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Matthias Steup: Gute Musik! Böse Musik? - Eine Bewertung aus biblischer Sicht.

Beeinflusst Musik die Menschen oder ist sie neutral und nur eine Frage des Geschmacks? Hat sie immer einen positiven Einfluss oder kann sie auch schädlich sein? Welche Musik gefällt Gott und welche nicht? Hat die heutige sogenannte Lobpreismusik möglicherweise etwas gemein mit der Beschwörungsmusik heidnischer Rituale? Ist Rock- und Popmusik zum Lob Gottes geeignet? Was unterscheidet den jüdischen bzw. christlichen Gottesdienst von altgriechischen Götterritualen? Diese und ähnliche Fragen werden in diesem Buch behandelt. Es öffnet uns die Augen für Dinge, die wir bisher vielleicht noch nicht so gesehen haben. Matthias Steup ist Oberstudienrat und hat Musik und Englisch studiert und unterrichtet. Während seines Studiums der vergleichenden und historischen Musikwissenschaft beschäftigte er sich viel mit der Musik Bachs und der Rockmusik. Er war von 1976 bis 2001 Posaunenwart beim Gnadauer Posaunenbund. Er ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt im Siegerland.

Beeinflusst Musik die Menschen oder ist sie neutral und nur eine Frage des Geschmacks? Hat sie immer einen positiven Einfluss oder kann sie auch schädlich sein? Welche Musik gefällt Gott und welche nicht? Hat die heutige sogenannte Lobpreismusik möglicherweise etwas gemein mit der Beschwörungsmusik heidnischer Rituale? Ist Rock- und Popmusik zum Lob Gottes geeignet? Was unterscheidet den jüdischen bzw. christlichen Gottesdienst von altgriechischen Götterritualen?

Diese und ähnliche Fragen werden in diesem Buch behandelt. Es öffnet uns die Augen für Dinge, die wir bisher vielleicht noch nicht so gesehen haben.

Matthias Steup ist Oberstudienrat und hat Musik und Englisch studiert und unterrichtet. Während seines Studiums der vergleichenden und historischen Musikwissenschaft beschäftigte er sich viel mit der Musik Bachs und der Rockmusik. Er war von 1976 bis 2001 Posaunenwart beim Gnadauer Posaunenbund. Er ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt im Siegerland.

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<strong>Matthias</strong> <strong>Steup</strong><br />

<strong>Gute</strong> <strong>Musik</strong>!<br />

<strong>Böse</strong> <strong>Musik</strong>?<br />

<strong>Eine</strong> <strong>Bewertung</strong> <strong>aus</strong> <strong>biblischer</strong> <strong>Sicht</strong>


<strong>Gute</strong> <strong>Musik</strong>! – <strong>Böse</strong> <strong>Musik</strong>?<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Steup</strong><br />

<strong>Eine</strong> <strong>Bewertung</strong> <strong>aus</strong> <strong>biblischer</strong> <strong>Sicht</strong>


2., erweiterte Auflage 2017<br />

© 2015, 2017 by <strong>Matthias</strong> <strong>Steup</strong>, Neunkirchen<br />

Verlag: Betanien Verlag<br />

Imkerweg 38 | 32832 Augustdorf<br />

Kontakt info@betanien.de | Shop www.cbuch.de<br />

Umschlaggestaltung: Sara Pieper<br />

Satz & Notengrafik: <strong>Matthias</strong> <strong>Steup</strong><br />

Druck: Druckh<strong>aus</strong> Nord, Bremen<br />

ISBN: 978-3-945716-42-7


VORWORT<br />

Ich wollte alle Künste, sonderlich die <strong>Musik</strong>, gern<br />

sehen im Dienste deß, der sie gegeben und geschaffen<br />

hat. Die Religion der Christen ist eine fröhliche<br />

Religion; denn Gott hat unser Herz fröhlich gemacht<br />

durch seinen Sohn. Wer solches mit Ernst glaubt, der<br />

kann’s nicht lassen, er muß fröhlich und mit Lust<br />

davon singen und sagen, daß es Andere auch hören<br />

und herzukommen. 1<br />

Und ich urtheile grade <strong>aus</strong>, bedenke mich auch nicht<br />

zu behaupten, daß nach der Theologie keine Kunst<br />

der <strong>Musik</strong> gleichzusetzen sey. 2<br />

Martin Luther<br />

<strong>Musik</strong> ist etwas Wunderbares. <strong>Musik</strong> ist eine Gabe Gottes. Er<br />

hat uns die Fähigkeit zum Musizieren gegeben. Wir dürfen nicht<br />

nur singen und spielen – jeder nach seinen Möglichkeiten – wir<br />

sollen singen und spielen, denn er will es so. <strong>Musik</strong> ist nicht<br />

schmückendes Beiwerk im Gottesdienst, sie ist fester Bestandteil.<br />

Das Lob Gottes steht gleichwertig neben Predigt, Gebet und<br />

Opfer.<br />

1 Martin Luther u. a.: Dr. Martin Luther’s Gedanken über die <strong>Musik</strong>: Zur Beförderung<br />

des Kirchengesangs <strong>aus</strong> dessen Werken gesammelt, und mit Anmerkungen<br />

und Beilagen begleitet. Berlin: E.S. Mittler, 1825, S. 22.<br />

2 Martin Luther zitiert nach Johann Immanuel Müller: Dr. Martin Luther’s<br />

Verdienste um die <strong>Musik</strong>, nebst einem Verzeichnisse der von demselben componirten<br />

geistlichen Lieder. Erfurt 1817, S. 22-23.<br />

5


Was ist Gottesdienst? Zum einen ist er die sonntägliche Versammlung,<br />

in der Gläubige zusammenkommen. Sie singen Lieder,<br />

verfolgen aufmerksam verschiedene Beiträge anderer Gemeindeglieder<br />

(beispielsweise Lesungen oder Chorlieder), hören<br />

eine Predigt und geben einen gewissen Geldbetrag in die Kollekte.<br />

Zum anderen gehört auch das tägliche Leben des Gläubigen<br />

zum Gottesdienst. Das ganze Leben eines Christen soll Gott<br />

dienen.<br />

Gottesdienst soll Gott loben und sein Evangelium bekannt<br />

machen. Loben und Verkündigen geschieht nicht nur durch das<br />

Wort, sondern auch durch <strong>Musik</strong>.<br />

Jedoch – nicht jede Art von <strong>Musik</strong> ist für die Verwendung im<br />

Gottesdienst geeignet.<br />

„Hoppla“, wird jetzt mancher denken, „Was ist denn das?“<br />

Müssen wir nicht die Leute mit dem Evangelium erreichen?<br />

Müssen wir dabei nicht versuchen, ihren Geschmack zu treffen,<br />

sie locken und so für die Sache Jesu begeistern? Sollten wir nicht<br />

alles tun, um so viel Menschen wie möglich zu retten?<br />

Bei diesen Fragen fällt auf, dass der Mensch im Zentrum der<br />

Aufmerksamkeit steht, nicht Gott. Christen, die Nichtchristen<br />

erreichen möchten, fragen sich oft, was bei diesen am besten ankommt.<br />

Sollten sie sich nicht erst einmal fragen, was Gott will?<br />

Ist dieser barmherzige, gnädige Gott nicht so unendlich viel größer<br />

als der Mensch? In der Bibel, besonders im Alten Testament,<br />

gibt es genügend Beispiele, wo Menschen in vermeintlich guter<br />

Absicht gehandelt haben, ohne vorher Gott nach seinem Willen<br />

zu fragen. 3 Trauen wir es Gott noch zu, dass er allein durch<br />

sein Wort wirkt, ohne einen besonderen Köder als zusätzliches<br />

Lockmittel?<br />

Führen gute Absichten wirklich immer zu den gewünschten<br />

Ergebnissen? Kommen mehr Menschen zu echtem Glauben an<br />

3 In 4.Mose 14,39–45 wird berichtet, dass das Volk Israel nach Kanaan<br />

hinaufziehen wollte, nachdem es seine Sünde der Auflehnung gegen Mose und<br />

Aaron bereut hatte. Sie treten in guter Absicht in Aktion, trotz Moses Warnung.<br />

Ihr eigenmächtiges Handeln endet in einer vernichtenden Niederlage durch<br />

die Amalekiter und Kanaaniter.<br />

6


Jesus Christus, wenn man die Botschaft mit Popmusik vermittelt<br />

und umrahmt?<br />

Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass <strong>Musik</strong> nur ein Gefäß oder<br />

ein Träger einer Botschaft sei. Nein, <strong>Musik</strong> ist nicht Gefäß für<br />

einen Inhalt, sie ist Inhalt, sie ist wie eine gute oder schlechte<br />

Nahrung für die Seele, sie kann sogar Gift für die Seele sein. Die<br />

Wirkung von <strong>Musik</strong> geschieht meist unbewusst. Sie spricht die<br />

Seele des Menschen an, viel unmittelbarer als es Worte können.<br />

Das Thema ist spannend. Im folgenden Buch soll versucht<br />

werden, den Willen Gottes in Bezug auf die <strong>Musik</strong> zu ergründen.<br />

Da wir heute Gott nicht persönlich fragen können wie die<br />

Propheten des Alten Testaments, müssen wir auf seine einzige<br />

vorliegende Willensbekundung zurückgreifen, die Bibel. Es ist<br />

hochinteressant, her<strong>aus</strong>zufinden, was sie uns in Bezug auf die<br />

<strong>Musik</strong> sagt.<br />

Das vorliegende Buch kann man von vorne nach hinten lesen.<br />

Man kann die einzelnen Kapitel auch in beliebiger Reihenfolge<br />

lesen, da sie in sich abgeschlossene Themen behandeln. Die<br />

Querverweise in den Fußnoten geben Seiten an, auf denen ein<br />

Begriff zum ersten Mal erläutert wurde. So kann man immer<br />

noch einmal nachlesen, wenn man etwas vergessen hat.<br />

In diesem Buch werden viele <strong>Musik</strong>beispiele erläutert. Leider<br />

ist es <strong>aus</strong> verschiedenen Gründen nicht möglich, diese dem<br />

Leser etwa in Form einer CD zur Verfügung zu stellen. Man<br />

findet jedoch fast alle <strong>Musik</strong>beispiele bei der Internetplattform<br />

„Youtube“. Sobald ein <strong>Musik</strong>beispiel in diesem Buch zum ersten<br />

Mal erwähnt wird, werden entsprechende Suchbegriffe für „Youtube“<br />

in einer Fußnote angegeben, so dass der Leser sie leicht<br />

finden kann.<br />

Ich versuche, Sachverhalte möglichst verständlich darzustellen.<br />

Sollte es dennoch vorkommen, dass der Leser den einen<br />

oder anderen Satz nicht versteht – schließlich hat nicht jeder<br />

<strong>Musik</strong>wissenschaft studiert – ist das für das Gesamtverständnis<br />

nicht weiter schlimm. Die folgende Strategie hat beim Lesen<br />

schwieriger Texte schon oft geholfen: Erst einmal, einfach weiterlesen!<br />

7


Zur Erstellung dieses Buches habe ich folgende gemeinfreie 4<br />

Software verwendet:<br />

• Das Textsatzprogramm „MiKTEX“,<br />

• das Notensatzprogramm „Lilypond“,<br />

• das Vektorgrafikprogramm „Inkscape“.<br />

Alle Programme können frei heruntergeladen werden.<br />

November 2015, <strong>Matthias</strong> <strong>Steup</strong><br />

ERGÄNZUNG ZUR ZWEITEN AUFLAGE<br />

Die zweite Auflage dieses Buches enthält ein weiteres Kapitel<br />

(Kapitel 5), welches die unterschiedlichen Haltungen Zwinglis<br />

und Luthers zur <strong>Musik</strong> darstellt. Diese beiden Reformatoren<br />

haben die Art, wie Christen über <strong>Musik</strong> im Gottesdienst denken,<br />

nachhaltig beeinflusst. Bei der Darstellung ihrer Standpunkte<br />

lässt es sich nicht vermeiden, dass neben <strong>Musik</strong>alischem auch<br />

