kinder führt zu neuen Unterhaltspflichten,<br />

die den Unterhaltsanspruch<br />

früherer Kinder wohl etwas<br />

schmälern mögen, aber nicht aufheben.<br />

Eine Ausnahme besteht höchstens<br />

dann, wenn ein Kind seinen<br />

Lebensunterhalt selbständig bestreiten<br />

könnte.<br />

Angenommen, Anna kann künftig<br />

auf einem grossen Hof ihre Lehre<br />

antreten, erhält dort neben Kost und<br />

Logis einen Lehrlingslohn und verdient<br />

sich mit zusätzlichem Reitunterricht,<br />

den sie erteilt, einiges dazu,<br />

könnte es theoretisch sein, dass sie<br />

selbständig für ihren Lebensunterhalt<br />

aufkommen kann. Auf jeden<br />

Fall müssten die Eltern ihre teuren<br />

Reitstunden nicht mehr bezahlen.<br />

Das Recht auf Kindesunterhalt<br />

kann unter Umständen auch über<br />

die Volljährigkeit hinaus bestehen.<br />

Dann, wenn es sich beispielsweise<br />

um eine Erstausbildung handelt wie<br />

im Falle von Mara, die für die nächsten<br />

vier Jahre studieren und in<br />

Zürich leben wird.<br />

Eine Trennung oder Scheidung<br />

sowie eine erneute Heirat der Eltern<br />

ändern im Grundsatz nichts an der<br />

Unterhaltspflicht gegenüber den<br />

Das Recht auf Kindesunterhalt<br />

kann auch über die<br />

Volljährigkeit hinaus bestehen.<br />

drei Kindern. Faktisch ändert sich<br />

aber aufgrund eines getrennten<br />

Haushalts der Eltern deren Zusammenwirken<br />

in der Pflege, Erziehung<br />

und Betreuung der Kinder.<br />

Die persönlichen Betreuungsleistungen<br />

wie Pflege und Hausaufgabenhilfe<br />

werden bei einer Trennung<br />

praktisch aber oft alleine (und<br />

deshalb besonders intensiv) von<br />

jenem Elternteil erbracht, unter dessen<br />

Obhut die Kinder stehen. Der<br />

andere Elternteil kommt dann seinen<br />

Unterhaltspflichten vor >>><br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 61


Erziehung & Schule<br />

>>> allem durch Geldleistungen<br />

nach.<br />

Damit die Mutter ihr Arbeitspensum<br />

nicht erhöhen muss, sondern<br />

Elias weiterhin persönlich unterstützen<br />

kann, bekommt Elias neu einen<br />

Betreuungsunterhalt vom Vater.<br />

Es kann aber auch sein, dass die<br />

Eltern sich nach einer Trennung<br />

oder Scheidung in der persönlichen<br />

Pflege und Betreuung abwechseln.<br />

Demnach würde eine «alternierende<br />

Obhut» bestehen und sich der Be -<br />

treuungsunterhalt diesbezüglich<br />

reduzieren.<br />

Wie hoch ist ein<br />

Betreuungsunterhalt?<br />

Grundsätzlich orientiert sich das<br />

Gericht jedoch am während der Ehe<br />

oder in der Beziehung gelebten<br />

Betreuungsmodell. Eine Mutter, die<br />

immer in Teilzeit arbeitete und die<br />

Kinder intensiv betreute, wie im Fall<br />

von Elias, hat gute Chancen, dies<br />

auch nach einer Trennung tun zu<br />

dürfen, ohne ihr Arbeitspensum zu<br />

erhöhen.<br />

Der Gesetzgeber hat leider darauf<br />

verzichtet, genau festzulegen, wie<br />

sich ein Betreuungsunterhalt bemisst.<br />

Er hat festgehalten, dass die<br />

Lebenshaltungskosten der betreuenden<br />

Person gedeckt sein sollen. Was<br />

sind Pflege und Betreuung wert?<br />

Wie viel die Unterstützung bei der<br />

Hausaufgabenhilfe oder das Kü -<br />

chengespräch beim Zvieri? Ist oder<br />

soll die Hausaufgabenhilfe eines<br />

Elternteils in Poschiavo anders<br />

bewertet werden als die in Zürich?<br />

Unverheiratete Väter ohne<br />

Betreuungsaufgaben<br />

sind die Hauptbetroffenen<br />

der neuen Regelung.<br />

Das Kindesunterhaltsrecht in Kürze<br />

Das revidierte Kindesunterhaltsrecht (Art. 277 ff. ZGB), in<br />

Kraft seit 1.1.<strong>2017</strong>, ist der 2. Teil der Familienrechtsrevision<br />

zu gemeinsamer elterlicher Sorge und Verantwortung:<br />

• Das Kindesinteresse steht im Zentrum.<br />

• Der Kindesunterhalt steht dem Kind persönlich zu.<br />

• Der Kindesunterhalt ist unabhängig vom Zivilstand<br />

der Eltern.<br />

• Der Kindesunterhalt richtet sich nach dem Bedarf<br />

des Kindes; unter Umständen auch über die Volljährigkeit<br />

hinaus.<br />

• Der Betreuungsunterhalt wird als Teil des Kindesunterhaltes<br />

anerkannt.<br />

• Der Kindesunterhalt geht anderen familienrechtlichen<br />

Verichunen or<br />

Es ist also noch offen, welches<br />

Gericht den Betreuungsunterhalt<br />

wie berechnen wird: mit genauen<br />

Tabellen, pauschalisierenden Prozentregeln<br />

(zum Beispiel <strong>10</strong> bis<br />

15 Prozent des Nettoeinkommens<br />

der Eltern bei einem Kind, 30 bis<br />

35 Prozent bei drei Kindern) oder<br />

nach Massgabe von Fremdbetreuungskosten?<br />

Doch auch da besteht<br />

eine Vielfalt an Optionen: nach<br />

Mass gabe der Kinderkrippenkosten,<br />

der Pflegekinderkosten oder der<br />

durchschnittlichen Kosten einer<br />

Nanny?<br />

In der Literatur werden derzeit<br />

laufend Ansätze i vorgeschlagen und<br />

diskutiert. Das Zürcher Obergericht<br />

hat einen Leitfaden herausgegeben,<br />

der die «Lebenshaltungskosten», die<br />

durch den Betreuungsunterhalt zu<br />

decken wären, am betreibungsrechtlichen<br />

Minimum ausrichten will.<br />

Mit der Zeit wird es die Rechtsprechung<br />

des Bundesgerichts richten<br />

müssen und richten.<br />

Der nacheheliche Unterhalt be -<br />

steht in Geldleistungen an die ge -<br />

schiedene Ehegattin beziehungsweise<br />

den ge schiedenen Ehegatten, weil<br />

dieser/diese nach Beziehungsende<br />

in seiner/ihrer Kapazität zur Eigenversorgung<br />

eingeschränkt ist, auf-<br />

62 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


grund gemeinsam entschiedener<br />

Aufgabenteilung, der Dauer der Ehe,<br />

des Alters, der Berufsbildung und<br />

-entwicklung.<br />

Dazu gehört wesentlich, dass die<br />

Erwerbsfähigkeit wegen der Pflicht<br />

zur Kinderpflege und -betreuung<br />

massiv eingeschränkt war. Ein nachehelicher<br />

Unterhalt dient also dem<br />

Schutz der Ehegatten nach Auflösung<br />

der Ehe. Achtung: Diesen<br />

Schutz gibt es in nichtehelichen<br />

Partnerschaften nicht.<br />

Ziel des Kindesunterhalts ist<br />

dagegen der Schutz des Kindes. Im<br />

Fall des Betreuungsunterhalts ist das<br />

Kind berechtigt, im Fall des nachehelichen<br />

Unterhalts ist es der (ehemals)<br />

betreuende Elternteil. Das<br />

zeigt, dass beide Unterhaltsarten<br />

nicht vermischt und auch nicht<br />

gegeneinander ausgespielt werden<br />

dürfen. Die Frage, wann einem<br />

geschiedenen Elternteil die Erwerbstätigkeit<br />

zur Eigenversorgung zugemutet<br />

werden kann, ist eine Frage,<br />

die den nachehelichen Unterhalt<br />

betrifft, nicht den Betreuungsunterhalt.<br />

>>><br />

Sandra Hotz<br />

ist Juristin und Co-Leiterin des Projekts<br />

«Kinder fördern. Eine interdisziplinäre<br />

Studie zum Umgang mit ADHS» am Institut<br />

für Familienforschung und -beratung der<br />

Universität Freiburg. Sie beschäftigt sich<br />

mit Kinderrecht und Fragen der<br />

Selbstbestimmung von Patienten.<br />

Der nacheheliche Unterhalt<br />

dient dem Schutz der<br />

Ehegatten nach der Ehe,<br />

der Kindesunterhalt<br />

dem Schutz des Kindes.<br />

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das zu Ihnen passt.<br />

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Do sier<br />

Der 9-jährige Emilio<br />

hat Autismus. Rituale<br />

bestimmen sein<br />

Leben. Mehrmals am<br />

Tag geht er in den<br />

Wäscheraum und<br />

beobachtet die<br />

drehenden Trommeln.<br />

Leserbriefe<br />

«Toll, am Leben besonderer<br />

Menschen teilhaben zu können»<br />

«Die komischen Blicke<br />

sind verletzend»<br />

(Dossier «Autismus», Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />

Das andere Kind –<br />

leben mit Autismus<br />

Eine Störung für die einen, eine Wesensart für die anderen<br />

und eine Herausforderung für alle. Das ist Autismus.<br />

Jedes hundertste Kind in der Schweiz ist davon betroffen.<br />

Was heisst das für das Kind? Was für seine Eltern?<br />

Und vor allem: Wer hilft?<br />

Text: Sarah King Bilder: Daniel Auf der Mauer / 13 Photo<br />

<strong>10</strong> August <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi August <strong>2017</strong> 1<br />

