heimat w 3828 fx - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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HÖH ENZOLLERISCHE<br />
HEIMAT<br />
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Herausgegeben vom<br />
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Hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong><br />
32. Jahrgang Nr. 1/März 1982<br />
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Zwei Meter unter dem Boden der St. Michaelskirche in Gammertingen wurden diese tausend Jahre alten Adelsgräber gefunden.<br />
Auf den Spuren der Grafen von Gammertingen<br />
Die Grafen von Gammertingen sind ein sehr frühes Hochadelsgeschlecht,<br />
das bisher fast nur durch schriftliche Uberlieferung,<br />
vor allem durch die Zwiefalter Chronisten bekannt<br />
war. Die Familie hatte eine sehr vornehme Verwandtschaft;<br />
so war Graf Ulrich II. mit einer Zähringer Herzogstochter<br />
verheiratet. Aber auch dessen Mutter, Gräfin Adelheid kam<br />
aus einer feinen Familie, sie war eine Gräfin von Dillingen.<br />
Ihr Bruder war Bischof Ulrich von Konstanz, der auch in der<br />
Reichspolitik eine Rolle spielte.<br />
Die Grafen von Gammertingen waren sehr reich. Gräfin<br />
Adelheid baute aus eigenen Mitteln das Frauenkloster Zwiefalten,<br />
von dem heute nur noch die Klosterkirche steht. Den<br />
Grafen von Gammertingen gehörte auch das Oberengadin<br />
mit St. Moritz, Pontresina und Zuoz. Dort in Zuoz steht der<br />
mächtige Wohnturm der Grafen von Gammertingen, dessen<br />
Mauern die Jahrhunderte überstanden haben. Seit dem Aussterben<br />
der Grafen von Achalm, gehörte auch die Burg<br />
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Achalm den Grafen von Gammertingen. Schon nach drei<br />
Generationen, um 1150 starb auch diese Familie aus. Ihr Erbe<br />
wurde geteilt, die spätere Herrschaft Gammertingen-Hettingen<br />
kam in die Hände der Grafen von Veringen.<br />
In Gammertingen selbst gab es bis vor kurzem keinerlei<br />
Hinweise auf die Grafen von Gammertingen. Nach dem<br />
Bericht des Zwiefalter Chronisten Ortlieb hatten sie bei<br />
Gammertingen eine Eigenkirche. Zwei Töchter der Familie<br />
schenkten dem Kloster Zwiefalten das Dorf Baldenstein mit<br />
11 Höfen und einer Mühle. Niemand ahnte, wo die Kirche<br />
oder das Dorf einst lagen.<br />
Schon vor 19 Jahren wurde damit begonnen, das »Alte<br />
Schloß« über dem Fehlatal auszugraben, das sich alsbald als<br />
der vermißte Sitz der Grafen von Gammertingen erwies.<br />
Einige Zeit später wurden auch Namen und Ort Baldenstein<br />
wieder entdeckt. Die Funde von den Ausgrabungen seit 1963<br />
wurden teilweise erst in den letzten beiden Jahren von Frau
Dr. Barbara Scholkmann aus Tübingen bearbeitet. Sie berichtete<br />
im Januar 1982 in einem Vortrag über die Ergebnisse<br />
ihrer Arbeit, welche im Lauf des Jahres 1982 im Thorbecke-<br />
Verlag als Buch erscheinen werden.<br />
Ein Beschluß des Gammertinger Pfarrgemeinderates, die St.<br />
Michaelskirche zu renovieren, gab Anstoß zu einer weiteren<br />
Grabung in Gammertingen. Von April bis November 1981<br />
wurde der Innenraum der Kirche ausgegraben. Es zeigte sich,<br />
daß der heutige Kirchenbau der vierte an dieser Stelle ist. Die<br />
erste Kirche geht vor das 11. Jahrhundert zurück; es stand<br />
hier aber nicht nur eine Kirche, sondern die Kirche gehörte zu<br />
einem frühmittelalterlichen Herrenhof. Einige Begräbnisse<br />
dieser Herren wurden gefunden. Nach dem Bau der Burg<br />
Baldenstein entstand statt des alten Kirchleins eine stattliche<br />
Kirche mit einem südlichen Seitenschiff. Die starken Mauern<br />
dieser Kirche, welche abgebrannt ist, bilden teilweise das<br />
Fundament der heutigen Kirche. Im Lauf des Jahres 1982 soll<br />
nochmals außerhalb der Kirche gegraben werden, um eventuell<br />
weitere Uberreste des Herrenhofes zu finden. B.<br />
Burg Baldenstein,<br />
Sitz der Grafen von Gammertingen<br />
Im Januar 1982 hielt Frau Dr. Scholkmann im Rahmen der<br />
Veranstaltungen des Alemannischen Institutes Tübingen<br />
einen Vortrag über das »Alte Schloß« bei Gammertingen.<br />
Dabei wurde deutlich, daß die Ausgrabungsergebnisse in der<br />
mittelalterlichen Archäologie einen besonderen Rang einnehmen.<br />
Das »Alte Schloß« ist keineswegs eine längst bekannte Burgstelle,<br />
es wurde vielmehr im Lauf der letzten 50 Jahre Stück<br />
für Stück entdeckt. Erstmals berichtete Johann Adam Kraus<br />
1933 in den Blättern des Schwäbischen Albvereins über die<br />
Reste einer Burg. Im gleichen Jahr gruben einige Leute unter<br />
Leitung von Oberlehrer Josef Wiest und Professor Laur<br />
(Landeskonservator) auf dem Felsen über dem Fehlatal. Zu<br />
Tage kamen Mauerzüge, Scherben und Knochen. Die Funde<br />
gingen verloren, die ganze Geschichte geriet fast in Vergessenheit.<br />
Erst 30 Jahre später erwachte erneut das Interesse. Hauptmann<br />
Georg Bodin begann 1963 im Rahmen einer Feldübung<br />
mit seinen Soldaten, die Burgruine auszugraben. In den<br />
Jahren 1964 und 1965 wurden die Grabungen fortgesetzt. Die<br />
wissenschaftliche Leitung hatte Dr. Wein. Die Schachfiguren<br />
und Spielsteine, die damals gefunden wurden, erregten einiges<br />
Aufsehen und wurden auch bei der großen Stauferausstellung<br />
1977 in Stuttgart gezeigt.<br />
Die weitere Bearbeitung der Funde war seinerzeit unterblieben.<br />
Erst vor etwa zwei Jahren regte Bürgermeister Erwin<br />
Hirschle beim Landesdenkmalamt die Fortführung der Forschungen<br />
über das »Alte Schloß« an. Dr. Barbara Scholkmann<br />
wurde mit der Bearbeitung des Fundmaterials beauftragt.<br />
Sie konnte nun über die Ergebnisse berichten. Die<br />
Burgruine »Altes Schloß«, der auch der ursprüngliche Name,<br />
nämlich »Burg Baldenstein«, wiedergegeben werden konnte,<br />
ist eine der ältesten Anlagen im Lande. Alles weist darauf hin,<br />
daß die Burg schon im 11. Jahrhundert entstand. Den Kern<br />
der Anlage bildete ein großer Wohnturm, um den sich<br />
zunehmend Wirtschaftsgebäude und Befestigungsanlagen<br />
gruppierten. Die Burg lag auf einem Sporn über dem Fehlatal,<br />
durch einen Halsgraben gegen die Hochfläche gesichert.<br />
Ganz ausgegraben ist bisher nur der, schon genannte Wohnturm,<br />
während der größere Teil der Burg noch unter Schutt<br />
und Trümmern liegt.<br />
2<br />
An die Bezieher der Hohem. Heimat!<br />
Seit 1979 zieht die Post keine Abo-Gelder mehr ein.<br />
Die meisten unserer Leser haben einen Abbuchungsauftrag<br />
erteilt und das Bezugsgeld wird regelmäßig<br />
abgebucht. Wer keinen Abbuchungsauftrag erteilt<br />
hat, wird gebeten, das Bezugsgeld von DM 6.- für das<br />
Jahr 1982 auf eines der unten genannten Konten zu<br />
überweisen. Alle, die seit 1979 nichts mehr bezahlt<br />
haben (weil sie nicht darum gebeten wurden), mögen<br />
bitte DM 18.- einzahlen oder überweisen. Besten<br />
Dank im Voraus.<br />
Die Hohenz. Heimat hat folgende Konten:<br />
Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
(BLZ 65351050) Nr. 802507<br />
Postscheckkonto Stuttgart<br />
123 63-707<br />
An der Ostseite des Wohnturmes wurde später eine schiffsbugförmige<br />
Mauer angesetzt, die der Verstärkung der Befestigung<br />
diente. Der Wohnturm muß ein stattliches, mehrstöckiges<br />
Gebäude gewesen sein, wohl mit Schindeln und<br />
Stroh gedeckt, denn es fand sich nirgends eine Spur von<br />
Dachziegeln. Diese ganze Anlage wurde durch einen Brand<br />
zerstört. Ob es sich dabei um eine Zerstörung durch »Feindeinwirkung«<br />
handelte, oder um ein »gewöhnliches« Feuer,<br />
läßt sich nicht mehr sicher entscheiden. Wahrscheinlicher ist<br />
ein »normales« Feuer, weil keine Pfeilspitzen und andere<br />
Waffenreste, die auf eine kriegerische Einnahme hindeuten,<br />
gefunden wurden.<br />
Erst einige Jahre nach der Ausgrabung der Burgruine, wurde<br />
der Name der Burg und der zugehörigen Siedlung gefunden.<br />
Bei den Zwiefalter Chronisten war ein Dorf Baldenstein<br />
genannt worden, das Töchter der Grafen von Gammertingen<br />
dem Kloster schenkten. Johann Adam Kraus fand einige<br />
Nennungen dieses Namens in Urkunden, die zur großen<br />
Überraschung zeigten, daß Baldenstein im Fehlateil lag.<br />
»Unten an Baldenstein«, das konnte sich nur auf die Burg<br />
beziehen. Noch zu Anfang des 14. Jahrhunderts gab es einen<br />
Baldensteiner Hof, der im Besitz des Klosters Zwiefalten<br />
war.<br />
Die nächste Frage ist die nach den Besitzern der Burg.<br />
Hierfür kommen nach Lage der Dinge nur die Grafen von<br />
Gammertingen in Frage. Nur ein Hochadelsgeschlecht war<br />
im 11. Jahrhundert in der Lage, sich so eine Burg zu leisten.<br />
In der auf den Vortrag folgenden Diskussion wurde die Frage<br />
gestellt, warum sich das Grafengeschlecht gerade nach dem<br />
Dorf Gammertingen genannt habe. Diese Frage konnte leicht<br />
mit einem Hinweis auf die, noch nicht abgeschlossenen<br />
Grabungen bei der St. Michaelskirche, beantwortet werden.<br />
Hier saß schon vor dem Jahr 1000 eine Adelsfamilie, die sich<br />
in der eigenen Kirche ein Erbbegräbnis leistete. Auch die<br />
Frage, warum man die Burg nun ausgerechnet auf den Felsen<br />
über dem Fehlatal baute, läßt sich nur soweit beantworten,<br />
daß dieser Platz für die Anlage einer Burg der nächste und<br />
geeignetste war. Da den Grafen von Gammertingen später<br />
bessere Burgen, wie z. B. die Achalm zur Verfügung standen,<br />
wurde Baldenstein schon früh wieder aufgegeben.<br />
Für das Leben auf der Burg hat Dr. Barbara Scholkmann
viele, teilweise überraschende Zeugnisse gefunden. Die zahlreichen<br />
Keramikscheiben sind drei Arten zuzurechnen. Ein<br />
»gewöhnliches« Küchengeschirr, das vielleicht ganz in der<br />
Nähe hergestellt wurde, eine bessere Keramik, die ganz auf<br />
der Töpferscheibe gedreht ist und wenige Stücke eines feineren<br />
»Tafelgeschirres«. Im übrigen bestätigt die vorkommende<br />
Keramik die bisher bekannte Daten der Burg von der<br />
Mitte des 11. bis ins 12. Jahrhundert.<br />
Einen Einblick in den Speisezettel der Burgbewohner geben<br />
die gefundenen Tierknochen. Wer glaubt, die Herren Grafen<br />
hätten sich vorwiegend von Jagdbeute ernährt, irrt gewaltig.<br />
Weit an der Spitze liegen die Knochen vom Schwein, mit<br />
Abstand gefolgt von Schaf, Ziege und Rind. Nur ganz<br />
spärlich vertreten sind Rothirsch, Hase und Gemse.<br />
Die ritterliche Beschäftigung der Burgherren zeigt sich in den<br />
Fundstücken von Pferdegeschirr und Reitzubehör, darunter<br />
ein besonders schönes Beschlagstück. Erwähnenswert ist<br />
auch ein sehr schönes Messer mit verziertem Griff aus<br />
Rothirschgeweih. Andere Reste des Hauswesens sind Schlüssel,<br />
Schloßteile, Beschlagteile usw. Als Beweis für handwerkliche<br />
Tätigkeit fand sich ein Teil eines Spiralbohrers.<br />
Was bisher von den Funden der Burg Baldenstein bekannt<br />
war, sind vor allem die Schachfiguren und die Spielsteine. Da<br />
die Schachfiguren eine rein arabische Form zeigen, hat man<br />
bisher annehmen können, daß sie wohl auch aus dem Süden,<br />
vielleicht aus Spanien, stammen könnten. Dem ist aber nicht<br />
so, denn die Materialuntersuchung ergab, daß die Schachfiguren<br />
aus Rentiergeweih angefertigt sind. Dies lenkt den<br />
Blick nun nach Norden, Dr. Barbara Scholkmann glaubt, daß<br />
die Wikinger, die bis in den Orient vorgestoßen sind, die<br />
Vermittler gewesen sein könnten. Die größere Zahl der<br />
Schachfiguren ist zwar in der Form diesem Spiel angepaßt,<br />
jedoch aus Rothirschgeweih geschnitzt. Wahrscheinlich wurden<br />
sie auf der Burg selbst angefertigt.<br />
Noch wertvoller als die Schachfiguren sind die auf Burg<br />
Baldenstein gefundenen Spielsteine. Es sind drei verschiedene<br />
Sätze. Auch hier wieder primitiv angefertigte Ersatzstücke<br />
HANS SPEIDEL<br />
Die Hohenzollerische Heimatbücherei<br />
Die Hohenzollerische Heimatbücherei nahm ihren Ausgang<br />
vom Hechinger Gymnasium. Bei der Entlassungsfeier der<br />
Abiturienten im Jahre 1928 regte der damalige Studienrat<br />
Faßbender in einem Vortrag über »Heimatkunde und Heimatschutz«<br />
die Schaffung einer Hohenzollerischen Heimatbücherei<br />
an und zeigte die ersten Wege zu ihrer Verwirklichung.<br />
In einem von dem damaligen Direktor und dem<br />
Lehrerkollegium herausgegebenen Flugblatt, das Schüler und<br />
Heimatfreunde in Stadt und Land verteilten, wurden die<br />
Eltern der Schüler und alle Gönner der Anstalt gebeten,<br />
Bücher und Druckschriften über Hohenzollern und seine<br />
Nachbargebiete der Schule zur Verfügung zu stellen. Auch<br />
Bilder, alte Stiche und Karten aus dem zollerischen Raum<br />
seien willkommen. Das Gesammelte werde - so das Flugblatt<br />
- in einer Heimatbücherei zusammengestellt, die in erster<br />
Linie Lehrern und Schülern als Grundlage für den Heimatkunde-Unterricht<br />
dienen solle. Darüber hinaus werde sie<br />
aber auch Heimatfreunden durch Vermittlung des Lehrkörpers<br />
zugänglich sein. Die sachgemäße Aufbewahrung und<br />
Verwaltung übernahm die Schule. Dem Aufruf des Gymnasiums<br />
war ein großer Erfolg beschieden. Durch Geschenksendungen<br />
von vielen Seiten kamen binnen Jahresfrist über<br />
und Stücke von hervorragender Qualität. In einem Spielsatz<br />
standen Vögel vierbeinigen Tieren gegenüber. Die Steine sind<br />
auf eine Geweihscheibe geschnitzt. Die größte Kostbarkeit<br />
ist ein Spielstein, der größer als die übrigen, zweiseitig<br />
geschnitzt wurde. Eine Seite zeigt einen Löwen, die andere<br />
zwei geflügelte Drachen, die sich in den Schwanz beißen. Die<br />
Spielsteine von Baldenstein sind das Beste und Schönste, was<br />
im süddeutschen Raum an verzierten Spielsteinen gefunden<br />
wurde.<br />
Den soeben gebrauchten Superlativ hätte man besser für die<br />
nun folgende Gruppe von Funden aufbewahrt, nämlich die<br />
Gläser. Bei den Ausgrabungen auf Burg Baldenstein wurde<br />
auch eine Anzahl kleiner Glasscherben gefunden. Schon das<br />
Vorkommen von Glasscherben in einer Burg aus dem 11. /12.<br />
Jahrhundert ist eine absolute Rarität. Dr. Barbara Scholkmann<br />
konnte zwei verschiedene Arten feststellen, eine dickwandige,<br />
hellgrüne und in der Glasmasse ziemlich verunreinigte<br />
Sorte. Diese entspricht wohl der in Europa damals noch<br />
recht einfachen Herstellungsweise von Glaswaren. Etwas<br />
ganz Besonderes sind jedoch Scherben von einem leuchtend<br />
blauen, ganz reinen Glas. Aus den Scherben lassen sich drei<br />
Gefäße rekonstruieren: Eine Flasche und drei Trinkgefäße.<br />
Europäische Glasgefäße, die lange Zeit im Boden lagen, sind<br />
oft angegriffen, weil sie mit Pottasche (Kalium) hergestellt<br />
wurden. Ganz anders orientalische Gläser, die mit Soda<br />
(Natrium) hergestellt sind. Sie kommen völlig unbeschädigt<br />
aus dem Boden. Teilweise sind sie kaum einen Millimeter<br />
dick. Alle Gefäße sind mit einem aufgeschmolzenen weißen<br />
Glasfaden verziert. Gläser von solcher Qualität wurden<br />
bisher aus dieser Zeit noch nicht gefunden.<br />
So stellt sich natürlich die Frage nach der Herkunft. In Frage<br />
kommen der arabische Raum und Byzanz, wobei es aber an<br />
Vergleichsmaterial fehlt. Man muß sich nur die ungeheuren<br />
Entfernungen vorstellen, über die diese zerbrechlichen Kostbarkeiten<br />
transportiert werden mußten, um abschätzen zu<br />
können, wie wertvoll diese Gegenstände für ihre Besitzer<br />
waren. So läßt sich an relativ wenigen Fundstücken der hohe<br />
soziale Rang und der Reichtum der ehemaligen Bewohner<br />
von Burg Baldenstein zeigen. B.<br />
in Hechingen<br />
tausend Bücher und Broschüren zusammen. Weitere<br />
Anschaffungen konnten durch Geldspenden getätigt werden.<br />
Eine wesentliche Bereicherung erhielt die Bücherei im Jahre<br />
1930 durch die »Senn'sche Stiftung«. Die aus Hechingen<br />
gebürtigen Geschwister Dr. med. Ernst Senn aus Konstanz<br />
und Frau Irene Wiedel-Senn, damals in Berlin wohnhaft, die<br />
beide seit Jahren alles ihnen Erreichbare, was irgendwie<br />
zollerisch war, zusammengetragen hatten, stellten ihr gesamtes<br />
gesammeltes Material der Bücherei zur Verfügung. Sie<br />
gaben auch wertvolle Hinweise auf die weitere Ausgestaltung<br />
der Bücherei. So wurden auf ihre Anregung auch Arbeiten<br />
hohenzollerischer Autoren, Dissertationen und Berichte von<br />
Behörden und Vereine darin aufgenommen. Als besonders<br />
wertvoll erwies sich die Sammlung von Zeitungsausschnitten<br />
über wichtige Ereignisse im Land und in den Gemeinden<br />
sowie über hohenzollerische Persönlichkeiten. Die damals<br />
begonnene Anlegung von Mappen über solche Einzelthemen,<br />
die laufend ergänzt wurden, sind heute eine wichtige<br />
Hilfe für die Heimatforschung.<br />
Einen neuen sehr wertvollen Zuwachs brachte der im Aufbau<br />
befindlichen Heimatbücherei der Beschluß der Generalver-<br />
3
Sammlung des Hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong>s vom<br />
Jahre 1933. Durch diesen Beschluß wurde die Verwaltung der<br />
<strong>heimat</strong>kundlichen Bestände der Bibliothek des <strong>Geschichtsverein</strong>s<br />
einschließlich des Zeitschriftentauschverkehrs der<br />
Heimatbücherei übertragen. Der Generalversammlung war<br />
ein heftiger Pressestreit zwischen dem damaligen fürstlichen<br />
Archivar Dr. Hebeisen und Dr. Senn vorausgegangen, wobei<br />
sich letzterer vor allem wegen der unzulänglichen Unterbringung<br />
der Vereinsbücherei in Sigmaringen für die Zusammenlegung<br />
mit der Heimatbücherei in Hechingen einsetzte.<br />
In den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg konnte die Hohenzollerische<br />
Heimatbücherei wesentlich ausgebaut werden.<br />
Der Kreis und die Stadt Hechingen gaben ihr zur Beschaffung<br />
von Büchern jährliche Zuschüsse. Aus Nachlaßbeständen<br />
von Geistlichen und Lehrern, von Behörden und Privaten<br />
kamen Zuwendungen. Dabei war der im Jahr 1932 gegründete<br />
»Verband von Freunden der Landesbücherei«, deren<br />
Mitglieder landauf, landab für die Bücherei warben, eine<br />
wertvolle Hilfe. Auch aus den Beständen fürstlicher Bibliotheken<br />
(Fürstenberg, Thum und Taxis) wurde sie mit<br />
Schenkungen bedacht. Fürst Friedrich von Hohenzollern<br />
stiftete der Bücherei eine beachtliche Anzahl von Lithographien,<br />
Stichen und Fotos von Schlössern, Hoffesten und<br />
wichtigen Ereignissen vor allem aus der Stadt Sigmaringen.<br />
Durch diese Zugänge war die Bibliothek bereits vor dem<br />
Krieg auf der 3500 Katalognummern mit etwa 7500 Einzelstücken<br />
angewachsen.<br />
Während des zweiten Weltkriegs mußte die Hohenzollerische<br />
Heimatbücherei mehrmals auf Wanderschaft gehen. Das<br />
Hechinger Gymasium wurde im Herbst 1939 für die Luftwaffe<br />
beschlagnahmt, so daß auch die Heimatbücherei ihre<br />
Räume frei machen mußte. Etwa ein Jahr war sie dann in<br />
einem Raum des Hechinger Landgerichts untergebracht. Als<br />
der obere Teil des Gebäudes im September 1940 abbrannte,<br />
gelang es gerade noch, die Bücherei auszuräumen, bevor die<br />
vom Löschwasser durchnäßte Decke herunterfiel. Darauf<br />
fand die Bibliothek zunächst eine Notunterkunft in einer<br />
trockenen Scheune, die zu der von Dr. Faßbender bewohnten<br />
Mietwohnung Heiligkreuzstraße 19 gehörte. Dieser veranlaßte<br />
dann, daß zwei Dachkammern seiner Wohnung für die<br />
Bücherei beschlagnahmt wurden, und darin konnte sie dann<br />
bis zum Jahre 1952 untergebracht werden. Hier überstand sie<br />
auch den Krieg ohne wesentlichen Schaden. Bei der Besetzung<br />
durch die Franzosen wurden wohl einige Bücher und<br />
Landkarten beschlagnahmt. Die meisten davon konnten aber<br />
später wieder beschafft werden.<br />
4<br />
Studienrat Faßbender bekam 1964 das<br />
Bundesverdienstkreuz verliehen. Bürgermeister<br />
Bindereif gratuliert. In der<br />
Mitte Landrat Dr. H. Speidel, der<br />
Verfasser unseres Berichtes.<br />
Anfang der fünfziger Jahre ging Studienrat Faßbender auf die<br />
Suche nach einer endgültigen Bleibe für die von ihm aufgebaute<br />
und betreute Bücherei. Die Stadt Hechingen konnte<br />
ihm keinen Raum zur Verfügung stellen, da das alte Hechinger<br />
Rathaus damals wegen Einsturzgefahr geschlossen und<br />
die Stadtverwaltung im alten Schloß nur notdürftig untergebracht<br />
war. Auch das Gymnasium sah keine Möglichkeit für<br />
eine Unterbringung. Studienrat Faßbender wandte sich dann<br />
an den Landrat, der ihm nach Fertigstellung des damals<br />
geplanten neuen Kreisgebäudes einen geeigneten Raum in<br />
Aussicht stellte. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte die in Kisten<br />
verpackte Bücherei auf dem Speicher des alten Landratsamts<br />
in der Kaufhausstraße untergebracht werden.<br />
Nach dem Bezug des neuen Kreisgebäudes in der Heiligkreuzstraße<br />
im Jahre 1954 fand die Hohenzollerische Heimatbücherei<br />
in zwei ineinandergehenden Räumen im Obergeschoß<br />
der Kreisverwaltung eine geeignete und ausreichende<br />
Unterkunft. Die Stadt Hechingen stiftete die erforderlichen<br />
Regale. Nach dem Umzug erhielt die Bücherei auch<br />
neue bedeutsame Zugänge. So stellte Dr. Senn seine zweite in<br />
den Jahren vor dem Krieg zusammengetragene Privatsammlung<br />
mit vielen hunderten zum Teil sehr wertvollen Schriften<br />
und Bildern der Bücherei zur Verfügung. Aus dem Nachlaß<br />
seiner Schwester, Frau Wiedel-Senn, kamen gleichfalls nochmals<br />
wichtige Stücke. Aus Fräulein Maria Daiker, die Enkelin<br />
des bekannten Heimatdichters und Schriftstellers Ludwig<br />
Egler (HECHINGER CHRONIK!) stiftete Wertvolles aus<br />
dem Nachlaß ihres Großvaters. Sowohl der Hechinger Kreistag<br />
wie auch der Stadtrat besichtigten die neu eingerichtete<br />
Bücherei und zeigten sich über ihre Unterbringung und<br />
Anordnung sehr befriedigt und beeindruckt.<br />
Noch einmal mußte die Bücherei im Jahre 1961 einen Umzug<br />
in Kauf nehmen. Zwar blieb sie wie bisher in den Räumen der<br />
Kreisverwaltung, sie wurde aber auf Anregung des Landrats<br />
und mit Zustimmung von Studienrat Faßbender und Dr.<br />
Senn in den dem Landratsamt angegliederten im Jahre 1961<br />
fertiggestellten Neubau der Kaiserburg verlegt. Diese neue<br />
Unterbringung brachte für die Bücherei mehrere Vorteile. Sie<br />
erhielt für ihren inzwischen stark angewachsenen Bestand<br />
einen größeren etwa 50 Quadratmeter umfassenden Bibliotheksraum<br />
im Obergeschoß des Neubaus und - auf Wunsch<br />
von Faßbender - einen zweiten kleineren Arbeitsraum für<br />
den Verwalter. Später konnte ihr sogar noch ein weiterer<br />
Raum für die neu angelegte Zeitschriften- und Zeitungssammlung<br />
angegliedert werden. Wie vorteilhaft diese Verlegung<br />
der Bücherei im Jahre 1961 in das Nebengebäude war,
zeigt sich erst heute. Nachdem das Hauptgebäude infolge der<br />
Auflösung des Kreises Hechingen verkauft wurde, die »Kaiserburg«<br />
aber im Eigentum des neuen Zollern-Albkreises<br />
verblieb, besteht die Hoffnung, daß die Hohenzollerische<br />
Heimatbücherei in ihren bisherigen Räumlichkeiten, in<br />
denen sie jetzt über zwanzig Jahre be<strong>heimat</strong>et ist, auch<br />
weiterhin bleiben kann.<br />
Die Hohenzollerische Heimatbücherei umfaßt heute etwa<br />
17000 Bücher und Faszikel. Sie ist - wie es in der Satzung<br />
heißt - »eine wissenschaftliche hohenzollerische Spezialbücherei«,<br />
eine Sammlung der ȟber Hohenzollern handelnden<br />
und von hohenzollerischen Autoren verfaßten Literatur«.<br />
Dazu gehören neben Büchern und Sammelwerken auch<br />
Karten, Bilder, Fotografien, Handschriften und seit den<br />
letzten Jahren auch eine beachtliche Zeitungs- und Zeitschriftensammlung.<br />
Von großem Nutzen für die Heimatforschung<br />
sind auch die schon erwähnten Sammelmappen, in denen<br />
beachtenswertes Material über die hohenzollerischen<br />
Gemeinden, hohenzollerische Persönlichkeiten und über<br />
wichtige das Land berührende Ereignisse zusammengetragen<br />
wurde. Alle diese Bestände sind inventarisiert und durch eine<br />
Kartei nach Verfasser, Sachgebiet und nach Stichworten<br />
erschlossen und damit schnell auffindbar. Somit ist die<br />
Bücherei heute zu einer wichtigen Fundgrube für die Freunde<br />
der hohenzollerischen Heimatgeschichte geworden. Darüber<br />
hinaus bietet sie auch Studenten wertvolles Material für<br />
Dissertationen und Examensarbeiten.<br />
Bei der Verlegung der hohenzollerischen Heimatbücherei in<br />
das neue Kreisbebäude im Jahre 1954 war man bestrebt, diese<br />
auf eine neue Rechtsgrundlage zu stellen. Als »Bestandsbesitzer«,<br />
wie es in der Satzung heißt, werden der Kreis Hechingen,<br />
die Stadt Hechingen, das Gymnasium und der hohenzollerische<br />
<strong>Geschichtsverein</strong> genannt. Träger der Bücherei<br />
sind dagegen lediglich der Kreis Hechingen, an dessen Stelle<br />
nach der Kreisreform der Zollern-Albkreis getreten ist, und<br />
die Stadt Hechingen, die im Rahmen ihrer kulturellen Aufgaben<br />
auch die finanziellen Kosten tragen.<br />
ROLF BURKARTH<br />
Eine Viereckschanze im Hart zwischen<br />
In den dreißiger Jahren wurde von Hauptlehrer Hans Hanner<br />
aus Mannheim, der aus Kettenacker gebürtig war, eine<br />
Viereckschanze im Tigerfelder Hart entdeckt. Er hat damals<br />
in der Lauchertzeitung darüber berichtet. Seither geriet sie<br />
völlig in Vergessenhet. Weder in dem Kartenblatt 1:25 000 ist<br />
sie verzeichnet, noch in dem neuen Buch »Die Kelten in<br />
Baden-Württemberg« erwähnt. Man vermutete sogar, daß es<br />
auf der mittleren und westlichen Alb überhaupt keine<br />
Viereckschanzen gibt.<br />
Bei einem Spaziergang habe ich die Viereckschanze wiedergefunden<br />
und zusammen mit Herrn Roland Simmendinger aus<br />
Starzein genau vermessen. Sie liegt in dem ausgedehnten<br />
Waldgebiet Hart zwischen Kettenacker und Tigerfeld. Teile<br />
des Harts und anschließender Waldgebiete waren noch bis ins<br />
19. Jahrhundert Weidegebiete für die umliegenden Gemeinden.<br />
Wie aus der Planskizze zu ersehen ist, bildet die<br />
Viereckschanze ein fast regelmäßiges Viereck mit einer Seitenlänge<br />
von fast 110 Metern und einer Breite von etwa 70<br />
Metern. An zwei Stellen wird sie von einem Weg durchschnitten.<br />
Wall und Graben sind gut erhalten und besonders<br />
an den Ecken sehr ausgeprägt. Dieser gute Erhaltungszustand<br />
läßt sich nur dadurch erklären, daß dieses Gebiet nie land-<br />
Als Initiator und als ihr langjähriger Verwalter und Betreuer<br />
hat sich Studienrat Faßbender bleibende Verdienste um die<br />
hohenzollerische Heimatbücherei erworben. Als geborener<br />
Rheinländer, der nach dem ersten Weltkrieg in Hechingen<br />
eine zweite Heimat fand, widmete sich Faßbender mit großem<br />
Einsatz und ganzer Hingabe dieser Aufgabe. Unter<br />
seiner Leitung wurde die zunächst kleine Bibliothek zu einer<br />
stattlichen Bücherei mit wertvollen Beständen. Mit Geschick<br />
rettete er sie durch die schwierigen Kriegs- und Nachkriegsjahre,<br />
führte die immer wieder erforderlich werdenden<br />
Umzüge durch und fand auch jedesmal wieder eine Bleibe für<br />
sie. Er nahm diese Arbeit fast vier Jahrzehnte (1928-1966)<br />
ehrenamtlich und ohne jede Vergütung auf sich.<br />
In Anerkennung seiner großen Verdienste um die Heimatforschung<br />
wurde er im Jahre 1964 mit dem Bundesverdienstkreuz<br />
erster Klasse ausgezeichnet. Faßbender starb im Jahre<br />
1966 und ist auf dem Heiligkreuzfriedhof in Hechingen<br />
beigesetzt.<br />
Nach einer kurzen Unterbrechung übernahm Studiendirektor<br />
Alf Müller im Jahre 1967 die Leitung der Bücherei. Er hat<br />
diese erfolgreich durch die Jahre der Kreisreform gesteuert<br />
und wesentlich zu ihrer Ausweitung und ihrem Bekanntwerden<br />
auch bei der jüngeren Generation beigetragen. Die neu<br />
angelegte Zeitungssammlung hat er angeregt. Seit einigen<br />
Jahren wird er von Rolf Burkarth, einem Lehrer aus Gammertingen,<br />
der jede Woche einige Nachmittagsstunden nach<br />
Hechingen kommt, in seiner Arbeit unterstützt. Die Hohenzollerische<br />
Heimatbücherei ist jeden Mittwoch-Nachmittag<br />
von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Zwar sieht sie ihre Hauptaufgabe<br />
im Sammeln von allem, was über Hohenzollern und seine<br />
angrenzende Nachbargebiete gedruckt und geschrieben<br />
wurde, sie hat aber auch einen beachtlichen Ausleihverkehr<br />
zu verzeichnen, und ihre Betreuer stehen Heimatforschern<br />
und Interessierten bereitwillig mit Rat und Hilfe zur Verfügung.<br />
Mit Recht verdient sie die Förderung der öffentlichen<br />
Stellen und darüber hinaus aller Heimatfreunde.<br />
Kettenacker und Tigerfeld<br />
wirtschaftlich genutzt war. Im Vergleich zu anderen Viereckschanzen<br />
sind Wall und Graben sehr schmal. Die Stelle, wo<br />
das Tor lag, konnte ich nicht finden; es sei denn, es lag dort,<br />
wo der Weg einmündet.<br />
Direkt neben der Schanze, durch einen Weg getrennt, befindet<br />
sich eine rechteckige Vertiefung von etwa 2-3 Metern<br />
Tiefe. Während es vom Weg her ziemlich flach hineingeht,<br />
sind die anderen drei Wände steil. Diese Vertiefung war<br />
vermutlich eine Wasserstelle, eine Hülbe, wie sie auf der Alb<br />
allgemein verbreitet waren. Im Hart und im anschließenden<br />
Buchwald liegen zahlreiche Hügelgräber, teils in Gruppen,<br />
teils einzeln, aber nicht in unmittelbarer Nähe der Viereckschanze.<br />
Hans Hanner schreibt in seinem Artikel: »Es steht zu vermuten,<br />
daß die Tigerfelder Schanze, wenn sie wirklich eine<br />
militärische Anlage war und kein keltischer Edelhof sein<br />
sollte, irgendwie mit den Heiligkreuztaler Befestigungen im<br />
Zusammenhang steht.« Seither sind einige »Schanzen« ausgegraben<br />
und untersucht worden.<br />
Dabei hat sich herausgestellt, daß es keltische Heiligtümer<br />
waren. Somit ist der Ausdruck »Viereckschanze«, der ja auf<br />
militärische Benützung schließen läßt, fehl am Platz. Profes-<br />
5
V ^ e r e c K s c h a n z t T i g e r l ^ d<br />
M = / l i m ?<br />
sor Kurt Bittel schlägt daher den Begriff »nemeton« vor, ein<br />
vermutlich keltisches Wort, was heiliger Bezirk bedeutet. Bei<br />
den bisher untersuchten »nemeta« ergibt sich kurzgefaßt<br />
folgendes Bild: Wall und Graben hatten den Zweck, das<br />
Innere des »nemeton« vom profanen Außen abzugrenzen. In<br />
das Heiligtum führte ein Tor, das aus Holz errichtet war. Der<br />
größte Teil des Innenraumes bildete eine leere für Versammlungen<br />
und kultische Zeremonien geeignete Fläche. In einer<br />
der Ecken stand ein kleines Holzhaus, das vielleicht bei<br />
Kultzeremonien eine Rolle spielte. In der Nähe des Walles<br />
befanden sich ein oder mehrere tiefe Schächte, deren Wände<br />
JOSEF GRONER<br />
Der Pfullendorfer Minorit Johann Ludwig Ungelehrt,<br />
gen. »a Musis« 1599-1662 (II)<br />
Was ihn, den dabeistehenden Konvent sowie die anwesenden<br />
Herren und zu Rate gezogenen Ärzte überraschte, war<br />
allerdings die von allen kontrollierbare Tatsache, daß das<br />
Hirn der »Mutter Luitgard« noch vollkommen frisch vorhanden<br />
war »mit den äderlein unnd fiegen« (Fissuren) und »nicht<br />
aufs wenigst verzehrt oder verwandlet«, »gleichsambt eines<br />
lebendigen Menschen Hirn« (181), eine wirklich ans Wunderbare<br />
grenzende Sache, wenngleich man sie mit der konservierenden<br />
Kraft des feuchten, luftdicht abschließenden Lettens,<br />
in den das Haupt eingesunken war, erklären kann.<br />
Ungelehrt machte sich als frommer Mann natürlich seinen<br />
eigenen Reim darauf. Er meint, weil Luitgard »Tag und<br />
Nacht in Betrachtung des bitteren Leidens und Sterbens<br />
(Christi) zugebracht und all ihren Sinn und ihre Gedanken in<br />
die Geheimnisse des seligmachenden Glaubens gesenkt«,<br />
habe Gott »darumben ihr Hirn vor aller corruption und<br />
verfaulung praeservieren und erhalten wollen« (183).<br />
Ungelehrts Exhumierung löste eine Verehrungswoge und<br />
einen auch heute in jener Gegend noch nicht versiegten<br />
Pilgerstrom nach Wittichen zur »heiligen« Luitgard aus, die<br />
in der licht barocken ehemaligen Klosterkirche in ihrem alten<br />
Hochgrab mit der überlebensgroßen Liegefigur unter einem<br />
großen gotischen Spitzbogen ruht. Dorthinein hatte Unge-<br />
6<br />
mit Holz verschalt waren, wenn das natürliche Erdreich nicht<br />
stark genug war. Vermutlich waren es Opferschächte, da man<br />
eiweißhaltige Substanzen fand. Die meisten bisher untersuchten<br />
»nemeta« stammen aus dem ersten Jahrhundert vor<br />
Christus; einige wenige scheinen bis in die frühkeltische Zeit<br />
zurückzugehen. Bei etwa 20 % der Kultstätten liegen Grabhügel<br />
aus der Hallstattzeit in der Nähe. Daraus könnte man<br />
mit Vorsicht auf einen Totenkult schließen, wo aber auch den<br />
Gottheiten der Erde oder Unterwelt geopfert wurde. Näheres<br />
werden wir vielleicht erfahren, wenn einige Viereckschanzen<br />
vollständig ausgegraben sind.<br />
lehrt ihre morschen Gebeine »in einem zinnin särchle«<br />
zurückgelegt, während der Schädel mit einem immer noch<br />
erhaltenen Stückchen Hirn an der Wand daneben in einem<br />
vergoldeten Barockbehältnis ausgestellt ist. Daß Luitgard<br />
gegen Kopfweh angerufen wurde, liegt auf der Hand 31 , vor<br />
allem aber suchen Frauen in Mutterschaftsanliegen die<br />
Schwarzwaldheilige auf. Und dies hat seinen besonderen<br />
Grund in ihrer Andacht zu den 34 Lebensjahren Christi.<br />
Luitgard rechnete nämlich zu den üblichen 33 Jahren auch<br />
noch die Zeit im Schoß der Mutter Maria hinzu. Ungelehrt<br />
nahm sich auch dieser Gebetsform an und wurde zu ihrem<br />
eifrigen Verbreiter 32 .<br />
Eine weitere Exhumation unternahm Ungelehrt am 6. März<br />
1631 im Franziskanerinnenkloster Grünenberg am Untersee<br />
(abgegangen), wo im Jahre 1400 »Elsa, die gute Klausnerin«,<br />
»Lehrerin und Vorbild aller Tugenden« 33 , gestorben war.<br />
Ungelehrt faßte über den Vorgang ein kurzes lateinisches<br />
Protokoll ab 34 , wiederum von nüchterner Art. Sämtliche<br />
noch vorhandenen Gebeine wurden in einen eichenen Schrein<br />
gelegt und zur Verehrung ausgestellt. Nachdem die Klostergebäulichkeiten<br />
1830 abgebrochen und vollständig verschwunden<br />
waren, hörte auch der Kult der nie auch nur selig<br />
gesprochenen Elsa auf.
