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DAMALS_Inhalt und Titel

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«Schau nach vorne <strong>und</strong> nicht zurück» heisste es meist.<br />

Öfters aber mal den Kopf bewegen <strong>und</strong> hin <strong>und</strong><br />

wieder einen Blick zurück werfen schadet gar nicht,<br />

denn in der Vergangenheit liegt die Wurzel<br />

unseres Erfolges.<br />

Zusammen mit Ihnen als Mitarbeiter <strong>und</strong> mit unseren<br />

K<strong>und</strong>en haben wir unserer Errungenschaften erfolgreich<br />

positioniert.<br />

Herzlichen Dank!


<strong>DAMALS</strong><br />

1


vorangehende Doppelseite<br />

links<br />

Diese Sicherungen wurden zu Beginn des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

verwendet. In den 60er-Jahren waren diese noch ganz<br />

vereinzelt in Betrieb. Mit einer 2-A-250-V-Stecksicherung<br />

konnte man gerade mal 2 oder 3 Glühlampen gleichzeitig<br />

brennen lassen. Elektrische Haushaltgeräte waren zu dieser<br />

Zeit noch sehr rar.<br />

rechts<br />

Eine Schmelzsicherung ist eine Überstromschutzeinrichtung,<br />

die durch das Abschmelzen eines Leiters den Stromkreis unterbricht,<br />

wenn die Stromstärke während einer ausreichenden<br />

Zeit einen bestimmten Wert überschreitet.<br />

Dieses System wurde in der neueren Zeit beibehalten, aber<br />

durch die effizienteren Kippsicherungen ersetzt.<br />

© Martin Bührer<br />

1. Auflage 150 Exemplare<br />

2. Auflage 1 000 Exemplare<br />

Mai 2015<br />

ISBN 978-3-033-04906-2<br />

2<br />

www.illustro.ch


<strong>Titel</strong>bild<br />

Die Tapete ist Synonym für Veränderung. Sie bewahrt Spuren<br />

des Lebens, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen, verpackt<br />

unser Refugium in eine subjektive Wohlfühloase, kaschiert<br />

Vergangenes <strong>und</strong> lässt es vergessen. Man hat oft die eine<br />

über die andere geklatscht, hat Risse, Löcher, Flecken, Unstimmigkeiten,<br />

ja sogar Dummheiten verhüllt. Die Tapete ist<br />

Zeitzeuge unseres Lebens in der Neuzeit.<br />

In den eigenen vier Wänden versucht man mit einer neuen<br />

Tapete Vergängliches <strong>und</strong> Altmodisches zu unterdrücken <strong>und</strong><br />

sich so offenbar der Neuzeit zu verpflichten. Sie ist Ausdruck<br />

der momentanen Lebenslage <strong>und</strong> unterbindet somit Gedanken<br />

an das, was mal war.<br />

Ein Tapetenmuster lenkt unsere Emotionen, macht verrückt,<br />

melancholisch, gibt unbewusst Anlass zu Streit, beruhigt<br />

aber auch wieder <strong>und</strong> kann versöhnlich stimmen.<br />

Oft denkt man, da gefällt es mir nicht, in diesem Raum ist es<br />

mir nicht wohl, <strong>und</strong> – man glaubt es kaum – es kann durchaus<br />

die Tapete sein, die nicht passt. Man kann Möbel davorstellen,<br />

Bilder <strong>und</strong> anderen Wandschmuck aufhängen,<br />

abdunkeln oder hell erleuchten – die Tapete ist Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

Basis für unsere Art der Befindlichkeit.<br />

Ihren Ursprung hat die Tapete im Orient. Bevor man günstige<br />

Papiertapeten benutzte, schmückten Sultane, Kalifen<br />

<strong>und</strong> Emire ihre Wände vor allem mit grossen Wandteppichen.<br />

Bis ins 18. Jahrh<strong>und</strong>ert nannte man diese deshalb auch<br />

«türkische Tapeten». Da diese überaus teuer waren, nahmen<br />

die arabischen Fürsten im Mittelalter <strong>und</strong> auch danach ihre<br />

wertvollen Teppiche bei Reisen zu ihren Residenzen mit.<br />

Lichtschalter waren zu Beginn des elektrischen Zeitalters<br />

durchwegs aus Porzellan <strong>und</strong> Keramik. Das Material war von<br />

ausserordentlicher Härte, nicht leitend <strong>und</strong> folglich ideal für<br />

Drehschalter. Später verwendete man für Lichtschalter meist<br />

den robusten ersten vollsynthetisch hergestellten Kunststoff<br />

Bakelit.<br />

3


• Sicherungen<br />

• Tapete<br />

• Passe-vite<br />

• Schreibmaschine<br />

• Telefon mit Wählscheibe<br />

• Milchkesseli<br />

• Velo-Solex<br />

• Traveler‘s-Check<br />

• Flasche mit Bügelverschluss<br />

• Glühbirne<br />

• indigene Völker<br />

• Güdderchübel<br />

• LP <strong>und</strong> Plattenspieler<br />

• Fotoapparat<br />

• Peace-Zeichen<br />

• Kassette<br />

• Floppy Disk<br />

• das Fräulein<br />

• Reissnagel<br />

• magisches Auge<br />

• Super-8-Kamera<br />

• Filterkaffee<br />

• Wäscheschleuder<br />

• Hotelschlüssel<br />

• alte Währungen<br />

• Kommunismus<br />

• Luftpost<br />

1<br />

3 / <strong>Titel</strong><br />

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Das waren noch Zeiten!<br />

Vor gar nicht allzu langer Zeit – gerade gestern noch oder<br />

vorgestern – denkt man oft…<br />

Herrgott, wie war das doch damals mit der alten Hermes<br />

Baby, dem Tipp-Ex <strong>und</strong> den übervollen Papierkörben – oder<br />

ganz früher, als wir Kinder jeweils am Abend mit dem hellblauen,<br />

ultramodernen Plastik-Milchkesseli mit rotem Henkelgriff<br />

zum Milchhüsli geschickt wurden – in den 80ern mit<br />

dem Lenco Plattenspieler, den LPs von David Bowie, Santana…<br />

der Super-8-Kamera oder dem Velo-Solex – <strong>und</strong> war<br />

da nicht eben noch die Floppy Disk…?<br />

Produkte, Objekte <strong>und</strong> Ereignisse von «gerade eben noch»<br />

in Form von grossformatigen Illustrationen, zusammen mit<br />

amüsanten Texten <strong>und</strong> Angaben darüber sind die Hauptakteure<br />

in diesem Bilder-Buch.<br />

Aus einer fast unendlichen Fülle von Themen sind die 27<br />

gewählten in diesem Buch meist erlebte Angelegenheiten.<br />

Sie entsprechen dem Empfinden des Autors <strong>und</strong> sind die Basis<br />

zu diesem Buch – Wahrheit, Dichtung oder abgeänderte<br />

Begebenheiten sind aber keinesfalls auszuschliessen.<br />

Auch wenn verschiedene nostalgische Tendenzen, wie zum<br />

Beispiel der Hang zum Plattenspieler mit den LPs, vorhanden<br />

sind, ist es Tatsache, dass diese Objekte fast unwiderruflich<br />

der Vergangenheit angehören <strong>und</strong> immer mehr<br />

vergessen werden. Das Filterkaffee-System, so wie es hier<br />

beschrieben wird, ist zwar sehr interessant <strong>und</strong>, wie es in<br />

seiner Verschiedenheit gebraucht wurde, auch oft zum<br />

Schmunzeln, ist aber in unserer gehetzten Zeit kaum mehr<br />

anzuwenden.<br />

Kaffee wird bei uns, sei es bei der Arbeit oder zu Hause,<br />

vermehrt aus Kapseln, Sachets, der vollautomatischen Kaffeemaschine<br />

oder allenfalls mit der alten italienischen Espressoschraube<br />

zubereitet.<br />

Die deutsche Sprache ist sehr blumig <strong>und</strong> facettenreich. Sie<br />

ist womöglich eine der detailliertesten Sprachen auf der<br />

Welt überhaupt <strong>und</strong> sollte einerseits in den Bestandteilen<br />

gepflegt <strong>und</strong> bewahrt werden, andererseits ist die Sprache<br />

auch ausbaufähig <strong>und</strong> soll der aktuellen Zeit sinnvoll angepasst<br />

werden.<br />

Der Begriff «Fräulein» wurde zu Beginn der Emanzipation<br />

der Frau in den 70ern im deutschen Sprachraum gewissermassen<br />

getilgt; zu Recht oder zu Unrecht ist die Frage.<br />

Die Gleichberechtigung der Frau gegenüber dem Mann beruht<br />

sicher nicht auf dieser Form des Ansprechens. In Frankreich,<br />

Italien, Spanien, England <strong>und</strong> vielen andern Sprachgebieten<br />

gibt es das Fräulein noch – Mademoiselle, Signorina,<br />

Señorita, Miss etc.<br />

Eine der wichtigsten philosophischen Weltanschauungen war<br />

der Kommunismus. Die soziale Auslegung wäre im Zeichen<br />

der wachsenden Weltbevölkerung für den Menschen genial<br />

gewesen, das falsche Verständnis <strong>und</strong> die fragliche Ausführung<br />

durch die meisten Protagonisten verurteilten den Kommunismus<br />

jedoch zum Scheitern.<br />

Es gibt aber auch Erzeugnisse von gestern <strong>und</strong> vorgestern,<br />

welche trotz übler Diffamierungen <strong>und</strong> Verbannungsversuche<br />

überlebt haben <strong>und</strong> heute einen enormen Kultstatus erreicht<br />

haben – zum Beispiel Blue Jeans…<br />

5


PASSE-VITE hoffnungslos<br />

Ich schreibe Passe-vite hartnäckig mit Bindestrich,<br />

schon dieser Umstand allein verrät meine unabänderliche<br />

Liebe zu diesem aussterbenden Küchengerät.<br />

Es ist alles andere als passé, wenn Sie mich fragen –<br />

wenn auch von der Mehrheit vergessen oder ignoriert.<br />

Der Mixer fegte das bescheidene Passe-vite in den<br />

1960er-Jahren wie ein Tornado fast vollständig aus<br />

den Küchen. Er kann Gemüse <strong>und</strong> Früchte ungleich<br />

schneller <strong>und</strong> feiner pürieren <strong>und</strong> erst noch ohne Kraftaufwand.<br />

ABER haben Sie schon einmal Kartoffeln mit<br />

dem Mixer püriert? Bei dieser Masse kriegen Sie den<br />

M<strong>und</strong> vor Staunen nicht mehr auf, denn damit liesse<br />

sich problemlos eine Tapete an die Wand kleistern.<br />

passé?<br />

Nur Kartoffelstock oder Gnocchi – nein – das kann man<br />

damit niemals zubereiten! Der Mixer mit seiner hohen<br />

Drehzahl erzeugt Reibungswärme <strong>und</strong> so kann sich<br />

die Kartoffelstärke mit Wasser zu einer beeindruckend<br />

klebrigen Masse verbinden. Da entstehen also mitnichten<br />

hübsche, kleine Würmchen, die – beträufelt mit<br />

flüssiger Butter – als Kartoffelschnee zu Gulasch oder<br />

Voressen serviert werden können. Oder die mit Butter<br />

<strong>und</strong> Milch verrührt zu einem luftigen hausgemachten<br />

Kartoffelstock werden. Darum beweine ich nicht das<br />

Verschwinden des guten alten Passe-vites, sondern<br />

bemitleide diejenigen, die es vorschnell der Altmetallsammlung<br />

überlassen haben.<br />

Ihr wisst ja nicht, was ihr verpasst!<br />

Betty Bossi<br />

6


7


Das Passe-vite ist ein von Hand betreibbares Küchengerät,<br />

das zum Passieren von Früchten, Gemüse oder anderen Lebensmitteln<br />

dient.<br />

Das Utensil besteht aus einem siebartigen, meist leicht abgeschrägten<br />

Boden, über den eine Welle mit rotorartigen<br />

Blättern bewegt wird. Mit einer Kurbel werden die Blätter<br />

in eine Drehbewegung versetzt <strong>und</strong> pressen so die ins Gerät<br />

gelegten Lebensmittel durch den Siebboden. Bei einigen<br />

Geräten lässt sich das Bodensieb wechseln <strong>und</strong> so die Feinheit<br />

variieren.<br />

1928 liess Victor Simon in Belgien ein Gerät mit dem Namen<br />

«Passoire d‘action rapide pour légumes et autres comestibles»<br />

patentieren. Möglicherweise war diese Bezeichnung<br />

etwas zu ausschweifend, als dass das Gerät in den francophonen<br />

Küchen sofort den Einzug geschafft hätte.<br />

Im Jahr 1932 wurde der Franzose Jean Mantelet von enormem<br />

Mitleid ergriffen, als er seiner Frau zusehen musste,<br />

wie sie mit der Gabel die Kartoffeln zu Brei zerdrückte. Dem<br />

sonntäglichen Küchen-Prozedere der französischen Madame<br />

sollte zumindest in dieser Hinsicht eine gewisse Erleichterung<br />

gewährt werden.<br />

Nach dem Prinzip «da muss es durch» erfand Jean die erste<br />

Gemüse-Mühle <strong>und</strong> meinte somit, das Instrument zur weiblichen<br />

Emanzipation erf<strong>und</strong>en zu haben. Die Kraftanwendungen<br />

wurden durch dieses Gerät zwar minimiert, das Reinigen<br />

des Gerätes war aber umso aufwändiger.<br />

Der minimale Zugewinn von Freiheit war für die gallische<br />

Madame so klein, dass die echte Emanzipation der Frau verständlicherweise<br />

für Jahre auf später verschoben wurde.<br />

Die modernen germanischen Hausfrauen wollten aber bezüglich<br />

dieser Erleichterungen in der Küche keineswegs<br />

hintanstehen <strong>und</strong> liessen sich vor siebzig Jahren von den<br />

Gebrüdern Funke die Flotte Lotte erfinden.<br />

Passe-vite, Passe-tout, Presse-Purée, Pürierchef, Passiermühle,<br />

Gemüsemühle, Passiergerät oder Flotte Lotte – eine ganze<br />

Armada verschiedener Namen für dasselbe Gerät zeugt von<br />

dessen Beliebtheit. Jean Mantelet verkaufte zeitweilig bis<br />

zu zwei Millionen «Presse-Purée» pro Jahr <strong>und</strong> nannte das<br />

Gerät später «Moulinex», so wie seine Firma.<br />

Wer wem was abgeschaut, geklaut <strong>und</strong> neu patentiert hat,<br />

ist hier kaum belegt <strong>und</strong> beschäftigt heute nur noch linientreue<br />

Gemüsemühlendreherinnen <strong>und</strong> -dreher. Ist es die<br />

französische Moulinex oder die deutsche Flotte Lotte?<br />

8


10<br />

Schreibmaschine<br />

…Hermes Baby


Die Hermes Baby war eine der weltweit beliebtesten Kleinschreibmaschinen.<br />

1935 erstmals hergestellt, wurde sie bald<br />

mal zum absoluten Renner <strong>und</strong> bis in die 1980er-Jahre mehr<br />

als 4,5 Millionen Mal verkauft. Im Wesentlichen blieb sie mechanisch<br />

praktisch unverändert. Im englischsprachigen Raum<br />

ist sie als «Featherweight» <strong>und</strong> «Hermes Rocket» bekannt.<br />

Dank ihrem Erfolg wurde die Schweiz 1938 mit 42000 ausgeführten<br />

Exemplaren hinter den USA <strong>und</strong> Deutschland zum<br />

drittgrössten Exportland für Schreibmaschinen.<br />

Der amerikanische Schriftsteller-Zampano Ernest Hemingway<br />

hatte verschiedene Schreibmaschinen, die Hermes Baby aber<br />

war sein steter Reisebegleiter; seine amerikanischen Schriftstellerkollegen<br />