Theologisches betrachtet werden muss.<br />

In Kapitel 8 wurden zwei weitere Lieder aufgenommen, „Vergiss<br />

es nie“ von Jürgen Werth und „Die Gott lieben, werden sein<br />

wie die Sonne“ von Peter Strauch.<br />

Im gesamten Buch wurden an verschiedenen Stellen Gedanken<br />

hinzugefügt.<br />

Mein besonderer Dank gilt Roland Sckerl, Bernhard Kaiser<br />

und Benedikt Peters, die mir wertvolle Hinweise lieferten. Des<br />

Weiteren möchte ich mich bei meiner Frau bedanken, die mich<br />

beim Korrekturlesen tatkräftig unterstützte.<br />

August 2017, <strong>Matthias</strong> <strong>Steup</strong><br />

4 Vergl. https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeinfreiheit<br />

8


INHALTSVERZEICHNIS<br />

1 EINLEITUNG 13<br />

1.1 Kann man <strong>Musik</strong> überhaupt beurteilen? . . . . . . 13<br />

1.2 Kriterien zur rechten Verwendung von <strong>Musik</strong> . . 14<br />

1.3 Wie man <strong>Musik</strong> richtig beurteilt . . . . . . . . . . . 16<br />

1.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

2 WAS DIE BIBEL ÜBER MUSIK SAGT 19<br />

2.1 <strong>Musik</strong> in christlichen Versammlungen . . . . . . . 19<br />

2.2 Der Auftrag Gottes: Singet und spielet ihm . . . . 20<br />

2.3 Wie Gott gelobt werden will . . . . . . . . . . . . . 21<br />

2.3.1 Lob als Spiegel von Gottes Taten . . . . . . 21<br />

2.3.2 Tägliches Lob . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

2.3.3 Qualitätsbewusstes Lob . . . . . . . . . . . 25<br />

2.4 <strong>Musik</strong> soll nüchtern sein . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

2.5 <strong>Musik</strong> ist ewig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

2.6 <strong>Musik</strong> ist Ausdruck des Glaubens . . . . . . . . . 26<br />

2.7 <strong>Musik</strong> ist Ausdruck der Dankbarkeit . . . . . . . . 27<br />

2.8 <strong>Musik</strong> ist Ausdruck der Freude . . . . . . . . . . . 27<br />

2.9 <strong>Musik</strong> kann befreiend sein . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

2.10 Rockmusik in der Bibel? . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

2.11 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

3 WIE MUSIK ZU UNS SPRICHT UND UNS BEEINFLUSST 31<br />

3.1 Wor<strong>aus</strong> besteht <strong>Musik</strong>? . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

3.2 Sprache und <strong>Musik</strong> drücken Inhalte <strong>aus</strong> . . . . . . 33<br />

3.3 <strong>Musik</strong> ist nicht wertneutral . . . . . . . . . . . . . 33<br />

3.4 Die <strong>Musik</strong> gesprochener Sprache . . . . . . . . . . 36<br />

3.4.1 Betonung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

9


Inhaltsverzeichnis<br />

3.4.2 Rhythmus und Klangfarbe . . . . . . . . . 37<br />

3.4.3 Alliterationen und Assonanzen . . . . . . . 40<br />

3.4.4 <strong>Musik</strong>alische Elemente in der Bibelübersetzung<br />

Martin Luthers . . . . . . . . . . . 41<br />

3.5 Wort und <strong>Musik</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

3.6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . 45<br />

4 AUSSAGEN VON MUSIK – ABENDLÄNDISCHE MUSIK 47<br />

4.1 Johann Sebastian Bach . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

4.1.1 Die evangelisch-lutherische <strong>Musik</strong>auffassung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

4.1.2 Predigt in Tönen . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

4.1.3 <strong>Musik</strong> macht etwas Abstraktes real . . . . 57<br />

4.1.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . 57<br />

4.2 Ludwig van Beethoven . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

4.2.1 Absolute <strong>Musik</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

5 LUTHER UND ZWINGLI 67<br />

5.1 Zwingli und die <strong>Musik</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

5.1.1 Zwinglis Neuplatonismus . . . . . . . . . . 71<br />

5.1.2 Zwinglis Verbindung von <strong>Musik</strong> und Sünde 82<br />

5.2 Luther und die <strong>Musik</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />

5.2.1 Luther und „weltliche“ <strong>Musik</strong> . . . . . . . 87<br />

5.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

6 AUSSAGEN VON MUSIK – ROCK- UND POPMUSIK 93<br />

6.1 Trance, Ekstase, Hypnose . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

6.1.1 Erzeugung von Trance: Verlust von Orientierung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98<br />

6.1.2 Kognitiver Verarbeitungsanspruch . . . . . 102<br />

6.1.3 Aktives und passives Hören . . . . . . . . . 104<br />

6.1.4 Glaube, Trance, Ekstase . . . . . . . . . . . 104<br />

6.2 Eskapismus, Daseinsflucht . . . . . . . . . . . . . . 107<br />

6.3 Trancemusik – geschichtliche Hintergründe . . . . 112<br />

6.4 Auflösung von Ordnung – Rebellion . . . . . . . . 115<br />

6.5 Wirkungen auf das Gehirn . . . . . . . . . . . . . . 116<br />

10


Inhaltsverzeichnis<br />

6.6 Außermusikalische Elemente . . . . . . . . . . . . 120<br />

6.7 Die Stimme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />

6.8 Primärkomponenten, Sekundärkomponenten . . . 125<br />

6.9 <strong>Musik</strong> und Gefühl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126<br />

7 GUTE MUSIK – BÖSE MUSIK 129<br />

8 BEISPIELE FÜR MUSIK DES FRIEDENS UND REIZMUSIK 135<br />

8.1 <strong>Musik</strong>alische Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . 135<br />

8.2 Rolling Stones: I’m Alright . . . . . . . . . . . . . . 137<br />

8.2.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . 138<br />

8.3 Chuck Berry: Roll Over Beethoven . . . . . . . . . 138<br />

8.3.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . 141<br />

8.4 Jürgen Werth/Paul Janz: Vergiss es nie . . . . . . . 141<br />

8.5 Die Gott lieben, werden sein . . . . . . . . . . . . . 143<br />

8.6 Albert Frey: Jesus, berühre mich . . . . . . . . . . 144<br />

8.6.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . 148<br />

8.7 Taizé Kommunität: Laudate Dominum . . . . . . . 148<br />

8.8 Ich danke meinem Gott . . . . . . . . . . . . . . . . 149<br />

8.9 Über alles andere (deutsche Version) . . . . . . . . 151<br />

8.9.1 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152<br />

8.9.2 Melodie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />

8.9.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . 155<br />

8.10 Du meine Seele singe . . . . . . . . . . . . . . . . . 156<br />

8.10.1 Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157<br />

8.10.2 Melodie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159<br />

8.11 Die Gnade unsers HErrn . . . . . . . . . . . . . . . 163<br />

9 SCHLUSS 167<br />

LITERATUR 168<br />

STICHWORTVERZEICHNIS 177<br />

11


KAPITEL 1<br />

EINLEITUNG<br />

1.1 KANN MAN MUSIK ÜBERHAUPT BEURTEILEN?<br />

Heutzutage wird kaum noch darüber nachgedacht, welche <strong>Musik</strong><br />

zum Lob Gottes und zur Verkündigung des Evangeliums<br />

geeignet ist. Vielleicht gibt es noch hier und da Menschen, die<br />

sich mit dieser Frage beschäftigen, jedoch ist sie für die breite<br />

Masse der Gläubigen zweitrangig. Es hat in der Vergangenheit<br />

etliche Auseinandersetzungen um diese Frage gegeben, es gab<br />

leidenschaftliche Plädoyers sowohl für als auch gegen bestimmte<br />

<strong>Musik</strong>richtungen. Beide Seiten führten dafür viele Gründe<br />

an. Betrachtet man jedoch die Argumente, die für oder gegen<br />

eine <strong>Musik</strong>richtung ins Feld geführt wurden, so wird klar, dass<br />

die meisten von ihnen nicht die Eigenschaften der <strong>Musik</strong> selbst<br />

sowie deren Wirkungen untersuchen, sondern eher die <strong>Musik</strong>er<br />

und deren Lebenswandel und die Textinhalte der Lieder. So<br />

wird beispielsweise von Gegnern der Rockmusik darauf hingewiesen,<br />

dass Rockmusiker oft okkult gebunden sind und dass<br />

nicht wenige von ihnen ein <strong>aus</strong>schweifendes und über<strong>aus</strong> sündiges<br />

Leben führen. Ähnliche Argumente gibt es auch gegen<br />

Komponisten klassischer <strong>Musik</strong>. Als Argument gegen die <strong>Musik</strong><br />

Wolfgang Amadeus Mozarts wird etwa angeführt, dass er Freimaurer<br />

gewesen sei. Befürworter christlicher Rockmusik weisen<br />

auf das Glaubensleben und die Integrität der <strong>Musik</strong>er hin. Dieses<br />

legitimiere auch ihre <strong>Musik</strong>. Bei dieser Herangehensweise<br />

wird jedoch die <strong>Musik</strong> mit ihren jeweiligen spezifischen Merkmalen<br />

außer Acht gelassen. Ist <strong>Musik</strong> wertneutral oder hat sie<br />

13


Kapitel 1 Einleitung<br />

Eigenschaften, die sie an sich wertvoll, wertlos oder gar schädlich<br />

machen? Ist ein Choral nicht mehr geistliche <strong>Musik</strong>, wenn<br />

er von einem Ungläubigen gesungen wird? Wird Heavy Metal<br />

zu guter <strong>Musik</strong>, wenn er von einer Band gespielt wird, die <strong>aus</strong><br />

lauter Christen besteht? Übertragen wir einmal diese Fragen<br />

auf einen alltäglichen Lebenszusammenhang: Wenn wir beim<br />

Bäcker Brötchen kaufen, dann fragen wir nicht danach, ob diese<br />

von einem gläubigen oder ungläubigen Bäcker gebacken worden<br />

sind. Es kommt uns darauf an, dass die Brötchen und deren<br />

Zutaten von guter Qualität sind. <strong>Gute</strong> Brötchen sind gut, egal<br />

ob sie von einem gläubigen oder ungläubigen Bäcker gebacken<br />

worden sind. 1<br />

Es ist auch nicht wichtig, auf welchen Instrumenten <strong>Musik</strong><br />

gespielt wird. Manche verteufeln zum Beispiel das Schlagzeug.<br />

Gut, man könnte gegen das Schlagzeug einwenden, dass es sehr<br />

laut ist und bei unsachgemäßem Gebrauch das Gehör schädigt.<br />

Das trifft aber auch auf andere <strong>Musik</strong>instrumente zu. Das Schlagzeug<br />

oder die E-Gitarre sind nicht per se böse. Ein Messer, zum<br />

Beispiel, ist auch nicht an sich böse. Man kann mit ihm Tomaten<br />

schneiden oder einen Menschen ermorden. Es wird durch das<br />

gut oder böse, was man mit ihm macht. Das trifft auch auf die<br />

<strong>Musik</strong>instrumente zu. Ein Instrument ist nicht an sich gut oder<br />

schlecht, sondern das, was man auf ihm spielt.<br />

Dieses Buch soll helfen, <strong>Musik</strong> anhand ihrer selbst zu beurteilen.<br />

<strong>Musik</strong> hat objektiv beschreibbare Eigenschaften und Wirkungen.<br />

Sie sagt etwas <strong>aus</strong>. Sie kann Inhalte vermitteln, die direkt<br />

ins Unterbewusstsein gehen. Sie beeinflusst den Menschen. Wie<br />

das geschieht, soll im Folgenden untersucht werden.<br />

1.2 KRITERIEN ZUR RECHTEN VERWENDUNG VON MUSIK<br />

Die Bibel gibt uns Kriterien, wie wir Gott loben – und wie wir<br />

singen und spielen sollen. Manche dieser Kriterien passen viel-<br />

1 Vergl. Walter Kohli: Rockmusik und christliche Lebenshaltung. Genf: Verlag<br />

„Das H<strong>aus</strong> der Bibel“, 1981, S. 146.<br />

14


1.2 Kriterien zur rechten Verwendung von <strong>Musik</strong><br />

leicht nicht in das Denken unserer Zeit. Der Maßstab für richtiges<br />

Denken und Handeln darf jedoch nicht der Zeitgeist sein, sondern<br />

allein das Wort Gottes. Dieses Wort sagt Einiges über <strong>Musik</strong><br />

<strong>aus</strong>, das für uns neu und interessant sein mag, aber schon seit<br />

t<strong>aus</strong>enden Jahren von Gott offenbart ist.<br />

Die folgenden Thesen bilden die Diskussionsgrundlage des<br />

Buches und sollen im Verlauf desselben anhand der Bibel und<br />

musikwissenschaftlicher Erkenntnisse begründet werden.<br />

1. Musizieren ist ein Gebot Gottes. Wir dürfen nicht nur, wir<br />

sollen Gott mit Gesang, Instrumentalmusik und Dichtung<br />

ehren. Gott will nicht, dass unsere Gottesdienste steif und<br />

freudlos sind. Sie sollen Ausdruck von echter Freude sein.<br />

Was eignet sich dazu besser als <strong>Musik</strong>?<br />

2. Die Freude der Welt ist eine andere als die Freude der<br />

Kinder Gottes.<br />

3. Die Bibel gibt uns klare Anweisungen wie die <strong>Musik</strong> sein<br />

soll, die Gott gefällt.<br />

4. Nicht jede Art von <strong>Musik</strong> ist zum Lob Gottes geeignet, sie<br />

muss bestimmten Leitlinien folgen. Diese Leitlinien lassen<br />

sich <strong>aus</strong> Gottes Wort ableiten.<br />

5. <strong>Musik</strong> sagt etwas <strong>aus</strong> – unabhängig von Text oder Programm.<br />