Zum dritten Mal wird von einer ähnlichen Arbeit im Franziskanerinnenkloster<br />
Reute bei Waldsee berichtet. Schon am 20.<br />
November 1640 hatte sich Ungelehrt beim Kaiser für die<br />
Fortsetzung des Seligsprechungsprozesses der Elisabeth<br />
Achler, gen. »Die gute Beth von Reute« (1386-1420), eingesetzt,<br />
der nach dem Tod des zuständigen Kardinals ins<br />
Stocken geraten war 35 . Ob der Vorstoß Erfolg gehabt hat,<br />
läßt sich nicht sagen, der Prozeß endete jedenfalls erst 1766<br />
mit der Seligsprechung der Reutener Mystikerin, und dabei<br />
blieb es bis heute. Am 6. August 1643 fand nun mit Erlaubnis<br />
des Bischofs von Konstanz die Öffnung des Grabes statt. So<br />
berichtet Müller 36 , von Ungelehrt ist dabei allerdings keine<br />
Rede, er war damals ja auch nicht mehr Provinzial. HS<br />
schreibt ihm jedoch diese Exhumation im Hinblick auf<br />
Müller mit Nachdruck zu 37 . Zweifel daran erheben sich<br />
freilich, wenn man bedenkt, daß der Abt von Waldsee unter<br />
Assistenz von sechs Chorherren und zwei Kapuzinern (!)<br />
bereits 1623 das Grab öffnen ließ 38 . Kann man nun annehmen,<br />
daß nur 20 Jahre später das gleiche nochmals geschah<br />
und ohne, daß dem die Klosterchronik Beachtung geschenkt<br />
hätte? Das ist unwahrscheinlich. Und warum hat Müller den<br />
Namen Ungelehrts nicht genannt? Er ist doch sonst immer so<br />
löblich darauf bedacht, die exponierten Leute seines Ordens<br />
ins Licht zu rücken. Die Indizien sprechen also eher dafür,<br />
daß sich Müller mit seiner Notiz vertan hat.<br />
Der Retter von Villingen<br />
Nach Beendigung seines Provinzialates ging Ungelehrt als<br />
Guardian nach Speyer. Die Zeiten wurden nun immer schwerer,<br />
vor allem seit dem Einbruch der Schweden in Deutschland,<br />
und nach ihrer siegreichen Durchbruchsschlacht bei<br />
Breitenfeld (Sachsen) am 17. September 1631 zog der 30jährige<br />
Krieg bald auch über den Süden Deutschlands seine<br />
blutige Spur. Als der Feind im Jahr darauf vor Speyer<br />
erschien, sahen sich die Franziskaner zur Flucht gezwungen<br />
39 , wobei sich ihr Guardian bis nach Villingen durchschlug.<br />
Doch da kam er vom Regen in die Traufe, denn die<br />
Schweden rückten nach und versuchten 1633, in zwei Belagerungen<br />
(11. bis 24. Januar und 30. Juni bis 5. Oktober) die<br />
Stadt zu erobern. Dies gelang ihnen freilich nicht, denn hinter<br />
den Mauern befand sich Johann Ludwig Ungelehrt.<br />
Über diese Belagerungen besitzen wir einen Augenzeugenbericht<br />
aus der Feder des Villinger Bürgers Dr. jur. utr. Johann<br />
Baptist Steidlin: Mercurius Villiganus, Freiburg i. Brsg. 1634<br />
(Bericht über die Jahre 1632-1634), und: Lydius Austriacus,<br />
Rottweil 1634 (Bericht über die 2. Belagerung) 40 . Vor allem<br />
im »Mercurius Villiganus« wird ausführlich der segensreichen<br />
Tätigkeit Ungelehrts gedacht, während der »Lydius<br />
Austriacus« nur bemerkt (S. 32/33), Ungelehrt habe während<br />
der 2. Belagerung die »geistlichen Mittel« mehr und eifriger<br />
als das erste Mal »continuiert«. Man darf sich also nicht<br />
vorstellen, der Franziskanerguardian sei auf die Wälle gestiegen,<br />
um mit »Durchhalteparolen« weltlichen Stils die Villinger<br />
in Schwung zu halten. Seine »Mittel« waren geistliche,<br />
wie es sich für einen Mann seines Standes geziemte und wie es<br />
auch dem frommen Denken der Bevölkerung angemessen<br />
war. Damit vermochte er bis in die Herzenstiefe der Verteidiger<br />
und ihrer mitleidenden Angehörigen hinabzuwirken und<br />
gerade so jenen Widerstandswillen gegen das Unrecht der<br />
Belagerungen zu entfachen und hochzuhalten, der schließlich<br />
zum siegreichen Durchhalten und zum Abzug der Feinde<br />
führte.<br />
Als die Granaten und andere Kanonengeschosse mit<br />
»erschröcklichen Tonnerschlägen« in die Stadt hineinflogen,<br />
verbreitete sich bei Militär und Zivilisten bald eine defaitistische<br />
Stimmung. Schon ging die knochenerweichende Rede<br />
vom »Accordieren« um. In dieser Situation stand nun Ungelehrt<br />
dem Festungskommandanten tatkräftig zur Seite, um<br />
»das schier verzagte, kleinmütige Völklin, Mann und Weib,<br />
Burger und Soldaten, mit beweglicher Exhortation« zur<br />
Treue gegen den Kaiser und das Haus Österreich aufzumuntern.<br />
Nebenher mußte Ungelehrt gleich noch eine schmutzige<br />
Verleumdungskampagne gegen den Kommandanten<br />
ersticken, den man hinter vorgehaltener Hand bezichtigte,<br />
sich »auf der Flaischbank leichtfertig zu prodigieren (ergötzen)«.<br />
Positiv hatte das offenbar elektrisierende Auftreten des<br />
sprachgewandten Franziskaners zur Folge, daß »sich alle<br />
Bürger und Soldaten aufs neue entschlossen, Leib, Ehre, Gut<br />
und Blut einzusetzen und zusammenzuhalten und fortan<br />
keinen Anwandlungen von Kleinmut mehr nachzugeben.«<br />
Anerkennend bemerkt Steidlin zu diesem Umschwung: »So<br />
kann also ein einziger verzagter Mann eine ganze Gemeinde<br />
verzagt, hingegen ein beherzter wieder alle beherzt und<br />
starkmütig machen.«<br />
Daß in den Kirchen Villingens - vor allem bei den Franziskanern<br />
- während der Belagerungen ununterbrochen gebetet<br />
wurde, versteht sich von selbst, auch daß Dankgottesdienste<br />
gehalten und Freudenfeuer abgebrannt wurden, nachdem der<br />
Feind am 24. Januar »so spöttlichen Abzug und Entlassung<br />
von der hochgeängstigten Stadt« genommen hatte.<br />
Doch die Ängste sollten bald wiederkehren, als man gegen<br />
Juni von den 10000 Mann feindlicher Truppen hörte, die<br />
gegen Villingen erneut heranrückten. Am 30. Juni begann die<br />
2. Belagerung, und Ungelehrt ergriff auch dieses Mal die<br />
Initiative zur moralischen Verteidigung. Dabei sagte er sich,<br />
daß ein Höchstmaß von Einsatzwillen zur Verteidigung der<br />
Freiheit nur aus einem Inneren kommen könne, das erst<br />
einmal selbst frei und befreit sein muß. Darum sollen die<br />
Leute jetzt eine möglichst gute Beichte ablegen und das<br />
Altarssakrament empfangen. Sie sollen jetzt drei Tage fasten<br />
wie die Niviter und das dabei Ersparte den Armen geben. Die<br />
ganze Stadt wurde eingeladen - so abgemacht mit dem<br />
Magistrat und den Pfarrern -, mit einer frommen Prozession<br />
gleichsam eine geistliche Ringmauer um die Stadt zu legen.<br />
Nach all dem könne man von Gott »getröstlich einen Succurs<br />
(Hilfe) erwarten.« Unermüdlich sprachen die Franziskaner,<br />
voran Johann Ludwig Ungelehrt, den Gläubigen Mut zu, sie<br />
hielten feierliche Gottesdienste, beteten die Muttergottes-<br />
Litanei auf deutsch, gelobten eine Wallfahrt. Ja, Ungelehrt<br />
hatte, so trägt Steidlin jetzt nach, schon im Januar Magistrat<br />
und Volk von Villingen bewogen, die damals noch in Kurs<br />
stehende Rosenkranzbruderschaft in der Stadt einzuführen.<br />
Der Abt von St. Georgen verwandte sich in dieser Sache beim<br />
zuständigen Dominikanerprior von Rottweil, und nach einiger<br />
Zeit kam von dort die Mitteilung, daß mit Rückwirkung<br />
auf den 1. Januar der Stadtkommandant, der Magistrat und<br />
die ganze Gemeinde Villingen in die Bruderschaft eingeschrieben<br />
worden sei.<br />
Vor allem aber hieß es in dieser so schweren zweiten Belagerung,<br />
den Mut zu stärken auch und gerade bei jenen, die nicht<br />
in den Laufgängen standen oder zu Ausfällen kommandiert<br />
wurden. Darum hat Ungelehrt »das Weibergeschlecht und<br />
kleine, unschuldige Kinder nicht allein zu stetem Gebet<br />
angetrieben, sondern alle Vor- und Nachmittag bei ausgesetztem<br />
hochheiligen Sakrament ihnen mit lauter Stimme<br />
vorgebetet und in ihnen den Eifer dergestalt erweckt, daß sie<br />
jedesmal alle überflüssige heiße Zähren vergossen.« Das ist<br />
gewiß eine barocke Floskel, die Sache selbst hatte jedoch den<br />
Effekt, daß das genannte »Weibergeschlecht« samt ihren<br />
Kindern zu Hause keine Jammerszenen machten, sondern<br />
mit ihrem von Ungelehrt hochgehaltenen Mut den Verteidigungswillen<br />
der kämpfenden Väter und Brüder verdoppelten.<br />
Mehrmals am Tag predigte der Guardian von Speyer, er<br />
lief unentwegt durch die Gassen der Stadt und hatte für alle,<br />
die es brauchten, ein Wort des Trostes und der Ermunterung.<br />
Nur im Glauben und Vertrauen auf Gott nicht wanken! Denn<br />
7
»er seye der Eckstein unserer Mauern, der alle Schliss' in sich<br />
fassen und abwenden könne. So werde auch die barmherzige<br />
Mutter, unsere lieb Frau, ihren Mantel ausbreiten und uns<br />
samptlichen darunter schließen; sie sollen darum die Kugeln<br />
wie die Mucken nicht förchten.« Dazu kamen dann wieder<br />
Prozessionen, feierliche Amter, Fasttage insonderheit zur<br />
Abwendung der Seuchengefahr in der Sommerhitze der völlig<br />
umzingelten Stadt 41 . »In Summa«, so beschließt Steidlin<br />
seinen Lobgesang auf Ungelehrt, »was zu geistlichen Mitteln<br />
(wodurch wir allermeistens, weil die natürlichen mangelten,<br />
erhalten werden mußten) hat der Pater (wie auch nicht wenige<br />
andere Geistliche) an seinem Fleiß und Ernst nichts fehlen<br />
lassen, sondern unserem unerschrockenen Achill (d. h. dem<br />
Festungskommandanten)... in geistlichen Sachen unter die<br />
Arm gegriffen und die Stadt vor dem Zusammenbruch zu<br />
conservieren und zu erhalten geholfen.«<br />
Was Steidlin schreibt, ist jedoch nur ein prosaischer Nachklang<br />
von dem, was Ungelehrt selber berichtet, und zwar in<br />
der Hauptsache in 228 gereimten achtzeiligen Strophen,<br />
bereits abgeschlossen am 20. November 1633 und im folgenden<br />
Jahr in Konstanz herausgebracht 42 . Er wolle, so betont er<br />
im Vorwort, den summarischen Verlauf von der heroischen<br />
Belagerungszeit beschreiben in »teutschen Vers und Carminen«,<br />
und zwar nicht wie die Poeten dichten, die »nach<br />
Gemütseingebung allerhand Fabeln einzuflicken pflegen«,<br />
sondern wie es die Wahrheit verlangt.<br />
Der Text ist in 2 Kolonnen gedruckt. Im 1. Teil stehen auf der<br />
linken Seite die Strophen, und auf der rechten Seite parallel zu<br />
den einzelnen Versen setzt Ungelehrt exakte sachliche<br />
Bemerkungen, passende Bibelzitate, die den Doktor der »Hl.<br />
Gschrifft« verraten, oder Stellen aus weltlichen und geistlichen<br />
Schriftstellern sozusagen als Kommentar hinzu. Im 2.<br />
Teil sind die Verse fortlaufend in beiden Kolonnen gedruckt,<br />
jedoch bisweilen von verschiedenen Anmerkungen unterbrochen.<br />
Alles flicht sich zusammen zu einer ungemein lebendigen<br />
und tiefsinnigen Schilderung der aufregenden und<br />
aufwühlenden Ereignisse. Diese Wirkung kommt nicht<br />
zuletzt auch durch die gebundene Redeweise zustande, die<br />
sich nicht selten zu einer wirklichen Ver-Dichtung steigert.<br />
Nur eine kleine Kostprobe (sprachlich etwas modernisiert):<br />
Der Feind den Sturm anspränge<br />
Um zwei Uhr Nachmittag.<br />
Wie es damaln erginge,<br />
Ich's schier nicht schreiben mag.<br />
Mein Herz ist mir gar schwere,<br />
Wann ich gedenk daran.<br />
Der Feind tobte gar sehre,<br />
Wir brauchten unsre Wehre,<br />
Es blieb ihm mancher Mann (11,129).<br />
Beide Belagerungen endeten mit dem erfolglosen Abzug der<br />
Feinde. Triumphierend ruft ihnen der dichtende Franziskaner<br />
hintennach:<br />
Adi, Glück auf die Reisen!<br />
Zieh hin im Namen Gott,<br />
Den wir von Herzen preisen,<br />
Dass er dich gmacht zu Spott.<br />
Glaub jetzt, dass er sei mächtig<br />
Und dass er uns beschütz,<br />
Gestürzt dein Hoffart prächtig,<br />
Doch gmachet niederträchtig<br />
Zunichten all dein Witz (11,174).<br />
Kaiserliche Ehrung<br />
Nachdem die schwedische Gefahr vorüber war, schickte die<br />
dankbare Habsburgerstadt ihren »moralischen Sieger« samt<br />
zwei Stadträten zum Kaiser nach Wien zur Berichterstattung.<br />
Als Ihre Majestät, die durch Ungelehrts Riesengedicht und<br />
auch durch die Steidlin'schen Belagerungsberichte wohl<br />
8<br />
schon im Bilde war, des ungewöhnlichen Kriegers mit dem<br />
extravaganten Familiennamen ansichtig wurde, meinte sie<br />
schmunzelnd, zu so einem tüchtigen und gelehrten Mann<br />
passe »Amusius« doch recht wenig, da sei »a Musis« (»von<br />
den Musen«, Musenfreund) doch eher am Platze. Und von da<br />
an hielt sich unser Ungelehrt bei seiner Unterschrift zumeist<br />
an den kaiserlichen Vorschlag. Soweit die hübsche<br />
Geschichte, wie sie tradiert und auch von Eubel festgehalten<br />
wurde 43 . In Wahrheit und Wirklichkeit nannte sich Ungelehrt<br />
schon spätestens seit 1628 »a Musis«, so z.B. in einem<br />
Brief an den Magistrat von Worms vom 13. November<br />
1628 44 , in seinen »Ordinationes« von 1629 für das Frauenkloster<br />
Muotathal, im Protokoll über die Exhumation der Elsa<br />
von Grünenberg 1631. Soll an dem Kaiserwort überhaupt<br />
etwas Wahres sein, dann läßt sich höchstens denken, daß der<br />
Ordensgeneral nach der Promotion Ungelehrts in der Wiener<br />
Hofburg Audienz erhielt und dabei den jungen Doktor<br />
vorstellte, worauf der geistreiche Kaiser Ferdinand II. dann<br />
die witzige Umtaufe vorgenommen hat.<br />
Ausklang in Solothurn (Schweiz)<br />
Von 1635 an treffen wir Ungelehrt als Guardian in Solothurn.<br />
23 Jahre blieb er in diesem Amt, nur wegberufen für eine<br />
zweite Periode Provinzialat, das ihm seine Mitbrüder zu<br />
Beginn der grausigen Endphase des 30jährigen Krieges aufluden<br />
(Konstanz am 28. August 1639). Aus dieser Zeit wird<br />
nichts besonderes überliefert 45 .<br />
Im ruhigen Solothurn hatte sich Ungelehrt neben den normalen<br />
Seelsorgsarbeiten von 1640-1641 auch mit der Innenrenovation<br />
der schlichten, dreischiffigen gotischen Ordenskirche<br />
zu beschäftigen 46 sowie um die Rückgabe jenes Teils des<br />
Klosters zu kämpfen, der dem Orden während der Reformationszeit<br />
von der Stadt für die Unterbringung der französischen<br />
Gesandtschaft (»Ambassadorenhof«) abgenommen<br />
worden war 47 . Zu diesem Thema befinden sich im Archiv des<br />
Bistums Basel zu Solothurn einige eigenhändige Briefe Ungelehrts<br />
an den Magistrat der Stadt. Ein Erfolg war dem<br />
unermüdlichen Guardian allerdings nicht beschieden. Erst<br />
zwei Jahre nach seinem Tod kam eine Einigung zustande 48 .<br />
Nach Eubel 49 soll Ungelehrt in Solothurn auch schriftstellerisch<br />
tätig gewesen sein, was bei dem literarisch hochfähigen<br />
Mann nicht verwunderlich ist. Die Vermutung, daß sich<br />
dort noch ungedruckte Schriften, die seine geistig-religiöse<br />
Gestalt noch deutlicher offenbart hätten, entdecken ließen,<br />
bestätigte sich jedoch nicht. Die Manuskripte gingen wohl im<br />
Zusammenhang der vorübergehenden Klosteraufhebung<br />
1798-1805 oder bei der endgültigen 1857 unter.<br />
Mit 63 Jahren legte sich Ungelehrt zum Sterben nieder.<br />
Offene Beine und ein Steinleiden führten am 10. Juni 1662<br />
seinen Tod herbei 50 . Im Chor der Franziskanerkirche wurde<br />
sein Leichnam zur letzten Ruhe gebettet 51 .<br />
Unter den vielen Grabplatten, die dort die Toten bedecken,<br />
konnte man nach Angabe des jetzt zuständigen altkatholischen<br />
Pfarrers Ungelehrts Gruft bis heute nicht entdecken.<br />
Berard Müller setzte in seiner Chronica mit kurzen, kräftigen<br />
Strichen ein bleibendes Denkmal für den großen Mann: »Er<br />
war der beste Prediger der Provinz, ein Mann von schlanker<br />
Statur, unvergleichlich in der Wissenschaft, Freund des Kaisers,<br />
in schwierigen Geschäften äußerst geschickt und hilfsbereit<br />
in allem, was erfolgreich erledigt werden sollte« 52 .<br />
Anmerkungen<br />
' So Konrad Eubel (zitiert: Eubel): Geschichte der oberdeutschen<br />
(Straßburger) Minoritenprovinz. Würzburg 1886, S. 362. Desgleichen<br />
Helvetia Sacra (zitiert: HS) V, 1 (Der Franziskusorden; von<br />
versch. Autoren bearb). Bern 1978, S. 77. Ein handgeschriebenes<br />
Verzeichnis der oberdeutschen Minoritenprovinziale von Viktor<br />
Halbeysen (Successio legitima et canonica ministrorum provincia-
lium OF MinConv provinciae superioris Alemanniae, 1686) in der<br />
Zentralbibliothek Solothurn notiert als Geburtsjahr allerdings<br />
1598.<br />
2 Geschlechterbuch der Stadt Pfullendorf. Pfullendorf 1964 (alphabetisches<br />
Verzeichnis ohne Quellenangaben im einzelnen).<br />
3 Vgl. Johann Schupp: Jugendleben und Jugendpflege im reichsstädtischen<br />
Pfullendorf. Oberrh. Pastoralbl. 1948, 44-60 u. 89-95.<br />
4 So Euhel, 362. Ebenso Berardus Müller et Victor Tschan: Chronica<br />
de ortu et progressu Almae Provinciae Argentinensis fratrum<br />
Minorum sancti Francisci Conventualium, in lucem edita a Meinrado<br />
Seht. Landishuti 1964 (= Alemania Franciscana Antiqua 12/<br />
1964; zitiert: MT), S. 227: »...sacras reliquias (sei. S. martyris<br />
Leontii) P. Ludovicus a Musis dono dedit huic suo conventui<br />
nativo (sei. Villigano!) in symbolum filialis affectus et gratitudinis.«<br />
Dagegen will ihn HS, 77, dem Uberlinger Konvent affiliiert wissen.<br />
- Von der erwähnten Chronica der Minoriten Müller und Tschan<br />
wurde lediglich der 2. Teil, der von den einzelnen Häusern handelt,<br />
publiziert, während der 1. Teil mit seinen Provinzialsbiographien<br />
nur im Manuskript des Viktor Tschan vorliegt, das die Franziskanertertiarinnen<br />
in Muotathal (Kanton Schwyz) aufbewahren. Das<br />
Original von Berard Müller ging bei der Bombardierung von<br />
Würzburg im 2. Weltkrieg unter, so daß jetzt nur noch die<br />
Abschrift bzw. Ergänzung von Tschan erhalten ist.<br />
5<br />
Dieses weitläufige Gebäude, durch Jahrhunderte Kulturzentrum<br />
der Stadt, wurde samt Kirche im Spanischen Erbfolgekrieg stark<br />
beschädigt und dann in Mißproportionen wieder aufgebaut. Die<br />
Säkularisation 1803 brachte dem Kloster Untergang und maßlose<br />
Verwüstung. Zum Glück blieb jedoch der alte, gotische Kreuzgang<br />
unversehrt erhalten. Man ist nun gerade daran, den ganzen Komplex<br />
zu restaurieren.<br />
6<br />
In Pfullendorf ist das Geschlecht der Ungelehrt etwa 300 Jahre bis<br />
in die Mitte des letzten Jahrhunderts nachweisbar. Die Ortsansässigen<br />
sprachen das Wort natürlich als U-glehrt aus, und Ungelehrt<br />
selbst schrieb selbst immer Unglert (Un-glert). »Ungelehrt« entspricht<br />
moderner Schreibweise.<br />
7<br />
Euhel, 121.<br />
8<br />
Euhel, 170. Zum Promotionsrecht der Ordensgeneräle: ebda, S.<br />
303, Anm. 540.<br />
9<br />
MT Klosterarchiv Muotathal, Mskr., 186.<br />
10<br />
Eubel, 120.<br />
11<br />
Vgl. zum Ganzen: Eubel, 120ff.<br />
12<br />
MT bei den einzelnen Orten unter dem Jahr 1629.<br />
13<br />
MT, 245.<br />
14<br />
MT, 142. Der Satz stammt aus der Feder von Tschan als Ergänzugn<br />
der Müllerschen Vorlage, denn dieser war 1704 gestorben.<br />
15<br />
MT, 25ff. (Die auf S. 25 stehende Jahreszahl 1627 muß in 1628<br />
abgeändert werden, da Ungelehrt erst in diesem Jahr Provinzial<br />
geworden ist. Eubel, 98 f.<br />
16<br />
Eubel 307, Anm. 541.<br />
17<br />
Xaver von Moos: Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern<br />
(= Die Kunstdenkmäler der Schweiz) Bd. I: Die Amter Entlebuch<br />
und Luzern-Land. Basel 1946, 165-220. - Eubel, 114f.; MT,<br />
233 f.; HS, 288ff.<br />
18<br />
HS, 665, 676, 690; Max Heinrichsperger, AFA 5 (1959) 125.<br />
19<br />
Berard Müller findet in seiner Chronica für die draufgängerische<br />
Kapuzinerkonkurrenz immer wieder bitterböse Worte. Vgl. MT,<br />
allenthalben.<br />
20<br />
MT, 142.<br />
21<br />
MT, 142.<br />
22<br />
MT, 142; ausführlich bei Johann Schupp: Notizen über das Graue<br />
Kloster der Tertiarinnen von Pfullendorf. AFA 5 (1959) 156. -<br />
Schupp hat ebd., S. 142-215, alle erreichbaren Daten über das<br />
Pfullendorfer Franziskanerinnenkloster zusammengetragen.<br />
23<br />
MT, 142; HS, 631 ff.<br />
24<br />
J. Schupp: AFA 5 (1959) 152.<br />
25<br />
Statuten im Fürstlichen Haus und Domänenarchiv Sigmaringen.<br />
26<br />
Leider sind Ungelehrts Statuten für das Pfullendorfer Franziskanerinnenkloster<br />
nicht mehr vorhanden. Die Gorheimer sind gerettet<br />
(Anm. 25) und die Muotathalerinnen bewahren das wunderbar<br />
schön geschriebene Büchlein mit 2 Unterschriften Unglehrts in<br />
ihrem hauseigenen Archiv auf.<br />
27<br />
Damals befand sich das Kloster noch am Ufer der äußerst<br />
gefährlichen Muota. Um dem Elend der immer wiederkehrenden<br />
Überschwemmungen zu entgehen, bauten die Schwestern etwas<br />
weiter weg und höher gelegen von 1684—1687 ein neues, bauernhausartiges<br />
Kloster, das heute noch steht. Vom alten, in dem<br />
Ungelehrt wirkte, ist außer der Kapelle nichts mehr vorhanden.<br />
Vgl. MT, 124 f. (Jahre 1629-1684).<br />
28<br />
HS, 79 u.ö.<br />
29<br />
MT, 245. Dort ausführlich über Wittichen 237-247; HS, 657<br />
Anm. 178.<br />
30<br />
Leben der Gottseligen Jungfrawen unnd Mutter Leydtgarden S.<br />
Francisci dritten Ordens Schwester undd deß jetz S. Ciarae<br />
Ordens Closters Witichen erster Anfängerin. Aus alten sonderlich<br />
ihres Beichtvatters hinderlassenen Fragmentis und Geschrifften<br />
mit fleiß zusamen gezogen. Getruckt zu Freyburg in Uchtland<br />
durch Wilhelm Darbelay 1636. 196 S.<br />
31<br />
Ein stark spiritualisierter Gebetszettel mit diesem Thema wurde<br />
noch 1953 mit kirchlicher Druckerlaubnis in Fribourg verbreitet.<br />
32<br />
Leider ließ sich bis jetzt noch kein Originaldruck dieser Andacht<br />
ausfindig machen. Die Dombibliothek Freising bewahrt eine<br />
neuere Ausgabe, zwar mit kirchlichem Druckerlaubnisvermerk<br />
eines Freisinger Fürstbischofs vom Jahre 1709, aber ohne Herausgebernamen.<br />
Dem Aussehen nach stammt das Büchlein vom<br />
späteren Karmeliten Zyprian Reichenlechner, den Eubel (227,<br />
Anm. 124) als Herausgeber »in neuester Zeit«, also etwa 1880,<br />
erwähnt. - Augenblicklich versucht man in gewissen Kreisen die<br />
»heilige Luitgard« als Kampfpatronin für das ungeborene Leben<br />
bzw. gegen die Abtreibung hochzustilisieren: Das Leben der<br />
heiligen Luitgard von Wittichen. Die Heilige des Mutterschoßes.<br />
Stein a. Rh. 1976.<br />
33<br />
Franz Götz: Grünenberg. AFA 16 (1971) 65-78.<br />
34<br />
MT, 77.<br />
35<br />
MT, 162. Max Heinrichsperger: Reute bei Waldsee (Tertiarinnen).<br />
AFA 7 (1961) 193-229.<br />
36<br />
MT, 163.<br />
37<br />
HS, 633 u. 657, Anm. 178.<br />
38<br />
AFA 7 (1961) 216. Von einer weiteren Exhumation wird nichts<br />
berichtet.<br />
39<br />
Nähere Umstände sind nicht auszumachen. Vgl. Max Heinrichsperger:<br />
Die Franziskanerkonventualen Speyer, AFA 5 (1959) 77 f.<br />
40 Diese Drucke sind höchste Raritäten geworden. Ein stark abgegriffener<br />
und teils handschriftlich ergänzter »Mercurius Villiganus«<br />
fand sich im Stadtarchiv Villingen (nicht paginiert). Ein<br />
vollständiges und gut erhaltenes Exemplar des »Lydius<br />
Austriacus« liegt in der Stiftsbibliothek St. Gallen.<br />
41 Die Sache ist nicht ganz klar. Wörtlich heißt es: »So hat ferners<br />
auch zu abwendung sowol der laidigen Sucht, welche zimblich<br />
starck einreissen wollen, in festo S. Sebastiani offternannte Pater<br />
dem Volck drey Sambstag nacheinandern... zu fasten persuadiert.«<br />
Der Hinweis auf den Pestpatron Sebastian läßt tatsächlich<br />
an eine ansteckende Krankheit denken, und dies vor allem natürlich<br />
in der Sommerbelagerung. Sebastian wird andererseits im<br />
Januar gefeiert. Doch in der nur 14 Tage währenden Januarbelagerung,<br />
also mitten im strengsten Winter, wird man an eine Seuche<br />
kaum denken müssen. Die Lösung des Rätsels liegt wohl darin,<br />
daß Steidlin die Ereignisse der beiden Belagerungen in seinem<br />
»Mercurius« etwas durcheinandermischt.<br />
42 Das poetische Werk, ebenfalls eine bilbiophile Seltenheit, hat zwei<br />
Teile mit je einem eigenen Titelblatt: »Villiganae Probitatis DEO<br />
ac Imperatori Constanter Fidelis, ad Lydium probatio. Das ist<br />
Summarischer Bericht wessen sich die From Catholisch alzeit<br />
beständig getreu Oesterreich Kayserische Statt Villingen vorm<br />
Schwarzwald in Schwaben gelegen gegen den Unkatholischen deß<br />
Kaysers und Catholischer Religionsfeinden in zweyen Belägerungen,<br />
deren die erste vom eylfften biß den vierundzweintzigisten<br />
Januarii, Die ander vom dreyssigisten Junii biß den fünfften<br />
Octobris Anno 1633 gewehret, und gantz Jähriger Blockierung<br />
erhalten, unnd was massen solche von Gott und seiner werthen<br />
Mutter wunderthätigerweiß beschützet unnd erhalten worden.<br />
Getruckt zu Costantz am Bodensee bey LeonhardtStrauben Anno<br />
1634.« — »Entwerffung und Summarische Beschreibung der anderen<br />
Feindtsbelägerung, so die Würtenbergisch Schwedische Soldatesca,<br />
den 30. Junii Anno 1633 vor der getreu Oesterreichischen<br />
Statt Villingen in Schwaben vorm Schwarzwald gelegen, angefangen<br />
unnd den 5. Octobris selbigen mit spott geendet. Darin du<br />
freundlicher Leser insonderheit die wunderwerck GOTtes in<br />
obacht nemmen und die Fürbitt der glorwürdigen Himmels<br />
Königin erkennen wollest... (wie oben)«. Der erste Teil enthält<br />
54, der zweite 174 Strophen.<br />
43 Eubel, 362, Anm. 749.<br />
44 AFA 18 (1973) 263.<br />
9
45 HS, 78; Eubel, 171.<br />
46 Aus dieser Zeit existiert außer dem eichenen Renaissance-Chorgestühl<br />
nichts mehr. Der Raum wurde 1822-1823 im Geist des<br />
Klassizismus so schlimm verunstaltet, daß man jetzt darin denkt,<br />
den mittelalterlichen Zustand wiederherzustellen. Heute gehört<br />
die Kirche der altkatholischen Kirchengemeinde Solothurn.<br />
47 Wegen Abfalls zum Protetantismus, Ausweisung und Austritten<br />
war das Kloster von 1529-1546 völlig ausgestorben. Die Wiederbesiedlung<br />
des älteren Gebäudeteils erfolgte dann von Würzburg<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
aus. Vgl. HS, 251 f.; Max Heinrichsperger: Franziskanerkonventualen<br />
Solothurn, AFA 3 (1957) 107-126.<br />
48<br />
HS. 251.<br />
49<br />
Eubel, 562, Anm. 749.<br />
50<br />
V. Tschan: Chronica Mskr. Muotathal, 186; V. Halbeysen: Successio<br />
legitima, Mskr. Zentralbibl. Solothurn, 20; HS, 78 u. 274.<br />
51<br />
V. Tschan: Chronica, Mskr. Muotathal, 186.<br />
52<br />
V. Tschan: Chronica, Mskr. Muotathal, 186.<br />
570 Jahre Bildstock St. Johannes zwischen Ringingen und Stetten u. H.<br />
An der Grenze Stetten-Ringingen steht eine hohe Eiche und<br />
daneben der einfache hölzerne Bildstock mit der kleinen<br />
Statue des hl. Johannes des Evangelisten mit dem Kelch, aus<br />
dem ein Schlänglein züngelt. Nach der Legende habe er über<br />
vergiftetem Wein das Kreuzzeichen gemacht, worauf das Gift<br />
entwich. Der Bildstock steht an der Stelle, an der das<br />
Vizinalsträßle zwischen beiden Ortschaften Stetten und Ringingen<br />
das Waldgebiet unterhalb des Hungerbrunnens,<br />
Boschen, Kirchholz, Hairenwald, Stellfleckenhau verlassend<br />
ins freie Wiesengelände von Stetten hinaustritt. Fast niemand<br />
scheint zu wissen, daß dieser Bildstock (bzw. sein Vorgänger)<br />
eine 570jährige Vergangenheit dokumentiert, in der er immer<br />
wieder erneuert werden mußte. Die erste Nachricht vom »St.<br />
Johannes« an diesem Platz stammt aus dem Jahre 1409. Der<br />
Stettener Pfarrer Konrad Ratgeb (1454—64) beschreibt nämlich<br />
die Einkünfte der Pfarrei und der Kaplaneipfründe nach<br />
einer Vorlage des Jahres 1409, wobei die Flur »Bei St.<br />
Johansen« vorkommt, da die angrenzenden Felder bzw.<br />
Wiesen offenbar den kirchlichen Pfründen zu Stetten gehörten.<br />
Stifter des Johannesbildes war vermutlich der 1367<br />
erwähnte Stettener Kaplan Hans Wäselin aus Hechingen<br />
(Hohz.JHeft 1955,89 bzw. 84). Im »Zollerländle« 1927,94 f.<br />
berichtete der Stettener Pfarrer Andreas Dieringer (1907-27)<br />
aus der Chronik des Johannes Locher (1810-90) in Stetten u.<br />
Hohstein Seite 39 folgendes: »Die Johannes-eiche, wo der<br />
Johannes drin war beim sogenannten »Johannessen« stand s.<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Adel von Schlatt (und Beuren?)<br />
A. Daß es einst auch adelige Herren von Schlatt (bei Hechingen;<br />
jetzt eingemeindet) gegeben hat, war bisher nicht beachtet<br />
worden und fehlte daher im Verzeichnis des Anhangs der<br />
»Hohenzollerischen Heimat« 1969 und in den Ergänzungen<br />
daselbst 1977, 45 f. Nun hat der Schlatter Bürgerssohn Dr.<br />
Hans Speidel, ehemals Landrat des Kreises Hechingen, in<br />
seinem 1980 erschienenen Heimatbuch S. 23 eine Anzahl der<br />
Schlatter Herren namhaft gemacht. So nahm am 21. Mai 1288<br />
ein Her(-mannus) de Slate an einer Gerichtsentscheidung des<br />
Grafen Friedrich von Zollern des Jüngeren im Hause des<br />
Biulin(Binlin) zu Hechingen teil. Sie betraf das Gut Ghai<br />
(zwischen Münchs- und Heiligenbach ob Schlatt), wo auf der<br />
Karte noch Ghaikopf zu lesen ist 1 . Ein Johannes von Schlatt<br />
war am 1. Mai 1296 Zeuge für den Zollergrafen betreffend ein<br />
Gut zu Willmandingen, das ans Kloster Stetten vertauscht<br />
wurde 2 . Derselbe Johannes von Schlatt erscheint auch 1302<br />
als Ritter und Dienstmann des Pfalzgrafen Gottfried von<br />
Tübingen 3 . Einige Zeit später, nämlich 1358 finden wir einen<br />
Richard von Schlatt mit anderen Adeligen bei einer Entscheidung<br />
des kaiserlichen Hofgerichts zugunsten des Grafen<br />
Egeno von Freiburg 4 .<br />
10<br />
Zt. am Wege, wo man nach Ringingen geht, etwa 12 Schritt<br />
von der Markungsgrenze gegen Stetten. (Nota des Berichterstatters:<br />
Daher ist sie in der Grenzbeschreibung von 1584<br />
nicht erwähnt!) Die Eiche fiel im Jahre 1840 altershalber um<br />
und es wurde das Bild (Figur) im Dorf aufbewahrt. Die<br />
Ringinger haben von dort an eine Eiche gepflanzt an der<br />
Grenze in der Hoffnung, das Bild seinerzeit wieder in die<br />
Eiche zu bringen. (Dieringer bemerkt: »Es ist keine Eiche,<br />
sondern eine heute 1927 stattliche Ulme«. Der Berichtserstatter<br />
muß dazu sagen: »Die Ulme stand weiter nördlich und ist<br />
jetzt 1956 altersschwach«.)<br />
Locher fährt dann fort in seiner Chronik: »Weil nun das<br />
Johannesbild immer auf der Markung Stetten war, so habe ich<br />
(Locher) demselben auch sein Recht gelassen. Maler Schaut<br />
hat das Bild (d. h. Statue) renoviert. Ich habe eine Eiche<br />
gekauft und (als Bildstock) herrichten lassen und den Johannes<br />
darein gestellt. Dies geschah im Jahre 1871. Zu diesem<br />
Zweck habe ich eine Kollekte gemacht und davon die Kosten<br />
bezahlt. Weder die Gemeinde noch der Heilige (Kirchenfonds)<br />
haben etwas beigetragen, sondern allein von Beiträgen<br />
von 6 bis 30 Kreuzern ist es bezahlt worden«. Zum Schluß<br />
heißt es dann: »Die Statue ist erneuert worden durch Pfarrer<br />
Dieringer.« Wie oft mag das kleine Bild des Johannes seit<br />
1409 erneuert worden sein, ob sei nun in einer Höhlung der<br />
Eiche oder in einer Holzsäule stand?<br />
Endlich kommt nach Speidel noch ums Jahr 1400 ein Edelknecht<br />
Kaspar von Schlatt als Lehensmann vor und eine<br />
Luitgaris de Schlatt ist im Totenbuch des Frauenklosters<br />
Stetten b. Hechg. ohne Jahrzahl verzeichnet.<br />
Als Wohnsitz dieser Herren käme m.E. das noch 1435 in<br />
Bickelspergs zollerischem Lagerbuch (S. 30) wohl nur noch<br />
als Flurname vorkommende »Stainhus« in Frage: »Ein Acker<br />
mit 2 Juacert (etwa 68 ar) liegt oberhalb des Stainhuses und<br />
stoßen an den Buchbach«.<br />
Nach Dr. Speidels Mitteilung vom 12. Dezember 1981 finden<br />
sich in Nähe des sog. »Kaspaers Kreuz«, etwa 550 m hinter<br />
dem Kirchenköpfle z. T. große behauene Steine, die beim<br />
Pflügen zutage traten, also nahe am heutigen Buchgraben.<br />
Man habe von der Stelle aus einen schönen Blick sowohl ins<br />
Killertal hinauf, wie auch in den Hechinger Raum, und dürfte<br />
wohl hier das ehemalige Steinhaus vermuten. Einfache<br />
Schlatter Einwohner haben sich sicherlich keine Steinhäuser<br />
leisten können!<br />
B. Speidels Heimatbuch nennt 5 auch einen Berchtold von<br />
Beuren, den er als Glied eines Beurener Adelsgeschlechts
ansieht, unterm 11. August 1334 6 . Ferner einen Hermann<br />
von Burran von 14. September 1434 6 und noch 1441 verkaufte<br />
»der alte Hermann von Beuren« an die Stettener<br />
Nonne Anna, die Schenkin von Stauffenberg, 8 Schilling<br />
Heller Jahreszins aus seinen Gütern zu Beuren: 1 Acker mit 2<br />
Juchaert uf dem Bol im Beurer Esch an Merklin von Beuren<br />
gelegen 7 .<br />
Sicherheit auf einen Beurer Adel läßt sich freilich aus diesen<br />
mageren Angaben kaum gewinnen, wenn nicht nähere Angaben<br />
zu finden sind.<br />
Anmerkungen:<br />
1 Mon. Zoll. 8 Nachtrag S. 24. Urk. Stetten Nr. 8 im Anhang des<br />
HJHeftes 1955; Name irrig zu Heinrich ergänzt.<br />
OTTO WERNER<br />
2 Urk. Stetten Nr. 16.<br />
3 Schmid, Pfalzgrafen v. Tübingen S. 332.<br />
4 Ebenda S. 561. Doch läßt der Name Freiburg mit Zweifel aufhorchen,<br />
da es im Breisgau unweit der Universitätsstadt ebenfalls ein<br />
Schlatt gibt, wohin wohl dieser Richard gehört. Laut Zeitschr. f.<br />
Gesch. d. Oberrh. Jg. 15 von 1863 S. 466 haben am 23. Sept. 1338<br />
die Edelknechte und Gebrüder Johans und Richard von Slatte an<br />
Johann den Brenner ihr Haus und Garten zu Schliengen um 25.<br />
Mark Nürnberger Gewäges verkauft. Deren beiden kleine Rundsiegel<br />
zeigen einen Schild, wie ihn die Bulster und Böhart und<br />
Neuenfels führten. Vgl. zu diesem Schlatt Albert Krieger, Topograph.<br />
Wörterbuch von Baden 1903, Bd. 2, Sp. 848.<br />
5 Speidel, Heimatbuch von Schlatt S. 34.<br />
6 Ebenda S. 34 u. Stettener Urkunde Nr. 437.<br />
7 Stettener Urkunde Nr. 460.<br />
Jüdische Bruderschaften und Vereine in Hechingen (I)<br />
1. Beerdigungsbruderschaft - Chewra Kadischa<br />
Kranken- und Beerdigungsanstalt / Israelitischer Männer-<br />
Verein Chefra Kadischa / Frauenverein der isr. Gemeinde<br />
Hechingen<br />
Wenn man die Angaben in den »Statuten für den israelitischen<br />
Männer-Verein Chefra Kadischa in Hechingen« von<br />
1893 heranzieht, so ist die älteste nachweisbare Bruderschaft<br />
eine seit 1773 »organisierte Ch. Kad. wahrscheinlich reichen<br />
die Einrichtungen derselben - ohne gerade fest geordnet<br />
gewesen zu sein - viel weiter zurück.« In dem von Rabbiner<br />
Dr. Samuel Mayer 1844 verfaßten Artikel »Geschichte der<br />
Israeliten in Hohenzollern-Hechingen« (in: Orient.<br />
Berichte, Studien und Kritiken für jüdische Geschichte und<br />
Literatur. Sp. 570) wird als Gründungsjahr 1776 angegeben,<br />
ebenso in der »Encyclopaedia Judaica« (8. Band, 1931, Sp.<br />
175). Als Schreibweisen treten auf Chebra kadischa (Mz.<br />
Chebroth) 1841, Chefra Kadischa (Mz. Chefros) 1893,<br />
Chewra Kadischa 1931. - Diese Beerdigungsbruderschaft,<br />
die sich die Krankenpflege, Totenbestattung und Armenunterstützung<br />
zur Aufgabe gestellt hatte, bildete sich am 30.<br />
Mai 1841 zu einer Kranken- und Beerdigungsanstalt um. In<br />
dem o. g. Artikel schreibt Rabbiner Dr. S. Mayer, daß die<br />
Mitglieder dieser Bruderschaft »zum Theil hochbejahrte<br />
Männer«, waren, »welchen die Besorgung der dieser Gesellschaft<br />
obgelegenen Dienstverrichtungen zu mühevoll wurden.<br />
Die Brüderschaft besteht zwar noch rücksichtlich der<br />
Lektionen, an ihren Obliegenheiten aber haben sämmtliche<br />
Gemeinde-Mitglieder Antheil zu nehmen.« Auch merkt er<br />
an, daß die Mitglieder hier wie in allen Gemeinden den freien<br />
Reichsstädtern gleichen, »die auf ihre Privilegien und Monopole<br />
sehr eifersüchtig waren.« Die Vorsteher und der Ausschuß<br />
der Bruderschaft beantragten bei der israelitischen<br />
Deputation mit Schreiben vom 15. April 1841, »daß sämtliche<br />
Mitglieder der israelitischen Gemeinde verpflichtet werden,<br />
sowohl die Wache bei den Kranken als auch das<br />
Begleiten und Tragen der Leichen der Reihe nach zu versehen,<br />