ir ersnlich ha der riel sehr u efallen ch finde es oll<br />

dass Sie uns am Leben besonderer Menschen teilhaben lassen. Ich<br />

enne runa und milio ersnlich aer es ha mir rodem<br />

ieder aufs eue imonier ie oll runa ihren ohn milio<br />

uners und ie sannend und fasinierend das een eines<br />

Autisten sein kann ... Ich wünsche den beiden Familien alles Gute<br />

in der uunf und den indern iel ean on anderen<br />

Menschen.<br />

Ich selber hatte als Kind eine ADHS-Diagnose und galt selbst in<br />

der amilie als scher eriehar er ahre rund meines<br />

Verhalens ha damals niemanden ineressier und ich urde mi<br />

Medikamenten ruhiggestellt. Durch einige Tests auf freiwilliger<br />

asis als ich ahre al ar urde lar arum ich daumal so<br />

war. Ich selber konnte Erlebnisse meiner frühen Kindheit nicht<br />

verarbeiten und habe vieles mit meinem aufgedrehten und<br />

aufmfien Verhalen ersiel uch onenraionsschieri-<br />

eien die einem ler eien sind amen on den rlenissen<br />

und den damals nicht einfachen Umständen in meiner Familie.<br />

Ich wurde wegen meines Verhaltens und meines Charakters oft<br />

emo und auseren<br />

lern rauchen nersun und die nerennun der<br />

esellschaf auch um eenuelle ehldianosen u ermeiden<br />

ch ann mi milio sehr mifhlen ie es ihm ereh enn er<br />

wegen des Autismus von Gleichaltrigen ausgestossen wird. Ich<br />

ersehe ie erleend all die omischen lice sind ch hae<br />

das auch erlebt.<br />

Auch die Familie Leupold hat mich sehr beindruckt. Ich wünsche<br />

allen Kindern mit Behinderung so starke Eltern.<br />

Der Redaktion gilt mein Dank für diese wertvolle Arbeit.<br />

«Solche Artikel sind wichtig, damit die<br />

Gesellschaft Verständnis entwickelt»<br />

(Dossier «Autismus», Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />

erne mche ich hnen mieilen ie u mir der riel er den<br />

neunhrien auisischen unen milio efallen ha er riel<br />

ist sehr ehrlich und emotional.<br />

ch hae iele ahre mi enschen mi ehinderun usammengearbeitet<br />

(in Deutschland) und habe auch einige Autisten<br />

ennenelern ch finde es ichi dass es mehr solche riel u<br />

lesen i dami sich in der esellschaf ein Versndnis dafr<br />

entwickelt.<br />

eier so<br />

Insa Nordhoff (per Mail)<br />

«Danke für Ihre super Arbeit,<br />

die Sie leisten»<br />

(Allgemein)<br />

esen an fr die efe um een und fr die ollen eriche<br />

die ie immer in hrem aain haen ch seler lese das ef<br />

auch immer und oiere mir um eil erne mal as um dies auch<br />

den lern orraen u nnen Von den lern hre ich<br />

eenfalls Posiies er hr aain das sie erne eneen<br />

nehmen und lesen.<br />

Auf jeden Fall wollte ich mich einfach einmal bedanken für Ihre<br />

suer rei die ie da leisen esen an<br />

Regina Borer, Kindergartenlehrperson (per Mail)<br />

Selina Mauch (per Mail)<br />

64 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


68 August <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Bild: iStockphoto<br />

uca findet Lesen doof.<br />

Wann immer es geht,<br />

drückt er sich davor.<br />

Auch das Schreiben fä lt<br />

ihm schwer. Er ve rutscht<br />

in den Zeilen, verdreht die Buchstaben<br />

und macht viele Rechtschreibfehler.<br />

Oft hat er Kopfschmerzen<br />

so sehr er sich auch anstrengt, die<br />

Buchstaben «hüpfen» ihm einfach<br />

vor den Augen davon. Hilfe be -<br />

kommt Luca erst, als bei ihm eine<br />

Winkelfehlsichtigkeit als Ursache<br />

seiner Probleme entdeckt wird.<br />

Winkelfehlsichtigkeit ist keine<br />

Fehlsichtigkeit oder Krankheit im<br />

eigentlichen Si ne. «Es handelt sich<br />

vielmehr um eine latente Abweichung<br />

der Augen im Ruhezustand<br />

aus der optimalen Position», erklärt<br />

Daniel Bruun, Augenarzt und<br />

wirkungen auf da simultane beidseitige<br />

Sehen haben.»<br />

Latentes Schielen<br />

Damit ein dreidimensionales Bild<br />

den Augen entstehen, vom Gehirn<br />

gang ne nt man in der Fachsprache<br />

Fusion. «Für eine optimale Fusion<br />

so lten die beiden Augen stets gleich<br />

ausgerichtet sein», wei s Br un. «Bei<br />

der überwiegenden Mehrheit finden<br />

Erziehung & Schule<br />

ste lung von Natur aus kleine Abweichungen<br />

nach innen oder au sen,<br />

seltener auch nach oben oder unten.»<br />

Diese Abweichung vom Idealzustand<br />

ne nt man Winkelfehlsichtigkeit.<br />

In der Augenmedizin spricht<br />

deshalb, weil die leichte Fehlste lung<br />

nur dann sichtbar wird, wenn sich<br />

das Auge im Ruhezustand befindet<br />

– beispielsweise bei Müdigkeit oder<br />

beim abgedeckten Auge», erklärt der<br />

Schielexperte. «Sobald die Augen ein<br />

Objekt foku sieren, justiert das<br />

Gehirn die Abweichung in Sekundenbruchteile<br />

nach, soda s die<br />

Augen wieder synchron geste lt werden.»<br />

Anders als ein echtes Schielen<br />

fä lt das latente Schielen im A ltag<br />

deshalb auch nicht auf.<br />

Rund 80 Prozent a ler Sehenden<br />

die ständige Zusatzarbeit, die Gehirn<br />

und Augenmuskulatur für die opti-<br />

Prozentsatz aber entwickelt Anstren-<br />

Lebensqualität haben können»,<br />

wei s Br un.<br />

Winkelfehlsichtigkeit ka n krank<br />

machen<br />

«Ein deutliches Zeichen für mögliche<br />

Probleme mit dem versteckten<br />

Schielen ist, we n Patienten immer<br />

wieder Do pelbilder sehen», sagt<br />

Augenexperte Daniel Br un. «Auch<br />

häufige Kopfschmerzen, die vor<br />

a lem abends auftreten, kö nen ein<br />

Hinweis darauf sein.» Bei Kindern<br />

zeigen sich zudem Symptome wie<br />

häufiges Stolpern, schlechte Orientierung<br />

im Raum, Probleme beim<br />

Verfolgen von bewegten Objekten<br />

wie Bä len. Aufgaben, die konzentrierte<br />

Augenarbeit erfordern wie<br />

Betroffene Schulkinder leiden oft an<br />

Konzentration schwierigkei-<br />

Symptome durch<br />

Winkelfehlsichtigkeit<br />

Zeitweiliges Do pelbildsehen<br />

• Kopfschmerzen vor a lem<br />

abends<br />

• Konzentrationsschwierigkeiten<br />

• Bei kleinen Kindern auch<br />

Bauchschmerzen<br />

• Stolpern, gegen Hinderni se<br />

laufen, Probleme beim<br />

Ba lfangen<br />

• Vermeidung von Basteln,<br />

Ausmalen, Au schneiden<br />

• Probleme beim Lesen:<br />

Zeilenspringen, stockendes<br />

Lesen, schne le Ermüdung<br />

• Probleme beim Schreiben:<br />

krakelige Schrift, Zeilen<br />

werden nicht gehalten,<br />

Buchstaben werden verdreht<br />

Was ist eine Prismenbri le?<br />

Die Gläser einer Prismenbrille<br />

sind prismatisch. Damit<br />

sehen sie aus wie zwei rund<br />

geschliffene Keile. In der<br />

Augenheilkunde werden<br />

Prismengläser bei bestimmten<br />

Schielerkrankungen eingesetzt,<br />

um Do pelbilder<br />

zusammenzuführen. Bei einer<br />

Winkelfehlsichtigkeit so len sie<br />

die geme sene Abweichung<br />

des Auges im Ruhezustand<br />

ausgleichen. Durch den Mehraufwand<br />

sind Prismenbrilen<br />

teurer als normale Bri len, und<br />

die Gläser sind schwerer.<br />

Monatsinterview<br />

Die in Innsbruck<br />

geborene<br />

Mariam<br />

IreneTazi-Preve<br />

ist Professorin<br />

in den USA.<br />

Frau Tazi-Preve, warum sind Mü ter oft<br />

müde?<br />

Sie sind müde vom Dauerspagat zwischen<br />

Job und Familie, Haushalt und<br />

den vielen Tausend anderen Dingen,<br />

um die sie sich kümmern. Doch das<br />

ist nicht ihre Schuld.<br />

We sen Schuld ist es da n?<br />

Die Schuld trägt unser Lebensmode<br />

l, die Kleinfamilie. Sie ist der<br />

Que l unseres Unglücks.<br />

Monatsinterview<br />

Kö nen Sie das erklären?<br />

Was ist daran falsch?<br />

permanent emotional selbst aufladen<br />

mu s. In diese isolierte Einheit, die<br />

die Politik gern die kleinste Ze le des<br />

St ates ne nt, spe rt man zwei Dinge<br />

zusammen und behauptet, das<br />

müsse so sein.<br />

Welche beiden Dinge?<br />

Erstens die lebenslange romantische<br />

Die ewige Liebe existiert nicht?<br />

gehen.<br />

Trotzdem sehnen wir uns a le nach<br />

romantischer Zweisamkeit.<br />

Das mu s uns nicht verwundern.<br />

Uns wird ununterbrochen su geriert,<br />

da s die romantische, legitimierte<br />

Liebe, die ein Leben lang hält,<br />

die anzustrebende Norm sei. Und<br />

dass jene, die daran scheiterten, selber<br />

schuld seien. Die Ironie dabe ist:<br />

Die romantische Id e von der Ehe<br />

ist historisch erst spät aufgekommen.<br />

Schon die Römer, die das juristische<br />

Fundament für die Ehe- und Familiengesetze<br />

legten, haben sich über-<br />

Beziehung und zweitens das sichere<br />

Aufziehen von Kindern. Nun gibt es >>><br />

haupt keine I lusionen darüber<br />

gemacht, wa sie für die Men-<br />

«Meistens reicht die Verordnung<br />

einer Entlastungsbrille»<br />

Mama, die Buchstaben<br />

enn Kinder hufig über Kofschmerzen klagen, schlecht lesen und krakelig schreiben,<br />

unkonzentriert und motorisch unsicher sind, wird dies nicht selten auf eine eseechtschreib<br />

Schwche oder gar AS zurückgeführt ie rsache knnte aber auch in einem latenten<br />

Schielen, umgang srachlich einer Winkelfehlsichtigkeit, liegen Text: Anja Lang<br />

L<br />

und ist müde. «Mu st halt flei siger<br />

üben», kriegt er oft zu hören. Doch<br />

Augenchirurg aus Kreuzlingen TG.<br />

«Diese Abweichung ka n aber Aus-<br />

entsteht, müssen die zwei Einzelbilder,<br />

die auf den Netzhäuten der bei-<br />

zu einem einzigen räumlichen Bild<br />

verschmolzen werden. Diesen Vor-<br />

man auch von Heterophorie oder<br />

verstecktem Schielen. «Versteckt<br />

haben eine Winkelfehlsichtigkeit.<br />

Die meisten Menschen verkraften<br />

male Fusion leisten mü sen, ohne<br />

grö sere Probleme. «Ein gewi ser<br />

gungsbeschwerden, die mitunter<br />

ma sive Auswirkungen auf die<br />

Basteln, Ausmalen oder Au schneiden,<br />

werden konsequent gemieden.<br />

sich aber in der entspa nten Augen- >>><br />

80 Prozent a ler Menschen<br />

haben ein sogenanntes<br />

verstecktes Schielen, auch<br />

Winkelfehlsichtigkeit genannt.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi August <strong>2017</strong> 69<br />

« Ich will den Müttern das<br />

schlechte Gewissen nehmen»<br />

Das heutige Mu terbild treibt die Frauen in die Erschöpfung, sagt die<br />

österreichische Politikwi senschaftlerin Mariam Irene Tazi-Preve. Schuld sei das<br />

vermeintliche Ideal der Kleinfamilie. Text: Claudia Landolt Bilder: Martin Mischkulnig / 13 Photo<br />

Grosse Ehrfurcht. Ich tre fe Mariam<br />

Irene Tazi-Preve, die Re terin der<br />

(«Winkelfehlsichtigkeit», Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />

Frauen. Die österreichische<br />

Politikwi senschaftlerin, die als Erste<br />

die Vereinbarkeitslüge publik<br />

gemacht hat, sitzt im Café Sacher in<br />

I nsbruck, ihrer Geburtsstadt. Lüster<br />

glitzern, das Holz ist poliert, die<br />

Se se laden in rotem Plüsch. An den<br />

Wänden Bilder aus der kaiserlich-<br />

königlichen Zeit Öste reichs. Die<br />

Männer tragen Kaiser-Wilhelm-<br />

Schnäuze, die Frauen rauschende<br />

Roben. Eine Kuli se, die be ser nicht<br />

pa sen kö nte zu Mariam Irene<br />

Tazi-Preve, einer Frau, welche die<br />

Lebensumstände von Mü tern und<br />

Vätern erforscht. Ein Gespräch mit<br />

vielen Do pelmo kas und zwei Stück<br />

Sachertorte.<br />

Die Kleinfamilie ist falsch aufgesetzt.<br />

Familie ist ein weiterer Begriff, er<br />

umfa st Geschwister, Onkel, Tanten.<br />

Doch in der Politik, den Medien, der<br />

Gese lschaft ist stets von der Kleinfamilie<br />

die Rede.<br />

Die Kleinfamilie ist ein winzig kleines,<br />

sehr fragiles Konstrukt, da sich<br />

«Die Kleinfamilie<br />

mus sich immer<br />

wieder emotional<br />

selbst aufladen.»<br />

die lebenslange romantische Zweierbeziehung<br />

nur in Ausnahmefä len.<br />

Su geriert wird aber, sie sei die Normalität.<br />

Nein. Die Statistik zeigt es ja. Die<br />

Hälfte a ler Ehen wird geschieden.<br />

Die P are, die im Konkubinat leben<br />

und sich tre nen, werden statistisch<br />

gar nicht erfa st. Trennungen und<br />

Scheidungen aber werde noch<br />

immer moralisch sanktioniert. Die<br />

Politik spricht von einem Verfa l der<br />

Werte. Oder man beschuldigt die<br />

Frau, die sich anma st, arbeiten zu<br />

32 August <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi August <strong>2017</strong> 3<br />

Winkelfehlsichtigkeit ist keine Diagnose im medizinischen Sinne,<br />

hier müssten wir korrekt von einer Heterophorie sprechen. Jedes<br />

Kind und jeder Erwachsene mit unklaren Sehstörungen muss von<br />

einer geeigneten Fachperson beurteilt werden, in diesem Fall den<br />

Orthoptistinnen und Orthoptisten. Die Heterophorie ist eine<br />

Ausschlussdiagnose, es gilt abzuklären, was die Sehstörungen<br />

verursacht. Meistens reicht bei unauffälligem Befund die<br />

Verordnung einer Entlastungsbrille ohne Prismen.<br />

Christina (auf www.fritzundfraenzi.ch)<br />

«Der Augenarzt hatte das Problem<br />

nicht erkannt»<br />

(«Winkelfehlsichtigkeit», Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />

Bei mir hat sich das Problem erst im mittleren Alter gezeigt, als ich<br />

abends immer ein Auge zudecken oder zudrücken musste, wenn<br />

ich lesen wollte. Mit beiden Augen konnte ich nicht mehr scharf<br />

fokussieren. Hinzu kamen Kopfschmerzen und ein ständig leicht<br />

verkniffenes Gesicht. Der Augenarzt, den ich als Erstes aufsuchte,<br />

hatte das Problem nicht erkannt. Erst als ich zwei Jahre später den<br />

Optiker aufsuchte, wurde die Sache klar.<br />

Caroline (auf www.fritzundfraenzi.ch)<br />

«Hier werde ich nie auf die Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie angesprochen»<br />

