darauf geben. Der Besuch der Räume provoziert Vergleiche zwischen damals und heute. Dabei sollte es nicht um Feststellungen gehen von der Art: >Früher war es doch schöner< oder >Heute ist alles besser
In einem Schreiben vom 9. Juni 1835 (unterzeichnet von Wolf Raphael, Salomon B. Dreyfus und Wolf J. Wolf) an die Regierung machten sie die ergebenste Mitteilung, »daß eine Gesellschaft von jungen Männern zusammengetretten, um allwöchentlich des Sabbaths in deutschen Vorträgen, Betrachtungen und Ansichten, über Religion und Moral den Zeitverhältnissen und Zeitanforderungen entsprechend durch den Cand Theol. Reichenberger zu vernehmen 21 «. 10. Jüdischer Gesangverein Rabbiner Dr. Samuel Mayer führte in dem 1844 erschienen und schon mehrfach erwähnten Artikel »Geschichte der Israeliten in Hohenzollern-Hechingen« (Sp. 540) an: »In diesem Winter haben etwa 20 Jünglinge einen Gesangverein errichtet, und solche Vereine sollten sich in allen Gemeinden bilden«. Dieser Verein wird wohl in den allgemeinen Gesangverein aufgegangen sein, der 1853 unter dem Vorsänger Lichtenstein gegründet wurde und dessen langjähriger Direktor Lichtenstein war. Kantor Lichtenstein war damals 38 Jahre alt und Vorsänger in der Oberstadtsynagoge, während der betagte 72jährige Marx Kürzinger Vorsänger in der Synagoge auf der Friedrichstraße war. Übrigens war Lichtenstein von etwa 1862 bis zu seinem Tode 1874 auch Dirigent des Synagogenchors, dessen Heranbildung ebenfalls sein Werk war. Es ist zweifelhaft, ob es sich bei dem in der »Chronik der Stadt Hechingen« (1980) genannten Kaufmännischen Verein Merkuria (1876 erstmals in der Zeitung erwähnt) um einen jüdischen Verein handelte. In der Chronik wird ausgeführt: »Es verfolgte den Zweck, durch Vorträge und Unterhaltung einer umfangreichen Bücherei den Bildungsstand seiner Mitglieder zu heben. Die Mitglieder gehörten meist der Israelitischen Gemeinde an. Als letzter jüdischer Verein bestand er bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts und löste sich mit der Zeit der beginnenden Verfolgung selbst auf«. (Unterm Jahr 1884 heißt es: »Aus der früheren Gesellschaft Merkuria bildete sich ein Kaufmännischer Verein, der bis zum Jahr 1933 Bestand hatte«.) 11. Verein zur Pflege jüdischer Geschichte und Literatur 1904 wurde ein Verein zur Pflege jüdischer Geschichte und Literatur gegründet. Dem Verein stand Julius Levi vor. Der Verein veranstaltete auch Konzerte". 1938 bestanden hier - außer den beiden oben bereits angeführten Vereinen Chevra Kadischa und Isr. Frauenverein - noch folgende jüdische Vereine 23 , die sämtlich nicht rechtsfähig waren: 12. Jüdischer Zentralverein, Ortsverband Hechingen. Sein Zweck war die Rechtsberatung der Juden. Zur Vertretung berechtigt war Leon Schmalzbach. 13. Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, Ortsverband Hechingen, der sich zum Ziel gesetzt hatte, den soldatischen Geist und die Frontkameradschaft zu pflegen. Zur Vertretung berechtigt war Max Singer. 14. Hilfsverein der Juden in Deutschland, Ortsverband Hechingen. Er förderte die Auswanderung der Juden aus Deutschland. Zur Vertretung war wiederum Max Singer berechtigt. Diese drei Vereine hatten kein Kapital. Es wurden nur Mitgliedsbeiträge eingesammelt und restlos an den jeweiligen Hauptverein abgeführt. Statuten waren nicht vorhanden. 15. Ferner bestand hier noch der Ortsverband Hechingen des Jüdischen Lehrhauses Stuttgart. Der Zweck dieses Vereins war die religiöse Belehrung. Aus einer Befragung des Herrn Walter Frank, der zur Vertretung des Vereins berechtigt war, durch einen Polizeihauptwachtmeister (über die am 9. 9. 1938 ein Bericht angefertigt wurde -) wissen wir, daß in den Herbst- und Wintermonaten religiöse Kurse über die Gebets- und Gottesdienstordnung abgehalten sowie Übersetzungen von Gebeten aus der hebräischen in die deusche Sprache eingeübt wurden. Diese Kurse hielt regelmäßig Religionslehrer Leon Schmalzbach ab, und zwar im jüdischen Gemeindehaus in der Goldschmiedstraße mittwochs in der Zeit zwischen 20.30 und 21.30 Uhr alle vierzehn Tage. Außerdem fanden jährlich bis zu zwei Vorträge von auswärtigen Rednern über religiöse Themen statt 24 . Der Vorstand verwaltete eine Bücherei, die 1076 Bände umfaßte 25 . Kapital war nicht vorhanden. Die jährlichen Mitgliederbeiträge in Höhe von ca. 130 RM wurden für Bücher und als Beitrag zum Hauptverein ausgegeben. Statuten waren nicht vorhanden. Von der Auflösung des Ortsverbandes Hechingen des Jüdischen Lehrhauses Stuttgart kündet ein Brief von Alfred Loewenthal, dem damaligen Vorsteher der israelitischen Gemeinde, an den Bürgermeister der Kreisstadt Hechingen vom 3. Juli 1939: »Wir teilen Ihnen mit, daß der Ortsverband Hechingen des Jüdischen Lehrhauses Stuttgart mit Wirkung ab 1. Juli 1939 aufgelöst wurde, nachdem infolge anhaltenden Rückganges der Mitgliederzahl eine Notwendigkeit für die Aufrechterhaltung des Ortsverbandes nicht mehr besteht. Die vorhandene Bibliothek wurde der Isr. Gemeindeverwaltung Hechingen zur Benützung für deren Gemeindemitglieder übergeben. Barvermögen des Ortsvorbandes ist nicht vorhanden«. 16. Jüdische Kultusvereinigung Hechingen e. V. Gemäß Reichsgesetz über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen vom 28. 3. 1938 wurde die jüdische Kultusvereinigung Hechingen ein eingetragener Verein 26 . Die Satzung ist unterzeichnet von Alfred Loewenthal, Isidor Weil, Otto Hofheimer, Leon Schmalzbach, Karl Hamburger, Isidor Bernheim und Martha Hofheimer. Als Zweck der Kultusvereinigung wird in § 2 der Satzung »die Betreuung des religiösen Lebens ihrer Mitglieder« angegeben. »Als Zweigstelle der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland«, so heißt es weiter, »nimmt sie die örtlichen Aufgaben der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland wahr 27 «. Alle Personen jüdischen Glaubens, die bei Inkrafttreten des Reichsgesetzes vom 28. 3. 1938 Mitglied der jüdischen Gemeinde waren oder nach Maßgabe der ersten Durchführungsverordnung vom 30. 1. 1939 geworden sind, wurden Mitglieder der »Jüdischen Kultusvereinigung Hechingen E. V.« Anmerkungen 1 StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 316 2 Ebenda 3 SAH API. 5422 Bd. Rechtsverhältnisse der Israelitischen Gemeinde 4 Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 310 5 Schreiben der M. Jacob Weil u. Jacob Simon an die Fürstl. Regierung vom 23. Aug. 1839. Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 310 6 Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 303 7 Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 306 8 Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 311 9 Lagerort: StAS Ho 235 I-X 1230 21