oder sonst irgend ein anderes Mittel aufzufinden,<br />
wodurch dem genannten Mangel abgeholfen werde!« 1<br />
Als Begründung wird angegeben, daß die Mitglieder »größtentheils«<br />
aus alten Männern besteht, in dem in einem<br />
Zeitraum von 10 Jahren, wenig junge Männer und Jünglinge<br />
sich in der Bruderschaft aufnehmen ließen, da ferner der<br />
größere Teil der jüngeren Mitglieder häufig auf den Handel<br />
abwesend sind wenn sich gerade ein Leichenbegräbniß ereignet,<br />
und der größere Theil der Gemeinde Mitglieder welche<br />
nicht in dieser Bruderschaft sind, die Leiche nicht auf den<br />
Todesacker begleiten, so daß Mangel an Träger und Begleiter<br />
der Leichen entsteht, was sich im Laufe dieses Winters schon<br />
einigemal ereignete: / so ist genannte Bruderschaft nicht mehr<br />
im Stande, die Funktion des Wachens bei den Kranken, so<br />
wie die der Leichenbegangniße durch ihre Mitglieder allein,<br />
versehen zu lassen, ...« 2<br />
Die 1841 gebildete und von der fürstlichen Regierung am 29.<br />
November 1841 genehmigte Gemeindeanstalt wurde von<br />
einem Kommission geleitet, die aus den jeweiligen Vorstehern<br />
der Chebroth und zwei aus der Mitte des Gemeindevorstands<br />
gewählten Vertretern bestand (§ 23). 1841 waren dies<br />
die Vorsteher Seligmann Hochstetter und Salomon Ewald,<br />
sowie als Vertreter des Gemeindevorstands Wolf Ensel und<br />
Heinrich Jacob. Eine weitere Funktion hatte der »Diener der<br />
Bruderschaft« inne, der darüber bestimmte, ab das Wachen<br />
bei Kranken notwendig sei (§ 1). Grundsätzlich wurde<br />
zwischen Männern und Frauen unterschieden, »welche Mitglieder<br />
der Chebra kadischa und der Frauen Chebra sind« (§<br />
10). Die Mannspersonen übernahmen die Nachtwachen bei<br />
Männern, Jünglingen und Knaben, die Frauen bei Weibern<br />
und Mädchen (§ 2); die in der Friedrichstraße wohnenden<br />
Mitglieder übernahmen das Wachen dort. Dazu wurden nach<br />
einem durch das Los aufgestellten Verzeichnis jeweils zwei<br />
Wächter bestimmt. Zu den weiteren Diensten gehörten das<br />
Wachen am Tage, die Reinigung der Leichen und das Bewachen<br />
der Leichen. Zum Begleiten der Leichen (von Personen<br />
ab dem 3. Lebensjahr) bis zum herrschaftlichen Spital waren<br />
alle Männer der Gemeinde verpflichtet; je eine (nach einem<br />
Verzeichnis festgelegten) Abteilung hatte die Leiche bis zum<br />
Gottesacker zu begleiten. Die Befreiung von den einzelnen<br />
Diensten war genau geregelt; so waren über 80jährige von den<br />
Nachtwachen, über 60jährige vom Begleiten der Leiche<br />
befreit. Unter bestimmten Auflagen konnten Mitglieder sich<br />
vertreten lassen.<br />
Laut § 22 der Statuten von 1841 hatte die Chebra kadischa<br />
eine »ihr eigenthümlich zugehörige Gesetzesrolle (Thora)«,<br />
die jedem Leidtragenden (auch Nichtmitgliedern) in der<br />
Trauerwoche ins Haus geschickt wurde, wobei Bruderschaftsmitglieder<br />
das Vorrecht hatten. - 1872 ergab sich<br />
insofern eine Änderung in den Statuten, als auch die Leichen<br />
von Kindern im Alter von 4 Wochen bis zu 3 Jahren von den<br />
Männern (mit Einschluß des Rabbiners) bis zum Spital<br />
begleitet wurden.<br />
Nach dem Tode von Rabbiner Dr. Mayer scheinen sich aus<br />
11
der Gemeinde-Anstalt wieder »selbständige« Chefros gebildet<br />
zu haben, denn 1893 wird darauf verwiesen, daß der<br />
Verein in enger Beziehung zum Gemeindevorstand gestanden<br />
habe, »so daß zwei Mitglieder desselben stets dem<br />
Gemeindevorstand coordiniert waren. In den letzten 10<br />
Jahren ist dies ohne irgend welche Gründe außer Acht<br />
gelassen worden.«<br />
Aus dem Jahre 1893 liegen uns die »Statuten für den israelitischen<br />
Männer-Verein Chefra Kadischa in Hechingen « vor,<br />
aus dem Jahre 1906 die »Statuten des Frauen Vereins der isr.<br />
Gemeinde Hechingen. Aus der 1841 gebildeten Gemeindeanstalt<br />
haben sich demnach (entsprechend den damals getrennten<br />
Chebroth) wieder nach Geschlechtern getrennte Vereine<br />
gebildet. - Der Männer-Verein Chefra Kadischa wendet sich<br />
nun auch wieder der Armenunterstützung zu, wobei auch<br />
Auswärtige betreut werden können. Nach der Beerdigung<br />
versammeln sich, falls dies gewünscht wird, zehn Mitglieder<br />
im Trauerhause, wo der diensttuende Kultusbeamte einen<br />
religiösen Vortrag hält. Der Vorstand besteht aus vielen<br />
Mitgliedern: einem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter,<br />
einem Kassenführer und einem Schatzmeister. 1893 sind dies:<br />
Michael Levy, M. Mattes, Joseph O. Levi und Sieg. Weil.<br />
Der Vorstand wählt aus den Mitgliedern des Vereins einen<br />
Sekretär (Schriftführer). Der Verein hat 1893 40 Mitglieder.<br />
Die Mitglieder waren nach wie vor verpflichtet, »beim Aufrufen<br />
zur Tora in die Chebra zu schnudern« (- geringste<br />
Spende 25 Pfennige). Wer dieser Verpflichtung nicht nachkam,<br />
hatte am Ende des Rechnungsjahres einen Beitrag von 4<br />
Mark in die Ch. Kad.-Kasse zu entrichten. Für den Fall einer<br />
Auflösung des Vereins war Vorsorge getroffen: Bei Absinken<br />
der Zahl der Mitglieder auf zehn sollte das Vermögen dem<br />
jeweiligen Vorstand der israel. Gemeinde zur Verwaltung<br />
übergeben werden. Der Gemeindevorstand war dann verpflichtet,<br />
»den Vermögensstand ungeteilt als Chefra-Kadischa-Stiftung<br />
zu verwalten, und die Erträgnisse ... ausschließlich<br />
nur für Zwecke der Krankenpflege, des Todtenbestattungswesens<br />
und der Almosenpflege in hiesiger<br />
Gemeinde zu verwenden, wobei auf die Nachkommen von<br />
Vereinsmitgliedern im Bedürfnisfalle vorzugsweise Rücksicht<br />
zu nehmen ist.«<br />
Der Frauenverein machte es sich - außer den von der Ch.<br />
Kad. her bekannten Aufgaben in Krankheits- und Sterbefällen<br />
an weiblichen Mitgliedern und Kindern (auch männlichen<br />
während des ersten Lebensjahres) - zur Pflicht, bedürftige<br />
oder kranke Frauen und Mädchen der hiesigen israelitischen<br />
Gemeinde zu unterstützen, ebenso durchreisende Glaubensgenossinnen.<br />
Er wurde von einer Vorsteherin, deren Stellvertreterin<br />
und einer Kassiererin geleitet. Der Vorstand zog ein<br />
Mitglied der Kultusverwaltung als Berater mit heran, dem<br />
auch die Protokollführung übertragen war. Der am 12.<br />
August 1906 gewählte Vorstand setzte sich aus Gertrude<br />
Bernheim, Sara Mattes und Babette Stern zusammen; Berater<br />
war Jakob Levi. Die Einnahmen bestanden aus den regelmäßigen<br />
Beiträgen der Mitglieder in Höhe von 2.40 Mark pro<br />
Jahr, den Stiftungs- und Grundstockzinsen, Spenden bei der<br />
Thoravorlesung und Erträgnissen aus einer geschlossenen<br />
Büchse, die während der Trauerzeit in den Trauerhäusern<br />
aufgestellt wurde. Das Vereinsvermögen belief sich zur Zeit<br />
der Gründung auf ca. 12000 Mark.<br />
Noch im Jahre 1938 3 bestanden der Verein Chevra Kadischa<br />
und der Isr. Frauenverein in Hechingen. In einem Schreiben<br />
der Isr. Gemeinde Hechingen an das Stadtbürgermeisteramt<br />
vom 7. Juli 1938 wird als Zweck der Chevra Kadischa<br />
angegeben: »Krankenversorgung, Totenbestattung, Armenunterstützung.<br />
Kapitel: 4 und 4Vi %ige Wertpapiere im<br />
Nennwert von 3500 RM. Einkünfte jährlich an Zinsen,<br />
Spenden und Beiträgen ca. 250 RM, die ausgegeben werden.<br />
Statuten vorhanden. Zur Vertretung berechtigt: Isidor Weil,<br />
12<br />
Hechingen« Unter Isr. Frauenverein Hechingen finden wir<br />
folgende Angaben: »Zweck: Unterstützung von bedürftigen<br />
kranken Frauen und Mädchen der hies. Gemeinde, Unterstützung<br />
durchreisender Glaubensgenossinnen Betreuung in<br />
Krankheits- und Sterbefällen. Kapitel: 4V2 und 5V2 %ige<br />
Wertpapiere im Nennwert von 3000 RM. Einkünfte an<br />
Zinsen, Spenden und Beiträgen jährlich ca. 550 RM, die<br />
restlos für den Zweck des Frauenvereins ausgegeben werden.<br />
Statuten vorhanden. Zur Vertretung berechtigt Frau Karoline<br />
(Isidor) Weil, Hechingen.«<br />
Quellen:<br />
1. Statuten der israelitischen Kranken- und Beerdigungsanstalt vom<br />
30. May 1841.<br />
Lagerort: StAS Ho 6 Nr. 316<br />
2. Statuten der israelitischen Kranken- und Beerdigungs-Anstalt in<br />
Hechingen. Mit Hochfürstlicher Regierungs-Genehmigung vom<br />
29. Nov. 1841 Hechingen, gedruckt in der Hochbuchdruckerei.<br />
1842.<br />
Lagerort: HHB Hechingen, R 2 II<br />
3. Statuten der israelitischen Kranken- und Beerdigungs-Anstalt in<br />
Hechingen. Hechingen. Hofbuchdruckerei (A. Ribler) Bosch &<br />
Kleinmaier. 1872.<br />
Lagerort: HHB Hechingen, R 2 I<br />
4. Statuten für den israelitischen Männer-Verein Chefra Kadischa in<br />
Hechingen. Entworfen den 15. Februar 1893. Hechingen. Buchdruckerei<br />
von Eugen Daiker, 1893.<br />
Lagerort: HHB Hechingen, R 2 III<br />
5. Statuten des Frauenvereins der isr. Gemeinde Hechingen.<br />
Hechingen. Riblersche Hofbuchdruckerei. 1906.<br />
Lagerort: HHB Hechingen, R 2 V<br />
2. Bruderschaft der Brautaussteuer - Hachnassat Kalla<br />
Israelitischer Gewerbeverein in Hechingen<br />
»Im Jahre 1777 wurde von mehreren hiesigen Israeliten ein<br />
Verein unter dem Namen Bruderschaft der Brautaussteuer<<br />
gegründet, ...«, so steht es in den »Statuten des Israelitischen<br />
Gewerbe-Vereins in Hechingen« aus dem Jahre 1839. Nach<br />
der »Encyclopaedia Judaica« (s.o.) hieß die Bruderschaft<br />
»Hachnassat Kalla«. Sie ließ an den Sabbat- und Feiertagen<br />
bei den Versammlungen der Mitglieder in einem besonderen<br />
Lokal Religionsvorträge halten und zu gewissen Zeiten<br />
armen israelitischen Jungfrauen Beiträge zu ihrer Brautaussteuer<br />
geben.<br />
»Seit 60 Jahren«, heißt es in einem Schreiben von M. Jacob<br />
Weil und Jacob Simon vom 14. Januar 1838 an die Fürstliche<br />
Regierung, »besteht hier eine Gesellschaft von Israeliten<br />
unter dem Namen: >Bruderschaft der Brautaussteuer
Zweck des Gewerbevereins war, »armen israel. Knaben und<br />
Jünglichen zur Erlernung ordentlicher Gewerbe durch jede<br />
mögliche Unterstützung behülflich zu seyn« 5 . - Unterstützt<br />
wurden also schulentlassenen Knaben und arme Jünglinge,<br />
»welche sich von dem von ihnen schon betriebenen Nothhandel<br />
zurückhalten wollen«, wenn sie sich einem ordentlichen<br />
Gewerbe, »nämlich einem Handwerke, der Landwirthschaft,<br />
der Kaufmannschaft, oder auch einer Wissenschaft oder<br />
Kunst, widmen wollen« (§ 16 der Statuten).<br />
In §4 der Statuten von 1839 war ferner festgelegt: »Sollte sich<br />
der Verein im Laufe der Zeit einer günstigen und ausgebreiteten<br />
Theilnahme zu erfreuen haben, so wird er es sich zur<br />
Pflicht machen, arme israel. Handwerker und Gewerbetreibende<br />
zur Gründung und zum Betriebe ihrer Geschäfte zu<br />
unterstützen, überhaupt aber die Industrie und die Gewerbe<br />
unter den inländischen Israeliten so viel als möglich zu<br />
befördern, und in einen blühenden Zustand zu versetzen«.<br />
Der Vorstand des Vereins setzte sich - einschließlich des<br />
Sekretärs und des Kassiers - aus sieben Mitgliedern zusammen.<br />
Bei der Gründung waren dies die Vorstände der früheren<br />
Bruderschaft der Brautaussteuer Jacob Simon und M.<br />
Jacob Weil, des weiteren Emanuel Levi d. A., Jo. Höchstädter<br />
und S.B. Dreifuß, als Sekretär Arah. (?) Ewald und als<br />
Kassier B. M. Roth.<br />
Die Vorstandsmitglieder sollten sich vor allem bemühen, daß<br />
»1. Meister aufgefunden werden, welche Lehrlinge annehmen,<br />
und<br />
2. welche statt des Lehrgeldes die Lehrzeit verlängern, ohne<br />
daß die Lehrlinge in der Unterstützung beeinträchtigt werden,<br />
und<br />
3. daß die Lehrlinge Kosttage bei vermögenden Israeliten<br />
erhalten«.<br />
(§ 47) Sie zogen über das Verhalten der Lehrlinge bei den<br />
Meistern Erkundigungen ein, und sie beaufsichtigten deren<br />
sittlich-religiösen Lebenswandel (§ 48). Die Geldunterstützung<br />
wurde an mit den Meistern zur Zahlung des Lehrgeldes<br />
festgesetzten Terminen abgegeben. Beim Antritt der Wanderung<br />
wurde noch ein Reisegeld gereicht. (Vgl. § 22)<br />
Zur Zeit der Gründung bestanden die Einnahmen des Vereins<br />
aus den Zinsen des vorhandenen Fonds (der Bruderschaft der<br />
Brautaussteuer) und aus den ordentlichen und außerordentlichen<br />
Beiträgen. Die ordentlichen Beiträge kamen durch<br />
Einzeichnung in jedes Quartal zirkulierende Subskriptionslisten<br />
zustande. Sie durften nicht weniger als 12 kr. betragen<br />
und wurden vom Vereinsdiener eingesammelt. Außerordentliche<br />
Beiträge waren Spenden, welche<br />
»- von wohlthätig gesinnten Menschenfreunden jeder Confession<br />
zu verschiedenen Zeiten und in beliebigen Quanten,<br />
- bei dem Aufrufen zum Vorlesen aus der Thora,<br />
- bei besonderen Veranlassungen, wie z. B. Hochzeitsmahlen,<br />
bei Beschneidungen, Confirmations- und Verlobungs-<br />
Feierlichkeiten u. s. w.<br />
vom Zehnten (Maaser) des Heirathsgutes und<br />
- in Krankheitsfällen und Beerdigungen« freiwillig gegeben<br />
werden. (§ 12)<br />
Der Verein sollte aufgelöst werden, »wenn er nicht mehr als<br />
zehen ordentliche Mitglieder haben sollte«. (§ 58) In diesem<br />
Falle sollte das Vermögen des Vereins an den Lokal-Schulfond<br />
übergeben werden, so »daß von den Zinsen desselben<br />
die Schulgelder für arme Kinder jährlich bezahlt werden«. (§<br />
58)<br />
In einer Eingabe der israelitischen Glaubensgenossen »an den<br />
Durchlaucht. Souverain« vom 11. März 1842 »um gnädigste<br />
Organisation ihrer öffentlichen Verhältnisse im Wege höchster<br />
Regierungs Verordnung« betont der Verfasser Rabbiner<br />
Dr. Samuel Mayer, daß »sich die Knaben und Jünglinge seit<br />
mehreren Jahren großen Theils den ordentlichen Gewerben<br />
[widmen]. Dieses lobenswerthe Bestreben wird durch den<br />
israelit. Gewerbe Verein, dessen Statuten unterm 17. Sept.<br />
1839 von Hochpreislicher Regierung genehmigt wurden,<br />
insofern nachdrücklich unterstüzt, als aus den Mitteln des<br />
Vereins arme israelit. Knaben und Jünglinge zu diesem<br />
Zwecke unterstützt werden« 6 .<br />
In dem o. g. Aufsatz (Sp. 570) berichtete Rabbiner Dr. Mayer<br />
1844, daß sich der Verein noch immer einer vielseitigen<br />
Teilnahme erfreue und schon sehr viele Wohltaten ausgeübt<br />
habe.<br />
Quellen:<br />
1. Statuten des Israelitischen Gewerbe-Vereins in Hechingen,<br />
gedruckt in derF.X. Ribler'schen Hof-Buchdruckerei. 1839.<br />
Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 310<br />
Anmerkung:<br />
Es ist anzunehmen, daß Rabbiner Dr. Samuel Mayer auch die<br />
Anregung zur Bildung des Gewerbevereins gab. In Nr. 11 des<br />
von ihm herausgegebenen »Israelitischen Samstagblatt«<br />
(Hechingen, den 1. Juli 1837) schrieb er auf S. 44 einen<br />
Bericht über »Israelitische Vereine« und führte dort an, daß<br />
im Großherzogtum Baden ein Verein zur Beförderung der<br />
Handwerke unter den Israeliten bestehe. In Dresden sei am<br />
10. Sept. 1829 ein Verein gestiftet worden, um »Handwerke,<br />
Künste und Wissenschaften, sowie jede nützliche Tätigkeit<br />
bei der israel. Jugend zu befördern, und überhaupt verbesserten<br />
Gesinnungen über Israeliten und Israelitenthum zu verbreiten<br />
bezweckt.« - »Nach den Statuten des im vorigen<br />
Jahrzehnd in Frankfurt, Mainz, Gießen, Darmstadt gestifteten<br />
Vereines zur Beförderung der Handwerke unter den<br />
Israeliten« werden denen, welche ein schweres Handwerk<br />
erlernen, ein monatlicher Zuschuß während der Lehrzeit<br />
zugesichert, außerdem erhielten sie zweimal Kleidungsstücke<br />
vom Verein. »Es steht zu erwarten, wie weit sich die Israeliten<br />
von dem alten Vorwurf werden entledigen, daß sie schon<br />
beim Tempelbau und in verschiedenen Zeiten fast allein<br />
fremde Arbeiter gebrauchten.-«<br />
3. Bruderschaft der Liebeerweisung<br />
Aus den »Statuten für die Liebeerweisung« (1841) erfahren<br />
wir: »Im Jahre 1805 hat sich dahier unter der Leitung des<br />
verstorbenen Rabbinen Löb Aach eine Brüderschaft unter<br />
dem Namen >Liebeerweisung< gebildet.« Der Zweck dieser<br />
Bruderschaft war, israelitische »Hausarmen zu unterstützen«.<br />
Zur Förderung des Wohltätigkeitssinnes bei den Mitgliedern<br />
dieser Gesellschaft sollte »sabbathlich ein zeitgemäßer<br />
Religionsvortrag in dem von der Bruderschaft dazu<br />
bestimmten Locale abgehalten werden«. Die Aufnahmegebühr<br />
betrug 2 fl., der Monatsbeitrag 2 kr.<br />
Der Vorstand verschaffte sich Kenntnis, »bei welchen Hausarmen<br />
und Erkrankten Unterstützungen zu verabreichen<br />
Seyen«. Er gab auch unverzinsliche Darlehen »gegen genügende<br />
Versicherung auf die Dauer eines Jahres«. Alljährlich<br />
erhielt der Vorstand der hiesigen israelitischen Gemeinde<br />
einen Geldbeitrag von mindestens 11 fl. zur Holzverteilung<br />
an die Bedürftigsten.<br />
Vorstand der Bruderschaft war 1838 und 1840 J. Liebmann.<br />
Quelle:<br />
1. Statuten für die Liebeerweisung (1838)<br />
Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 311<br />
13
4. Bruderschaft der Gutes-Beförderung - Schochre Tob<br />
Nach Angaben des Rabbiners Dr. S. Mayer (s.o., Sp. 572)<br />
wurde die Bruderschaft Schochre Tob im Jahre 1824 von<br />
mehreren Jünglingen gestiftet. Die Statuten der Bruderschaft<br />
wurden am 1. Januar 1838 redidiert 1 . Die Bruderschaft wollte<br />
wohltätige und fromme Handlungen im allgemeinen und<br />
gemeinschaftlich ausüben und die Lehren der Religion und<br />
der Moral unter den Mitgliedern verbreiten. »Der Zweck<br />
dieser Gesellschaft ist,« so heißt es in einem Schreiben der<br />
Vorsteher der Bruderschaft Elias Wahl und Isak Bloch vom<br />
18. Januar 1838 an die Hochfürstlich Hochpreißliche Regierung,<br />
»über die Grundsätze des väterlichen Glaubens gründlich<br />
belehren, u. durch gemeinschaftliches Zusammenwirken<br />
solche Handlungen der Menschenliebe auszuüben, nementlich<br />
die Dürftigen und Kranken, auf Verlangen, zu unterstützen,<br />
was die Mitglieder einzeln zu leisten nicht im Stande<br />
wären. Die Bruderschaft besteht zwar seit 1823, ...« 8 Jedes<br />
Mitglied war verpflichtet, »an jedem Sabbath- und Feyertage<br />
bey dem von einem befähigten Religionslehrer zu haltenden<br />
Vortrage zu erscheinen«, »in der Nacht vor dem Wochenfeste<br />
und dem Vortrage des Schlußfestes zur religiösen Andacht zu<br />
kommen«. (§§ 2 u. 3 der Statuten von 1838) Während des<br />
Trauermonats mußte der Religionsvortrag »in der Bewohnung<br />
des leidtragenden Mitgliedes« gehalten werden. Beim<br />
Tod eines Mitglieds mußten sämmtliche Mitglieder dem<br />
Leichenbegräbnis auf den Gottesacker folgen.<br />
Die Aufnahmegebühr betrug 2 fl. 42 kr., der Beitrag 4 kr.<br />
Jedes Mitglied hatte beim Aufrufen zur Thora an einem<br />
Sabbat-, Fest- oder Halbfeiertag 4Vi kr. an die Bruderschaft<br />
zu entrichten.<br />
Die Vorsteher der Bruderschaft waren 1840 J. Bloch und J.<br />
M. Berle. In besonders wichtigen oder außerordentlichen<br />
Fällen hatte die Bruderschaft einen Ausschuß von 3-5 Mitgliedern<br />
zu wählen.<br />
Die Bruderschaft Schochre Tob löste sich am 3. August 1841<br />
auf und stiftete das vorhandene Kapitalvermögen in Höhe<br />
von 100 Gulden »zu einem wohlthätigen Zwecke, und zwar<br />
sollen die landläufigen Zinsen als diesem Capitale mit den<br />
Beyträgen verbunden, welche alljährlich zum Ankaufe des<br />
Holzes für die israelitischen Gemeinde-Armen abgegeben<br />
werden.« (Stiftungsurkunde)<br />
Quellen:<br />
1. Statuten der Bruderschaft der Gutes-Beforderung (Schochre Tob)<br />
Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 306<br />
2. Stiftungsurkunde (1841)<br />
Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 311<br />
In dem Aufsatz über die »Geschichte der Israeliten in Hohenzollern-Hechingen<br />
aus dem Jahre 1844 lobt Rabbiner Dr.<br />
Samuel Mayer einerseits, daß die Bruderschaften » in allen<br />
Gemeinden wohlthätig gewirkt« hätten, »so lange in Synagogen<br />
nur zweimal im Jahre Religions-Vorträge gehalten wurden«,<br />
tadelt aber andererseits, daß sie ausarteten und zu<br />
geselligen Zusammenkünften benutzt wurden, »bei denen<br />
man sich nicht immer auf eine den frommen Zwecke der<br />
Anstalten angemessene Weise unterhielt.«<br />
Nach Rabbiner Dr. S. Mayer lösten sie sich auf, da »zufolge<br />
der Synag.-Ord. die Lektionen nur von geprüften Rabbinern<br />
oder Vorsängern gehalten werden« durften, »und da ohnedies<br />
an jedem Sabbat- und Festtage Religions-Vorträge in der<br />
Synagoge gehalten werden« müßten.<br />
In einem Schreiben von Dr. S. Mayer vom 9. Mai 1841 an die<br />
Fürstliche Regierung um »Normirung seines Gehaltes«<br />
erwähnt der Rabbiner, daß durch die Einführung dieser<br />
Synagogen-Ordnung seine Dienste sehr vermehrt, sein Einkommen<br />
aber vermindert wurden, »denn weil regelmäßig in<br />
14<br />
der Synagoge gepredigt wird, lösten sich zwey Bruderschaften<br />
auf, von welchen ich jährlich für die vor denselben<br />
gehaltenen Vorträge ein Honorar zu beziehen hatte.«<br />
Die Vorsteher der beiden zuletzt genannten Bruderschaften<br />
richteten am 11. Juni 1840 ein Schreiben an die Hochfürstliche<br />
Hochpreisliche Regierung, in dem sie gegen den Beschluß<br />
des isr. Gemeindevorstands protestierten, das Vermögen der<br />
einzelnen Bruderschaften für den Schulfonds zu verwenden.<br />
Das Ansinnen des Gemeindevorstands sei ganz unbegründet<br />
und widerrechtlich. Die Vorsteher verwahrten sich auch<br />
gegen die Angaben in dem Bericht des Gemeindevorstandes,<br />
daß die Bruderschaften überflüssig seien und sich in Folge der<br />
neu eingeführten Synagogen-Ordnung teils selbst aufgelöst<br />
hätten, teils nicht mehr bestehen dürften und könnten. Auch<br />
sei es nicht Sache einer Verwaltungsbehörde das Vermögen<br />
eines Privatvereins ab- und irgend jemand andern zuzusprechen.<br />
Deshalb werde die Protestation aber auch die Bitte<br />
gerechtfertigt sein: »Die Hochpreisliche Regierung möge den<br />
Gemeindevorstand mit seinen vermeintlichen Ansprüchen an<br />
das Vermögen der beiden in Rubri genannten Bruderschaften<br />
auf den Rechtsweg zu verweisen.« Ferner wurde damit die<br />
Bitte verbunden, diese beiden Bruderschaften auch fernerhin<br />
bestehen zu lassen 10 .<br />
Daraufhin ging ein geheimer Bericht des isr. Kirchenvorstandes<br />
betreffend »Die Protestation u. Bitte der Bruderschaften<br />
der GutesBeförderung und LiebeErweisung<br />
1) wegen der Zuweisung ihres Vermögens zu dem Local-<br />
Schulfonds, u.<br />
2) wegen der Wegnahme ihrer, in der Synagoge befindlich<br />
gewesenen Opferkästchen.«<br />
an die Fürstl. Regierungskommission für isr. Angelegenheiten<br />
11 . Obwohl darin ausführlich die Gründe für den<br />
Beschluß des Gemeindevorstandes dargelegt wurden,<br />
erfolgte am 30. März 1841 der Beschluß des Regierungskommissärs<br />
in israelitischen Angelegenheiten wie folgt:<br />
»1. Der isr. Kirchenvorstand ist mit seinem Gesuche um<br />
Aushändigung fraglichen Vermögens auf den Rechtsweg<br />
zu verweisen.<br />
2. Den beiden Bruderschaften ... in seinem Bestände nur<br />
zu erlauben unter der Bedingung, daß sie ihre Statuten<br />
zur Genehmigung vorlegen.<br />
3. Das Gesuch: Opferkästchen in der Synagoge zu halten:<br />
abzuweisen 12 «.<br />
In dem geheimen Bericht des isr. Kirchenvorstandes (s.o.)<br />
kommt Rabbiner Dr. Mayer mit seinem Vorstand auch auf<br />
die Frage nach dem Ursprung der Bruderschaften zu sprechen:<br />
Zur Zeit, als sich die Bruderschaften gebildet hätten, seien<br />
alljährlich zwei Predigten und nach dem Tod des Rabbiners<br />
Löb Aach lange Zeit gar keine Predigt in der Synagoge<br />
gehalten worden. Die Israeliten hätten aber das Bedürfnis<br />
gefühlt, jeden Samstag und an den Feiertagen einen religiösen<br />
Vortrag anzuhören. Daher rühre der Ursprung der Bruderschaften<br />
überhaupt.<br />
Das Vermögen komme keineswegs von den gewesenen Mitgliedern<br />
dieser Bruderschaften allein her. Jede Bruderschaft<br />
habe ungefähr 20 Mitglieder, - in der letzten Zeit keine 10 -<br />
gehabt. Der Lektor erhalte für seine Vorträge ein jährliches<br />
Honorar von 15 fl., sowie auch der Bruderschaftsdiener einen<br />
angemessenen Lohn erhalte. Jedes Mitglied habe monatlich 4<br />
kr. beizutragen. Die Einnahmen der Mitglieder seien somit<br />
jedes Jahr wieder verausgabt worden. Das Vermögen könne<br />
also nur von den Almosen herrühren, welche in die Opferkästchen<br />
der Bruderschaften in der Synagoge gespendet<br />
werden.<br />
Rabbiner Dr. Mayer beruft sich auf die Eingabe der Bruderschaften,<br />
in der unumwunden gesagt werde, »daß in dieses
Opferkästchen Jedermann eine beliebige Gabe darbringen<br />
konnte, u. durch die Wegnahme derselben ein großer Schaden<br />
für sie erwachse.« Demnach, so folgert Rabbiner Dr.<br />
Mayer, ist dieses Vermögen kein Privatvermögen, das zu<br />
beliebigen und unnützen Zwecken verwendet werden könne,<br />
sondern es müsse nach israelitischen Religionsgesetzen einzig<br />
und allein zu wohltätigen Zwecken verwendet werden. Darüber<br />
könne kein Gericht sondern nur die zuständige Verwaltungsbehörde<br />
entscheiden. Die Vorsteher der Bruderschaften<br />
Liebmann und Bloch wollten aber allem Anschein nach dieses<br />
zu wohltätigen Zwecken bestimmte Geld »am Ende zur<br />
Unterstützung der Advocaten« verwenden, ja verschwenden<br />
und auch dem Kirchenvorstand derartige Kosten verursachen.<br />
Von den nun folgenden Bruderschaften haben wir bislang nur<br />
sehr spärliche Kenntnis. Es sind dies<br />
5. die Talmud-Thora-Bruderschaft, Schas-Chebra,<br />
zur Vorbereitung der Knaben, die später das Lehrhaus, eine<br />
Stiftung (1803) der Madame Kaulla und ihres Bruders Jakob,<br />
in der Münz zur Ausbildung von Rabbinern besuchen<br />
sollten.<br />
Eine Schilderung des Zustandes bei den Juden um 1820 gibt<br />
uns Rabbiner Dr. Samuel Mayer in dem oben bereits mehrfach<br />
angeführten Artikel (Sp. 541): »Einen Mittelstand gab es<br />
nicht, denn auf der einen Seite herrschte talmudische Gelehrsamkeit,<br />
die durch die Talmud-Tora-Brüderschaft (Schas-<br />
JOHANNES WANNENMACHER<br />
Chebra) gefördert wurde, und auf der andern Seite war oft die<br />
größte Unwissenheit. Dort war brutaler Stolz und Eigendünkel,<br />
und hier gemeine Rohheit, die, durch die bewiesene<br />
Verachtung gereizt, nicht selten thatsächlichen Widerstand<br />
zu leisten suchte, ganz wie es schon zur Zeit der Talmudisten<br />
war.« Rabbiner Dr. Mayer schreibt weiter von einem mehrjährigen<br />
Parteienkampf, bevor es auf Anordnung des Fürsten<br />
Friedrich 1825 zur Errichtung einer öffentlichen Gemeindeschule<br />
kam. Dabei spielte im Vorfeld eine Rolle, ob die<br />
Talmud-Thora neben der Gemeindeschule fortbestehen oder<br />
in dieser aufgehen sollte und ob die vorhandenen Gelder zur<br />
Finanzierung der öffentlichen israelitischen Schule verwendet<br />
werden könnten.<br />
Offensichtlich geschah letzteres dann doch (noch) nicht, weil<br />
Rabbiner Dr. Samuel Mayer von der Talmud-Thora 1834<br />
jährlich 25 Gulden bezog, welche in seinem Gehalt von 225<br />
Gulden inbegriffen waren, um »sochen armen Individuen,<br />
welche sich dem Studium der Theologie oder dem Lehrfache<br />
widmen wollen, und hierzu die nöthigen Anlagen besitzen,<br />
unentgeldlich Unterricht in den höhern hebräischen Sprachkenntnißen<br />
zu ertheilen 13 «.<br />
Laut einem Schreiben vom 22. April 1840 an die Regierung,<br />
verfaßt von Rabbiner Dr. Mayer 14 , verfügte die Talmud-<br />
Thora damals über folgendes Kapital:<br />
»a) dahier, an Capital 50.b)<br />
in der Friedrichstraße aus Ausständen<br />
ca. 40.-<br />
(Fortsetzung folgt)<br />
Mundart als ein Stück Menschlichkeit und Heimat geschätzt<br />
Die zahlreichen Veranstaltungen über Weihnachten und<br />
Neujahr hinweg haben bewiesen, daß Mundart, Mundartdichtung,<br />
Volkslied und Volkskunst in jeder Art und<br />
Weise sich wieder großer Beliebtheit erfreuen. Die Ur- und<br />
Grundwerte der Heimat sind wieder gefragt. Das unverbundene<br />
Flitterwerk des modernen Alltages befriedigt vielfach<br />
nicht mehr. Man sucht überall nach dem Urtümlichen, dem<br />
Gewachsenen, das in seiner seelischen Wirkungskraft unmittelbar<br />
ins Herz dringt, Frohsinn und Freude bereitet. Hierbei<br />
erkennt man eine wachsende Vorliebe für die Mundart. Sie<br />
wird als ein Stück Menschlichkeit und Heimat geschätzt.<br />
Nachstehend aus Rangendingen interessante mundartliche<br />
Ausdrücke und Wendungen. »I muaß zerschta a mol »gmaba«<br />
= ausruhen, hört man einen übermüdeten Arbeiter<br />
sagen. Das Wort »gruaba« hat schon klanglich eine beruhigende<br />
Wirkung. Wer bei seiner Arbeit mit harten Gegenständen<br />
viel Krach macht, kann hören: »Dua (tu) it so »bockla«!<br />
Ein anderer versucht, einen harten, verzwickten Knoten<br />
aufzulösen und »knoblet« = schafft, zupft und zieht unermüdlich<br />
daran herum. Kleine Kinder sind oft am Weinen. In<br />
der Mundart schreien sie dann, »blääret oder »briaket«.<br />
Briaken ist meist ein langanhaltendes, breites Weinen und<br />
Klagen. Es gibt überall »wunderfitzige« Leut, die gerne alles<br />
auskundschaften, Familiengeheimnisse an allen Ecken und<br />
Enden ausspionieren, die tun herum »loschora«, vor solchen<br />
Menschen soll man sich in acht nehmen und vor allen Dingen<br />
bei Gesprächen mit ihnen vorsichtig sein. Wenn man jemand<br />
bei seiner Arbeit überlastet, ihn in Hetz und Unruhe bringt,<br />
so daß er bald nicht mehr aus und ein weiß, dann wird er<br />
»vergelschteret«. Wer zuviel Aufträge bekommt oder übernimmt,<br />
der ist mit Arbeit •»überlenkt« und macht sich mit der<br />
Zeit kaputt. - Wenn im Sommer das Heugras gemäht ist, es<br />
gut getrocknet auf der Wiese liegt, sich leicht anfühlt und<br />
knistert, dann ist es »raesch«. So wird es gerne heimgefahren.<br />
Eine Suppe oder eine andere Speise, die zu wenig Salz hat,<br />
ischt »laes«. Obst, das hart ist und einen säuerlichen, unangenehmen<br />
Geschmack hat, ist »knitz«. - Das Wort wird auch<br />
im übertragenen Sinne auf Menschen angewendet, die in<br />
ihrem Benehmen abstoßend wirken, hart und unfreundlich<br />
sind. In einem solchen Falle redet der Volksmund von einem<br />
»knitza Denger« oder einer »knitza! Dengere'. -<br />
Wenn ein Kind eine Speise schwer hinunterkriegt und daran<br />
herum würgt, so kann die Mutter besorgt warnen und sagen:<br />
»Gib acht, daß du it verworgescht! — erstickst. Die Kleider<br />
von Mann und Frau, sowie die der Kinder heißen in der<br />
Mundart kurz »'s Hääß«. So hört man auch: »Zieah dei Hääß<br />
aus! Häng dei Hääß uff! usw. Viele Wörter der Mundart<br />
haben eine mehrfache Bedeutung. So auch das Grundwort<br />
»lang« mit seinen Nebenwörtern! »Ischt dös »lang« genug?<br />
»Langet« = (reicht) dös Geld? »Lang« = gib, hol-mir sella<br />
Hammer? »Lang mir it do na« = Faß mir it do hin!.<br />
Bekanntlich ist ja auch die kleine Anekdote mit dem »na<br />
langa«. Eine Frau kommt zum Arzt, zeigt ihm auf Befragen<br />
die Stelle, wo es ihr immer weh tut und sagt: »Wenn i do na<br />
lang, no tuats mit ällaweil waeh. Was soll i do au macha«? Der<br />
Artz darauf kurz: »It >na langa
Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> <strong>Geschichtsverein</strong><br />
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />
Prof. Friedrich Stegmüller gestorben<br />
Am 4. 8. 1981 verstarb Prof. Dr. theol. Friedrich Stegmüller,<br />
langjähriger Inhaber des Lehrstuhles für Dogmatik an der<br />
Universität Freiburg i. B.<br />
Friedrich Stegmüller wurde am 8. 2. 1902 in Glatt (Hohenzollern)<br />
geboren. Nach dem Abitur in Sigmaringen (1920)<br />
studierte er in Freiburg Theologie, wo er 1925 zum Priester<br />
geweiht wurde. 1936 bekam er den Lehrstuhl für Dogmatik<br />
an der Universität Würzburg, von wo er 1949 nach Freiburg<br />
zurückkehrte. Unermüdlich war er tätig und viele Ehrungen<br />
Register 1981<br />
Seite<br />
Au, Meinrad von und der Meister von Meßkirch 35<br />
Aus vergangener Zeit 56<br />
Bad Imnau: Kursaal 33<br />
Bettmauer, das Rätsel an der Lauchert 40<br />
Brautsuche für Prinz Ferdinand 9<br />
Buchbesprechungen:<br />
Aus der Geschichte des Haidhofes 16<br />
Barock in Baden-Württemberg 31<br />
Bildatlas zur Württembergischen Geschichte 63<br />
Chronik des Truppenübungsplatzes Heuberg 31<br />
Handbuch der historischen Stätten Baden-Württembergs<br />
15<br />
Kelten in Baden-Württemberg 31<br />
Liebes altes Hohenzollern 64<br />
Wochenblatt für das Fürstentum Sigmaringen 64<br />
Württembergisches Hausbuch 64<br />
Christianisierung der Vornamen in der Grafschaft Zollern 18<br />
Christianisierung der Vornamen in der Grafschaft Zollern 44<br />
Fürst Leopold Denkmal, Errichtung und Einweihung 50<br />
Grosselfingen, Geistliche aus der Pfarrei 5 7<br />
Haigerlocher Zeitungen 1880-1934 IV 12<br />
Haigerlocher Zeitungen 1880-1934 Schluß 27<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
hrsggbn. vom Hohenz. <strong>Geschichtsverein</strong>.<br />
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />
ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
und der angrenzenden Landesteile mit der<br />
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />
bringt neben fachhistorischen auch populär<br />
gehaltene Beiträge.<br />
Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />
Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />
802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />
Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei KG,<br />
7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />
16<br />
Die Autoren dieser Nummer:<br />
Rolf Burkarth<br />
Reutlinger Straße 7<br />
7487 Gammertingen<br />
Prof. Dr. J. Groner<br />
Adolf-Kolping-Str. 17, 7798 Pfullendorf<br />
Joh. Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R.<br />
Badstraße 8, 7800 Freiburg<br />
Hans Speidel, Landrat i. R.<br />
Wiener Straße 9, 7450 Hechingen<br />
Otto Werner, Rektor<br />
Friedrich-List-Straße 55<br />
7450 Hechingen<br />
Johannes Wannenmacher<br />
Eichertstraße 9<br />
7487 Gammertingen<br />
wurden ihm zuteil. 1967 wurde er durch einen Schlaganfall<br />
gelähmt. Erst nach einer Leidenszeit von 14 Jahren ist er<br />
erlöst worden. »Seine Arbeiten zur Erschließung der theologischen<br />
Uberlieferung Spaniens und Portugals, zur Katalogisierung<br />
der Sentenzen- und Bibelkommentare des Mittelalters<br />
und zur Herausgabe der lateinischen Werke Raimund<br />
Lulls sind weltweit anerkannt. Er gehört zu den gelehrtesten<br />
Theologen der neueren Geschichte.«<br />
(Aus dem Nachruf von Prof. Dr. Riedlinger)<br />
Seite<br />
Heimatpflege, 30 Jahre 49<br />
Heufeld, Nächtlicher Spuk 43<br />
Heuneburg 1<br />
Hochberg, Schulwesen I 24<br />
Hochberg, Schulwesen II 38<br />
Hohenzollern, Vinzentinerinnen I 41<br />
Hohenzollern, Vinzentinerinnen II 62<br />
Melchingen: Aus Gunkel wurde Gockel 11<br />
Melchingen: Das Rätsel der Burghalde 23<br />
Mundart eine heile Welt 41<br />
Mundart, Reich-tum und Vielfalt 26<br />
Namen unserer Vorfahren vor 1200 Jahren 57<br />
Neckarhausen: St. Ulrichskapelle 8<br />
Radio (Leon Schmalzbach) 53<br />
Scheuch, Balthas Forstknecht 1605 23<br />
Schwäbiishausen, Ortsgeschichte 54<br />
Sigmaringen: Besuch Kaiser Wilhelm 1910 (Bild) 49<br />
Straßberg: Amtshaus 61<br />
Straßberg und der Truppenübungsplatz Heuberg 21<br />
Synagoge: Nachweis einer zweiten in Hechingen 53<br />
Ungelehrt, Johann Ludwig Minorit aus Pfullendorf I 59<br />
Veringen: Burgruine (Bild und Artikel) 17<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />
persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />
sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />
Heimat« weiter zu empfehlen.