(Monatsinterview mit Mariam Irene Tazi-Preve, Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />

Herzlichen Dank für diesen wichtigen, glasklaren Artikel. So fundiert und<br />

deutlich spricht selten jemand zu uns Eltern. Ein richtiger Augenöffner, für<br />

Mütter und Väter (hätte gerne etwas mehr über die Väter gehört). Ich<br />

würde gerne wissen, ob das Thema der Vereinbarkeit(slüge) auch<br />

ausserhalb des deutschsprachigen Raums so stark thematisiert wird. Ich<br />

arbeite (<strong>10</strong>0 Prozent und mehr, leitende Funktion, internationale<br />

Tätigkeit) im Ausland, postsowjetischer Kontext, bin Mutter eines kleinen<br />

Kindes, habe einen erwerbstätigen Partner und werde hier NIE auf die<br />

Vereinbarkeit angesprochen (muss auch keine Fragen zu irgendwelchen<br />

Hüten beantworten – Gott sei Dank!). Zu Hause in der Schweiz aber<br />

ständig. Warum ist das so? Warum ist es schon in Frankreich kaum ein<br />

Thema? Ist diese Kleinfamilie als allselig machendes Konzept nur bei uns<br />

verbreitet?<br />

Simonetta (auf www.fritzundfraenzi.ch)<br />

>>><br />

Praktische Ausbildung<br />

Kleinkinderbetreuung<br />

Infos unter www.ibk-berufsbildung.ch


und Pädagogin mit Herzblut.<br />

Wünsche sind?<br />

enn Sie diese<br />

Zeilen lesen,<br />

haben meine<br />

neuen Erstkla<br />

skinder die<br />

Mikael Krogerus<br />

ist Autor und Journalist.<br />

Der Finne ist Vater einer Tochter<br />

und eines Sohnes, lebt in Biel<br />

und schreibt regelmässig für<br />

das Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi und andere<br />

Schweizer Medien.<br />

Kindern):<br />

ausgewogen ernährt.<br />

ha te als ich.<br />

Kolumne<br />

Auto zur Schule zu fahren.<br />

Unterstützen Sie Ihr Kind dabei,<br />

Dinge selbst zu tun<br />

hat und ob es die Aufgaben erledigt<br />

hat.<br />

Setzen Sie Regeln und Grenzen<br />

akzeptieren.<br />

Schulerfolg bei.<br />

Suchen Sie das Gespräch<br />

Ihres Kindes.<br />

bauberufe.ch/ste len<br />

bewerben!<br />

Ende nichts hängen bleibe.<br />

Freiheiten la sen als bisher angenommen.<br />

nicht konzentrieren!<br />

Forschung eindrücklich.<br />

ie sieht «richtiges<br />

Lernen»<br />

aus? Dazu gibt<br />

es eine Menge<br />

Vorste lungen<br />

möglichst reizarm sein so l. Neuere<br />

Studien deuten jedoch darauf hin,<br />

hören waren.<br />

einen ist si eine Lernhilfe, für den<br />

anderen eine Belastung und Ablenkung.<br />

gierten Müttern und Vätern pilgern<br />

mit dem Nachwuchs in die Büroabteilungen,<br />

um ergonomisch geformte<br />

Schreibtischstühle, höhenverste l-<br />

Arbeitsstimmung versetzt.<br />

begi nen zu gähnen.<br />

dem Lernen zu verknüpfen.<br />

Leserbriefe<br />

« Was soll ich machen,<br />

wenn ich traurig bin?»<br />

W<br />

a soll ich machen, we n ich traurig bin?» Die Frage kam<br />

etwas unvermi telt, aber meine Tochter ha te sie geste lt,<br />

und nun schaute sie mich fragend an. In ihrem Gesicht<br />

konnte ich nicht eindeutig erke nen, ob e sich um eine<br />

klinische Depre sion handelte, einen frühen Liebeskummer<br />

oder einfach um jene bodenlose Traurigkeit, die uns Menschen in den<br />

merkwürdigsten Momenten anfällt wie ein böser Hund. Ich schluckte. Zu dem<br />

Schock, dass es meinem Kind schlecht gehen kö nte, gese lte sich schleichend<br />

Lernmythen auf dem Prüfstand<br />

Es gibt viele Vorste lungen und Ratschläge darüber, wie Kinder «richtig» lernen. Dabei zeigt die<br />

jüngste Forschung, da s wir unseren Kindern deutlich mehr Freiheiten la sen können als<br />

empfinden. Gerade bei leicht<br />

ablenkbaren Kindern wird oft empfohlen,<br />

da s die Lernumgebung<br />

Erziehung & Schule<br />

Ein Kinderzimmer ist mit<br />

«Nach der Lektüre fühle ich<br />

mich nicht mehr traurig»<br />

(Kolumne von Mikael Krogerus: «Papa, was<br />

mache ich, wenn ich traurig bin?», Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />

I lustration: Petra Dufkova / Die I lustratoren<br />

die ungute Einsicht, da s ich, im fortgeschri tenen Alter von 40 Jahren, noch<br />

immer nicht wei s, was Traurigkeit lindert.<br />

Vor vielen Jahren hatte ich der öste reichischen Schriftste lerin Friederike<br />

Mayröcker die gleiche Frage gestellt. Sie war damals tief in der Trauerarbeit<br />

um ihren verstorbenen Lebenspartner Paul Jandl versunken und ha te mit<br />

«Und ich schüttelte einen Liebling» so etwas wie eine persönliche Eri nerung,<br />

einen Nachruf auf Jandl verfa st. Das Buch war ihr Versuch, das Unsagbare<br />

in Worte zu kleiden und ihm so den Schrecken zu nehmen. Ich sa s damals in<br />

einem Wiener Kaff ehaus der alten, gebückten Dame gegenüber und fragte sie:<br />

«Was lindert die Trauer?»<br />

Sie überlegte lange, und da n sagte sie: «Gehen. Seh rasch und viel gehen.<br />

Das ist gut, wenn man einen gro sen Schmerz hat. So ka n man den überbrücken.»<br />

Ich verstand auf Anhieb. Auch mir hat Gehen in so manch dunkler Stunde<br />

geholfen. Paradoxerweise endet beim Gehen das Grübeln und begi nt das<br />

Denken. Und we richtig weit läuft, bei dem hört beides auf. Besonders<br />

gut geht e sich übrigens in Gro sstädten, denn wie viel Kümmerni se du<br />

auch mit dir herumträgst, so genügen doch oft nur wenige Schri te, um auf<br />

jemanden zu sto sen, der im Spiel des Lebens noch schlechtere Karten gezogen<br />

hat als du.<br />

Gleichzeitig ist das kein Ratschlag für eine Zehnjährige. Also fragte ich sie:<br />

«Was machst du, we n du traurig bist?»<br />

Sie dachte kurz nach, da n sagte sie: «Ich weine. Da n gehe ich zu dir oder<br />

zu Mamma. Und dann mache ich etwas, was mir Spa s macht.»<br />

Sie schaute mich an und schaute da n auf ihre Uhr: Es war 14 Uhr, sie<br />

mu ste zum Zirkus. Also sprang sie auf, kü ste mich und ra nte zur Tür<br />

hinaus.<br />

Ich schaute ihr aus dem Fenster hinterher und ha te ihre Worte im Kopf:<br />

Gefühle zula sen; Leute suchen, bei denen du dich aufgehoben fühlst; Dinge<br />

tun, die dir etwas bedeuten. Das waren ziemlich gute Ratschläge. Plötzlich<br />

drehte sie sich um und winkte mir. Ich winkte zurück und dachte bei mir, da s<br />

sie für eines der gro sen Rätsel des Lebens deutlich weniger Zeit gebraucht<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi August <strong>2017</strong> 67<br />

Vielen herzlichen Dank für diesen wunderschönen Artikel.<br />

Kurz und gut. Nach der Lektüre fühle ich mich momentan<br />

nicht mehr traurig, sondern nur noch leicht sentimental,<br />

mi dem nu eines chelns auf dem esich<br />

Irma (auf www.fritzundfraenzi.ch)<br />

«Wenn sie könnten,<br />

würden gewisse Eltern<br />

ihre Kinder in die<br />

Schule hinein fahren»<br />

Erziehung & Schule<br />

Die Wünsche einer Lehrerin an<br />

die Eltern ihrer Erstklasskinder<br />

Unsere Autorin hat nach den Sommerferien eine erste Kla se übernommen. Als Lehrerin mit fast<br />

30 Jahren Erfahrung hat sie klare Erwartungen an die Eltern ihrer Erstkla skinder. Diese gelten im<br />

Grundsatz für die Eltern aller Kinder, bis hin zur Oberstufe. Eine Wunschliste! Text: Marion Heidelberger<br />

«Schulerfolg hat viel<br />

mit der Kooperation<br />

zwischen Elternhaus<br />

und Schule zu tun.»<br />

Marion Heidelberger ist<br />

Vizepräsidentin des Dachverbands<br />

Lehreri nen und Lehrer Schweiz (LCH)<br />

W<br />

erste Schulwoche schon hinter sich.<br />

Ich habe mich sehr auf die Buben<br />

und Mädchen mit ihren viel zu grossen<br />

Theks am Rücken gefreut.<br />

Ob ich a len gerecht werden<br />

kann? Ob mein Unte richt für a le<br />

pa st? Ob mich die Schülerinnen<br />

und Schüler mögen? Ob ich mit<br />

a len Eltern klarkomme? Wie wohl<br />

die einzelnen Erwartungen und<br />

(«Eine Lehrerin schreibt ihre Wunschliste<br />

an Eltern von Erstklässlern», Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />

Für mich ist auch nach fast 30<br />

Berufsjahren die Übernahm einer<br />

neuen Kla se ein Abenteuer geblieben.<br />

So wie Kinder und vor a lem<br />

Eltern Wünsche an mich haben, so<br />

habe ich einige an sie. Schulerfolg<br />

hat sehr viel mit der K operation<br />

zwischen Elternhaus und Schule zu<br />

tun. Ein Am-gleichen-Strick-Ziehen<br />

bietet die Grundlage, da s das Kind<br />

sich in der Schule wohl fühlt und<br />

sein ganzes Potenzial entfalten ka n.<br />

Meine Wunschliste an die Eltern<br />

meiner neuen Erstkla skinder (die<br />

Wünsche gelten aber – leicht angepa<br />

st – auch für Eltern von älteren<br />

Sorgen Sie für genügend Schlaf des<br />

Kindes<br />

• Genügend Schlaf erhöht die Leistungsfähigkeit.<br />

• Ihr Kind so lte auf jegliche Bildschirmnutzung<br />

ab 90 Minuten vor<br />

dem Zubettgehen verzichten.<br />

Achten Sie auf eine ausgewogene<br />

Ernährung<br />

• Mit l erem Bauch lernt e sich<br />

schlecht. Achten Sie darauf, da s<br />

Ihr Kind sich am Morgen und<br />

währen des Tages gesund und<br />

La sen Sie Ihr Kind den Schulweg<br />

alleine gehen<br />

• Sorgen Sie dafür, da s Ihr Kind<br />

jeweils früh genug aus dem Haus<br />

kommt. Auf dem Schulweg passieren<br />

die wirklich wichtigen Din-<br />

ge. Nirgends können Freundschaften<br />

be ser gepflegt werden.<br />

Zudem verhindern Sie, da s Ihr<br />

Kind rennen mu s und so den<br />

Verkehr zu wenig beachtet.<br />

• Seien Sie Vorbild, das ist die beste<br />

Verkehrserziehung.<br />

• Kinder lieben Schnee und Regen,<br />

es ist auch an garstigen Tagen<br />

nicht nötig, Ihr Kind mit dem<br />

• Das ist der wichtigste Grundsatz<br />

überhaupt. Nicht Sie packen<br />

Ihrem Kin den Turnsack und<br />

räumen ihm sein Zimmer auf –<br />

da soll es selbst erledigen.<br />

• Machen Si einen Ämtliplan für<br />

einfache Arbeiten zu Hause (Tisch<br />

decken oder abräumen, Haustier<br />

fü tern, Blumen gie sen, Zimmer<br />

aufräumen). So trainieren Sie mit<br />

Ihrem Kind jeden Tag Selbständigkeit,<br />

Pflichtbewu stsein und<br />

Eigenverantwortung, drei wichtige<br />

Faktoren für Schulerfolg.<br />

• Übernehmen Sie nicht die Hausaufgaben<br />

für Ihr Kind! Sie so lten<br />

Sie auch nicht ko rigieren, das ist<br />

mein Job. Aber Sie dürfen Ihr<br />

Kind ruhig fragen, was es zu tun<br />

• Lehren Sie Ihr Kind, Regeln zu<br />

respektieren. Kinder brauchen<br />

Grenzen und Leitlinien. Am bes-<br />

54 August <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

ten geht das, wenn es auch zu<br />

Hause ein p ar Regeln gibt. Lieber<br />

nicht zu viele, dafür werden die<br />

wenigen konsequent durchgesetzt.<br />

So helfen Sie Ihrem Kind,<br />

sich in einer Gru pe zu integrieren.<br />

• Eine gute Sozialkompetenz ist<br />

eine Eigenschaft, die auch in einer<br />

Berufslehr einen hohen Ste lenwert<br />

hat. Je früher ein Kind dies<br />

lernt, desto einfacher ist es. Dazu<br />

gehört auch, Sanktionen für das<br />

Nichtbefolgen von Regeln zu<br />

Zeigen Sie Intere se an der Schule<br />

• Fragen Sie bei Ihrem Kind nach,<br />

was es beschäftigt, was es in der<br />

Schule erlebt hat und was es gerade<br />

lernt.<br />

• Durch aktives Zuhören zeigen Sie<br />

Ihrem Kind, da s für Sie Schule<br />

MACHE KARRIERE<br />

AUF DEM BAU!<br />

wichtig ist. Bei diesem Nachfragen<br />

werden Sie auch merken,<br />

wenn etwas nicht in Ordnung ist<br />

oder es Konflikte gibt.<br />

Vertrauen Sie auf Ihre Fähigkeiten<br />

und die Ihres Kindes<br />

• Haben Si eine positive Haltung<br />

der Schule und der Lehrperson<br />

gegenüber. Denn a le haben ein<br />

gemeinsames Ziel: das Beste für<br />

Ihr Kind.<br />

• Vertrauen Sie auf Ihre Erziehung<br />

und die Fähigkeiten Ihres Kindes.<br />

Das macht Ihr Kind stark. So<br />

unterstützen Sie Ihr Kind am besten<br />

und tragen damit viel zum<br />

• Zögern Sie nicht, die Lehrperson<br />

zu informieren, wenn sich zu<br />

Hause Veränderungen ergeben<br />

(Erwerbslosigkeit, Tre nung, Ge -<br />

burt eines Geschwisters, Krank-<br />

Vertrauen Sie auf Ihre<br />

Erziehung und die<br />

Fähigkeiten Ihres Kindes.<br />

heit, Todesfa l, Umzug, ein neues<br />

Haustier).<br />

• Fragen Sie unbedingt nach, we n<br />

Sie etwas nicht verstehen oder Sie<br />

das Gefühl haben, Ihr Kind fühle<br />

sich nicht wohl. Da n ka n man<br />

gemeinsam eine Lösung suchen.<br />

Oft genug sind es Mi sverständni<br />

se, die schne l geklärt werden<br />

kö nen.<br />

• Eine gute Gesprächskultur zwischen<br />

Schule und Elternhaus ist<br />

das A und O des Schulerfolges<br />

BIST DU AUF DER SUCHE<br />

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Mit nur wenigen Klicks kannst du auf<br />

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digitalen Lebenslauf erste len und dich<br />

direkt auf eine spannende Lehrste le<br />

bisher angenommen. Eine Bestandsaufnahme. Text: Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund<br />

W<br />

und Ratschläge, die seit Jahrzehnten<br />

weitergegeben werden. Lernt ein<br />

Kind oder Jugendlicher auf eine<br />

andere Art und Weise, wird er rasch<br />

dazu aufgefordert, sich beispielsweise<br />

«ordentlic hinzusetzen und<br />

nicht herumzuhampeln». Es wird<br />

ihm erklärt, dass man sich so «doch<br />

nicht konzentrieren kann» und er<br />

sich nicht wundern mü se, we n am<br />

Doch dürfen wir den gängigen<br />

Lernratgebern trauen, wenn sie<br />

einen festen Arbeitsplatz und Ruhe<br />

verordnen und betonen, da s das<br />

Kin die Hausaufgaben in einer<br />

ordentlichen Arbeitshaltung a leine<br />

in seinem Zimmer machen so l?<br />

Die Forschung zeigt: Wir dürfen<br />

den Kindern und Jugendlichen<br />

guten Gewi sens deutlich mehr<br />

Mythos 1: Mach die Musik<br />

aus! So kannst du dich doch<br />

Dieser Ratschlag ist für viele Menschen<br />

hilfreich. Vor a lem introvertierten<br />

Personen gelingt es besonders<br />

gut, sich zu foku sieren, we n sie in<br />

Ruhe arbeiten kö nen – das zeigt die<br />

Es gibt jedoch auch Menschen,<br />

die das Arbeiten bei Sti le als Qual<br />

42 August <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Bild: Salvatore Vinci /13 Photo<br />

da s dies kontraproduktiv ist. Die<br />

Sti le führt bei unaufmerksamen<br />

Kindern dazu, da s sie innerlich<br />

unruhig werden und unbewu st<br />

nach Ablenkung suchen. In Studien<br />

machten diese Kinder beim Lösen<br />

von Mathematikaufgaben weniger<br />

Fehler, we n sie dazu Musik hören<br />

durften. Sie ko nten sich bei einem<br />

Gedächtnistest auch an mehr erinnern,<br />

we n während der Lernphase<br />

moderate Hintergrundgeräusche zu<br />

Viele Jugendliche berichten zu -<br />

dem, da sie die richtige Musik in<br />

die nötige Stimmung versetze, um<br />

auch unliebsamen Aufgaben zu Leibe<br />

zu rücken. Neben der Konzentration<br />

kann also auch die Motivation<br />

durch die pa sende Musik<br />

gefördert werden.<br />

We n Ihr Kind mit Musik arbeiten<br />

möchte, empfehlen wir Folgendes:<br />

Erste len Sie gemeinsam eine<br />

Playlist mit Liedern, die sich zum<br />

Lernen eignen (ehe ruhige Stücke<br />

ohne Text). Das Drücken der Playtaste<br />

kann von diesem Moment an<br />

zum Startsignal werden und dem<br />

Kind helfen, anzufangen und in die<br />

Arbeit einzutauchen.<br />

Was jedoch stört, sind Geräusche,<br />

die zum Hinhören und Mitmachen<br />

einladen – beispielsweise der<br />

Ton eine spa nenden Films, der im<br />

Hintergrund läuft, eine Radioansage<br />

oder Gespräche von anderen.<br />

Zum Thema Musik gilt also: ausprobieren!<br />

Wir Menschen reagieren<br />

unterschiedlich darauf. Für den<br />

Mythos 2: Kinder benötigen<br />

einen fixen Arbeitsplatz!<br />

Wenn der Schuleintri t bevorsteht,<br />

haben die Möbelhäuser einmal mehr<br />

bare Pulte und augenfreundliche<br />

Leselampen auf Herz und Nieren zu<br />

prüfen. Kurze Zeit später ist der optimale<br />

Arbeitsplatz im Kinderzimmer<br />

eingerichtet. So weit, so gut. Vieles<br />

spricht dafür, die Hausaufgaben stets<br />

im Kinderzimmer zu erledigen: das<br />

Kind ka n sich zurückziehen, wird<br />

nicht von den Geschwistern bei der<br />

Arbeit unterbrochen und so lte nach<br />

und nach lernen, selbständig zu<br />

arbeiten.<br />

Für einen fixen Arbeitsort scheinen<br />

auch Konditionierungseffekte<br />

zu sprechen: Wird immer am gleichen<br />

Ort gearbeitet, verbindet das<br />

Gehirn diesen Ort nach und nach<br />

mit dieser Tätigkeit. Das ka n sehr<br />

nützlich sein: Sobald Sie sich ins<br />

Büro setzen un den Computer<br />

hochfahren, fühlen Sie sich in<br />

Zudem zeigen Studien aus der<br />

Gedächtnisforschung, da s man sich<br />

be ser an Inhalt erinnert, wenn<br />

man diese mehrmals am gleichen<br />

Ort lernt und dort abruft. Zu diesem<br />

Thema wurden einige intere sante<br />

Experimente durchgeführt. So<br />

ko nten beispielsweise Taucher, die<br />

sich unter Wa ser Listen mit Wörtern<br />

eingeprägt ha ten, diese unter<br />

Wa ser be ser eri nern als an Land<br />

und umgekehrt. Diese Wirkung der<br />

Umgebung auf die Lern- und Abrufleistung<br />

wird als kontextabhängiges<br />

Eri nern bezeichnet.<br />

Genau diese beiden Effekte können<br />

aber auch zur Fa le werden. Der<br />

Mechanismus des kontextabhängigen<br />

Erinnern spricht nicht unbedingt<br />

dafür, immer am gleichen Ort<br />

zu lernen. Prägt man sich den Stoff<br />

immer in derselben Umgebung ein,<br />

ka n man sich dort zwar be ser an<br />

Hochkonjunktur. Scharen an enga- >>><br />

das Gelernte erinnern – dafür wird<br />

es an a len anderen Orten schwieriger.<br />

We n man also nicht die Chance<br />

hat, genau dort zu lernen, wo<br />

auch geprüft wird, kann man sich<br />

Freizeitstimmung assoz iert.<br />

Es ist ein denkbar schlechter<br />

Ort zum Lernen.<br />

stärker auf Wi sen verla sen, das<br />

man an unterschiedlichen Orten<br />

gelernt hat.<br />

Ähnlich verhält e sich mit Konditionierungse<br />

fekten: Macht ein<br />

Kind regelmä sig sehr positive<br />

Erfahrungen beim Lernen, hilft ihm<br />

ein fixer Arbeitsort, in seine Arbeitsstimmung<br />

zu kommen. Bei vielen<br />

Kindern, die das Lernen eher mit<br />

Frust und Mühsal verbinden, passiert<br />

genau das Gegenteil. Kaum<br />

sitzen sie auf ihrem Bürostuhl am<br />

Pult, kann man zusehen, wie sie<br />

i nerlich abschalten und körperlich<br />

erschlaffen. Das Gesicht schläft ein,<br />

der Blutdruck sinkt ab und sie<br />

In diesem Fa l kann ein Ortswechsel<br />

einen Neustart mit sich<br />

bringen und dem Kind dabei helfen,<br />

neue, positivere Erfahrungen mit<br />

Konditionierungseffekte machen<br />

auch das eigene Zimmer für viele<br />

Kinder und Jugendliche zum un -<br />

günstigsten Lernort überhaupt.<br />

Denn was tut das Kind normalerweise<br />

in seinem Schlafzimmer?<br />

Spielen! Dieser Ort ist demnach mit<br />

Freizeitstimmung a soz iert. Kaum<br />

ro lt Ihr Kind mit dem ergonomisch<br />

geformten Stuhl an den höhenverste<br />

lbaren Tisch, fa len ihm die<br />

spannenden Spielsachen ins Auge.<br />

Die Sehnsucht, aufzustehen und sich<br />

damit zu beschäftigen, wächst.<br />

Nun benötigt das Kind eine grosse<br />

Portion Selbstdisziplin, um seine<br />

Aufmerksamkeit weiterhin auf die<br />

Aufgaben zu lenken. E sagt sich<br />

vie leicht: «Eigentlich wür-<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi August <strong>2017</strong> 43<br />

«Ich habe es meinen Kindern überlassen,<br />

wie und wo sie die Hausaufgaben machen»<br />

(«Lernmythen auf dem Prüfstand», Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />

«Musik aus und setz dich an den Tisch!» Standardspruch meiner<br />

Mutter, denn ich liebte es, meine Hausaufgaben liegend auf dem<br />

Fussboden zu machen – bei … Musik! Denn sie war meine freiwillig<br />

ehle eruschulisse er das alles durfe nich sein eil<br />

«man» das so nicht macht! Auch das habe ich überlebt und vor<br />

allem daraus gelernt. Ich habe es meinen Kindern überlassen, wie<br />

und wo sie ihre Hausaufgaben machen. Denn alles ist erlaubt, was<br />

glücklich macht und hilft, Lernerfolge zu erzielen. Wir sind nun mal<br />

alle Individuen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, und die sollten<br />

auch bei Kindern berücksichtigt werden.<br />

Ingrid (auf Facebook)<br />

Unsere Kinder meistern ihren Schulweg schon seit dem<br />

Kindergarten selber. Wir wohnen etwas ausserhalb (3 km<br />

mit dem Velo), am Anfang haben eine Kollegin und ich uns<br />

abgewechselt und sind immer ein Stückchen mit. Bis heute<br />

(1. und 3. Klasse) machen es beide super. Auch bei uns<br />

sehen wir viele, die die Kids mit dem Auto bis fast vor die<br />

chulre chauffieren enn sie nnen rden sie sie<br />

ermulich ins eude hinein fahren die ehrer mussen<br />

schon einmal einen eel an die inansr hnen auf<br />

dem stand, dass die Eltern die Kinder doch bitte wenigstens<br />

die letzten paar Meter alleine gehen lassen sollen. Der<br />

Schulweg ist doch so wichtig: Die Kinder lernen, Verantwortung<br />

zu tragen (Pünktlichkeit), streiten auch manchmal und<br />

lernen, sich wieder zu versöhnen, und nehmen die Natur<br />

wahr (Vögel, Füchse, Schnecken …). Die Verantwortung,<br />

wenn etwas passiert, werden dann wohl wir als Eltern<br />

übernehmen. Aber es kann auch etwas vor dem Schulzimmer<br />

passieren. Zum Beispiel, dass sie von einem Auto<br />

anderer Eltern erfasst werden (ist alles schon passiert!).<br />

Und dass man mit dem Velo mal einen Sturz hat oder die<br />

ee rausfll olche ine assieren und machen die<br />

inder meiner einun nach nur selsndier<br />

Petra (auf Facebook)<br />

«Meine Söhne fanden<br />

Adi & Jess cool»<br />

(«Lernmythen auf dem Prüfstand», Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />

Kompliment für Ihre neue Serie Adi & Jess! Habe sie meinen<br />

Söhnen auch gezeigt und sie fanden es cool. Ich warte gespannt<br />

auf die weiteren Episoden. Danke.<br />

Sandy (auf www.fritzundfraenzi.ch)<br />

Schreiben Sie uns!<br />

Ihre Meinung ist uns wichtig! Was machen wir gut?<br />

Was könnten wir besser machen? Lassen Sie es uns<br />

wissen! Sie erreichen uns über: leserbriefe@fritzundfraenzi.ch<br />

oder edaion rirni ufoursrasse rich<br />

Und natürlich auch über Twitter: @fritzundfraenzi oder<br />

Facebook: www.facebook.com/fritzundfraenzi.<br />

runen ehl sich die edaion or<br />

66 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Stiftung Elternsein<br />