John Steinbeck <strong>und</strong> William S. Borroughs<br />

hatten ebenfalls eine Baby. Gordon Lee streichelte, traktierte<br />

<strong>und</strong> quälte seine Hermes <strong>und</strong> hatte dadurch einen grossen<br />

Baby-Verschleiss. Pro Roman zerhackte er durchschnittlich<br />

ein Gerät. Als die Produktion der Hermes Baby 1989 schliesslich<br />

eingestellt wurde, kaufte sich der ältere Herr noch ein<br />

Dutzend davon auf Vorrat.<br />

Es war vor allem die künstlerische Gilde der tippenden Gesellschaft,<br />

welche die Hermes Baby schätzte. Das praktische <strong>und</strong><br />

preiswerte Gerät wurde aber auch von Vereinsaktuaren, Buchhaltern,<br />

in Sekretariaten <strong>und</strong> in Haushalten sehr geschätzt.<br />

Zu Beginn des Jahres 1935 kündigte die Herstellerfirma<br />

Paillard die neue Schreibmaschine wie folgt an:<br />

«Einem Bedürfnis Rechnung tragend, das bisher nur Wunsch<br />

war, hat die Firma Paillard & Co. in aller Stille einen vollständig<br />

neuen Typ einer Schreibmaschine geschaffen, dessen Erscheinen<br />

auf dem Markt in wenigen Wochen erfolgen wird.<br />

Diese neue Maschine, die Hermes Baby, repräsentiert eine<br />

schöpferische Leistung der schweizerischen Schreibmaschinen-Industrie<br />

<strong>und</strong> wird zweifellos dem Geschäfte der Kleinmaschinen<br />

einen ganz neuen Impuls geben. Hermes Baby<br />

wiegt ca. 3 kg, ist so hoch wie eine Zündholzschachtel, bringt<br />

eine vollwertige Arbeitsleistung zustande <strong>und</strong> wird zu einem<br />

Preis verkauft werden, der weniger als die Hälfte des Preises<br />

der gewöhnlichen Portable betragen wird.»<br />

Die Hermes Baby r<strong>und</strong>ete das von Paillard angebotene Sortiment<br />

an Schreibmaschinen ab. Sie sei zwar nicht die erste<br />

«Portable», jedoch deutlich kleiner <strong>und</strong> kompakter als<br />

das Vorgängermodell <strong>und</strong> bei einem Preis von damals 160<br />

Schweizer Franken äusserst günstig <strong>und</strong> spreche somit eine<br />

neue Käuferschicht an.<br />

An der Basler Mustermesse von 1935 wurde die Hermes<br />

Baby als «das Weltw<strong>und</strong>er für jedermann» angekündigt.<br />

12


WÄHLSCHEIBE<br />

Zur Telefon-Wählscheibe können gr<strong>und</strong>sätzlich drei Themenbereiche<br />

erwähnt werden.<br />

Der erste Bereich ist die Erfindung <strong>und</strong> technische Entwicklung:<br />

vom Trommelwählschalter, der Fingermuldenscheibe<br />

bis hin zur Fingerlochscheibe. Die Fingerlochscheibe<br />

bildete die eigentlich letzte <strong>und</strong> bekannteste<br />

Version des sogenannten Nummernschalters mit Fliehkraftreglersystem.<br />

Dieses System wurde in den 80er-Jahren<br />

des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts mehrheitlich durch den Tastenwahlblock<br />

verdrängt.<br />

In den meisten Fällen war nach sechs- oder siebenfacher<br />

Rotation der Wählscheibe die Kommunikation, das Gespräch<br />

eigentlicher Sinn <strong>und</strong> Zweck des Telefonierens.<br />

Da das allgemeine Telefongespräch gr<strong>und</strong>legend in nur<br />

zwei Bereiche gefasst werden kann, nämlich in «wichtig»<br />

<strong>und</strong> in «belanglos», kann diese Angelegenheit schnell<br />

übergangen <strong>und</strong> sofort zum dritten, viel interessanteren<br />

Themenbereich gewechselt werden.<br />

Die Wählscheibe, genauso wie die Sprechmuschel, ist<br />

ein gewaltiges Tummelfeld für Bakterien <strong>und</strong> Viren.<br />

Vergleichsweise dazu werden Veranstaltungen wie Super<br />

Bowl, Carneval in Rio, Woodstock oder das Fest auf<br />

der Wiesn zu bedeutungslosen Ringelreihen degradiert.<br />

Bazillen sind unbequem, meist bösartig <strong>und</strong> vermehren<br />

sich prächtig in geschlossenen Räumen wie vielbenutzten<br />

Telefonkabinen.<br />

14


BAKTERIEN UND VIREN<br />

Flegelhaft annektierte jemand Sek<strong>und</strong>en vor dir das Telefonhäuschen<br />

<strong>und</strong> es ist dir nichts anderes übrig geblieben, als dem<br />

folgenden Prozedere völlig unauffällig zuzuschauen.<br />

Münzen aus einem schäbigen Portemonnaie kullerten erstmal<br />

in physikalischer Norm <strong>und</strong> gepaart mit unkontrolliertem<br />

Gebaren dieses dreisten Geschöpfes über den schmierigen<br />

Boden der Kabine <strong>und</strong> wurden dann nach dem System einer<br />

gewissen Salamitaktik in den längst zuvor schon kontaminierten<br />

Schlitz geworfen. Mit der Vielzahl von Krankheitserregern,<br />

die auf jeder Fingerkuppe<br />

nachweisbar sind, wurde danach mit<br />

dem Drehen in der Wählscheibe ein<br />

grandioses Symposium von Bazillen<br />

zusammengeführt. Je nach Gemüt<br />

<strong>und</strong> Verfassung dieses unverschämten<br />

Individuums konntest<br />

du zuschauen,<br />

wie Tränen, Rotze <strong>und</strong> Speichel als prickelndes Potpourri dem<br />

Griff des Telefonhörers beigemischt wurden.<br />

Weil du wusstest, dass Tränen der Freude <strong>und</strong> des Glücks vom<br />

spezifischen Gehalt her nicht besser sind als Tränen von Trauer<br />

<strong>und</strong> Verzweiflung, griffst du später in der frei gewordenen<br />

Kabine tapfer nach dem Hörer <strong>und</strong> wähltest mit deinem zuvor<br />

schon andersartig kontaminierten Zeigefinger die Nummer.<br />

Der extremen Seuchengefahr warst du dir zwar bewusst <strong>und</strong><br />

grübeltest deshalb nicht kurz danach in der Nase <strong>und</strong> hast<br />

auch bald mal die Hände gewaschen, bist aber der Ansicht,<br />

solche Szenen seien zwar ekelerregend, aber umgebracht habe<br />

es dich bis heute noch nicht.<br />

Die grössten Überträger von Millionen Keimen sind ungewaschene<br />

Hände. Weil sich Menschen im Schnitt alle vier Minuten<br />

ins Gesicht greifen, gelangen Krankheitserreger<br />

über die Schleimhäute von M<strong>und</strong>, Augen<br />

<strong>und</strong> Nase in den Körper <strong>und</strong> breiten sich aus.<br />

16


Technik<br />

Ein Nummernschalter war eine Fingerlochscheibe mit zehn<br />

Löchern. Jeder Ziffer von 1 bis 9 sowie der 0 ist je ein Loch<br />

zugeordnet. Eine Ziffer wurde gewählt, indem der Benutzer<br />

den Zeigefinger in das entsprechende Loch der Fingerlochscheibe<br />

steckte <strong>und</strong> ihn durch Rechtsdrehung bis zum<br />

Anschlag bewegte. Hinter der Wählscheibe wurde dadurch<br />

eine Rückdrehfeder gespannt. Dann wurde der Finger herausgezogen<br />

<strong>und</strong> die Rückdrehfeder drehte, abgebremst<br />

durch einen speziellen Fliehkraftregler, die Fingerlochscheibe<br />

in ihre Ursprungslage zurück. Bei diesem Vorgang wurde<br />

durch den Nummernschalter eine der gewählten Ziffer entsprechende<br />

Anzahl von Unterbrechungen (Impulse) der Telefonleitung<br />

mit einer durch den Fliehkraftregler definierten<br />

Geschwindigkeit übermittelt. So entstand die gewünschte<br />

Telefonnummer als Kombination verschiedener Ziffern.<br />

17


MILCHKESSELI<br />

Nein. Als ich noch en chline Goof war, ging man nicht<br />

in die Migros oder den Coop goge Milch poschte. Dafür<br />

gab es das Milchchesseli <strong>und</strong> den Milchchaschte. Der<br />

Milchkasten heisst beim Briefkasten zwar immer noch<br />

so, doch darin hat es schon lange keinen Platz mehr für<br />

einen Milchkessel, den es praktisch auch nicht mehr gibt.<br />

Es war meine heilige Aufgabe, diesen jeweils abends<br />

sauber gewaschen in den Milchkasten zu stellen.<br />

Und es vergingen doch ein paar Monate, bis ich<br />

herausfand, wie <strong>und</strong> von wem denn die Milch in<br />

das Kesseli kam. Am früene Morge schlich ich<br />

mich jeweils runter zum Kasten, um nachzuschauen,<br />

ob denn das Kesseli schon voll frischer<br />

Milch war. Ein guter Doppelliter<br />

hatte Platz in dem erst blechigen, später<br />

aus Plastik hergestellten Eimer. War<br />

der Deckel drauf, wusste ich, dass er voll<br />

war. Sorgfältig trug ich ihn nach oben in<br />

die Küche, wo mich bereits meine Mutter<br />

erwartete. E heissi Ovi gabs zum Zmorge.<br />

Mit der frischesten Milch der Welt. Die<br />

hät no nach Milch gschmöckt! Nicht wie diese halbteilentrahmtpasteurisierthomogenisierte<br />

Tunke, die heute<br />

verkauft wird. Die Milch kam direkt von der Kuh! Sind<br />

wir davon krank geworden? Sicher nöd! Gibt es heute<br />

mehr Allergien? Und ob! Alles klar? Also ich vermisse<br />

s‘Milchchesseli <strong>und</strong> de Milchma …<br />

Eva Grdjic<br />

18


19


das hellblaue<br />

MILCHKESSELI<br />

Frühmorgens, wenn die meisten Menschen noch im Bett<br />

liegen <strong>und</strong> sich kurz vor dem Erwachen ein letztes Mal drehen,<br />

um auch die andere Seite des Traumes zu ergründen,<br />

heult ein jäher «Quietsch» mit doppeltem kurzem Nachhall<br />

durch den angegrauten Schwanz der Nacht. Ein Ton wie Fingernägel<br />

auf Schiefertafel – blankes Metall, gestockt von<br />

steinharten, trockenen Gummibremsklötzen.<br />

Frau Wey, die Milchfrau, ist angekommen. Mit dem schweren,<br />

klapprigen Fahrrad hat sie zu dieser Zeit bereits schon<br />

das ganze Unterdorf mit Milch, Butter <strong>und</strong> Käse versorgt.<br />

Auf dem riesigen Anhänger hat sie mindestens drei grosse<br />

Kannen mit Milch geladen, darüber auf Metallgestänge<br />

ein grosser, blauer Holzkasten für Butter, Käse, Joghurt <strong>und</strong><br />

Zigerstöckli. Gekühlt? Das gab‘s damals nicht, zu diesem<br />

Zweck reichte die sommerliche Morgenfrische. Mit Portioneneimer,<br />

gefüllt mit einigen Litern Milch in der einen<br />

Hand, eine breite Ledertasche für Butter, Käse, Joghurt <strong>und</strong><br />

Zigerstöckli, mit dickem Riemen an der Schulter, die Unterlippe<br />

zwischen die Zähne geklemmt, balancierte sie die<br />

ganze Last ums Haus herum zu den Milch- <strong>und</strong> Briefkästen.<br />

Dort warteten dann Dutzende von Milchkesseli; die meisten<br />

noch aus Aluminium, die neuen – quasi eine schweizerische<br />

Antwort auf Tupperware – viereckig, aus hellblauem,<br />

halbdurchsichtigem Polyethylen, mit rotem Henkelgriff. Im<br />

Milchkasten, neben dem leeren Milchkesseli, war auch das<br />

Milchbüechli, in dem die neue Bestellung drinstand, die von<br />

Frau Wey gewissenhaft ausgeführt <strong>und</strong> quittiert wurde.<br />

Die Auswahl an Milch <strong>und</strong> Milchprodukten war bescheiden.<br />

Es gab eine Sorte Milch, nämlich die von der Kanne, <strong>und</strong><br />

was in der Kanne war, kam ohne Umweg vom Euter <strong>und</strong> war<br />

die sogenannte Rohmilch. Dann gab es noch die Tafelbutter<br />

in blau bedrucktem Alupapier, Emmentaler, Tilsiter <strong>und</strong><br />

Glarner Zigerstöckli.<br />

20


VELO-SOLEX<br />

Mit Wind im Haar, einem neuartigen, vagen Gefühl<br />

von Freiheit, Geschwindigkeit <strong>und</strong> Revolution brauste<br />

ich mit Mutters Solex von einem Mopedhändler zum<br />

anderen auf der Suche nach dem ominösen Rollenharz,<br />

welches, laut meinen Töfflifre<strong>und</strong>en, dazu dienen sollte,<br />

aus der lahmen Ente ein pfeilschnelles, heisses Geschoss<br />

zu machen.<br />

Nur einer der Mopedhändler meinte mit einem sarkastischen<br />

Lächeln: Das gibt es wohl kaum.<br />

Da merkte ich, dass ich meinen Kollegen auf den Leim<br />

gekrochen war.<br />

22


24<br />

Brigitte Bardot auf Velo-Solex


25


TRAVELER ‚ S CHECK<br />

Zur besten Reisezeit sind die Nächte im hochgelegenen<br />

Cusco sehr kühl. Keiner der anwesenden Gäste des billigsten<br />

Hotels am Platz wollte deshalb <strong>und</strong> möglicherweise<br />

auch wegen der nächtlichen Ratten-Attacken das<br />

«Incatambo», die Kneipe am Plaza de Armas, schon<br />

frühzeitig verlassen.<br />

Pisco Sour, das peruanische Schnapsgetränk mit seinen<br />

aphrodisierenden Zutaten wie dem Angostura, den Limetten<br />

<strong>und</strong> dem Zimt, ist denn auch zu süffig <strong>und</strong> gelüstete<br />

die einen oder andern öfters nach mehr. Zudem<br />

gab der geplante Trip an den folgenden vier Tagen, auf<br />

dem über 50 km langen Inca-Trail nach Machu Picchu,<br />

genügend Gesprächsstoff <strong>und</strong> so quasselte man bis<br />

spät in die Nacht. Der Morgen danach war dann schon<br />

ein wenig strapaziös <strong>und</strong> eine gewisse Katerstimmung<br />

blieb bei anderen Reisebegleitern nicht unbemerkt.<br />

Nach einem kargen Frühstück beim Bahnhof San Pedro<br />

bot sich für mich die letzte Gelegenheit, vor der Reise<br />

meine Traveler‘s Checks gegen den hoch inflationären<br />

peruanischen Soles einzutauschen. Für meine restlichen<br />

50-Dollar-Checks bekam ich beim «Cambio» einen<br />

ziemlich grossen Stapel verschiedener Noten. Diese<br />

stopfte ich vorübergehend <strong>und</strong> wahrscheinlich sehr<br />

nachlässig in die rechte hintere Tasche meiner Jeans,<br />

wo diese auch nicht sehr lange darin blieben, sondern<br />

sehr schnell von meiner Tasche am Hintern in eine andere,<br />

fremde Tasche gesteckt wurden.<br />

Der Besitzer der anderen Tasche war zweifellos über<br />

meine vielen Soles sehr erfreut, ich hingegen änderte<br />

meine Reiseroute augenblicklich – in Richtung nach<br />

Hause.<br />

26


28<br />

Das ursprüngliche American Express-Emblem war eine weisse<br />

Bulldogge auf einem Tresor, was zwar vom Bild her als<br />

sehr sicher schien, aber vom Symbolgehalt her nicht allzu<br />

vertrauenserweckend galt. Ein neues Corporate Identity sollte<br />

Vertrauen, Qualität <strong>und</strong> Sicherheit für zufriedene K<strong>und</strong>en<br />

symbolisieren. Ein starker Mann mit Rüstung <strong>und</strong> klarem<br />

Blick schien die wahre Identität der Firma zu visualisieren.<br />

Mit der Herkunft dieser Figur hatte man das damals nicht so<br />

genau genommen <strong>und</strong> so kam es, dass der Mann mit Helmbusch<br />

mal ein Wikinger oder ein Gladiator, ein Hauptmann<br />

der römischen Armee, ein Trojaner oder sogar ein spartanischer<br />

Krieger war.<br />

Als dann zu Beginn dieses Jahrh<strong>und</strong>erts der Illustrator Steven<br />

