COOK2.0 REHSCHULTER PLUS HEU PLUS SALZ ERGIBT EIN AROMATISCHES GESAMTKUNSTWERK, DEM MAN MIT NÜSSEN UND PORTWEIN DEN LETZTEN SCHLIFF VERLEIHEN KANN. Foto Claudio Martinuzzi 28
Am 20. August <strong>2017</strong> bauten 24 internationale Spitzenköche eine riesige Freiluftküche im 3-Hauben-gekrönten "Mühltalhof " von Philip und Helmut Rachinger auf. Gelinaz! nennt sich diese elitäre Zusammenkunft der Fine- Dining-Granden, es galt, drei „Matrix“- Gerichte, welche die Gastgeber vorgaben, von den jeweiligen Kochteams zu variieren. So weit, so spannend. Ganz besonders spannend war an diesem Abend das, was das Team René Redzepi, bestehend aus ebendiesem, Milena Broger, Gabriela Camara und Felix Schellhorn, am Ende auf den Teller brachte: in Flechten gekochte Rehzunge mit frittiertem Moos und Arbol-Chili-Öl nämlich. Derlei hoch ambitionierte Wildküche findet man hierzulande nicht an jeder Ecke – aber es gibt sie. Und ihre glühendsten und im Umgang mit Hase, Wildschwein, Reh & Co. versiertesten Vertreter lehnen sich bei der Wahl der Wald- und Wiesenbewohner, die für ihre Gerichte infrage kommen, zusehends mutig aus dem Fenster. Martin Sieberer aus 01 ROSA GEBRATENE REHSCHULTER IN HEU & SALZ der haubengekrönten „Paznauner Stube“ in Ischgl hat schon lange ein Faible für Murmeltier, das er gerne von einem Ravioloteig „HAUT GOÛT IST BEI DEN HEUTIGEN WILDFLEISCHQUALI- TÄTEN ÜBERHAUPT KEIN THEMA MEHR!” COOK2.0-EXECUTIVE-CHEF LEO AICHINGER umhüllt serviert. Dominik Flammer huldigt dem Murmeli in seiner bildgewaltigen Alpenküchenbibel „Das kulinarische Erbe der Alpen“ mit einer Kombination aus dreierlei Zwiebeln und Äpfeln. Philip Rachinger, der ganz generell weitaus mehr Interesse an Hase, Reh, Wildschwein und Ente hat als an einem Rindsvieh, tischte bei der letztjährigen „Feldküche-Waldwerkstatt“ der Österreichischen Bundesforste gar Nebelkrähe auf. Deren Fleisch erinnert geschmacklich an Taube und ihr Verzehr war in früheren (und ärmeren) Zeiten durchaus üblich. KULINARISCHES STIEFKIND Diese ambitionierten neuen Zugänge zur Arbeit mit Wildbret in den Top-Küchen des Landes zeigen eindrucksvoll, welches Potenzial heimisches Wildfleisch in der Gourmetküche hat. Im kulinarischen Bewusstsein vieler Gäste – und in heimischen Töpfen – führen Reh, Hirsch, Wildschwein oder Hase aber immer noch ein Schattendasein, lediglich rund einen halben Kilo Wildfleisch verzehren die Österreicher pro Jahr. Zum Vergleich: 40 Kilogramm Schweinefleisch werden pro Jahr pro Kopf in Österreich gegessen. Worauf die Skepsis gegenüber dem schmackhaften, fettarmen und mineralstoffreichen Fleisch zurückzuführen ist, lässt sich nicht ganz eindeutig beantworten. Cook2.0-Executive-Chef Leo Aichinger ist überzeugt, dass dem Wild in Österreich ein rufschädigender Mix aus Geschichte und Geschichten anhängt. „Da wäre erst einmal die Annahme, dass Wildbret nur im Herbst verfügbar ist, was so ja nicht ganz richtig ist“, sagt Aichinger. „Natürlich gibt es jahreszeitliche Einschränkungen. Rehund Rotwild werden eben nur von Mai bis Jahresende gejagt, Hase und Fasan 4 PERSONEN | 120 MINUTEN | MITTEL ZUTATEN 1 REHSCHULTER | 1 KG GROBES SALZ | 2 EIWEISS 2 HANDVOLL FRISCHES BIO-HEU | PFEFFER AUS DER MÜHLE ZUBEREITUNG Die Rehschulter so gut wie möglich von Sehnen und Silberhaut befreien. Mit frischem schwarzem Pfeffer aus der Mühle würzen und in einer Pfanne an allen Seiten kurz scharf anbraten, danach auskühlen lassen. Die Eiweiße in einem Rührkessel leicht anschlagen und mit dem groben Salz vermengen. Eine Handvoll auf einem beschichteten Backblech verteilen und darauf etwas Heu legen. Jetzt das ausgekühlte und trocken getupfte Fleisch auf das Heu legen, mit Heu belegen und mit der restlichen Salzmasse gut bedecken. Das Rohr auf 150 °C vorheizen und das eingepackte Reh bis zu einer Kerntemperatur von 58 °C braten. Aus dem Ofen nehmen und etwa 10 Minuten rasten lassen. Die Salzkruste aufklopfen, das Fleisch in Tranchen schneiden und (vor dem Gast) anrichten. Als Beilage eignen sich klassische Wildbeilagen, in diesem Fall Gnocchi Val Varaita in Nussbutter mit Nüssen und Portweinsauce. TRINKWERK-WEINTIPP UMATHUM BLAUFRÄNKISCH 2015 ART.-NR. 1935113 2.0 QUINTESSENZ NO. <strong>03</strong>/17 29