Herbst ist Erntezeit<br />

Ellen Ringier über das Loslassen.<br />

Bild: Maurice Haas / 13 Photo<br />

Dr. Ellen Ringier präsidiert<br />

die Stiftung Elternsein.<br />

Sie ist Mutter zweier Töchter.<br />

Zwei Monate sind seit meiner Rückkehr<br />

aus den Ferien vergangen. Es war das<br />

erste Mal, dass wir alle – und damit meine<br />

ich beide Töchter, deren Partner und<br />

die beiden Enkel, meine beiden Schwestern,<br />

meinen Schwager mit Nichte und<br />

Neffe, zwei Hunde, meinen Mann und<br />

ich – gemeinsam in die Ferien gefahren<br />

sind!<br />

Ein wenig kam ich mir vor wie die legendäre Rose<br />

Kennedy. Sie war die Mutter des 35. Präsidenten der<br />

USA, John F. Kennedy, des ehemaligen Justizministers<br />

Robert F. Kennedy und des US-Senators Edward Kennedy.<br />

Rose Kennedy hat neun Kindern das Leben<br />

geschenkt! Sie war «berühmt-berüchtigt» dafür, dass<br />

sie jeweils die gesamte Familie in den Sommerferien<br />

in ihr legendäres Sommerhaus in Hyannis Port<br />

be orderte.<br />

Nun, ich habe niemanden beordert, nur allen nahegelegt,<br />

dass es schön wäre, sich am französischen<br />

Strand des Atlantiks zusammenzufinden.<br />

Und: Es war schön, sehr sogar!<br />

Zwischendurch gesellten sich noch zwei Freunde<br />

des Partners meiner älteren Tochter dazu, sie halfen<br />

zusammen mit meinen jungen Erwachsenen und<br />

denen meiner Schwester nach Kräften mit, ein<br />

Geburtstagsfest, mehrere Strandpartys und Grillabende<br />

zu organisieren.<br />

Mein Mann und ich schauten dem fröhlichen Treiben<br />

mit grosser Freude zu, staunend, wie viel Energie<br />

die junge Truppe an den Tag legte. Eine neue Empfindung<br />

machte sich Platz: Gelassenheit.<br />

Es ist vielleicht das erste Mal, dass ich mir bewusst<br />

wurde, wie viel Energie mir im Laufe meines 65-jährigen<br />

Lebens schon abhandengekommen ist. Zum ersten<br />

Mal wurde mir auch bewusst, was es heisst, langsam<br />

loslassen zu müssen.<br />

Bis zu diesem Sommer waren alle anderen, meine<br />

92-jährige Mutter, auch meine gleichaltrigen Freunde,<br />

mehr oder wenig offensichtlich älter geworden. Nur<br />

ich nicht!<br />

Und dann starb, drei Tage nach unserer Rückkehr, aus<br />

heiterem Himmel unser bester Freund, der uns die<br />

letzten 30 Jahre begleitet hatte, von dessen Energie<br />

und beneidenswerter Vitalität wir so unglaublich viel<br />

profitiert hatten. Herzversagen.<br />

Nun will ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser,<br />

selbstverständlich keinen Nachruf zumuten! Vielmehr<br />

liegt mir daran, Ihnen etwas mitzugeben, das ich gerne<br />

schon früher erfahren hätte. Vermutlich hätte ich<br />

mir viele Narben auf der Seele ersparen können.<br />

Ich lebte nach dem Motto «Vertrauen ist gut, Kontrolle<br />

ist besser», und meine Töchter haben mich wohl<br />

als Kontrollfreak erlebt.<br />

Meine Gedanken kreisen seit diesem unvergesslichen<br />

Sommer um das Thema des Loslassens. Es wird<br />

in jedem Leben einmal Herbst. Herbst ist Erntezeit.<br />

Ich empfinde den Frieden, die Freude und Fröhlichkeit<br />

meiner Familie in diesem Sommer gewissermassen<br />

als «Ernte». Die vielen Jahre der Sorgen um unsere<br />

Kinder sind nun der Gewissheit gewichen, dass<br />

diese ihren Weg gehen werden und dass der von<br />

ihnen gewählte Weg ein guter ist. Von nun an ist es<br />

ihr Weg.<br />

Ich wüsste zu gerne, wie schwer es Rose Kennedy<br />

gefallen ist, ihre neun Kinder, eins nach dem anderen,<br />

rechtzeitig loszulassen.<br />

Rose Kennedy hat zu Protokoll gegeben:<br />

«Man sagt, die Zeit heile alle Wunden, dem stimme<br />

ich nicht zu. Die Wunden bleiben. Mit der Zeit<br />

schützt die Seele den gesunden Verstand und bedeckt<br />

ihn mit Narbengewebe und der Schmerz lässt nach.<br />

Aber er verschwindet nie ganz.»<br />

STIFTUNG ELTERNSEIN<br />

«Eltern werden ist nicht schwer,<br />

Eltern sein dagegen sehr.» Frei nach Wilhelm Busch<br />

Oft fühlen sich Eltern alleingelassen in ihren Unsicherheiten,<br />

Fragen, Sorgen. Hier setzt die Stiftung Elternsein<br />

an ie riche sich an lern on schulichien indern<br />

und Jugendlichen. Sie fördert den Dialog zwischen<br />

lern indern ehrern und die Verneun der elern<br />

und erziehungsrelevanten Organisationen in der<br />

deutschs prachigen Schweiz. Die Stiftung Elternsein<br />

gibt das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi heraus.<br />

www.elternsein.ch<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 67


Erziehung & Schule<br />

Aus zwei<br />

mach drei.<br />

Oder vier.<br />

Immer mehr junge Menschen wünschen<br />

sich drei oder mehr Kinder. Noch klaffen<br />

Wunsch und Wirklichkeit auseinander –<br />

doch es ist ein Trend weg vom<br />

Zweikindfamilien-Ideal auszumachen.<br />

Aus dem Leben zweier Grossfamilien.<br />

Text: Sandra Casalini Bilder: Désirée Good / 13 Photo<br />

68 68<br />

Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ohne Lilani hätte<br />

Andy, Lorin, Nael,<br />

Andris und Mara<br />

Jacob (v. l.)<br />

jemand gefehlt.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 69 69


Erziehung & Schule<br />

Ich au! Das sind die beiden<br />

Worte, welche Lilani wohl am<br />

häufigsten ausspricht. Die<br />

Zweijährige will alles machen,<br />

was ihre drei älteren Brüder<br />

tun. Dass diese sieben bis zehn Jahre<br />

älter sind als sie, ist der Kleinen<br />

dabei herzlich egal. Eifrig klettert sie<br />

zu Lorin, 12, Nael, 11, und Andris,<br />

9, in die Hängematte und quetscht<br />

sich zwischen sie. Die Buben kichern<br />

und geben mit den Füssen an, um<br />

hin- und herzuschaukeln.<br />

Klein Lilani tobt heute durch den<br />

Garten des Einfamilienhauses der<br />

Familie in Thalwil ZH – der Excel-<br />

Liste ihrer Eltern Mara und Andy<br />

Jacob zum Trotz. Auf dieser Liste –<br />

die mittlerweile zuvorderst in Lilanis<br />

Fotoalbum prangt – hielten ihre<br />

Eltern alles fest, was für und was<br />

gegen ein viertes Kind spricht. Und<br />

die Kontra-Spalte war bedeutend<br />

länger als die Pro-Spalte. «Aber<br />

wenn Kinderbekommen ein rein<br />

rationaler Entscheid wäre, hätte niemand<br />

welche. Schlussendlich kam<br />

das Ja aus dem Herzen und dem<br />

Bauch», sagt Mara Jacob.<br />

Das war auch bei Familie Wolf<br />

aus St. Antönien GR so. Ohne<br />

Simon, mittlerweile 6 Jahre alt, habe<br />

sich die Familie nicht komplett<br />

angefühlt, sagt Christina Wolf. So<br />

bekamen Ramona, 12, und Mario,<br />

<strong>10</strong>, als Primarschülerin beziehungsweise<br />

Kindergärtler nochmals einen<br />

Bruder. «Ich habe mich uuuuh<br />

gefreut!», sprudelt es aus Ramona<br />

heute noch heraus. «Sie wollte das<br />

Baby ständig herumtragen und<br />

wickeln. Man musste sie fast bremsen»,<br />

erzählt Vater Hansandrea Wolf<br />

lachend. Für Wolfs ist jedenfalls klar:<br />

«Drei sind besser als zwei!»<br />

Mit drei oder gar vier Kindern<br />

sind die Wolfs und die Jacobs hierzulande<br />

zwar nach wie vor eher eine<br />

Ausnahme. Aber langsam lässt sich<br />

eine Trendwende beobachten. Zum<br />

einen geben immer mehr kinderlose<br />

junge Frauen und Männer an, von<br />

mehr als zwei Kindern zu träumen:<br />

2015 waren es laut einer Umfrage<br />

des Bundesamtes für Statistik über<br />

ein Viertel von 17 000 befragten Personen.<br />

Zum anderen steigt die Ge -<br />

burtenrate der Drittkinder tatsächlich<br />

an – so waren es 20<strong>10</strong> in der<br />

Schweiz 7,5 Prozent mehr als 2007.<br />

Helfende Hände beim Wickeln<br />

und Schöppelen<br />

Christina Wolf ist mit einer Schwester<br />

aufgewachsen, ihr Mann Hansandrea<br />

mit einem Bruder. Beide<br />

sagen, sie hätten als Kinder gern<br />

mehr als nur ein Geschwister gehabt.<br />

So war ziemlich bald nach Marios<br />

Geburt klar: Das war noch nicht<br />

alles. Die Pause zwischen Nummer<br />

zwei und drei habe sie aber genossen,<br />

sagt Christina Wolf. Zumal Ramona<br />

in den ersten paar Wochen ein<br />

Schreibaby war und wegen eines<br />

Blutschwamms an ihrem Ohr einige<br />

Operationen und Spitalaufenthalte<br />

nötig waren. Die Zeit danach mit<br />

Kleinkind und dem zweiten Baby sei<br />

sehr anstrengend gewesen.<br />

Mit Simon nochmals von vorn<br />

anzufangen, nachdem die anderen<br />

beiden bereits aus dem Gröbsten<br />

raus waren, sei dagegen total problemlos<br />

gewesen, sagt Christina<br />

Wolf. «Er war ein sehr pflegeleichtes<br />

Baby, schlief mit zehn Wochen<br />

durch und wachte auch davor nur<br />

ein- oder zweimal auf pro Nacht.<br />

Zudem halfen die Grossen beim<br />

Wickeln und Schöppelen kräftig<br />

Drei sitzen,<br />

einer zieht:<br />

das Viererteam<br />

der Familie<br />

Jacobs.<br />

mit.» Das Geschwistertrio hat von<br />

Anfang an gut harmoniert. Auch<br />

heute ist selten mal eines das fünfte<br />

Rad am Wagen. «Sie können alles<br />

sehr gut zu dritt. Auch streiten»,<br />

erzählt ihre Mutter schmunzelnd.<br />

Keines der beiden älteren Kinder sei<br />

je eifersüchtig gewesen. Im Gegenteil.<br />

Mario freute sich, nicht mehr<br />

das Nesthäkchen zu sein, und<br />

Ramona liebte ihren kleinsten Bruder<br />

von Anfang an heiss. «Ich habe<br />

70 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


ihn stundenlang in einer Kiste<br />

durchs Haus gezogen», sagt sie<br />

lachend.<br />

Auch bei Familie Jacob war Eifersucht<br />

nie ein Thema. Für ihn habe<br />

sich mit Lilanis Ankunft nicht viel<br />

verändert, meint Lorin, der Älteste,<br />

schulterzuckend. Andris gefiel es,<br />

nicht mehr der Jüngste zu sein. Nur<br />

Nael, der Zweitälteste, findet, manche<br />

Dinge seien schon ein bisschen<br />

doof gewesen – «zum Beispiel mussten<br />

wir immer ruhig sein, wenn Lilani<br />

Mittagsschlaf hielt.»<br />

Bei der Ruderregatta statt<br />

auf dem Spielplatz<br />

Sie habe die Befürchtung gehabt, die<br />

Jüngste wachse wegen des grossen<br />

Altersabstandes wie ein Einzelkind<br />

auf, sagt Mara Jacob. Das sei aber<br />

überhaupt nicht der Fall: «Sie ist<br />

überall dabei. Natürlich muss man<br />

sich ab und zu mal ihr >>><br />

Ein Viertel aller Kinderlosen<br />

in der Schweiz träumt<br />

von einer Familie mit mehr<br />

als zwei Kindern.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 71


«Es braucht mehr<br />

Teilzeitarbeit und<br />

mehr Uni-Kitas»<br />

Autorin, Philosophin und Fünffach-<br />

Mutter Daniela Nagel über ihre<br />

lebendige Grossfamilie, warum sich<br />

junge Leute wieder mehr Kinder<br />

wünschen und die Herausforderung,<br />

allen gerecht zu werden.<br />

Interview: Sandra Casalini<br />

Frau Nagel, das erste Baby verändert<br />

alles. Welches Ihrer vier nachfolgenden<br />

Kinder hat das Familiengefüge am<br />

eisten beeinflusst<br />

Nummer drei und vier sind Zwillinge, daher<br />

war dies rein praktisch die grösste Zäsur.<br />

Weder der alte Kinderwagen noch das Auto<br />

reichten nun aus. Dennoch hatten wir erst<br />

mit dem fünften Kind das Gefühl, eine wirklich<br />

kinderreiche Familie zu sein.<br />

Lange galt die Zweikindfamilie als ideal.<br />

Umfragen zufolge wünschen sich nun<br />

immer mehr junge Leute drei oder mehr<br />

Kinder. Wie erklären Sie sich das?<br />

Zum einen grenzen sich viele jüngere Leute<br />

von den alten Lebensmodellen ab. Zum anderen<br />

scheint das Familienleben immer<br />

weniger ein Widerspruch dazu zu sein, den<br />

eigenen beruflichen eg zu gehen<br />

Die Geburtenrate in der Schweiz liegt<br />

bei 1,5 Kindern pro Frau – trotz dem<br />

Wunsch nach mehr Kindern. Warum?<br />

Die Suche nach dem richtigen Partner, die<br />

Ausbildung und die ersten Berufsjahre ziehen<br />

sich hin. Oft ist das Zeitfenster für viele<br />

Kinder einfach zu klein. Vielleicht würde es<br />

helfen, junge Leute stärker darin zu unter-<br />

stützen, den Kinderwunsch früher umzusetzen,<br />

etwa durch Kitas an der Uni, Teilzeitarbeit<br />

während der Ausbildung und mehr<br />

Anerkennung für die mutige Entscheidung,<br />

nicht zu warten, bis alle Umstände perfekt<br />

sind. Das sind sie nämlich nie.<br />

Wenn das Jüngere von zwei Kindern in<br />

den Kindergarten kommt, kommt bei<br />

vielen Paaren der Wunsch nach einem<br />

dritten Kind auf. Warum gerade dann?<br />

Zum einen werden wieder Kapazitäten frei,<br />

und gerade wenn die ersten Jahre als Familie<br />

schön waren, kommt bei vielen Wehmut<br />

auf, dass es das nun war mit dem Zauber,<br />

einen neuen Menschen willkommen zu<br />

heis sen. So war es bei uns auch.<br />

Der Wunsch nach weiteren Kindern<br />

kommt meist von der Mutter.<br />

Komisch eigentlich, da die Veränderungen<br />

für die Frau ja viel grösser sind als für den<br />

Mann. Vielleicht sind viele Männer nach<br />

72 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

Mittendrin statt<br />

nur dabei: Die<br />

Schuhablage bei<br />

den Jacobs steht<br />

symbolisch für das<br />

Zusammenleben<br />

der Geschwister.<br />

Die Vorteile einer Grossfamilie:<br />

Eltern werden mit jedem Kind<br />

gelassener. Und die<br />

Familienphase dauert länger.<br />

chen zu haben. Aber wir hätten uns<br />

genauso über einen Bub gefreut.»<br />

Für Andy Jacob wäre die Familie<br />

auch mit drei Kindern komplett<br />

gewesen. «Aber für Mara war das<br />

viel mehr als ein blosser Kinderwunsch,<br />

sondern ein echtes Bedürfnis.<br />

Es wäre falsch gewesen, meine<br />

Wünsche stärker zu gewichten als<br />

ihre.» Wäre Lilani nicht zur Welt<br />

gekommen, hätte das die Familie<br />

viel stärker belastet, als ihre Geburt<br />

es tat, ist Mara überzeugt: «Nochmal<br />

von vorne anzufangen, war körperlich<br />

und emotional streng. Aber wir<br />

wussten ja auch aus Erfahrung, dass<br />

diese Zeit vorübergeht. Mit einem<br />

ständigen Loch zu leben, wäre<br />

gefühlsmässig viel anstrengender<br />

gewesen – nicht nur für mich.»<br />

Wunsch trifft oft nicht auf Realität<br />

So entschied sich Familie Jacob<br />

schliesslich für Lilani. Trotz >>><br />

>>> anpassen, aber meistens ist<br />

es umgekehrt.» So findet man die<br />

Zweijährige am Wochenende auch<br />

eher am Rande eines Handballfeldes<br />

oder bei einer Ruderregatta, wo sie<br />

ihre Brüder anfeuert, als auf dem<br />

Spielplatz.<br />

Für sie habe lange jemand gefehlt<br />

in der Familie, sagt Mara Jacob. «Ich<br />

habe mir selbst oft die Frage gestellt,<br />

wer das genau ist. Wäre die Antwort<br />

gewesen: ein Mädchen, hätte ich auf<br />

ein weiteres Kind verzichtet. Aber<br />

sie war wirklich: ein viertes Kind.<br />

Natürlich ist es toll, noch ein Mädzwei<br />

Kindern vom Gedanken abgeschreckt,<br />

immer weniger Raum in der Beziehung zu<br />

haben. Glücklicherweise war der Kinderwunsch<br />

bei uns immer ähnlich ausgeprägt.<br />

Sonst hätte ich mich nicht auf dieses Abenteuer<br />

eingelassen.<br />

Was sind die Vorteile, wenn man mehr<br />

Kinder hat als die gängigen zwei?<br />

Die Lebendigkeit in der Familie ist eine ganz<br />

andere. Ausserdem werden die meisten Eltern<br />

mit jedem Kind gelassener. Und die<br />

Familienphase dauert länger. Mein Mann<br />

und ich sind nun gerade vierzig. Wenn wir<br />

nur die beiden Grossen – 16 und 18 Jahre<br />

alt – hätten, wären wir als Eltern bald arbeitslos.<br />

Und das, während manche unserer<br />

Freunde gerade ihr erstes Baby kriegen.<br />

Das wäre irgendwie traurig.<br />

Und die Nachteile?<br />

Nicht nur die schönen, auch die anstrengenden<br />

Familienphasen ziehen sich in die<br />

nge er logistische und der finanzielle<br />

Aufwand wird mit zunehmendem Alter der<br />

Kinder recht hoch. Gleichzeitig wird es mit<br />

vielen Kindern schwerer, Privat- und Berufsleben<br />

unter einen Hut zu bringen. Und<br />

die Herausforderung, allen Kindern gerecht<br />

zu werden, wird höher.<br />

Was hat Ihren Entscheid zu einem<br />

eiteren Kin a eisten beeinflusst<br />

Wir sind da sehr intuitiv und wenig rational<br />

rangegangen. Und wir hatten das Glück,<br />

dass alle fünf die flegeleichtesten und<br />

süssesten Babys waren. Auch die Umstände,<br />

wie etwa die unterstützenden Grosseltern<br />

oder meine Möglichkeit, als Freiberuflerin<br />

relativ fleibel zu arbeiten, haben<br />

uns Mut für viele Kinder gegeben.<br />

Und warum gab es kein sechstes?<br />

Wir haben schon öfter gedacht, dass wir<br />

eigentlich direkt noch ein sechstes hätten<br />

kriegen sollen, weil unser Jüngster manch-<br />

mal fast wie ein Einzelkind dasteht – die<br />

Zwillinge sind fünf Jahre älter und ein eingeschworenes<br />

Team. Aber jeder hat seine persönlichen<br />

Grenzen, und die waren bei uns<br />

nach dem fünften Kind erreicht. Jetzt haben<br />

wir fünf Schulkinder und geniessen die<br />

neu gewonnenen Freiheiten doch sehr.<br />

Zur Person<br />

Daniela Nagel ist studierte Philosophin und<br />

Autorin. «Fünf Kinder? Sie Ärmste!» heisst ihr<br />

«Survivalguide für gelassene Mehrfachmütter» –<br />

so der Untertitel. Die fünffache Mutter schreibt<br />

auch Romane, sowohl unter ihrem echten Namen<br />

als auch unter dem Pseudonym Marie Adams.<br />

Zudem betreibt sie einen Bücherblog und coacht<br />

Autorinnen und Autoren. www.danielanagel.de<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 73