Sie ist nicht Gefäß für eine Botschaft, sie selbst ist<br />

Botschaft. Sie wirkt, sie ist nicht wertneutral.<br />

6. <strong>Musik</strong> hat objektiv beschreibbare Eigenschaften und Wirkungen.<br />

Die Beurteilung von <strong>Musik</strong> ist nur am Rande eine<br />

Frage des Geschmacks.<br />

7. Die uns heute in allen Lebenszusammenhängen begegnende<br />

und beherrschende Rock- und Popmusik ist zum Lob<br />

Gottes weitgehend ungeeignet. Wir sollten sie im Alltag<br />

wie auch im Gottesdienst – wenn möglich – vermeiden. Es<br />

gibt eine wahre Fülle von guter <strong>Musik</strong> als Alternative.<br />

15


Kapitel 1 Einleitung<br />

Vielleicht mag jetzt der eine oder andere Leser die Stirn runzeln<br />

und sich fragen, wie man so etwas behaupten kann. Ich<br />

möchte diese Behauptungen nicht nur einfach aufstellen, sondern<br />

auch begründen. Das geht nicht in einem Satz, man muss<br />

schon in die Tiefe gehen.<br />

1.3 WIE MAN MUSIK RICHTIG BEURTEILT<br />

Um einen Gegenstand oder Sachverhalt zu verstehen, muss man<br />

ihn erst einmal genau beschreiben. Die Beschreibung einer Sache<br />

öffnet in vielen Fälle die Tür zum Verstehen dieser Sache.<br />

Dies ist immer auch dann eine gute Methode, wenn eine Frage<br />

strittig ist. Man sollte sich nicht darüber streiten, wie man<br />

eine Sache subjektiv wahrnimmt, sondern wie sie objektiv ist.<br />

Wenn ich zum Beispiel weiß, dass ein Schokoriegel 11% Zucker<br />

enthält, dann brauche ich nicht mehr darüber zu streiten, wie<br />

ich den Schokoriegel persönlich wahrnehme. Ich habe nur eine<br />

objektive Eigenschaft des Schokoriegels beschrieben. Jeder wird<br />

einsehen, dass zu viel davon bei nicht <strong>aus</strong>reichender körperlicher<br />

Betätigung ungesund ist. Dann stellt sich in der Regel auch<br />

die Einsicht ein, dass dieser Schokoriegel, welchen ich aufgrund<br />

seines Geschmacks und Aussehens mag, vielleicht doch nicht so<br />

gut für mich ist. Das Urteil über eine Sache sollte nicht nur von<br />

der persönlichen Wahrnehmung abhängen, sondern auch von<br />

einem gründlichen Wissen über diese Sache. Der gläubige Christ<br />

weiß darüber hin<strong>aus</strong>, dass er beim Urteil über gut und schlecht<br />

nicht die letzte Instanz ist. Er weiß, dass es einen Gott gibt, der<br />

Maßstäbe setzt.<br />

1.4 ZUSAMMENFASSUNG<br />

<strong>Musik</strong> wird oft als wertneutral angesehen. Sie ist angeblich Trägerin<br />

oder Verpackung des Wortes oder eine schöne Beigabe<br />

zum Gottesdienst, die zwar wünschenswert, jedoch nicht unbedingt<br />

notwendig ist. Das stimmt aber nicht. Das vorliegende<br />

16


1.4 Zusammenfassung<br />

Buch soll auch ein Versuch sein, den wahren Stellenwert der<br />

<strong>Musik</strong> in unseren Gottesdiensten und Versammlungen bewusst<br />

zu machen.<br />

In den folgenden Ausführungen sollen Eigenschaften der <strong>Musik</strong><br />

und deren Eignung für Gottesdienst und Verkündigung des<br />

Evangeliums im Mittelpunkt stehen. Es soll im Wesentlichen<br />

nicht untersucht werden, ob <strong>Musik</strong> gut oder böse ist, weil sie<br />

von gläubigen oder ungläubigen <strong>Musik</strong>ern gemacht wird oder<br />

weil ihr ein guter oder schlechter Liedtext zugrunde liegt. Die<br />

zentrale Frage soll sein, ob und wie verwendete <strong>Musik</strong> Gott ehrt<br />

und sein Wort unterstreicht.<br />

17


KAPITEL 2<br />

WAS DIE BIBEL ÜBER MUSIK SAGT<br />

2.1 MUSIK IN CHRISTLICHEN VERSAMMLUNGEN<br />

In den Versammlungen von Christen spielt <strong>Musik</strong> eine wesentliche<br />

Rolle. Bei den sonntäglichen Stunden von Pietisten werden<br />

Choräle und Lieder gesungen. In Jugendstunden werden neue und<br />

ältere Jugendlieder gesungen. In charismatischen Gottesdiensten<br />

werden Anbetungslieder gesungen. Zu Beginn eines Gottesdienstes<br />

der evangelischen Kirche spielt der Organist ein Präludium<br />

von Bach. Jugendliche besuchen ein Konzert mit christlicher Popmusik.<br />

In evangelischen und katholischen Gottesdiensten wird<br />

gemeinsam eine Liturgie gesungen. In einem freikirchlichen Gottesdienst<br />

kommt eine Violinsonate von Telemann zu Gehör. Diese<br />

Aufzählung verdeutlicht die Vielfalt christlicher <strong>Musik</strong> und<br />

christlicher Versammlungen unter unterschiedlichen organisatorischen<br />

Dächern. Es ist jedoch nicht möglich, die eine oder andere<br />

<strong>Musik</strong>richtung einer bestimmten Glaubensrichtung zuzuordnen.<br />

Diese Glaubensrichtungen unterscheiden sich oft in wichtigen<br />

Fragen (zum Beispiel Kindertaufe, freier oder unfreier Wille des<br />

Menschen, die Rolle Marias, die Stellung eigener Werke etc.),<br />

hinsichtlich der <strong>Musik</strong> bei ihren Veranstaltungen kann aber viel<br />

Gemeinsames gefunden werden. Die Frage nach der richtigen<br />

<strong>Musik</strong> ist für die meisten Christen nicht etwas, das sie trennt. 1<br />

1 Dies ist nicht immer so. Der Autor kennt eine Gemeinde, in der es zu einer<br />

Spaltung kam, weil eine Rockband des Jugendkreises in den sonntäglichen<br />

Gottesdiensten spielen wollte.<br />

19


Kapitel 2 Was die Bibel über <strong>Musik</strong> sagt<br />

Man sollte die Auseinandersetzung um diese Fragen nicht scheuen.<br />

Ein Christ geht nicht verloren, weil er Rockmusik hört. Er<br />

sollte sich dennoch fragen lassen, ob sein Verhalten Jesus gefällt<br />

und ob diese <strong>Musik</strong> den Heiligen Geist dämpft. 2 Er sollte sich<br />

auch darüber klar werden, welche geistigen Mächte (Wirkungen)<br />

hinter dieser <strong>Musik</strong> stehen. Veranstalter von Jugendevangelisationen<br />

sollten sich fragen, ob Predigten, die in die von Rockmusik<br />

aufgeheizten Gemüter der Jugendlichen gehen, die Frucht<br />

bringen können, die der Heilige Geist wirken möchte.<br />

2.2 DER AUFTRAG GOTTES: SINGET UND SPIELET IHM<br />

Singet und spielet ihm; dichtet von allen seinen Wundern!<br />

(1.Chr 16,9)<br />

In diesem Vers – und in vielen anderen 3 – wird der Gemeinde<br />

aufgetragen, Gott mit Lied und Dichtung zu loben. Singen und<br />

spielen ist nicht etwas Optionales. „Singet und spielet ihm“ ist<br />

ein Imperativ. Diese Aufforderung ist gleichzusetzen mit der<br />

Aufforderung das Evangelium zu predigen, zu taufen oder das<br />

Abendmahl zu halten. Hier wird deutlich, dass die <strong>Musik</strong> im<br />

Leben der Gemeinde und des Gläubigen keine Nebensache ist.<br />

Sie hat denselben Stellenwert, wie Predigt, Abendmahl und Taufe.<br />

Gott selbst hat es durch sein Wort angeordnet. Dar<strong>aus</strong> folgt<br />

ebenso, dass es falsch ist, <strong>Musik</strong> als etwas Fleischliches abzutun,<br />

das die Gemeinde vom Wesentlichen abhält. 4 <strong>Musik</strong> soll<br />

nicht nur Beiwerk zum Gottesdienst sein, sondern als Lob Gottes<br />

gleichberechtigt neben anderen Elementen in ihm stehen. Dies<br />

ist im traditionellen evangelischen Gottesdienst mit Orgelspiel,<br />

Liturgie und mehreren Gemeindeliedern bereits verwirklicht.<br />

2 Vergl. 1.Thess 5,19.<br />

3 Vergl. 4.Mose 21,17, Ri 5,10, 1.Chr 16,23, Ps 33, Ps 57, Ps 68,5, Ps 68,33,<br />

Ps 81,2, Ps 92, Ps 96, Ps 98, Ps 105,2, Ps 147,7, Ps 149,1, Ps 150, Jes 23,16, Jes 42,10,<br />

Jer 20,13, Eph 5,19, Apg 16,25–26, Jak 5,13.<br />

4 Vergl. S. 82<br />

20


2.3 Wie Gott gelobt werden will<br />

In vielen pietistischen Gemeinschaftsstunden könnte hingegen<br />

durch<strong>aus</strong> mehr <strong>Musik</strong> vorkommen.<br />

<strong>Eine</strong> der wichtigsten Funktionen der Schöpfung Gottes ist es,<br />

ihn zu loben. 5 Jeder kann erkennen, wie gut diese Schöpfung gemacht<br />

ist. Wir genießen sie, indem wir uns in der Natur erholen,<br />

von den Bergen fasziniert sind oder das Meer bestaunen. Der<br />

Naturwissenschaftler erkennt noch mehr als der Laie, wie komplex<br />

und genial die Natur geschaffen ist. Es ist ein besonderes<br />

Privileg des Menschen, dass er dies erkennen kann und selbst<br />

schöpferisch tätig werden darf, um zum Lob Gottes beizutragen.<br />

Die Begabung dazu ist zwar unterschiedlich, aber doch erstaunlich<br />

groß. Wir dürfen Begabungen nicht kleinreden, weder bei<br />

uns selbst noch bei anderen. Der Mensch ist als Ebenbild Gottes<br />

geschaffen. In dieser Ebenbildlichkeit hat er die Fähigkeit zu<br />

schöpferischem Tun. Diese Fähigkeit ist zwar nur ein äußerst<br />

schwacher Abglanz dessen, was Gott schaffen kann, aber sie<br />

kann dennoch Großes hervorbringen. Man denke nur einmal<br />

an technische Errungenschaften oder große Kunstwerke. Die<br />

Fähigkeit, Neues zu gestalten, unterscheidet den Menschen vom<br />

Tier.<br />

2.3 WIE GOTT GELOBT WERDEN WILL<br />

2.3.1 LOB ALS SPIEGEL VON GOTTES TATEN<br />

<strong>Musik</strong> soll zum Lob, zur Verherrlichung und zum Ruhm von<br />

Gottes Taten dienen. <strong>Musik</strong> kann an Gott gerichtet sein, sie kann<br />

aber auch an den Menschen gerichtet sein. Dies muss näher erläutert<br />

werden. Wir kennen die Begriffe „Geistliche <strong>Musik</strong>“ und<br />

„Weltliche <strong>Musik</strong>“. Hier haben wir einen Begriff (geistlich) und<br />

seinen Gegenbegriff (weltlich). Die Begriffe „Geistliche <strong>Musik</strong>“<br />

und „Weltliche <strong>Musik</strong>“ sind allerdings nicht deckungsgleich mit<br />

den Begriffen „geistlich“ und „weltlich“ in der Bibel. Ein großer<br />

Teil der „weltlichen“ klassischen <strong>Musik</strong> kann durch<strong>aus</strong> als ein<br />