Noble dem Logo ein Redesign verpasste, machte man<br />

dem Rätselraten über die Zugehörigkeit des Kriegers ein<br />

Ende <strong>und</strong> gab ihm den Rang eines Zenturios in der römischen<br />

Legion, was aber auch nicht stimmte.<br />

Einfache Legionäre der römischen Armee hatten die «Crist»,<br />

den Kamm aus gefärbtem Rosshaar, längs über dem Helm,<br />

Zenturios trugen den Kamm quer über dem Helm.<br />

Illustration/Logo: Steven Noble


Eine frühe Form des Reiseschecks waren die 1874 ausgegebenen<br />

Circular Notes des Reiseunternehmers Thomas Cook. Der erste<br />

Reisescheck in heutiger Form mit Gegenzeichnung wurde von<br />

American Express entwickelt. Nach einer Europareise hatte sich<br />

ein Angestellter der Firma beklagt, dass er ausserhalb der europäischen<br />

Hauptstädte kein Bargeld eintauschen konnte. Daraufhin<br />

wurden von American Express «Traveler‘s Checks» entwickelt <strong>und</strong><br />

die erarbeitete Methode, welches eine Gegenzeichnung vorsah,<br />

bald mal patentiert.<br />

Für grössere Reisen über mehrere Länder hinweg waren die Traveler‘s-Checks<br />

ein sehr angenehmes System. Wenn sie abhanden<br />

kamen, wurden sie bei rechtzeitiger Meldung gesperrt <strong>und</strong> ersetzt.<br />

Das System mit der Gegenzeichnung wurde von den meisten Banken<br />

<strong>und</strong> Wechselstuben sehr ernst genommen <strong>und</strong> war daher für<br />

das Einlösen zusammen mit Ausweispapieren des Reisenden eine<br />

sichere Sache.<br />

Der Scheck wurde vom Käufer vorerst einmal signiert <strong>und</strong> beim<br />

Einlösen gegen die bestehende Währung unter Kontrolle des jeweiligen<br />

Bankangestellten ein zweites Mal signiert.<br />

Die Traveler‘s Checks haben mit der weltweiten Verwendung der<br />

Kreditkarte sehr an Bedeutung verloren. Verschiedene Geldinstitute<br />

haben den Verkauf <strong>und</strong> die Produktion der Schecks eingestellt.<br />

29


BÜGELFLASCHE<br />

Der dumpf-verhaltene Ton, der das elegant-lässige Öffnen<br />

der Bügelflasche begleitete, war Synonym für Bier, Durst,<br />

Erfrischung, Heiss, Kühl, Fre<strong>und</strong>schaft, Schaum, Prost,<br />

Skol, Chin Chin, Salut, Nastrovje, 干 杯 (Mandarin), Skål,<br />

Cheers, Kippis, Santé, Jámas, Kasugta, Mahalu, Le‘chájim,<br />

Op uw gezonheid, Slàinte, Salute, Kanpai, Mazel tov, Uz<br />

veselibu, I sueikata, Mogba, Salam ati, Saúde, Tim-tim,<br />

Viva, Noroc, ´ivjeli, Auguryo, Mabuhay, Chokdee, Na<br />

zdraví, Serefe, Egészségére, Djam, Iechyd da, Osasuna,<br />

Genatsoot, Gëzuar, Shereve, Terviseks, Vakhtanguri, Mubarik,<br />

Kesak, I sueikata, Sacha Aviva…<br />

30


Gangster erwirtschaften ihren Lebensunterhalt durch kriminelle<br />

Machenschaften wie Diebstahl, Raub, Erpressung <strong>und</strong> Handel mit<br />

Undurchsichtigem <strong>und</strong> Durchsichtigem. Sie arbeiten sehr intensiv<br />

<strong>und</strong> müssen in ihrem Gewerbe mit der Substanz ganz oben in ihrer<br />

Erscheinung sehr haushälterisch umgehen. Wenn sie liederlich<br />

hantieren, werden sie für ihre Arbeit oft hart bestraft.<br />

Unter den Gangstern herrscht eine ganz klare Rangordnung, welche<br />

sich bei manchen Gruppierungen nicht nach der Konsistenz der<br />

Hirnmasse richtet, sondern nach dem Volumen anderer Körperteile.<br />

Es gibt die Gangster-Bosse, welche sich in den meisten Fällen<br />

eine Gangsterbraut leisten können, es gibt die normalen Gangster,<br />

die kleinen Gangster – die sogenannten Ganoven, <strong>und</strong> ganz am<br />

Schluss die kleinen Fische – die Unbrauchbaren. Alle zusammen<br />

bilden die eigentliche Gang <strong>und</strong> mit dieser Konstellation kann<br />

mehr oder weniger erfolgreich gehandelt werden.<br />

Auch dieses Metier will gelernt sein <strong>und</strong> an den verschiedenen<br />

Techniken muss immer wieder gefeilt werden. Je früher die Bildung,<br />

desto besser die Beute. Diese Jungsters sind die Strolche<br />

<strong>und</strong> unterscheiden sich schon in ihrer Erscheinung enorm von den<br />

richtigen Gangstern, müssen aber mit ähnlichem Esprit um Achtung,<br />

Ehre <strong>und</strong> um das Diebesgut kämpfen.<br />

Grosse Gangster handeln zwar sehr <strong>und</strong>urchsichtig, aber meist mit<br />

fester <strong>und</strong> oft wertvoller Materie; wir kleinen Gangster beschlossen,<br />

dass Klares <strong>und</strong> Transparentes viel besser zu unserem Metier<br />

passte. Unsere Losung war unmissverständlich <strong>und</strong> naheliegend:<br />

doppelt entsorgen.<br />

Beim Eindunkeln, kurz bevor zu Hause zum Appell gepfiffen wurde,<br />

stahlen wir die leeren Bügelflaschen hinter der alten Mosterei<br />

aus den Harassen, verschoben sie in unseren Adlerhorst <strong>und</strong> gaben<br />

dieselben am nächsten Tag vorne in der neu angelegten Getränkehandlung<br />

ab. Der Gewinn von 30 Rappen als Depot war enorm.<br />

Betont arglos lümmelten wir über das Areal der Mosti, plauderten<br />

ganz auffällig <strong>und</strong> ungezwungen mit dem alten Huwiler, dem<br />

Schnapsbrenner, ein paar Worte, hielten den Finger unters tropfende<br />

Schnapshähnchen <strong>und</strong> freuten uns über unser Husarenstück.<br />

Das Frühlingsgeschäft lief hervorragend, die Tage wurden länger<br />

<strong>und</strong> womöglich hat uns der Getränkehändler wegen des nicht<br />

mehr so diffusen Lichtes überführt.<br />

Beim nächsten Coup lud er uns ganz fre<strong>und</strong>lich, aber sehr bestimmt<br />

dazu ein, die Flaschen doch selber, in seiner Begleitung, in<br />

die Harasse hinter seiner Mosterei zu deponieren.<br />

32


Wie bei manchen Erfindungen gibt es auch beim Bügelverschluss<br />

fast gleichzeitig mehrere Erfinder. In den USA erhielt Charles de<br />

Quillfeldt 1875 ein Patent für den Bügelverschluss.<br />

In Deutschland wurde die Erfindung des Berliners Carl Dietrich<br />

1877 von Nicolai Fritzner weiterentwickelt, der eine Fabrik für Bügelverschlüsse<br />

gründete. 1877 liess sich der aus Magdeburg stammende<br />

Hermann Grauel den Klappdeckelverschluss patentieren.<br />

Unter der Bezeichnung «Seltersverschluss» blieb er bis 1969 der<br />

vorherrschende Verschluss für Mineralwasser. Karl Hutter kaufte<br />

das Patent dem New Yorker Charles de Quillfeldt Ende des 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts ab <strong>und</strong> verhalf dem Bügelverschluss mit viel unternehmerischer<br />

Tatkraft zum weltweiten Siegeszug.<br />

Die ersten Drahtbügel wurden mit einer Manschette am Flaschenhals<br />

befestigt. Ab 1885 wurden im Flaschenglas zwei gegenüberliegende<br />

Vertiefungen angebracht, in denen der Bügel sicher<br />

verankert werden konnte. Damit wurden die bis dahin wenig<br />

erfolgreichen Versuche beendet, Ton- <strong>und</strong> Glasflaschen mit dem<br />

schäumenden Bier transportsicher zu verschliessen. Weder Korken<br />

noch Gummizapfen konnten ausreichend <strong>und</strong> ohne zusätzliche<br />

Sicherung mit Schnur oder Draht dem inneren Druck der Kohlensäure<br />

im Bier standhalten.<br />

Flaschen mit Bügelverschluss erfreuen sich nicht nur aus<br />

nostalgischen Gründen <strong>und</strong> wegen des charakteristischen<br />

Geräuschs beim Öffnen steigender Beliebtheit. Die Möglichkeit,<br />

die Flasche wieder zu schliessen <strong>und</strong> das Bier dadurch<br />

frisch zu halten, wurde als Vorteil wiederentdeckt – wenn<br />

denn das Zeug solange drinbleibt.<br />

33


GLÜHBIRNE<br />

Wer hätte das gedacht?<br />

Thomas Alva Edison ganz sicher nicht, dass seine Erfindung,<br />

welche die Welt um einiges heller erscheinen<br />

liess, so lange verwendet würde. 1879 liess Edison die<br />

Dampfglühlampe patentieren.<br />

34


Thomas Alva Edison, ein amerikanischer Erfinder <strong>und</strong> Unternehmer<br />

mit dem Schwerpunkt auf dem Gebiet der Elektrizität<br />

<strong>und</strong> Elektrotechnik.<br />

Seine Verdienste gründen vor allem auf der Marktfähigkeit<br />

seiner Erfindungen, die er mit Geschick zu einem ganzen<br />

System von Stromerzeugung, Stromverteilung <strong>und</strong> innovativen<br />

elektrischen Konsumprodukten verbinden konnte.<br />

Edisons gr<strong>und</strong>legende Erfindungen <strong>und</strong> Entwicklungen in<br />

den Bereichen elektrisches Licht, Telekommunikation sowie<br />

Medien für Ton <strong>und</strong> Bild hatten einen grossen Einfluss auf<br />

die allgemeine technische <strong>und</strong> kulturelle Entwicklung. In<br />

späteren Jahren gelangen ihm wichtige Entwicklungen der<br />

Verfahrenstechnik für die Bereiche Chemie <strong>und</strong> Zement.<br />

Seine Organisation der industriellen Forschung prägte die<br />

Entwicklungsarbeit späterer Unternehmen.<br />

Edisons Leistung bei der Elektrifizierung von New York <strong>und</strong><br />

der Einführung von Elektrolicht markiert den Beginn der<br />

umfassenden Elektrifizierung der industrialisierten Welt.<br />

36


Verbindungen von Geräten mit dem Element Elektrizität<br />

waren ein für Edison wichtiges Anliegen, wie etwa die<br />

Glühlampe <strong>und</strong> das Konservieren von Tönen. Seine Virtualität<br />

im Erkennen <strong>und</strong> der Nutzbarmachung von Materie <strong>und</strong><br />

auch deren Vermarktung waren Gr<strong>und</strong>lage seiner enormen<br />

gesellschaftlichen Vernetzung.<br />

In einer Glühlampe lässt man einen elektrischen Strom<br />

durch einen dünnen, aus einem leitenden Material<br />

bestehenden Faden fliessen. Dank geeignet gewähltem<br />

Material, z. B. Wolfram, schmilzt dieser nicht. Der<br />

Metall-Faden hat die Form einer Glühwendel. Fliesst<br />

ein ausreichend starker elektrischer Strom durch den<br />

Faden, wird dieser so stark erhitzt, dass er glüht. Die<br />

Temperatur der Glühwendel beträgt je nach Bauart zirka<br />

1500 – 3000 °C, sodass sie gemäss dem planckschen<br />

Strahlungsgesetz elektromagnetische Strahlung emittiert,<br />

die vor allem im Bereich der Infrarotstrahlung <strong>und</strong><br />

des sichtbaren Lichts liegt.<br />

Die aufgenommene elektrische Leistung wird jedoch<br />

nur zu einem sehr geringen Teil als sichtbares Licht erkennbar.<br />

Ein weit grösserer Teil dieser Energie wird im<br />

infraroten Bereich als Wärmestrahlung merkbar.<br />

37


INDIGENE VÖLKER<br />

Die Vertreibungen indigener Menschen von<br />

ihrem Land zur Gründung von Nationalparks<br />

sind ein grosses Problem in vielen afrikanischen<br />

Staaten.<br />

Nach einem richterlichen Urteil, welches die<br />

Rückkehr eines Urvolkes auf sein Land erlaubte,<br />

hat die Regierung eines afrikanischen Staates<br />

das einzige Wasserloch im Reservat zerstört,<br />

sodass diese Menschen weite Strecken zurücklegen<br />

mussten, um an Wasser zu gelangen.<br />

Ironischerweise wurde in dem Reservat ein Urlaubsresort<br />

mit eigenem Pool für Touristen errichtet.<br />

38


INDIGENE VÖLKER<br />

Ein entscheidendes Ereignis in der Geschichte der südamerikanischen<br />

Völker ist die Ankunft der Europäer vor 500<br />

Jahren. Zu dieser Zeit existierten schätzungsweise 1 000<br />

verschiedene Völker, die sich aus zehn Millionen Menschen<br />

zusammensetzten. Heute gibt es nur noch 350000 indigene<br />

Menschen, die in etwa 215 Völkern in Südamerika zusammenleben.<br />

Bereits im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert gab es so wenige Ureinwohner,<br />

dass Sklaven aus Afrika eingeführt wurden, um der Nachfrage<br />

gerecht zu werden.<br />

Zu Beginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts sank die Zahl der rein indigenen<br />

