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Quintessenz 03 | 2017 - quintessenz3.pdf

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COOK2.0<br />

2.0<br />

von Oktober bis Dezember. Wildschwein steht aber beispielsweise ganzjährig<br />

zur Verfügung.“ Zweites Lieblingsvorurteil gegenüber Wildfleisch:<br />

der angeblich strenge Haut goût. Dieser leicht faulige Geschmack, sagt<br />

Leo Aichinger, konnte zu einer Zeit, in der das Wort Kühlkette noch nicht<br />

erfunden war und das erlegte Wild nicht immer hygienisch zerwirkt und<br />

transportiert wurde, schon mal entstehen. „Aber die vielen ambitionierten<br />

und qualitätsbewussten Jäger heutzutage wissen sehr genau, was sie vor<br />

und nach dem Schuss zu tun haben, damit am Ende nicht weniger als eine<br />

phänomenale Fleischqualität für den Gastronom zur Verfügung steht.“<br />

In Buttermilch einlegen und mit tonnenweise Gewürzen dem fahlen<br />

Beigeschmack entgegensteuern – alles mittlerweile unnötig. Tatsächlich<br />

erhält man aber nur dann wirklich hochwertiges Wildfleisch, wenn das<br />

Tier perfekt geschossen, zeitgerecht aufgebrochen, unter hygienischen<br />

Bedingungen fachgerecht zerwirkt wurde und die Reifezeiten eingehalten<br />

wurden. Weiteres Qualitätskriterium bei Wildbret ist ein fein-würziger,<br />

leicht säuerlicher Geruch. Lebrige Gerüche, Ammoniak- oder Schwefelnoten<br />

lassen hingegen darauf schließen, dass hier jemand seinen Job<br />

nicht gemacht hat.<br />

Zu guter Letzt steht auch immer wieder in der Diskussion, ob Fleisch aus<br />

freier Wildbahn gesund (weil frei von Hormonen, Medikamenten und<br />

reich an Spurenelementen) oder gefährlich (weil stärker mit Umweltgiften<br />

belastet und von Mikroorganismen befallen) ist. Leo Aichinger, der gerade<br />

das Wildschweinfilet für sein drittes Gericht an diesem Tag pariert, zieht<br />

eine Augenbraue hoch und atmet tief. „Mehr Freiland und mehr Biofutter,<br />

als ein Reh oder ein Hirsch in einem österreichischen Forst findet, geht<br />

meiner Meinung nach gar nicht. Was unsere Jäger aus dem Wald holen,<br />

ist absolute A-Qualität!“ Jetzt müssten die Köche des Landes nur noch die<br />

große Chance, die dieses hochqualitative Wildfleisch in der heimischen<br />

Küche birgt, erkennen und wahrnehmen.<br />

ES MUSS JA NICHT IMMER WACHOLDER SEIN …<br />

„Wild ist natürlich nicht gleich Wild“, sagt Leo Aichinger. „Es lohnt, sich intensiv<br />

mit den Aromen und Texturen der unterschiedlichen Fleischsorten auseinanderzusetzen,<br />

denn dann erschließen sich einem auch neue Kombinationsmöglichkeiten.“<br />

Was er damit meint: Nichts gegen klassische Wildgewürze<br />

wie Piment, Wacholder, Orange oder Preiselbeere – aber warum nicht mal<br />

eine fruchtige Liaison mit Physalis, Zitrus oder Quitte in Erwägung ziehen?<br />

In Aichingers Variante eines Hirschkalbrückens spielen Fruchtaromen eine<br />

untergeordnete Rolle, dafür sorgt unter anderem eine wohldosierte Prise<br />

knolliger Sauerkleee für eine zitronig-säuerliche Note.<br />

Leo Aichingers Rehschulter ist in der Zwischenzeit unter einem Berg aus Heu<br />

und Salz verschwunden, der Cook2.0-Executive-Chef wirft noch einen letzten<br />

prüfenden Blick auf sein Werk, dann wandert die Schulter in den Ofen. „Das<br />

Gericht könnte man auch mit einer Rehkeule machen“, ergänzt er. „Ich<br />

1<br />

4 HIRSCH IM TOPF IST GUT. HIRSCH<br />

GETROCKNET IST ABER MINDESTENS EBENSO<br />

GUT 5 WILDSCHWEINE, FÜHRENDE BACHEN<br />

AUSGENOMMEN, DÜRFEN IN ÖSTERREICH<br />

DAS GANZE JAHR BEJAGT WERDEN.<br />

4<br />

1<br />

Fotos Feldküche/B.Kovats, Claudio Martinuzzi, Shutterstock<br />

30

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