5 Vergl. Ps 8,2 und Ps 148.<br />

21


Kapitel 2 Was die Bibel über <strong>Musik</strong> sagt<br />

Spiegelbild der Größe Gottes betrachtet werden. Große Werke<br />

der klassischen <strong>Musik</strong> werden leider oft zum Anlass genommen,<br />

die Größe des Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, anstatt<br />

auf den hinzuweisen, der den Menschen geschaffen und dazu<br />

begabt hat, Großes zu schaffen. Die Bibel hat einen weiteren<br />

Gegenbegriff zu „geistlich“, nämlich „fleischlich“. So wäre es<br />

im biblischen Sinne richtiger, von geistlicher und fleischlicher<br />

<strong>Musik</strong> zu reden. Was ist der Unterschied zwischen geistlich und<br />

fleischlich? Vergleiche dazu Tabelle 2.1, S. 23.<br />

Die Gegenüberstellung in dieser Tabelle macht deutlich, dass<br />

<strong>Musik</strong> auch dann geistlich sein kann, wenn sie nach dem Fachverständnis<br />

nicht zu dem Bereich der geistlichen <strong>Musik</strong> gehört,<br />

etwa ein Sinfoniesatz von Ludwig van Beethoven. Die Ordnung<br />

eines solchen Sinfoniesatzes, aber auch das Ungewöhnliche, Unvorhergesehene<br />

in ihm, das nicht <strong>aus</strong> der Ordnung her<strong>aus</strong>fällt,<br />

sondern diese erweitert und auf eine höhere Ebene führt, hat ihr<br />

Spiegelbild in der Schöpfung. Sie bietet mit ihrer Ordnung und<br />

Ungewöhnlichkeit immer wieder Anlass dazu, Gott zu loben.<br />

Um zu beurteilen, was geistlich und fleischlich ist, könnte man<br />

sich folgende Frage stellen: „Würde das auch Gott gefallen?“ 6 Bei<br />

der Beantwortung dieser Frage darf man nicht vergessen, dass<br />

Gott dem Menschen nahezu unendlich viele Freiheiten gegeben<br />

hat und nur wenige Einschränkungen. Zu diesen Einschränkungen<br />

gehört allerdings auch: „Welche aber Christo angehören, die<br />

kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden“ (Gal 5,24).<br />

Was bedeutet es, zu loben, zu verherrlichen und zu rühmen?<br />

Es heißt, dass die Taten und Werke Gottes beschrieben und entsprechend<br />

ihrer Größe und Qualität gewürdigt werden. <strong>Eine</strong><br />

<strong>Musik</strong>, die Werke Gottes beschreibt, muss die gleichen Prinzipien<br />

und Wesensmerkmale aufweisen, die diesen Werken eigen<br />

sind. Um dies näher zu erläutern, möchte ich ein Denkmodell<br />

von Walter Kohli vorstellen, das in dieser Beziehung hilfreich ist.<br />

Er zeigt einige Grundzüge der Schöpfungsordnung Gottes auf.<br />

6 Grundlagen zur Beantwortung dieser Frage bietet natürlich sein geoffenbartes<br />

Wort, die Bibel.<br />

22


2.3 Wie Gott gelobt werden will<br />

geistlich<br />

fleischlich<br />

Gottes Vollkommenheit menschliche Unvollkommenheit<br />

(„Fleischlichkeit“)<br />

primär auf das <strong>aus</strong>gerichtet,<br />

was Gott gefällt<br />

vom Urteil Gottes abhängig<br />

(„Das, was Gott gut findet“)<br />

erhoben sein<br />

primär auf das <strong>aus</strong>gerichtet,<br />

was Menschen gefällt<br />

vom Urteil von Menschen abhängig<br />

(„Das, was Menschen<br />

gut finden“)<br />

ber<strong>aus</strong>cht sein<br />

Selbstbeherrschung Gier, „fleischliche Lüste“<br />

(Gal 5,24)<br />

Frieden<br />

Ordnung<br />

Ausgewogenheit<br />

Uneinigkeit, Zwietracht<br />

Unordnung<br />

Un<strong>aus</strong>gewogenheit<br />

Tabelle 2.1: Gegenüberstellung „geistlich“ – „fleischlich“<br />

23


Kapitel 2 Was die Bibel über <strong>Musik</strong> sagt<br />

<strong>Eine</strong> <strong>Musik</strong>, die diese Schöpfungsordnung beschreibt, nennt er<br />

„<strong>Musik</strong> des Friedens“. Wie sieht das konkret <strong>aus</strong>?<br />

Der lebendige und allwissende Schöpfergott hat das<br />

Universum geschaffen. Er ist nicht ein Gott der Unordnung,<br />

sondern des Friedens. Gottes Ordnung in<br />

der Schöpfung können wir zum Teil durch eigene<br />

Beobachtung der Natur erkennen. Die Naturgesetze<br />

sind ein Ausdruck dieser Ordnung. Die Bibel gibt<br />

uns weitere Anhaltspunkte und beschreibt vor allem<br />

Gottes Schöpfungsordnung für den Menschen in seinem<br />

Verhältnis zum Mitmenschen und zu Gut und<br />

<strong>Böse</strong>. Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern<br />

seine Ordnung schafft FRIEDEN. 7<br />

<strong>Musik</strong> zum Lobe Gottes ist <strong>aus</strong>gewogen und geordnet.<br />

2.3.2 TÄGLICHES LOB<br />

Singet dem HERRN, alle Lande; verkündiget täglich<br />

sein Heil! (1.Chr 16,23)<br />

Das Lob durch Gesang (und Instrumentalmusik) soll eine tägliche<br />

Übung sein. Nicht nur Israel soll daran beteiligt sein, sondern<br />

„alle Lande“. Hier wird schon im Alten Testament angedeutet,<br />

dass einmal auch die Heidenvölker am Heil Gottes teilnehmen<br />

dürfen.<br />

. . . redet untereinander in Psalmen und Lobgesängen<br />

und geistlichen Liedern, singet und spielet dem<br />

HERRN in eurem Herzen . . . (Eph 5,19)<br />

Das tägliche Lob Gottes durch <strong>Musik</strong> muss nicht immer real<br />

<strong>aus</strong>geübt werden, es genügt auch, „im Herzen zu singen und zu<br />

spielen.“ Ein singendes und spielendes Herz ist ein frohes Herz.<br />

7 Kohli: Rockmusik, S. 98.<br />

24


2.3 Wie Gott gelobt werden will<br />

2.3.3 QUALITÄTSBEWUSSTES LOB<br />

Singet ihm ein neues Lied; machet’s gut auf Saitenspiel<br />

mit Schall. (Ps 33,3)<br />

Lobsinget, lobsinget Gott; lobsinget, lobsinget unserm<br />

König! Denn Gott ist König auf dem ganzen<br />

Erdboden; lobsinget ihm klüglich! (Ps 47,7–8) 8<br />

Das Lob durch <strong>Musik</strong> soll gut gemacht sein. Gott hat den Menschen<br />

begabt. Jeder soll – natürlich im Rahmen seiner Möglichkeiten<br />

– gut <strong>Musik</strong> machen. Das darf nicht zu einer Überforderung<br />

führen, an der der Musizierende zerbricht, schließlich ist es<br />

eine Freude, Gott zu loben. Andererseits darf er nicht vergessen,<br />

an wen seine <strong>Musik</strong> gerichtet ist.<br />

Dieser Gedanke ist heute leider nicht mehr sehr weit verbreitet.<br />

Muss Gott nicht mit unserem armen, schwachen Lob hier<br />

auf Erden zufrieden sein? Sicher, angesichts der Größe Gottes<br />

ist selbst das, was die größten Komponisten geschaffen haben,<br />

arm und schwach. Aber muss das Lob auch nach menschlichen<br />

Maßstäben arm und schwach sein? Wie viele Lieder gibt es, die<br />

weder textlich noch musikalisch viel Substanz enthalten. Gebietet<br />

es nicht die Ehrfurcht vor dem heiligen Gott, dass man sich<br />

im Rahmen seiner Möglichkeiten Mühe gibt? Es gibt unzählige<br />

christliche Lieder, die kurz populär waren und dann in der<br />

Versenkung verschwunden sind. Das gilt nicht nur für Lieder<br />

der letzten vierzig Jahre, sondern auch für solche der letzten 500<br />

Jahre.<br />

8 Die traditionelle Lutherübersetzung gibt hier den Sinn des Urtextes genauer<br />

wieder als die Elberfelder Übersetzung. Im hebräischen Text steht, man<br />

solle Gott ein Gedicht oder Lehrgedicht singen. Der Begriff „Lehrgedicht“ geht<br />

im Hebräischen auf ein Verb zurück, welches soviel bedeutet wie „etwas geschickt/gekonnt/kunstvoll/versiert/professionell/wie<br />

ein Experte machen“.<br />

25


Kapitel 2 Was die Bibel über <strong>Musik</strong> sagt<br />

2.4 MUSIK SOLL NÜCHTERN SEIN<br />

Qualität ist nicht nur eine Frage danach, wie gut oder schlecht<br />

etwas ist. Sie fragt auch nach der Wirkung einer Sache. Wenn <strong>Musik</strong><br />

dazu geeignet ist, einen Zuhörer mehr oder weniger in Trance<br />

zu versetzen, dann ist zu fragen, ob sie Gott gefällt. Bestimmte<br />

Arten von <strong>Musik</strong> gehen nicht mit der biblischen Aufforderung<br />

an Christen konform, nüchtern und wachsam zu sein. Darauf<br />

wird im weiteren Verlauf des Buches noch eingegangen werden.<br />

Seid nüchtern und wachet; denn euer Widersacher,<br />

der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe<br />

und sucht, welchen er verschlinge. (1.Petr 5,8)<br />

2.5 MUSIK IST EWIG<br />

Und sie sangen ein neues Lied vor dem Stuhl und<br />

vor den vier Tieren und den Ältesten; und niemand<br />

konnte das Lied lernen denn die hundertvierundvierzigt<strong>aus</strong>end,<br />

die erkauft sind von der<br />

Erde. (Offb 14,3)<br />

Auch in der Ewigkeit wird es <strong>Musik</strong> geben. Weil es im Himmel<br />

Dinge gibt, „die kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat,“<br />

können wir uns nicht vorstellen, wie sie klingen wird. Es gefällt<br />

Gott, dass er sowohl auf der Erde als auch im Himmel durch<br />

<strong>Musik</strong> gelobt wird.<br />

2.6 MUSIK IST AUSDRUCK DES GLAUBENS<br />

Da glaubten sie an seine Worte und sangen sein Lob.<br />

(Ps 106,12)<br />

Im 106. Psalm wird erwähnt, wie Gott das Schilfmeer trocken<br />

legte, damit das Volk Israel hindurchziehen konnte. Aufgrund<br />

dieses Machtbeweises ihres Gottes glaubt das Volk. Ein Ausdruck<br />

des Glaubens ist ihr Lobgesang.<br />

26


2.7 <strong>Musik</strong> ist Ausdruck der Dankbarkeit<br />

2.7 MUSIK IST AUSDRUCK DER DANKBARKEIT<br />

Und Mirjam, die Prophetin, Aarons Schwester, nahm<br />

eine Pauke in ihre Hand, und alle Weiber folgten<br />

ihr nach hin<strong>aus</strong> mit Pauken im Reigen. Und<br />

Mirjam sang ihnen vor: Laßt uns dem HERRN singen,<br />

denn er hat eine herrliche Tat getan; Roß und<br />

Mann hat er ins Meer gestürzt. (2.Mose 15,20–21)<br />

Die Prophetin Mirjam ist so voller Freude, dass sie ein Lied zur<br />

Pauke anstimmt, welches die Frauen des Volkes Israel mitsingen.<br />

Dieses Lied drückt nicht nur Freude, sondern auch Dankbarkeit<br />

darüber <strong>aus</strong>, wie mächtig Gott gehandelt hat.<br />

2.8 MUSIK IST AUSDRUCK DER FREUDE<br />

Gott fährt auf mit Jauchzen und der HERR mit heller<br />

Posaune. (Ps 47,6)<br />

Freuet euch in dem Herrn allewege! Und abermals<br />

sage ich: Freuet euch! (Phil 4,4)<br />

Gott freut sich. Deshalb sollen auch wir Christen uns freuen.<br />

<strong>Musik</strong> soll Freude machen, sowohl beim Hören als auch beim<br />

eigenen Musizieren. Nicht jeder ist ein professioneller <strong>Musik</strong>er.<br />

Nicht jeder kann gut singen oder musizieren. Das soll aber keinen<br />

davon abhalten, es zu tun. Gerade Chorleiter dürfen ihre<br />

Sänger und <strong>Musik</strong>er nicht derart überfordern, dass ihnen das<br />

Singen und Musizieren nicht mehr Freude macht. Das entbindet<br />

sie jedoch nicht davon, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten<br />