Bevölkerung Brasiliens erstmals unter eine Million.<br />

In den 1950er-Jahren war ihre Bevölkerung auf nur noch<br />

100000 gesunken. Dazu trug auch der Kautschukboom bei,<br />

in dessen Folge zehntausende Angehörige indigener Völker<br />

durch Gewalt <strong>und</strong> Sklaverei ums Leben kamen. Durch die<br />

Rodung des Regenwaldes wird ihr Lebensraum immer stärker<br />

verkleinert. Die Brandrodung des Regenwaldes ist auch<br />

für Epidemien, Umsiedlung <strong>und</strong> die Zerstörung ihrer Kultur<br />

verantwortlich.<br />

Die Pygmäen in Afrika gehören zu einer Minderheit, die relativ<br />

isoliert lebt <strong>und</strong> von anderen ethnischen Gruppen wie<br />

Sklaven gehalten werden. Weiter ist ihr natürlicher Lebensraum<br />

durch uneinsichtige Abholzungen stark gefährdet. Die<br />

Lebenserwartung liegt bei den Pygmäen mit 40 Jahren deutlich<br />

tiefer als bei ihren Nachbarn, den Bantu. Auch konnte<br />

bisher kein Pygmäe die Universität besuchen <strong>und</strong> beim<br />

Zugang zum Markt oder auf Arbeitsstellensuche werden sie<br />

von anderen ethnischen Gruppierungen diskriminiert.<br />

Ein weiteres Problem haben indigene Völker auf der ganzen<br />

Welt mit dem Tourismus. Luxus-Resorts mit breitem Adventure-Angebot<br />

erfreuen sich zunehmend grosser Beliebtheit.<br />

Safari-Tours, zusammen mit Besuchen der Eingeborenendörfer<br />

in der Savanne oder im Dschungel, mit anschliessendem<br />

Wellness, Spa <strong>und</strong> exklusivem Dinner, serviert vom Sohn des<br />

Häuptlings, sind begehrte Angebote für unsere Gesellschaft.<br />

Eingeborene Völker gibt es nur noch wenige auf der Welt.<br />

Vermutlich werden diese Völker in ein paar Jahren ihr Blasrohr<br />

oder ihren Pfeilbogen gegen eine Kreditkarte <strong>und</strong> ein<br />

iPad eintauschen.<br />

40


Güdderchübel<br />

In der permanenten Feuchtigkeit damaliger Küchen,<br />

ganz unten, hinter dem kleinkarierten Vorhängli, in<br />

Nachbarschaft des stets tropfenden Siphons stand das<br />

«Patent Ochsner» mit eisernem Willen <strong>und</strong> imitierte<br />

unablässig David Copperfield.<br />

Die Show dieser Systeme hiess «Verschwindibus».<br />

Ein- bis zweimal wöchentlich durfte der Kübel sein<br />

feuchtes Verlies unter dem Schüttstein verlassen <strong>und</strong><br />

man bot ihm die Gelegenheit, sich der grausigen Last<br />

zu entledigen. Er wurde frühmorgens von starker Männerhand<br />

an den Trottoirrand gestellt <strong>und</strong> wartete zusammen<br />

mit seinen grösseren <strong>und</strong> kleineren Kumpanen<br />

auf seine Erlösung. Flink, unzimperlich <strong>und</strong> mit lautem<br />

Geschepper wurde das vermeintlich «Copperfieldsche<br />

Gut» vom Chübelmaa in den Chübelwagen umsortiert<br />

<strong>und</strong> zum nahen Stinkberg chauffiert.<br />

Meist durch zarte Kinderhände wurde der eiserne Geselle<br />

dann abends innerhalb seiner eigenen Wand mit<br />

alten Zeitungen neu ausgekleidet <strong>und</strong> wieder auf seine<br />

dunkle Bühne unter dem Schüttstein gestellt.<br />

42


43


Der Name «Patent Ochsner» steht in der Schweiz für Abfallentsorgung<br />

schlechthin. Während Jahrzehnten gab es kaum<br />

einen Schweizer Haushalt ohne den typischen «Güdderchübel»<br />

mit dem unverkennbaren Deckel mit ausgeprägtem<br />

Schweizerkreuz <strong>und</strong> der Bezeichnung «System Ochsner». Das<br />

im Jahre 1902 entwickelte Entsorgungssystem der Zürcher<br />

Firma J. Ochsner AG bestand aus normierten Mülleimern sowie<br />

den dazugehörenden LKW-Aufbauten <strong>und</strong> war ab Mitte<br />

des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts in der Schweiz weit verbreitet.<br />

1928 wurde das Ochsner-System in Zürich eingeführt. Die<br />

Haushalte wurden mit regelkonformen Kübeln, die auf den<br />

«Chübelwagen» zugeschnitten waren, ausgerüstet. Nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg wurde das System Ochsner mit seinen<br />

Produkten <strong>und</strong> Lizenzen europaweit bekannt.<br />

Der sogenannte Ochsnerkübel war ein feuerverzinkter Blecheimer,<br />

später auch aus Kunststoff. Herausragendes Konstruktionsmerkmal<br />

war der Klappdeckel, an welchem eine Lasche<br />

mit Loch befestigt war.<br />

Die Kehrichtwagen für dieses System besassen Schiebedeckel,<br />

welche über einen seitlich angebrachten Hebel geöffnet<br />

werden konnten. Der «Chübelmaa» hängte die Deckellasche<br />

des Ochsnereimers an einen Haken am Schiebedeckel. Bei<br />

der anschliessenden Hebelbetätigung öffnete sich der Eimer,<br />

kippte <strong>und</strong> entleerte seinen <strong>Inhalt</strong> in den Kehrichtwagen.<br />

In den meisten Regionen der Schweiz wurde Kehricht ab den<br />

1920er-Jahren nach dem System Ochsner entsorgt. Das bedeutete,<br />

dass jeder Haushalt einen Ochsnereimer besitzen<br />

musste. Vorschriften <strong>und</strong> Reglemente stellten sicher, dass die<br />

Benutzer die Eimer mit Zeitungspapier auskleideten.<br />

Das System Ochsner wurde mit der zunehmenden Verbreitung<br />

der Müllsäcke in den 1970er-Jahren aufgegeben.<br />

Über h<strong>und</strong>ert Jahre nach seiner Erfindung ist der Ochsner-Kübel<br />

in der Bevölkerung noch immer ein Begriff.<br />

Die alten Eimer sind zu Sammlerobjekten geworden. Das System<br />

wird heute durch ein angemessenes Redesign neu produziert.<br />

(s. www.patent-ochsner.com/der-kult-eimer)<br />

44


Die Kehrichtabfuhr hat eine lange Geschichte. Sie begann<br />

schon im Mittelalter: Haus- <strong>und</strong> Gewerbeabfälle sowie Exkremente<br />

wurden auf Feldern der Umgebung entsorgt. Damals<br />

schon funktionierte das nicht reibungslos <strong>und</strong> führte oft zu<br />

Beschwerden. Viele Bürger wussten aber nicht mit dem Müll<br />

jeglicher Art umzugehen <strong>und</strong> deponierten diesen auf Müllhalden<br />

bis ins 20. Jahrh<strong>und</strong>ert hinein. Erste Müllverbrennungsanlagen<br />

baute man vor 1900 in England <strong>und</strong> in Deutschland.<br />

Nachdem der Müll erst mit Pferdewagen aus den Städten gekarrt<br />

worden war, übernahmen dies zu Beginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

zunehmend motorgetriebene Fahrzeuge.<br />

Als die Müllberge mit der Industrialisierung immer mehr<br />

wuchsen, beschäftigte man sich mit der Frage, wie die Müllabfuhr<br />

für wiederverwertbare Rohstoffe organisiert werden<br />

konnte.<br />

Am besten funktionierte das System Mülltrennung in der<br />

ehemaligen DDR. Müll war das eine, wiederverwertbare<br />

Rohstoffe wie Gläser, Metall, Papier etc. übernahm aber ein<br />

eigens dafür autorisierter Wirtschaftszweig. Müllvermeidung<br />

wurde honoriert, Altstoffe sammeln belohnt <strong>und</strong> war womöglich<br />

eine der positiven sozialistischen Errungenschaften<br />

der DDR.<br />

Auf dem Schulweg habe ich viele von ihnen kennengelernt<br />

– auch von innen. Sie standen jeden Dienstag <strong>und</strong><br />

Freitag an der Strasse vor Häusern, auf dem Trottoir <strong>und</strong><br />

in Vorgärten. Und sie hiessen alle gleich wie ich.<br />

Es gab die kleinen, die in mittlerer Grösse, aber auch ganz<br />

grosse. Zu Beginn meiner Schulzeit waren diese grossen<br />

Ochsner-Kübel sogar um einiges grösser als ich, denn ich<br />

war ja ein kleiner Knirps. Nicht umsonst hatte man mich<br />

in der Pfadi «Stumpe» getauft.<br />

Es gab schöne, neu glänzende, aber auch fürchterlich zerbeulte.<br />

Viele mit fast offenen Deckeln, mit überquellendem<br />

<strong>Inhalt</strong> – <strong>und</strong> die meisten stanken entsetzlich. Katzen<br />

<strong>und</strong> H<strong>und</strong>e konnten den <strong>Inhalt</strong> der Kübel noch riechen,<br />

der lag offen drin. Plastiksäcke waren damals noch ein<br />

Fremdwort. Und sie haben sich bedient, die armen Tiere,<br />

die ja sonst nichts zum Futtern hatten. Die Abfallreste lagen<br />

danach weit verteilt auf der Strasse herum <strong>und</strong> nicht<br />

mehr dort, wo sie eigentlich sein sollten.<br />

So war es denn, dass ich viel mehr gleichnamige Kollegen<br />

hatte als alle meine anderen Schulkollegen. Die waren<br />

natürlich eifersüchtig <strong>und</strong> nannten mich «Ochsner-<br />

Chübel». Sechs Jahre lang musste ich mir dieses neidische<br />

Geschwätz von den Meiers, Müllers <strong>und</strong> Hubers anhören.<br />

Wer hatte denn schon einen so bekannten Namen wie ich?<br />

Max Ochsner alias Ochsner-Chübel alias Stumpe<br />

45


LP<br />

Schellack-Schallplatte – das war einmal…<br />

Ab Mitte des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts, mit der anbrechenden<br />

Neuzeit im Bereich der Musik, entwickelte man mit<br />

neuem Material das alte System der Schellack-Schallplatte<br />

– Vinyl.<br />

Der enthusiastische Vinylist aber glaubt die Unbeflecktheit<br />

der Musik aus der schwarzen Scheibe herauszuhören.<br />

Ein natürliches Knistern, die angeblichen Obertöne,<br />

die Wärme des Tones der analogen Schallplatte bringen<br />

ihn zur Ekstase. Schallplatten-Fans sind Geniesser, die<br />

der Platte auf dem Teller gern beim Rotieren zusehen.<br />

Schallplatten aus Vinyl werden durch häufiges Abspielen<br />

aber nicht besser, verkratzen leicht <strong>und</strong> Staub ist ihr<br />

grösster Feind. Ungeachtet dieser Argumente steht Vinyl<br />

aber für sehr viel Lebensgefühl.<br />

46


Schellack<br />

Lackschildläuse ernähren sich von den Pflanzensäften zahlreicher<br />

Baumarten im Mittleren <strong>und</strong> Fernen Osten. Die befruchteten<br />

ungeflügelten Weibchen der Lackschildlaus scheiden<br />

ihren Pflanzensaft so aus, dass er an den Zweigen der<br />

Bäume zu harzartigen Krusten austrocknet. Sie selbst werden<br />

von dem Harz vollständig eingehüllt <strong>und</strong> sterben ab, während<br />

sich in den toten Körpern 20 bis 30 Larven entwickeln, die<br />

schliesslich durch zylindrische Bohrlöcher das Harz verlassen.<br />

Das Harz, der sogenannte Gummilack, wird als Naturprodukt<br />

gewonnen, durch Auswaschen werden die natürlichen<br />

Farbstoffe Scharlachrot <strong>und</strong> Karmesinrot gewonnen, die oft<br />

auf Baumwolle <strong>und</strong> Seide intensive Nuancen bilden. Der Rest<br />

wird danach zu Schellack verarbeitet.<br />

Schieferpulver, Baumwollflock <strong>und</strong> Schellack waren die Bestandteile<br />

der sogenannten Schellackplatten. Schellack war<br />

ein strapazierfähiges Material für die Rillen <strong>und</strong> verbesserte<br />

die Klangqualität <strong>und</strong> Haltbarkeit der Platten gegenüber bisherigen<br />

Materialien enorm. Die Schellackplatte war geboren.<br />

Vinyl<br />

Mit der boomenden Musikindustrie ab den 60er-Jahren<br />

musste das teure Naturprodukt Schellack durch preiswertere<br />

synthetische Kunststoffe ersetzt werden. Schallplatten aus<br />

Vinyl waren dazu am besten geeignet. «Vinyl» tönt sehr interessant,<br />

ist aber eher eine hochtrabende Bezeichnung für<br />

PVC (Polyvinylchlorid).<br />

48


KODAK<br />

INSTAMATIC<br />

50<br />

Man konnte sie drehen, wie man wollte, die Nase<br />

rümpfen, die M<strong>und</strong>winkel verziehen, die Augen zukneifen<br />

oder die Stirn runzeln – ein Hochformat mit der<br />

Instamatic war schlicht unmöglich.<br />

Instamatic ist der Name für eine 1963 eingeführte kleine,<br />

einlinsige Fotokamera. Die eigens dafür bestimmten<br />

Kassettenfilme waren so «dubelsicher», dass sie von jedermann<br />

schnell <strong>und</strong> ohne Materialverlust in die Kamera<br />

eingelegt werden konnten.<br />

Hersteller dieser billigen Kamera hatten sich aus Gründen<br />

der Bildqualität auf ein quadratisches Format geeinigt.<br />

Die Kamera war für damalige Zeiten relativ günstig, der<br />

Preis für Filme teuer. Wenn sonntags also beim Zoobesuch<br />

alle Tiere abgelichtet werden sollten, musste schon<br />

einiges in dieses Filmmaterial investiert werden, zumal<br />

von scheuen Tieren beim Klick oft nur noch das Hinterteil<br />

oder gar nichts mehr zu sehen war.<br />

Die volle Kassette gab man in der Drogerie, in der Kleiderreinigung<br />

oder im Fotofachgeschäft ab <strong>und</strong> bekam<br />

nach deren Entwicklung in den Fotolabors den Negativ-Film<br />

zurück. Anhand eines meist im Preis eingerechneten<br />

Positiv-Kontaktabzuges wurden dann weniger<br />

attraktive Hinterteile der Zootiere getilgt <strong>und</strong> die imposanteren<br />

Vorderteile in einem weiteren Prozess <strong>und</strong> mit<br />

zusätzlichen Kosten zur Vergrösserung fürs Fotoalbum<br />

in Auftrag gegeben.