HOHENZOLLERISCHE<br />
HEIMAT<br />
Herausgegeben vom<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong><br />
32. Jahrgang Nr. 2/Juni 1982<br />
Villa Eugenia, letzte Residenz des Fürsten Konstantin um 1835, Lithographie von J. Ling. Das Bild stammt aus dem neuen Thorbecke-Bildhand<br />
»Hechingen und Zollerburgen« von Karl Mors.<br />
CASIMIR BUMILLER<br />
Vorindustrielles Handwerk und Industrialisierung in Jungingen<br />
Die Gemeinde Jungingen eröffnete im April 1981 ein Heimatmuseum.<br />
Der Besucher darf also erwarten, daß ihm hier<br />
»Heimat« gezeigt wird. Was ist das aber - Heimat?<br />
Hoch über bunt getöntem Waldeskranz,<br />
Schaut ruhmumstrahlt Burg Hohenzollern!<br />
Und wenn sie glüht im Abendsonnenglanz,<br />
Ist keine Heimat zaubervoller.<br />
Und hin durch Flur, durch Strauch und Teich<br />
Steht offen uns ein Himmelreich.<br />
Dies Tal so schön, das Gott uns gab einmal,<br />
Das ist mein Heimatort, mein Killertal.<br />
Dies ist die Antwort des Heimatdichters (es handelt sich um<br />
die 3. Strophe des »Heimatlieds« von Casimir Bumiller) 1 .<br />
Sein Heimatbegriff kennt nur Natur, kaum den Menschen -<br />
er steht ergriffen außerhalb des Gedichts -, und schon gar<br />
nicht seine Arbeit. Ihre Erwähnung würde das Bild stören.<br />
Wo menschliche Erzeugnisse genannt werden, sind es schon<br />
fast Bestandteile der Natur: das Dorf, der Zoller. Das<br />
Gedicht vermittelt einen feierlichen, einen erhabenen Heimatbegriff,<br />
weil es sich über den dörflichen Alltag erhebt.<br />
Dies ist ein Bild der Heimat, das eher einem Wunsch, einer<br />
Sehnsucht entspricht, ein Bild, wie es in den Köpfen entsteht.<br />
Die eigentliche Heimat, wie sie sich draußen vorfindet, sieht<br />
anders aus; da geht es weniger feierlich zu, eher schon banal,<br />
bestimmt von den gewohnten Lebensabläufen, vom Alltagseinerlei,<br />
von der eintönigen Arbeit, dem ständigen Ärger, den<br />
kleinen Freuden.<br />
Um diesen Begriff von Heimat, der die konkrete Lebens- und<br />
Arbeitswelt meint, soll es hier in erster Linie gehen; um die
Heimat der Lebensbewältigung, die unter jeweils veränderten<br />
Bedingungen doch immer dieselben Nöte kennt.<br />
Z.B. Bedrohung. Als die aufgebrachten Reutlinger und<br />
Esslinger Soldaten 1311 das Biirgle zerstört haben, sind den<br />
Junginger Bauern die Felder verwüstet worden, viele Hütten<br />
wurden ein Opfer der Flammen. Die >armen Leute< des<br />
Mittelalters mußten täglich mit dieser Bedrohung leben -<br />
trotzdem: ihnen war wieder einmal Heimat- denn »Heimat«<br />
ist in seiner ursprünglichen Bedeutung der häusliche Herd -<br />
zerstört worden.<br />
Aber lassen wir das Mittelalter hinter uns. Die Angst vor der<br />
Zerstörung der Heimat hat ja hier im Killertal ihren aktuellen<br />
Anlaß in der Diskussion um die geplante neue Trasse der<br />
B 32. Den einen erscheint die neue Straße als Fortschritt,<br />
Entlastung, Zugewinn; den anderen ist sie Rückschritt, Belastung,<br />
Verlust. Verlust natürlicher Lebensumwelt, Verlust<br />
von Heimat. So wird Heimat unversehens von einem Gegenstand<br />
der Dichtkunst zu einem Gegenstand politischer Auseinandersetzung.<br />
Und wir sehen, Geschichte - auch Heimatgeschichte<br />
- ist nie eindeutig, ihre Entwicklung läßt immer<br />
wenigstens zwei Ausdeutungen zu. Wäre es möglich, daß den<br />
Kindern in einigen Jahren das gleichmäßige Dröhnen der<br />
neuen Straße ebenso <strong>heimat</strong>lich in den Ohren klingt wie<br />
früheren Generationen das Pfeifen der Dampflokomotive<br />
... ?<br />
Heimat und unser Verhältnis zur Heimat wandelt sich in der<br />
Geschichte. Selten ist Zeit so schnell geflossen wie in diesem<br />
Jahrhundert, selten drohte sie so ernsthaft zu überfließen.<br />
Die Generation, der ich angehöre, hat schon gelernt mit dem<br />
Überfluß zu leben. Überflüssig wurde auch Heimat: Neckermann<br />
verdrängte sie aus unseren Wohnstuben, das Fernsehen<br />
lieferte uns die Welt frei Haus, und das Auto brachte uns<br />
Italien näher als das Zellerhorn. Alte Holzfässer, Roßkummeter<br />
und Bauernschränke landeten auf dem Sperrmüll: man<br />
kann in einem reichen Arbeiterdorf auf Bauernkultur verzichten.<br />
Jetzt, nach dem Höhenflug des Wirtschaftswunders,<br />
will jeder wieder ein bißchen Bauer sein: man möbelt die alten<br />
Fässer auf, man trinkt wieder Most. Nur wer sich heute einen<br />
Dreschflegel übers offene Kamin hängen oder ein Spinnrad in<br />
die Diele stellen will, muß auf dem Antiquitätenmarkt tief in<br />
die Tasche greifen. Teure Heimat!<br />
Das Heimatmuseum bietet uns Heimat billiger - und anders.<br />
Wenn Heimat nicht nur romantische Natursehnsucht ist,<br />
sondern alltägliche Lebens- und Arbeitswelt, dann muß ein<br />
Heimatmuseum die sich wandelnden Lebensformen einer<br />
bestimmten Umgebung - in diesem Fall des Dorfes Jungingen<br />
- in ihrer geschichtlichen Entwicklung zeigen.<br />
Gehen wir von heute aus! Die alltägliche Lebenserfahrung<br />
der meisten Familien im heutigen Jungingen ist geprägt vom<br />
Gang des Vaters (oft auch der Mutter) zur Fabrik. Die<br />
gesamte Lebensorganisation - der Tagesablauf, die Urlaubsplanung,<br />
das Familienleben -, aber auch das, was sich als<br />
Heimatgefühl, Heimatbedürfnis in uns niederschlägt, hängt<br />
von dieser Voraussetzung ab. Gehen wir etwas mehr als 100<br />
Jahre zurück, dann finden wir in Jungingen nur ganz wenige<br />
Familien, deren Lebensrhythmus von Industriearbeit geprägt<br />
wurde: unter den Gründungsmitgliedern des Männergesangvereins<br />
1867 stehen ganze vier Namen, hinter denen sich -<br />
nicht ohne Stolz vermerkt - die Berufsbezeichnung »Mechaniker«<br />
findet - nur sie wußten bereits, was das ist: Fabrik<br />
(auch wenn die »obere Bude« damals noch eher einem,<br />
traditionellen Handwerksbetrieb mit ersten Ansätzen zur<br />
Mechanisierung glich). Die größte gemeinsame Erfahrungsgrundlage<br />
der Junginger vor 100 Jahren war dagegen bäuerliche<br />
Arbeit: alle Familien trieben Landwirtschaft. Und dennoch<br />
war Jungingen damals auch kein eigentliches Bauerndorf:<br />
1871 gingen 170 von rund 850 Einwohnern auf den<br />
18<br />
Hausierhandel, und an Handwerk hatte das Dorf fast alles,<br />
wessen es bedurfte: wenigstens 35 Familien lebten auf der<br />
Grundlage eines Handwerks- oder Gewerbebetriebes.<br />
Jungingen war also nie ein reines Bauerndorf. Einige Zahlen<br />
sollen die Bedeutung des Handwerks in der Geschichte<br />
unseres Dorfes deutlich machen. Im Stichjahr 1605 war für 26<br />
von etwa 70 Familien ein Handwerk die Lebensgrundlage,<br />
um 1760 für 40 von 120 Familien und um 1870 noch für 35<br />
von 170 Familien; Mitglieder von etwa 50 Familien gingen<br />
jetzt aber auf den Hausierhandel 2 .<br />
Handwerk und Gewerbe waren in Jungingen also jeweils<br />
überdurchschnittlich stark angesiedelt. Dies ist nicht schwer<br />
zu erklären: Die Böden der Junginger Gemarkung sind nicht<br />
die besten, und die landwirtschaftliche Nutzfläche war seit<br />
dem Mittelalter ungefähr dieselbe geblieben (anno 1544 483<br />
Morgen 3 , ungefähr 200 ha), während die Bevölkerung - mit<br />
Einschränkung des 30jährigen Krieges - stetig und schnell<br />
anwuchs. Um 1760 standen jeder Familie in Jungingen (bei<br />
120 Familien) im Schnitt nicht einmal mehr 2 ha Land zur<br />
Verfügung - das war zum Sterben zuviel, zum Leben aber<br />
zuwenig. Die jungen Familiengründer mußten sich also<br />
Lösungen der Überlebensfrage einfallen lassen.<br />
Der früheste Ausweg war eben das Erlernen eines Handwerks.<br />
Im 16. Jahrhundert war die Gemeinde zunächst noch<br />
gezwungen, Handwerker mit wichtigen Berufen von außen<br />
anzuwerben; sie griff dabei sogar direkt in die persönliche<br />
Freiheit ihrer Bewohner ein. 1610 oder 1611 war der Junginger<br />
Schmied Kientzler gestorben. Als sich die Witwe Barbara<br />
Daubenschmidin darauf wiederverheiraten wollte, verweigerte<br />
die Gemeinde dem zunächst Auserwählten das Bürgerrecht.<br />
Erst als die Witwe den heiratswilligen Schmied Hebich<br />
aus Wilflingen für sich gewonnen hatte, war man gerne<br />
bereit, ihn aufzunehmen. Auch den Metzger Rees mußte man<br />
um dieselbe Zeit den Burladingern abspenstig machen. Im<br />
18. Jahrhundert waren schließlich Mitglieder aus allen alteingesessenen<br />
Familien im Handwerk heimisch geworden; viele<br />
von ihnen verwalteten über Generationen hinweg die wichtigsten<br />
Betriebe: die Schuler als Wagner, die Bosch als<br />
Schmiede, die Riester als Schreiner, die Speidel und die<br />
Bumiller als Säger. Allerdings wurde Mitte des 18. Jahrhunderts<br />
schon deutlich, daß die Betriebe die weitverzweigten<br />
Familien nicht mehr ernähren konnten: um 1760 sollten von<br />
der oberen Säge vier geschwistrige Kindskinder mit ihrem<br />
zahlreichen Anhang leben, das war aber bei der Konkurrenz<br />
der unteren Säge und bei sinkendem Bedarf an Bauholz nicht<br />
mehr möglich.<br />
Diese Situation überfüllter Wirtschaftsstellen führte zur<br />
2. Lösung: Auswanderung. Aus Jungingen sind im 18. Jahrhundert<br />
nur acht Parteien ausgewandert, darunter auch<br />
Handwerker, im 19. Jahrhundert vielleicht noch einmal<br />
soviel. Dies ist gemessen an anderen Gemeinden nicht viel,<br />
denn die Junginger hatten inzwischen eine 3. Lösung gefunden:<br />
den Hausierhandel, dessen Zunahme seit dem ausgehenden<br />
18. Jahrhundert wohl den Rückgang der Handwerksstellen<br />
erklärt.<br />
Die zeitlich letzte, dafür aber zivilisationsgeschichtlich<br />
umwälzendste Lösung der Überlebensfrage stellte der Eintritt<br />
des Dorfes in das Industriezeitalter dar. Dieser bedeutenden<br />
Entwicklung in der Junginger Geschichte möchte ich<br />
einige Überlegungen widmen. Vom Ausgangspunkt der<br />
Überlebensfrage bis zur Industrie ist ein langer Weg, und es<br />
ist nicht ganz selbstverständlich, daß das Dorf gerade ihn<br />
einschlug. Wir können aber einige Stationen verfolgen. Als<br />
der 22jährige Ludwig Bosch 1852 seine Lehr- und Wanderjahre<br />
beendet hatte, brachte er nach Jungingen einen neuen<br />
Beruf mit: Mechaniker. Diese »Kunst« wies beträchtlich über<br />
das Handwerk des Vaters, der Dorfschmied war, und über
den Horizont des Dorfes hinaus. Denn zwar konnte er den<br />
Leuten auf dem Dorf kleine alltägliche Dinge herstellen, aber<br />
was er eigentlich produzieren wollte, waren große, komplizierte<br />
und teure Geräte, wie Turmuhren oder Waagen. Dazu<br />
benötigte er zunächst einmal Geld, um die Rohstoffe und<br />
spezielle Maschinen anschaffen zu können. Er hatte Glück,<br />
denn Jungingen war gerade kurz zuvor preußisch geworden<br />
(1851), und die preußische Regierung versuchte die Armut<br />
der Bevölkerung im neuen Landesteil durch »Industrialisierung<br />
von oben« vergeblich zu lindern. Da kam dann die<br />
Eigeninitiative eines einheimischen Handwerkers mit<br />
zukunftsträchtigem Beruf gerade recht. Zweimal - 1856 und<br />
1866 - erhielten Ludwig Bosch und seine Brüder staatliche<br />
Finanzspritzen, so daß die Produktion in Schwung kam.<br />
Noch haben wir es mit einem Handwerksbetrieb zu tun;<br />
zwar sind schon manufakturartig mehrere Arbeiter beschäftigt,<br />
aber die eigentliche Stufe der industriellen Produktion ist<br />
erst erreicht, als 1882 Dampfkraft die Maschinen antreibt und<br />
so Serienproduktion für den Markt möglich wird.<br />
Wir finden in dieser Geschichte viele Bedingungen: neue<br />
technische Fertigkeiten, Initiative, Kapital, Arbeitskräfte, die<br />
gern bereit sind, den neuen Weg mitzugehen, Maschinenkraft,<br />
nicht zuletzt aber günstige politische und wirtschaftliche<br />
Rahmenbedingungen - erst dies alles zusammen<br />
genommen ergibt etwas nie zuvor in der Geschichte Dagewesenes:<br />
Industrie.<br />
Hinzu kommt bei den ersten Betriebsgründern wohl ein<br />
Blick über die Grenzen des Dorfes und über die Gegenwart<br />
hinaus. Ludwig Bosch hätte auch wie der Vater Schmied<br />
werden können, er hat aber wohl gespürt, daß darin keine<br />
Zukunft liegt. Oder, wenn wir an einen anderen Fabrikanten<br />
denken, Meinrad Bumiller, der 1873 die erste hohenzollerische<br />
Peitschenfabrik gründete, so ist es nicht unerheblich,<br />
daß er die Erfahrung industrieller Produktionsweise aus Prag<br />
mitbrachte: er hatte die Welt gesehen. Insgesamt mußte ein<br />
Denken entwickelt sein, das Max Weber den »Geist des<br />
Kapitalismus« genannt hat, d. h. ein Planen über den morgigen<br />
Tag hinaus, ein Denken in Kategorien von Einsatz und<br />
Gewinn, von Pünktlichkeit, Ordentlichkeit, Genauigkeit<br />
und ähnlichen bürgerlichen Tugenden.<br />
Nicht alle Menschen kamen mit diesem Denken einer neuen<br />
Zeit zurecht. Nach glaubhaften Erzählungen sind den Junginger<br />
Hausierern nach dem Ersten Weltkrieg Hunderttausende<br />
von Reichsmark in der Inflation kaputtgegangen. Diese<br />
Menschen lebten ein Lebenlang nach außen hin ärmlich,<br />
arbeitsam und bescheiden. Ihre Handelsgewinne, die sie von<br />
jeder Reise mitbrachten, ließen sie auf der Bank ruhen.<br />
Keiner kam auf die Idee, mit den anwachsenden Geldsummen<br />
etwa ein Handelshaus aufzubauen. Daß Geld >arbeiten<<br />
soll - so wie es Menschen tun -, war ihnen eine fremdartige<br />
Vorstellung. Und hunderttausend Mark im Sparstrumpf ist<br />
noch kein Kapital...<br />
Nicht nur die Hausierer, auch viele Handwerker waren nicht<br />
in der Lage, den Schritt in die neue Zeit mitzutun. Das<br />
Holzhandwerk gehörte zwar zum ältesten und breitgegliedersten<br />
im Dorf, aber dies scheint schon zu den Gründen zu<br />
zählen, weshalb von dieser Seite nicht viel zu erwarten war.<br />
Die Bumiller saßen seit 400 Jahren auf einer Sägemühle, die<br />
Speidel bereits mehr als 200 Jahre, und man erhält das Gefühl<br />
von einer gewissen Müdigkeit. Auch wenn auf der unteren<br />
Säge um die Jahrhundertwende noch ein Motor installiert<br />
wurde, einen Industriebetrieb wollten der Sägerseppel und<br />
der Spuntmattheis nicht errichten. Da hatte die »Dampfe«<br />
(Gebr. Riester, Möbelfabrik 1907), die aus einer jungen<br />
Schreinerei hervorging, doch etwas mehr Schwung. Oder<br />
denken wir an die Peitschenfabriken, so stellten sie zwar im<br />
ersten Drittel unseres Jahrhunderts einen auch überregional<br />
bedeutenden Industriezweig der Gemeinde dar, aber ein<br />
Mann wie L. Bosch, der ja schon 50 Jahre früher nicht ohne<br />
Grund kein Schmied mehr geworden war, hätte den Peitschenfabrikanten<br />
sagen können, daß ihre Produkte bald keine<br />
Abnehmer mehr haben würden. So war die kurze Blüte der<br />
Junginger Holzindustrie nur noch die Krone auf einem<br />
Holzgewerbe mit alter Tradition, aber ohne Zukunft.<br />
Die Zukunft gehörte neben der Metallverarbeitung der Textilbranche.<br />
Zwar wurde der erste Textilbetrieb von einem<br />
Drechsler, Bernhard Schuler, gegründet (1878), aber er war<br />
in seiner Jugend in der von der preußischen Regierung<br />
eingerichteten Webschule gewesen und hatte dort neue Techniken<br />
erworben. Und wohl auch das Wissen, daß aus Frankreich<br />
eine hochmoderne Textiltechnologie zu uns gekommen<br />
war. Viele Jahre nach der Lehre besann er sich darauf, und<br />
ließ, nachdem er zunächst zweigleisig gefahren war, seine<br />
Holzprodukte fallen, um nur noch Wirkwaren herzustellen.<br />
Eine seiner ersten Nähmaschinen können wir hier im<br />
Museum bewundern.<br />
Gehen wir zum Ausgangspunkt der industriellen Entwicklung<br />
zurück, der Armut unserer Bevölkerung, und fragen<br />
uns, was die damals einsetzende Industriealisierung gebracht<br />
hat, so können wir dies in Zahlen - etwa in Einkommenstabellen<br />
- nicht darstellen. Bezeichnend ist aber, daß schon um<br />
die Jahrhundertwende »Wohlhäbigkeit« »aus allen Fenstern<br />
schaut«, wie der Dichter Heinrich Hansjakob nach seiner<br />
Fahrt durch Jungingen schrieb. Zu dieser Wohlhabenheit<br />
trugen neben den Fabriken nicht unerheblich die z. T. großen<br />
Geldmassen der Hausierer bei, die mit ihrem Geld wenigstens<br />
manchen Sohn Lehrer werden ließen. Im Gegensatz zu<br />
den großstädtischen Industriezentren die erst einmal eine<br />
ungeheure Verelendung unter den besitzlosen Massen<br />
erzeugten, begann die Industrialisierung bei uns die bestehende<br />
Armut abzubauen. Zwar wurden auch hier Hungerlöhne<br />
gezahlt 4 , aber jede Familie hatte eine kleine Landwirtschaft,<br />
und wenn noch jemand aus dem Haushalt auf den<br />
Hausierhandel ging, dann war das wirtschaftliche Auskommen<br />
mehrfach gesichert. Aus dieser »Wohlhäbigkeit« entwickelte<br />
sich in Jungingen um die Jahrhundertwende ein<br />
selbstbewußtes, weltgewandtes, z. T. wohl auch schrulliges<br />
Kleinbürgertum, das sich z.B. in einem Leseverein liberale<br />
bürgerliche Gedanken aneignete, sich aber auch den Spott<br />
und den Neid der umliegenden Gemeinden zuzog.<br />
Hier sind wir an einem Punkt angelangt, wo wir wieder auf<br />
den Heimatbegriff zurückkommen können. Diesr Wandel in<br />
den Lebensgrundlagen und Lebensformen zwischen etwa<br />
1870 und 1930, der dem allgemeinen Zivilisationssprung ins<br />
technische Zeitalter entsprach, ließ in vielen ein Heimatgefühl<br />
entstehen, das von Natursehnsucht ganz deutlich<br />
geprägt war. Und es gab einen unter den Dorfbewohnern, der<br />
diese Bedürfnisse ausdrucken und in Verse fassen konnte: den<br />
Gastwirt Casimir Bumiller (1861-1930), dessen unzählige<br />
Heimatgedichte aus der Zeit zwischen 1880 und 1930 stammen,<br />
also gerade aus dem hier behandelten Zeitraum gesellschaftlichen<br />
Wandels. Die zunehmende Verlagerung der<br />
Arbeitsplätze vom Feld, wo man beweglich und frei war, in<br />
geschlossene Räume, wo man zehn Stunden gebunden war,<br />
erforderte einen Ausgleich, in dem die freie Natur unter dem<br />
weiten Himmel zur eigentlichen Heimat wurde.<br />
Unser kleines Museum ist in erster Linie diesem Zeitraum des<br />
Übergangs vom vorindustriellen Handwerk zur Industrie<br />
gewidmet. Natürlich sind darüber die archäologischen und<br />
archivalischen Dokumente zur Junginger Geschichte bis ins<br />
frühe Mittelalter zurück nicht vergessen worden. Bedeutsam<br />
ist dabei, daß dieses Museum die Lebensformen der Großund<br />
Urgroßeltern nicht zur >guten alten Zeit< verklärt, sondern<br />
ganz unromantisch - was nicht heißt: ohne eine gewisse<br />
anregende Ästhetik - Lebensbedingungen darstellt und die<br />
spezielle Antwort, die die Junginger seit hundert Jahren<br />
19
darauf geben. Der Besuch der Räume provoziert Vergleiche<br />
zwischen damals und heute. Dabei sollte es nicht um Feststellungen<br />
gehen von der Art: >Früher war es doch schöner< oder<br />
>Heute ist alles besser
In einem Schreiben vom 9. Juni 1835 (unterzeichnet von Wolf<br />
Raphael, Salomon B. Dreyfus und Wolf J. Wolf) an die<br />
Regierung machten sie die ergebenste Mitteilung, »daß eine<br />
Gesellschaft von jungen Männern zusammengetretten, um<br />
allwöchentlich des Sabbaths in deutschen Vorträgen,<br />
Betrachtungen und Ansichten, über Religion und Moral den<br />
Zeitverhältnissen und Zeitanforderungen entsprechend<br />
durch den Cand Theol. Reichenberger zu vernehmen 21 «.<br />
10. Jüdischer Gesangverein<br />
Rabbiner Dr. Samuel Mayer führte in dem 1844 erschienen<br />
und schon mehrfach erwähnten Artikel »Geschichte der<br />
Israeliten in Hohenzollern-Hechingen« (Sp. 540) an: »In<br />
diesem Winter haben etwa 20 Jünglinge einen Gesangverein<br />
errichtet, und solche Vereine sollten sich in allen Gemeinden<br />
bilden«. Dieser Verein wird wohl in den allgemeinen Gesangverein<br />
aufgegangen sein, der 1853 unter dem Vorsänger<br />
Lichtenstein gegründet wurde und dessen langjähriger Direktor<br />
Lichtenstein war. Kantor Lichtenstein war damals 38<br />
Jahre alt und Vorsänger in der Oberstadtsynagoge, während<br />
der betagte 72jährige Marx Kürzinger Vorsänger in der<br />
Synagoge auf der Friedrichstraße war. Übrigens war Lichtenstein<br />
von etwa 1862 bis zu seinem Tode 1874 auch Dirigent<br />
des Synagogenchors, dessen Heranbildung ebenfalls sein<br />
Werk war.<br />
Es ist zweifelhaft, ob es sich bei dem in der »Chronik der<br />
Stadt Hechingen« (1980) genannten Kaufmännischen Verein<br />
Merkuria (1876 erstmals in der Zeitung erwähnt) um einen<br />
jüdischen Verein handelte. In der Chronik wird ausgeführt:<br />
»Es verfolgte den Zweck, durch Vorträge und Unterhaltung<br />
einer umfangreichen Bücherei den Bildungsstand seiner Mitglieder<br />
zu heben. Die Mitglieder gehörten meist der Israelitischen<br />
Gemeinde an. Als letzter jüdischer Verein bestand er<br />
bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts und löste sich mit<br />
der Zeit der beginnenden Verfolgung selbst auf«. (Unterm<br />
Jahr 1884 heißt es: »Aus der früheren Gesellschaft Merkuria<br />
bildete sich ein Kaufmännischer Verein, der bis zum Jahr<br />
1933 Bestand hatte«.)<br />
11. Verein zur Pflege jüdischer Geschichte und Literatur<br />
1904 wurde ein Verein zur Pflege jüdischer Geschichte und<br />
Literatur gegründet. Dem Verein stand Julius Levi vor. Der<br />
Verein veranstaltete auch Konzerte".<br />
1938 bestanden hier - außer den beiden oben bereits angeführten<br />
Vereinen Chevra Kadischa und Isr. Frauenverein -<br />
noch folgende jüdische Vereine 23 , die sämtlich nicht rechtsfähig<br />
waren:<br />
12. Jüdischer Zentralverein, Ortsverband Hechingen. Sein<br />
Zweck war die Rechtsberatung der Juden. Zur Vertretung<br />
berechtigt war Leon Schmalzbach.<br />
13. Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, Ortsverband<br />
Hechingen, der sich zum Ziel gesetzt hatte, den soldatischen<br />
Geist und die Frontkameradschaft zu pflegen. Zur<br />
Vertretung berechtigt war Max Singer.<br />
14. Hilfsverein der Juden in Deutschland, Ortsverband<br />
Hechingen. Er förderte die Auswanderung der Juden aus<br />
Deutschland. Zur Vertretung war wiederum Max Singer<br />
berechtigt.<br />
Diese drei Vereine hatten kein Kapital. Es wurden nur<br />
Mitgliedsbeiträge eingesammelt und restlos an den jeweiligen<br />
Hauptverein abgeführt. Statuten waren nicht vorhanden.<br />
15. Ferner bestand hier noch der Ortsverband Hechingen<br />
des Jüdischen Lehrhauses Stuttgart. Der Zweck dieses<br />
Vereins war die religiöse Belehrung. Aus einer Befragung<br />
des Herrn Walter Frank, der zur Vertretung des Vereins<br />
berechtigt war, durch einen Polizeihauptwachtmeister (über<br />
die am 9. 9. 1938 ein Bericht angefertigt wurde -)<br />
wissen wir, daß in den Herbst- und Wintermonaten<br />
religiöse Kurse über die Gebets- und Gottesdienstordnung<br />
abgehalten sowie Übersetzungen von Gebeten aus<br />
der hebräischen in die deusche Sprache eingeübt wurden.<br />
Diese Kurse hielt regelmäßig Religionslehrer Leon<br />
Schmalzbach ab, und zwar im jüdischen Gemeindehaus<br />
in der Goldschmiedstraße mittwochs in der Zeit zwischen<br />
20.30 und 21.30 Uhr alle vierzehn Tage. Außerdem<br />
fanden jährlich bis zu zwei Vorträge von auswärtigen<br />
Rednern über religiöse Themen statt 24 . Der Vorstand<br />
verwaltete eine Bücherei, die 1076 Bände umfaßte<br />
25 . Kapital war nicht vorhanden. Die jährlichen Mitgliederbeiträge<br />
in Höhe von ca. 130 RM wurden für<br />
Bücher und als Beitrag zum Hauptverein ausgegeben.<br />
Statuten waren nicht vorhanden.<br />
Von der Auflösung des Ortsverbandes Hechingen des<br />
Jüdischen Lehrhauses Stuttgart kündet ein Brief von<br />
Alfred Loewenthal, dem damaligen Vorsteher der israelitischen<br />
Gemeinde, an den Bürgermeister der Kreisstadt<br />
Hechingen vom 3. Juli 1939:<br />
»Wir teilen Ihnen mit, daß der Ortsverband Hechingen<br />
des Jüdischen Lehrhauses Stuttgart mit Wirkung ab 1.<br />
Juli 1939 aufgelöst wurde, nachdem infolge anhaltenden<br />
Rückganges der Mitgliederzahl eine Notwendigkeit für<br />
die Aufrechterhaltung des Ortsverbandes nicht mehr<br />
besteht. Die vorhandene Bibliothek wurde der Isr. Gemeindeverwaltung<br />
Hechingen zur Benützung für deren<br />
Gemeindemitglieder übergeben. Barvermögen des Ortsvorbandes<br />
ist nicht vorhanden«.<br />
16. Jüdische Kultusvereinigung Hechingen e. V.<br />
Gemäß Reichsgesetz über die Rechtsverhältnisse der jüdischen<br />
Kultusvereinigungen vom 28. 3. 1938 wurde die jüdische<br />
Kultusvereinigung Hechingen ein eingetragener Verein<br />
26 . Die Satzung ist unterzeichnet von Alfred Loewenthal,<br />
Isidor Weil, Otto Hofheimer, Leon Schmalzbach, Karl<br />
Hamburger, Isidor Bernheim und Martha Hofheimer. Als<br />
Zweck der Kultusvereinigung wird in § 2 der Satzung »die<br />
Betreuung des religiösen Lebens ihrer Mitglieder« angegeben.<br />
»Als Zweigstelle der Reichsvereinigung der Juden in<br />
Deutschland«, so heißt es weiter, »nimmt sie die örtlichen<br />
Aufgaben der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland<br />
wahr 27 «. Alle Personen jüdischen Glaubens, die bei Inkrafttreten<br />
des Reichsgesetzes vom 28. 3. 1938 Mitglied der<br />
jüdischen Gemeinde waren oder nach Maßgabe der ersten<br />
Durchführungsverordnung vom 30. 1. 1939 geworden sind,<br />
wurden Mitglieder der »Jüdischen Kultusvereinigung<br />
Hechingen E. V.«<br />
Anmerkungen<br />
1<br />
StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 316<br />
2<br />
Ebenda<br />
3<br />
SAH API. 5422 Bd. Rechtsverhältnisse der Israelitischen Gemeinde<br />
4<br />
Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 310<br />
5<br />
Schreiben der M. Jacob Weil u. Jacob Simon an die Fürstl.<br />
Regierung vom 23. Aug. 1839. Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr.<br />
310<br />
6<br />
Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 303<br />
7<br />
Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 306<br />
8<br />
Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 311<br />
9 Lagerort: StAS Ho 235 I-X 1230<br />
21
10<br />
Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 314<br />
11<br />
Ebenda.<br />
12<br />
Ebenda.<br />
13<br />
StAS Ho 235 I - X 1230 - Im Nachgang zu Art. VII der<br />
Übereinkunft der Deputierten der israel. Gemeinde und dem Dr.<br />
Samuel Mayer wegen dessen Anstellung als Rabbiner vom 29.<br />
September 1834.<br />
14<br />
Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 311<br />
15<br />
In dem o.g. Artikel von Rabbiner Dr. Mayer, Sp. 572<br />
16<br />
Ebenda.<br />
17<br />
Lagerort: SAH Nr. 91<br />
18<br />
Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 302<br />
19<br />
In dem o. g. Artikel von Rabbiner Dr. S. Mayer, Sp. 521, Fußnote<br />
10<br />
20<br />
Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 305<br />
21 Ebenda.<br />
OTTO WERNER<br />
22<br />
Vgl. die Programmzettel vom 16. 10. 1909 und vom 13. 11. 1910in<br />
der HHB Hechingen, R 12 XXII und XXIII - Im Akteninventar<br />
der Israelitischen Gemeinde Hechingen wird ein Kassenbuch des<br />
jüd. Literarischen Vereins 1904-1911 aufgeführt.<br />
23<br />
Vgl. das Schreiben der Israelitischen Gemeinde Hechingen an das<br />
Stadtbürgermeisteramt Hechingen vom 7. Juli 1938 betr. jüdische<br />
Vereine und Stiftungen. Lagerort: SAH API. 5422 Rechtsverhältnisse<br />
der Israelitischen Gemeinde.<br />
24<br />
Lagerort: Ebenda.<br />
25<br />
Bücherverzeichnis, Jüdisches Lehrhaus Stuttgart, Ortsverband<br />
Hechingen. Lagerort: Ebenda.<br />
26<br />
Vgl. Satzung der Jüdischen Kultusvereinigung Hechingen E. V.<br />
vom 30. Oktober 1939. Lagerort: StAS Ho 235 I - VIII F 23 (Nr.<br />
339)<br />
27<br />
Ebenda, S. 2<br />
Die gemeine Stadt Hechingen und der Bau der Stiftskirche vor 200 Jahren<br />
Die beiden Bürgermeister und Deputierten der Stadt Hechingen<br />
erklärten sich in einer im fürstlichen Residenzschloß<br />
geführten Verhandlung vom 13. September 1776 »ausdrücklich<br />
bereit..., zu dem vorhabenden Kirchenbau die Handund<br />
Spannfrohnen, wie es in dem Bistum Constanz hergebracht<br />
sei, gratis prästiren zu wollen« 1 . Am 14. Mai 1778<br />
schließlich wurde die Hechinger Bürgerschaft aufgrund eines<br />
Dekrets der fürstlichen Hofratskanzlei wegen der Kirchenbaufronen<br />
auf das Rathaus berufen und ihr befohlen, »daß<br />
bey dem bevorstehenden Stadt Kirchen Bau die Handfrohner<br />
fleissig und düchtige Leüth erscheihnen« und »die Fuhr<br />
Frohnen auch sich fleissig einstellen sollen«. Bei den Fronen<br />
müsse sich jederzeit ein Baumeister einfinden, »damit alles in<br />
der Ordnung gehe«. Der Stadtschultheiß habe dies alles auf<br />
Begehren des zum Kirchenbau bestellten Bauballiers zu<br />
veranlassen 2 .<br />
In den folgenden Jahren finden sich in den Stadtgerichtsprotokollen<br />
öfter die Kirchenfronen betreffende Klagen. Am<br />
4. August 1779 wurde vermerkt, daß die Spann- und Handfronen<br />
»einige Zeit her schlecht verrichtet, und darüber Klage<br />
geführet worden«. Um die Sache »in bessere Ordnung einzuleiten«,<br />
wurde der Bürgerschaft bekanntgegeben, daß jeder,<br />
der in Zukunft bei den Kirchenbaufronen sich nicht »behörig<br />
einfinden und dabey seine Schuldigkeit erfüllen würde«,<br />
beim erstenmal »um eine Stadt-Einigung ohne alle Rücksicht<br />
gestrafet«, beim zweitenmal aber zur exemplarischen Bestrafung<br />
an die fürstliche Hofratskanzlei verwiesen werde. Die<br />
Stadteinigung war ein Strafmaß vergleichbar dem heutigen<br />
Tagessatz; eine Stadteinigung entsprach zu jener Zeit einem<br />
Betrag von etwas mehr als einem halben Gulden, eine doppelte<br />
Stadteinigung einem Gulden und 17 Kreuzer. - Am<br />
22. Dezember 1779 wurde die Verordnung »wegen neüer<br />
dingen eingekommenen Klagen« wiederholt.<br />
Der Fürst befahl am 30. April 1780 die Bekanntgabe eines<br />
Dekrets, in dem die Eltern aufgefordert wurden, ihre Kinder<br />
zu mahnen und ihnen schärfstens zu verbieten, die Baustelle<br />
der Pfarrkirche zu betreten. Der Anlaß war, daß sich mehrmals<br />
die Kinder »rottenweise« bei der neu zu erbauenden<br />
Kirche versammelten, »über die Grüster« hin- und herliefen<br />
und verschiedenen Mutwillen ausübten. Diejenigen, »so<br />
fürohin diesfalls denutiret werden«, sollen »ohne alle Rücksicht«<br />
einer Strafe von 10 Reichstalern verfallen.<br />
Auf einen »Special Befehl« des Fürsten wurde am<br />
13. November 1781 der versammelten Bürgerschaft »der<br />
Kirchenfrohn neüerdingen schärfist anbefohlen«. In Zukunft<br />
sollte keiner mehr, »so oft ihme gebotten«, ausbleiben, »bey<br />
22<br />
Gewärtigung schärfster Strafe und Ungnad«; auch sollten<br />
lauter tüchtige Leute gestellt werden. - Mit den Fuhrleuten<br />
wurde vereinbart, daß von nun an für alle Fuhren zwei<br />
Kreuzer als Fuhrlohn bezahlt würden. Diese Lohngelder<br />
sollten der Stadt durch eine Steuerumlage wieder ersetzt<br />
werden. Eine Abordnung der Fuhrleute erreichte aber schon<br />
bald darauf, daß darüber hinaus »bey jeder Fuhr auf die<br />
Hechinger und Steinerner Seegmühle, so auch in die beede<br />
Steinbrüche« für jeden Zug sechs Kreuzer, »bei Bauholz und<br />
Seeg-Klöz führen aus denen Waldungen« zwölf Kreuzer,<br />
»auf eine entfernte Seegmühle als zu Jungingen« zehn Kreuzer<br />
bezahlt wurden. Eine entsprechende Resolution des<br />
Kanzlers von Franck wurde in den Stadtgerichtsprotokollen<br />
am 13. Dezember 1781 vermerkt.<br />
Am 29. Februar 1783 wurde vor dem Stadtgericht wegen des<br />
Kirchenholzersatzes durhc die Gemeinde Beuren verhandelt.<br />
Die Stadt Hechingen hatte seit 1779 »an ganzen Eichen und<br />
Klötze« 217 St. für den Kirchenbau abgegeben. Der Wert<br />
dieses Holzes wurde auf 913 Gulden taxiert. Nun hätte die<br />
eingepfarrte Gemeinde Beuren im Verhältnis der dortigen<br />
Bürgerschaft zur Holzabgabe beitragen müssen. Seitens des<br />
Kanzlers wurde bestimmt, daß »ein billigmäsiger Ersaz, so<br />
sie diesfals gemeiner Stadt schuldig seye«, von der Gemeinde<br />
Beuren entweder in 50 Klafter Buchenholz oder in 50 Gulden<br />
barem Geld »bestehen dürfte, worauf sich bemelte Gemeinde<br />
zu Entrichtung des letzteren resolvieret, welche sie in 14<br />
Tagen einliefern wolle«.<br />
Als letzte Nachricht zum Kirchenbau finden wir in den<br />
Stadtgerichtsprotokollen eine Strafanordnung vom<br />
22. August 1783. Hans Jerg Schertt war an einem Sonntag<br />
während des vormittägigen Gottesdienstes von Franz Stotz in<br />
dessen Garten angetroffen worden, »wie er von seinem Baum<br />
Bieren herabgethan«. Nur weil Schertt dies nicht ableugnete<br />
und »in Rücksicht seiner sonstigen mittellosen Umstände«,<br />
wurde er »für diesmal noch mit der wohlverdienten Leibs-<br />
Strafe verschont«. Aber er mußte sein Vergehen mit achttägigen<br />
Frondiensten bei der Stadtkirch abbüßen.<br />
Anmerkungen<br />
1 Laut eines Urteils des Königlichen Spruchkollegiums für landwirtschaftliche<br />
Angelegenheiten in Sigmaringen in der »Baulasten-<br />
Ablösungs-Sache von Hechingen« v. 8. Januar 1866 - »Ausfertigung<br />
für die Parochianen zu Hechingen zu Händen des Postmeisters<br />
Haimb zu Hechingen«. Lageort: HHB Hechingen, K 363<br />
XX.<br />
2 Stadtgerichtsprotokolle 1778-1801. Lagerort: SAH Folio A 14.<br />
Dort auch die übrigen Zitate entnommen.