Mühe zu geben.<br />

2.9 MUSIK KANN BEFREIEND SEIN<br />

Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und<br />

lobsangen Gott; und die Gefangenen hörten ihnen<br />

27


Kapitel 2 Was die Bibel über <strong>Musik</strong> sagt<br />

zu. Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, so<br />

daß die Grundfesten des Gefängnisses erschüttert<br />

wurden; und alsbald öffneten sich alle Türen, und aller<br />

Bande wurden gelöst. (Apg 16,25–26, Elberfelder<br />

Übersetzung)<br />

Paulus und Silas, in einer hoffnungslosen Lage, gefoltert und<br />

schwer verletzt, beten und singen. Die Mitgefangenen hören<br />

zu. In diesem Moment greift Gott ein und befreit sie alle. Gott<br />

hört Gebet. Gott hört unseren Lobgesang. Unser Singen und<br />

Beten geht nicht an seinen Ohren vorbei. Wenn er es für richtig<br />

hält, greift er ein, um seinem Namen Ehre zu machen. Es ist<br />

nicht leicht, Loblieder zu singen, wenn man auf dunkle Wege<br />

geführt wird. Es ist aber tröstlich zu wissen, dass Gott immer<br />

unser Singen und Beten hört.<br />

Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand gutes<br />

Muts, der singe Psalmen. (Jak 5,13)<br />

2.10 ROCKMUSIK IN DER BIBEL?<br />

Da nun Josua hörte des Volks Geschrei, daß sie jauchzten,<br />

sprach er zu Mose: Es ist ein Geschrei im Lager<br />

wie im Streit. Er antwortete: Es ist nicht ein Geschrei<br />

gegeneinander derer, die obliegen und unterliegen,<br />

sondern ich höre ein Geschrei eines Singetanzes. 9<br />

Wie hat die <strong>Musik</strong> wohl geklungen, als die Kinder Israel um das<br />

goldene Kalb tanzten? Es ist zwar nicht ganz einfach, diese Frage<br />

zu beantworten, aber es gibt einige Schlüsselwörter in diesen<br />

Versen, die Einiges verraten. Josua hört ein Jauchzen (hebräisch<br />

rêa’: lärmen, schreien, krachen (wie Donner)). Er meint, das Geschrei<br />

(hebräisch qôl: Stimme, Geschrei, Schall, Donner, Blöken)<br />

einer kriegerischen Handlung zu hören. Mose weist ihn darauf<br />

hin, dass es sich aber weder um das triumphale Schreien von<br />

9 2.Mose 32,17–18.<br />

28


2.11 Zusammenfassung<br />

Überlegenen noch um das ängstliche Schreien von Unterlegenen<br />

handelt, sondern dass es nichts weiter als Singen und Tanzen<br />

war. <strong>Eine</strong>s ist sicher: Es gab eine Menge Krach. Es hörte sich<br />

chaotisch an, wie der Lärm einer Schlacht. Es war aber nicht<br />

der Lärm einer Schlacht, es war nur ein lärmender Tanz. Die<br />

<strong>Musik</strong> dazu war Lärmmusik oder Schreimusik. Welcher Geist<br />

beseelte die tanzenden Israeliten in diesem Moment? 10 War es<br />

der gute Geist Gottes oder der jegliche Ordnung niederreißende<br />

Geist Satans? War die <strong>Musik</strong> geordnet oder chaotisch? Hatte sie<br />

vielleicht Ähnlichkeit mit Rockmusik? Ich denke, es ist sinnvoll,<br />

einmal über diese Fragen nachzudenken.<br />

2.11 ZUSAMMENFASSUNG<br />

• Das Lob Gottes ist nicht etwas, das in das Belieben des<br />

Christen gestellt ist. Gott verlangt, dass er gelobt wird. Er<br />

verlangt, dass das mit <strong>Musik</strong> und Dichtung geschieht.<br />

• Gott will nicht irgendwie gelobt werden. Das Lob soll mit<br />

Überlegung und Verstand, gekonnt und kunstvoll geschehen.<br />

• Die Schreimusik der Israeliten am goldenen Kalb lobte<br />

Gott nicht.<br />

• Loben darf nicht dem Gebot der Nüchternheit widersprechen.<br />

• Singen und Musizieren gibt es nicht nur hier auf der Erde,<br />

sondern auch in der Ewigkeit.<br />

• Gott loben ist ein Ausdruck des Glaubens und der Dankbarkeit.<br />

• Gott loben macht Freude.<br />

10 Vergl. S. 85.<br />

29


KAPITEL 3<br />

WIE MUSIK ZU UNS SPRICHT UND UNS<br />

BEEINFLUSST<br />

Ist <strong>Musik</strong> nur eine (schöne) Verpackung für Text? Ist sie nicht an<br />

sich wertneutral? Wird sie nicht erst durch den darunter gelegten<br />

Text zu geistlicher oder weltlicher <strong>Musik</strong>? Kann <strong>Musik</strong> ohne<br />

Text überhaupt etwas <strong>aus</strong>sagen? Können nur gläubige <strong>Musik</strong>er<br />

wahre geistliche <strong>Musik</strong> machen? Diese Fragen werden immer<br />

gestellt, wenn es darum geht, ob bestimmte <strong>Musik</strong>richtungen<br />

zur Gemeinde Jesu gehören oder nicht. Um diese Fragen richtig<br />

beantworten zu können, ist es unerlässlich, zu verstehen,<br />

wie <strong>Musik</strong> überhaupt wirkt und was sie <strong>aus</strong>sagt. Wenn man<br />

<strong>Musik</strong> nur aufgrund der ihr zugrundeliegenden Texte oder der<br />

Personen, welche sie <strong>aus</strong>üben, beurteilt, dann geht man an der<br />

eigentlichen Sache vorbei. Die eigentliche Sache ist die <strong>Musik</strong><br />

selbst.<br />

Zu viele Betrachtungen über die Rockmusik gehen nur auf<br />

die Texte der Lieder oder das Leben der <strong>Musik</strong>er und deren<br />

Überzeugungen ein. Man nimmt oft fälschlicherweise an, dass<br />

nur der Text gut sein müsse. Die <strong>Musik</strong> sei ohnehin nur ein<br />

Träger des Textes. Sicherlich, man muss schon Zweifel haben,<br />

wenn <strong>Musik</strong>er einer Band dem Satanskult zugeneigt sind, oder<br />

wenn Texte ihrer Lieder rassistische Gedanken übermitteln. Aber<br />

zu einem begründeten Urteil über deren <strong>Musik</strong> tragen solche<br />

Ansätze nicht viel bei. Man kann nichts für oder gegen eine<br />

<strong>Musik</strong> vorbringen, wenn sich das Urteil nur auf Personen oder<br />

Dinge stützt, die zwar mit der <strong>Musik</strong> verbunden, aber nicht die<br />

31


Kapitel 3 Wie <strong>Musik</strong> zu uns spricht und uns beeinflusst<br />

<strong>Musik</strong> selbst sind. Dazu ist es notwendig, zu wissen, wie <strong>Musik</strong><br />

wirkt und was sie <strong>aus</strong>sagt.<br />

3.1 WORAUS BESTEHT MUSIK?<br />

<strong>Musik</strong> besteht <strong>aus</strong> strukturierten Tönen oder Klängen. Dies trifft<br />

nicht nur auf <strong>Musik</strong> zu, auch Sprache besteht <strong>aus</strong> Tönen und<br />

Klängen. Auch wenn man es nicht glaubt, Sprache und <strong>Musik</strong><br />

haben akustisch viele Gemeinsamkeiten. Wenn man sich Klangspektren<br />

von <strong>Musik</strong> und Sprache anschaut, so stellt man große<br />

Ähnlichkeiten fest. Es ist oft unmöglich, nur aufgrund eines<br />

Klangspektrums zu beurteilen, ob es sich bei dem zugrundeliegenden<br />

Schallereignis um <strong>Musik</strong> oder Sprache handelt.<br />

Töne (Klänge, Laute) können aufgrund von vier Eigenschaften<br />

unterschieden werden:<br />

1. Tonhöhe (Klanghöhe)<br />

2. Tonlänge (Klanglänge)<br />

3. Tonstärke (Klangstärke)<br />

4. Tonfarbe (Klangfarbe)<br />

Diese vier Begriffe spielen in der Analyse von <strong>Musik</strong> und Sprache<br />

eine wichtige Rolle.<br />

Von diesen vier Klangeigenschaften hat die Klangfarbe eine<br />

wichtige Funktion bei der Sprache. Verschiedene Konsonanten<br />

und Vokale unterscheiden sich in ihren Klangfarben und Geräuschanteilen.<br />

Ihre Abfolge ergeben Einheiten wie Wörter und<br />

Sätze. In der <strong>Musik</strong> sind es dagegen eher Tonhöhe und Tonlänge,<br />

die im Vordergrund stehen. Jedoch spielen auch die jeweils<br />

übrigen Klangeigenschaften eine wichtige Rolle, sowohl in Sprache<br />

als auch in <strong>Musik</strong>. Deshalb sind sie sehr eng miteinander<br />

verwandt.<br />

Im Folgenden soll untersucht werden, wie <strong>Musik</strong> und Sprache<br />

Inhalte <strong>aus</strong>drücken. Dazu ist die Kenntnis der vier Ton- oder<br />

Klangeigenschaften notwendig.<br />

32


3.2 Sprache und <strong>Musik</strong> drücken Inhalte <strong>aus</strong><br />

3.2 SPRACHE UND MUSIK DRÜCKEN INHALTE AUS<br />

Sprache und <strong>Musik</strong> übermitteln Botschaften. Sie werden bewusst<br />

oder unbewusst aufgenommen. Gesprochene Sprache ist meist<br />

unmittelbar verständlich. <strong>Musik</strong> hingegen ist eine Sprache, die<br />

zwar spricht und Inhalte vermittelt, bei der es aber nicht sofort<br />

möglich ist, zu formulieren, was sie gerade <strong>aus</strong>drückt. Die<br />

Wirkung von <strong>Musik</strong> entzieht sich in der Regel unserer Aufmerksamkeit.<br />

Dennoch wirkt sie. Wir sind uns nur nicht immer ihrer<br />

Inhalte und Wirkungen bewusst. Das ist vielleicht auch das Gefährliche<br />

an böser <strong>Musik</strong>. Sie wirkt unmerklich. <strong>Musik</strong> geht oft<br />

direkt in die Seele. Sie nimmt nicht den Umweg durch den Verstand<br />

(das bewusste Denken). Wir sind jedoch dem Einfluss der<br />

<strong>Musik</strong> <strong>aus</strong>gesetzt. Deshalb ist es nützlich zu wissen, was <strong>Musik</strong><br />

mit uns macht.<br />

3.3 MUSIK IST NICHT WERTNEUTRAL<br />

Andreas Malessa hat ein aufschlussreiches Buch über die Geschichte<br />

der christlichen Popmusik geschrieben. Er ist sozusagen<br />

ein „Insider“ der christlichen Popmusik, weil er als Teil des Duos<br />

„Arno und Andreas“ einen wichtigen Abschnitt dieser Geschichte<br />

mitgeschrieben hat. Darüber hin<strong>aus</strong> kannte und kennt er viele<br />

<strong>Musik</strong>er der christlichen Popmusikszene. Andreas Malessa behauptet,<br />

dass <strong>Musik</strong> an sich wertneutral sei:<br />

Die Bezeichnung „christliche Popmusik“ ist strenggenommen<br />

absurd und enthält mindestens zwei Widersprüche:<br />

<strong>Musik</strong> als solche kann weder „christlich“<br />

noch „unchristlich“ sein; sie ist zunächst eine objektiv<br />

freie Kunstform, der weitgehend weltanschauliche<br />

Wertneutralität zugestanden werden muss. „Popmusik<br />

im Dienste der christlichen Verkündigung“ wäre<br />

ein besserer Begriff, . . . 1<br />

1 Andreas Malessa: Der neue Sound, Christliche Popmusik – Geschichte und<br />

Geschichten. Wuppertal: R. Brockh<strong>aus</strong> Verlag, 1980, S. 10.<br />

33


Kapitel 3 Wie <strong>Musik</strong> zu uns spricht und uns beeinflusst<br />

<strong>Eine</strong> ähnliche Argumentation wird von Steve Volke 2 gebraucht:<br />