PEACE<br />

Wäre das eine nicht, gäbe es das andere auch nicht.<br />

Wie Feuer dem Wasser, Luft der Erde steht Krieg dem<br />

Frieden gegenüber.<br />

Um den verschiedenen friedlichen <strong>und</strong> kriegerischen<br />

Angelegenheiten mehr Ausdruck zu verleihen, hat der<br />

Mensch dafür schon früh visuelle Symbole geschaffen:<br />

gekreuzte Schwerter, das Kreuz, geballte Faust, die weisse<br />

Taube, Kriegsbemalung der Indianer, das Victory-Zeichen,<br />

Totenkopf der Piraten <strong>und</strong> viele mehr.<br />

Der Engländer Gerald Holtom hat wohl eher zufällig<br />

das bekannteste Zeichen für den Frieden entworfen.<br />

Das Zeichen, das stark an eine Rakete oder an das Profil<br />

eines B-52-Bombers erinnert, ist eigentlich dem<br />

Winker-Alphabet entnommen <strong>und</strong> die Visualisierung<br />

eine Wissenschaft für sich.<br />

52<br />

N steht für nuclear / D für disarmament<br />

(Abrüstung). Zu Beginn war es folglich<br />

auch gar kein Friedenszeichen,<br />

sondern ein Symbol der Kernkraftgegner.<br />

Weil damals wie heute Kernkraftgegner<br />

<strong>und</strong> Friedensaktivisten oft deckungsgleich<br />

agieren, wurde es weltweit zu<br />

dem Peace-Zeichen auserkoren.


Friedenszeichen <strong>und</strong> Symbole drücken den Wunsch <strong>und</strong> die Forderung<br />

nach Frieden <strong>und</strong> Völkerverständigung aus. Sie sind vor<br />

allem in der Friedensbewegung als Signal eines pazifistischen oder<br />

antimilitaristischen Selbstverständnisses verbreitet, finden sich<br />

jedoch auch oft im weiteren Kontext der neuen sozialen Bewegungen.<br />

Im Zuge der antirassistischen US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung<br />

der Afroamerikaner in der Mitte des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

war beispielsweise das aus Grossbritannien stammende<br />

CND-Symbol Ausdruck des gewaltfreien Charakters zur Durchsetzung<br />

der Ziele dieser Bewegung.<br />

Das Zeichen mit der vermeintlichen Rakete hat in den vergangenen<br />

fünfzig Jahren manche Gitarren unserer Rock-Pop-Idole wie<br />

Jimi Hendrix, Alvin Lee oder Johnny Winter geziert. Tausende<br />

Male wurde es auf allen möglichen Stellen der Haut tätowiert, so<br />

auch beim Puls von Lady Gaga.


Friedenstaube<br />

Die Friedenstaube geht unter anderem auf die Sintflut-Erzählung<br />

im Alten Testament zurück: Noah lässt nach der Sintflut eine Taube<br />

frei, die mit einem Olivenzweig im Schnabel zur Arche zurückkehrt.<br />

Olivenzweig<br />

Im antiken Griechenland <strong>und</strong> Rom war ein Kranz aus Ölzweigen die<br />

höchste Auszeichnung des um das Vaterland hochverdienten Bürgers<br />

sowie der höchste Siegespreis bei den Olympischen Spielen.<br />

Schwerter zu Pflugscharen<br />

Eine Skulptur steht vor dem UNO-Gebäude in New York. Ab 1980<br />

wurde sie zum Symbol staatsunabhängiger Abrüstungsinitiativen<br />

in der DDR, das auch Teile der westdeutschen Friedensbewegung<br />

übernahmen.<br />

Victory-Zeichen<br />

Die Handgeste mit gespreiztem Zeige- <strong>und</strong> Mittelfinger wird in der<br />

Regel als Victory-Zeichen aufgefasst. Es wird allerdings auch von vielen<br />

Menschen als Friedenszeichen bzw. Peace-Symbol verstanden.<br />

Dabei muss die Handaussenseite unbedingt zum Ausführenden<br />

zeigen. Wenn der Handrücken vom Ausführenden weg zeigt, ist<br />

das in Grossbritannien, Irland, Australien, Neuseeland <strong>und</strong> Südafrika<br />

eine schwerwiegende Beleidigung, etwa vergleichbar mit<br />

dem Stinkefinger.<br />

Weisse Flagge<br />

Die Parlamentärsflagge ist eine weisse Flagge, die den Unterhändler<br />

als solchen kennzeichnet <strong>und</strong> die Kämpfer zur Wahrung<br />

seiner völkerrechtlich garantierten Unverletzlichkeit verpflichtet.<br />

So bedeutet das Heraushängen von weissen Flaggen oder auch<br />

nur weissen Tisch- oder Leintüchern oder sonstigen rechteckigen<br />

weissen Stoffen aus den Fenstern der Häuser einer Stadt oft die<br />

kampflose Übergabe an feindliche Truppen.<br />

55


KASSETTE<br />

Magst du dich erinnern an die lauen Sommernächte im Freien,<br />

irgendwo an einem Gewässer oder im Park einer verlassenen<br />

Villa? Im nahen Wasser funkelte der Schein des<br />

Feuers mit dem Gestirn am Himmel um die Wette <strong>und</strong> auf<br />

dem Grill neben dem Feuer vertrockneten ein paar angekohlte<br />

Würste.<br />

Mehr oder minder virituos, mit Begleitung von Bongos<br />

<strong>und</strong> Tamburin als Kastagnetten-Ersatz, wurde auf der Gitarre<br />

Paco de Lucía oder «Blowin‘ in the Wind» imitiert,<br />

mit jugendlichem Enthusiasmus <strong>und</strong> viel Wein über Narziss<br />

<strong>und</strong> Goldm<strong>und</strong> oder Ähnliches philosophiert <strong>und</strong> den<br />

entzückenden Gefühlen fürs andere Geschlecht möglichst<br />

ungeniert freien Lauf gelassen.<br />

An einen Abend erinnere ich mich noch ganz genau. Nach<br />

etlichen heissen Nächten <strong>und</strong> turbulenten Beziehungsdramen<br />

war an einem spätsommerlichen Gelage die allgemeine<br />

Stimmung ohnehin im Keller, die Saiten waren gerissen<br />

<strong>und</strong> der billige algerische Wein war so sauer wie noch nie.<br />

Bei aufkommendem Westwind <strong>und</strong> Gewitter konnte ich<br />

mich im kümmerlichen Schein des Feuers ganz meiner<br />

neuen Errungenschaft widmen. Ich entwirrte <strong>und</strong> wickelte<br />

einen fast unendlichen Haufen Band- <strong>und</strong> Tonsalat auf die<br />

Spule der 120er-Kassette.<br />

«Kauf doch noch längere Tapes», bemerkte er zynisch, der<br />

«Paco-Verschnitt» mit den gerissenen Gitarrensaiten.<br />

Gute Musik am laufenden Band, sommerliches Ambiente<br />

<strong>und</strong> fre<strong>und</strong>schaftliche Stimmung waren<br />

wohl an diesem Abend Mangelware.<br />

57


FLOPPY DISK<br />

…Abend für Abend hab ich die Nadeln an der Puppe neu angesetzt, mit<br />

ihnen gedreht, gewühlt <strong>und</strong> gequält, habe meinen Nachbarn in Form<br />

dieser Kreatur wütend durch den Raum katapultiert, immer wieder energisch<br />

aufs Pult gesetzt <strong>und</strong> von Neuem begonnen, das Ding zu malträtieren.<br />

Es nützte nichts. Pünktlich um sechs liess er im ganzen Haus seine<br />

Jalousien mit lautem Geschepper runter. Ich wusste, er stand dahinter<br />

<strong>und</strong> registrierte meine Wut.<br />

Die Puppe mit einer Hülle aus währschaftem Stoff entstand aus voller<br />

Leidenschaft, hab mit voller Hingabe alles Schändliche, was mir in die<br />

Finger kam, hineingestopft, sie fein säuberlich zugenäht, Knöpfe als Augen<br />

angebracht, eine fürchterliche Fratze darauf gemalt <strong>und</strong> die Puppe zu<br />

guter Letzt in eine ordentliche Form gedrückt. Ich hab die Nadeln mit<br />

allerlei Säften, Tinkturen <strong>und</strong> Essenzen präpariert, vor den Stichen ein<br />

Voodoo-ähnliches Hokuspokus vollführt <strong>und</strong> vor der vermeintlichen<br />

Vernichtung hab ich mich feierlich gesammelt <strong>und</strong> immense Ruhe vorgetäuscht.<br />

Eines Abends, nach dem üblichen Prozedere…<br />

Das ist etwa eine halbe Seite eines Romans von einem<br />

Schriftsteller, der sein zweih<strong>und</strong>ertseitiges Buch auf einer<br />

Floppy Disk speicherte. Ziemlich genau so viel, in Universalschrift,<br />

hatte auf einer 3,25er-Disk Platz.<br />

Die ganze emotionale, fiebrige Stimmungslage, wie sie gegenüber<br />

illustriert wurde, würde das Fassungsvermögen einer<br />

kleinen Floppy Disk sprengen.<br />

58


60<br />

FLOPPY DISK<br />

Als typischer Anwender von Software interessierten mich<br />

das Innenleben <strong>und</strong> die technischen Daten von Computern<br />

kaum. Trotzdem war die Zeit reif für ein leistungsfähigeres<br />

Gerät. Das revolutionäre Design des Tuppermac faszinierte<br />

mich sehr. Blau, weiss, halbtransparent <strong>und</strong> futuristisch<br />

– nur, diese neue Generation von Computern hatte keinen<br />

Schlitz mehr. Was mache ich nur mit all meinen Dokumenten<br />

auf den Floppy Disks? Das Fehlen dieses vertrauten<br />

Schlitzes bewog mich, den Wechsel auf ein neues Gerät um<br />

längere Zeit aufzuschieben.<br />

Die prekäre Lage war mir längst klar, konnte ich doch als<br />

Bildverarbeiter meine Arbeiten kaum mehr auf Floppy Disks<br />

sichern, weil sie zu wenig Speicherplatz hatten. So musste<br />

ich mich immer öfter mit grösseren Wechselplatten im Peripherie-System<br />

behelfen.<br />

«Das kannst du vergessen, das war einmal», tönte es von<br />

Seiten innovativer Computer-Freaks. «Kauf dir ein weiteres<br />

Peripherie-Gerät für deine Floppies».<br />

Allmählich erkannte ich, dass dieses vertraute System bald<br />

mal beendet sein würde, <strong>und</strong> ich kaufte den sagenumwobenen<br />

PowerMac. Mit dem integrierten, neuartigen System<br />

von leistungsfähigeren Wechselplatten <strong>und</strong> einem CD-Lese<strong>und</strong><br />

Brennsystem war ich vollumfänglich glücklich.<br />

Textdateien <strong>und</strong> anderer Kleinkram, den man auf einer<br />

Floppy Disk speichern konnte, waren von der Aktualität her<br />

längst wertlos <strong>und</strong> manche Disk war eh ausgeleiert.


Eines der wohl bekanntesten Zeichen für die Verwendung<br />

von Floppy Disks ist das stilisierte Zeichen des Macintosh<br />

128k – ein lachendes Anlitz im Bildschirm <strong>und</strong> mit Schlitz<br />

für die Floppy. Das Icon war während des Startmodus zu sehen.<br />

Hatte der Mac ein ernsthaftes Problem, zeigte sich ein<br />

Anlitz mit schlechter Laune <strong>und</strong> «Chrüzliaugen».<br />

Die erste Generation von Floppy Disketten war eine flexible<br />

Karton- oder Plastikhülle mit einer magnetisierten<br />

8“-Kunststoffscheibe als Datenträger. Mit gerade mal 180<br />

KB Speicherplatz war die Anwendung sehr minimal <strong>und</strong> doch<br />

revolutionär. Sie löste nämlich ein urtümliches Lochkartensystem<br />

ab, welches anfänglich auch bei Computern zur Datenübertragung<br />

<strong>und</strong> -speicherung üblich war. Wie fast alles<br />

zu dieser Zeit wurde auch die ursprüngliche Floppy Disk redimensioniert,<br />

wies aber immer mehr Speicherkapazität auf.<br />

Nach der 5,25“-Diskette kam bald mal die bekannte 3,25er<br />

mit immerhin schon 1,44 MB auf den Markt. Sie war dann<br />

für längere Zeit Standardformat für viele Systeme, musste<br />

aber vor dem ersten Gebrauch zur Aufnahme von Daten für<br />

das System vorbereitet (formatiert) werden.<br />

Mit einer ganzen Reihe von Floppy Disks wurden damals<br />

komplexe Computerprogramme installiert.<br />

Der Verschleiss der Datenscheibe durch vielfache Benutzung<br />

war beträchtlich <strong>und</strong> die Floppy Disk demzufolge ein unsicheres<br />

Medium.<br />

61


DAS FRÄULEIN<br />

…das ist so eine Sache mit dem Fräulein.<br />

Heute ist die Anrede <strong>und</strong> Bezeichnung «Fräulein» für<br />

junge Frauen im deutschen Sprachraum im Schriftverkehr<br />

<strong>und</strong> im formellen Umgang kaum mehr gebräuchlich.<br />

Überlebt hat das Wort «Fräulein» im Restaurant, aber<br />

auch diese Verwendung wird immer seltener.<br />

Vereinzelte Nachfragen beim Service-Personal im Restaurant<br />

habe ergeben, dass doch die eine oder andere<br />

weibliche Service-Angestellte gerne wieder mit Fräulein<br />

angesprochen würde, weil‘s halt einfach sympathischer<br />

sei. Und weil eh niemand so ganz genau wisse,<br />

wie man denn jetzt sagen soll, rufe man ein formloses<br />

«Hallo», «Tschuldigung» oder «Zalä bitte».<br />

62


In der Zeit um 1900 etablierte sich die Anrede «Fräulein» vor<br />

allem für berufstätige Frauen, da weibliche Berufstätigkeit<br />

damals noch strikt auf die Zeit vor der Ehe beschränkt war.<br />

Im Deutschen Reich, um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende, gab es sogar<br />

eine rechtliche Vorschrift, wonach zum Beispiel weibliche<br />

Lehrkräfte unverheiratet sein mussten. Das Fräulein Rottenmeier<br />

aus Johanna Spyris Roman «Heidi» ist eine bekannte<br />

Vertreterin des Typus «Fräulein Lehrerin». In dieser Zeit wurde<br />

das sogenannte Lehrerinnenzölibat angewendet.<br />

Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde die Praxis gelockert,<br />

alle weiblichen Personen, unabhängig von ihrem Alter, als<br />

«Fräulein» zu bezeichnen, wenn sie nie verheiratet waren.<br />

Für den öffentlichen Dienstverkehr ab 1937 galt «Frau» als<br />

einheitliche Anrede. Im Zweiten Weltkrieg wurde dieses<br />

Privileg auch unverheirateten Müttern von Adoptivkindern<br />

<strong>und</strong> Verlobten von Kriegsgefallenen zugestanden. Nach dem<br />

Krieg wurde das «Fräulein» von den in Deutschland stationierten<br />

amerikanischen GIs entdeckt <strong>und</strong> das «doitsche<br />

Froilain» benutzten diese als Fremdwort in der englischen<br />

Sprache.<br />

In der DDR war der Gebrauch von «Fräulein» für unverheiratete<br />

Frauen bis zur Wende üblich. In den deutschsprachigen<br />

Teilen Belgiens wird die junge Frau noch immer mit «Fräulein»<br />

angesprochen.<br />

Ab Mitte des vorletzten Jahrh<strong>und</strong>erts bis Mitte der siebziger<br />

