21.09.2017 Aufrufe

Quintessenz 03 | 2017 - quintessenz3.pdf

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

COVERSTORY.<br />

C.<br />

FAMILIENGEFÜHRTE TRADITIONSBETRIEBE SPRIESSEN HEUTZUTAGE NICHT<br />

GERADE WIE PILZE AUS DEM BODEN. DER RESPEKT VOR DEN DYNAMIKEN, DIE<br />

AN DEN FLIESSENDEN GRENZEN ZWISCHEN FAMILIE UND UNTERNEHMEN<br />

WIRKEN KÖNNEN, IST GROSS. FAMILIE ANKER HAT SICH DENNOCH DAZU<br />

ENTSCHLOSSEN, BEI DER FÜHRUNG IHRES GENIESSER-HOTELS „BEIM DRESCH“<br />

GEMEINSAME SACHE ZU MACHEN. IHRE GESCHICHTE IST EIN LEHRSTÜCK<br />

DARÜBER, WIE EIN KUCHEN WACHSEN KANN, DEN MAN ZERTEILT.<br />

Es gibt Fragen, die man Menschen, die<br />

mit ihnen genetisch eng verwandten<br />

anderen Menschen täglich zusammenarbeiten,<br />

einfach stellen muss. Fragen wie:<br />

Gibt es denn da keine Reibereien zwischen<br />

den Eltern und dem Nachwuchs, über die<br />

nächste Speisekarte oder die richtige Tischdekoration<br />

beispielsweise? Und ist man nicht<br />

froh, nach so einem 12-Stunden-Tag gemeinsam<br />

in Küche oder Gastraum, wenn man in<br />

seiner Freizeit auch mal Ruhe von der Familie<br />

hat? Es sind Fragen, auf die man Antworten<br />

wie „Ja, sicher, hin und wieder zanken wir uns<br />

schon“ oder „In unserer Freizeit gehen wir<br />

uns lieber aus dem Weg, wenn wir eh schon<br />

zusammenarbeiten“ erwartet. Weil ja der Grat<br />

zwischen Familienbande und Familienfehde,<br />

so zumindest die weitläufige Vermutung,<br />

meistens ein schmaler ist.<br />

Wer Vicky Anker diese Fragen stellt, kann<br />

sich das Nachbohren sparen, bekommt dafür<br />

aber ein doppeltes, knappes und ziemlich interpretationsuntaugliches<br />

„Nein“ serviert. Im<br />

kleinen Hotel „Beim Dresch“ mit der haubengekrönten<br />

Küche im Tiroler Festspielort Erl<br />

gibt es einfach keine Fehden und keine Fluchten.<br />

Nur fünf Familienmitglieder, die gut und<br />

gerne zusammen an der Zukunft ihres Betriebes<br />

basteln. Und die – man mag es kaum<br />

glauben, bis man es erlebt hat – tatsächlich<br />

in jeder Hinsicht miteinander harmonieren.<br />

Hausgarten ihres Hotels, kichern und streifen<br />

sich ihre Arbeitsschürzen und Dirndln zurecht<br />

fürs Foto. „Alle noch ein wenig müde von gestern!“,<br />

ruft Victoria entschuldigend über den<br />

Gartenzaun. Die Ankers waren am Vortag<br />

nämlich am Berg wandern. „Ganz gewöhnlich<br />

ist es wahrscheinlich nicht, dass wir sogar an<br />

unseren Ruhetagen gemeinsam essen gehen<br />

oder ein paar Tage in Urlaub fahren“, sagt Vicky<br />

Anker ein bisschen später, zurück in der<br />

Küche. „Aber wir verstehen uns halt einfach<br />

gut, und unsere Eltern sind außerdem noch<br />

ziemlich jung. Ich glaub, uns verbindet nicht<br />

nur einfach eine Eltern-Kinder-Beziehung,<br />

sondern auch eine Freundschaft.“<br />

Dieses lockere, freigeistige und gleichzeitig<br />

innige Band zwischen den Ankers hat wohl<br />

dazu beigetragen, dass der Einstieg der Töchter<br />

in den Betrieb niemals von den Eltern forciert<br />

wurde – im Gegenteil. „Die Mama und<br />

der Papa haben das Haus ja quasi selbst über<br />

Nacht übernommen, aus der Not heraus, weil<br />

die Oma sich die Hand gebrochen hatte und<br />

nicht mehr in der Küche sein konnte“, erzählt<br />

Lisa. Karl Ankers Schwiegermutter hatte das<br />

heutige Hotel „Beim Dresch“, das bis 1991 ein<br />

kleines Lebensmittelgeschäft mit einer angeschlossenen<br />

Brotzeitstube war, gemeinsam<br />

mit ihrem Mann aufgebaut und bis zu dem<br />

kleinen, aber entscheidenden Küchenunfall<br />

geführt. Schwiegersohn Karl hatte zu diesem<br />

Zeitpunkt eigentlich andere Pläne, er steckte<br />

gerade mitten im BWL-Studium. „Dann ist<br />

er halt hier zum Handkuss gekommen und<br />

hat sich von der Oma das Kochen beibringen<br />

lassen“, schmunzelt Martina Anker. Seine<br />

Kochlehre hat das Familienoberhaupt niemals<br />

nachgeholt, stattdessen hat er sich gemeinsam<br />

mit seiner Ehefrau auf die Weiterentwicklung<br />

und den Um- und Ausbau des Betriebes konzentriert<br />

und mit dem Start der ersten Festspiele<br />

in Erl vor knapp 20 Jahren seine<br />

FREISEIN IM GEMEINSCHAFTSRAUM<br />

Da stehen also Karl (50), Martina (48), Isabella<br />

(24), Victoria (30) und Lisa (31) im kleinen<br />

12

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!