Ob es dabei ’rauf oder ’runter geht, ob vorne ein Baßoder<br />

Violinschlüssel steht, ist für den Wert dieser<br />

<strong>Musik</strong> völlig unerheblich. 3<br />

Der Titel eines Buches von Hans Arved Willberg, „Streit um<br />

Töne“ 4 , suggeriert, dass Töne nichts sind, um das es sich zu<br />

streiten lohnt, weil es eben nur Töne sind, denen man nicht zu<br />

viel Bedeutung zumessen sollte. Töne haben aber sehr wohl<br />

eine große Kraft, wie wir noch sehen werden. In eine ähnliche<br />

Richtung geht eine Argumentation von Peter Strauch, der zwar<br />

viele schöne Lieder geschrieben hat 5 , sich aber der Wirkungen<br />

von <strong>Musik</strong> nicht ganz im Klaren zu sein scheint. Die Zeitschrift<br />

ideaSpektrum zitiert ihn, wie folgt:<br />

Schon der alttestamentliche König David habe Lieder<br />

zum Lob Gottes geschrieben: „Das muss in unserer<br />

Zeit nicht abreißen.“ Dabei sei es wichtig, sich nicht<br />

auf eine bestimmte <strong>Musik</strong> festzulegen: „Die unterschiedlichsten<br />

Stilarten sind gerade gut genug, um<br />

Gott zu loben.“ Entscheidend sei, dass der Inhalt der<br />

Lieder „wirklich echt ist“. Die meisten Hörer hätten<br />

eine hohe Sensibilität dafür, ob <strong>Musik</strong> von Personen<br />

stamme, „die das leben, was sie glauben“. 6<br />

Strauch vertritt die Meinung, dass alle Stilarten von <strong>Musik</strong> zum<br />

Lob Gottes geeignet seien. Dass es auf den Inhalt, also den Text,<br />

2 Steve Volke ist Direktor von „Compassion Deutschland“, einer Organisation,<br />

die sich weltweit für arme Kinder einsetzt.<br />

3 Steve Volke: Background, MUSIKerLEBEN. Gießen, Basel: Brunnen Verlag,<br />

1988, S. 12.<br />

4 Hans-Arved Willberg: Streit um Töne: die Christen und die Rockmusik. Gießen,<br />

Basel: Brunnen Verlag, 1991.<br />

5 Vergl. die Darstellung zu seinem Lied „Die Gott lieben, werden sein wie<br />

die Sonne“ ab S.143.<br />

6 ideaSpektrum: „Altpräses: <strong>Musik</strong> überzeugt nur, wenn sie echt ist“. In:<br />

idea e.V. (Hg.): ideaSpektrum (2015), H. 18. S. 14.<br />

34


3.3 <strong>Musik</strong> ist nicht wertneutral<br />

ankommt, impliziert, dass die <strong>Musik</strong> selbst keinen Inhalt hat.<br />

Was dabei am Inhalt des Textes „echt“ oder „unecht“ sein soll,<br />

bleibt unklar. Strauch bindet die Qualität der <strong>Musik</strong> nicht an das<br />

Können des <strong>Musik</strong>ers, sondern an seinen Glauben. Verändert<br />

sich ein- und dieselbe <strong>Musik</strong>, wenn sie von einem Gläubigen<br />

statt von einem Ungläubigen vorgetragen wird? Es ist sehr fragwürdig,<br />

wenn man meint, dass es auf den Glauben oder die<br />

Einstellung eines <strong>Musik</strong>ers ankomme. Für einen <strong>Musik</strong>er kommt<br />

es zuerst darauf an, ob er sein Instrument oder seine Stimme<br />

richtig beherrscht, so wie es beim Bäcker nicht darauf ankommt,<br />

ob er gläubig oder ungläubig ist, sondern ob er Brötchen backen<br />

kann. Der Geist der <strong>Musik</strong> liegt in erster Linie nicht im <strong>aus</strong>übenden<br />

<strong>Musik</strong>er, sondern in den Noten. 7 Ein Riff der Heavy-Metal-Band<br />

„Deep Purple“ bleibt ein Riff dieser Band, egal ob er von gläubigen<br />

oder weltlichen <strong>Musik</strong>ern aufgeführt wird. Er behält seine<br />

Wirkung. Das Gleiche gilt für einen Choral von Johann Sebastian<br />

Bach.<br />

<strong>Musik</strong> ist nicht wertneutral. Malessa, Volke und Strauch stellen<br />

einfach Behauptungen auf, ohne deren Richtigkeit zu begründen.<br />

Sie ignorieren, dass <strong>Musik</strong> immer etwas <strong>aus</strong>sagt und wirksam<br />

ist. Aussagen von <strong>Musik</strong> sind nie wertneutral, im Gegenteil, sie<br />

können und müssen bewertet werden. Das soll im Folgenden<br />

nachgewiesen werden. Dazu werden zunächst einige Beispiele<br />

für die <strong>Musik</strong> der Sprache 8 analysiert. Wenn man versteht,<br />

wie musikalische Elemente der Sprache wirken und Botschaften<br />

übermitteln, dann versteht man auch, dass <strong>Musik</strong> allein wirkt<br />

und Botschaften übermittelt. Diese Beispiele sollen helfen, Aussagen<br />

gesungener und gespielter <strong>Musik</strong> zu verstehen, die im<br />

weiteren Verlauf des Buches behandelt wird.<br />

7 Man könnte auch sagen, dass der Geist der <strong>Musik</strong> nicht <strong>aus</strong> dem <strong>Musik</strong>er,<br />

sondern <strong>aus</strong> den Noten kommt. Es ist seine Aufgabe, diesen Geist her<strong>aus</strong>zufinden<br />

und richtig wiederzugeben. Er muss die <strong>Musik</strong> somit richtig interpretieren.<br />

8 wohlgemerkt, <strong>Musik</strong> der Sprache, nicht – Sprache der <strong>Musik</strong>.<br />

35


Kapitel 3 Wie <strong>Musik</strong> zu uns spricht und uns beeinflusst<br />

3.4 DIE MUSIK GESPROCHENER SPRACHE<br />

In den folgenden Abschnitten wird dargelegt, wie musikalische<br />

Elemente von Sprache (Veränderungen von Tonhöhe, Lautstärke,<br />

Farbe und Dauer von Silben) 9 Botschaften übermitteln, die nur in<br />

diesen musikalischen Elementen enthalten sind. Dies wird dem<br />

Leser helfen, die Ausführungen der folgenden Kapitel, in denen<br />

es um Botschaften geht, die durch gesungene und gespielte<br />

<strong>Musik</strong> übermittelt werden, besser zu verstehen.<br />

3.4.1 BETONUNG<br />

Nehmen wir einmal den Vornamen Peter und stellen uns vor,<br />

dass dieser Peter von einer ihm vertrauten Person, etwa seiner<br />

Mutter, angeredet wird. Die beiden Silben des Vornamens können<br />

unterschiedlich betont 10 werden, sie können unterschiedlich<br />

lang gesprochen werden, sie können mit unterschiedlicher Lautstärke<br />

gesprochen werden und sie können mit unterschiedlich<br />

gefärbter Stimme artikuliert werden. Bei diesem Beispiel werden<br />

Pe - ter Ruf Vorwurf Frage<br />

Tonhöhe hoch - tief hoch - tief tief - hoch<br />

Tonlänge lang - kurz lang - lang lang - kurz<br />

Tonstärke stark stark mittelstark<br />

Tonfarbe fast singend aggressiv angenehm<br />

bewusst die musikalischen Termini 11 der vier Ton- beziehungsweise<br />

Klangeigenschaften 12 verwendet.<br />

Es wird deutlich, dass gesprochene Sprache zusätzliche Bedeutung<br />

durch musikalische Elemente bekommt. Jeder verbindet<br />

9 Siehe S. 32<br />

10 <strong>Eine</strong> betonte Silbe wird höher gesprochen als eine unbetonte.<br />

11 Fachbegriffe.<br />

12 Vergl. S. 32.<br />

36


3.4 Die <strong>Musik</strong> gesprochener Sprache<br />

mit dem Tonfall von etwas Gesagtem Inhalte, die in den eigentlichen<br />

Worten nicht enthalten sind. Statt „Tonfall“ sollte man<br />

besser „<strong>Musik</strong> der Sprache“ sagen. Der im obigen Beispiel angesprochene<br />

Peter merkt an der Stimme seiner Mutter, ob sie<br />

verärgert ist oder ob sie sich in irgendeiner Notlage befindet, in<br />

der sie seine Hilfe braucht. Diese Botschaft wird nicht allein mit<br />

dem Wort „Peter“ übermittelt, sondern mit den musikalischen<br />

Parametern, die mit dem Sprechen dieses Namens verbunden<br />

sind.<br />

Nun könnte man einwenden, dass dies alles nicht auf geschriebene<br />

Sprache zutrifft, da sie doch auf Papier steht, ohne einen<br />

Laut von sich zu geben. Dieser Einwand lässt außer acht, dass<br />

wir den Worten beim Lesen unwillkürlich musikalische Parameter<br />

beifügen. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: „Peter“, schrie<br />

seine Mutter, „ich bin <strong>aus</strong>gerutscht“. Keiner stellt sich in seinem<br />

Inneren vor, dass die Mutter in dieser Situation mit einer Roboterstimme<br />

spricht. Nicht nur gesprochene, auch geschriebene<br />

Sprache enthält <strong>Musik</strong>, weil wir diese <strong>Musik</strong> beim Lesen mit<br />

unserem „inneren Ohr“ hören.<br />

3.4.2 RHYTHMUS UND KLANGFARBE<br />

„Das reimt sich und was sich reimt, ist immer gut.“<br />

Dieser Ausspruch stammt von keinem Geringeren als dem Pumuckl<br />

<strong>aus</strong> den Geschichten Meister Eder und sein Pumuckl 13 von<br />

Ellis Kaut.<br />

Wir haben einen großen Schatz an Chorälen und Glaubensliedern,<br />

die viele Reime und andere Ausdrucksmittel dichterischer<br />

Kunst enthalten. Viele Gläubige haben durch sie reichen Segen<br />

erfahren. Diese dichterischen Mittel üben eine starke Wirkung<br />

<strong>aus</strong>. Sie tragen zum besseren Verständnis des Inhalts bei. Sie<br />

helfen auch, dass man sich die in ihnen vermittelten Glaubensgrundsätze<br />

besser merken kann.<br />

2001.<br />

13 Ellis Kaut: Meister Eder und sein Pumuckl. Bielefeld: Bertelsmann Verlag,<br />

37


Kapitel 3 Wie <strong>Musik</strong> zu uns spricht und uns beeinflusst<br />

Wie alles Nützliche können auch Reime missbraucht werden.<br />

Reime und andere sprachliche Figuren können eine starke Wirkung<br />

haben. Diese sprachlichen Figuren werden mit Hilfe eines<br />

Teils der vier Grundelemente der <strong>Musik</strong>, Klanghöhe, Klanglänge,<br />

Klangstärke und Klangfarbe, gebildet. 14<br />

Sprache transportiert auf eine Art und Weise Bedeutung, die<br />

dem Hörer oder Sprecher in den meisten Fällen kaum bewusst<br />

ist. Im Wartezimmer eines Zahnarztes liest man mitunter den<br />

Spruch: „Gesund beginnt im Mund.“ Die meisten Menschen<br />

werden dieser Aussage zustimmen, ohne weiter über die Gründe<br />

nachzudenken. Was macht diesen Spruch so einleuchtend?<br />

Es ist der Reim und der Rhythmus des Satzes. Die zweite Silbe<br />

von „Gesund“ und das Wort „Mund“ haben gleiche Vokale. 15<br />

Außerdem haben beide Silben die Buchstaben „nd“ gemeinsam.<br />

Der ganze Satz besteht <strong>aus</strong> sechs Silben, von denen je zwei einen<br />

Jambus 16 bilden. Die Betonungen in diesem Satz ergeben<br />

somit einen gleichmäßigen Rhythmus. Was ist an der Aussage<br />

„Gesund beginnt im Mund“ sachlich richtig? Es ist unstrittig,<br />

dass Mundgesundheit über<strong>aus</strong> wichtig für die menschliche Gesundheit<br />

im Allgemeinen ist. Aber, warum beginnt Gesundheit<br />

im Mund? Warum beginnt sie nicht bei Lebensgewohnheiten,<br />

bei <strong>aus</strong>reichender Bewegung oder bei der Ernährung? Warum<br />

<strong>aus</strong>gerechnet im Mund? Hier wird deutlich, dass diese Aussage<br />

inhaltlich nicht zutrifft. Die Aussage, dass Mundgesundheit<br />

wichtig ist, trifft hundertprozentig zu, dass aber Gesundheit im<br />

Mund beginnt, ist eine willkürliche Behauptung, die sachlich<br />

nicht zu belegen ist. Dieses Beispiel macht deutlich, welche Überzeugungskraft<br />

Verse und Reime haben können. Auch diese sind<br />

musikalische Elemente von Sprache. <strong>Eine</strong> logische Abfolge von<br />