Melchinger Sühnekreuze<br />
Im letzten Jahr erschien das grundlegende Werk über Sühnekreuze:<br />
Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg<br />
von Bernhard Losch. Joh. Ad. Kraus berichtet hier<br />
über ein Beispiel aus Hohenzollern.<br />
Westlich des Dorfes Melchingen bei der Flur Falltor wurde<br />
im Jahre 1735 unter Pfarrer Josef Deuber eine Kapelle zur<br />
Schmerzhaften Muttergottes erbaut. Sie steht in der Gabelung<br />
der Straße Salmendingen und Talheim. An der westlichen<br />
Außenseite und an der Südseite des Chores findet man,<br />
fast im Grase versteckt, zwei uralte Steinkreuze. Sie reichen,<br />
wie man unschwer aus ihrer altertümlichen Form schließen<br />
kann, weit über die Entstehungszeit der Kapelle zurück und<br />
wurden wahrscheinlich bei deren Bau an die jetzige Stelle<br />
gerückt. Eine Volksüberlieferung scheint es darüber nicht zu<br />
geben, denn sonst hätte der 1979 verstorbene Pfarrer Albert<br />
Waldenspul sicher etwas herausbekommen. Es liegt jedoch<br />
schon seit 1906 ein literarischer Hinweis vor in dem Buch<br />
»Zollerische Schlösser und Burgen usw.« von K. Th. Zingeler<br />
und G. Buck (S. 118). Dieser kann mit großer Wahrscheinlichkeit<br />
die Herkunft der beiden Kreuze klären.<br />
Als einfache Grenzsteine waren derartige Werke eines Steinhauers<br />
meines Wissens in unserer Gegend nicht üblich. Nur<br />
im 16. Jahrhundert ist in der Gegend zwischen Salmendingen,<br />
Willmandingen und dem Straßenabstieg nach Talheim<br />
ein »Greinsbild« als Grenzstock des »Wirtembergischen<br />
Forsts« nachzuweisen, vielleicht dort, wo jetzt ein Feldkreuz<br />
steht. Was das Greinsbild darstellte oder wem es seine<br />
Entstehung verdankte, scheint nicht bekannt zu sein. Zingeler<br />
berichtet nun in diesem Buch: »Aus Melchingen wird<br />
urkundlich eine für das ausgehende Mittelalter charakteristische<br />
Buße erzählt. Die beiden Melchinger Hans Nollhart und<br />
Blotz hatten den Hans Singer von Undingen im Streit erschlagen.<br />
Für dessen Seelenheil (den man wohl auch nicht für ganz<br />
schuldlos hielt) sollten sie vierzig Messen lesen lassen. Dabei<br />
mußten sie mit 60 Männern, von denen jeder eine halbpfündige<br />
Kerze trug, zum Opfer gehen. Ihre eigene Kerze muße<br />
ein Gewicht von einem Pfund haben.<br />
Ferner waren sie verpflichtet, (je) ein fünf Fuß hohes und drei<br />
Fuß breites Kreuz aus Stein aufrichten zu lassen. Sie mußten<br />
in der Kirche einen Jahrtag für Hans Singer stiften und den<br />
Verwandten zwanzig Gulden (»Wehrgeld«) geben. Binnen<br />
Jahresfrist hatten sie eine Wallfahrt nach Ach (Aachen) und<br />
eine nach Einsiedeln zu »Unserer lieben Frau« zu machen.<br />
Veringer Gerichtsurteile<br />
1605 Bestallungsbrief von der Herrschaft Hettingen gegen<br />
den hiesigen Scharfrichter Michael Karg, was er für das<br />
Köpfen jedesmal empfangen sollte.<br />
1609 Mariae Verkündigung. Meister Michael Kargen von<br />
Kalb (Calw?) Züchtigers von der Stadt Veringen gegebene<br />
Bestallung seines Schinderamtes.<br />
1611 11. März ist hier zu Veringenstadt Hans Lacher von<br />
Binswangen durch den Strang und sein Sohn Georg Lacher<br />
mit dem Schwerdt hingerichtet worden. Christoph Vischer,<br />
Schultheiß, war Stabhalter.<br />
1611 23. Juli wurde Waldburga Millerin von Egelfingen<br />
wegen Hexerei enthauptet und verbrannt. Schulth. Chr.<br />
Vischer, Stabhalter.<br />
1612 23. März wurde Christa Flekh mit dem Schwert hingerichtet.<br />
Schulthaiß Christoph Vischer, Stabhalter.<br />
So hatten es die drei zuständigen Grafen Jodok Niklas von<br />
Zollern (fl488), Eberhart von Wirtemberg und Georg von<br />
Werdenberg (t 1500) miteinander verglichen und den Streit<br />
geschlichtet.« Warum der Zollergraf beteiligt war, ist nicht<br />
ganz klar. Vielleicht war die Tat im zollerischen Forst<br />
(westlich vom Zellerhorn, Fehla- und Laucherttal) geschehen,<br />
vielleicht war er auch nur Vermittler. Der Jahrtag für<br />
Singer in Undingen wird wohl durch die Glaubensspaltung<br />
bald beendet worden sein. Mit Grund darf man annehmen,<br />
daß die beiden Melchinger Kreuze auf diese Gerichtsentscheidung<br />
zurückgehen, wenn sie auch heute nicht mehr fünf<br />
Fuß hoch sind.<br />
Melchingen, Kapelle zur Schmerzhaften Muttergottes 1735. Sühnekreuz<br />
an der Chorwand.<br />
1612 12. Juli wurde Hans Koch, genannt Elsäßer von Benzingen,<br />
hier stranguliert und mit ihm Hans Miller, genannt<br />
Weiberhaßer von Eningen, mit dem Schwert hingerichtet.<br />
Stabhalterei Verweser der Schultheiß Chr. Vischer.<br />
1614 17. März ist Bartlin Bendel, alt Müller von Krauchenwies,<br />
wegen mit seiner Tochter begangenen Incestus berechtig<br />
und mit dem Schwert justifiziert worden. Schultheiß Chr.<br />
Vischer, Stabhalter.<br />
1614 15. August ist Johann Coburger, gräflich zollerischer<br />
Rath und Rentmeister, wegen Diebstahl, Ehebruch und<br />
anderen delicten gericht worden, und war erstlich wurden<br />
ihm die Eidsfinger gestimmbt, dann wurde er enthauptet,<br />
hernach vor dem Rathaus gevierteilt, die Eingeweide ausgenommen<br />
und begraben, die vier Theile aber zu vier kaiserl.<br />
Reichsstraßen ausgehenkt.<br />
23
1615 26 Januar ist ist Stoffel Hennenberger von Thiernen (?)<br />
wegen Diebstahls mit dem Strang hingerichtet worden.<br />
1616 19. August ist Ursula Gerberin von Krauchenwies<br />
Hexerei halber eingezogen worden, worauf d. 24. Agst. in<br />
der gefenkhnuß starb & den 26. unter dem Galgen vergraben<br />
wurde.<br />
1617 20. April im Pfarrhof zu Veringendorf. War Pfarrherr<br />
Christoph Müderin (?) dessen Haushälterin als seine geweste<br />
Concubin, mit Namen Barbara Stroblerin von Krauchenwies,<br />
von hiesigen Scharfrichter Michael Karg an Pranger<br />
HANS-DIETER LEHMANN<br />
Lag Solicinio bei Hechingen/Stein?<br />
Bereits Prof. Nägele berichtete, daß die Gegend um Weilheim<br />
bei Hechingen voll von Altertümern stecke, leider habe<br />
er dort statt eines erhofften römischen Militärlagers jedoch<br />
nur eine Zivilsiedlung feststellen können... 1 . Thele versuchte,<br />
aus der Anlage der Hechinger Oberstadt ein römisches<br />
Standlager abzuleiten...Wieso wurde im Hechinger<br />
Raum - eindeutig außerhalb der Linie der Alblimeskastelle,<br />
weitab vom Neckarlimes und der späteren befestigten Grenzziehung<br />
des römischen Imperiums - nach militärischen Anlagen<br />
gesucht?<br />
Verständlich wird dies vor dem Hintergrund des Berichts des<br />
spätrömischen Schriftstellers Ammianus Marcellinus über die<br />
Strafexpedition des Kaisers Valentinian im Jahre 368 n. Chr.<br />
in das Gebiet der »Alamannen«. Dieser römische Offizier<br />
berichtet davon, daß bei einem Ort Solicinio die »Alamannen«<br />
besiegt und ihre auf einem Berg gelegenen Verschanzungen<br />
gestürmt worden sind 2 .<br />
Bislang wurde Solicinio in Sülchen bei Rottenburg vermutet,<br />
der befestigte Berg im Spitzberg bei Tübingen gesehen -<br />
allerdings wurde hinter diese Zuweisung ein Fragezeichen<br />
gesetzt 3 . Die Gleichsetzung von Solicinio mit Sülchen durch<br />
Mettler 4 beruhte allein auf sprachlichen Untersuchungen und<br />
der Tatsache, daß Sülchen frühzeitig namensgebend für die<br />
umliegende Gegend wurde (Sülchgau). Aber auch südlich<br />
von Rottenburg 5 sowie bei Heidelberg 6 oder Schwetzingen 7<br />
wurde Solicinio schon gesucht.<br />
Einige in letzter Zeit gemachte Befunde sprechen vielleicht<br />
für den Hechinger Raum als Ort der bei Ammian berichteten<br />
Ereignisse:<br />
1. über dem unteren Killertal liegen Höhenbefestigungen aus<br />
unbekannter Zeit<br />
2. Mit den Ruinen bei Stein wurde ein Komplex aus römischer<br />
Zeit gefunden, der über den üblichen Rahmen einer<br />
villa rustica hinausgeht und mit schon länger bekannten<br />
Funden der Gegend 8 (Villa auf Maurach, Römerstraße am<br />
Hechinger Golfplatz, Funde am Stierbrunnen und beim<br />
Säuweiherle) in Zusammenhang zu sehen ist.<br />
Mehrfach wurden Befestigungen beschrieben, die oberhalb<br />
von Jungingen das Killertal sperrten und im Volk »Schwedenschanzen«<br />
heißen, obwohl eine Entstehung im spanischen<br />
Erbfolgekrieg gesichert werden konnte 9 . Prof. Nägele<br />
nahm jedoch an, daß die Befestigungen zwischen dem<br />
Bergsporn »Eineck« und dem Bürgle bei Jungingen nicht in<br />
einem Zusammenhang mit diesen neuzeitlichen Erdwerken<br />
stehen 10 . Kraus 15 wies auf die Möglichkeit der Existenz von<br />
Befestigungen am Ghaikopf zwischen Schlatt und Beuren<br />
hin, indem er diesen Namen in Zusammenhang mit kelti-<br />
24<br />
gestellt mit ruethen ausgeschwungen und ausgesteubt<br />
worden.<br />
1617 1. Juni ist Christina Lacherin von Egelfingen wegen<br />
Hexerei enthauptet & dann verbrannt worden, diese soll den<br />
größten Körper und den kleinsten Kopf gehabt haben.<br />
1617 17. November ist Georg Zopper von Krauchenwies an<br />
Pranger gestellt & mit ruethen ausgeschwungen worden, weil<br />
er 7 Jahre hinderm bösen Geist gehangen ist & die Zeit Gott &<br />
die Heiligen verleugnet hat.<br />
(Materialien zur Geschichte der Stadt Veringen, handschriftl.<br />
von Sebastian Locher.)<br />
sehen Bezeichnungen für Umwallung, Barriere, Verhau und<br />
Schutzwehr bringt.<br />
Zwischen dem Bürgle und dem Ort Beuren - am Plateau von<br />
Beuren, auf dem Schlatter Kirchbichel und unter dem Weilerwaldkopf<br />
- sind im Gelände Erscheinungen zu beobachten,<br />
die ein anderes Bild als die genannten neuzeitlichen Befestigungen<br />
zeigen. Sie bestehen aus einer steilen Hangkante, vor<br />
welcher durch einzelne Haufen ein Graben angedeutet ist.<br />
Die Abbruchkante der massiven Steinbank des Braunjuras,<br />
die für die Ausbildung der einzelnen Hochplateaus verantwortlich<br />
ist, bot sicherlich eine Möglichkeit zur Steingewinnung.<br />
Ob aber Steinbrucharbeiten zu einem derartig langgezogenen<br />
und teilweise geradlinigen Erscheinungsbild führen<br />
würden, ist zweifelhaft. Vor allem in Zusammenhang mit den<br />
sonstigen Anlagen auf dem Beurener Plateau erscheint eine<br />
Höhenbefestigung als wahrscheinlich. Die geographischen<br />
Gegebenheiten auf dem Plateau von Beuren - Zugang von<br />
Norden und zweiter Zugang auf der Beurener Heide am<br />
»gegenübergelegenen Felsen« des Dreifürstensteins - stimmen<br />
mit der Angabe bei Ammian überein. Die Episode im<br />
Sumpf, bei welcher Valentinian nur mit Mühe unter Verlust<br />
von Kämmerer und Helm einem Hinterhalt der Feinde<br />
entrann, kann sich im sumpfigen Tal des Heiligenbachs bei<br />
Schlatt (= Sumpf) abgespielt haben. Das Interesse des Kaisers<br />
an dem Zugang zur Befestigung von der Beurener Heide her<br />
sowie die Angabe bei Ammian, daß von hier aus und nicht<br />
von der leichter zugänglichen Nordflanke des Berges her der<br />
Angriff der Römer erfolgte, ist aus der Absicht verständlich,<br />
den Verteidigern die Möglichkeit zur Flucht auf die Albberge<br />
zu nehmen.<br />
In den Gegenden, wo Alamannen siedelten, zerfielen nach<br />
heute vorherrschender Ansicht die Villen und Städte der<br />
geflohenen oder erschlagenen römischen Oberschicht - auch<br />
wenn z. B. die Grabungen in Bonndorf und Stein das Gegenteil<br />
gezeigt haben 11 . Auch anhand von Münzprofilen wurde<br />
für römische Siedlungen in Rottweil, Rottenburg, Cannstatt,<br />
Hüfingen, Heidenheim u. a. ein Weiterbestehen bewiesen 12 .<br />
Die dörflichen Siedlungen der kaum romanisierten Landbevölkerung<br />
existierten wahrscheinlich weiter nach der »alamannischen<br />
Landnahme«. So verfielen die Villen bei Stein<br />
und auf Maurach, das Dorf am Martinsberg führte dagegen<br />
die Siedlungstradition bis zum Abgang von Nieder-Hechingen<br />
weiter. Dahingestellt sei, ob dessen Bewohner »alamannische<br />
Eroberer« oder die Nachkommen der Kelten waren,<br />
die bereits während der römischen Besatzungszeit hier ansässig<br />
waren. Bezeichnenderweise war »Walch« der Name der<br />
niederadligen Familie, die noch zwischen 13. und 17. Jh. in<br />
Niederhechingen nachweisbar ist 1 . Im Alpenvorland 14 deuten<br />
»Walchendörfer« auf Ansiedlungen der vorgermanischen<br />
Restbevölkerung hin 13 . Dies gilt auch im Albvorland und auf<br />
der Alb. Eine Zusammenstellung von Ortsnamen, die sich
von dieser Bezeichnung der romanisierten Kelten ableiten,<br />
wird von Schneider 16 undl 7 gegeben.<br />
Vielleicht hat sich hier am Martinsberg sowie südlich von<br />
Stein im Flurnamen sogar der Name erhalten, der in keltischrömischer<br />
Zeit für die ganze Ansiedlung galt. »Sulz« heißt das<br />
Gewann, wo im Südosten des Martinsbergs die Siedlung<br />
bestand. Dies könnte ein Relikt der in römischer Zeit verwendeten<br />
Bezeichnung Solicinio sein. »Sulz« ist eine in Süddeutschland<br />
sehr häufig auftauchende topographische<br />
Bezeichnung, oft Bestandteil eines Orts- oder Flurnamens.<br />
Er dürfte somit auf eine keltische Bezeichnung allgemeiner<br />
Art (Sumpf?) 4 zurückgehen.<br />
Vor diesem Hintergrund erscheint Thele's Vermutung nicht<br />
mehr so abwegig, daß als Vorläufer der Hechinger Oberstadt<br />
ein valentinianisches Heerlager bestanden haben kann. Von<br />
hier aus wäre nach Eroberung von Solicinio die Erstürmung<br />
der Befestigungen unter dem Heufeld geleitet worden. Nur<br />
Zufallsfunde im Stadtgebiet könnten die Fragezeichen hinter<br />
dieser Hypothese beseitigen. Falls jedoch einmal ein Beweis<br />
für die Lage von Solicinio am Martinsberg erbracht werden<br />
könnte, würde es naheliegen, daß dieser Name auch der des<br />
römischen Vicus bei Stein war, der unmittelbar vor den Toren<br />
der Siedlung der halbromanisierten Kelten lag, die Ammian<br />
als »Alamannen« oder »Barbaren« bezeichnet.<br />
Anmerkungen<br />
1 Chronik der Stadt Hechingen, Band I, Hechingen 1980; S. 2; 15.<br />
2 Ammianus Marcellinus, Rerum Gestarum, Buch 27; 10.8 und 30,<br />
7.7.<br />
JOHANN WANNENMACHER<br />
Erinnerungen an den Anbau von Hopfen<br />
und die Hopfenernte in und um Rangendingen<br />
Nur noch wenige Leute am Orte wissen, daß es einst<br />
zwischen Getreide und Kartoffelernte hierzulande noch eine<br />
Hopfenernte gab. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts hatte<br />
jeder größere Bauer in Rangendingen noch einen Hopfengarten.<br />
Hopfen standen auf der hiesigen Gemarkung an zahlreichen<br />
Plätzen, so am Weilenberg, in der Talwiese, im Deichenloch,<br />
im Espenloch und im Wetzenbach. Die Gemeinde<br />
selber unterhielt einen großen Hopfengarten bei der Ziegelhütte,<br />
unweit vom Kelterwasen. Seine Pflege oblag dem<br />
jeweiligen Fronvogt und dessen Mitarbeitern. Um Mariä<br />
Geburt (8. September) herum wurde der Hopfen reif. Dann<br />
ging es überall an das Pflücken von Hopfen, »das Hopfazopfla«.<br />
Bis spät in die Nacht hinein waren die Bauern mit ihren<br />
Familien an der Arbeit. Die abgepflückten Fruchtstände<br />
wurden dann auf dem Speicher ausgelegt und im Schatten<br />
gedörrt. Im Spätherbst kamen hernach die Hopfenaufkäufer<br />
mit mächtig großen Säcken. Die gedörrte Ware wurde dann<br />
besichtigt, gewogen und darauf in die großen Hopfensäcke<br />
gestampft. Der Preis für einen Zentner Hopfen war unterschiedlich.<br />
Er schwankte zwischen 300 und mehr Mark - bis<br />
zu 90 Mark für den Zentner. Manche Bauern verdienten<br />
durch Hopfenanbau und geschickten Verkauf viel Geld,<br />
andere wiederum büßten infolge Spekulierens mit ihrer Ware<br />
erhebliche Summen ein. Die Aufkäufer brachten dann den<br />
Hopfen in die Brauereien, wo er bekanntlich beim Bierbrauen<br />
Verwendung findet. Noch in den Neunziger Jahren<br />
des letzten Jahrhunderts stand Deutschland mit dem Hopfenanbau<br />
unter den Ländern Europas an erster Stelle.<br />
Um die Jahrhundertwende ging dann in Rangendingen der<br />
Hopfenanbau rasch zurück. Die überall aufkommende Industrie<br />
bot ein gesichertes Einkommen und zog die Arbeitskräfte<br />
rasch an sich. Der letzte Hopfengarten auf der örtlichen<br />
Flur stand im »Wetzenbach«, aber auch er ging kurz vor<br />
3<br />
Die Römer in Baden-Württemberg. P. Filtzinger, D. Planck,<br />
B. Cämmerer, Stuttgart/Aalen 1976; S. 113.<br />
4<br />
Beschreibung des Oberamts Rottenburg, hrsg. von K. Statist.<br />
Landesamt, Stuttgart 1899; S. 308f.<br />
5<br />
A. Weitnauer, Allgäuer Chronik, Band I, Kempten 1969; S. 63.<br />
6<br />
Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte. Kommentiert von<br />
W. Seyfarth, Akademie-Verlag, Berlin 1978, Teil IV, S. 321,<br />
Anm. 90.<br />
7<br />
Ammianus Marcellinus, Das römische Weltreich vor dem Untergang,<br />
erläutert von G. Wirth, Artemis-Verlag, Zwick/München<br />
1974; S. 874.<br />
8<br />
F. Hertlein, O. Paret, P. Goeßler, Die Römer in Württemberg,<br />
Stuttgart 1930; S. 315.<br />
9<br />
J. A. Kraus, Das Ende der Junginger »Schwedenschanze«, Zoller<strong>heimat</strong><br />
9 (1940); S. 37.<br />
10<br />
E. Nägele, Durchs Killertal, Blätter des Schwab. Albvereins XII<br />
(1900), Nr. 2.<br />
11<br />
D. Planck, Denkmalpflege in Baden-Württemberg 5 (1976);<br />
S. 112 f.<br />
12<br />
K. Weidemann, Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte des<br />
Landes zwischen Limes und Rhein vom Ende der Römerherrschaft<br />
bis zum Frühmittelalter, Jahrb. des Rom.-Germ. Zentralmuseums<br />
Mainz 19:99, 1972 (1974).<br />
13<br />
A. Weitnauer, Allgäuer Chronik, Band I, Kempten 1969.<br />
14<br />
Beschreibung des Oberamts Balingen, hrsg. vom K. Statistischtopograph.<br />
Bureau, Stuttgart 1880; S. 519.<br />
15<br />
J. A. Kraus, Kay: Teil einer Burgbefestigung? Hohenzollerische<br />
Heimat 28 (1978), S. 6.<br />
" W. Schneider, Arbeiten zur Alamannischen Frühgeschichte, Heft<br />
VII/VIII, Tübingen 1979, S. 332.<br />
17<br />
Beschreibung des Oberamts Münsingen, hrsg. vom K. Statisti-<br />
schen Landesamt Stuttgart 1912, S. 249.<br />
dem ersten Weltkrieg (1914—1918) ein. Damit waren Hopfen<br />
und Hopfenstangen endgültig aus dem Flurbild unserer<br />
Gemarkung verschwunden. Dagegen in den benachbarten<br />
Orten Höfendorf, Bietenhausen und Hirrlingen sah man<br />
noch lange Jahre nachher weitausgedehnte Hopfengärten.<br />
Zur Zeit der Ernte kamen dann die »Hopfenzopfler« von der<br />
Alb herab und verdingten sich in die Hopfenernte. Zahlreiche<br />
Schulkinder von hier beteiligten sich ebenfalls daran. In<br />
kleinen Gruppen liefen sie nach dem Mittagessen nach<br />
Höfendorf oder Bietenhausen und pflückten je nach<br />
Geschicklichkeit und Fleiß bis zum Abend zwei bis drei Simri<br />
Hopfen. Das Simri war ein altes Fruchtmaß von etwa 22 bis<br />
25 Liter. Beim Einbrechen der Dunkelheit kehrten die Kinder<br />
wieder zu Fuß nach Hause zurück. Als Entlohnung erhielten<br />
die kleinen Arbeitnehmer damals für das Simri gezopfelten<br />
Hopfen 10 bis 15 Pfennig. Dazu gab es ein Vesper, das aus<br />
Brot, Gesälz und vielleicht auch süßem Most bestand. Wurst<br />
und Fleisch wurden zu jener Zeit noch nicht verabreicht. Mit<br />
heutigem Maßstab gemessen, scheint uns dieser Lohn sehr<br />
gering. Man darf aber nicht vergessen, daß um die Jahrhundertwende<br />
das Geld noch eine sehr hohe Kaufkraft hatte und<br />
es in kleinbäuerlichen Betrieben bei einer oft recht hohen<br />
Kinderzahl durchweg sehr rar war. Wenn ein Kind dann noch<br />
bis zum »Gallamärkt«, der jeweils vor dem Gallustag (16.<br />
Oktober) stattfand, vier bis fünf Mark verdiente und sich für<br />
diesen Betrag ein Paar stabile Winterschuhe kaufen konnte,<br />
so war die Freude bei Eltern und Kinder groß. -<br />
Nach dem ersten Weltkrieg nahm dann auch in den benachbarten<br />
Gäugemeinden der Hopfenanbau rasch ab, und schon<br />
jahrzehntelang ist dort kein Hopfengarten mehr zu sehen.<br />
Vor allem waren es auch die staatlichen Anforderungen mit<br />
ihren weitgehenden Bestimmungen für einen fortschrittlichen<br />
Hopfenanbau, die den Abgang der einzelnen Hopfen-<br />
25
gärten beschleunigten und das Bild der Landschaft wesentlich<br />
veränderten. In unserer Umgangssprache aber befinden sich<br />
noch einige Redewendungen, die an den ehemaligen Anbau<br />
von Hopfen erinnern, wenn man da hört: »Diea (dear) ischt<br />
so dürr (lang) wiea a Hopfastang! oder: »Des ischt hopfaleicht«!<br />
»Dear leit (liegt) na wiea an Hopfasack«. »Bei dem<br />
ischt Hopfa ond Malz verlaora«. Der oder jener alte Bauer<br />
weiß auch noch, wie man aus Hopfenschlingen Garbenseile<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Zur Geschichte von Kloster Wald<br />
In der im Jahre 1971 erschienenen Doktorarbeit von Frau<br />
Maren (Kuhn-)Rehfus über die Wirtschaftsgeschichte des<br />
Zisterzienserinnenklosters Wald 1 aufgrund der von ihr neugeordneten<br />
Urkunden ist auf 478 Seiten ein ungeheurer Stoff<br />
zusammengetragen, aus dem einige Kleinigkeiten entnommen<br />
seien. Das Kloster wurde ums Jahr 1216 durch den<br />
kaiserlichen Ministerialen Burkart von W'eckenstein 2 gestiftet.<br />
Seine beiden Schwestern Judintha und Ita, beide schon<br />
Zisterzienserinnen, traten ein. Erstere wurde Äbtissin, letztere<br />
Priorin der Neugründung. Dieser Burkart 3 wird sonst<br />
noch zu den Jahren 1230, 1231, 1236, 1237, 1241 und dann<br />
1242 mit einem Sohn B(urkart) urkundlich erwähnt. Letzteren<br />
finden wir auch im J. 1253, daneben einen Konrad von<br />
Weckenstein 1236, der nach 1249 Mönch in Salem war.<br />
Ferner läßt sich ein Her(mann) 1289 und 1261 ein Johannes<br />
mit Heinrich feststellen und 1303 gar drei Brüder Johannes,<br />
Heinrich und Burkart. Heinrich kommt noch 1308 vor und<br />
als Letzter der Familie im Jahre 1383 der Edelknecht Johannes<br />
von Weckenstein. Eine zu Hausen am Andelsbach postulierte<br />
Burg 4 dürfte aufgrund der Wappengleichheit und<br />
Überlieferung der Herren von Ramsberg und dann Hausen 5<br />
doch auf Hausen im Tal an der Donau zu deuten sein. Weil<br />
die lange erwarteten Urkundenregesten des Klosters Wald<br />
immer noch nicht erschienen sind, blieben auch die Herren<br />
von Huneberg bisher so gut wie unbeachtet. Frau Rehfus<br />
nennt 6 als Zeugen für das Walder Privileg des Herzogs<br />
Heinrich von Schwaben von ca 1220: Richard von Richlisreute<br />
7 , Heinrich von Hüneberg, Albert von Werenwag,<br />
Walter und Burkart von Hohenfels, Aigelwart von Ramstein,<br />
Konrad und Werner von Gutenstein, Eberhard von Limpach<br />
und Eberhard von Burrau (Burre bei Wald, sonst auch »von<br />
Reischach« genannt). Ferner berichtet die Anmerkung Nr.<br />
47 8 von einem Tausch, in dem Jakob von Huneberch mit<br />
Frau und Kindern im J. 1258 ihr Gut zu Walbertsweiler gegen<br />
ein anderes des Klosters Wald in Billafingen vertauschte 9 .<br />
Man wäre fast verleitet, den Wohnsitz dieser Familie von<br />
Huneberg in der Nähe der Umgebung des Klosters zu<br />
suchen. Man möchte auf die Hünaburg bei Glashütte-Weihwang<br />
als eine mächtige Volksburg hinweisen, die besonders<br />
von Jerg 10 ins Blickfeld des Interesses gerückt und schließlich<br />
von Josef Mühlebach 11 ausführlich geschildert worden ist.<br />
Heute trägt sie den Namen Schloßbühl; die alten Formen<br />
lauteten 1501 Hünaburg, 1602 Hennenburg, 1680 Hünnenburg.<br />
Der Wechsel von Burg zu Berg klingt gar nicht<br />
außerordentlich, wenn einmal das Gebäude, das anderemal<br />
mehr das Gelände ins Auge gefaßt ist. Die Bezeichnung<br />
Schloßbühl für eine uralte Volks- oder Fliehburg will aber<br />
merkwürdig erscheinen! Sollten auch hier, wie anderwärts,<br />
mittelalterliche Adelige die frühere Volksburg zum Bauplatz<br />
einer Ritterburg ausersehen haben? Das wäre nichts außerordentliches.<br />
Man vergleiche etwa die Hochburg bei Rangendingen<br />
oder die Burg Ringingen auf dem Nehberg. Zuzugeben<br />
ist freilich, daß noch niemand in dem weiträumigen<br />
Gelände der Hünaburg genauere Nachprüfungen anstellte.<br />
26<br />
machte, oder wie kaum der Schule entwachsene Jungen sich<br />
aus dürren Hopfenschlingen kleine Stäbchen schnitten und<br />
damit die ersten Rauchversuche anstellten. Der beizende<br />
Rauch, den die kleinen Stengelchen lieferten, bewirkte jedoch<br />
vielfach, daß die Strafe in Form von Übelkeit und Erbrechen<br />
meistens auf dem Fuße folgte. Wurde die Untat des Rauchens<br />
dann zu Hause oder in der Schule bekannt, so gab es damals<br />
dazu noch eine unabwendbare Tracht Prügel. Einst und jetzt!<br />
Auch ich selber habe vor vier Jahrzehnten beim Durchstreifen<br />
des damaligen dichten Gebüsches des Schloßbühls nichts<br />
Auffälliges bemerkt. Falls die Vermutung auf eine Ritterburg<br />
stimmen sollte, würde doch irgend eine (wenn auch schwache)<br />
Spur zu finden sein! Man muß auf alle Fälle die Augen<br />
offen halten! Doch sei nicht verschwiegen, was K. v. Knobloch<br />
12 von zwei verschiedenen Adelsfamilien »von Huenenberg«<br />
berichtet: Die eine existierte in der Schweiz beim<br />
gleichnamigen Dorf im Kanton Zug. Die andere saß vermutlich<br />
auf der »Burghalde« im Gewann Himberg (1424 Hünnenberg,<br />
1472 Hünenberg) bei Sipplingen in 530 m Höhe, wo<br />
noch Mauerreste zu sehen seien. Dabei werden folgende<br />
Vertreter des Namens angeführt: Gerung von Huneberg 1171<br />
als Zeuge eines Tausches in der Reichenauer Kirche, Chono<br />
von Huniberg 1191 Zeuge für Kloster Salem; dessen Sohn<br />
Heinrich 1211 als Zeuge zu Oberuhldingen und 1216, 1228,<br />
1237, ferner als Ritter 1240.<br />
Ein Jakob von Hunenberg wird 1240 und 1266 aufgeführt<br />
und endlich finden wir 1272 einen Gozold v. H. als Bürger zu<br />
Konstanz. Es besteht sehr wohl die Möglichkeit für das<br />
Wohnen einiger Familienglieder auf unserer Hünaburg, von<br />
wo sie dann den Namen mit nach Sipplingen mitgenommen<br />
haben können, wo er sich später zu Himberg abschliff. Die<br />
weitläufige Anlage der Hünaburg bei Glashütte scheint doch<br />
eher eine Volks- oder Fliehburg (»Heuneburg«) gewesen zu<br />
sein, als die Burghalde bei Sipplingen. Auffällig ist immerhin<br />
die spätere Abschleifung von Huneburg zu Himberg. Wir<br />
haben nämlich im Killertal westlich von Starzein und Jungingen<br />
eine steil aufstrebende Anhöhe Himberg, für die ich nur<br />
die alte Bezeichnung Hemberg von 1605 kenne. Aber auch<br />
dort oben auf der gegen Starzein vorspringenden Bergnase ist<br />
seltsamerweise eine dreiseitige alte Volks- oder Fliehburg<br />
festgestellt 13 , die vielleicht früher Hüneberg hieß und im Lauf<br />
der Zeit im Volksmund eben zu Hem- oder Himberg wurde.<br />
Zu den Namen Hünen(-burg, -berg, -ring, -stein) vergleiche<br />
man Rem. Vollmanns Flurnamenbuch 14 . Darin schreibt er:<br />
Seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar erscheint das alte Wort<br />
Hiune, Hüne, Heune im Sinne von »Riese«. Und den Riesen<br />
schrieb man die uralten großen Befestigungsanlagen zu, die in<br />
unserer Gegend noch erhalten sind. Man denke nur an die<br />
berühmte Heuneburg bei Hundersingen-Riedlingen, die<br />
nach jahrelangen Ausgrabungen nach und nach so aufschlußreiche<br />
Erkenntnisse zutage brachte!<br />
Anmerkungen:<br />
1<br />
Sigmaringen, Verlag Liehner<br />
2<br />
Burgruine über der Schmeie bei Storzingen<br />
3<br />
Im Anhang der Arbeit von Frau Rehfus S. 449 f.<br />
4<br />
Rehfus, Anmerkung Nr. 34, Seite 35.<br />
5<br />
»Hohenzollerische Heimat« 1973, 3.<br />
6<br />
Rehfus, Seite 36-37.<br />
7<br />
Unbekannt wo; wohl Reute eines Richard.<br />
8<br />
Rehfus, Seite 37, Anmerkung 47.<br />
9<br />
Klosterwalder Urk. Nr. 41 im Fürstl. Hohenzoll. Archiv Sigmaringen.<br />
10<br />
Note 5, Jahrg. 1951, 63.<br />
11<br />
Note 5, Jahrg. 1971, 74.<br />
12<br />
K. v. K. Knobloch, Oberbad. Geschlechterbuch II, 150-151.<br />
13<br />
Zoller<strong>heimat</strong> 1940, 9.<br />
14<br />
R. Vollmann, Flurnamensammlung, München 1926, S. 62 f.
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Hölnstein-Melchingen-Lichtenstein<br />
A. Die Namen der Burgruinen Höln- oder Holstein bei<br />
Stetten-Burladingen und Lichtenstein bei Neufra (Melchingen<br />
bedeutet »bei den Leuten des Malicho«) haben schon<br />
öfter Heimatfreunde beschäftigt. Während der letztere an<br />
seiner ältesten Wortform Liechtenstein leicht als »lichter oder<br />
heller Stein« zu begreifen ist, hat der Holnstein den Freunden<br />
der Geschichte einiges Kopfzerbrechen verursacht, auch in<br />
der zuletzt modernen Bezeichnung »Stetten unter Holstein«.<br />
Ein an Ort und Stelle genommener Augenschein hätte leicht<br />
auch dem früher stark von Mythologie gefärbten Denken den<br />
Weg zur richtigen Erklärung weisen können. Aber gerade die<br />
Sicht von der Talseite des Burgfelsens hat wegen Steilheit des<br />
Berges und starkem Waldbewuchs ehemals Schwierigkeiten<br />
gemacht und war nur mit Anstrengung zu gewinnen. Von<br />
oben, also der Burgebene her, konnte man den durchlöcherten<br />
Felsen nicht sehen. So hat der sonst hochverdiente frühere<br />
hohenzollerische Archivar und Forscher Dr. Karl Theodor<br />
Zingeler in seinem zusammen mit dem Baurat Georg Buck im<br />
Jahre 1906 herausgebrachten Buch »Zollerische Burgen« 1 zur<br />
Erklärung des Namens Holnstein (wie sich die adeligen<br />
Herren bis zum Herabsinken in den bürgerlichen Stand um<br />
1496 nannten) geradezu krampfhaft in seinem romantischen<br />
Sinn einen unhaltbaren Erklärungsversuch gemacht. Er<br />
schrieb (S. 94): »Der Name der Burg bietet sowohl in der<br />
Schreibweise als auch seiner Ableitung einige Schwierigkeiten.<br />
Sehen wir von den durchaus unrichtigen (oho!) Bezeichnungen<br />
Hohlenstein, Höllstein und auch Höllen- oder<br />
Hellenstein ab, so bleiben noch Holstein und Hölenstein<br />
oder Helenstein. Man hat bei Holnstein an häl = steil<br />
gedacht, also steilen Fels. (Jedoch dies stimmt schon nicht,<br />
denn häl bedeutet im Schwäbischen glitschig oder schlüpferig,<br />
nicht steil!) Nachdem ich (Zingeler) aber erfahren habe,<br />
daß die bei (bzw. unter) der Burg gelegene interessante Höhle<br />
Muoteshöhle heißt und die Höhe in der Nähe Muoteshöhe,<br />
also die Bezeichnung für Wuotan-Wodan, liegt es nahe, an<br />
hol = heilig zu denken, mithin eine heilige Höhe, vielleicht<br />
auch den Berg, den das Wilde Heer streift, das ja durch diese<br />
Gegend toste.«<br />
Und noch um 1926 hat der Stettener Pfarrer Andreas Dieringer,<br />
der dann 1973 in Stetten-Haigerloch starb, in ähnlich<br />
phantastischer Weise in der Zeitung »Der Zoller« den Namen<br />
Holstein von einer sagenhaften Göttin Heia (oder ähnlich)<br />
ableiten wollen, wie Hörschwag von einer »Hersche«. Ob<br />
sich beide Autoren die ziemliche Mühe machten, die dem Tal<br />
zugewandte Seite des Hölnsteinfelsens zu erklimmen? Später<br />
berichteten die Albvereinsblätter von einigen frühgeschichtlichen<br />
Funden aus der Höhlung des Steines, die ohne Zweifel<br />
den Namen gab, wie auch beim Höllenstein ob Burladingen<br />
und dem Höllenberg bei Erpfingen klar liegt, in dem der<br />
Lehrer Voit um 1834 den Anfang der heutigen Bärenhöhle<br />
wieder nach langer Vergessenheit entdeckte.<br />
B. Urkundlich ist in der Zwiefalter Chronik des Jahres 1135 2<br />
über Adel »von Holinstain« berichtet, der jedoch von den<br />
württembergischen Herausgebern König und Müller irrig auf<br />
Hellenstein ob Heidenheim gedeutet wurde. Es heißt da Seite<br />
185: »Unser Mönche Adilbert von Holinstain, ritterlicher<br />
Dienstmann des Grafen Liuthold von Achalm (f 1098, ein<br />
Stifter des Doppelklosters Zwiefalten, dessen Frauenabteilung<br />
später nach Mariaberg verlegt wurde), trat in Begleitung<br />
seines Vaters Ogger (Odger) und seiner Mutter Gota (Guota)<br />
ins Kl. Zwiefalten ein und verbrachte vierzig Jahre (vor 1135)<br />
im mönchischen Leben. Er schenkte dabei ein Viertel der<br />
Pfarrkirche von Malichingen (Melchingen) samt zwei Bauernhöfen<br />
daselbst und dazu in Pfullingen einen halben Hof<br />
dem Kloster. Der Kleriker (mit niederen Weihen!) Adilbert<br />
von Malichingen schenkte zwei Höfe im selben Dorf, ein<br />
Viertel der Kirche und ein Neuntel der anderen Hälfte sowie<br />
in Pliezhausen einen Hof. Im Greisenalter wurde er noch<br />
Mönch bei uns und starb an einem 25. Juni.«<br />
Diese Daten liegen vor dem Jahre 1135, sind also 45 und mehr<br />
Jahre zuvor anzusetzen. Aus dem gemeinsamen Besitz der<br />
beiden Adeligen an Melchingen und seiner Kirche schließt<br />
man mit Recht auf deren nahe Verwandtschaft. Ist nun der<br />
Holnstein älter als die Burg Melchingen südöstlich des Dorfes<br />
auf dem Berg? Wir wissen es nicht. Auch die sogenannte<br />
Burghalde 3 in Richtung Ringingen könnte als Sitz des Klerikers<br />
Adelbert v. M. in Betracht kommen.<br />
Dann folgt aus Urkundenmangel eine lange Pause der Überlieferung.<br />
Theodor Schön 4 hat die bekannt gewordenen<br />
Herren von Holstein zusammengestellt. Ein Ber(thold)<br />
erscheint erst wieder am 23. April 1274 als Zeuge des Grafen<br />
Hartmann von Grüningen. Schön hält ihn wegen des gleichen<br />
Wappens (weißer Schwanenflügel in blauem Schild) für einen<br />
1 Enkel des 1236 nachweisbaren Gero (nicht Bero) von Lichtenstein.<br />
Am 14. Oktober 1279 finden wir beim Grafen<br />
Albert von Hohenberg als Zeugen neben Herren von Genkingen<br />
den Ritter Johannes von Holnstein, Berthold von<br />
Holnstein und Arnold von Melchingen. (Johannes sei wegen<br />
seines Rittertitels in der Urkunde seinem Vater Berthold von<br />
Holnstein vorangestellt.) Im Jahre 1304 erscheint dann ein<br />
Anselm von Holnstein, der viele religiöse Stiftungen machte,<br />
z. B. auch in der lang gesuchten Flur Valletor am nördlichen<br />
Ortsausgang von Melchingen. Das Ende der Hölnsteiner<br />
Herren ist ebenfalls von Th. Schön mit Jakob von Holnstein<br />
um 1496 untersucht 5 . Auch über das Hölnsteiner Erbe sind<br />
wir unterrichtet 6 . Jakobs Sohn Hans durfte wegen seiner<br />
Armut ein bürgerliches Handwerk lernen. Ein 1579 aus<br />
Börstingen b. Horb nach Hechingen einwandernder Diepold<br />
Höllstein könnte sein Abkömmling sein. Noch im Jahre 1676<br />
lebte seine Familie in Hechingen mit dem Müller Kaspar<br />
Höllstein 7 . Ein ebendort im Jahre 1643 vorkommender<br />
Friedrich Höllstein heißt in der Eglerschen Stadtchronik im<br />
Jahre 1642 Friedrich Hellstern (wenn nicht verschrieben!),<br />
welcher Familienname noch heute in Betra heimisch ist.<br />
C. Herren von Melchingen finden sich auch erst wieder im<br />
13. Jahrhundert mit Burkart v. M. am 26. April 1254 und<br />
seinem Verwandten Arnold 1279. Burkart führte 1292 den<br />
Rittertitel 8 . Als letzter des Geschlechts (von einer Zwitterlinie<br />
der »Melchinger« aus Wurmlingen abgesehen) starb der<br />
Johanniterkomtur Ber(thold) von Melchingen am 30. Juni<br />
1504 in Basel 9 .<br />
D. Als ersten Herrn von Lichtenstein kennen die Urkunden<br />
im Jahre 1182 einen Gebhard v. Liechtenstein, einen Dienstmann<br />
des Markgrafen Heinrich von Ronsberg (Rumesperg i.<br />
Bayern). Dieser letztere ehelichte ums Jahr 1160 (oder vorher)<br />
die Tochter Udilhild des Gammertinger Grafen Ulrich<br />
(nach anderer Ansicht Adelberts) und gewann so gammertingische<br />
Vasallen 10 und fiel 1191 im Kampf vor Neapel. Dieser<br />
Gebhard v. Lichtenstein scheint ein Nachkomme des um<br />
1120 in der Zwiefalter Chronik, S. 271, erwähnten Landolf<br />
von Nufiron (Neufra b. Gammertingen) gewesen zu sein, der<br />
im Dorf (oder auf Nack?) wohnend einen halben Hof zu<br />
Gauselfingen ans Kloster Zwiefalten schenkte. Mit seinem<br />
wohl verwandten Heinrich von Nufiron trat Gebhard von<br />
Lichtenstein im Alter ins Kloster Ottobeuren ein und mag<br />
den Lichtenstein (ob schon Doppelburg?) für die Seinen<br />
erbaut gehabt haben".<br />
27
Sein Wappen ist bisher nicht bekannt. Doch kamen diese<br />
Adelskennzeichen um 1150 in Mode, da ja das Gesicht durch<br />
den Helm verdeckt und unkenntlich war. Weil dann im 13.<br />
Jahrhundert die Herren von Lichtenstein, Holnstein, Melchingen,<br />
Gomaringen, Benzingen, Kiferli von Gammertingen<br />
(diese seit 1292 bekannt) das gleiche Wappen führten,<br />