Jahre gab es im deutschsprachigen Raum noch etliche<br />

verw<strong>und</strong>erliche amtliche Beschlüsse <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Gepflogenheiten über die Verwendung des Begriffes «Fräulein».<br />

1972 verfügte das deutsche Ministerium, dass der Gebrauch<br />

des Wortes «Fräulein» bei B<strong>und</strong>esbehörden zu unterlassen sei.<br />

64


Das Problem mit der Sächlichkeit<br />

Frauenbewegungen kritisierten die Geringschätzung<br />

des Begriffes «Fräulein». Gesellschaftliche Werte <strong>und</strong><br />

Vorstellungen der Frau seien mit einer solchen Verniedlichung<br />

nicht haltbar. Die Versachlichung löse die unerwünschte<br />

Assoziation aus, dass weibliche Personen<br />

«Sachen» seien <strong>und</strong> dass der Gebrauch der Definitionen<br />

«Fräulein» <strong>und</strong> «Frau» die Ansicht fördere, eine<br />

weibliche Person sei erst dann erwachsen, wenn sie<br />

heirate, während man einem jungen unverheirateten<br />

Mann/Herrn signalisiere, dass man ihn für einen vollwertigen<br />

Mann halte.<br />

Die Bezeichnung «Junker» (damals sinnesgleich mit<br />

dem Begriff «Fräulein») war schon viel früher nicht<br />

mehr im Sprachgebrauch verwendet worden <strong>und</strong> hatte<br />

auch keine vergleichbare Wortgeschichte bis in unsere<br />

Zeit hinein.<br />

65


REISSNAGEL<br />

…da hatte wohl einer gründlich die Nase voll vom<br />

Chaos in seiner Bude.<br />

Man stelle sich einen allgemein ordnungsliebenden<br />

Uhrmacher vor, mit all seinen Rädchen, Schräubchen,<br />

seinen Requisiten, Plänen <strong>und</strong> Zettelchen, förmlich<br />

entkräftet über den desolaten Zustand in seiner Werkstatt.<br />

So war es denn, dass Johann Kirsten, ein Uhrmacher<br />

aus dem brandenburgischen Lychen, so ganz nebenbei<br />

<strong>und</strong> zum Zwecke seiner eigenen Übersichtlichkeit <strong>und</strong><br />

Systematik die Sache in die Hand nahm <strong>und</strong> Ordnung<br />

machen wollte. Zum Anbringen seiner Pläne auf dem<br />

waagrechten Reissbrett <strong>und</strong> zum Aufhängen an der<br />

Wand erfand er den Reissnagel.<br />

Ein kurzer, spitzer Metallstift mit merkwürdig angeheftetem<br />

Metallplättchen war die Lösung für geordnete<br />

Chronologie in seiner Bude <strong>und</strong> für seine eigene künftige<br />

Plan- <strong>und</strong> Regelmässigkeit – mehr nicht.<br />

Aus purer Geldnot verkaufte Kirsten seine Erfindung an<br />

die Lychener Kurzwarenfabrikanten Lindstedt <strong>und</strong> Flassar,<br />

welche die Reissnägel in ihrem Metallwerk massenhaft<br />

herstellten. Dadurch wurden beide Millionäre.<br />

Johann Kirsten hatte seitdem zwar Ordnung in seiner<br />

Werkstatt – am Erfolg seiner Erfindung wurde er aber<br />

nicht beteiligt.<br />

66


67


MAGISCHES AUGE<br />

Die Radiotaste «Ein» wurde gedrückt. Nach zirka 15<br />

Sek<strong>und</strong>en blendete das magische Auge auf Grün. Der<br />

unausgesprochene Befehl am Tisch war klar: kein Geschepper,<br />

kein Geschmatze – Ruhe.<br />

«Mit dem letzten Zeitzeichen des Observatoriums Neuenburg<br />

ist es jetzt genau zwölf Uhr dreissig – Sie hören<br />

die Nachrichten der Schweizerischen Depeschenagentur».<br />

Mit dieser Ansage kamen damalige Aktualitäten während<br />

des Mittagessens per Radio in die gute Küche…<br />

…zum Beispiel die bevorstehende Abstimmung zum<br />

Frauenstimmrecht in der Schweiz, der Krieg in Vietnam,<br />

die Mauer in Berlin, John F. Kennedy wurde ermordet,<br />

Graham Hill wurde Formel-1-Weltmeister,<br />

Cassius Clay Olympiasieger im Boxen, Sechstagekrieg<br />

zwischen Israel <strong>und</strong> seinen arabischen Nachbarn, Che<br />

Guevara von einem Feldweibel der bolivianischen Armee<br />

erschossen…<br />

68


SUPER 8<br />

Der Fledermaus-Forscher Professor Abronsius, der wegen seiner allzu<br />

kühnen Theorien zum Vampirismus seinen Lehrstuhl an der Universität<br />

von Königsberg verloren hatte, reiste mit seinem Adepten Alfred<br />

in die Südkarpaten, um dort den Vampirismus zu erforschen <strong>und</strong> zu<br />

bekämpfen. Im Dorfgasthof entdeckte Abronsius Knoblauchgirlanden<br />

als erste Hinweise auf Vampire. Er vermutete, ganz in der Nähe müsse<br />

ein Schloss, das Nest der Blutsauger liegen…<br />

Kaum war der durchschlagende Erfolg von Roman Polańskis «Tanz der<br />

Vampire» leicht verklungen, packten wir unser Equipment in einen<br />

Döschwo <strong>und</strong> einen gemieteten Simca <strong>und</strong> reisten quer durch Frankreich<br />

nach Andorra. Weil das Gebiet der rumänischen Karpaten wegen<br />

der politischen Unwägbarkeiten doch etwas zu abwegig war, schien<br />

uns dieser Zwerg- <strong>und</strong> Schmugglerstaat hoch oben in den Pyrenäen für<br />

unser Projekt optimal. Es war ein Abenteuer – <strong>und</strong> die Zeit war reif,<br />

eine weitere Folge über Untote zu produzieren.<br />

Die Reise nach Andorra war kühn <strong>und</strong> imposant zugleich. Mit den insgesamt<br />

neun Personen als Filmcrew sowie dem persönlichen Gepäck<br />

jedes Einzelnen wurden die beiden Karren schon sehr strapaziert. Das<br />

Dach des gemieteten Simcas hatte unter der Last des mit Requisiten<br />

<strong>und</strong> der Campingausrüstung gefüllten Sarges eine erhebliche Delle bekommen.<br />

Herzstück unseres Equipments war natürlich die soeben neu<br />

erstandene Beaulieu, die Göttin unter den Super-8-Kameras.<br />

In einem abgelegenen Seitental des Pyrenäenstaates richteten wir<br />

uns dann für die blutroten Szenen ein – verlegten dreih<strong>und</strong>ert Meter<br />

Stromkabel, passten das Drehbuch der vorhandenen Situation an,<br />

probten alle Szenen nochmals <strong>und</strong> setzten die nötige Staffage ein –<br />

alles schien bereit zu sein. Die erste Nacht war kühl, die zweite Nacht<br />

war kalt <strong>und</strong> sehr feucht. Die Schauspieler begannen zu schlottern <strong>und</strong><br />

bald mal zu meutern. Es war unmöglich, unter diesen Umständen etwas<br />

Brauchbares zu produzieren, zumal, so wie es das Drehbuch verlangte,<br />

die meisten Szenen Nacht- <strong>und</strong> Nebelaktionen waren.<br />

Wir stimmten ab. Das Unterfangen wurde abgebrochen <strong>und</strong> wir fuhren<br />

noch in derselben Nacht hinunter an die sommerliche Mittelmeerküste.<br />

Angenehm warm war‘s da unten in Südfrankreich – nur wurde das Geheimnis<br />

um die sagenumwobenen Vampire auch diesmal nicht gelüftet.<br />

70


71


Die von Eugen Bauer entwickelten Geräte für<br />

die Kinematografie hatten weltweit einen besonders<br />

guten Ruf. In der bauerschen<br />

Werkstatt in Stuttgart wurden schon<br />

vor dem Ersten Weltkrieg Filmprojektoren<br />

produziert.<br />

Ab 1930 tüftelte Eugen Bauer<br />

an Kameras für Amateure. 1953<br />

wurde die Doppelachtkamera auf<br />

den Markt gebracht. Sie <strong>und</strong> die<br />

später entwickelten Super-8-Filmgeräte<br />

begründeten den Aufstieg<br />

Bauers zum weltweit umsatzstärksten<br />

Amateurkamera-Hersteller.<br />

Bild: Kurt Tauber<br />

Deutsches Kameramuseum<br />

www.kameramuseum.de<br />

72


Der gelernte Feinmechaniker Eugen Bauer begann 1905 in<br />

Stuttgart, sich auf dem Gebiet der Wiedergabetechnik von<br />

Filmen zu spezialisieren. Eines Tages reparierte er beim ersten<br />

Stuttgarter Kinobesitzer einen französischen Filmprojektor.<br />

Dabei griff er den Vorschlag des Kinobesitzers auf<br />

<strong>und</strong> begann selbst mit der Entwicklung <strong>und</strong> Herstellung von<br />

Filmprojektoren.<br />

1907 konstruierte Eugen Bauer seinen ersten Filmprojektor.<br />

Bereits im darauffolgenden Jahr bekam er Aufträge für die<br />

technische Ausstattung von Kinos. Die Bauer-Projektoren<br />

überzeugten durch ihre Zuverlässigkeit <strong>und</strong> besassen eine<br />

entscheidende Verbesserung: Der abgedrehte Film wurde<br />

nun auf einer Spule aufgewickelt. 1914 hatte Bauer bereits<br />

zehn Angestellte <strong>und</strong> verkaufte seine Projektoren in<br />

Deutschland <strong>und</strong> auch in anderen europäischen Ländern.<br />

Während des Ersten Weltkriegs wurde die «bauersche»<br />

Werkstatt für den Bau von Rüstungsgeräten verwendet <strong>und</strong><br />

er selber zum Wehrdienst eingezogen. Ab 1919 begann<br />

Bauer wieder seine Firma aufzubauen. Es folgten weitere<br />

Neuentwicklungen im Bereich der Kinoprojektoren.<br />

Vor 1930 wurde der Stummfilm durch den Tonfilm abgelöst.<br />

Die Filme wurden nun von einer Schallplatte begleitet, was<br />

einige Synchronisationsprobleme zwischen Bild <strong>und</strong> Ton mit<br />

sich brachte. Mit dem Lichttonverfahren gelang es schliesslich,<br />

den Ton direkt auf den Film aufzuzeichnen.<br />

Bauer war zum Marktführer im Bereich Kinofilmprojektoren<br />

geworden <strong>und</strong> exportierte circa 75 Prozent der Geräte ins<br />

Ausland. Für die Robert Bosch GmbH war das Unternehmen<br />

damit attraktiv genug, es ab 1932 nach <strong>und</strong> nach zu erwerben.<br />

1939 beschäftigte die Firma 300 Mitarbeiter. Während<br />

des Zweiten Weltkrieges wurde reduziert weiterproduziert,<br />

gegen Ende des Krieges kam die Produktion jedoch ganz zum<br />

Erliegen. Nach dem Krieg begann Bauer 1946 mit 40 Mitarbeitern,<br />

ab 1949 lief die Produktion wieder auf vollen Touren.<br />

In den ersten Nachkriegsjahren war Bauer in Deutschland<br />

der alleinige Hersteller von Kinomaschinen. Die grosse Zeit<br />

des deutschen Kinos war angebrochen <strong>und</strong> mit der Erfindung<br />

des Freilichtkinos in den 1950er-Jahren hatte Bauer erneut<br />

enormen Erfolg, dies durch die Kooperation von Bauer-Projektionstechnik<br />

mit Klangfilmtonanlagen der Firma Siemens.<br />

Das Ende von Bosch-Photokino kam mit dem Einzug des<br />

Fernsehens in die privaten Haushalte in den 1970er-Jahren<br />

<strong>und</strong> dem Massensterben der Grosskinos. Bauer stellte Anfang<br />

der 1980er-Jahre die Produktion von Filmprojektoren<br />

ein. Auch der Absatzmarkt im Amateurfilmbereich brach ab<br />

Ende der 1970er-Jahre ein, als billigere Konkurrenzprodukte<br />

aus dem asiatischen Raum den Markt überschwemmten.<br />

Kino-Bauer reagierte darauf mit einer Restrukturierung, die<br />

Firma wurde eine reine Vertriebsgesellschaft für Filmprojektoren,<br />

Video- <strong>und</strong> Blitzgeräte.<br />

73


74<br />

Filterkaffee<br />

Zichorienwasser, die Lorke oder Muckefuck (Mocca faux),<br />

mit dem der sogenannte Blümchenkaffee gemeint war,<br />

hat damalige Gesellschaften begeistert. Durch das sehr<br />

dünn aufgebrühte Zichorienwasser waren seinerzeit die<br />

Blümchen des Meissner-Porzellans zu sehen. Eine sinnbildliche<br />

Steigerungsstufe zum Blümchenkaffee war der<br />

Schwerterkaffee – dieser «Kaffee» war so dünn, dass<br />

man die auf der Unterseite der Kaffeetasse gekreuzten<br />

Schwerter, das Zeichen der oben genannten Porzellanmanufaktur,<br />

gesehen haben soll.<br />

Seit sich der arabische Muntermacher aus dem 17. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

in Europa zum Lieblingsgetränk gemausert hat,<br />

ist so vieles anders geworden. Längst ist es nicht mehr<br />

st<strong>und</strong>enlang abgestandener Filterkaffee, der auf den<br />

Tisch kommt, sondern w<strong>und</strong>erbar duftender Espresso,<br />

Cappuccino, Cafecino, Latte-Macchiato mit einer<br />

Milchschaumhaube <strong>und</strong> andere Kreationen. Nach neuesten<br />

Erkenntnissen wird der Kaffeegenuss auch immer<br />

gesünder <strong>und</strong> deshalb reissen sich neue Kaffeetechnologien<br />

um Marktanteile.


76<br />

Kaffee war früher sehr teuer <strong>und</strong> deshalb konnten sich nur<br />

gut situierte Bürger <strong>und</strong> Aristokraten das aromatische Getränk<br />

leisten. «Drei Dinge gehören zu einem guten Kaffee:<br />

erstens Kaffee, zweitens Kaffee, <strong>und</strong> drittens nochmals Kaffee»,<br />

soll der Schriftsteller Alexandre Dumas gesagt haben<br />

<strong>und</strong> Ludwig van Beethoven zum Beispiel hatte es sich angewöhnt,<br />

genau 60 Kaffeebohnen abzuzählen, um daraus eine<br />

Tasse Mokka zu brauen.<br />

Zu Grossmutters Zeit wurden dann den wenigen gemahlenen<br />

Kaffeebohnen zünftig geröstete Zichorienwurzeln beigemengt,<br />

was dem hellen Wässerchen immerhin eine dunklere<br />

Farbe verlieh, ziemlich herb schmeckte <strong>und</strong> dem Kaffee-Kränzchen<br />

mit Kuchen, Törtchen <strong>und</strong> je nach Gesinnung<br />

der teilnehmenden Damen eine ziemlich bittersüsse Note<br />

geben konnte.<br />

Neue Aromen <strong>und</strong> nach ausgeklügelter Röstung frisch gemahlener<br />

Bohnenkaffee wurden künftig durchs Filterpapier<br />

gelassen, dessen Papiergeschmack vorgängig mit heissem<br />

Wasser weggespült wurde. 60 Gramm gemahlener Kaffee<br />

pro Liter wurden mit 92 bis 94 Grad heissem Wasser aus<br />

einer Kanne mit dünnem Schwanenhals ganz langsam mit<br />

kreisenden Bewegungen übergossen, <strong>und</strong> zwar – das ist kein<br />

Witz – 2 Minuten 30 Sek<strong>und</strong>en lang.<br />

Diese Darlegungen sind neueren Datums <strong>und</strong> halten sich so<br />

lange, bis aktuellere Erkenntnisse kursieren.