Erziehung & Schule<br />

74 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

>>> der Negativbilanz auf der<br />

Excel-Liste. Einer der Minuspunkte<br />

auf dieser Liste: Mara war bei Lilanis<br />

Geburt 41 Jahre alt. Das Alter ist<br />

einer der Gründe, warum Wunsch<br />

und Wirklichkeit trotz Trend auseinanderdriften.<br />

Dem Wunsch nach drei<br />

Kindern oder mehr aus der erwähnten<br />

Umfrage steht eine Geburten rate<br />

von 1,54 Kindern pro Frau entgegen<br />

(vor 15 Jahren: 1,38). Und gemäss<br />

einer Erhebung von Euro stat aus<br />

dem Jahr 2015 beträgt das Durchschnittsalter<br />

der Erstgebärenden 30,7<br />

Jahre. Die Schweizerinnen gehören<br />

damit zu den ältesten Müttern Europas.<br />

«Die Suche nach dem richtigen<br />

Partner, die Ausbildung und die ersten<br />

Berufsjahre ziehen sich hin. Oft<br />

ist das Zeitfenster für viele Kinder<br />

einfach zu klein», sagt Daniela Nagel,<br />

Autorin, Philosophin und fünffache<br />

Mutter (siehe Interview auf Seite 68).<br />

Das Bundesamt für Statistik sieht<br />

im Vergleich verschiedener Generationen<br />

Anhaltspunkte dafür, wie<br />

weit Kinderwunsch und die tatsächliche<br />

Anzahl an Kindern auseinanderdriften.<br />

So wünschen sich nur<br />

9 Prozent der 20- bis 29-Jährigen<br />

keine oder ein Kind. Von den 50- bis<br />

59-jährigen Frauen haben 16 Prozent<br />

ein Kind, 20 Prozent sind kinderlos.<br />

65 Prozent der 20- bis 39-jährigen<br />

Frauen befürchten mit jedem<br />

weiteren Kind schlechtere Berufsaussichten,<br />

und drei Viertel aller<br />

Männer und Frauen fürchten, dass<br />

ein weiteres Kind ihre finanziellen<br />

Möglichkeiten einschränke.<br />

Mit einem Durchschnittsalter von<br />

30,7 bei der ersten Geburt<br />

zählen die Schweizerinnen zu den<br />

ältesten Müttern Europas.<br />

älter die Kinder werden, desto mehr<br />

fallen sie auch finanziell ins Gewicht:<br />

Skiausrüstung, Hobbys wie Schwingen<br />

oder Klettern, Musikunterricht<br />

– alles mal drei. «Aber die Finanzen<br />

waren nie ein Grund, kein drittes<br />

Kind zu bekommen», sagt Vater<br />

Hansandrea. Dass bei uns vieles auf<br />

die Zweikindfamilie ausgerichtet ist,<br />

merken die Wolfs je länger, je mehr.<br />

«Zum Beispiel Familienkarten bei<br />

Freizeitangeboten oder in den Ferien<br />

– die gelten immer für zwei<br />

Erwachsene und zwei Kinder», so<br />

Christina Wolf. Und dann ist da<br />

noch die Sache mit ihrem Haus, das<br />

sie geerbt haben. Es hat – natürlich<br />

– nur zwei Kinderzimmer. Simons<br />

Bett steht derzeit noch im Elternschlafzimmer.<br />

Bald werden aber die<br />

Eltern in ein kleineres Zimmer ziehen<br />

und Simon und Mario teilen sich<br />

das grösste Schlafzimmer. Problem<br />

gelöst.<br />

Im Hause Jacob teilen sich gar<br />

alle drei Buben ein Zimmer. Bald<br />

steht aber der Umzug ins eigene<br />

Haus an, dann bekommt >>><br />

Glück zu fünft:<br />

Simon, Christina,<br />

Ramona,<br />

Hansandrea und<br />

Mario Wolf (v. l.).<br />

Wenn das Auto zu klein wird<br />

Familie Wolf kennt das Thema der<br />

finanziellen Einschränkung aus eigener<br />

Erfahrung. Christina Wolf ist<br />

gelernte Bäckerin/Konditorin, seit<br />

Ramonas Geburt kümmert sie sich<br />

hauptsächlich um die Familie. Hansandrea<br />

Wolf ist im Sommer Maurer,<br />

im Winter Skilehrer. Mit Simons<br />

Geburt musste ein grösseres Auto<br />

her. «Das war aber die einzige Neuanschaffung.<br />

Sonst hatten wir alles<br />

noch», sagt Christina Wolf. Aber je<br />

So lernen wir.<br />

Nächste Infoabende<br />

5./6. Primar- und Sekundarstufe:<br />

Do 2. Nov. und Do 7. Dez. <strong>2017</strong>, 18 Uhr<br />

Waldmannstrasse 9, 8001 Zürich<br />

Fachmittelschule und <strong>10</strong>. Schuljahr:<br />

Di 14. Nov. <strong>2017</strong>, 18 Uhr<br />

Kreuzstrasse 72, 8008 Zürich<br />

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www.fesz.ch | 043 268 84 84<br />

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Freizeit, selbst das geerbte<br />

Elternhaus: Vieles ist auf die<br />

Zweikindfamilie ausgerichtet.<br />

>>> jedes Kind ein eigenes Zimmer.<br />

Finanziell ist das vierte Kind<br />

für IT-Spezialist Andy Jacob und<br />

seine Frau, die als Doula Geburten<br />

begleitet und auch Doulas ausbildet,<br />

kein riesiger Schritt. Bis jetzt. «Uns<br />

ist schon bewusst, dass sich das mit<br />

den Jahren, je nach Ausbildung der<br />

Kinder, ändern wird», sagt Andy.<br />

Auf gewisse Dinge verzichte man<br />

jedoch eher aus praktischen denn<br />

aus finanziellen Gründen: «Auswärts<br />

essen ist mit vier Kindern<br />

stressig. Und auch Ferien sind zu<br />

sechst in einer Ferien wohnung entspannter<br />

als im Hotel.»<br />

Eine spezielle Organisation verlangen<br />

jeweils Skiferien. «Eine riesige<br />

Materialschlacht!», sagt Andy<br />

Jacob lachend. Er fährt jeweils mit<br />

Lilani und dem Gepäck im Auto,<br />

Mara reist mit den Söhnen im Zug.<br />

«Aber das wird auch wieder besser,<br />

sobald wir keinen Kinderwagen und<br />

keine Windeln für die Nacht mehr<br />

mitschleppen müssen.»<br />

Wenn Jacobs zu sechst unterwegs<br />

sind, werden sie oft angesprochen.<br />

«Die Reaktionen sind immer positiv»,<br />

sagt Mara Jacob. «Oft sagen die<br />

Leute, sie bereuten es, selbst nicht<br />

mehr Kinder zu haben. Uns hat es<br />

auch Mut gekostet, aber wir sind<br />

heute sehr froh, haben wir diesen<br />

Schritt gewagt.»<br />

Dreifach-Mami mit nur zwei Händen<br />

Familie Jacob und Familie Wolf<br />

haben mit drei respektive vier Kindern<br />

ihr Glück gefunden. Richtig viel<br />

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Mama möchte ausspannen, Papa hat endlich mehr Zeit<br />

für Sport, die Grosse will ausschlafen, der Kleine am<br />

liebsten den ganzen Tag ins Hallenbad – jedes Familienmitglied<br />

hat persönliche Ansprüche an die schönste Zeit<br />

im Jahr. Die Reka-Feriendörfer sind so konzipiert, dass<br />

Kinder und Jugendliche in ihren Ferien viel Spass haben<br />

und sich ihre Eltern gleichzeitig erholen können. In<br />

jedem der 12 Reka-Feriendörfer in der Schweiz wird<br />

ein eigenes Thema gelebt und das kostenlose Rekalino-<br />

Familienprogramm sorgt für viel Abwechslung.<br />

Mehr unter: www.reka.ch/feds<br />

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Teilnahmeschluss: 1. November <strong>2017</strong>. Teilnahme per SMS: Stichwort FF REKA an 959 senden (30 Rp./SMS)<br />

Bilder: ZVG


durcheinandergebracht haben weder<br />

Simon noch Lilani in ihren Familien.<br />

Am meisten verändert habe das erste<br />

Kind, da sind sich alle Eltern einig.<br />

Vom Paar zur Familie zu werden, ist<br />

eine grössere Herausforderung, als<br />

die Familie zu vergrössern. «Auch<br />

wenn mir als Dreifach-Mami anfangs<br />

öfter eine dritte Hand fehlte», meint<br />

Christina Wolf. Dieses Gefühl kennt<br />

auch Mara Jacob: «Das dritte Kind<br />

hat mehr verändert als das vierte,<br />

zumal die Buben altersmässig sehr<br />

nah beisammen sind. Mit Andris<br />

wurde das strenge Leben zum sehr<br />

strengen Leben. Mit Lilani war das<br />

im Vergleich recht entspannt.»<br />

Und wie siehts aus mit weiteren<br />

Kindern? Bei Familie Jacob ist man<br />

sich einig: «Mit Lilani sind wir angekommen.»<br />

Auch bei den Wolfs findet<br />

zumindest ein Grossteil der<br />

Familie, es sei gut so, wie es ist. Nur<br />

einer meint, ein viertes Baby wäre<br />

gar nicht so verkehrt. «Ich will auch<br />

mal nicht der Kleinste sein!», meint<br />

Simon schmollend.<br />

>>><br />

Simon und Lilani haben nicht<br />

viel durcheinandergebracht in<br />

ihren Familien. Am meisten<br />

verändert hat das erste Kind.<br />

Sandra Casalini<br />

is eifachuer und finde ei inder<br />

ideal schliesslich ha sie auch nur ei<br />

irnhlfen ass diese reelmssi fr ei<br />

weitere Menschen mitdenken müssen, reicht<br />

ihr vollkommen aus.<br />

SBB Kinder-<br />

Reisebegleitung.<br />

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nicht begleiten? Bei uns sind sie bestens aufgehoben<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 77


Digital & Medial<br />

Gesetzliche<br />

Altersbeschränkung?<br />

Der Bund will ein schweizweites Gesetz zum<br />

Jugendmedienschutz. Entscheidend<br />

bleibt aber die Rolle der Eltern.<br />

Text: Michael In Albon<br />

Bild: fotostorm<br />

Der politische Druck,<br />

Kinder mittels Ge -<br />

setz vor ungeeigneten<br />

Inhalten zu<br />

schützen, lässt nicht<br />

nach. Nun verlangt der Bundesrat<br />

bei Games und Videos einen<br />

schweizweit einheitlichen Rahmen<br />

für Altersbeschränkung, Kontrollen<br />

und Sanktionen. Das Eidgenössische<br />

Departement des Innern arbeitet<br />

zusammen mit Branchenverbänden<br />

und Kantonen bis 2018 eine<br />

Vernehmlassungsvorlage aus.<br />

Spricht man mit Eltern, fällt auf,<br />

dass sie Altersvorgaben auf Filmen<br />

und Spielen oft nicht befolgen.<br />

Obwohl einige Experten regelmässig<br />

daran erinnern und dazu aufrufen.<br />

Auch ich. Theorie und Praxis klaffen<br />

also auseinander. Das erstaunt we -<br />

nig. Denn einerseits fehlen Stu dien<br />

zum Umgang mit Altersempfehlungen,<br />

andererseits sind sich Fachleute<br />

nicht einig, ob Altersangaben in<br />

der Medienerziehung sinnvoll sind.<br />

Da verlassen sich Eltern lieber auf<br />

ihre Einschätzung. Können sie Empfehlungen<br />

nicht auf die eigene Situation<br />

übertragen oder weichen diese<br />

von ihrer eigenen Einschätzung ab,<br />

ignorieren sie diese.<br />

Was die einen Eltern als brutal<br />

und ungeeignet für Kinder einschätzen,<br />

ist für andere wenig bedenklich.<br />

Bewertungen unterscheiden sich<br />

von Familie zu Familie – und erst<br />

recht von Kultur zu Kultur. Gerade<br />

in der Schweiz mit ihren vier<br />

Sprachkulturen. Nicht selten werden<br />

Altersfreigaben in der Romandie<br />

anders festgelegt als in der Deutschschweiz<br />

oder im Tessin. Auch geltende<br />

Gesetze sind nicht gleich,<br />

denn das Internet ist bekanntlich ein<br />

globales Medium.<br />

In der EU wird bereits eine neue<br />

Richtlinie über audiovisuelle Me -<br />

diendienste diskutiert. Vorgeschlagen<br />

wurde ein Mechanismus, in dem<br />

Nutzer schädliche Inhalte melden<br />

können. Hinzu kommen Altersüberprüfungssysteme<br />

und ein Verhaltenskodex<br />

für die Branchen. Der<br />

Bundesrat erwägt, entsprechende<br />

Regeln zu erlassen. Es ergibt keinen<br />

Sinn für die Schweiz, einen Sonderzug<br />

zu fahren.<br />

Risiken fallen mit einem Gesetz<br />

aber nicht einfach weg. Ludwig<br />

Gärtner, Leiter Geschäftsfeld «Familie,<br />

Generationen und Gesellschaft»<br />

im Bundesamt für Sozialversicherungen,<br />

betonte in der NZZ: «Um -<br />

gehungsmöglichkeiten der Alterslimiten<br />

wird es immer geben. Das<br />

bedeutet aber nicht, dass man nichts<br />

tun soll.» Gerade Sie als Eltern tragen<br />

besonders viel bei. Der heutige<br />

Stand der Forschung zeigt, dass eine<br />

kombinierte aktive und passive<br />

Elternbegleitung das Risiko im<br />

Internet für Kinder und Jugendliche<br />

erheblich minimiert. Und Kinder<br />

und Jugendliche verpassen weder<br />

Potenziale noch Chancen beim Nutzen<br />

digitaler Medien.<br />

Aktive Elternbegleitung bedeutet:<br />

Eltern erklären Medieninhalte,<br />

unterscheiden zwischen Realität<br />

und Fiktion und begleiten ihr Kind<br />

aktiv, indem sie gemeinsam Angebote<br />

evaluieren. Passiv bedeutet:<br />

Eltern nutzen Medien gemeinsam<br />

mit ihrem Kind. Sie schauen also<br />

etwa zusammen Sendungen oder<br />

Filme am Bildschirm an oder gamen<br />

zusammen.<br />

Michael In Albon<br />

ist Beauftragter Jugendmedienschutz<br />

und Experte Medienkompetenz von<br />

Swisscom.<br />

u edienstar nden ie ipps und interatie<br />

Lernmdule r den mpetenten man mit<br />

diitalen edien im amilienallta<br />

swisscom.ch/medienstark<br />

78 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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Service<br />