nämlich in blauem Schildfeld einen weißen Schwanenflügel<br />
(einige auch einen Doppelflügel oder »Flug«), dürfen alle als<br />
Mitglieder eines einzigen Geschlechts angesehen werden.<br />
Doch stammten die »Melchinger« aus Wurmlingen b. Rottenburg<br />
8 . Ob auch Landolf von Nufiron schon zu obiger<br />
Gruppe gehörte, läßt sich wohl niemals absolut nachweisen.<br />
Sein »von« zeigte damals nur den Wohnort, noch nicht einen<br />
Familiennamen an. Etwa von 1240 an scheint es anders<br />
geworden zu sein: Das »von« zeigte den Namen, nicht mehr<br />
den Wohnsitz an. Vier Brüder: Gero, Gebhard, Swiger (oder<br />
Sweniger) und Ludwig von Lichtenstein sind 1243 nachzuweisen<br />
12 . Vermutlicher Gründer oder Namengeber des<br />
(alten) Lichtensteins ob Hönau ist Ludwig v. L., der laut<br />
OA-Beschreibung Reutlingen im Jahre 1263 in dortiger<br />
Gegend Lehen des Klosters Weißenau (b. Ravensburg) vom<br />
vorausgehenden Leheninhaber, dem Ritter Walther von Pfullingen,<br />
erhielt.<br />
Ein Lutz (Ludwig) von Lichtenstein, bisher in Boll am Zoller<br />
begütert 13 , erwarb im Jahre 1350 (Neckar-)Hausen bei Sulz<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Zur Deutung von Familien- und Übernamen<br />
Bei sehr vielen alten Familiennamen, die bis ins 13. Jahrhundert<br />
zurückreichen können, lassen sich die maßgeblichen<br />
Umstände nicht rekonstruieren oder auch nur vermuten,<br />
welche zur Bildung der Namen führten. Vorher waren<br />
praktisch nur Ruf- oder Vornamen üblich. Ums Jahr 1500<br />
waren manche Namen noch nicht fest und konnten wechseln.<br />
Verhältnismäßig einfach ist die Deutung von berufs- und<br />
Herkunftsnamen (Beck, Schneider = Sutor = Sauter =<br />
Schuster, Schmied, Maier als Bauer etc. Melchinger, Salmendinger,<br />
Kaibacher, Hirlinger, Straubinger etc.) oder alte Vorbzw.<br />
Taufnamen (Rudolf, Buck = Burkart, Walter, Heinrich<br />
und Heinzelmann, Konrad u. Konzelmann, Dietrich mit<br />
Dietz (Diet = Volk!), Dietmann, Dieter). Ganz schwierig ist<br />
oft eine Erklärung der vielen Spott- und Ubernamen, deren<br />
Veranlassung nicht mehr bekannt ist. Oft war Anlaß eine<br />
zufällige komisch klingende Äußerung oder Redensart bzw.<br />
ein Schimpfwort, die zum Beinamen führten. Einer der<br />
»schnell« sagte, statt des schwäbischen »schneall«, hieß von<br />
da an samt seinen Nachkommen »der Schnell«. Ein anderer<br />
sagte »Boodel« (o wie in schwäbisch Draht) statt »Budel« zur<br />
Kindermilchflasche: und seine Familie erhielt diesen Namen.<br />
Darum bleibt es töricht, sich über solche Zunamen aus der<br />
Vergangenheit oder Neuzeit zu ärgern. Die Einwohner bzw.<br />
Familien von Jungingen im Killertal haben, wie man weiß,<br />
fast alle solche Beinamen, teils bekannter, teils unbekannter<br />
Herkunft. Aber sie sind klug genug zu wissen: je mehr man<br />
sich über solche »aufgetriebenen« Benennungen aufregen<br />
würde, umso langlebiger und zäher würden sie bleiben. Es<br />
wird erzählt: Ein Einwohner habe sich gerühmt, er sei der<br />
»Oa(n)zig« d. h. Einzige, der noch keinen Beinamen habe,<br />
und prompt wurde er »der Oa(n)zig« geheißen. Auch Beispiele<br />
aus neuer Zeit liegen vor: In Ringingen brachte ein vom<br />
Militärdienst heimkehrender Sebastian Daigger um 1860 statt<br />
des allgemein üblichen Mutzen (kurze Joppe) die Bezeichnung<br />
»Kittel« ins Dorf und seiner Familie ist bis heute dieser<br />
Zuname als Hausbezeichnung geblieben, während die<br />
Mutzen längst vergessen sind. Der Witwer Dominikus<br />
28<br />
und übertrug seinen Namen Lichtenstein dorthin 14 . Sein<br />
Zweig überlebte alle übrigen. Als letzter seines Geschlechts<br />
fiel der Fähnrich Anton von Lichtenstein im Kampf für<br />
Kaiser und Reich im Jahre 1688 in Ungarn.<br />
Anmerkungen<br />
1<br />
Zingeler-Buck, Zollerische Schlösser, Burgen und Burgruinen in<br />
Schwaben (zugleich Jahresgabe des Hohenzollerischen<br />
<strong>Geschichtsverein</strong>s), Verlag F. Eberhard, Berlin 1905, 144 Seiten.<br />
2<br />
Die Zwiefalter Chroniken Ortliebs und Bertholds, hrsg. von König<br />
u. Müller, Stuttgart 1941.<br />
3<br />
Hohenz. Heimat 1981, 23.<br />
4<br />
Mitt. Hohenz. 26, 1892, 9-24.<br />
5<br />
Mitt. Hohenz. 31, 1897, 137.<br />
6<br />
Zoller<strong>heimat</strong> 1937, 81 f., und Hohenz. Heimat 1962, 30.<br />
7<br />
Protokolle im Staatsarchiv Sigmaringen.<br />
8<br />
Mitt. Hohenz. 18 (1899), 2ff.<br />
9<br />
Hohenz. Heimat 1972, 7, irrig 135.<br />
10<br />
Ebd., 1965, 26, und H. M. Schwarzmaier, Königtum, Adel und<br />
Klöster zwischen Iiier und Lech, Augsburg 1961: Exkurs Ronsberg,<br />
S. 173 f.<br />
11<br />
Stammburg Lichtenstein bei Neufra: Hohenz. Heimat 1973, 36.<br />
12<br />
Ebd. und OA-Beschr. Reutlingen II, 191, Jansch, Bernloch-<br />
Honau, an Ludwig von Lichtenstein.<br />
13<br />
Urkunde des Klosters Stetten-Hechingen: Nr. 93: Hohenz. Jah-<br />
resheft 1955 Anhang.<br />
14 Mitt. Hohenz. 31, 1897, 130-136.<br />
Emele, dessen Vorfahr Johann E. als Schmied um 1690 aus<br />
Salmendingen herüberkam, heiratete im Ringingen im Jahre<br />
1770 eine Magdalena Dietz, Tochter des Killian D. (im Haus<br />
4 an Hälschloch), und des letzteren Taufname klingt heute<br />
noch bei den Nachkommen nach: eine ganz natürliche Sache,<br />
die keinen Verdruß bereiten kann. Ähnlich saß ebendort in<br />
Haus 98 im Gäßle um 1658 ein Kaspar Kipf und 1679 ein<br />
Andreas Rhein, dessen Witwe Walburga 1686 den Bräutigam<br />
Kaspar Hipp aus Salmendingen herüberholte, bei dessen<br />
Nachkommen und Garten der Hausname Kipf bis heute<br />
hängen blieb. Den Beinamen Schweizer tragen einige Ringinger<br />
Familien als Abkömmlinge des Franz Xaver Dieter des<br />
Matthä, der vom Ausland zurück im Jahr 1789 die Braut<br />
Anna Maria Voglin aus dem schweizerischen Landschlacht<br />
ehelichte und dann in zweiter Ehe eine Apollonia Dietz des<br />
hiesigen Veit, während der Voglin Kinder früh starben.<br />
Viele Namen wie Kaiser, König, Herzog, Fürst, Teufel,<br />
Engel, Ritter, Graf, ja sogar Herrgott etc. reichen auf ehemalige<br />
Rollenträger bei Mysterien- und Volksspielen früherer<br />
Zeit zurück. Noch anfangs unseres Jahrhunderts zog ein<br />
Familienglied der Beck, die in Ringingen schon 1579 saßen,<br />
von hier mit dem Beinamen »Pater« nach Hechingen und um<br />
1920 der letzte Beck namens Karl mit dem Beinamen »Prinz«<br />
(den ich selbst noch Theater spielen sah) nach Weißweil<br />
(Waldshut), wo er 1960 starb. Ähnliche Bildungen dürften<br />
überall vorgekommen sein, die uns Heutigen »spanisch«<br />
vorkommen und rätselhaft erscheinen.<br />
Die Ahlinger, in Ringingen seit 1817 von Bittelschieß, haben<br />
den Namen nach einem der beiden Alling (Bayern) oder<br />
Ailingen b. Friedrichshafen. Die Bitzer gehen auf das Dorf<br />
Bitz zurück. Bei Ringingen gibt es eine Flur Bitze am<br />
östlichen Ortsausgang »bi zune« = beim (Dorf)Zaun. Die<br />
Deuringer hängen wohl mit (Ober-)Teuringen b. Friedrichshafen<br />
zusammen, das 746 Türinga hieß, verwandt mit den<br />
Türingern. Die Dieringer dagegen weisen irgendwie auf die
Siedlung Tieringen b. Balingen. Ein Jakelin der Tyeringer<br />
(wohl adlig) war im Jahre 1338 in Rangendingen begütert<br />
(Kreisbeschreibung). Noch 1548 schrieben sie sich in Rangd.<br />
Tieringer. Dorn findet man in Ringingen 1583 mit einem<br />
Georg, der vielleicht von Imnau kam, wo 1548 ein Ludwig<br />
Dorn mit Sohn Georg nachweisbar ist. Dorn heißt eine<br />
Siedlung bei Wien, anderwärts gibt es Dornberg, Dornbusch<br />
etc.<br />
Der häufige Name Eisele (badisch Esele) wird von Kennern<br />
verschieden erklärt. Nied vermutet einen Schleifnamen für<br />
den Schmied, da Eisele nie als Rufname vorkomme. Die<br />
älteste Wortform lautet sowohl auf der Schwäbischen Alb, als<br />
im Allgäu und württ. Schwarzwald und Basel einhellig Isenli<br />
oder wie in Gauselfingen 1548 Yselin. Es kann ein alter<br />
Sippenname zugrunde liegen: Das Dorf Eislignen b. Göpp.<br />
hieß 862 Isiningen = »bei den Lauten des Isin oder Iso«. Im<br />
Norden gibt es bzw. gab es Isinbert »der im Eisenpanzer<br />
glänzende«, Isingrim, sonst Isenmann, Issig usw. (Pater Josef<br />
Isele hat über die verschiedenen Formen in Nr. 244 des<br />
Waldshuter »Albboten« vom 21. Okt. 1978 anläßlich des<br />
Iselitages in Birkendorf gehandelt.)<br />
Die Elser, schon 1406 in Tochtelfingen, später Neufra u.<br />
Ringingen, wären nach Edm. Nied nach einem der verschiedenen<br />
Orte Elz, Elzach, Elze benannt, wie z. B. auch unsere<br />
Lorch auf einen 1454 in Hausen an der Lauchert erwähnten<br />
Hans von Lorch (Württbg.) zurückweisen.<br />
Die Jauch erklärte Nied 1924 als Kürzung aus Joachim, später<br />
dagegen als Bauernnamen zum Feldmaß Jauchert (Schriften<br />
Baar 1937). Kanz bedeutet (Pferde-)Mähne. Offenbar ist vor<br />
Jahrhunderten (1435 im Zollerischen mehrfach!) oder früher<br />
ein Mähneträger besonders aufgefallen, während in unsern<br />
Tagen bei Männlein und Weible in Riesenmähnen als Mode<br />
bewundert werden können. Im J. 1288 war ein »Eberhard<br />
genannt Kanz« der Schultheiß von Osterburken (Baden).<br />
Die Leibold in Burladingen und ehemals Ringingen kamen<br />
von Lautlingen. Der Name hängt mit Luitbold = der Leutestarke<br />
zusammen. Dagegen wohnte 1542 in Ringingen ein<br />
Diepold Ostertag. Diet bedeutet Volk, wie in Dietfurt, also<br />
eigentlich Dietbold (auch zu Theobald verändert), während<br />
Ostertag die Ubersetzung des lateinischen Taufnamens<br />
Paschalis darstellt. Die vom genannten stammenden Ostertag<br />
in Jungnau starben erst vor wenigen Jahrzehnten aus.<br />
Pfister kommt vom lateinischen pistor = Bäcker. Die Ringinger<br />
Pf. sind seit 1658 nachweisbar, kamen wohl von Jungingen,<br />
oder Burladingen oder Gruol. Die Ringinger Räch,<br />
früher Raach, kamen mit Karl R. 1797 von Oberstetten.<br />
Wortbedeutung »rauhhaarig«. Die Ringinger Rist erscheinen<br />
mit Georg R. genannt der Dürr im J. 1609. Der Name dürfte<br />
von altd. Rusto = »Freund der Rüstung« anzuleiten sein.<br />
Die Salle saßen 1548 schon in Bietenhausen als Sailin. Nied<br />
kennt 1285 einen Burchi Seilin und vergleicht dazu einen<br />
»ganannt Wagensail« zu Staindorf 1434. Wohl Beiname eines<br />
Seilers. Doch gabs auch alte Vornamen Seiling. Schramm,<br />
wohl »Mann mit Schramme«. Simon Sch. heiratete 1767 von<br />
Aichelau nach Ringingen.<br />
Unmuth, »der Furchtsame«, kam mit Michael U. 1733 von<br />
Starzein nach Ringingen. Wahl, der Welsche, Walch. Erster<br />
ist Hans W. 1583 in Ringingen, Verwandter des damaligen<br />
gleichnamigen Pfarrers, der aus Kirchen bei Munderkingen<br />
kam.<br />
Berner sind im J. 1325 in Feldhausen nachzuweisen (HJH<br />
1962, 63). Man könnte die Stadt Bern (Schweiz) oder die Burg<br />
Bern bei Rottweil als Heimat vermuten. In Norddeutschland<br />
wird vielfach der Name Bernhard als Ausgangspunkt angesehen.<br />
Die Kettenacker Berner wurden um 1600 durch schwäbische<br />
Aussprache zu Beaner und dann Biener, wie Hans<br />
Hanner urkundlich nachwies! Die Dopfer in Sigmaringen<br />
dürften norddeutsche Töpfer sein, die bei uns Häfner oder<br />
Hafner heißen.<br />
Die Haiber stellen für Sprachfremde ein großes Rätsel dar,<br />
sind für Schwaben jedoch sehr durchsichtig: »Arbeiter bei der<br />
Heugewinnung«. Nicht nur heißt das Heu bei uns Hai,<br />
sondern auch die urkundlichen Formen sind ganz eindeutig:<br />
How = Hett, 1435 Hans Hoewer im Killertal, Benz Hoewer<br />
in Grosselfingen; 1548 Hewber in Hausen, Heuber in Bisingen.<br />
Es handelte sich um einen Mithelfer bei der Heuernte der<br />
Bauern. Haid, 1548 »der Haiden« in Imnau, schon mhd.<br />
(mittelhochdeutsch) »der heiden« = unser Heide. Die Veranlassung<br />
zur Namensbildung war vielleicht, wie auch sonst<br />
oft, ein Volksschauspiel.<br />
Hegner, Högner, heute in Burladingen, 1542 in Ringingen,<br />
bedeutet nach Brechenmacher »Waldaufseher«, im Alemannischen<br />
aber auch »Fischer«. Heim, heute zahlreich in Burladingen,<br />
1542 in Ringingen und Melchingen. Vorname (Vn)<br />
Haimo schon im J. 817 nachweisbar als Abkürzung von<br />
Heimrat. Ein Heiliger dieses Namens starb als gebürtiger<br />
Meßkircher um 1010 in Hasungen (Hessen). Heiß, Haiß,<br />
1548 Heyss in Bisingen, um 1600 Hewiß in Jungingen:<br />
Gegensatz zum Namen Kalt. Henle, 1548 Henlin in Höfendorf.<br />
Vermutlich Übername (Un) für kleines Huhn, oder<br />
Hühnerhändler. Man vergleiche Hühnerwadel (-Wedel).<br />
Hinger, wohl Mann aus Hengen bei Urach. Hönes in Salmendingen,<br />
1542 Henis in Steinhilben, sonst auch Hänes, Henne.<br />
Nach R. Kapff sei es Abkürzung aus Johannes. Nadler, 1548<br />
in Haigerloch, 1606 Hans Nedelin in Salmendingen und<br />
Melchingen; 1643 Georg Nadler in Ringingen. Ob ursprünglich<br />
Nadelmacher oder lediglich Beiname eines Schneiders?<br />
Reiher 1548 in Imnau und Rangendingen. Ein (Hanf-)Reiber<br />
wäre Bearbeiter der Hanfstengel in der sog. Reibe. Reiber =<br />
Abreiber hieß aber auch der Badeknecht. Rieber, schon 1276<br />
Rewin der Rueber, nach Kapff ein »Rübenbauer«. Rieger,<br />
Riegcker sei gekürzt aus Rüdeger. Auch kommt ein Rüber als<br />
Gerichtsvollzieher infrage. Rügen bedeutete 1530 noch in<br />
Ringingen »mit Geld bestrafen«.<br />
Saible in Sigmaringen können an den altd. Namen Sabilo<br />
erinnern. Säle, vermutlich zusammengehörig mit Saile, deuten<br />
nach Kapff auf Seele (»Arme Saila!). 1548 Saile zu<br />
Rangendingen. Möglich wäre auch ein Beiname zu Seil, also<br />
eines Seilers, oder Abschleifung eines altd. Vornamens Sigel-<br />
Sigi, der noch in Baden als Fn vorkommt.<br />
Sauter, Sutter, Sütterlin gründen auf dem lateinischen sutor =<br />
Schuhmacher. Seemann möchte man gern als Matrose erklären.<br />
Kapff dachte an »Sämann«, doch gab es schon im 9. Jh.<br />
den Taufnamen Seman. Sommer und Winter als Gegensätze,<br />
Lenz und Herbst, vielleicht aus Volksschauspielen. Stauß,<br />
wohl vom altd. Stuzo, vgl. Ortsnamen Stuzelingen-Steißlingen.<br />
Steiner = Steinmar = »mit Steinwaffe berühmtStopper<br />
— Stopfer. In Rottweil hießen so die Ausbesserer der Dächer,<br />
Schiffe usf.<br />
Traub kann von einem Wirtshausnamen stammen wie Stern,<br />
Mohr (Dreikönig), Bär, Hirsch usw. Möglich ist aber auch<br />
der altd. Name Trubo, Kosewort zu Trudpert. Volk, Kürzung<br />
von Volkmar, Volker (Volks-berühmt). Ebenso Volz.<br />
Waldner heißt der Waldhüter. Weckerle u. Wacker benennen<br />
den Wachsamen.<br />
Waldenspul, der Mann vom Walters-bühl, urspr. Schweizername.<br />
Walter, Walther, alth. Waltheri = Heereswalter.<br />
Wehrle von Wernher, ein Werlin Stamer im J. 1293. Werz,<br />
Wörz 1580 in Stetten, von Wernher = Wehr-Held. Widmaier,<br />
Bebauer des Pfarrwiddumgutes. Winter, siehe Sommer.<br />
Zintgraf = Zentgraf: Dill Zintgraf kam um 1700 aus Sachsen,<br />
wurde zollerischer Jäger. Dill kommt von Dietrich, nicht<br />
Ottilius, wie der Burladinger Pfarrer damals meinte. »Verwalter<br />
einer Zent« (Gebiets).<br />
29
Die Bailer, Dehmer, Dehner, Emele, Hipp<br />
1) Familien Bailer gibt es heute in Hechingen, Melchingen,<br />
Ringingen, Salmendingen, Schlatt und anderswo. Die Ringinger<br />
kamen mit Johann Böhler-Bayler um 1640 von Melchingen,<br />
woher auch der damalige, von 1612-57 amtende<br />
Pfarrer Jakob Böhler-Bayler stammte. In Melchingen hießen<br />
sie laut Türkensteuerliste von 1542 1 Beiler, im benachbarten<br />
Stetten u. H. im Jahrhundert zuvor Beler. Letztere gab es<br />
schon 1297 in Freiburg, die später Böler geschrieben sind.<br />
Nied 2 kennt eine Belerin 1299 im Ort Fürstenberg (Baar),<br />
einen Beler 1307 in Bräunlingen, 1406 in Riedböhringen und<br />
leitet den Namen vom dortigen Dorf Behla (1155 Belen) ab,<br />
was einleuchtet. Dagegen nennt Brechenmacher 3 Bailer (als<br />
Berufsnamen) einen »Eichmeister« oder Visierer, zu mhd.<br />
»der Beiel« = Untersuchen der Fässer. Auch Linnartz 4 führt<br />
Bailer als Beiler oder Eichmeister an und nennt mhd. das Beiel<br />
= Visierholz, englisch peg. Wenn jedoch die älteste Form<br />
unserer Bailer »Beler« lautete, dürfte Nied die richtige Deutung<br />
geben: ein Mann aus Behla (Baar). Altes ei wäre m. E. zu<br />
01 geworden.<br />
2) Die Dehmer, Diemer erklärt Linnartz 4 aus alte »Dietmar«:<br />
mit ausgestoßenem T, in Bedeutung »volksberühmt«.<br />
3) Dehner, Dener, Döner rechnet Li. 5 zu einer der vielen<br />
Ableitungen von Degenhart, Denert. Bickelspergs zollerisches<br />
Lagerbuch 6 von 1435 kennt Dener, Döner in Thanheim-Steinhofen.<br />
Kapff 7 dagegen denkt sehr einfach an Dehn<br />
und erklärt es als »Geschwollener«!!<br />
4) Emele erscheinen 1532/42 als Emelin in Salmendingen 1 .<br />
Brechenmacher 3 deutet auf die ostgotischen Amalungen, u.<br />
ahd. amal = »kampfeseifrig«. Noch i.J. 1109 kennt er<br />
Amelung als Vornamen. Im J. 1435 erscheint Emellin im<br />
zollerischen Gebiet 6 . Li. dagegen 4 will Emanerich-Emmerich<br />
= »mächtiger Fürst« beziehen, was zu Emmele geworden<br />
sei. Ob überzeugend?<br />
5) Die Ringinger Hipp kamen 1686 aus Salmendingen ins<br />
Haus 98 im Gäßle. Man dachte an den römischen Hippolyth,<br />
Kapff 7 dagegen an einen kaum infrage kommenden »Faltenrock«.<br />
ImJ. 1435 gab es Hyp, Hipp in Mössingen 6 , um 1500<br />
eine Hyp Elli(Adelheid!) in Starzein. Ausschlaggebend<br />
scheint mir der 1446 in Burladingen lebende Hipp Fulhaber 8<br />
zu sein, wobei Hipp zweifelsfrei als Vorname steht. In<br />
Salmendingen gab es 1542 Hypp neben Hipp 1 . Unter den<br />
Urkunden des Klosters Stetten findet sich 1332/36 ein Hilthold<br />
im Ort selbst, Hippold lebten im 13. Jh. in Riedlingen,<br />
was leicht zu Hipp verkürzt werden konnte. Hipp gab es um<br />
1400 in Erpfingen. Somit darf als ziemlich sicher gelten, daß<br />
Hipp als ehem. Vorname aus Hiltpold-Hippold entstand.<br />
Hilt bedeutet ahd. Kampf, bold = stark; Hiltbold also<br />
»kampfesstark«.<br />
Anmerkungen<br />
') ZH 1938, 89f.<br />
2<br />
Schriften Baar 1937, 25.<br />
3<br />
Brechenmacher, Dtsch. Sippennamen 1936.<br />
4<br />
Linnartz, Unsere Fam. Namen 1936, Dümmlers Verl. Berlin-<br />
Bonn.<br />
5<br />
Ebenso.<br />
6<br />
Bickelspergs Lagerb. 1435, Thorbecke Sigmaringen.<br />
7<br />
R. Kapff, Schwab. Geschl. Namen, Stuttg. 1927.<br />
8 Hohz. Heimat, 1957, 29.<br />
Die Familien Honer, Kästle,<br />
Mauz, Simmendinger<br />
1) Die Honer (Hohner, Hohnerlein) sollen nach Brechenmacher<br />
1 vom Taufnamen Heinrich abgeleitet sein, was nicht<br />
überzeugen kann. Heiner könnte nur durch pure Willkür zu<br />
30<br />
Honer werden. Andere dachten an den lateinischen, aber bei<br />
uns kaum nachweisbaren Namen Honorius = der Geehrte.<br />
In Ringingen findet sich im Jahre 1668 unter den Firmlingen<br />
ein Jakob Honer. Er oder sein Verwandter war dann 1696<br />
Mesner und Schmied daselbst. Heute gibt es in R. nur noch<br />
weibliche Angehörige, da der Hitlerkrieg den Sohn Sebastian<br />
hinwegraffte. Edm. Nied 2 kennt 1338 neben Honer in Ehingen<br />
(Baar) auch Höner und Hön. Er deutet auf mittelhochd.<br />
honen in Bedeutung verhöhnen, zornig reden, schreien, was<br />
natürlich keineswegs von heutigen Namensträgern gelten<br />
kann.<br />
2) Die Kästle in Killer scheinen noch nie untersucht zu sein.<br />
Man kann kaum annehmen, daß sie mit den 1435 und 1548 im<br />
Hechinger Gebiet nachzuweisenden Käs-Kauss (das u ist<br />
über dem a geschrieben!) zusammenhängen 3 ' 4 . Dagegen<br />
findet sich in Schlatt im Jahre 1435 ein Benz (Berthold) Kast 3 .<br />
Brechenmacher dachte bei Kast und Kästle an einen Berufnamen<br />
(Verwalter eines Kornkastens) oder Schleifnamen eines<br />
Schreiners: 1243 »Sigrid genannt Caestelin« und 1549 Hans<br />
Kästlin von Inneringen 1 . Man wollte den Kästlesbühl bei<br />
Ringingen-Ringelstein, das Kästle bei der Haidburg-Trochtelfingen<br />
und die Kastelburg bei Waldshut-Brsg. beiziehen.<br />
Doch handelt es sich hier jedesmal um den Burgennamen<br />
»castellum«! Die im Badischen heute vorkommenden Kast<br />
und wohl auch die Familiengruppe im Killertal mit der<br />
Verkleinerungssilbe -le dürften auf den Personennamen<br />
Arbogast, einem bekannten frühen Straßburger Bischof<br />
zurückgehen, dem auch das Offenburger-Gengenbacher<br />
Gebiet unterstand, wo noch lange der Taufname Arbogast<br />
geläufig war 5 . Von Gast - Kast zu Kästle ist es nicht weit.<br />
3) Die Mauz sind in Burladingen sehr stark vertreten. Die<br />
Aussprache lautet bei den Einheimischen Maoz, nicht Mouz<br />
oder Mao(n)z. Im Jahre 1524 saß auch in Ringingen ein<br />
Balthas Mouz und 1435 finden wir 4 in der Schreibart Moutz<br />
(aber u über dem o!) Vertreter in Boll, Hechingen und im<br />
Killertal. Einer in Ringingen wird im 16. Jh. Münz geschrieben,<br />
was irrig sein dürfte. Oder hat die Aussprache oft<br />
gewechselt? Die nasala Form Mao(n)z würde an das minderwertige<br />
Abwerg bei der Hanfverarbeitung erinnern und<br />
könnte nach Kapff 5 einen Mißmutigen oder Mürrischen<br />
bezeichnen. Nied 6 nennt zum Jahr 1446 einen Mautze, den<br />
der Freiburger Flamm als »Katz« erklären will, was heute im<br />
Badischen als Name vorkommt. Munzig würde »klein«<br />
bedeuten und könnte einen untersetzten Mann anzeigen. Im<br />
J. 1548 ist fast durchweg in Burladingen und anderswo Motz<br />
geschrieben 3 , was mit langem O gesprochen sein muß, wenn<br />
es später zu au wurde, wie frouwe zu Frau bzw. rot zu<br />
schwäbisch »raot«. Man dachte bei Motz an mhd. mod =<br />
Moder, Schlamm, Sumpf, Schmutz und erinnerte an unser<br />
kindertümliches »motza« = im Dreck rühren. Angesichts der<br />
verschiedenen Schreibarten ist eine Deutung schwer und der<br />
ursprüngliche Sinn nicht zu erkennen. Kapff und Brechenmacher<br />
1 nehmen die Deutung »mürrisch« an und stellen sie<br />
zu Maunz und Mauthe! Zu Mutz = »abgeschnitten, kurz«,<br />
wird das Wort kaum gehören.<br />
4) Die Simmendinger des Killertals sind seit dem Jahre 1713<br />
mit Josef Simmendinger nachweisbar. Er stammte aus dem<br />
Entlebucher Amt in der Schweiz, heiratete in Killer am<br />
26. April 1713 die Witwe Christine Wolf, die ein Kind<br />
mitbrachte. Sein Einkauf als Bürger kostete 18 Gulden,<br />
womit er zugleich den Leibeigenschaftseid ablegte (Amtsprotokoll).<br />
Der Familienname Simmendinger geht merkwürdigerweise<br />
auf das Dorf (Ober-)Sulmetingen an der Riß (Biberach)<br />
zurück, das ursprünglich Sunemuetingen hieß, aber<br />
später als Simatingen-Simmetingen erscheint. Auch das heutige<br />
Stuttgarter Geschlecht Samendinger dürfte auf die gleiche<br />
Quelle weisen, falls nicht (ziemlich unwahrscheinlich) ein L<br />
ausgefallen ist.
Anmerkungen<br />
1<br />
J. K. Brechenmacher, Deutsche Sippennamen 1936.<br />
2<br />
Schriften. Baar 1937, 58.<br />
3<br />
HJHeft 1935, 122 f.<br />
4<br />
Bickelspergs zollerisches Lagerbuch 1435, hgg. von<br />
Thorbecke Verlag.<br />
Herberhold,<br />
5<br />
Ed. Nied, Heiligenverehrung und Namengebung 1924, 90.<br />
6<br />
Ed. Nied, Familienbuch von Freiburg-Karlsruhe-Mannheim<br />
1924.<br />
Die Ringinger Maichle<br />
A. Zum Namen: Vor einiger Zeit meinte jemand, der Familienname<br />
Maichle hänge mit dem Ortsnamen Melchingen<br />
zusammen. Der lautete allerdings im J. 772 Malichingen<br />
(verschrieben zu Mulichingen!) und bedeutet: »Bei den Leuten<br />
eines Malicho«, der weiter nicht bekannt ist. Malicho und<br />
Maichle sind betr. Stellung der Mitlaute zu sehr verschieden.<br />
Die Endung -le stellt eine Verkleinerung dar, wie Bürkle,<br />
Birkle zu Burkart. Rudolf Kapff 1 stellte Maichle zum Namen<br />
Mauch und deutete auf »Geheimnis«, bzw. Geheimtuer. Wir<br />
kennen die Mauchez als Obstversteck der Kinder. Mittelhochdeutsch<br />
(mhd) muchen heißt verstecken, verbergen und<br />
miucheling ist »heimlich« 2 . Der badische Ort Mauchen bei<br />
Bonndorf hieß 1147 Muchheim = »Heim eines Mucho«. Die<br />
Burladinger Maucher dürften zum gleichen Wortstamm<br />
gehören und vielleicht auch die Moch. Ed. Nied 3 stellte<br />
Maichle als Verkleinerung zu Mouch-Möuchle und vermutete<br />
darin einen zugezogenen Minderbürger (der sich ducken<br />
muß) 4 . Sehr stark hat J. K. Brechenmacher 5 sich mit den<br />
Maichle befaßt und schreibt: Maichle-Maichel sei ein Ubername<br />
zu mhd möuchelin = Wecke, Semmel, was ich allerdings<br />
bei Lexer nicht finde, wo wenig wie Nieds mhd mouch<br />
= »Brottunke«, (doch mit Fragezeichen versehen). Ernennt<br />
1317 einen Mouch zu Villingen. Der bayrische Forscher<br />
Schmeller (1, 1561) sieht in Meuchel einen furchtsamen<br />
Menschen, doch setze das eine andere Aussprache voraus,<br />
nicht ai! Brechenmacher führt 1524 einen Michel Meichel in<br />
Hailtingen (b. Riedlg.) auf, wo es heute Maichel gibt. Daneben<br />
kennt er einen bayrischen Gelehrten Meichelbeck-Mai-<br />
Buchbesprechungen<br />
Hechingen und Zollerburgen in alten Ansichten<br />
Vor kurzem erschien im Thorbecke Verlag Sigmaringen ein<br />
Buch von Prof. Dr. Karl Mors. Der Verfasser ist in Hechingen<br />
geboren und aufgewachsen. Er hat eine große Zahl von<br />
alten Stichen, Gemälden und Photographien über Hechingen<br />
zusammengetragen. An Hand der Abbildungen erzählt er die<br />
Geschichte von Hechingen, beginnend mit der Villa rustica in<br />
Stein. W. Schickhardt, Merian und J. U. Stierlin haben<br />
Hechingen abgebildet; so ist das Aussehen der Stadt seit dem<br />
16. Jahrhundert recht gut bekannt. Anschaulich werden die<br />
fünf Rathäuser bis zum letzten, das nicht »zemma falla«<br />
wollte, gezeigt.<br />
Der Verfasser hat die Bilder nicht chronologisch angeordnet,<br />
sondern er macht einen Rundgang durch die Stadt und ihre<br />
Umgebung. Es ist erstaunlich, wie sich z. B. der Obertorplatz<br />
in hundert Jahren gewandelt hat. Vom lebhaften Verkehr<br />
zeugen die zahlreichen Kutschen auf Stichen und Photos. So<br />
berichten auch Durchreisende aus den letzten Jahrhunderten<br />
über Hechingen. James F. Cooper, Hector Berlioz und<br />
Goethe werden zitiert.<br />
In Hechingen stand einmal das »schönste Schloß in teutschen<br />
Landen«, das Renaissance-Schloß der Grafen von Zollern.<br />
Von den Künstlern, die hier tätig waren und von den<br />
rauschenden Festen, die gefeiert wurden wird berichtet.<br />
chelbeck. (Es gibt auch Vesen-, Hilsen-, Mutschel-, Kraus-,<br />
Motzenbeck). Doch kann dieser Beck sehr wohl schon<br />
Meichel geheißen haben und brauchte den Namen nicht erst<br />
seinen Semmeln verdanken, die mhd. muchelin (neben möuchelin)<br />
hießen. Im Fränkischen finden wir 6 im Jahr 1219<br />
einen Heinrich Mucheier. Schließlich gibt es bei Böblingen<br />
einen Ort Maichingen, der 1275 Mouchingen, später<br />
Möchingen hieß. Wieder dürfte, wie bei Mauchen, der uralte<br />
alemannische Personenname Mouch-Möch zugrunde liegen,<br />
dessen Sinnbedeutung jedoch für das 6/7. Jahrhundert bei<br />
Gründung der Niederlassung festlegen zu wollen mir verwegen<br />
zu sein scheint. Wir wissen es ebensowenig, wie bei dem<br />
im J. 817 als Zeuge in Ebingen genannten Fizilin (Fisil,<br />
Visel) 7 . Sie hießen halt so!<br />
B. Familien: Schon im J. 1590 erscheint ein Klaus Maichle in<br />
Ringingen, 1620 dann (als Nachkomme?) ein Wirt Jerg<br />
Maichle, wohl in Haus 20 am Kreben. Ob der Name aus<br />
Salmendingen oder Melchingen kam, wo es heute viele<br />
Maichle gibt, wissen wir nicht. Im J. 1542 finden wir dort den<br />
Namen nicht 8 . Im Jahre 1662 heiratete ein Andreas Maichle<br />
aus Salmendingen hierher ins Haus 83 bei der Hilb mit der<br />
Haustochter Maria Spindler des Georg und pflanzte die<br />
Familie bis 1980 fort. Eine andere Linie kam 1759 mit Fidelis<br />
Maichle aus Melchingen, der sich »Chyrurg« nannte und von<br />
1737-1808 lebte. Er scheint jedoch nur eine Tochter Walburga<br />
hinterlassen zu haben, die 1788 als Bräutigam den<br />
32jährigen Kaspar Viesel des Kasp. aus Melchingen brachte.<br />
Deren letzter Nachkomme war Isidor Viesel, der im J. 1977<br />
vor dem Sonntagsgottesdienst in der Pfarrkirche kinderlos<br />
verstarb. Seine ältere Schwester Marianne lebt z. Z. als<br />
Ordensfrau noch in Hegne und heißt M. Adelwina.<br />
Die Ringinger Maichle sind am 11. April 1980 mit dem<br />
91jährigen Landwirt Alex M. (Haus 11 im Lai) ausgestorben.<br />
Seine Frau Johanne Viesel, Schwester des eben genannten<br />
Isidor, starb 1962, nachdem der Hitlerkrieg schon den einzigen<br />
Sohn Maurus hinweggerafft hatte. Ein 1919 aus Melchingen<br />
hierherkommender Theodor Maichle (1889-1969) hinterließ<br />
nur zwei Töchter. (Schluß folgt!)<br />
Schließlich begann das stolze Schloß baufällig zu werden und<br />
einzufallen. Der klassizistische Nachfolgebau war eher<br />
bescheiden. Vielleicht wollte man ihn deshalb unbedingt<br />
abbrechen. Glücklicherweise konnte wenigstens die Fassade<br />
erhalten werden.<br />
Viele, längst vergangene Wirtschaften, Bürger- und Bauernhäuser<br />
werden im Bild wieder lebendig und Mors versteht es,<br />
von den alten Hechingern zu erzählen. Die Lebensumstände<br />
der Bürger und Bauern waren nicht so rosig, wie man es sich<br />
heute manchmal vorstellt. Aber die Bürger richteten sich ein,<br />
die Museumsgesellschaft und viele Vereine zur Pflege der<br />
Geselligkeit, der Musik und Kunst zeugen davon.<br />
Das Schwarz-Weiß der Stiche und Photos wird durch die<br />
Gemälde von Konrad Ruff farbig aufgelockert. Von besonderer<br />
Schönheit sind auch die beiden aquarellierten Kupferstiche<br />
von J. H. Bleuler. Die Zollerburg wird in verschiedenen<br />
Bauphasen gezeigt. Die heutige Burg, das »nationaldynastische<br />
Denkmal« des 19. Jahrhunderts, hat als Refugium der<br />
preußischen Hohenzollern in unserer Zeit neue Bedeutung<br />
gewonnen.<br />
Weitere Burgen der Grafen von Zollern sind Burg Oberhohenberg<br />
bei Schörzingen, die Schalksburg, das Zollernschloß<br />
in Balingen und Schloß Haigerloch. Ein Zweig der Grafen<br />
von Zollern sitzt seit 1534 in Sigmaringen.<br />
31
Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> <strong>Geschichtsverein</strong><br />
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />
Man wird lange suchen müssen, bis man eine Stadt findet, die<br />
ursprünglich so klein war wie Hechingen und eine solch<br />
reichhaltige Geschichte und eine solche Fülle von Kunstwerken<br />
aufweisen kann. Man kann die Hechinger zu diesem<br />
Heimatbuch nur beglückwünschen. Gleichzeitig ist das Buch<br />
eine Bereicherung der hohenzollerischen Literatur.<br />
Hechingen und Zollerburgen in alten Ansichten. Ein Streifzug<br />
in die Vergangenheit einer Stadt. Thorbecke Verlag<br />
Sigmaringen 1982, DM 38.-.<br />
Ich denke oft an Hohenzollern. Erinnerungen eines Journalisten,<br />
von Bruno Ewald Reiser.<br />
In Veringenstadt geboren und aufgewachsen, die meiste Zeit<br />
in Hechingen tätig, ist Bruno Reiser in Hohenzollern kein<br />
Unbekannter. Früher als Journalist mußte er schreiben, was<br />
gerade notwendig war, jetzt als Ruheständler, kann er schreiben,<br />
was ihm Freude macht. Um es vorweg zu nehmen, auch<br />
seinen Lesern macht es Freude. Dinge, die man selbst schon<br />
fast vergessen hatte, tauchen wieder im Gedächtnis auf. In der<br />
Karwoche flogen die Kirchenglocken nach Rom und kamen<br />
zu Ostern wieder zurück. Oder der letzte Wolf Hohenzollerns,<br />
den Gedenkstein bei Neufra kennt man ja, aber die<br />
Geschichte hatte man fast vergessen. Bei einem Besuch in<br />
Josefslust fällt sie einem dann wieder ein. Man muß das<br />
Büchlein selbst gelesen haben, um die Freude an den kleinen<br />
Geschichten zu empfinden und an der Erzählkunst des<br />
Verfassers.<br />
Das Buch erschien im Verlag Glückler in Hechingen und ist<br />
mit Zeichnungen von H. Zimmermann ausgestattet. Diese<br />
Zeichnungen, die graphische Gestaltung und der farbige<br />
Einband, machen das Büchlein zu einem ansprechenden<br />
Geschenk. Es kostet DM 12.50.<br />
Michel Buck. Der Bussen und seine Umgebung<br />
Verlag Ulrich'sche Buchdruckerei, Riedlingen, DM 20.-<br />
Als letztes Buch der Michel Buck-Serie erschien nun der<br />
Nachdruck »Der Bussen und seine Umgebung«. Das Buch<br />
schrieb Buck 1868 in Aulendorf, wo er damals als praktischer<br />
Arzt tätig war, es erschien im Verlag der Hofbuchhandlung<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
hrsggbn. vom Hohenz. <strong>Geschichtsverein</strong>.<br />
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />
ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
und der angrenzenden Landesteile mit der<br />
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />
bringt neben fachhistorischen auch populär<br />
gehaltene Beiträge.<br />
Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />
Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />
802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />
Druck:<br />
M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co.,<br />
7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />
32<br />
Die Autoren dieser Nummer:<br />
Casimir Bumiller<br />
Freiburger Straße 5<br />
7801 Norsingen<br />
Pfr. Johann Adam Kraus<br />
Erzbischöfl. Archivar i. R.<br />
Badstraße 8,<br />
7800 Freiburg-Littenweiler<br />
Dr. Hans-Dieter Lehmann<br />
Uhlandweg 1, 7450 Hechingen<br />
Johannes Wannenmacher<br />
Schulrat i. R.<br />
Eichertraße 9<br />
7487 Gammertingen<br />
Otto Werner, Rektor<br />
Friedrich-List-Straße 55<br />
7450 Hechingen<br />
C. Tappen in Sigmaringen. Das Buch ist heute über hundert<br />
Jahre alt, trotzdem findet man wenig, was wirklich veraltet<br />
ist; im Gegenteil, man ist immer wieder erstaunt über die<br />
Fülle des <strong>heimat</strong>kundlichen und geschichtlichen Wissens von<br />
Buck. Der Bussen ist zwar der Mittelpunkt, Buck berichtet<br />
jedoch ausführlich über Adelsgeschlechter, Bürger und Bauern,<br />
Städte und Klöster der Umgebung. Durch die Kreisreform<br />
ist uns der Raum, mit dem sich Buck immer wieder<br />
beschäftigt hat, sehr nahe gerückt. Zwei der fünf österreichischen<br />
Donaustädte liegen seither im Kreis Sigmaringen.<br />
Deutsche Volkskunst - Schwaben<br />
Hrsg. Karl Gröber. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe<br />
von 1925. 120 Seiten, 222 Abbildungen, 1 Karte. Verlag<br />
Weidlich Frankfurt. Subskriptionspreis DM 45.-, später DM<br />
49.80.<br />
Das Buch behandelt in Text und Bild alle Gebiete der<br />
schwäbischen Volkskunst und befaßt sich ausführlich mit<br />
ihrer Geschichte. Abnehmer für Volkskunst waren Bauern<br />
und Kleinbürger. Diese erfüllten alle Bedürfnisse, die über<br />
das landwirtschaftliche Erfordernis hinausgingen, in der<br />
Amtsstadt. Hier kauften sie auf dem Markt oder bestellten<br />
beim Handwerker das was sie brauchten und nach ihrem<br />
Geschmack war. Der Handwerker aber wollte das, was er<br />
fertigte, möglichst künstlerisch gestalten. Er schöpfte die<br />
Motive für sein künstlerisches Schaffen fast immer aus Vorlagen<br />
seiner Zeit, die er dann nach seinem Gutdünken verarbeitete.<br />
So deckte sich Handwerkskunst mit Volkskunst. Seit<br />
den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mußte<br />
die Volkskunst langsam der modernen Massenproduktion<br />
weichen. So können wir die meisten der im Buche abgebildeten<br />
Gegenstände nur noch in Museen betrachten.<br />
Der Herausgeber Dr. Karl Gröber arbeitete an der Inventarisierung<br />
der Bayerischen Bau- und Kunstdenkmäler. Sein<br />
bevorzugtes Interessengebiet aber war die Volkskunde. Er<br />
wurde in Neufra an der Donau geboren; dort, wo sein<br />
Großvater das Schloß als Wohnsitz und die Nebengebäude<br />
als Plüsch- und Strickwarenfabrik erworben hatte.<br />
Das Buch ist eine Fundgrube für alle, die sich für bäuerliche<br />
Volkskunst interessieren oder Dinge aus der Vergangenheit<br />
sammeln.<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />
persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />
sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />
Heimat« weiter zu empfehlen.