60 Kaffeebohnen für den Kaffee von Ludwig van Beethoven<br />

77


SCHWINGE Wäscheschleuder<br />

Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen<br />

Bewegung, sofern er nicht durch einwirkende<br />

Kräfte zur Änderung seines Zustands gezwungen wird.<br />

Die Geschwindigkeit ist also in Stärke <strong>und</strong> Richtung konstant.<br />

Eine Änderung des Bewegungszustandes kann nur<br />

durch Ausübung einer Kraft von aussen erreicht werden,<br />

beispielsweise durch die Gravitationskraft.<br />

Die Zentrifugalkraft ist eine Trägheitskraft, die radial<br />

von der Rotationsachse nach aussen gerichtet ist. Sie<br />

wird durch die Trägheit des Körpers verursacht…<br />

Der langen Rede kurzer Sinn:<br />

So funktioniert eine Wäscheschleuder.<br />

78


Sinn <strong>und</strong> Zweck der Rotation ist es, dieses physikalische Gesetz<br />

in unserem modernen Leben zu nutzen. Dieses Gesetz<br />

wurde nicht erf<strong>und</strong>en, sondern ist Teil unserer Endlichkeit<br />

<strong>und</strong> wurde von den Herren Kopernikus, Galileo Galilei <strong>und</strong><br />

Isaac Newton im Mittelalter mit einer gewissen Bestimmtheit<br />

erkannt.<br />

Berechnend, klug <strong>und</strong> unbeugsam hat sich einer dieser Herren,<br />

nämlich Galilei, vor etwa fünfh<strong>und</strong>ert Jahren wegen<br />

seiner Behauptung mit den mittelalterlichen Patriarchen,<br />

dem Papst <strong>und</strong> dessen Nuntius angelegt; denn er war der<br />

Ansicht, dass sich die Welt drehe – um sich selbst <strong>und</strong> auch<br />

noch um die Sonne herum.<br />

Ewig lange Zeit vor der Erfindung der Wäscheschleuder war<br />

die Welt in den Köpfen der Obrigkeit <strong>und</strong> folglich auch in<br />

jenen der unteren Schichten noch tellerflach <strong>und</strong> ausser einigen<br />

Erhebungen sehr eben. Erdreistete sich jemand ohne<br />

Gottes Gnaden zu behaupten, dass sich noch anderes drehe<br />

ausser dem Rad, begab er sich in arge Bedrängnis <strong>und</strong> sein<br />

Kopf wurde oftmals so lange drangsaliert, bis er abfiel.<br />

Die Geschichte hat bewiesen, dass sich auch unter den alten<br />

Griechen schon manch ein heller Kopf bewegte. Pythagoras<br />

zum Beispiel hat schon in der Antike die nebulöse These<br />

aufgestellt, dass sich verschiedene Kugeln, wie die Welt auch<br />

eine hätte sein können, in der Sphäre um sich selbst <strong>und</strong> um<br />

andere herumdrehten.<br />

Ähnlich gefährlich, aber doch etwas humaner als im Mittelalter,<br />

als noch wegen angeblich sturer Behauptungen Köpfe abfielen,<br />

war es dann später in der angehenden modernen Zeit.<br />

Mutter war natürlich wie schon immer die Waschfrau <strong>und</strong><br />

wurde vorgeblich aus mitleidigen Gründen von Männern<br />

stets mit frauenfre<strong>und</strong>lichen Erfindungen, wie die Wäscheschleuder,<br />

zur bevorstehenden Emanzipation gedrängt.<br />

Wir Kinder hatten nach dem damaligen System unsere verbindlichen<br />

«Ämtli». Vor dem Nachtessen noch schnell runter<br />

in die Waschküche, den Boden aufwischen <strong>und</strong> die Wäsche<br />

aus der Schwinge in die «Zeine» werfen. Danach wurde die<br />

Wäsche von der Mutter mit «Chlüppli» fein säuberlich an<br />

die Leine gehängt.<br />

Die Wäscheschleuder war das imposanteste Gerät in der<br />

Waschküche, funktionierte nach einem weltlichen Gesetz,<br />

war kraftvoll, schnell <strong>und</strong> sehr offen. Diese Offenheit war<br />

zwar gefährlich, aber sehr faszinierend. Die ersten elektrischen<br />

Wäscheschleudern hatten ein sehr geringes Fassungsvolumen<br />

<strong>und</strong> verfügten noch über keinen verschliessbaren<br />

Deckel.<br />

80


Die Wäscheschleudern von damals sind in Pension. Die kupfernen Gesellen geniessen ihr Dasein meist im Freien <strong>und</strong> sind oft mit allerlei Grünzeug geschmückt.<br />

Bild: Seniorenheim für Wäscheschleudern in Siegershausen TG<br />

81


Hotelschlüssel<br />

Nach einem Zwischenstopp in Chicago spät in der Nacht<br />

kamen wir in einem internationalen Hotel in Midtown<br />

von Austin, Texas, an. Wir waren todmüde, der Concierge<br />

unfre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> sehr wortkarg. Meine neu erstandene<br />

Kreditkarte, mit der ich das Hotel schon von zu Hause<br />

aus gebucht <strong>und</strong> auch bezahlt hatte, akzeptierte er nicht.<br />

Das Lamento des Concierge, das er diesbezüglich vollführte,<br />

war völlig unnötig. «No accept.» Nach längerem<br />

Studium der korrekt übermittelten Buchung huschte ein<br />

widerwilliges «OK» über seine dünnen Lippen <strong>und</strong> er<br />

händigte uns ein anderes Kärtchen mit gross aufgedruckter<br />

Nummer 436 aus. «Was mach ich mit dem?»<br />

Sehr theatralisch <strong>und</strong> mit entsprechender Gestik meinte<br />

er: «Push!»<br />

Im 4. Stock angekommen, bei Tag sicher mit atemberaubender<br />

Aussicht über «Capitol of live music», schleppten<br />

wir das Gepäck durch die langen Gänge <strong>und</strong> steckten<br />

das Kärtchen bei 436, genau so wie der Concierge es<br />

zelebriert hatte, oberhalb des Türknaufes in den schmalen<br />

Schlitz. Wir drehten abwechselnd am Knauf, drückten<br />

<strong>und</strong> zogen, zeterten «Sesam öffne dich» <strong>und</strong> beteten<br />

mit entnervten Blicken zur Decke des Hotelganges immer<br />

wieder «Simsalabim». Die Tür zur wohlverdienten<br />

Ruhe öffnete sich nicht.<br />

Mit dem guten alten Hotelschlüssel hätten wir schon<br />

längst Schäfchen zählen können.<br />

82


ALTE WÄHRUNGEN<br />

Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen.<br />

Damals auf Reisen, von der Mitte des Okzidents an den<br />

Rand des Orients, von Nord nach Süd, von Istanbul<br />

quer durch das südöstliche Mediterraneum mit Aufenthalt<br />

in Venedig, Rom, Saint Tropez <strong>und</strong> Marseille, hinunter<br />

ins neu proklamierte spanische Königreich. R<strong>und</strong><br />

um die Iberische Halbinsel in fünf Tagen, den Sprung<br />

nach Biarritz, Bordeaux <strong>und</strong> zu guter Letzt einen Abstecher<br />

in die französische Megalopolis.<br />

Und was tatest du dort als «Stranger in Paris», nachdem<br />

du frühmorgens dem Nachtexpress bei Montparnasse<br />

entkrochen warst <strong>und</strong> bevor du überhaupt den<br />

Kaffee des neuen Landes testen konntest? Nichts anderes<br />

als überall – du machtest dich auf die Suche nach<br />

der nächsten Wechselstube.<br />

Noten <strong>und</strong> Münzen aller Herren Länder, gesammelt in<br />

einer dreckigen Socke, offenbarten sich zu Hause dann<br />

als Duft der grossen weiten Welt.<br />

Es wurde bewusst: Geld stank auch damals – <strong>und</strong> das<br />

nicht nur im sprichwörtlichen Sinne.<br />

85


Banknoten als Ersatz für Münzen aus Edelmetall<br />

Im siebzehnten Jahrh<strong>und</strong>ert wurden in Schweden erstmals auf europäischer Ebene offiziell Banknoten eingeführt. Schweden hatte zwar<br />

reiche Kupfervorkommen, aber der Zahlwert einer Kupfermünze entsprach nur ihrem Materialwert. Deshalb mussten zur Begleichung<br />

grösserer Beträge grosse <strong>und</strong> ausserordentlich schwere Münzen geprägt werden. Unter diesem Aspekt stellte die Erfindung von Papiergeld<br />

eine enorme Erleichterung dar.<br />

Die Peseta wurde 1869 in Spanien eingeführt <strong>und</strong> war wie<br />

viele andere Währungen öfter mal hohen Inflationsraten ausgesetzt.<br />

Die Peseta wurde neben dem Französischen Franc<br />

auch in Andorra als offizielles Zahlungsmittel anerkannt.<br />

Der Name leitet sich vom katalanischen Wort «peceta» ab,<br />

was so viel wie «kleines Stück» heisst.<br />

Die 5-Peseten-Münze wurde in Spanien «un duro» genannt<br />

<strong>und</strong> als Münzeinheit gebraucht.<br />

der BRD <strong>und</strong> löste die Reichsmark als gesetzliche Währungseinheit<br />

ab. Auch nach der Gründung der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland 1949 blieb die Deutsche Mark die Währungseinheit<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik <strong>und</strong> West-Berlin. Nach dem<br />

Fall der Mauer 1990 löste sie die sogenannte Ost-Mark der<br />

DDR ab <strong>und</strong> war nun im wiedervereinigten Deutschland gesetzliches<br />

Zahlungsmittel. Nach Errichtung der Europäischen<br />

Wirtschafts- <strong>und</strong> Währungsunion wurde die Deutsche Mark<br />

schliesslich am 1. Januar 1999 durch den Euro ersetzt.<br />

Nach den Balkankonflikten wurde die D-Mark vorübergehend<br />

offizielles Zahlungsmittel in Montenegro, Bosnien-Herzegowina<br />

<strong>und</strong> Kosovo.<br />

86<br />

Die Lira war seit der Gründung des italienischen Königreiches<br />

vor 200 Jahren bis 2001 die offizielle Währung Italiens. Sie<br />

war auch in San Marino <strong>und</strong> im Vatikan gesetzliches Zahlungsmittel.<br />

Der Währungsname Lira hat die gleichen Ursprünge<br />

wie das britische Pf<strong>und</strong>, daher wird auch für beide<br />

das Währungszeichen £ benutzt. Die Untereinheit der Lira,<br />

der Centesimo, verlor seine Bedeutung infolge andauernder<br />

Inflation schon bald.<br />

Einh<strong>und</strong>ert Pfennige ergaben eine D-Mark oder kurz Mark.<br />

Diese hiess im englischsprachigen Raum meist «Deutschmark».<br />

Sie war von 1948 bis 2001 die offizielle Währung in<br />

1360 wurden in Frankreich die ersten vom Volk als «Francs»<br />

bezeichneten Goldmünzen eingeführt. Sie trugen ein Bildnis des<br />

Königs Johann II. mit der Aufschrift «Johannes Dei Gratia Francorum<br />

Rex» (Johannes von Gottes Gnaden König der Franken),<br />

aus deren vorletztem Wort die Namensgebung abstammte.<br />

Der Franc wurde 1795 als nationale Währung <strong>und</strong> Nachfolger<br />

des Livre eingeführt <strong>und</strong> damals als Novum dezimal unterteilt:<br />

1 Franc = 100 Centimes. Dieses System hatte einen grossen<br />

Einfluss auf andere Währungen.


Der Schilling war von 1925 bis 1938 <strong>und</strong> von 1945 bis zur<br />

Einführung des Euro am 1. Jänner 1999 die Währung <strong>und</strong> anschliessend<br />

noch bis zum 28. Februar 2002 gesetzliches Zahlungsmittel<br />

der Republik Österreich. Als Folge des österreichischen<br />

Anschlusses an das Deutsche Reich diente zwischen<br />

1938 <strong>und</strong> 1945 die Reichsmark als Währung.<br />

Der holländische Gulden hatte das Währungssymbol ƒ <strong>und</strong><br />

stammte von einer älteren Währung ab, dem Florin aus der<br />

Zeit des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Der Gulden bezeichnete ursprünglich eine Goldmünze, später<br />

aber auch eine Silbermünze <strong>und</strong> eine Münze mit Gold-Silbergemisch<br />

als Rechnungseinheit. Daher unterscheidet man<br />

Goldgulden <strong>und</strong> Silbergulden. Goldgulden mit einem hohen<br />

Silberanteil wurden auch «blaue Gulden» genannt. In verschiedenen<br />

Regionen wurde zu Gold <strong>und</strong> Silber auch noch<br />

Kupfer gemischt.<br />

Von der ersten Goldmünze dieser Art, dem Florentiner «Fiorino<br />

d’oro», lateinisch «florenus aureus», leitet sich der Name<br />

«Floren» ab. Demgegenüber setzte sich im Süden <strong>und</strong> Westen<br />

des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation schon früh<br />

der Name «Gulden» durch. Oft wurden ganz allgemein alle<br />

Goldmünzen als Gulden oder Floren bezeichnet.<br />

Der belgische Franc wurde 1832 eingeführt. Da auch Belgien<br />

Mitglied der Lateinischen Münzunion war, wurde er nach<br />

dem Vorbild des französischen Francs geschaffen <strong>und</strong> war lange<br />

im Verhältnis 1:1 an diesen gekoppelt.<br />

Ab 1922 befand sich Luxemburg in einer Währungsunion mit<br />

Belgien. Der belgische <strong>und</strong> der Luxemburger Franc waren in<br />

beiden Ländern offizielle Währungseinheit.<br />

Weitere Länder hatten vor dem Beitritt zur Europäischen Währungsunion eigene Währungen:<br />

