Komplett DAS Sauerlandmagazin - zwischen Verse und Sorpe Juli/August 2017
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<strong>Komplett</strong> lecker. Autor Detlef Schlüchtermann<br />
DER KNAUSERIGE ESSER – VOM<br />
DILEMMA DER TOP-GASTRONOMIE<br />
Die Gastronomie ist ein<br />
schwieriges Geschäft. Oft<br />
auch ein sehr ungerechtes.<br />
Da mühen sich Spitzenköche<br />
tagein, tagaus bis zu 16 St<strong>und</strong>en<br />
am Herd ab, um nach<br />
den begehrten Auszeichnungen,<br />
allen voran, nach<br />
Sternen im Guide Michelin, dem renommiertesten aller<br />
Gastroführer, zu greifen. Sie kochen phantastisch, beherrschen<br />
alle Techniken der Zubereitung, wissen, wo<br />
<strong>und</strong> wie sie die besten Produkte heimischer Landwirte<br />
erwerben <strong>und</strong> verarbeiten können. Und wenn sie dann<br />
den Sterne-Olymp erklommen haben <strong>und</strong> resümieren,<br />
was letztlich außer dem Ruhm übrig geblieben ist, müssen<br />
viele resigniert feststellen: Nicht genug, um ein sorgenfreies<br />
Leben als Spitzenkoch führen zu können.<br />
Wer auf Top-Level kochen<br />
will, braucht Personal.<br />
Allein lässt sich<br />
eine Spitzenküche nicht<br />
führen. Erst im vergangenen<br />
Monat durfte<br />
ich bei Edouard Loubet,<br />
einem 2-Sterne-Star im provencialischen Bonnieux, das<br />
„heilige Reich“ besichtigen. Während im Restaurant sechs<br />
Tische bedient wurden, leisteten in der Küche acht Köche<br />
Schwerstarbeit, um jedes Gericht perfekt auf den Teller zu<br />
bringen. Das Timing, alles zur rechten Zeit auf den Punkt<br />
zu garen <strong>und</strong> dann noch gleichzeitig an einen mit sechs<br />
Personen besetzten Tisch zu servieren, ist Höchstleistung<br />
<strong>und</strong> erfordert auch ein gewisses Maß an Genialität.<br />
Und weil derartiger Perfektionismus Könner verlangt,<br />
die auch ein angemessenes Gehalt erwarten, wirft die<br />
Spitzengastronomie kaum Gewinne ab. Von den r<strong>und</strong><br />
280 besternten deutschen Spitzenköchen kämpfen<br />
nach Insider Angaben die meisten ums Überleben. Und<br />
das bei durchschnittlichen Preisen eines Sechs-Gänge-<br />
Menüs von 130 bis 150 Euro. Kaum zu glauben, dass<br />
dies keinen Gewinn abwerfen soll. Aber bei stolzen Einkaufspreisen<br />
für erstklassige Produkte (z.B. Bretonischer<br />
Steinbutt pro Kilo für 60 Euro) <strong>und</strong> der oben erwähnten<br />
großen Küchen-Brigade bleibt kaum etwas übrig. Ja, ein<br />
wahrlich schwieriges Geschäft, das die meisten Top-Läden<br />
nur durch Querfinanzierung bewältigen. In der Regel<br />
stehen große Hoteliers oder andere Konzerne hinter<br />
der Sterne-Gastronomie. Sie machen das Geld mit Übernachtungen<br />
<strong>und</strong> buttern im Restaurant dazu.<br />
Imbissbetreiber auf der Anklagebank<br />
Auf der anderen Seite, so erinnere ich mich an einen<br />
Prozess vor dem Landgericht Arnsberg, wo ich jahrzehntelang<br />
größere Verfahren journalistisch begleitete, gab<br />
es mal eine Reihe von Angeklagten, die gut gehende<br />
Imbisstuben betrieben. Als die Sprache auf ihre Gewinne<br />
kam, trauten die Richter kaum ihren Ohren. Von H<strong>und</strong>erttausenden<br />
war da die Rede, mit wenigen Läden in<br />
wenigen Jahren. Das Dilemma allerdings: Die Betreiber<br />
beschafften sich das Fleisch an der Steuer vorbei <strong>und</strong><br />
landeten auch deshalb auf der Anklagebank. Aber auch<br />
bei korrekten Abgaben<br />
an den Fiskus hätten<br />
die Imbissbudenbesitzer<br />
ein hervorragendes<br />
Einkommen gehabt,<br />
bei dem die Sterneköche<br />
vor Neid erblasst<br />
wären. Und bei jenen Gastronomen mussten für einen<br />
Grillspieß mit Pommes sechs Euro bezahlt werden. Um<br />
den Hunger zu stillen, ein guter Deal. Die Läden jedenfalls<br />
brummten.<br />
Was will ich mit den Ausführungen sagen? Anders als<br />
Franzosen oder auch Spanier <strong>und</strong> neuerdings auch die<br />
Skandinavier gelten die Deutschen als knauserig. Unsere<br />
westlichen Nachbarn kommen mit Rostlauben ins<br />
Sterne-Lokal <strong>und</strong> lassen es sich gut gehen. „Die Deutschen<br />
fahren mit riesigen SUVs vor <strong>und</strong> bestellen den<br />
billigsten Wein“, verriet mir jüngst ein Top-Gastronom.<br />
Kein W<strong>und</strong>er also, dass hier mit minder guten Zutaten<br />
<strong>und</strong> einem hoch frequentierten Imbiss mehr verdient<br />
wird, als im angesagten Gourmet-Tempel.<br />
Eigentlich schade.<br />
Anregungen <strong>und</strong> Kritik wie immer unter<br />
schluechtermann@komplett-magazin.de<br />
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