HOHENZOLLERISCHE<br />
HEIMAT<br />
Ehemaliges Kloster Inzigkofen, aufgenommen 1889 von E. Eulenstein.<br />
WILFRIED SCHÖNTAG b 1<br />
Herausgegeben vom<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong><br />
32.Jahrgang Nr. 3/September 1982<br />
Rechtliche und wirtschaftliche Grundlagen von Klause und Stift Inzigkofen<br />
Das späte Mittelalter, die Zeit vom 13. bis zum 15. Jahrhundert,<br />
ist eine wildbewegte Zeit in politischer, kirchlicher,<br />
wirtschaftlicher und auch kultureller Hinsicht. Nach dem<br />
Untergang des staufischen Hauses erfolgten große Machtverschiebungen<br />
in unserem Raum. Grafen und Herren zogen<br />
Güter und Rechte an sich und bauten neue Herrschaften auf.<br />
Mächtige Familien stritten sich um die oberste Würde im<br />
Reich, wobei dieses von Kriegszügen und Plünderungen<br />
heimgesucht wurde. Die politischen Auseinandersetzungen<br />
schädigten auch die kirchlichen Autoritäten. Religion und<br />
Sittlichkeit waren nicht mehr unangefochten. Ein neues<br />
Lebensgefühl entwickelte sich, das neben den höfischen<br />
Formen derbe Genußsucht und eine üppige Lebensführung<br />
kannte. Das Aufblühen des Handels und Gewerbes wie auch<br />
der Landwirtschaft bot hierfür die wirtschaftliche Grundlage.<br />
Bei all dem äußeren Glanz darf eine andere Strömung nicht<br />
übersehen werden, die Mystik. Diese ist keine ausschließlich<br />
mittelalterliche Erscheinung. Sie erfuhr aber im 12. bis 15.<br />
Jahrhundert in Schwaben eine besondere und tiefreichende<br />
Ausprägung. Mystik ist das unmittelbare Erleben des Wirkens<br />
Gottes in der Seele. Diese ganz persönliche Religiosität,<br />
die nicht auf dem Verstand, sondern auf der innersten<br />
Erfahrung beruht, diese klar und deutlich erfahrene Verbundenheit<br />
des Menschen mit Gott war im 14. und auch noch im
15. Jahrhundert in Schwaben Gemeingut breiter Kreise.<br />
Diese Strömungen, die zu einer tiefen Innerlichkeit führten,<br />
die aber auch kirchenpolitischen Radikalismus mit sich bringen<br />
konnten, stellten eine Bedrohung für die Kirche dar.<br />
Riesengroß war die Gefahr, der Ketzerei zu verfallen.<br />
Radikalismus und Individualismus riefen beinahe von selbst<br />
zur Abkehr von der Welt auf, die nicht mehr in Ordnung<br />
war. Die Frauen nahmen innerhalb dieser religiösen Bewegungen<br />
eine besondere Stellung ein. Die neuen Orden, der<br />
Dominikaner- und der Franziskanerorden, bemühten sich,<br />
diese Bewegungen in kirchliche Bahnen zu lenken. Mit der<br />
zweiten und dritten Regel hatten sie Formen entwickelt, die<br />
den ungeheueren Zulauf von Frauen zu religiösen Gruppierungen<br />
auffangen konnten. Hunderte von Frauen bemühten<br />
sich um ein Leben in der Nachfolge des Herrn. Sie bedurften<br />
einer starken religiösen Leitung, sollten sie nicht der unkirchlichen<br />
Schwärmerei oder gar der Ketzerei verfallen. Die<br />
Dominikaner sprachen mehr die gebildeten und höheren<br />
Stände an. Dementsprechend stand die Beschäftigung mit der<br />
Theologie im Zentrum. Die Franziskaner, der andere Bettelorden,<br />
wiesen eine andere soziale Schichtung und auch<br />
Zielsetzung auf. Die Franziskaner waren in erster Linie<br />
Praktiker in der Nachfolge Christi, Volksprediger und<br />
Volksseelsorger.<br />
In beiden Orden war die 2. Ordensregel für die in Klöstern<br />
lebenden Frauen geschaffen worden. Der 3. Orden faßte in<br />
der Welt lebende Personen zusammen, die wegen ihres<br />
Alters, durch Ehe oder sonstige Verhältnisse verhindert<br />
waren, in einen 1. oder 2. Orden einzutreten, dennoch aber<br />
der Gnade und Vorzüge des Ordenslebens teilhaftig werden<br />
wollten. Die Bezeichnung »Orden der Büßenden« drückt<br />
schon aus, daß die Übung der Buße im Mittelpunkt dieser<br />
Lebensform stand. Die Terziaren konnten in der Welt leben,<br />
sie trugen dann unter der normalen Kleidung den weißen<br />
Gürtel und ein braunes Skapulier, oder konnten sich zusammenschließen<br />
und gemeinsam wohnen. Von den Nonnen<br />
unterschieden sie sich dadurch, daß sie keine Gelübde ablegten,<br />
sondern nach einem einjährigen Noviziat Profeß mit<br />
einem förmlichen Versprechen ablegten.<br />
Diese Vorbemerkungen waren erforderlich, um die Bedeutung<br />
der Gründung der Klause Inzigkofen in der Mitte des<br />
14. Jahrhunderts erfassen zu können. Da es im Folgenden vor<br />
allem um wirtschaftliche und rechtliche Dinge geht, darf<br />
nicht der kirchliche und religiöse Hintergrund vergessen<br />
werden. Bei Anerkennung aller wirtschaftlichen und soziologischen<br />
Erklärungen für bestimmte Entwicklungen darf der<br />
religiöse Eifer und das Streben des Einzelnen nach Heiligkeit<br />
nicht übersehen werden.<br />
Die Gründung der Klause in Inzigkofen<br />
In den Jahren zwischen 1303 und 1354 wurden in der Pfarrei<br />
Laiz vier Klausen bzw. Klöster eingerichtet. Da alle von und<br />
für Frauen gegründet worden waren, deutet dies auf eine<br />
große Anteilnahme und starkes Engagement der Frauen am<br />
kirchlichen Geschehen hin.<br />
Angeblich 1303 wurde in Gorheim eine Klause gegründet, die<br />
sich dem 3. Orden des hl. Franziskus anschloß. Sicheren<br />
Boden betreten wir erst 1347. Damals überließ der Pfarrer<br />
von Laiz, Konrad von Reischach, den Klausnerinnen den<br />
Platz in Gorheim neben der Michaelskapelle und die Kapelle<br />
selbst. Um das Jahr 1308 errichteten Frauen in Laiz eine<br />
Klause, die ebenfalls die 3. Regel des hl. Franziskus übernahm.<br />
Vor 1338 wurde in Hedingen ein Dominikanerinnenkloster<br />
gegründet. Und schließlich richteten 1354 in Inzigkofen<br />
bei der Kapelle des hl. Mauritius einige Frauen aus<br />
Sigmaringen eine Klause ein und nahmen die 3. Regel des hl.<br />
Franziskus an. Schon an dieser Stelle sei festgestellt, daß die<br />
34<br />
als letzte gegründete Einrichtung dank ihres ausgeprägten<br />
geistlichen Lebens alle politischen und wirtschaftlichen<br />
Stürme überlebte und aufgehoben wurde, als die anderen<br />
Institutionen längst nicht mehr bestanden.<br />
Die Einrichtung einer Klause oder eines Klosters ist ein<br />
Gemeinschaftswerk gewesen. Nur durch das Zusammengehen<br />
von den am geistlichen Leben interessierten Menschen<br />
mit kirchlichen Amtsträgern und weltlichen Größen, sei es<br />
als Territorialherr oder als Grundherr, war es möglich,<br />
lebensfähige Institutionen zu schaffen. Dies ist der Grund<br />
dafür, daß verschiedene Rechtsbereiche nacheinander dargestellt<br />
werden.<br />
Die kirchenrechtliche Absicherung von Klause und Stift<br />
Um eine neue kirchliche Einrichtung zu schaffen, waren nach<br />
dem Kirchenrecht bestimmte Schritte erforderlich. Es mußte<br />
die Zustimmung des Ortspfarrers eingeholt werden, da die<br />
neue Einrichtung möglicherweise die Seelsorgerechte beeinträchtigte.<br />
Dann war die Zustimmung des Bischofs einzuholen<br />
und waren die kirchenrechtlichen Beziehungen zu ihm<br />
festzulegen. Die stärkste Absicherung war dann die päpstliche<br />
Anerkennung und Privilegierung. In Inzigkofen ging<br />
man eigene Wege, aber nach und nach wurde alle drei Ebenen<br />
berührt.<br />
Die 1525 begonnene Stiftschronik berichtet stark idealisierend<br />
über die Einrichtung einer Klause neben der Mauritiuskapelle<br />
in Inzigkofen durch mehrere Frauen aus Sigmaringen.<br />
Hält man die Urkunden dagegen, dann wird ersichtlich, daß<br />
weniger durch ein Wunder der Platz für die Klause bestimmt<br />
wurde, als durch Verhandlungen zwischen den zukünftigen<br />
Klausnerinnen und deren Familien, dem Pfarrer in Laiz und<br />
dem Grundherrn in Inzigkofen, der Familie von Reischach.<br />
Der Pfarrer Albert von Laiz unterstützte die Bestrebung der<br />
Sönnerschen Schwestern, ein Büßerleben zu führen. Wahrscheinlich<br />
hat er auch den Patronatsherrn der Pfarrei, den<br />
Grafen von Württemberg, überzeugt, die Kapelle des hl.<br />
Mauritius, die der Pfarrei unterstand, den Klausnerinnen zur<br />
Verfügung zu stellen. Die Gründung wurde als eine interne,<br />
nur die Pfarrei betreffende Angelegenheit betrachtet. Zur<br />
Sicherheit setzte man fest, daß bei der Aufhebung der Klause<br />
die Güter an die Klause in Laiz fallen sollten. Damit erhalten<br />
wir einen ersten Hinweis auf die von den Klausnerinnen<br />
beachtete Regel. Von Anbeginn ist es wohl die 3. Regel des hl.<br />
Franziskus gewesen. Urkundlich wird diese Regel erst 1390<br />
und dann wieder 1394 genannt.<br />
In den folgenden Jahren konnte sich die Klause gut entwikkeln.<br />
Zum Jahr 1381 ist belegt, daß neben der alten Klause<br />
eine neue errichtet worden war. In den folgenden Jahren<br />
wurde die Mauritiuskapelle aus- und umgebaut, 1385 wurde<br />
die Altäre geweiht und Ablässe erteilt. Zu diesem Zeitpunkt<br />
war die Kapelle in den Besitz und in die Verfügung der<br />
Klausnerinnen übergegangen. Ebenso setzten die Weihen<br />
und die Erteilungen von Ablässen voraus, daß der Bischof<br />
von Konstanz die Klause anerkannt und bestätigt hatte.<br />
Wenige Jahre später, 1388, wurde die obere Hälfte der Kirche<br />
dem hl. Johannes d. T. geweiht. Das Mauritiuspatrozinium<br />
trat nun an dritte Stelle nach dem Apostel Bartholomäus. Die<br />
Kirche besaß nun drei Altäre, die Johannes d.T., dem<br />
Apostel Bartholomäus und dem hl. Mauritius und seinen<br />
Genossen, dann der hl. Dreifaltigkeit und drittens der hl.<br />
Jungfrau Maria geweiht waren. Ein Friedhof für die Beerdigung<br />
der Klausnerinnen war nun auch vorhanden.<br />
Anläßlich dieser Weihehandlung wurde die Klause in den<br />
bischöflich konstanzischen Schutz aufgenommen. Auch<br />
wenn das im Hochmittelalter bedeutungsvolle Schutzinstitut<br />
im Spätmittelalter an Glanz verloren hatte, so brachte es doch<br />
immer noch eine besondere und enge Beziehung zu den
Bischöfen von Konstanz nicht nur in geistlicher Angelegenheiten<br />
sondern vor allem im Bereich des Rechtsschutzes mit<br />
sich. Bei Bedrängung durch weltliche Mächte oder vor<br />
Gericht können die Klausnerinnen sich nun des Beistandes<br />
der bischöflichen Kurie sicher sein.<br />
Die Klause war nun aus dem engen Bereich der Pfarrei<br />
herausgetreten. In den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens<br />
reichte die Unterstützung des Ortspfarrers aus, um die<br />
halbklösterliche Gemeinschaft zu führen. Nachdem sich aber<br />
gezeigt hatte, das die Klause Bestand hatte, reichte es den<br />
Insassen nicht mehr aus, als Laien ein gottgefälliges Leben zu<br />
führen. Mit Hilfe des Bischofs erreichten sie, daß sie im Jahr<br />
1394 die Regel des hl. Augustinus übernehmen konnten. Als<br />
Augustinerchorfrauen lebten sie nach kanonischen Grundsätzen.<br />
Diese unterschieden sich von den monastischen Formen<br />
vor allem dadurch, daß die Chorfrauen nicht die drei<br />
Gelübde der Nonnen ablegten. Das geistliche Leben der<br />
Chorfrauen war gekennzeichnet durch die Einhaltung der<br />
strengen Klausur, die Verrichtung des großen Offiziums und<br />
die Übung der Hospitalität. Die von anderen Chorfrauen<br />
ausgeübte Lehrtätigkeit fehlte in Inzigkofen. Der Bischof<br />
stellte die Richtlinien für das innere Leben auf und wies das<br />
neue Augustinerchorfrauenstift der geistlichen Aufsicht des<br />
Augustinerchorherrenstifts Beerenberg in der Schweiz zu.<br />
Dieses hatte das Stift zu visitieren und die Seelsorge wahrzunehmen.<br />
Mit dem Schritt vom lockeren Zusammenleben in der Klause<br />
zu festen Integration in einem Orden mit Klausur ergaben<br />
sich sofort Spannungen mit dem Ortspfarrer. Dieser beanspruchte<br />
wie bisher die Seelsorgerechte, die über das Abgabewesen<br />
ja auch eine wirtschaftliche Seite hatten. Wenige<br />
Monate nach der Umwandlung bestimmte im Januar 1395 der<br />
Offizial des Bischofs von Konstanz, daß die Frauen von der<br />
Seelsorge des Pfarrers in Laiz exempt sein und der Seelsorge<br />
der Chorherren von Beerenberg unterstehen sollten. Es<br />
dauerte einige Jahre, bis der Patronatsherr der Pfarrei Laiz<br />
den neuen Zustand anerkannte. Erst 1412 gewährte Graf<br />
Eberhard von Württemberg die Loslösung der Kapelle in<br />
Inzigkofen von der Pfarrei Laiz. Auch von dieser Seite wurde<br />
den Chorfrauen nun zugestanden, in ihrer Kirche zu singen,<br />
das Evangelium zu lesen, predigen zu lassen, die Sakramente<br />
zu empfangen und einen Beichtvater frei wählen zu können.<br />
Die Kapelle war nun zu einer Pfarrkirche erhoben worden,<br />
jedoch mit gravierenden Einschränkungen. Der Patronatsherr<br />
hatte beim Bischof durchgesetzt, daß die Opfergaben<br />
und alle sontigen Rechte, die Abgaben mit sich brachten,<br />
weiterhin der Pfarrkirche zustehen sollten. Die Pfarrei Laiz<br />
sollte durch die Erhebung der Klause zum Augustinerstift<br />
keine finanziellen Einbußen erleiden.<br />
Wahrscheinlich ist in diesen Jahren auch die Patronatsfrage<br />
geregelt worden. Für die frühe Zeit liegen darüber keine<br />
Nachrichten vor. Später lag es in Händen des jeweiligen<br />
Landesherren.<br />
Die kirchenrechtliche Stellung des Stifts Inzigkofen war nun<br />
abgesichert. Es war in einen Orden integriert, die Beziehungen<br />
zum örtlichen Pfarrer und zum Bischof waren geregelt.<br />
Die päpstliche Kurie wurde nur angegangen, um sich Rechte<br />
bestätigen zu lassen.<br />
Das Leben innerhalb des Stifts war durch die Augustinerregel<br />
festgelegt. Die Chorfrauen hatten das Recht, die Pröpstin als<br />
die Vorsteherin ihrer Gemeinschaft, die Priorin, die<br />
Schaffnerin und alle anderen Inhaber von Ämtern zu wählen,<br />
ebenso den Beichtvater. Entsprechend der Regel hatten die<br />
Vistatoren einen großen Einfluß. Auf Wunsch der Chorfrauen<br />
wechselten diese. Der Propst von Beerenberg war nur<br />
kurze Zeit tätig, von 1419 bis um 1500 erscheinen die Pröpste<br />
vom Stift Beuron, bis 1549 die von Indersdorf, dann die vom<br />
Wengenkloster in Ulm und die von Waldsee, zuletzt von<br />
1579 bis zur Aufhebung die Äbte von Kreuzlingen. Die<br />
Visitatoren griffen manchmal in die Wahlen ein und setzten<br />
auch Pröpstinnen ab.<br />
Die Schutzvogtei<br />
Das Dorf Inzigkofen gehörte damals zur Herrschaft, dann<br />
zur Grafschaft Sigmaringen. Um 1350 lag die hohe Gerichtsbarkeit<br />
in den Händen der Grafen von Württemberg, die<br />
Ortsherrschaft und damit das Niedergericht in Inzigkofen<br />
stand den Herren von Reischach zu.<br />
Bei der Gründung der Klause 1354 nahmen die Herren von<br />
Reischach eine beherrschende Stellung ein. Sie stellten den<br />
Klausnerinnen bei der Mauritiuskapelle eine Platz zur Verfügung,<br />
der bisher als Viehweide genutzt und ein Teil der<br />
Almende war. Zunächst geschah dies wohl nur leihweise, da<br />
erst 1381 Heinrich von Reischach den Platz den Klausnerinnen<br />
schenkte. Von der Stellung als Ortsherr leiteten die<br />
Herren von Reischach ihre Funktion als Schutzvogt über die<br />
Klause ab. 1391 befreite ein Herr von Reischach die Klause<br />
mit Garten und Wirtschaftshof von allen Steuern und Diensten,<br />
nahm jedoch alle innerhalb seiner Herrschaft liegenden<br />
Güter der Klause davon aus. Der Bezirk der Klause wurde ein<br />
besonders herausgehobener Rechtsbezirk, während die<br />
Klausnerinnen und ihre Bauern ansonsten den Hintersassen<br />
der Herren von Reischach gleichgestellt waren. Weiterhin<br />
behielt er sich für sich und die Familie Reischach die Schutzvogtei<br />
über die Klause vor. Als Gegenleistung wurden die<br />
Klausnerinnen verpflichtet, jährlich ein Totengedächtnis für<br />
ihn und genannte Familienmitglieder zu halten.<br />
Diese Seelgerätstiftung ist als der Abschluß einer Entwicklung<br />
anzusehen, die 1354 begonnen hatte. Mag der Anstoß<br />
zur Gründung auch von den Schwestern Sönner und ihrer<br />
Familie sowie der sie unterstützenden Familie Remi ausgegangen<br />
sein, so nahmen sich die Herren von Reischach jedoch<br />
dauerhaft der jungen Stiftung an. Sie stellten den Boden zur<br />
Verfügung und tätigten in den folgenden Jahren auffällig viele<br />
Seelgerätstiftungen. Zwischen 1359 und 1395 besetzte die<br />
Familie Reischach die Pfarrei in Laiz mit Familienangehörigen.<br />
Und in diesen Jahren muß die Übertragung der Kapelle<br />
an die Klausnerinnen erfolgt sein. Die gehäuften Jahrtagstiftungen<br />
geben uns die Deutung für die Absichten der von<br />
Reischach.<br />
Die Herren von Reischach waren ursprünglich in der Gegend<br />
von Wald ansässig. Nachdem sie durch das Kloster Wald von<br />
dort vertrieben worden waren, bauten sie um Dietfurt,<br />
Vilsingen und Inzigkofen eine neue Herrschaft auf. Hier<br />
fehlte ihnen ein Hauskloster, dessen Insassen die Jahrtage für<br />
die Toten abhielten, in das die Kinder eintreten konnten. Die<br />
Klause in Inzigkofen bot den idealen Ausgangspunkt, und<br />
das Vorgehen hatte Erfolg.<br />
Mit dem Verkauf der Dörfer Dietfurt, Vilsingen, Inzigkofen<br />
und Pault im Jahr 1421 ging auch die Schutzvogtei an die<br />
Gräfin Anna von Werdenberg über. Entsprechend der territorialen<br />
Entwicklung gelangte die Vogtei nach dem Aussterben<br />
der Werdenberger im Mannesstamm an das Haus Fürstenberg,<br />
die es im Pfullendorfer Vertrag von 1540 an die<br />
Grafen von Zollern veräußerten.<br />
Im wesentlichen bestanden die Aufgaben des Vogtes darin,<br />
das Kloster und seine Besitzungen gegen Übergriffe zu<br />
schützen. Dies war der Ansatzpunkt dafür, das Stift in die<br />
Landesherrschaft zu integrieren. Wie stark das Stift schließlich<br />
Teil der Grafschaft Sigmaringen geworden war, zeigte<br />
sich im 18. Jahrhundert, als es sowohl zur Tilgung der<br />
österreichischen Staatsschulden wie auch der fürstliche sigmaringischen<br />
Schulden herangezogen wurde.<br />
35
Den Chorfrauen gelang es nie, Gerichts- oder Herrschaftsrechte<br />
zu erwerben. Das Stift selbst wie auch seine Besitzungen<br />
waren dem jeweiligen Ortsherren bzw. dem Landesherren<br />
unterworfen. Inzigkofen zählte bis zur Aufhebung zu<br />
den landsässigen Stiften, die in engster Abhängigkeit vom<br />
Landesherren lebten.<br />
Die Ausstattung<br />
Die Erstausstattung der Klause war wahrscheinlich sehr<br />
bescheiden. In den ersten Jahrzehnten gelang es den Frauen<br />
jedoch, durch Kauf und Schenkungen Liegenschaften und<br />
Einkünfte zu erhalten. Da der größte Teil der Liegenschaften<br />
durch Schenkungen oder im Rahmen der Mitgift der neueintretenden<br />
Frauen hereinkam, hatte die Klause und dann das<br />
Stift kaum Einfluß auf die regionale Verteilung. Die Urbare<br />
von 1466 und 1469 nennen Höfe in 15 Orten als Stiftsbesitz,<br />
hinzu kommen Weingärten in Sipplingen und Zehnten in<br />
Inzigkofen. Bemerkenswert ist die regionale Verteilung der<br />
Höfe. Abgesehen von dem Besitz in Egelfingen und Sipplingen<br />
liegt er in einer sich von Menningen, Ablach und<br />
Krauchenwies nach Nordosten ziehenden bis nach Daugendorf<br />
und Unlingen reichenden Zone. Emerkingen lag am<br />
weitesten ab und ist dann auch verkauft worden. Der Schwerpunkt<br />
der Höfe lag zwischen Blochingen-Günzkofen-Wangen<br />
und Krauchenwies, d. h. in der Göge.<br />
In den folgenden Jahrhunderten änderte sich dieser Schwerpunkt<br />
nicht, auch nicht, als 1595 Graf Karl II. von Hohenzollern-Sigmaringen<br />
das Kloster Hedingen auflöste und den<br />
Besitz an Inzigkofen überwies.<br />
Neben den Einkünften aus den Höfen stützten sich die<br />
Chorfrauen vor allem auf Einkünfte aus Kapitalien. Durch<br />
Jahrtagschenkungen, die Aussteuer der Chorfrauen und<br />
HUBERT STEKELER<br />
Spenden von Gläubigen kamen im Lauf der Jahrhunderte<br />
beträchtliche Summen zusammen, die vor allem an die umliegenden<br />
Adelshäuser gegen Zins verliehen wurden.<br />
Die Verwaltung<br />
Die Vertretung der Chorfrauen in rechtlichen und gerichtlichen<br />
Angelegenheiten erfolgte durch den Schutzvogt. Die<br />
innere Verwaltung wurde von den Chorfrauen und Laienschwestern<br />
selbst vorgenommen. Die Pröpstin, die Priorin,<br />
die Schaffnerin und eine weitere Schwester stellten das oberste<br />
Gremium, die Ratsschwestern, dar, die kleinere Dinge<br />
allein entscheiden konnten. Alles andere mußte vom gesamten<br />
Konvent beraten und entschieden werden.<br />
Die Chorfrauen waren in den Verwaltungsdingen vielfach<br />
überfordert. Daher war das Stift immer auf außenstehende<br />
Kleriker oder Laien angewiesen, die sich im kirchlichen oder<br />
weltlichen Recht auskannten. Oft hing es auch von der<br />
Einstellung des Beichtvaters ab, was in die Wege geleitet<br />
wurde. So ist es eindeutig dem Einfluß des Beichtvaters<br />
zuzuschreiben, das 1505 die Meister Hans und Jakob aus<br />
Veringen einen neuen Hochaltar herstellten.<br />
Für die Chorfrauen waren Recht und Verwaltung jedoch<br />
immer nur ein Hilfsmittel, um Zustände herzustellen, die ein<br />
gottesfürchtiges Leben ermöglichten. Die Chorfrauen verließen<br />
nie den Weg der Gottesfürchtigkeit und ließen sich nie<br />
hinreißen, ihren materiellen Wohlstand zu mißbrauchen.<br />
Bezeichnend für diese Einstellung ist ein Zitat aus der Chronik.<br />
Als die Chorfrauen nach dem 30jährigen Krieg Kirchensilber<br />
verkaufen mußten, stellt die Chronistin fest: »... dan<br />
wür nach Rath der Geistlichen lieber ein rechte Ordnung in<br />
dem Closter als ein Silber auf dem Altar haben wollen«.<br />
Der gewaltsame Tod des Thalheimer Jägers Hans Jacob Legerlurz<br />
Im Hohenzollerisch-Sigmaringischen Dorfe Thalheim sorgte<br />
im Sommer 1686 ein im Nachbarorte Buchheim geschehener<br />
Totschlag wohl für viel Aufregung und Gesprächsstoff. Am<br />
Sonntag, den 22. Juni 1686 fand im Gründelbuch, einem dem<br />
Kloster Salem gehörigen Hof in der Herrschaft Enzberg,<br />
heute der Schäferhof (Gmde. Buchheim) genannt, ein Tanzund<br />
Schießfest statt. Dieses Fest schien auf die Bewohner der<br />
umliegenden Ortschaften eine große Anziehungskraft auszuüben.<br />
Allein von Thalheim waren mindestens 8 Männer<br />
und Burschen auf dem Fest anzutreffen. Einmal der Thalheimer<br />
Jäger Hans Jacob Legerlurz, dann die ca. 40jährigen<br />
Niclas Stöckle, Matheis Koch und Jacob Häse, sowie Adam<br />
Boos und sein 16jähriger Sohn Michel samt seinem gleichalterigen<br />
Kameraden Georg Fischer. Mit dabei war auch Johannes<br />
Schüele von Worndorf, der Knecht von Adam Boos. Am<br />
Abend dieses denkwürdigen Tages geschah es nun, daß der<br />
Thalheimer Jäger Hans Jacob Legerlurz auf dem Heimweg<br />
vom Gründelbuch durch seine Begleiter unter unglücklichen<br />
Umständen zu Tode kam.<br />
Was war geschehen? Aus den über 60seitigen Verhörprotokollen<br />
des Sigmaringer Jägermeisters und seines Sekretärs läßt<br />
sich folgender Vorgang rekonstruieren. Die genannten Thalheimer<br />
scheinen gemeinsam nach dem Mittagessen nach<br />
Gründelbuch marschiert zu sein. Dort sind sie gegen 13.00<br />
Uhr angekommen. Das Fest war schon voll im Gange, es<br />
wurde bereits getanzt und auf die Scheiben geschossen. Auch<br />
die Thalheimer stürzten sich nun ins Festvergnügen. Sie<br />
tranken Bier, tanzten und schössen auf die Scheiben. Im<br />
36<br />
Laufe des Nachmittags scheint nun dem Jäger Legerlurz das<br />
Bier zu Kopfe gestiegen zu sein, denn er fing allerorten<br />
Händel an. Zunächst geriet er mit dem Jäger von Langenstein<br />
wegen des Waidwerks in Streit. Sie beschimpften einander<br />
»Reißjäger«, was wohl soviel wie Wilderer bedeutet. Danach<br />
kam es zu einer größeren Auseinandersetzung mit dem<br />
Liptinger Jäger Hans Pfeter, der den Thalheimer im Laufe des<br />
Streits zum Duell forderte. Darauf wollte sich Legerlurz aber<br />
scheinbar doch nicht einlassen. Stattdessen beschimpfte er die<br />
Worndorfer Buben, die ihm jedoch nur gut zuredeten, er<br />
solle die Ruhe bewahren, und sich ihm weiter nicht annahmen.<br />
Gegen Abend legte er sich dann auch noch mit den<br />
anwesenden Bauersleuten an.<br />
Als die Thalheimer Gruppe nun am späten Abend aufbrechen<br />
wollte, vermißte Hans Jacob Legerlurz seinen Jägerhut, den<br />
er zuvor unter seinem Rock versteckt hatte, um den Abwehrmaßnahmen<br />
seiner Mitstreiter zu begegnen. Diese eigene<br />
Vorsichtsmaßnahme war dem Jäger in seinem jetzt recht<br />
trunkenen Zustand nicht mehr bewußt. Er fürchtete ob dieser<br />
vermeintlichen Schande um seinen Dienst und beschuldigte<br />
den Wirt, er habe ihm seinen Hut gestohlen, was dieser<br />
natürlich verneinte. Legerlurz schwor nun lautstark, daß ihn<br />
das Wetter und der Donner auf der Stelle erschlagen möge,<br />
und er allen Sakramenten verlustig sein möge, wenn er den<br />
Wirt treffe und ihn dann nicht für diesen Diebstahl erschießen<br />
werde. Unter Ausstoßen von weiteren Drohungen und Flüchen<br />
scheint er nun gegen Buchheim gerannt zu sein, da er<br />
bemerkte, daß die anderen Thalheimer dem Gezetere leidig
das Fest verlassen hatten. Es war nun schon Nacht und eine<br />
Stunde nachdem auf dem Fest das Licht angebrannt wurde<br />
und die Bettglocken geläutet hatten. Bald erreichte Hans<br />
Jacob Legerlurz die Gruppe der heimwärtsgehenden Thalheimer.<br />
Er konnte sich auch auf dem Heimweg nicht beruhigen.<br />
Beständig krakelte und fluchte er weiter. Beim Wegkreuz<br />
zwischen Gründelbuch und Buchheim wurde dies schließlich<br />
dem Adam Boos zu bunt. Er meinte, es sei heute doch<br />
männiglich lustig gewesen, nur er, der Jäger, habe allein<br />
Händel gehabt, geschworen und geflucht wie ein leichtfertiger<br />
Schelm und Dieb. Womit Adam Boos jetzt gerade an den<br />
Richtigen geriet. Der Jäger schalt Boos nun einen Hund, zog<br />
seinen Hirschfänger heraus und forderte ihn zum Duell. Boos<br />
wollte sich darauf nicht einlassen und beruhigte den Jäger,<br />
daß er es doch nicht so ernst gemeint habe. Ob dem neuerlichen<br />
Geschrei kamen auch Johannes Schüele und Niclas<br />
Stöckle herbei. Der Jäger fühlte sich hierdurch scheinbar<br />
besonders bedroht, denn er steckte seinen Hirschfänger ein,<br />
und steckte ihnen stattdessen sein Rohr entgegen mit der<br />
Drohung, er sei manches gewohnt, sie sollen auf die Seite<br />
gehen, oder er wolle schießen, daß ihnen das Auge aufgehe.<br />
Niclas Stöckle sprach nun auch beruhigend auf den Jäger ein.<br />
Er solle doch still sein, es sei besser in Frieden heimzugehen,<br />
als eine Ungelegenheit anzufangen. Der Jäger senkte nun sein<br />
Rohr und ging weiter, jedoch nicht ohne sie alle Schelme und<br />
Diebe zu nennen. Unter solchem Geschrei bewegte sich die<br />
Gruppe im Dunkeln bis vor das Wirtshaus in Buchheim<br />
(wohl das heutige Gasthaus »Hirschen«).<br />
Dem Geschrei überdrüssig liefen Johannes Schüele und<br />
Niclas Stöckle der Gruppe bis zum Wirtshaus voran, wo sie<br />
auf der Treppe auf die anderen warteten. Als der Rest der<br />
Gruppe eingetroffen war, warf Stöckle den anderen vor, was<br />
sie denn für Kerle wären, wenn der Jäger ihn vorher verhauen<br />
hätte, sie hätten tatenlos zugesehen. Worauf Adam Boos<br />
entgegnete, daß keine Gefahr bestanden habe, da der rotkopfende<br />
Hund ihnen nichts tun werde, wenn man ihm keine<br />
Ursache gäbe. Ursache genug sprang der Jäger jetzt wieder<br />
mit einblößtem Hirschfänger hervor und forderte, der Boos<br />
solle den rotkopfenden Hund mit ihm teilen. Adam Boos<br />
versicherte, es sei ihm nicht nach Händel, auch habe er kein<br />
Zeug zum Schlagen dabei. Der Jäger ließ nicht locker, dann<br />
solle er die Kugeln mit ihm wechseln, er habe ja eine Büchse<br />
dabei. Boos ließ sich jedoch auf nichts ein, es sei ihm nicht<br />
nach Schießen, er solle ihn in Frieden lassen. Auch Niclas<br />
Stöckle, gegen den der Jäger immer wieder gehauen und<br />
gestochen, jedoch nie getroffen hatte, bat den Jäger er solle<br />
endlich Frieden geben. Da dies alles nichts nützte, und der<br />
Jäger weiter schrie und tobte, ging dem Stöckle wohl jetzt<br />
»der Gaul« durch. Er riß eine Latte von einem Zaun und gab<br />
dem Jäger damit einen Schlag auf den Leib, jetzt soll er einmal<br />
zeigen, ob er auch etwas einstecken könne. Der Jäger, dem<br />
durch den Schlag der Hirschfänger aus der Hand und sein<br />
Hut unter dem Rock hervorfiel, sprang davon, um aber gleich<br />
wieder zu erscheinen und mit ausgestrecktem Rohr zu drohen,<br />
daß jetzt einer von den tausendsakrament Schelmen<br />
sterben müsse. Da niemand an der ernsthafen Absicht des<br />
Jägers dies zu tun zweifelte, sprangen alle in die Dunkelheit<br />
auseinander. Auch Legerlurz verzog sich wüst schimpfend<br />
hinters Wirtshaus. Da die Gefahr vermeintlich vorüber war,<br />
versammelten sich die Thalheimer wieder vor der Wirtshaustreppe.<br />
Vom Jäger war nichts mehr zu sehen und zu hören.<br />
Niclas Stöckle schalt sie wieder ob ihrer Angst, sie sollen sich<br />
doch wehren. Nun erschien der Jäger Legerlurz wieder und<br />
forderte den Adam Boos abermals zum Wechseln der Kugeln<br />
auf. Dieser meinte nun, es ginge jetzt wohl nicht mehr anders<br />
und begann seine Büchse zu laden. Währenddessen sprang<br />
der Jäger ums Wirtshaus herum und schrie immer wieder, daß<br />
ihm jetzt einer sterben müsse, worauf alles wieder ängstlich in<br />
die Nacht auseinandersprang.<br />
Michel Boos und Georg Fischer rannten in ein Gässle, wo sie<br />
plötzlich alleine vor dem Jäger standen. In ihrer Angst<br />
packten die beiden jungen Burschen den Jäger und warfen ihn<br />
unter lautem Schreien auf den Boden, worauf die anderen<br />
herbeigelaufen kamen und auf den Jäger einschlugen. Vor<br />
allem Johannes Schüele, der sogar mit seinem Säbel zustieß,<br />
und Niclas Stöckle scheinen hierbei maßgeblich beteiligt<br />
gewesen zu sein. Jacob Häse, der merkte, daß der Jäger voller<br />
Blut war, fragte wie es ihm gehe. Er wisse es nicht, gab<br />
Legerlurz zur Antwort. Da es finstere Nacht war, und man<br />
nichts sah, lief Matheis Koch weg, um ein Licht zu holen. Bei<br />
Hans Hay erhielt er ein solches, wohl eine Kerze, die aber<br />
sogleich wieder ausging. Nun wurde ihm eine Laterne und<br />
ein Scherben Wasser gereicht. Im Vogtshaus erhielt er<br />
Muskat, das dem Jäger auf die Wunde gelegt wurde. Nach<br />
dieser ersten Versorgung trugen Niclas Stöckle und Jocob<br />
Häse den Legerlurz, der dabei mehrmals zu trinken verlangte,<br />
zum Wirtshaus. Hier wurde ihnen jedoch kein Einlaß<br />
gegeben. So trugen sie den Schwerverletzten ins Vogtshaus.<br />
Als Adam Boos zu ihm meinte, daß er nun wohl sein Lebtag<br />
nicht mehr schwören würde, antwortete der Jäger, daß ihn<br />
der Donner erschlagen solle, wenn er nicht wieder schwören<br />
wolle. Danach antwortete Hans Jacob Legerlurz nur noch<br />
mühsam auf Fragen. Matheis Koch und Jacob Häse liefen<br />
nach Gründelbuch um den Barbier zur Wundversorgung des<br />
Jägers zu holen. Der Barbier verband den Jäger, was gegen 3<br />
Uhr morgens beendet war. Danach traten sie alle den Heimweg<br />
nach Thalheim an.<br />
Hans Jacob Legerlurz starb 6 Tage später am Samstag, den 28.<br />
Juni 1686 morgens um 10 Uhr an seinen Verletzungen. Am<br />
selben Tage wurden die Täter durch den Forstknecht Johannes<br />
Frey nach Sigmaringen geführt, und weil sie gleich das<br />
eine oder andere gestanden, in den Turm gelegt. 8 Wochen<br />
lang wurde nun durch den Sigmaringer Jägermeister und<br />
seinen Sekretär verhört und untersucht. Am 3. August<br />
verzichtete die Witwe des Jägers, Maria Magdalena Vollmer,<br />
auf eine Klage gegen die Täter. Sie überließ die Sache dem<br />
Fürstl. Oberamt mit der Hoffnung, daß man sich in Ansehung<br />
des Todfalls ihres Mannes ihrer und ihres kleinen<br />
Kindes gedenken möge und sie eine Ergötzlichkeit genießen<br />
lasse. Am 26. August 1686 wurde dann der »Beschaidt« mit<br />
Urteilsverkündung protokolliert.<br />
Als Hauptschuldiger mußte sich Johannes Schüele verantworten,<br />
weil er dem Jäger, nachdem er schon einige harte<br />
Prügelstreiche erhalten hatte, mit einem Säbel eine fingertiefe<br />
Wunde in den Schädel geschlagen habe, wodurch Legerlurz<br />
hauptsächlich in Verbindung mit den Prügelstreichen gestorben<br />
sei. Als Hauptschuldige zweiten Ranges wurden Niclas<br />
Stöckle und Matheis Koch angesehen, die dem Jäger mit<br />
Prügelstreichen die Hirnschale eingeschlagen haben sollen,<br />
was nach Aussage des Barbiers zum Tode geführt habe.<br />
Drittens mußte sich Georg Fischer verantworten, weil er<br />
dadurch Verursacher des Händeis gewesen sei, indem er den<br />
Jäger an den Haaren niedergerissen habe. Viertens wurde<br />
Michel Boos beschuldigt, weil er dem Fischer geholfen habe<br />
den Legerlurz zu Boden zu ziehen. Fünftens sei auch Adam<br />
Boos schuldig, weil er durch die Schimpf- und Schmähworte<br />
vor dem Wirthaus den Jäger noch mehr erzürnt habe.<br />
Es wurden nun folgende Strafen diktiert: Johannes Schüele<br />
soll neben ausgestandener Gefangenschaft als Exempel durch<br />
den Scharfrichter für eine halbe Stunde in Halseisen auf den<br />
Pranger gestellt werden und mit Ruten gehauen werden. Auf<br />
10 Jahre soll er aus dem Hohenzollerischen Lande verwiesen<br />
werden. Diese letzte Strafe konnte Schüele am 29. August<br />
durch die Zahlung von 50 Talern ausgleichen.<br />
Niclas Stöckle und Matheis Koch sollen vor und nach dem<br />
Gottesdienst am Sonntag in Thalheim, während die Leute<br />
ein- und ausgehen öffentlich und mit entblößtem Rücken und<br />
37
einem Prügel am Hals hängend durch die Jäger hingestellt<br />
werden. Für drei Jahre sollen sie der Herrschaft verwiesen<br />
werden. Diese letzte Strafe konnten die zwei am 29. August<br />
durch die Zahlung von 25 Talern ausgleichen.<br />
Als Satisfaktion müssen die drei der Witwe des Jägers je 100<br />
Gulden zahlen und am »Locus delicti« ein steinernes Kreuz<br />
aufstellen. Dem Johannes Schüele wird auf 3 Jahre die<br />
ehrliche Gesellschaft entzogen. Dem Niclas Stöckle und dem<br />
Matheis Koch jeweils auf 1 Jahr. Die drei müssen Visitation,<br />
HUBERT STEKELER<br />
Zum Thalheimer Wendelinusfest<br />
Ein jährliches Hauptfest der Pfarrgemeinde Thalheim ist das<br />
St. Wendelinusfest am 20. Oktober, das heute mit einem<br />
Hochamt und einem Pfarrfamilienabend gefeiert wird. Feiern<br />
auch heute noch Gläubige aus den umliegenden Gemeinden<br />
d.is I lochamt zu Ehren des Thalheimer Ortsschutzheiligen<br />
mit, so war die Anziehungskraft des St. Wendelinusfestes bis<br />
in die Mitte der 60er Jahre dieses Jahrhunderts, als die St.<br />
Wendelinus-Statue in einer Prozession feierlich durch das<br />
geschmückte Dorf getragen wurde, noch weitaus größer.<br />
Thalheim wurde für die nahe Umgebung für einen Tag zu<br />
einem kleinen Wallfahrtsort, an dem der Schutzheilige des<br />
Viehs und der Felder in drei Messen und einer Vesper geehrt<br />
wurde.<br />
Die große Bedeutung des St. Wendelinusfestes in der Ortschaft<br />
Thalheim hat ortsgeschichtliche Wurzeln. Im Jahre<br />
1780 wurde Thalheim von einer Viehseuche stark heimgesucht.<br />
In ihrer Not verpflichtete sich die Gemeinde zu dem<br />
Gelübde, daß sie für den Wert jenes Tieres, das als erstes von<br />
der Seuche wieder gesunden werde und in der Lage sei eine<br />
über den Weg gelegte Stange überschreiten zu können eine St.<br />
Wendelinuspflege einrichten wolle. So geschah es, daß bald<br />
eine »Kalbel« im Wert von 25 Gulden jene Stange überschritt.<br />
Mit den von der Gemeinde gestifteten 25 Gulden wurde nun<br />
die St. Wendelinuspflege eingerichtet. Ihr Zweck war die<br />
Ausrichtung eines jährlichen Kirchenfestes zu Ehren und<br />
zum Dank des Heiligen Wendelinus. Bezahlt werden mußten<br />
hierbei die Kapuzinermönche aus Meßkirch, die den Festgottesdienst<br />
abhielten, und die verschiedenen Hilfeleistenden bei<br />
der Prozession wie Fahnenträger, Kreuzträger, Himmelträger,<br />
Statuenträger und Böllerschießer.<br />
Da am St. Wendelinusfest jährlich reichlich geopfert wurde,<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Burgennamen<br />
Dem Worte Burg liegt der Begriff von bergen = schützen<br />
zugrunde. Bei den Germanen war eine Burg das, was bei uns<br />
heute eine Stadt ist, sagt Wasserzieher. Wir beschäftigen uns<br />
hier jedoch vorwiegend mit mittelalterlichen Ritterburgen.<br />
Sie waren teils in ebenem Gelände mit Wall und Graben,<br />
wenn möglich als Wasserburgen (z.B. Killer), angelegt, mit<br />
Vorliebe jedoch auf leicht zu verteidigenden Anhöhen und<br />
Felsen errichtet, besonders seit dem 11. Jahrhundert. Burg<br />
heißt schon im 9. Jahrhundert der heute rechts der Schmeihe<br />
gelegene Teil von Straßberg, als von der heutigen Höhenburg<br />
gegen Winterlingen wohl noch nichts vorhanden war. Man<br />
kann verschiedene Gruppen von Burgennamen anführen, die<br />
jedoch nicht sklavisch oder säuberlich getrennt werden<br />
sollen.<br />
38<br />
Eröffnung und Begräbnis des Hans Jacob Legerlurz bezahlen.<br />
Georg Fischer muß der Witwe als Satisfaktion 20 Gulden,<br />
Adam und Michel Boos jeweils 10 Gulden zahlen.<br />
Nach ausgestandener öffentlicher Strafe wurden am 2. September<br />
1686 die Zahlungsmodualitäten an die Witwe ausgehandelt,<br />
womit das Protokoll über den Tod des Thalheimer<br />
Jägers Hans Jacob Legerlurz endet.<br />
Quelle:<br />
StaS Ho 80a-143; Nr. C II 1 a Nr. 42<br />
und das überschüssige Geld »auf Zins gelegt« wurde, konnte<br />
die St. Wendelinuspflege bei ihrer Auflösung im Jahre 1840<br />
ein Vermögen von 174 Gulden und 46 Kreuzern aufweisen.<br />
Dieses Stiftungsvermögen wurde zusammen mit dem Vermögen<br />
der Leprosenpflege in einen Lokalarmenfond umgewandelt.<br />
Dieser Fond hatte die Aufgabe »wahrhaft arme«<br />
Gemeindemitglieder, die alters- und krankheitshalber in Not<br />
geraten waren, finanziell zu unterstützen, sofern sie sich<br />
nicht in »mutwilliger Weise durch Spiel, Trunkenheit oder<br />
durch schändlichen Lebenswandel« selbst in diese Lage<br />
gebracht hatten. Neben dem eingebrachten Vermögen der<br />
beiden aufgelösten Stiftungen wurde der Lokalarmenfond im<br />
übrigen auch durch gesetzliche Beiträge der Thalheimer<br />
Bürger finanziert. So mußte jeder, der sein angeborenes<br />
Bürgerrecht antreten wollte an den Lokalarmenfond einen<br />
einmaligen Beitrag von 3 Gulden zahlen. Für Frauen und<br />
Männer, die in die Gemeinde einheirateten betrug dieser<br />
Beitrag 10 Gulden.<br />
Mit der Umwandlung des Stiftungsvermögens der St. Wendelinuspflege<br />
in den Lokalarmenfond wirkte der Schutzpatron<br />
des Viehs und der Felder nun also auch als Unterstützer<br />
von armen Menschen. Die Gestaltung des jährlichen Wendelinusfestes<br />
durfte und wollte die Gemeinde jetzt jedoch nicht<br />
aussetzen. Die notwendigen Ausgaben wurden in der Folgezeit<br />
aus der Gemeindekasse bestritten. Von der Dankbarkeit<br />
der Gemeinde an den Heiligen Wendelin zeugt auch der ihm<br />
geweihte Seitenaltar mit Wendelinusstatue in der 1842^14<br />
erbauten neuen Pfarrkirche.<br />
Quelle:<br />
StaS Ho 203 Nr. 120<br />
a) Die meisten Burgen unserer Gegend sind nach den<br />
zugrunde liegenden Dorfsiedlungen benannt, wie Salmendingen,<br />
Melchingen, Ringingen (auf dem Neh-, alt Ehberg-<br />
=eckiger Berg), Burladingen, Hettingen, Genkingen,<br />
Erpfingen (die anstelle der heutigen Kirche!), Trochtelfingen,<br />
Schmeihen, Kaiseringen, Sigmaringen, Veringen usw. Die<br />
Sigmaringer Burg wird schon 1077 genannt, weitab vom<br />
namengebenden Dorf. Die Altenburg südlich der Veringendorfer<br />
Kirche (östlich der Bahnlinie) erscheint im Habsburger<br />
Urbar um 1213 so. Statt ihrer hatten die mit Altshausen<br />
zusammenhängenden Grafen um 1130 die Burg Veringen<br />
errichtet, bei der dann Veringenstadt entstand. Die Höhenburg<br />
Burladingen entstand wohl nachträglich hinter der heute<br />
sogenannten Hohen Wacht. Ursprünglich mag eine Wasser-
ürg anstelle des 1492 von den Zollerngrafen erbauten<br />
Schlosses unweit der Georgskirche bestanden haben.<br />
Erwähnt sei noch die Weilerburg zwischen Hausen und<br />
Tailfingen: der dortige alte Weiler wurde später zu Neuweiler.<br />
b) Groß ist die Zahl der Burgen, die nach beim Adel<br />
beliebten Tieren benannt sind, die oft im Wappen wiederkehren.<br />
Deren Namen enden sehr oft auf Berg, Stein, Fels, Eck,<br />
Burg usw. Erwähnt seien Aarburg (Adler), Bärenfels,<br />
Berstein (später Beerstein bei Burladingen-Hausen), Drachenstein,<br />
Eberstein, Ebersberg, Falkenburg (Donautal;<br />
Höllental; bei Schramberg), Greifenstein bei Hönau, Habsberg<br />
(bei Langenenslingen), Habsburg (Habicht!), Helfenstein<br />
(Helfant = Elefant!), Katzenstein, Limburg (Lindwurm-Drache!),<br />
Löwenstein, Ramstein (Ram = Widder),<br />
Sperberseck usw.<br />
c) Andere Namen deuten auf Personen, die wohl als Gründer<br />
gelten dürfen: Diepoldsburg, Kiverlinsburg (früher<br />
»Reutenhalden« bei Mariaberg), Wetzelburg (abgeg. bei<br />
Trochtelfingen), Wielandstein im Lenningertal.<br />
d) Wieder andere Namen zeigen die hohe Lage der Befestigung<br />
an: Hochburg, Hohenberg, Hohenburg (jetzt Odilienberg<br />
i. Elsaß),Hohenstein bei Oberstetten, Homberg und<br />
Homburg (entstanden aus Hohenburg, und vielleicht auch<br />
Höwen (Höhen?) im Hegau.<br />
e) Auf die natürliche Lage und Beschaffenheit des Baugrundes<br />
deuten die Namen Achalm (Alm überm Wasser), Achberg,<br />
Affelstetten (Affa = Wasser), Burre (bei Klosterwald),<br />
Dietfurt (Volksburt), First (auf dem First eines Bergzuges);<br />
dazu gehört wohl auch Fürstenberg. Haideck = am Eck der<br />
Trochtelfinger Haid; Hornstein (hornähnlicher Fels), Jungnau,<br />
früher Schiltau nach der Schildform an der Au, später<br />
von den Junginger Herren in »Jungnau« umgeändert. Kallenberg,<br />
ursprünglich kahler Berg, ähnlich wie Calw! Lägstein<br />
bei Gauselfingen, in Leckstein verballhornt. Läg bedeutet<br />
Halde oder Abhang: = Stein am Abhang. Dazu rechne ich<br />
auch Burg Lägelen im oberen Donautal. Eine Lägel oder<br />
kleines Fäßchen (von lagena) ist kaum zu denken. Langenstein<br />
und Langenfels sind klar. Laiterberg bei Magenbuch<br />
kommt wohl von Leite = sanfter Abhang. Michelstein = großer<br />
Stein; Krähen und Kreenheinstetten deuten auf ein altes<br />
Wort für Felsen. Lichteneck, Liechtenstein und Lichtenfels<br />
kommen von licht oder hell. Reutenhalden, eine alte Rodung<br />
bei Mariaberg, später nach dem Inhaber Kiverlinsburg (einem<br />
Lichtensteiner Abkömmling), heute Altenburg geheißen.<br />
Ringelstein bedeutet geringer oder kleiner Stein (wie der<br />
Ringelbrunnen oberhalb Burg Ringingen am Hohlweg). Ror<br />
bei Bisingen (Raur gesprochen) deutet auf Rohrkolben im<br />
Sumpfgebiet. Rotenstein ist nach der Farbe benannt, Scharfenstein<br />
nach dem kantigen Felsen. Stauffenberg, Stoffel,<br />
Stoffeln zeigen die Bergform an: umgestülpter Becher. Die<br />
Teck entstand aus d'Eck, Triberg und Trifels weisen auf<br />
Dreiheit von Berg und Stein. Der Weckenstein dürfte auf eine<br />
weckenähnliche Form des Untergrundes deuten. Weißenstein<br />
und wohl auch Kreidenstein betonen die weiße Farbe,<br />
wenn bei letzterem nicht gar ein Gereute zu vermuten ist. Die<br />
Wiesneck am Dreissamtal, einst ein Nebensitz der Grafen<br />
von Haigerloch: Eck über den Wiesen. Wildenfels und<br />
Wildenstein deuten auf die Wildheit des Gesteins. Endlich<br />
gehört auch die Zollerburg hierher: 1061 Zolorin in Bedeutung<br />
Berg, Anhöhe, Anschwellung, wozu auch Twiel<br />
(Hohentwiel) gehören dürfte.<br />
f) Endlich ist noch eine Gruppe von Burgennamen zu nennen,<br />
die verschiedenen Ursprungs ist. Affenschmalz zu Killer<br />
geht auf einen italienischen Beinamen des Heinrich von Killer<br />
1375 zurück, der vielleicht entstand aus dem Kraftspruch:<br />
»Affe smalto =Jo, an Dreck!« Altenburg steht im Gegensatz<br />
zu Neuenburg, wozu auch Neuneck, d. h. zum neuen Eck<br />
gehört, dazu Neuenstein. Andeck bei Talheim wollte man in<br />
Beziehung zu Eineck bei Ringingen ziehen, das aber aus<br />
Neuneck entstellt ist. Vielleicht ist zu denken: »An der Eck«.<br />
Baldenstein, das Alte Schloß im Fehlatal bei Gammertingen<br />
kommt vom Wort bald = kühn, stark, ebenso wohl Schloß<br />
Balders bei Aalen. Beilstein dürfte auf das Beil im Wappen der<br />
Besitzer hinweisen, wie Bellenstein. Bille heißt eine Hacke<br />
zum Bearbeiten der Mühlsteine. Der Beerstein bei Burladingen-Hausen<br />
entstand wohl aus Ber = Eber oder Bär. Beides<br />
ist im Mittelhochdeutschen möglich, ebenso wie die weniger<br />
in Betracht kommende Beere! Dorf und Burg Bittelschieß,<br />
letztere später an die Lauchert verlegt, dürften mit lateinischem<br />
puteus = Brunnen zusammenhängen. Schieß gilt sonst<br />
auch als »vorspringendes Waldstück«, oder Bergnase. Brandeck<br />
bedeutet eine abgebrannte Bergecke. Ehrenberg-Ehrenfels-Ehrenstein<br />
gehören natürlich zusammen, wie auch<br />
Frundeck, Frundsberg und das Ringinger Frundsbürglin auf<br />
dem Seeheimerberg, denen »Freund« zugrundeliegt. Grafeneck<br />
gehört wohl zum Beinamen Graf (wohl nicht Titel!);<br />
Gutenberg (auch mit tt), Gutenstein sind Namensbrüder.<br />
Haigerloch war ein Flurname bei Weildorf in Bedeutung<br />
»Wald der Haiger = Fischreiher«. Hellenstein bei Heidenheim<br />
deutet auf den »hellen Stein«, wie Liechtenstein auf licht<br />
und hell zurückgeht. Die später zu Homburg gewordene<br />
Haimburg bei Grosselfingen bedeutet »Hagenburg« (Hekkenhag).<br />
Der Holnstein bei Stetten-Burladingen wird durch<br />
die dortige Höhle (mit frühgeschichtlichen Funden) erklärt.<br />
Man braucht nicht, wie Dekan Dieringer selig, an die heidnische<br />
Göttin Heia zu denken. Der Hertenstein an der Lauchert<br />
unweit Sigmaringen zeigt die Härte des Felsens an. Die<br />
Hünaburg bei Glashütte ist eine frühe Volksburg oder Heuneburg,<br />
die nichts mit Hunnen zu tun hat. Eine solche ist<br />
auch auf dem Nehberg bei Ringingen und auf der Hochburg<br />
bei Rangendingen angedeutet, die beide dann zu Ritterburgen<br />
ausgebaut wurden. Das Bürgle Husteneck bei Gammertingen<br />
gehört wohl zu Hurst = Buschwerk. Nach Michel<br />
Burk wäre auch an Hürde oder Umzäumung zu denken.<br />
Calw zeigt eine früher kahle Stelle an, wie Kallenberg ob<br />
Beuron. Die Kastelburg bei Waldkirch und der Ringinger<br />
Kästlesbühl erinnern an castellum = nicht römisch, sondern<br />
»mittelalterliche Burg«. Der Kreidenstein bei Beuron wurde<br />
wohl mit der weißen Kreide verglichen, falls nicht ein<br />
»Gereute« zugrunde liegt. Die Ky(b)burg hängt mit Gipfel<br />
zusammen. Der Mägdeberg im Hegau hieß 1276 nach Buck<br />
Mägidiberg. Ob nach den 11000 Mägden = Jungfrauen<br />
benannt als Kapellenpatrone? Die Mus- oder Miesburg bei<br />
Stein-Hechingen deutet auf Moos; der Name scheint jedoch<br />
nicht alt zu sein? Die Oedenburg (öde-zerstört) bei Straßberg<br />
hieß ursprünglich Schalksburg = Dienerburg (Marschalk!),<br />
wurde später auf die Volksburg bei Burgfelden übertragen.<br />
Der Pfannenstiel bei Beuron könnte eine absonderliche Felsform<br />
anzeigen. Rain bei Kappel erklärt sich selbst. Der<br />
Ramstein deutet auf Ram = Widder, könnte aber auch<br />
Ramselen, d. i. starkriechenden Bärlauch anzeigen. Der<br />
Schatzberg bei Bingen mag einen Münzschatz oder einen<br />
Personennamen Schad enthalten. Der Schirmberg bei Gauselfingen<br />
gewährte Schirm gegen Norden. Die Burg Schnatren<br />
(1358 bis heute) bei Erpfingen im Wald gegen Holnstein<br />
ist nicht gedeutet. Ob nicht ein Scherz vorliegt in Anspielung<br />
auf die Röhrenstengel der Zwiebeln, die Schnattren heißen?<br />
Der Sirgen-Sürgenstein könnte einer Person entsprechen.<br />
Der Suppenstein bei Sigmaringen gehört zu Soppe = Sumpfgebiet<br />
(unten an der Donau!). Der (Hohen-)Twiel gehört<br />
vermutlich wie Zollern zu altem tol-tul = Anschwellung,<br />
Berg, Anhöhe. Der Wendelstein bei Gammertingen hieß<br />
urkundlich Mündelstein und ist von munitio = Befestigung<br />
herzuleiten, ähnlich wie der Wehrstein bei Fischingen eine<br />
»Abwehr« anzeigt.<br />
39
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Zu Burladinger Burgen: Kapfburg, Schirmberg, Lägstein<br />
Zwar wurde schon 1933 in den Albvereinsblättern auf mehrere<br />
längst vergessene Adelssitze an der Fehla hingewiesen,<br />
deren Namen man erst hinterher fand (z.B. Baldenstein),<br />
aber nur die wenigsten Anwohner, geschweige denn die<br />
Fremden, schenkten ihnen in den vergangenen 50 Jahren<br />
einige Beachtung. Daran änderte sich auch nicht viel nach<br />
einem weiteren Hinweis 1970 in der Zeitung und in der<br />
»Hohenzollerischen Heimat« (S. 41 u. 43). Es handelt sich<br />
um vergangene Burgenherrlichkeit auf dem Hausener Kapf,<br />
Ausläufer des Oberen Berges, überm Burladinger Wagrain<br />
und um das im Volksmund »Schlößle« geheißene Gemäuer<br />
westlich von Gauselfingen, das nur durch das Kohltäle von<br />
einer weiteren Burgstelle getrennt ist, die vermutlich den<br />
»Schirmberg« der Herren von Speth des 14. u. 15. Jahrhunderts<br />
darstellte.<br />
Im J. 1933 hat der Berichterstatter den Baldenstein als Ruine<br />
ohne Namen gekannt. Und auf den der Burganlage auf dem<br />
Kapf zwischen Tiefental und der oberen Starzel glaubte ich<br />
später in einer Beschreibung der Güter gestoßen zu sein, die<br />
vom Johanniterorden beziehungsweise seiner Niederlassung<br />
Jungental bei Starzein um 1605 an Zollern übergingen (Zollern<strong>heimat</strong><br />
1941, 14f). Da ist die Rede von einem »Beerstein<br />
auf Hausener Almand, stoßt vorn auf die Eck» (irrig<br />
»Teckh«), Die künstliche Anlage auf dem Kapf, deren verwischte<br />
Spuren von jedem Besucher mit offenen Augen sofort<br />
erkannt werden (wenn auch der Heimatforscher Michael<br />
Lorch einige Zweifel hegte), hat sicher mit Gründung des<br />
wohl auf die Herren von Jungingen zurückgehenden Johanniterhaus<br />
Jungental-Starzeln um 1200 oder früher ein baldiges<br />
Ende gefunden. Ordenshäuser haben nicht gern eine<br />
Ritterburg auf dem Nacken sitzen gehabt, in der sich zu leicht<br />
ungerechte Zwing- statt gewünschte Schutzherren festsetzten.<br />
Jeder, der einigermaßen mit den Gewohnheiten des mittelalterlichen<br />
Adels bekannt ist, wird bei dem so spät überlieferten<br />
Namen »Beerstein« stutzig werden! Die wilden Beeren haben<br />
unsere ritterlichen Kämpen weniger interessiert, als die Eber<br />
oder Bären, wie es letztere in unserer Gegend noch um 1580<br />
gegeben habe. Im Mittelhochdeutschen heißt »ber« sowohl<br />
Eber (Wildschwein) als auch Bär. Und so vermutete ich als<br />
Gegensatz zum badischen Eberstein und dessen weitbekanntem<br />
Adelsgeschlecht einen »Bärstein«, und das war ein<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Die Ringinger Maichle (Schluß)<br />
Unter Weglassung der Seitenzweige und weiblichen Nachkommen,<br />
die eine große Verwandtschaft hervorbrachten,<br />
nennen wir nun die Generationen 9 mit dem Heiratsjahr: a)<br />
Andreas Maichle 1662 Maria Spindler. b) Johann 1704 Barbara<br />
Dorn, c) Rupert 1726 Katharina Müller und 1741<br />
Katharina Dorn des Gg. d) Franz 1766 Anna Maria Daigger<br />
und 1784 Euphrosina Pfister. e) Michael 1808 Barbara Hipp,<br />
f) Fridolin (Haus 11) 1858 Maria Dietrich des Maurus, g)<br />
Michael 1886 Antonie Dietrich d. Alex, h) Alex 1922 Johanna<br />
Viesel des Melchior. Außer den Nachkommen der Schwestern<br />
des Alex im Dorf gibt es auch noch solche seines in Köln<br />
40<br />
Irrtum! Der Heimatfreund und Jäger Roland Simmendinger-<br />
Starzeln entkräftete meine Vermutung mit dem Hinweis:<br />
Südlich von Hausen und östlich des dortigen Weilertals heißt<br />
seit alters ein Felsmassiv Bernstein! Ohne Zweifel ist diese<br />
Stelle im J. 1605 gemeint, und nicht der Kapf über dem<br />
Wagrain. Er vermutet sogar einen Zusammenhang mit dem<br />
nahen Römerkastell, wozu jedoch jeder Beweis fehlt! Bleiben<br />
wir bei Kapfburg.<br />
Der Gauselfinger Name »Schlößle« für die kleine Burg ist<br />
nicht original. An seiner Stelle steht im 16. Jahrhundert öfter<br />
»Leckstein«, was später sogar zu »Reckstein« verändert<br />
erscheint, und dieser ist neuerdings in einer nahen Straße<br />
verewigt! Man vermutete »Leck« als Loch, weil tatsächlich<br />
unterm Felsen eine Nische oder Höhlung vorhanden ist.<br />
Doch bringt der berühmte Forscher Michel R. Buck in<br />
seinem 1880 u. 1931 erschienenen Flurnamenbuch das Wort<br />
»Läg« im Sinne von Halde oder Abhang, was hier ausgezeichnet<br />
paßt. Im Donautal unweit Hausen gibt es eine Burgstelle<br />
Lägelen. Geschichtlich ist über unsern Lägstein leider nichts<br />
bekannt. Als Erbauer kommt irgend ein früher Herr von<br />
Gauselfingen in Frage, wie auch für die Kapfburg einer von<br />
Hausen i. Killertal.<br />
Zum Kapf werden Spaziergänger und Wanderer ihre Schritte<br />
mit viel Genuß lenken, einer von Geheimnis umwitterten<br />
Stätte. Doch sollten sie nicht durch sinnloses Abbrechen oder<br />
Herumwühlen in den noch erhaltenen Überresten die Vergangenheit<br />
entschleiern wollen und letzte Zeugnisse unwiederbringlich<br />
vernichten! Der Blick schweift über den Mettenbergsattel<br />
zur Ruine des Ringelsteins und über den Berg wohl<br />
auch zum längst zerfallenen Turm der Höhenburg Burladingen<br />
(Hohe Wacht), deren Kapelle im Jahre 1185 zur Ehre der<br />
Apostelfürsten Petrus und Paulus und Johannes Baptistae<br />
geweiht wurde (Nur ein großer Steinhaufen oberhalb des<br />
Felsenkreuzes an den Feldern zeugt von verschundener<br />
Pracht!). Im Westen grüßte einst die Weilersburg bei Neuweiler.<br />
Vor uns liegt die sich mächtig ausbreitende Stadt<br />
Burladingen, deren Uranfänge bei der St. Georgskirche<br />
(kürzlich in den Fundamenten bis um 700 n. Chr. ergraben<br />
und der Wasserburg, bzw. dem 1492 erstellten Zollern -<br />
schlößle) von hier aus wohl nie sichtbar waren. - Vom<br />
Lägstein aus zeigt sich das emporstrebende Gauselfingen im<br />
schönsten Licht, während die Reste des Schirmbergs hart<br />
nördlich im Walde träumen.<br />
vor etlichen Jahren als Ehemann verstorbenen Bruders<br />
Maurus.<br />
Anmerkungen<br />
1<br />
Kapff, Rud. Schwab. Geschlechtsnamen 1927.<br />
2<br />
Matthias Lexer, Mittelhochd. Taschenwörterbuch 1930.<br />
3<br />
Edmund Nied, Familiennamenbuch Freiburg etc. 1924.<br />
4<br />
Ed. Nied, Schriften Baar 1937.<br />
5<br />
]. K. Brechenmacher, Deutsche Sippennamen 1936.<br />
6<br />
Wirtb. Urkundenbuch 3,99.<br />
7<br />
Hohz. Heimat 1979, 31.<br />
8<br />
Zoller<strong>heimat</strong> 1938, 89 f.<br />
9<br />
Ringinger Häuserbuch des Verfassers: 1 Expl. im Rathaus.