Vielen Dank<br />

an die Partner und Sponsoren der Stiftung Elternsein:<br />

Finanzpartner Hauptsponsoren Heftsponsoren<br />

Dr. iur. Ellen Ringier<br />

Walter Haefner Stiftung<br />

Credit Suisse AG<br />

Rozalia Stiftung<br />

UBS AG<br />

UBS AG<br />

MainFirst Bank AG<br />

Impressum<br />

17. Jahrgang. Erscheint <strong>10</strong>-mal jährlich<br />

Herausgeber<br />

Stiftung Elternsein,<br />

Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />

www.elternsein.ch<br />

Präsidentin des Stiftungsrates:<br />

Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch,<br />

Tel. 044 400 33 11<br />

(Stiftung Elternsein)<br />

Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder,<br />

ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 01 01<br />

Redaktion<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Chefredaktor: Nik Niethammer,<br />

n.niethammer@fritzundfraenzi.ch<br />

Verlag<br />

Fritz+Fränzi,<br />

Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />

Tel. 044 277 72 62,<br />

info@fritzundfraenzi.ch,<br />

verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

Business Development & Marketing<br />

Leiter: Tobias Winterberg,<br />

t.winterberg@fritzundfraenzi.ch<br />

Anzeigen<br />

Administration: Dominique Binder,<br />

d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 62<br />

Art Direction/Produktion<br />

Partner & Partner, Winterthur<br />

Bildredaktion<br />

13 Photo AG, Zürich<br />

Korrektorat<br />

Brunner Medien AG, Kriens<br />

flae<br />

(WEMF/SW-beglaubigt 2016)<br />

total verbreitet <strong>10</strong>1 725<br />

davon verkauft 18 572<br />

Preis<br />

Jahresabonnement Fr. 68.–<br />

Einzelausgabe Fr. 7.50<br />

iPad pro Ausgabe Fr. 3.–<br />

Abo-Service<br />

Galledia Verlag AG Berneck<br />

Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54<br />

abo.fritzundfraenzi@galledia.ch<br />

Für Spenden<br />

Stiftung Elternsein, 8008 Zürich<br />

Postkonto 87-447004-3<br />

IBAN: CH40 0900 0000 8744 7004 3<br />

Inhaltspartner<br />

Institut für Familienforschung und -beratung<br />

der Universität Freiburg / Dachverband Lehrerinnen<br />

und Lehrer Schweiz / Verband Schulleiterinnen und<br />

Schulleiter Schweiz / Jacobs Foundation /<br />

Elternnotruf / Pro Juventute / Interkantonale<br />

Hochschule für Heilpädagogik Zürich /<br />

Schweizerisches Institut für Kinder- und<br />

Jugendmedien<br />

Stiftungspartner<br />

Pro Familia Schweiz / Pädagogische Hochschule<br />

Zürich / Elternbildung CH / Marie-Meierhofer-<br />

Institut für das Kind / Schule und Elternhaus<br />

Schweiz / Schweizerischer Verband<br />

alleinerziehender Mütter und Väter SVAMV /<br />

Kinderlobby Schweiz / kibesuisse Verband<br />

Kinderbetreuung Schweiz<br />

Ein grosses Geschenk für<br />

kleine Umweltschützer!<br />

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Mit Ihrer Patenschaft unterstützen Sie die Rettung von Orang-Utans<br />

auf Borneo, ihre Unterbringung und Versorgung mit Nahrung und<br />

Medikamenten, sowie ihre Betreuung und Pflege.<br />

Helfen Sie mit: www.bos-schweiz.ch/pate-inserat<br />

Alles zu unserem Patenschaftsprogramm:<br />

T. 044 3<strong>10</strong> 40 30, bos-schweiz.ch


Buchtipps<br />

Angie Sage:<br />

TodHunter<br />

Moon –<br />

FährtenFinder /<br />

SandReiter /<br />

SternenJäger.<br />

Hanser, <strong>2017</strong>,<br />

je ca. Fr. 25.–,<br />

ab <strong>10</strong> Jahren<br />

Aaron Blabey:<br />

Böse Jungs<br />

Ein Hai, ein Piranha,<br />

eine Schlange und<br />

ein Wolf tun sich in<br />

diesem witzigverrückten<br />

Comic<br />

zusammen, um gute Taten zu<br />

vollbringen: Das kann ja nicht gut<br />

kommen! Bisher sind zwei Bände<br />

auf Deutsch erschienen.<br />

Baumhaus, 2016/<strong>2017</strong>, je ca.<br />

Fr. 15.–, ab 8 Jahren<br />

Serielles ist nicht nur auf Netflix beliebt.<br />

In einer riesigen Auswahl an Buchreihen<br />

für Kinder und Jugendliche lässt<br />

sich mit den Lieblingscharakteren über<br />

viele Bände hinweg mitfiebern.<br />

Lesevergnügen in Serie<br />

TodHunter Moon<br />

Rick Riordan:<br />

Magnus Chase.<br />

Das Schwert<br />

des Sommers /<br />

Der Hammer des<br />

Thors<br />

Rick Riordan stellt<br />

in seiner neuen Serie die nordische<br />

Mythologie mit augenzwinkerndem<br />

Humor auf den Kopf – für Action in<br />

Walhalla und Midgard ist gesorgt!<br />

Carlsen, 2016/<strong>2017</strong>, je ca. Fr. 30.–,<br />

ab 12 Jahren<br />

Bilder:ZVG<br />

Wir alle kennen<br />

sie: «Hanni und<br />

Nanni» und<br />

«Gregs Tagebuch»,<br />

«Conni»<br />

und «Die Schule der magischen<br />

Tiere». Mit den immer gleichen<br />

Figuren erleben wir nicht nur ein<br />

Leseabenteuer, sondern ganz viele<br />

– so viele, wie es Bände gibt.<br />

Während in einer Buchreihe wie<br />

TKKG die Figuren über 120 Folgen<br />

in die 9. Klasse gehen und sich nicht<br />

entwickeln, sieht das bei abgeschlossenen<br />

Serien anders aus: Zum Beispiel<br />

in Angie Sages siebenteiliger<br />

Fantasy-Serie über den jungen Zauberer<br />

Septimus Heap, die von 2005<br />

bis 2013 erschienen ist. Nachdem<br />

der einstige Junge erwachsen und<br />

zum «aussergewöhnlichen Zauberer»<br />

geworden war, war die Geschichte<br />

so weit auserzählt. Doch die<br />

LeserInnen wollten diese fantastische<br />

Welt und ihre Figuren noch<br />

nicht verlassen, und Angie Sage<br />

wusste noch mehr daraus zu berichten:<br />

In der neuen Spin-off-Trilogie<br />

«TodHunter Moon» wird das gewitzte<br />

Mädchen Alice TodHunter<br />

Moon, genannt Todi, ins Zentrum<br />

gestellt.<br />

Im ersten Band muss Todi aus<br />

ihrem Fährtenfinder-Dorf fliehen.<br />

Sie gelangt an den Zaubererturm<br />

und kann mit Unterstützung des<br />

aussergewöhnlichen Zauberers Septimus<br />

Heap, aber auch mit ihren<br />

Freunden Oskar und Ferdie die<br />

Fährtenfinder vor dem bösen Hexer<br />

Oraton-Marr retten. Im nächsten<br />

Band gehen Todis Abenteuer aber<br />

schon weiter – die packende Fantasy-Serie<br />

für Kinder ist zum Glück<br />

noch nicht so schnell zu Ende<br />

erzählt!<br />

Die 65-jährige<br />

Britin Angie Sage<br />

ist die Autorin<br />

der Fantasy-<br />

Reihe mit der<br />

Heldin Todi.<br />

Kate Frey: Cat Deal.<br />

Die Kunst zu<br />

stehlen / Nach<br />

allen Regeln der<br />

Kunst<br />

Cat ist sechzehn,<br />

lebt mit ihrer Ratte<br />

auf einem Hausboot<br />

und ist Londons beste Einbrecherin.<br />

Sie sorgt dafür, dass Raubkunst zu<br />

ihren rechtmässigen Besitzern<br />

zurückkommt. Eine starke Figur in<br />

einem hoch spannenden Setting!<br />

Ueberreuter, <strong>2017</strong>, ca. Fr. 21.–,<br />

ab 12 Jahren<br />

Verfasst von Elisabeth Eggenberger,<br />

Mitarbeiterin des Schweizerischen<br />

Instituts für Kinder- und<br />

Jugendmedien SIKJM.<br />

Auf www.sikjm.ch/rezensionen sind<br />

weitere B uch empfehlungen zu finden.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Oktober <strong>2017</strong> 81


Eine Frage – drei Meinungen<br />

Meine Tochter, 9, nimmt alles wahnsinnig persönlich: Meine Bitte, das<br />

Zimmer aufzuräumen, Flöte zu üben oder den Tisch zu decken,<br />

emfindet sie gleich als Kritik nd reagiert entsrechend aggressiv<br />

Wissen Sie mir einen Rat?<br />

Patricia, 42, Interlaken BE<br />

Nicole Althaus<br />

Haben wir Menschen nicht<br />

alle die Tendenz, Dinge<br />

persönlich zu nehmen, die<br />

uns nicht in den Kram<br />

passen? Vielleicht kommen<br />

wir ja noch einmal davon!<br />

Ihre Tochter versucht sich mit<br />

ihrem Verhalten vor Aufgaben<br />

und «Ämtli» zu<br />

drücken. Fallen Sie nicht darauf herein! Lassen Sie sich<br />

nicht provozieren und sagen Sie ruhig, aber bestimmt,<br />

was die Tochter zu tun hat.<br />

Tonia von Gunten<br />

Geben Sie grundsätzlich<br />

weniger Anweisungen und<br />

lassen Sie Ihre Tochter mehr<br />

selber bestimmen. Wir<br />

Eltern haben die Angewohnheit,<br />

unsere Kinder ständig zu<br />

befragen und Befehle zu<br />

erteilen: «Wie war es in der<br />

Schule? Hast du Haus -<br />

aufgaben? Deck den Tisch! Häng die Jacke auf!» Wenn<br />

es nicht ohne Anweisungen geht, beachten Sie<br />

Folgendes: Lassen Sie Ihrer Tochter genügend Zeit.<br />

Äussern Sie sich klar, werden Sie persönlich: «Du bist<br />

am Spielen, doch wir können in zehn Minuten essen.<br />

Ich will, dass du heute den Tisch deckst. Okay?»<br />

Peter Schneider<br />

Versuchen Sie, vermeidbare<br />

«Kritik» (also das, was Ihre<br />

Tochter als unwichtige Kritik<br />

empfindet) herunterzufahren,<br />

und überlegen Sie, wo Sie ihr<br />

stattdessen etwas Nettes sagen<br />

können. Das ist der nervenschonende<br />

Teil meiner<br />

Antwort. Der andere Teil<br />

lautet: Es hilft nichts, da müssen Sie und Ihre Tochter<br />

durch. Das geht am einfachsten, wenn Sie bei den<br />

wirklich wichtigen Aufgaben (das sind möglicherweise<br />

weniger, als Sie im Moment denken) die besagte<br />

«Kritik» als möglichst simples Kommando durchgeben<br />

und sich von den Aggressionen nicht zu sehr<br />

beeindrucken lassen.<br />

Nicole Althaus, 48, ist Kolumnistin, Autorin<br />

und Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am<br />

Sonntag». Zuvor war sie Chefredaktorin von «wir<br />

eltern» und hat den Mamablog auf «Tagesanzeiger.<br />

ch» initiiert und geleitet. Nicole Althaus ist Mutter<br />

von zwei Kindern, 16 und 12.<br />

Tonia von Gunten, 44, ist Elterncoach, Pädagogin<br />

und Buchautorin. Sie leitet elternpower.ch, ein<br />

Programm, das frische Energie in die Familien<br />

bringen und Eltern in ihrer Beziehungskompetenz<br />

stärken möchte. Tonia von Gunten ist verheiratet<br />

und Mutter von zwei Kindern, 11 und 8.<br />

Peter Schneider, 59, ist praktizierender<br />

Psychoanalytiker, Autor und SRF-Satiriker («Die<br />

andere Presseschau»). Er lehrt als Privatdozent<br />

für klinische Psychologie an der Uni Zürich und<br />

ist Professor für Entwicklungspsychologie an<br />

der Uni Bremen. Peter Schneider ist Vater eines<br />

erwachsenen Sohnes.<br />

Haben Sie auch eine Frage?<br />

Schreiben Sie eine E-Mail an:<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Pino Stranieri, HO<br />

82 Oktober <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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