Klangfarben (Reimen) und Rhythmen wird in Korrelation zu einem<br />

Inhalt gesetzt. Die musikalische Logik wird unbewusst auf<br />

14 Siehe S. 32.<br />

15 Vokale sind nichts anderes als unterschiedliche Klangfarben der menschlichen<br />

Stimme.<br />

16 Als „Jambus“ bezeichnet man zwei aufeinanderfolgende Silben von denen<br />

die erste leicht, die zweite schwer ist, z. B. Verstand, Ersatz.<br />

38


3.4 Die <strong>Musik</strong> gesprochener Sprache<br />

den Inhalt einer Aussage übertragen. Etwas, das klanglich, also<br />

musikalisch, logisch ist, erscheint auch inhaltlich logisch. Dieses<br />

Beispiel zeigt, dass <strong>Musik</strong> etwas unmittelbar in die Seele transportiert,<br />

ohne dass es vorher durch unser bewusstes, kritisches<br />

Denken gefiltert worden ist.<br />

Denken wir einmal über folgende Verse nach:<br />

• „Das Evangelium ist nicht Drohbotschaft, sondern Frohbotschaft.“<br />

Paulus sagt, dass das Gesetz ein Zuchtmeister auf<br />

Christus hin ist. 17 Gesetz (Drohbotschaft) und Evangelium<br />

(Frohbotschaft) sind notwendig, um zum Glauben zu kommen.<br />

Jesus selbst droht denen ewige Verdammnis an, die<br />

nicht an ihn glauben. 18 Dieses Beispiel zeigt, dass Evangelium<br />

auch Drohbotschaft sein kann. Der Reim lässt eine<br />

Aussage logisch erscheinen, die bei näherem Hinsehen<br />

nicht zutrifft.<br />

• „Loben zieht nach oben, Danken schützt vor Wanken.“ Loben<br />

und Danken sind zwei der wichtigsten Äußerungen des<br />

Glaubenslebens eines Christen. Gott loben richtet den Blick<br />

von uns weg auf unseren Herrn im Himmel. Wenn wir<br />

dankbar sind, dann sind wir mit dem zufrieden, was wir<br />

haben. Vor allem sollen wir dafür dankbar sein, dass wir<br />

von ihm zu ewigem Leben erwählt worden sind.<br />

Wodurch gewinnt dieser Satz, „Loben zieht nach oben,<br />

danken schützt vor Wanken“ seine Überzeugungskraft?<br />

Die meisten von uns werden darin übereinstimmen, dass<br />

sie nicht über den tieferen Sinn, ja über die Richtigkeit<br />

dieser Aussage nachgedacht haben. Sie überzeugt ganz<br />

einfach, weil sie als Reim formuliert ist. Was zieht uns nach<br />

oben? Ist es unser Loben oder werden wir nicht vielmehr<br />

von Gott gezogen? Was bedeutet „Nach oben ziehen“? Ist<br />

17 Gal 3,24.<br />

18 „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer dem Sohn nicht<br />

glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über<br />

ihm“ (Joh 3,36).<br />

39


Kapitel 3 Wie <strong>Musik</strong> zu uns spricht und uns beeinflusst<br />

das nur ein psychologischer Vorgang oder ist dafür nicht<br />

viel mehr notwendig, nämlich Jesu Tod und Auferstehung,<br />

der für uns den Weg „nach oben“ frei gemacht hat? Loben<br />

ist etwas <strong>Gute</strong>s und Wichtiges. Aber zieht es uns wirklich<br />

nach oben?<br />

Wer oder was schützt uns wirklich vor Wanken? Ist es<br />

das Danken? Noch einmal, Danken ist ungemein wichtig<br />

und ein Ausdruck lebendigen Glaubens. Aber schützt es<br />

wirklich vor Wanken? Ist es auch hier nicht wieder Gott<br />

selbst, der uns festhält und bewahrt?<br />

Reime und Rhythmen bereichern unsere Sprache. Sie helfen,<br />

Aussagen zu verstehen. Sie können jedoch auch missbraucht<br />

werden, wie die Beispiele oben zeigen. Reime oder regelmäßige<br />

Sprachrhythmen gaukeln eine gewisse Pl<strong>aus</strong>ibilität vor. Damit<br />

können unwahre Aussagen leicht „unter das Volk“ gebracht<br />

werden.<br />

Reime können eine starke Überzeugungskraft haben. Durch<br />

ihre unmittelbare Wirkung verhindern sie oft ein tieferes Nachdenken<br />

über Aussagen, die uns in Reimform begegnen.<br />

3.4.3 ALLITERATIONEN UND ASSONANZEN<br />

„Mars macht mobil – bei Arbeit, Sport und Spiel.“ Dieser bekannte<br />

Werbeslogan gewinnt seine Pl<strong>aus</strong>ibilität nicht nur durch den<br />

enthaltenen Reim, sondern auch durch die Tatsache, dass die<br />

Anfangskonsonanten der Wörter Mars, macht, mobil sowie Sport<br />

und Spiel gleich sind. Hierbei handelt es sich um Alliterationen.<br />

Die Worte „mobil“ und „Sport“ und „Spiel“ enthalten gleiche<br />

Vokale (o – i). Diese Sprachfigur nennt man Assonanz. 19<br />

Alliterationen und Assonanzen haben eine ähnlich überzeugende<br />

Wirkung wie Reime. Sie machen Sprache pl<strong>aus</strong>ibel und<br />

können dazu missbraucht werden, Falsches überzeugend klingen<br />

zu lassen. Man kann durch<strong>aus</strong> geteilter Meinung darüber<br />

19 von lateinisch assonare = „anklingen“; <strong>aus</strong> lateinisch ad = „zu an“ und<br />

sonare = „klingen“ .<br />

40


3.4 Die <strong>Musik</strong> gesprochener Sprache<br />

sein, ob eine <strong>aus</strong> Fett und Zucker bestehende Kalorienbombe<br />

wie ein Marsriegel die Mobilität eines Menschen erhöht.<br />

Aus dem bisher Gesagten könnte der Eindruck entstehen, dass<br />

solche Sprachfiguren hauptsächlich missbraucht würden. Das<br />

ist natürlich nicht der Fall. Alliterationen sind zum Beispiel beliebte<br />

Sprachfiguren in Geschichten (und Fernsehsendungen)<br />

für Kinder. Denken wir an das „KIKANINCHEN“, an „Paulchen<br />

Panther“ oder „Bob der Baumeister“. Diese Alliterationen<br />

machen Kindern einfach Spaß.<br />

3.4.4 MUSIKALISCHE ELEMENTE IN DER BIBELÜBERSETZUNG<br />

MARTIN LUTHERS<br />

<strong>Gute</strong> Bibelübersetzungen sind nicht einfach nur Übersetzungen,<br />

sie zeichnen sich auch sprachlich durch eine gewisse künstlerische<br />

Qualität <strong>aus</strong>. Dies trifft ganz besonders auf die Übersetzung<br />

Martin Luthers zu. Das Alte Testament war im hebräischen<br />

Grundtext nicht einfach nur Sprache als Mittel der Mitteilung,<br />

sie war zugleich auch Kunstwerk. Das Alte Testament wurde<br />

nicht nur gesprochen, sondern auch gesungen. 20<br />

Einige Beispiele sollen zeigen, wie genial, einzigartig und nach<br />

Meinung des Autors bisher unübertroffen die Übersetzung Luthers<br />

ist. Zwei Stellen sollen dies verdeutlichen. An diesen Stellen<br />

gebraucht Luther Alliterationen und Assonanzen, um den<br />

Worten größere Kraft und Eindrücklichkeit zu verleihen.<br />

• „. . . ihr werdet finden das Kind<br />

in Windeln gewickelt<br />

und in einer Krippe liegen.“ 21<br />

Hier wird mit dem Buchstaben „i“ eine Assonanz gebildet,<br />

die die Dreiteiligkeit der Aussage sozusagen musikalisch<br />

macht. Insgesamt kommt das „i“ neun Mal vor, nämlich<br />

20 Vergl. Suzanne Haïk-Vantoura: The Music Of The Bible Revealed. Hg. v. John<br />

Wheeler. Übers. v. Dennis Weber. Berkely, San Francicsco: Bibal Press u. King<br />

David’s Harp, Inc., 1991.<br />

21 Lk 2,12.<br />

41


Kapitel 3 Wie <strong>Musik</strong> zu uns spricht und uns beeinflusst<br />

in jedem Teil drei Mal. Das „i“ befindet sich jedes Mal auf<br />

einer betonten Silbe. Die regelmäßige und strukturierende<br />

Assonanz vermittelt ein Gefühl von <strong>aus</strong>gelassener Freudigkeit.<br />

Die Übersetzung der „<strong>Gute</strong>n Nachricht“, „Ihr werdet<br />

ein neugeborenes Kind finden, das liegt in Windeln gewickelt<br />

in einer Futterkrippe“, gebraucht zwar auch Assonanzen, jedoch<br />

nicht rhythmisch strukturiert wie bei Martin Luther.<br />

• „Du kannst mich rüsten mit Stärke zum Streit;<br />

du kannst unter mich werfen, die sich wider mich<br />

setzen.“ 22 Sprachfigur<br />

„Du kannst“<br />

„-i – ch“<br />

„St“, „w“<br />

„e“<br />

unterstrichen<br />

Wortwiederholung<br />

Assonanz („-i“), Konsonanz („– ch“)<br />

Alliteration („st“, „w“)<br />

Assonanz („e“)<br />

Assonanz („i“)<br />

Auch dieses Beispiel zeigt die hohe künstlerische Qualität<br />

der Übersetzung Luthers. Das Lob Gottes durch David<br />

wird hier mit sprachlich-musikalischen Mitteln bereichert.<br />

Sie spiegelt die Größe und Herrlichkeit Gottes wider. Zum<br />

Vergleich sei der Vers <strong>aus</strong> der Elberfelder Übersetzung von<br />

1905 und der Bibel „Die gute Nachricht“ zitiert. Diese Übersetzungen<br />

haben auch ihre Vorzüge. Ihnen fehlt jedoch der<br />

unmittelbar wirkende künstlerische Ausdruck der Sprache<br />

Luthers: „Und du umgürtetest mich mit Kraft zum Streit, beugtest<br />

unter mich, die wider mich aufstanden“ (Elberfelder). „Du<br />

gabst mir die Kraft für diesen Kampf, du brachtest die Feinde in<br />

meine Gewalt“ (Die gute Nachricht).<br />

22 2.Sam 22,40.<br />

42


3.4 Die <strong>Musik</strong> gesprochener Sprache<br />

Exkurs 23<br />

Heutige Bibelübersetzungen – auch wenn sie beanspruchen,<br />

„modernes Deutsch“ zu gebrauchen – enthalten keine andere<br />

Sprache als die Martin Luthers. Er hat die deutsche Sprache,<br />

wie sie auch heute noch gesprochen wird, mit seiner Bibelübersetzung<br />

gewissermaßen „erfunden“. Dazu schreibt Hanns Lilje:<br />

Die Einzigartigkeit und Unwiederholbarkeit des geschichtlichen<br />

Phänomens Martin Luther wird daran<br />

erkennbar, daß niemand auf der Welt deutsch spricht,<br />

schreibt oder liest, der nicht von Luthers geistigem<br />

Erbe angerührt wäre, welchem kirchlichen Bekenntnis<br />

er auch angehört. Denn wenn es auch eine Übertreibung<br />

wäre, Luther den Vater der modernen deutschen<br />

Schriftsprache zu nennen, so steht doch fest,<br />

daß Deutsch, nämlich die hochdeutsche Schriftsprache,<br />

ohne ihn nicht zu denken ist. Es ist fraglich, ob<br />

wir ohne ihn schon im Anfang des 16. Jahrhunderts<br />

eine gemeinsame Literatursprache bekommen hätten,<br />

die gleichermaßen in Ober- und Mitteldeutschland<br />

wie in Niederdeutschland verstanden wurde –<br />

das Lutherdeutsch seiner Bibelübersetzung. Hier war<br />

nicht nur ein Mittel der Verständigung, sondern eine<br />

gemeinsame geistige Worterfahrung gegeben. Denn<br />

während sich der Oberdeutsche und der Niederdeutsche<br />

durch das gesprochene Wort und ihre völlig<br />

verschiedenen Dialekte nicht ohne Schwierigkeiten<br />

gegenseitig verständlich machen konnten, während<br />

die Gelehrten untereinander Latein sprachen und<br />

schrieben, wie es auch Luther tat, wenn er sich als<br />

23 Im folgenden Abschnitt geht es nicht direkt um das Thema dieses Buches.<br />

Man kann ihn also getrost überspringen. Es ist dennoch nützlich zu wissen,<br />

welche Bedeutung Luther für die Entwicklung der deutschen Sprache hat, um<br />

die Bedeutung seiner Bibelübersetzung richtig einschätzen zu können.<br />

43


Kapitel 3 Wie <strong>Musik</strong> zu uns spricht und uns beeinflusst<br />

Fachgelehrter äußerte, lag hier eine unmittelbar zugängliche<br />

Worterfahrung vor. 24<br />

In seiner Rede „Deutschland und die Deutschen“, die Thomas<br />

Mann anlässlich seine 70. Geburtstags im Jahre 1945 hielt, bestätigt<br />

er Luthers Bedeutung für die deutsche Sprache:<br />

Er hat nicht nur durch seine gewaltige Bibelübersetzung<br />

die deutsche Sprache erst recht geschaffen, die<br />

Goethe und Nietzsche dann zur Vollendung führten,<br />

. . . 25<br />

Es zeigt sich, wie einzigartig Luthers Bibelübersetzung ist. Wir<br />

haben heute eine Fülle neuerer Übersetzungen, die zum Teil eine<br />

Bereicherung für das Forschen in der Schrift sind. Hinsichtlich<br />

der literarisch-künstlerischen Qualität bleibt die Übersetzung<br />

Luthers bis jetzt jedoch unübertroffen. 26<br />

3.5 WORT UND MUSIK<br />

<strong>Musik</strong>alische Elemente der Sprache wie Reime, Alliterationen etc.<br />