Irland<br />

Irisches Pf<strong>und</strong><br />

Portugal<br />

Escudos<br />

Slowenien<br />

Slowenischer Tolar<br />

Griechenland<br />

Griechische Drachmen<br />

Zypern<br />

Zypriotisches Pf<strong>und</strong><br />

Slowakei<br />

Slowakische Krone<br />

Estland<br />

Estnische Krone<br />

Lettland<br />

Lats<br />

Finnland<br />

Finnmark<br />

87


Kommunismus<br />

Der Lack ist ab, die Fassade bröckelt, die Theaterhäuser<br />

sind eingestürzt oder werden nur noch von maroden<br />

Stützen stabilisiert <strong>und</strong> gehalten. Den feudalsten Häusern<br />

gab man über die fehlende Fassade ganz schnell<br />

einen modernen, zeitgemässen Anstrich.<br />

Die Idee der Autoren war fantastisch, das Drehbuch<br />

für das Theaterstück war genial, simpel <strong>und</strong> bekömmlich<br />

zugleich. Das Programm war atemberaubend, triumphal<br />

<strong>und</strong> versprach, ein absoluter Erfolg für alle zu<br />

werden…


89


…Regisseure, Intendanten <strong>und</strong> Hauptdarsteller rissen sich<br />

um das Stück, wollten ganz hoch hinaus, entpuppten sich<br />

aber als Dilettanten <strong>und</strong> kümmerliche Besserwisser. Allesamt,<br />

mit ganz wenigen Ausnahmen, haben den Kern der<br />

Aussage entnommen, ihn verdreht <strong>und</strong> zerstückelt, danach<br />

diametral neu zusammengebastelt <strong>und</strong> einem konsternierten<br />

Publikum neu vorgesetzt.<br />

Gute Schauspieler wurden zu Statisten degradiert, gemobbt,<br />

als nutzloses Gesinde rausgeworfen <strong>und</strong> ausgesperrt. Verbliebene<br />

Stars auf der kuriosen Bühne des Sozialismus vergassen<br />

ihren Text <strong>und</strong> bekamen von der Souffleuse ganz neue Sätze<br />

zugeflüstert, blinde Beleuchter mischten bunte Lichter nach<br />

eigenem Fingerspitzengefühl <strong>und</strong> verursachten so des Öftern<br />

Blackouts. Dem Inspizienten entgleitet die Kontrolle, er verwechselt<br />

den Dirigenten mit dem Maskenbildner. Der Intendant<br />

feuert den Regisseur <strong>und</strong> der Hauptdarsteller glaubt, er<br />

sei nun Direktor, Dramaturg <strong>und</strong> F<strong>und</strong>usverwalter in einem.<br />

90<br />

Die Genossen liebten <strong>und</strong> hassten sich, küssten, lobten,<br />

stritten <strong>und</strong> hätschelten sich gegenseitig <strong>und</strong> merkten dabei<br />

nicht, dass die Bretter der Bühne dünn geworden waren <strong>und</strong><br />

dass sie ihre Schauspielhäuser alle auf Sand gebaut hatten.<br />

Das Theaterstück interessiert längst nicht mehr. Das Publikum<br />

schaut von aussen her zu <strong>und</strong> klatscht reserviert, wenn<br />

das ganze Brim bo ri um in sich zusammenbricht.


Kommunismus bezeichnet eine politische Lehre, die anfänglich<br />

die Gütergemeinschaft zum Ziel hatte, im weiteren<br />

Sinne die klassenlose Gesellschaft, in der das Privateigentum<br />

an Produktionsmitteln aufgehoben ist <strong>und</strong> die Produktion<br />

des gesellschaftlichen Lebens rational <strong>und</strong> gemeinschaftlich<br />

geplant <strong>und</strong> durchgeführt werden sollte.<br />

Die Idee war simpel <strong>und</strong> in seiner Gr<strong>und</strong>struktur für jedermann verständlich.<br />

Schon zu Beginn aber, im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert, hatte die Umsetzung<br />

einer antikapitalistischen Gesellschaft durch die zahlreichen<br />

Protagonisten verschiedene Bedeutungen bekommen.<br />

Der ideologische Gr<strong>und</strong>gedanke von Karl Marx <strong>und</strong> Friedrich Engels<br />

wurde schon bald nach Lenins Machtergreifung in Russland so abgeändert,<br />

dass dieser etliche Gegner mit ähnlichem Konzept hatte. Stalin<br />

errichtete während seiner Regierungszeit unter dem Deckmantel des<br />

Kommunismus eine totalitäre Diktatur mit fatalen Folgen für Millionen<br />

russischer Bürger. Stalin nannte seine Art von Kommunismus «Stalinismus».<br />

Seinen langjährigen Weggefährten Leo Trotzki verfolgte er wegen<br />

kontroverser ideologischer Ansichten r<strong>und</strong> um die Welt <strong>und</strong> liess<br />

ihn in Mexiko meucheln.<br />

Der Kampf zwischen Chruschtschow <strong>und</strong> Mao Zedong um den Führungsanspruch<br />

in der kommunistischen Bewegung endete mit einer<br />

Spaltung <strong>und</strong> führte zu lapidaren Grenzkonflikten. Das chinesische<br />

Programm hiess von da an «Maoismus». Albaniens Enver Hoxha<br />

konvertierte in der Folge vom sowjetischen Kommunismus zum chinesischen<br />

Maoismus. Tito in Jugoslawien betrieb eine halbherzige Art<br />

Kommunismus <strong>und</strong> verbündete sich oft mit westlichen Staaten. Bald<br />

nach seinem Tod zerfiel Jugoslawien nach schweren Kriegswirren in<br />

verschiedene eigenständige Staaten. Todor Schiwkow von Bulgarien<br />

erinnerte sich als einer der wenigen an den kommunistischen Gr<strong>und</strong>gedanken<br />

<strong>und</strong> intensivierte Anstrengungen zur Schaffung des neuen<br />

sozialistischen Menschen. Schiwkow war mit 35 Jahren derjenige mit<br />

der längsten Amtszeit. Er wurde aber nach seiner Absetzung wegen<br />

Plünderung der Staatskasse <strong>und</strong> Korruption zu einer langjährigen Haftstrafe<br />

verurteilt.<br />

Ceausescu in Rumänien liebäugelte mal mit dem Westen, dann wieder<br />

mit dem Ostblock – ganz so wie der Wind wehte –, nannte sich<br />

abwechselnd oder gleichzeitig Titan der Titanen oder Sohn der Sonne,<br />

wollte alles keimfrei haben <strong>und</strong> baute in seinem Wahn Schlösser <strong>und</strong><br />

Paläste um sich herum. Er verbündete sich mit Terroristen <strong>und</strong> Drogenbossen,<br />

zerstörte im Namen einer «Systematisierung» achttausend<br />

Dörfer <strong>und</strong> baute dubiose Kinderheime für «Unwiederbringliche».<br />

Das Volk wandte sich bald mal gegen ihn. Kurz bevor Nicolae Ceausescu<br />

<strong>und</strong> seine Frau Elena von Offizieren hingerichtet wurden, rief<br />

er: «Tod den Verrätern, die Geschichte wird uns rächen», <strong>und</strong> sang<br />

dann die Internationale.<br />

Die Führung der DDR zeigte sich als mustergültig <strong>und</strong> wies seinen<br />

erbarmungslosen Staatssicherheitsdienst an, beim Volk für Ordnung<br />

zu sorgen. Die Tschechoslowakei verspürte unter Alexander Dubcek<br />

einen ganz kurzen «Prager Frühling». In Polen hatte Lech Wałesa mit<br />

seiner «Solidarnosc» das Land bestreikt <strong>und</strong> war eigentlicher Katalisator<br />

für den Fall der Berliner Mauer <strong>und</strong> die spätere Auflösung der<br />

Sowjetunion.<br />

Gorbatchow brachte den grossen Ballon durch Perestrojka <strong>und</strong> Glasnost<br />

zum Platzen – die Luft für einen glaubwürdigen Sozialismus war<br />

plötzlich weg.<br />

China betreibt eine ganz sonderbare Art von kapitalistischem Kommunismus.<br />

Nordkoreas Kim Jong-un, Dritter in der Thronfolge des ewigen<br />

Präsidenten, seines Grossvaters, ist Staatspräsident, oberster Führer,<br />

Regierungschef, Ministerpräsident <strong>und</strong> Chef von vielen gigantischen<br />

Umerziehungslagern etc.<br />

Was Pol Pot in Kambodscha unter kommunistischem System verstand,<br />

war schlichtweg eine absolute Schande. Hô Chí Minh in Vietnam war<br />

zwar unerbittlicher Revolutionär, aber gleichzeitig auch ein positives<br />

Beispiel an Vernunft <strong>und</strong> Verstand gegenüber der sozialistischen Idee.<br />

Als Präsident von Nordvietnam lebte er sehr bescheiden <strong>und</strong> bewohnte<br />

ein einfaches Holzhaus gegenüber des Präsidentenpalastes.<br />

Auf den Antillen hat ein gemischtes Volk namens Kubaner dank Sonne,<br />

Musik <strong>und</strong> purer Lebensfreude dem Kommunismus das Bestmögliche<br />

abgerungen. Die Kubaner haben wohl durch dieses System einiges gelernt,<br />

Traditionen bewahren können, aber letztlich doch viel an Freiheit<br />

<strong>und</strong> moderner Lebensqualität eingebüsst. Nach abgeschlossener Revolution<br />

wurde es «Che» Guevara in Kuba zu langweilig <strong>und</strong> er suchte<br />

mit einer Handvoll Rebellen im Kongo <strong>und</strong> in Bolivien nach neuen<br />

Aufgaben. Fidel Castro zündelte mit 12 000 kubanischen Söldnern <strong>und</strong><br />

der Unterstützung der Sowjetunion in Angola <strong>und</strong> Moçambique.<br />

Der «Máximo Líder» <strong>und</strong> sein Bruder Raúl halten noch immer wie<br />

verbissen am kommunistischen System fest – nur fallen ihnen die<br />

Zähne allmählich aus.<br />

91


LUFTPOST<br />

Zur Zeit der ersten Postflüge war man noch gerne bereit,<br />

hohe Luftpostbeförderungsgebühren in Kauf zu nehmen,<br />

um solch einen speziellen Brief zu verschicken.<br />

Mit der Zeit verlor das Flugzeug jedoch seinen besonderen<br />

Status <strong>und</strong> wurde schliesslich zu etwas ganz Alltäglichem.<br />

Dies führte unter anderem dazu, dass die<br />

Luftpost heute als etwas Selbstverständliches wahrgenommen<br />

wird. In den meisten europäischen Ländern<br />

muss schon lange keine zusätzliche Luftpostgebühr<br />

mehr entrichtet werden. In den Vereinigten Staaten<br />

gibt es jedoch durchaus noch solche zusätzlichen Belastungen.<br />

Um eine schnellstmögliche, aber günstige Postsendung<br />

zu garantieren, kommt heutzutage meist eine Kombination<br />

von Bahn-, Schiffs- <strong>und</strong> Lufttransport zum Zuge.<br />

Die Bedeutung der Luftpost ist in Ländern ohne Bahn<strong>und</strong><br />

Schiffsverkehr ungleich höher als in Mitteleuropa,<br />

da keine wirkliche Alternative zum Lufttransport existiert.<br />

Dies betrifft vor allem Paketsendungen, weil reine<br />

Nachrichtenübertragungen heutzutage nicht mehr auf<br />

den Postweg angewiesen sind.<br />

Mehrheitlich wird die mit Luftpost-, Priority- oder<br />

A-Post gekennzeichnete Post zwischen den europäischen<br />

Ländern auf dem Landweg bewegt. Diese Sendung<br />

trifft oft binnen 48 St<strong>und</strong>en beim Empfänger ein.<br />

Ob die Post dabei per Luft oder per Strasse transportiert<br />

wird, spielt nur noch eine sek<strong>und</strong>äre Rolle.<br />

92


…Blue Jeans sind trotz ihrer robusten Beschaffenheit sehr<br />

verschleissträchtig <strong>und</strong> sollen je nach Betrachtungsweise <strong>und</strong><br />

Verwendung zunehmend «en vogue» <strong>und</strong> auch bequemer<br />

werden, sind aber im eigentlichen Sinne ein Paradebeispiel<br />

für Vergänglichkeit. Bald mal 150 Jahren nach deren Erfindung<br />

sind Jeans keineswegs mehr aus unserer Gesellschaft<br />

wegzudenken <strong>und</strong> implizieren längst Freiheit, Mode <strong>und</strong> sogar<br />

ein bisschen Revolution. Das Phänomen Blue Jeans wäre<br />

ein sehr attraktives Thema in diesem Buch gewesen – aber<br />

eben, weil heute <strong>und</strong> wohl auch künftig fast alle indigoblaues<br />

Denim in verschiedenen Formen <strong>und</strong> Abnützungsstufen<br />

irgendwo am Körper tragen, gehört dieses Thema nicht unter<br />

den Begriff «Damals».<br />

Die Existenzberechtigung verschiedener Produkte, Objekte<br />

<strong>und</strong> Begebenheiten ist ständig einem innovativen Streben<br />

<strong>und</strong> zeitlichen Trends ausgeliefert. Verschiedene Gegenstände<br />

in diesem Buch finden daher bei Traditionalisten wohl<br />

eher schlechtes Gehör <strong>und</strong> werden nach wie vor als vorzüglich<br />

<strong>und</strong> unverzichtbar bezeichnet.<br />

Das gedruckte Buch wird möglicherweise künftig genauso<br />

zu einer Rarität oder sogar eliminiert werden, wie andere<br />

Schöpfungen in vielen Bereichen unseres Lebens.<br />

Martin Bührer<br />

95


Herzlichen Dank:<br />

Urs <strong>und</strong> Käty Weder, Zuzwil / Bigi <strong>und</strong> Roland Häusermann,<br />

Winterthur / Olivia Alinovi, Märwil / Julia Alinovi <strong>und</strong> Luca<br />

Conconi, Bürglen / Silvana Alinovi, Märwil / Patrick Fischer,<br />

Oberhueb, Neftenbach / Erika Meili <strong>und</strong> Alex Ammann, Winterthur<br />

/ Marianne <strong>und</strong> Adolfo Wyss, Aadorf / Miranda <strong>und</strong><br />

Pädi Gilgen, Brasilien / Danj <strong>und</strong> Maria Tonelli, Weinfelden /<br />

Moni <strong>und</strong> Hans Thomann, Märwil / Gabi <strong>und</strong> Oti Hinder, Märwil<br />

/ Claude Jaermann <strong>und</strong> Felix Schaad, Winterthur / Sonja<br />

Luger <strong>und</strong> Christian Meili, Winterthur / Martin Hänni, Holzhäusern<br />

/ Yvonne <strong>und</strong> Max Ochsner, Raperswilen / Rosmarie <strong>und</strong><br />

Albert Kind, Schaffhausen / Annette Golaz Winz, Betty Bossi,<br />

Zürich / Jajaram, Indien / Susanne Gschwend <strong>und</strong> Reto Ginsig,<br />

Elsau / Christoph Bartholdi, Märwil / Merce Sattler-Quinteiro,<br />

Winterthur / Kuno Gantenbein, Märwil / Marion Zimmermann,<br />

Hamburg / Carol Bührer, Winterberg / Andrea <strong>und</strong> Jimmi Widmer,<br />

Weinfelden<br />

96


Bilder <strong>und</strong> Texte:<br />

Martin Bührer<br />

Betty Bossi, Seite 6<br />

Eva Grdjic (Claude Jaermann, Felix Schaad), Seite 18<br />

Max Ochsner, Seite 45<br />

Lektorat:<br />

Sonja Luger<br />

Druck:<br />

www.wir-machen-druck.ch<br />

Verlag:<br />

www.illustro.ch<br />

ISBN 978-3-033-04906-2<br />

Recherchierte <strong>Inhalt</strong>e zu den einzelnen Themen enthalten<br />

Texte oder Textfragmente aus Wikipedia / Die freie Enzyklopädie<br />

Fotos:<br />

Bauer-Kamera, Seite 72, Kurt Tauber, Deutsches Kameramuseum<br />

Brigitte Bardot auf Velo-Solex, Seite 24, Bildrechte unbekannt<br />

97

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