22.09.2017 Aufrufe

Komplett DAS Sauerlandmagazin - zwischen Verse und Sorpe Juli/August 2017

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Komplett</strong> lecker. Autor Detlef Schlüchtermann<br />

DER KNAUSERIGE ESSER – VOM<br />

DILEMMA DER TOP-GASTRONOMIE<br />

Die Gastronomie ist ein<br />

schwieriges Geschäft. Oft<br />

auch ein sehr ungerechtes.<br />

Da mühen sich Spitzenköche<br />

tagein, tagaus bis zu 16 St<strong>und</strong>en<br />

am Herd ab, um nach<br />

den begehrten Auszeichnungen,<br />

allen voran, nach<br />

Sternen im Guide Michelin, dem renommiertesten aller<br />

Gastroführer, zu greifen. Sie kochen phantastisch, beherrschen<br />

alle Techniken der Zubereitung, wissen, wo<br />

<strong>und</strong> wie sie die besten Produkte heimischer Landwirte<br />

erwerben <strong>und</strong> verarbeiten können. Und wenn sie dann<br />

den Sterne-Olymp erklommen haben <strong>und</strong> resümieren,<br />

was letztlich außer dem Ruhm übrig geblieben ist, müssen<br />

viele resigniert feststellen: Nicht genug, um ein sorgenfreies<br />

Leben als Spitzenkoch führen zu können.<br />

Wer auf Top-Level kochen<br />

will, braucht Personal.<br />

Allein lässt sich<br />

eine Spitzenküche nicht<br />

führen. Erst im vergangenen<br />

Monat durfte<br />

ich bei Edouard Loubet,<br />

einem 2-Sterne-Star im provencialischen Bonnieux, das<br />

„heilige Reich“ besichtigen. Während im Restaurant sechs<br />

Tische bedient wurden, leisteten in der Küche acht Köche<br />

Schwerstarbeit, um jedes Gericht perfekt auf den Teller zu<br />

bringen. Das Timing, alles zur rechten Zeit auf den Punkt<br />

zu garen <strong>und</strong> dann noch gleichzeitig an einen mit sechs<br />

Personen besetzten Tisch zu servieren, ist Höchstleistung<br />

<strong>und</strong> erfordert auch ein gewisses Maß an Genialität.<br />

Und weil derartiger Perfektionismus Könner verlangt,<br />

die auch ein angemessenes Gehalt erwarten, wirft die<br />

Spitzengastronomie kaum Gewinne ab. Von den r<strong>und</strong><br />

280 besternten deutschen Spitzenköchen kämpfen<br />

nach Insider Angaben die meisten ums Überleben. Und<br />

das bei durchschnittlichen Preisen eines Sechs-Gänge-<br />

Menüs von 130 bis 150 Euro. Kaum zu glauben, dass<br />

dies keinen Gewinn abwerfen soll. Aber bei stolzen Einkaufspreisen<br />

für erstklassige Produkte (z.B. Bretonischer<br />

Steinbutt pro Kilo für 60 Euro) <strong>und</strong> der oben erwähnten<br />

großen Küchen-Brigade bleibt kaum etwas übrig. Ja, ein<br />

wahrlich schwieriges Geschäft, das die meisten Top-Läden<br />

nur durch Querfinanzierung bewältigen. In der Regel<br />

stehen große Hoteliers oder andere Konzerne hinter<br />

der Sterne-Gastronomie. Sie machen das Geld mit Übernachtungen<br />

<strong>und</strong> buttern im Restaurant dazu.<br />

Imbissbetreiber auf der Anklagebank<br />

Auf der anderen Seite, so erinnere ich mich an einen<br />

Prozess vor dem Landgericht Arnsberg, wo ich jahrzehntelang<br />

größere Verfahren journalistisch begleitete, gab<br />

es mal eine Reihe von Angeklagten, die gut gehende<br />

Imbisstuben betrieben. Als die Sprache auf ihre Gewinne<br />

kam, trauten die Richter kaum ihren Ohren. Von H<strong>und</strong>erttausenden<br />

war da die Rede, mit wenigen Läden in<br />

wenigen Jahren. Das Dilemma allerdings: Die Betreiber<br />

beschafften sich das Fleisch an der Steuer vorbei <strong>und</strong><br />

landeten auch deshalb auf der Anklagebank. Aber auch<br />

bei korrekten Abgaben<br />

an den Fiskus hätten<br />

die Imbissbudenbesitzer<br />

ein hervorragendes<br />

Einkommen gehabt,<br />

bei dem die Sterneköche<br />

vor Neid erblasst<br />

wären. Und bei jenen Gastronomen mussten für einen<br />

Grillspieß mit Pommes sechs Euro bezahlt werden. Um<br />

den Hunger zu stillen, ein guter Deal. Die Läden jedenfalls<br />

brummten.<br />

Was will ich mit den Ausführungen sagen? Anders als<br />

Franzosen oder auch Spanier <strong>und</strong> neuerdings auch die<br />

Skandinavier gelten die Deutschen als knauserig. Unsere<br />

westlichen Nachbarn kommen mit Rostlauben ins<br />

Sterne-Lokal <strong>und</strong> lassen es sich gut gehen. „Die Deutschen<br />

fahren mit riesigen SUVs vor <strong>und</strong> bestellen den<br />

billigsten Wein“, verriet mir jüngst ein Top-Gastronom.<br />

Kein W<strong>und</strong>er also, dass hier mit minder guten Zutaten<br />

<strong>und</strong> einem hoch frequentierten Imbiss mehr verdient<br />

wird, als im angesagten Gourmet-Tempel.<br />

Eigentlich schade.<br />

Anregungen <strong>und</strong> Kritik wie immer unter<br />

schluechtermann@komplett-magazin.de<br />

45

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!