können dazu missbraucht werden, Inhalte am kritischen Bewusstsein<br />

vorbei direkt in die Seele zu bringen. Dies kann aber<br />

auch durch die Verbindung von Sprache mit <strong>Musik</strong> erreicht werden<br />

und wird häufig in der Werbung genutzt. Ein gesungener<br />

Werbeslogan (etwa zu einer Schokolade, die „die zarteste Versuchung<br />

ist, seit es Schokolade gibt“) dringt viel tiefer in die Seele<br />

24 Hanns Lilje: Martin Luther. Hamburg: Furche-Verlag H. Rennebach KG,<br />

1964, S. 7.<br />

25 Karl Heinrich Peter: Reden die die Welt bewegten. Stuttgart: Cotta, 1961 (Das<br />

moderne Sachbuch, Band 9), S. 454.<br />

26 Der Autor besuchte einmal ein Konzert des bekannten Liedermachers<br />

Wolf Biermann. In diesem Konzert sprach der Sänger lange und <strong>aus</strong>führlich<br />

über die Lutherbibel. Er sagte, dass er oft denke, dass Luthers Übersetzung<br />

die Originalsprache der Bibel sein müsse, obwohl er natürlich wisse, dass dies<br />

nicht zutreffe. Er ist ein großer Bewunderer der Sprachgewalt Luthers, obwohl<br />

er sich zum Atheismus bekennt.<br />

44


3.6 Zusammenfassung und Ausblick<br />

ein als ein nicht gesungener. <strong>Musik</strong> kann einem Text mehr Überzeugungskraft<br />

verleihen als ihm selbst innewohnt. Die Struktur<br />

und Logik einer Melodie, die der Hörer im Augenblick des Hörens<br />

unmittelbar fühlt, verbindet sich für ihn unbewusst mit<br />

dem Inhalt des gesungenen Textes. Dieser erscheint dadurch gefühlsmäßig<br />

pl<strong>aus</strong>ibel und harmonisch. Melodien prägen sich oft<br />

leichter ein als Worte. Deshalb bleiben Worte, die mit Melodien<br />

verbunden sind, länger und tiefer im Gedächtnis haften.<br />

3.6 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK<br />

Es sind bei weitem nicht alle sprachlichen Figuren behandelt,<br />

worden, die mit Hilfe musikalischer Parameter Bedeutung übermitteln.<br />

Die vorangegangenen sollten nur exemplarisch sein, um<br />

zu verdeutlichen, dass Sprache und <strong>Musik</strong> untrennbar miteinander<br />

verbunden sind. <strong>Musik</strong>alische Elemente der Sprache sagen<br />

etwas, das nicht unmittelbar in den Silben und Worten enthalten<br />

ist.<br />

In den nächsten Kapiteln sollen Beispiele der <strong>Musik</strong> Bachs und<br />

Beethovens, der Rockmusik sowie christlicher Choräle und Lieder<br />

betrachtet werden. Es soll gezeigt werden, was die jeweilige<br />

<strong>Musik</strong> <strong>aus</strong>sagt.<br />

45


KAPITEL 4<br />

AUSSAGEN VON MUSIK – ABENDLÄNDISCHE<br />

MUSIK<br />

4.1 JOHANN SEBASTIAN BACH<br />

4.1.1 DIE EVANGELISCH-LUTHERISCHE MUSIKAUFFASSUNG<br />

<strong>Musik</strong> spielt nach Luther eine her<strong>aus</strong>ragende Rolle im Gottesdienst.<br />

Sie kommt gleich nach der Predigt und soll „Gottes Wort<br />

in Tönen verkündigen“. Der <strong>Musik</strong>wissenschaftler Friedemann<br />

Otterbach erläutert Luthers Auffassung zur <strong>Musik</strong> im Gottesdienst<br />

(er gebraucht dabei einige Zitate Luthers):<br />

Laut den lutherischen Bekenntnisschriften ist der<br />

sonntägliche Gottesdienst dazu angelegt, „Gottes<br />

Wort zu lernen, also daß dieses Tages eigentlich Ampt<br />

sei das Predigtamt ümb des jungen Volks und armen<br />

Haufens willen“. Luther hatte so einerseits besonderes<br />

Gewicht gelegt auf die Verkündigung von Gottes<br />

Wort im Gottesdienst, auf die Predigt. Auf der anderen<br />

Seite gab er, wie <strong>aus</strong> seinen Tischreden hervorgeht,<br />

‚nach der Theologia der Musica den nähesten Locum<br />

und höchste Ehre‘. Beides gehört zusammen: Wort<br />

und <strong>Musik</strong> sind im Luthertum aufeinander bezogen,<br />

weil die <strong>Musik</strong> geeignet ist, Gottes Wort in besonderer<br />

Weise, nämlich in Tönen, zu verkünden. Aus<br />

der nur dem Menschen gegebenen Verbindung der<br />

Stimme (vox) mit der Sprache (sermo) folgerte Luther,<br />

47


Kapitel 4 Aussagen von <strong>Musik</strong> – Abendländische <strong>Musik</strong><br />

die Menschen sollten Gott mittels des Wortes und der<br />

<strong>Musik</strong> loben. ‚Die Noten machen den Text lebendig‘,<br />

sie intensivieren die Aussagekraft der Worte. Gemäß<br />

der lutherisch-reformatorischen Auffassung legt die<br />

geistliche Vokalmusik den Text <strong>aus</strong>; sie erklärt ihn<br />

(explicatio textus). Insofern ist sie gewissermaßen Exegese,<br />

Auslegung des Textes, eine „Predigt in Tönen“<br />

(praedicatio sonora). Nach Luther „predigte Gott das<br />

Evangelium durch die <strong>Musik</strong>“, [. . . ] 1<br />

Johann Sebastian Bach war ein großer Anhänger der Theologie<br />

Luthers. Er betrachtete <strong>Musik</strong> als ein Mittel, das Gott ehren soll.<br />

Dazu gehört, dass <strong>Musik</strong> „predigt“.<br />

Zusammenfassung<br />

1. <strong>Musik</strong> ist geeignet, Gottes Wort in besonderer Weise zu<br />

verkünden.<br />

2. Gott soll mittels des Wortes und der <strong>Musik</strong> gelobt werden. 2<br />

3. <strong>Musik</strong> intensiviert die Aussagekraft des Wortes.<br />

4. <strong>Musik</strong> erklärt den Text und legt ihn <strong>aus</strong>.<br />

5. Sie ist somit „Predigt in Tönen“.<br />

4.1.2 PREDIGT IN TÖNEN<br />

Ein Beispiel Johann Sebastian Bachs soll zeigen, wie <strong>Musik</strong> den<br />

Text <strong>aus</strong>legt.<br />

1 Friedemann Otterbach: Johann Sebastian Bach: Leben und Werk. Stuttgart:<br />

Pilipp Reclam jun., 1982, S. 54.<br />

2 Vergl. S. 41<br />

48


4.1 Johann Sebastian Bach<br />

Eingangschor der Johannespassion<br />

Johann Sebastian Bach hat in seinem Leben mehr als eint<strong>aus</strong>end<br />

Werke geschaffen. Jedes davon ist in seiner Genialität unübertroffen.<br />

Man kann so etwas nur leisten, wenn man von Gott mit<br />

den notwendigen Gaben <strong>aus</strong>gerüstet ist. Bach war ein extrem<br />

fleißiger Mensch. Er schrieb mehrere Passionsmusiken, von welchen<br />

die Johannespassion näher betrachtet werden soll. Der Text<br />

der Johannespassion ist wörtlich dem Johannesevangelium nach<br />

der Übersetzung Martin Luthers entnommen. Dazu kommen<br />

Choräle von Martin Luther, Michael Weiße, Martin Schalling,<br />

Johann Heermann und Paul Gerhardt sowie Dichtungen eines<br />

unbekannten Dichters. Der Eingangschor der Passion hat den<br />

folgenden Text:<br />

Herr, unser Herrscher,<br />

dessen Ruhm in allen Landen herrlich ist.<br />

Zeig uns durch deine Passion,<br />

daß du, der wahre Gottessohn,<br />

zu aller Zeit,<br />

auch in der größten Niedrigkeit,<br />

verherrlicht worden bist.<br />

In den ersten zwei Zeilen wird Christus als ein Herrscher angeredet,<br />

der überall berühmt ist. Man versetze sich in die Zeit<br />

der Könige und Kaiser zurück, wie sie in prunkvollen Kutschen,<br />

gezogen von edlen Pferden, vor ihrem Palast vorfuhren, von einem<br />

begeisterten Volk umjubelt der Kutsche entstiegen und von<br />

einer Abordnung uniformierter Diener zum Gebäude geleitet<br />

wurden. Wenn Jesus wiederkommt, wird er mit großer Macht<br />

und Herrlichkeit kommen, die unsere Vorstellungen noch weit<br />

übertreffen wird. Was aber haben die ersten beiden Zeilen dieses<br />

Textes mit dem Leiden und Sterben Christi zu tun? – Eigentlich<br />

nichts.<br />

Wenn man überlegt, wie dieser Text sinnvoll vertont werden<br />

könnte, kommt einem die prächtige <strong>Musik</strong> von Georg Friedrich<br />

Händels Oratorien in den Sinn, strahlendes Dur, reiche melodi-<br />

49


Kapitel 4 Aussagen von <strong>Musik</strong> – Abendländische <strong>Musik</strong><br />

Abbildung 4.1: Eingangschor Johannespassion, Takte 1-2<br />

sche Ornamente und eine vielfältige Instrumentierung. Bachs<br />

<strong>Musik</strong> kommt aber seltsam anders daher. Sie fängt relativ verhalten<br />

an (siehe Abbildung 4.1). 3 Die <strong>Musik</strong> passt nicht zu dem, was<br />

man sich nach erstmaligem Lesen des Textes vorstellen würde.<br />

Er scheint nicht in die Passionszeit zu passen, die von ihrer Stimmung<br />

eher traurig und nachdenklich ist. Die <strong>Musik</strong> trifft diese<br />

Stimmung schon eher. Wir haben hier ein Beispiel für „Predigt<br />

in Tönen“.<br />

Wie bei allen Vokalwerken Bachs werden auch hier die sogenannten<br />

„musikalisch-rhetorische Figuren“ gebraucht. Otterbach<br />

definiert sie wie folgt:<br />

Diese Figuren sind Tonverbindungen, welche den<br />

Sinn des Textes, seine Begrifflichkeit, Bildhaftigkeit<br />

und seine affektiven 4 Inhalte mit musiksprachlichen<br />

Mitteln darlegen. 5<br />

In dem Notenbeispiel (Abbildung 4.1) finden wir folgende musikalisch-rhetorische<br />

Figuren:<br />

Circulatio In den ersten zwei Takten des Eingangschors der<br />

Johannespassion fällt die kreisende Sechzehntelbewegung auf,<br />

die sogenannte „Circulatio“ (siehe Abbildung 4.2, S. 51). Sie ist<br />

ein „[. . . ] Abbild der Vollkommenheit (Kreis als Sinnbild des<br />

3 Suchbegriffe bei Youtube: „Bach - St John Passion - best selection (reference<br />

recording : Eugen Jochum)“ oder „Johann Sebastian Bach - Herr Unser<br />

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