Quintessenz 03 | 2017 - quintessenz3.pdf
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Am 20. August <strong>2017</strong> bauten 24 internationale<br />
Spitzenköche eine riesige<br />
Freiluftküche im 3-Hauben-gekrönten<br />
"Mühltalhof " von Philip und Helmut<br />
Rachinger auf. Gelinaz! nennt sich<br />
diese elitäre Zusammenkunft der Fine-<br />
Dining-Granden, es galt, drei „Matrix“-<br />
Gerichte, welche die Gastgeber vorgaben,<br />
von den jeweiligen Kochteams zu variieren.<br />
So weit, so spannend. Ganz besonders<br />
spannend war an diesem Abend das,<br />
was das Team René Redzepi, bestehend<br />
aus ebendiesem, Milena Broger, Gabriela<br />
Camara und Felix Schellhorn, am<br />
Ende auf den Teller brachte: in Flechten<br />
gekochte Rehzunge mit frittiertem Moos<br />
und Arbol-Chili-Öl nämlich.<br />
Derlei hoch ambitionierte Wildküche findet<br />
man hierzulande nicht an jeder Ecke – aber<br />
es gibt sie. Und ihre glühendsten und im<br />
Umgang mit Hase, Wildschwein, Reh & Co.<br />
versiertesten Vertreter lehnen sich bei der<br />
Wahl der Wald- und Wiesenbewohner, die<br />
für ihre Gerichte infrage kommen, zusehends<br />
mutig aus dem Fenster. Martin Sieberer aus<br />
01<br />
ROSA GEBRATENE<br />
REHSCHULTER IN<br />
HEU & SALZ<br />
der haubengekrönten „Paznauner Stube“ in<br />
Ischgl hat schon lange ein Faible für Murmeltier,<br />
das er gerne von einem Ravioloteig<br />
„HAUT GOÛT IST<br />
BEI DEN HEUTIGEN<br />
WILDFLEISCHQUALI-<br />
TÄTEN ÜBERHAUPT<br />
KEIN THEMA MEHR!”<br />
COOK2.0-EXECUTIVE-CHEF<br />
LEO AICHINGER<br />
umhüllt serviert. Dominik Flammer huldigt<br />
dem Murmeli in seiner bildgewaltigen Alpenküchenbibel<br />
„Das kulinarische Erbe der<br />
Alpen“ mit einer Kombination aus dreierlei<br />
Zwiebeln und Äpfeln. Philip Rachinger, der<br />
ganz generell weitaus mehr Interesse an<br />
Hase, Reh, Wildschwein und Ente hat als<br />
an einem Rindsvieh, tischte bei der letztjährigen<br />
„Feldküche-Waldwerkstatt“ der<br />
Österreichischen Bundesforste gar Nebelkrähe<br />
auf. Deren Fleisch erinnert geschmacklich<br />
an Taube und ihr Verzehr war in früheren<br />
(und ärmeren) Zeiten durchaus üblich.<br />
KULINARISCHES STIEFKIND<br />
Diese ambitionierten neuen Zugänge zur<br />
Arbeit mit Wildbret in den Top-Küchen<br />
des Landes zeigen eindrucksvoll, welches<br />
Potenzial heimisches Wildfleisch<br />
in der Gourmetküche hat. Im kulinarischen<br />
Bewusstsein vieler Gäste – und in<br />
heimischen Töpfen – führen Reh, Hirsch,<br />
Wildschwein oder Hase aber immer<br />
noch ein Schattendasein, lediglich rund<br />
einen halben Kilo Wildfleisch verzehren<br />
die Österreicher pro Jahr. Zum Vergleich:<br />
40 Kilogramm Schweinefleisch werden pro<br />
Jahr pro Kopf in Österreich gegessen. Worauf<br />
die Skepsis gegenüber dem schmackhaften,<br />
fettarmen und mineralstoffreichen Fleisch<br />
zurückzuführen ist, lässt sich nicht ganz eindeutig<br />
beantworten. Cook2.0-Executive-Chef<br />
Leo Aichinger ist überzeugt, dass dem Wild<br />
in Österreich ein rufschädigender Mix aus<br />
Geschichte und Geschichten anhängt. „Da<br />
wäre erst einmal die Annahme, dass Wildbret<br />
nur im Herbst verfügbar ist, was so ja nicht<br />
ganz richtig ist“, sagt Aichinger. „Natürlich<br />
gibt es jahreszeitliche Einschränkungen. Rehund<br />
Rotwild werden eben nur von Mai bis<br />
Jahresende gejagt, Hase und Fasan<br />
4 PERSONEN | 120 MINUTEN | MITTEL<br />
ZUTATEN 1 REHSCHULTER | 1 KG GROBES SALZ | 2 EIWEISS<br />
2 HANDVOLL FRISCHES BIO-HEU | PFEFFER AUS DER MÜHLE<br />
ZUBEREITUNG Die Rehschulter so gut wie möglich von Sehnen und Silberhaut<br />
befreien. Mit frischem schwarzem Pfeffer aus der Mühle würzen und in einer Pfanne<br />
an allen Seiten kurz scharf anbraten, danach auskühlen lassen. Die Eiweiße in einem<br />
Rührkessel leicht anschlagen und mit dem groben Salz vermengen. Eine Handvoll auf<br />
einem beschichteten Backblech verteilen und darauf etwas Heu legen. Jetzt das<br />
ausgekühlte und trocken getupfte Fleisch auf das Heu legen, mit Heu belegen und<br />
mit der restlichen Salzmasse gut bedecken. Das Rohr auf 150 °C vorheizen und das<br />
eingepackte Reh bis zu einer Kerntemperatur von 58 °C braten. Aus dem Ofen nehmen<br />
und etwa 10 Minuten rasten lassen. Die Salzkruste aufklopfen, das Fleisch in Tranchen<br />
schneiden und (vor dem Gast) anrichten. Als Beilage eignen sich klassische Wildbeilagen,<br />
in diesem Fall Gnocchi Val Varaita in Nussbutter mit Nüssen und Portweinsauce.<br />
TRINKWERK-WEINTIPP<br />
UMATHUM BLAUFRÄNKISCH 2015<br />
ART.-NR. 1935113<br />
2.0<br />
QUINTESSENZ NO. <strong>03</strong>/17<br />
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