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Was bedeuten Beuter, Bieger, Kaibacher, Stauß, Strobel, Wiest?<br />
Die Herkunft und Bedeutung von Familiennamen ist oft nur<br />
durch eingehende Forschungen zu klären. Viele müssen<br />
dunkel bleiben, weil keine alten Formen vorliegen. Ganz<br />
unerforschlich aber bleibt meist der weit zurückliegende<br />
Anlaß, der zur Schöpfung eines Namens Anlaß gab, der<br />
situationsbedingt sich uns heute entzieht. Eine Ausnahme<br />
von 1791 wurde in Hohz. Heimat 1980, 12 aus Ringingen<br />
mitgeteilt.<br />
1) Die Beuter erscheinen um 1544/48 in den Gemeinden<br />
Bietenhausen, Höfendorf, Imnau, Rangendingen, Stein und<br />
Weilheim 1 . In Norddeutschland erklärt man den Namen als<br />
Bienenzüchter mit Bezug auf althochdeutsches biutta, mittelhochdeutsch<br />
biute = Bienenstock oder Backtrog. Aber bei<br />
uns im Süden gab es bis vor 60 Jahren keine Beuten, sondern<br />
nur aus Schaub geflochtene Bienenkörbe. Backmulden stellte<br />
der Schreiner her. Daher bin ich geneigt, die Schreibart<br />
Beuter von 1544 der Willkür des Schreibers Berthold Hagen<br />
zuzuweisen. Bei uns sagt man Beiter! Und schon 1435 lebte in<br />
Boll-Stetten ein Conrad Biter, ebenso Conrad und Eberlin<br />
Biter in Balingen, ein Eberlin B. auch in Rottweil 2 . Das<br />
mittelhochdeutsche Zeitwort biten, beiten, im Sinn von<br />
»hinausziehen, warten, zögern,« scheint zugrundezuliegen.<br />
Man kaufte im Schwäbischen »uf d'Beit,« d.h. Borg, und<br />
zahlte später. Ein Beiter kann entweder auf Borg gekauft oder<br />
als Verkäufer zu Beit oder Borg bereit gewesen sein. Weniger<br />
wahrscheinlich, aber möglich, daß Biter ein uralter, frühalemannischer<br />
Rufname ist, auf den auch der Dorfname Bietenhausen<br />
(und Bietingen) zurückgehen, zumal um 1435 gerade<br />
in dortiger Gegend viele Biter saßen. Ist aber dann ein Biter<br />
der Frühzeit einer der zögert, bittet, zu Gericht bietet oder<br />
befiehlt? Wer kann das wissen?<br />
2) Der Name Bieger (schon mhd so! Anderwärts auch<br />
Biecker) hängt wohl mit dem alten Zeitwort »bagen« zusammen.<br />
Es bedeutet »schreien, streiten« oder »sich einer Sache<br />
rühmen« 3 . In Haigerloch saß ein Bieger 1548 1 . Vielleicht hat<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Die Seelsorger von Feldhausen<br />
Das seit dem 9. Jahrhundert urkundlich erwähnte Dorf<br />
Feldhausen gehörte bis 1474 zur Pfarrei Gammertingen. Seit<br />
1463 sind hier eigene Seelsorger genannt.<br />
1) Ulrich Krushaar, Kaplan dahier, ist 1463 als tot gemeldet.<br />
2) Nikolaus Haller wird am 3. Juni 1463 auf den Altar St.<br />
Nikolaus der Dorfkapelle Veithusen präsentiert und<br />
zwar durch den Kirchrektor Antonius von Holnstein,<br />
Vogt Konrad Braitnauer zu Gammertingen und die<br />
Gemeinderäte von Feldhausen. Im J. 1464 war Haller<br />
jedoch nicht mehr da. Am 26. August wird ein Verweser<br />
bestellt für die Kapellenpfründe und die Johannespfründe<br />
von Feldhausen bzw. Harthausen, für ein Jahr.<br />
3) 1468 wird am 16. Februar Udalricus Tostier (später in<br />
Gauselfingen) aus Ehingen auf die Gammertinger Filiale<br />
Feldhausen St. Nikolaus von den obigen präsentiert.<br />
Schon 1473 am 21. Januar und auch 1474 wurde der<br />
Dekan des Kapitels Trochtelfingen, zu dem F. gehörte,<br />
beauftragt, für je 1 Jahr um einen Verweser besorgt zu<br />
sein.<br />
4) 1477 am 28. Mai zieht als erster Plebanus oder Leutpriester(Pfarrer)<br />
Theoderich Pistorius (Pfister) von Ehingen<br />
sich vor Zeiten ein Vorfahre durch solche Äußerungen<br />
hervorgetan und wurde deshalb Bieger genannt.<br />
3) Die Kaibacher deuten im Namen auf ihren Herkunftsort.<br />
Es gibt mindestens zwei Siedlungen Kalbach, eine im Bezirk<br />
Wiesbaden, die andere bei Kassel.<br />
4) Schwieriger steht die Sache beim Namen Stauß, der bei uns<br />
mit ou gesprochen wird. Er gehört daher kaum zum Künstler<br />
Veit Stoß, sonst würden wir »Staoß« sagen. Man darf da auf<br />
die Ortsnamen Steußlingen bzw. Steißlingen hinweisen (1145<br />
Stuzzelingen, wobei die zz als ss zu lesen sind!). Der Ortsname<br />
bedeutet »bei den Leuten des (frühgermanischen)<br />
Stusso oder Stussilo«.<br />
5) Die Strobel (1435 in Haigerloch, 1548 in Rangendingen) 1 ,<br />
auch die Straub, Strebel, Ströbele, Strüb, Strub, sind zweifellos<br />
nach ihrem (früheren) struppigen Bart oder Haupthaar<br />
benannt. Man vergleiche die aus ähnlichem Grund entstandenen<br />
Familiennamen Kraus, Krus, Krausenbart, Kraushaar,<br />
Crisp, Schlichthaar, Glatthaar, Glatt, Schwarz, Weiß,<br />
Schimmel, Rot, Braun etc.<br />
6) Zum Namen Wiest ist das Gegenteil zu vergleichen: Schön.<br />
Schon 1280 findet sich einer in Basel, »genannt der Wüeste«.<br />
Um das Jahr 1548 wohnten Wiest in Höfendorf und Grosselfingen<br />
1 . Doch ist heute natürlich nicht mehr festzustellen, ob<br />
ursprünglich damit eine körperliche oder charakterliche<br />
Eigenschaft gemeint war oder ob der erste Träger des Namens<br />
»wüst geschimpft« hat oder er einen von den Zeitgenossen als<br />
häßlich empfundenen Anzug trug. Heute noch urteilt man<br />
gelegentlich über einen: »Dear hot aber an wiasta Spruch tao<br />
(getan)«. Und das, ohne daß man es sehr tragisch nimmt.<br />
Anmerkungen<br />
1 Hohenz. Jahreshefte 1935, 118 f.<br />
2 Bickelspergs zollerisches Lagerbuch, hrsg. von Herberhold. Neueste<br />
Auflage bei Thorbecke Verlag Sigmaringen.<br />
3 Ed. Ried, Familiennamen von Freiburg 1924. M. Lexer, Mittelhochdeutsches<br />
Taschenwörterbuch 1930.<br />
auf die von Gammertingen 1474 getrennte Pfarrei Feldhausen<br />
auf, bzw. zahlt als Erstfrüchte davon an den<br />
Bischof 8 Gulden. Am 20. September 1479 wurde die<br />
bischöfl. Erlaubnis erteilt, ein Jahr lang für die ruinöse<br />
Pfarrkirche dahier zu kollektieren (FDA 67,252). Pistorius<br />
gab 1483 und 1493 als Jahreseinkommen 40 Pfund<br />
Heller an (FDA 26,61 und 105), zahlte 2 Pfund Heller.<br />
Patron ist der Herr von Bubenhofen zu Gammertingen<br />
(W. Reg. 229).<br />
5) Anfangs Juni 1521 wurde der Feldhauser Pfarrer Nikolaus<br />
Ludwig Guldin ermordet, der Täter entkam.<br />
6) 1521 wird am 1. Juli Pfarrer Vitus Kapp proklamiert und<br />
am 25. Juli investiert. Doch gefiel es ihm nicht lange.<br />
7) 1521 am 7. Novb. wird Johannes Kaiser als neuer Pfarrer<br />
verkündet und am 21. Oktober investiert. Auch er trat<br />
1522 zurück.<br />
8) 1522 wurde am 27. Novb. als Pfr. Ludwig Pfefferlin<br />
verkündet und am 28. Dezb. investiert. Im J. 1533 ist er<br />
in Hausen i. Kill, angestellt, wohl verjagt durch Hz.<br />
Ulrich v. Württbg., der lutherisch geworden und die<br />
Herrschaft Gammertingen besetzt hatte.<br />
41
9) 1554 ist Verweser in Feldhausen und Kettenacker ein<br />
Georg Has.<br />
1559, 1563 und länger ist hier Pfarrvw. Martin Schreyer.<br />
1573 wurde am 14. Juni Johann Conrad Saupp (Schaupp)<br />
aus Konstanz als Pfr. proklamiert und am 24. 3. investiert.<br />
Ist noch 1584 hier.<br />
1586 wird ein ungenannter neuer Pfarrer erwähnt.<br />
1589-90 Verweser ist Martin Einhart (Wienhart, Endhart?),<br />
der dann 1597 in Gammertingen wirkt.<br />
1595-1597 u. länger: Bernhard Baur.<br />
1604 Jakobus N.<br />
1608-12 Johannes Hess aus Pfullendorf, geht dann nach<br />
Dürrenwaldstetten.<br />
1612-19 tMgr. Johannes Dreher,stirbt hier.<br />
1622-27 t Caspar Bodmer, schließt sein Leben ebenfalls<br />
hier.<br />
1627-31 Michael Otto, geht dann nach Kettenacker, wo<br />
er 1635t-<br />
1631-38 Mgr. Georg Böhlin, ist dann 1651 in Hetlingen.<br />
1638- Jakob Hemmerlin.<br />
1645 am 11. Mai wird ein Michael Binder als zu unwissend<br />
nicht als Pfarrer angenommen (Erzb.Arch-<br />
. Ha 102). Muß also gehen!<br />
1650-69 Martin Binger invest. 9. 8. 50 resigniert 1669.<br />
1669 Franziskus Walz, präsentiert 27. 8., invest.<br />
20. 10. 69.<br />
1670-82 Johann Gg. Hebin, präs. 24. 3., invest.<br />
12. 7. 70.<br />
1682-90 Johann Philipp Landenberger, präs. 22. 9. 82,<br />
invest. 19. 2. 1683; zahlt als Erstfrüchte 15 fl 64 kr.<br />
1690-91 Johann Ev. Mendel, präs. 13. 7., prokl.<br />
17. 7. 90.<br />
1691- Johann Conrad Wildmann, präs. 19. 11. 91;<br />
prokl. 1. 12. 91.<br />
1697-1722 Johann Thomas Felder, präs. 6. 4. 97; invest.<br />
14. 7. 98; starb hier 1722.<br />
1722^11 Constantin Adalb. Salwürk, präs. 18. 7. 22;<br />
geht nach Neufra.<br />
1743-77 tJohann Bapt. Scherer aus Triberg; hatte 1745<br />
422 Seelen; Starb dahier 1777 im Alter von 63 Jahren.<br />
1777-99 f Jakob Mattes aus Kolbingen, gb. 25. 7. 1733;<br />
bisher in Kettenacker, starb in F. am 6. Nov. 99.<br />
1799-1821 t Anton Beller aus Wilflingen, gb.<br />
18. 10. 1745, bisher Kaplan in Gammertingen, starb i F.<br />
1821 mit 76 Jahren.<br />
1821-36 Johann Nep. Müller, gb. 4. 2. 1786 in Horn-<br />
Fischbach, Pr. 21. 2. 1807; hier seit 22. 4. 21, invest.<br />
30. 4.; ging nach Bingen und starb dort am 30. 12. 43<br />
(FDA 16,333).<br />
1837-53 f Franz Zimmermann, gb. Betra 4. 3. 01; Pr.<br />
18. 9. 27; starb nach längerem Leiden am 23. 6. 53<br />
(FDA 17,25).<br />
HANS-DIETER LEHMANN<br />
36) Vikar Basilius Kuhn aus Württemberg vom 3. 10. 1851<br />
bis 7. 5. 52.<br />
37) Vikar Lorenz Schneider aus Diöz. Regensburg vom<br />
30. 7. 52-27. 8. 52.<br />
38) Vikar und Neupriester Klemens Stauß von 1852-54, gb.<br />
Harthausen 22. 11. 24; Pr. 1852, kam am 8. Oktober<br />
hierher, später als Pfr. nach Levertsweiler, wo er<br />
1. 10. 61 investiert wurde; 1870 als Kaplan nach Liggerdorf;<br />
erhielt 1891 den Titel Pfarrer dort u. starb dort<br />
13. 5. 1905 (FDA 34,70). Ging von Feldhausen zunächst<br />
nach Steinhilben.<br />
39) 1854-64 Valentin Emele, gb. Ringingen 18. 3. 1807, Pr.<br />
16. Aug. 33; bisher Vikar i. Benzingen, 1864 Pfarrer i.<br />
Langenenslingen, gest. daselbst 10. 8. 1871 (FDA<br />
17,88).<br />
40) 1864-90 Gabriel Schlude aus Rulfingen, gb. 23. 2. 29;<br />
Pr. 1856; präs. 19. 3. 66 da zunächst Verweser; gest.<br />
7. 10. 90 (FDA 29,237). War schon 1880 krank.<br />
41) 1890-91 Karl Schneider, gb. Bingen 2. 9. 64; Pr. 1889;<br />
hier seit 14. 11. 90, ging nach Benzingen und starb dort<br />
3. 4. 94 (FDA 29,264).<br />
42) 1891-1911 KarlFriedr. Haiß, gb. Jungingen2. 1. 54;Pr.<br />
19. 5. 80; invest. 24. 8. 91; leidet an Depressionen, geht<br />
1911 mit Absenz ins Haus Nazareth-Sigmaringen,<br />
resign. 1916 und fdort 10. 3. 17 (FDA 49,18).<br />
43) 1911-25^Berthold Speidel, aus Burladingen, 1881-1925,<br />
Pr. 1908, (FDA 54,49).<br />
44) 1925 seit 27. Febr.: Verw. Alois Gaiser, gb. Veringendorf<br />
24. 2. 97; Pr. 1923. Seit 1934 Pfr. Magenbuch; gest.<br />
22. 3. 1951 (FDA 77,174).<br />
45) 1925 seit 12. Mai: Verw. Franz Xaver Kostanzer, Bechtoldsweiler<br />
11. 3. 94, Pr. 1924; später Pfr. Fischingen,<br />
pens. 1940, gest. in dem Heimatort 25. 2. 1964 (FDA<br />
89,555).<br />
46) 1926-35 Erich Beck, gb. Sigmaringen 29. 4. 87; Pr.<br />
7. 8. 14; Antritt 15. April, invest. 25. 4.; ging 1935 am<br />
16. Okt. als Klosterpfarrer (mit Absenz) nach Offenburg,<br />
resign. 1. 2. 36; später Pfr. i. Möhringen u. starb<br />
25. 2. 1973.<br />
47) 1936-66 Leo Rager, gb. Bisingen 20. 8. 98; Pr. 6. 7. 24;<br />
bisher Kaplan i. Ostrach, präs. 5. 2. 36 (Pfarrhausbau!);<br />
als Pensionär 15. 11. 1966 nach Hechingen.<br />
48) 1966 Verwaltet durch Pfr .Johann Locher in Kettenacker.<br />
49) 1967-75 Verw. Stephan Bienias, gb. Derschau (Oberschlesien)<br />
10. 12. 29; Pr. 22. 6. 58; kam 1975 nach<br />
Eppingen-Richen.<br />
50) 1975 verwaltet von Pfr. Gustav Scharm in Hettingen.<br />
51) 1975 seit3. Sept.: Verw. PaulRapp, bisher Pfr. Trochtelfingen,<br />
gb. Freudenweiler 20. 7. 09; Pr. 1934; Pfarrer<br />
hier seit 12. 2. 1976.<br />
Die Bedeutung der Ruinen von Stein im Süddeutschen Straßennetz<br />
der römischen Zeit<br />
Bei Hechingen-Stein wurde eine außergewöhnlich große<br />
römische Anlage freigelegt. Unbekannt ist bislang ihre Funktion<br />
- die topographische und geologische Situation lassen ein<br />
landwirtschaftliches Anwesen bezweifeln. Vielleicht geben<br />
einige Bodendenkmäler, die westlich von Stein und Rangendingen<br />
im Gelände erkennbar sind und sich aus dem heutigen<br />
Wegenetz ableiten lassen, mehr Aufschluß über die frühere<br />
Funktion der aufgedeckten Gebäude.<br />
42<br />
Zum römischen Straßennetz<br />
Nicht vollständig bekannt war bislang in unserem Raum das<br />
römische Straßennetz. In den Beschreibungen der ehemaligen<br />
württembergischen Oberämter sind einige Streckenführungen<br />
angegeben, die gesichert auf Römerstraßen zurückgehen<br />
oder von welchen dies vermutet wird. Eine Zusammenstellung<br />
hat F. Hertlein in »Die Römer in Württemberg«<br />
(Band 2) gegeben.
Viele Hinweise lassen sich aus den topographischen Karten<br />
des Landesvermessungsamtes Baden-Württemberg entnehmen,<br />
insbesondere dort, wo Wege alte Eigennamen besitzen<br />
(z.B. »Heerstraße«, »Steinstraße«, »Hochstraß«, aber auch<br />
»Staudachgasse«, »Heusteige«, »Sickinger Steige« usw.) oder<br />
sogar bereits als »Römerstraße« ausgewiesen sind.<br />
Bekannt und im Gelände z.T. noch ablesbar ist die Straßenführung<br />
der Verbindung von Rottenburg nach Rottweil über<br />
Weiler, südlich an Hirrlingen vorbei, sichtbar bis zur Mühle<br />
am Rangendinger Sportplatz und dann zum Häsenbühl,<br />
wahrscheinlich zu Beginn im Verlauf der heutigen Straße<br />
Rangendingen-Haigerloch. Westlich der Bahnüberführung<br />
fällt eine Kreuzung auf, ein teilweise überackerter Weg führt<br />
nach Hart und nimmt dort eine zweite mehr nördliche<br />
Verbindung nach Rottenburg auf. Er findet seine Fortsetzung<br />
in Richtung Trillfingen und führt zu einer Eyach-<br />
Überquerung nördlich der Talmühle. Am westlichen Talhang<br />
ist im Gelände deutlich ein langgezogener Anstieg zu<br />
erkennen. An seinem oberen Ende liegen zwischen Weildorf<br />
und Bittelbronn neben Ziehwegen Ruinen im Wald. Da lt.<br />
Heimatbuch »Zollernalbkreis« die Teilgemeinden Bittelbronn,<br />
Weildorf und Trillfingen immer zur Herrschaft Haigerloch<br />
gehört haben, ist eine derartige Linienführung seit<br />
dem Mittelalter in diesem Herrschaftsbereich wenig sinnvoll<br />
und kann, da Trillfingen nach der Namensgebung aus der<br />
Zeit der alamannischen Landnahme stammt, nur aus älterer,<br />
d. h. römischer Zeit herführen.<br />
Die Fortsetzung der Steige findet sich im Zuge der Straße<br />
Weildorf-Empfingen-Horb und findet bei Eutingen<br />
Anschluß an das Gäu-überspannende Straßenraster. Von<br />
dieser Straße zweigt eine Trasse über den Weiherhof in<br />
Richtung Sulz ab.<br />
Bei dieser Verbindung Sulz-Stein dürfte es sich um Teilstück<br />
der West-Ost-Straße von Gallien (Ehl oder Straßburg) durch<br />
das Kinzigtal über den Schwarzwald nach dem nordlichen<br />
Rätien handeln. Brandsteig, Sulz, Weildorf und Stein sind<br />
Pferdewechselstellen, weitere sind bei Mähringen und Metzingen<br />
an der bis Dettingen/Teck führenden Straße zu<br />
suchen. Von Rheintal entspricht die Entfernung bis Stein ca.<br />
1 Tagesreise (8 Mutationes). Stein war somit eine Mansio, von<br />
welcher aus man in einer weiteren Tagesreise die Nordgrenze<br />
Rätiens erreichen konnte.<br />
Wahrscheinlich zweigt von dieser Straße bei Stein eine weniger<br />
bedeutende Verbindung nach Süden ab, welche sich im<br />
Raum Hechingen in einen östlichen, südlichen und südwestlichen<br />
Zweig spaltet. Der erste bringt über den Schlatter<br />
Kirchweg Zugang zum Albstraßennetz - auf dem Heufeld in<br />
Richtung Melchingen bzw. Burladingen. Der südliche<br />
erzwingt über den Zollersteig Zugang zum Kastell Lautlingen.<br />
Der südwestliche führt am Fuß der Alb entlang mindestens<br />
bis Endingen und weist eine Abzweigung über Geislingen<br />
zum Häsenbühl auf. Der entsprechende Straßenzug<br />
direkt unterhalb der Alb in NO-Richtung läßt sich von<br />
Belsen bis Pfullingen erkennen. Eine wichtige Nord-Süd-<br />
Verbindung von Rottenburg aus dürfte über den Saurücken<br />
durch das Thalheimer Tal, Melchingen, Trochtelfingen und<br />
Feldhausen den Sigmaringer Raum erreicht haben. Dies<br />
erklärt die wenig auf Rottenburg ausgerichtete Lage von<br />
Stein, das somit abseits einer von Rottenburg nach Süden zur<br />
Alb laufenden Streckenführung lag.<br />
Zur Provinzgrenze<br />
Im folgenden Beitrag wird versucht, Belege für einen Grenzverlauf<br />
zwischen den römischen Provinzen Obergermanien<br />
und Rätien unterhalb der Schwäbischen Alb - auf der<br />
Rammerthöhe und am Neckar - beizubringen.<br />
Die OW-Verbindung Brandsteig-Sulz-Stein kreuzt die Pro-<br />
vinzgrenze unmittelbar westlich von Stein, welches somit<br />
eine rätische Zollstation darstellen würde. Bei Rangendingen<br />
wäre die Entsprechung jenseits der Grenze zu suchen.<br />
Zur römischen Raumplanung<br />
Auffällig ist, daß die Straßen unterhalb der Schwäbischen Alb<br />
auf rätischer Seite parallel zum älteren Alb- und Donaulimes<br />
gerichtet sind und in dieser Richtung der Verbindung Bregenz-Kempten-Gauting<br />
entsprechen. Nördlich der Provinzgrenze<br />
biegen sie jedoch ab und fügen sich einem N-S/O-W<br />
ausgerichteten orthogonalen Straßenraster ein, soweit dies<br />
die örtlichen Gegebenheiten zulassen. Ein Knoten in diesem<br />
Raster liegt westlich der Eyachtal-Steige vor dem Friedhof an<br />
der Straße Bittelbronn-Weildorf, in der nördlichen Verlängerung<br />
des rätisch-»obergermanischen« Grenzverlaufs.<br />
Gut ist dieses Straßennetz in der flachen Gaulandschaft<br />
erkennbar (z. B. in den W-O-Linienführungen Eutingen-<br />
-Wurmlingen, Vollmaringen-Reusten), es ist aber auch in<br />
den Keuperhügellandschaften (Rammert, Schönbuch) ablesbar.<br />
Daß dieses Raster streng eingehalten wurde, zeigen die<br />
Verhältnisse im Raum Derendingen-Dußlingen-Mähringen.<br />
Einer direkten Verbindung Derendingen-Dußlingen über<br />
den Berg hinweg dürfte früher wie heute nur eine sehr geringe<br />
verkehrstechnische Bedeutung zugekommen sein. Dennoch<br />
wurde die NS-Verbindung, die den Schönbuch auf der Linie<br />
Bebenhausen-Waldhausen-Tübingen-Derendingen quert,<br />
bis in Grenznähe auf der Höhe bei Kreßbach fortgesetzt. Die<br />
wichtigeren Straßen ordneten sich aus dem Tal ansteigend<br />
nach Richtungsänderung dem rätischen Netz bei Mähringen<br />
bzw. Gomaringen ein - die Verkehrsbedürfnisse haben im<br />
vorgegebenen Wegeraster die Bedeutung gewichtet.<br />
Noch bei einem weiteren Punkt in Grenznähe ist eine etwas<br />
gezwungene Anbindung an das NS/WO-Raster erkennbar:<br />
beim Altenberg bei Grosselfingen.<br />
Ist nun dieses strenge Einhalten des bewundernswert genauen<br />
Rastersystems bis zur Grenze nur ein Beweis für die grundsätzliche<br />
Sturheit einer militärbürokratischen Landesaufteilung<br />
oder steckt ein anderer Sinn dahinter? Vielleicht führen<br />
uns diese Ungereimtheiten<br />
Zum römischen Nachrichtenübermittlungssystem<br />
In unmittelbarer Nähe der vermuteten Provinzgrenze fallen<br />
in regelmäßigen Abständen Punkte mit guter Aussichtslage<br />
auf, die sich für eine Signalfeuerkette geeignet haben könnten.<br />
Darunter sind die beiden oben als eigenartig in das<br />
Straßennetz eingebunden genannten Stellen (vom Häsenbühl<br />
ab aufgezählt): bei Ostdorf (»Burgweg«), Grosselfingen<br />
(»Altenberg«), Stein (»Hohwacht«), Derendingen (»Steinholz»),<br />
Kusterdingen (»Hohe Mark«), Altenburg (»Burg«),<br />
Pliezhausen, Neckartenzlingen (»Scheiterhau«), Köngen.<br />
Der Weg von Westen zum Altenberg bei Grosselfingen sowie<br />
von Norden ins Steinholz bei Derendingen zeigen, daß diese<br />
Signalfeuer von der obergermanischen Seite her unterhalten<br />
wurden. Könnte nicht sogar die »Hohwacht« bei Stein eine<br />
Relaisstation hinüber nach Rottenburg (über »Köpfle« bei<br />
Hemmendorf und »Weilerburg«) gewesen sein, die über den<br />
»Heuberg« oder die »Wurmlinger Kapelle« den Anschluß an<br />
eine Signalfeuerkette entlang der Westkante des Schönbuchs<br />
vermittelte?<br />
Die Berge am Westrand der Alb, die die Provinzgrenze vom<br />
Häsenbühl ab nach Süden markieren, könnten ebenfalls<br />
Signalfeuerstationen gewesen sein, die die Distanz zu Donau<br />
und Hochrhein überbrückten.<br />
Die Baulichkeiten in Stein - von welchen bislang nur das<br />
Hauptgebäude aufgedeckt wurde - waren somit wahrscheinlich<br />
43
1. Eine Mutatio (12 km östlich Weildorf)<br />
2. eine Mansio (1 Tagesreise vom Rheintal)<br />
3. eine Nachrichtenrelais-Station<br />
4. eine rätische Zollgrenzstation<br />
Bei der Aufdeckung waren die Ausgräber enttäuscht, daß sich<br />
nur wenige Kunstgegenstände und keine Fußbodenmosaike<br />
gefunden haben. Dieser Befund läßt sich in Einklang mit der<br />
vermuteten Funktion bringen: trotz der herrlichen Lage über<br />
dem Strazeltal mit Blick zum Zollern stellten die Gebäude in<br />
Stein kein Anwesen eines wohlhabenden Privatmannes, sondern<br />
eine Außendienststelle der Finanzverwaltung Augsburg<br />
dar. Die nüchtern-repräsentativen Gebäude strahlen den eher<br />
spröden Charme eines Hauptzollamtes aus. Die Fundarmut<br />
insgesamt könnte darauf hinweisen, daß bis zum bitteren<br />
Ende das Nachrichtensystem intakt war und ausreichend Zeit<br />
und Verkehrsmittel für Räumung und Flucht vorhanden<br />
waren.<br />
Die Entdeckung der Ruinen von Stein durch G. Schollian und<br />
die Freilegung des Hauptgebäudes dort durch das Landesdenkmalamt<br />
Tübingen unter Leitung von H. Reim gaben den<br />
Anstoß zur Aufstellung der hier vorgetragenen Hypothese,<br />
daß der römischen Landesplanung ein strenges Konzept<br />
zugrunde liegt. Aus den vorliegenden Befunden geht hervor,<br />
daß einem Großteil des heute noch bestehenden Wegenetzes<br />
der römische Bestand zugrunde liegt. Eine Vielzahl von<br />
Verbindungen, welche selber in ihrem Alter nicht direkt<br />
bestimmbar sind, lassen sich ihm allein aus der Tatsache<br />
heraus zuordnen, daß sie ein integraler Teil davon sind. Daß<br />
das System auf römische Zeit zurückgeht, folgt daraus, daß es<br />
ein Gebiet umfaßt, welches infolge der Herrschaftsaufsplitterung<br />
weder im Mittelalter noch in der Neuzeit bis zur<br />
Bildung des Landes Baden-Württemberg einer derartig<br />
umfassenden Raumplanung zugänglich gewesen wäre. Das<br />
WALTER BLEICHER<br />
Die Burgen derer von Hornstein und<br />
Die von Hornstein und die von Hertenstein zählten nicht nur<br />
zu den zahlreichsten, sondern auch zu den begütersten<br />
Familien Oberschwabens.<br />
Schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts zweigte von Hornstein<br />
die Linie Hertenstein ab. Weitere Erwerbungen führten zur<br />
Bildung zahlreicher Nebenlinien, von denen hier hauptsächlich<br />
auf diejenigen unserer engeren Heimat eingegangen wird.<br />
An der Isar oberhalb der Burg Schefflarn stand die Stammburg<br />
der altbayerischen Linie der Hornstein, in Billingsbach<br />
(8,5 km westl. von Gerabronn) die einerweiteren Hertensteiner<br />
Linie. Auch am Luzerner See ließ sich ein Zweig derer<br />
von Hertenstein nieder. In seinem Werk »Die von Hornstein<br />
und von Hertenstein, Erlebnisse aus 700 Jahren« führt<br />
Edward Freiherr von Hornstein-Grüningen 19 verschiedene<br />
Linien auf und beschreibt daneben eine stattliche Zahl von<br />
Familienmitgliedern aus älterer Zeit, deren Eingliederung<br />
wegen Mangel näherer Bezeichnung nicht möglich ist.<br />
Die Stammburg, Hornstein bei Bingen bestand schon im 12.<br />
Jahrhundert. Schönhut erzählt in seinem Werk »Die Burgen<br />
Württembergs« von einem auf der Burg Hornstein gesessenen<br />
Hermann von Hornstein und dessen Gemahlin Irmgard<br />
von Grüningen, deren Sohn Brun am Hof des Grafen Mangold<br />
von Veringen, dem Stammvater der Nellenburger,<br />
erzogen und Augenzeuge des Todes Barbarossas (1190)<br />
gewesen sei. Beim Versuch den Kaiser zu retten, habe Brun<br />
ebenfalls den Tod gefunden. Seine Brüder waren Albrecht<br />
(1194-1228) und N. von Hornstein, der 1244 als Kirchherr<br />
44<br />
Mittelalter hat das römische Wegenetz zu einem großen Teil<br />
übernommen - wieso hätte auch das bereits Bestehende nicht<br />
genutzt werden sollen? Auch die Bedeutung einiger markanter<br />
Punkte als Signalfeuerstationen blieb bekannt: Gewannnamen<br />
wie »Hohwacht«, »Hohe Mark«, »Scheiterhau« oder<br />
auch an anderer Stelle »Brenneter Hau« sprechen eine deutliche<br />
Sprache. Auch wenn bei der »alamannischen Landnahme«<br />
die Honorationen ausgewechselt worden waren, die<br />
Tradition dürfte in der Bevölkerung gewahrt geblieben sein.<br />
Es gab keine Stunde Null.<br />
Die Aufdeckung von Nebengebäuden in Stein könnte diese<br />
Hypothese untermauern oder beweisen, zumal die funktionalen<br />
Nebengebäude (Abfertigung an der grenzüberschreitenden<br />
WC5-Straße, Unterkünfte, Stallungen) lt. Führung der<br />
eingleisigen Steigen von Rangendingen her im obersten Teil<br />
des Ruinengeländes vermuten werden dürfen. Wahrscheinlich<br />
hat hier der »mittelalterliche Weiler« die Kontinuität der<br />
Besiedlung weitergeführt. Dadurch, daß Stein abseits späterer<br />
Siedlungen und nicht in für Ackerbau genutztem Gelände<br />
liegt, bietet es als einzige Station am Provinzgrenzverlauf die<br />
Chance, Aufschlüsse über das römische Verkehrs- und<br />
Nachrichtenwesen zu ergraben.<br />
Die Kenntnis der Straßenführungen und des umfassenden<br />
Raumplanungskonzepts der Römerzeit würde dem Landesdenkmalamt<br />
Baden-Württemberg die Möglichkeit an Hand<br />
geben, leichter präventive Bodendenkmalpflege zu betreiben.<br />
Der Weg Rangendingen-Hart als Teilstück der römischen<br />
West-Ost-Verbindung wurde im Herbst 1981 z.T. überschoben<br />
und als Feldweg neu angelegt. Die westliche Eyachtal-Steige<br />
wird bislang nur auf wenige Meter durch einen<br />
modernen Holzabfuhrweg gestört. An dem eindrucksvollen<br />
Durchbruch durch die Hangkante wurde 1981 der Wald<br />
abgeholzt.<br />
Hertenstein in unserer Gegend<br />
von Seekirch am Federsee genannt ist. Von Heinrich von<br />
Hornstein (1247-1268) ging die Burg an den Sohn Hermann<br />
(1252-1291) über. Auch er war um 1286 »rector ecclesiae in<br />
Seekilch«. Sein Bruder Konrad schrieb sich auch »von Grüningen«.<br />
(s.d.) Als weitere Brüder sind genannt Goswin,<br />
Domherr in Chur, Mangold und Walter, letzterer saß zu<br />
Riedlingen. Hermanns Sohn Konrad von Hornstein<br />
(1312-1343) war 1331 Vogt zu Sigmaringen. Ob er oder seine<br />
Brüder Hermann und Hans auf Hornstein saßen, ist nicht<br />
feststellbar. In dieser Zeit bildeten sich die Hornsteiner<br />
Nebenlinien. Zu Bittelschieß, Schatzberg (b. Egelfingen),<br />
Pflummern, Asenheim (b. Unlingen), Neufra (b. Riedlingen),<br />
Langenstein (b. Eigeltingen), Göffingen, Zußdorf,<br />
Heudorf (a. Bussen) und Bützkofen (Beitzkofen). Auf der<br />
Burg Hornstein blieben im 14. Jahrhundert mehrere Familienmitglieder,<br />
von denen sich Mantz von Hornstein 1354 als<br />
»zu Hornstein gesessen« schrieb. Mit ihm traten auf: Hermann<br />
von Hornstein (1360-1387) und Swigger von Wildnau<br />
(gest. 13 86); Letzterem gehörte der Turm, den beiden Erstgenannten<br />
das obere bzw. untere Haus der Burg Hornstein.<br />
Diese Dreiteilung wurde fernerhin beibehalten. Das obere<br />
Haus hatte von 1363-1390 Konrad von Hornstein, der Sohn<br />
des Hans, inne, während auf dem unteren Haus von<br />
1363-1390 Konrad von Hornstein, der Sohn des Hans, inne,<br />
während auf dem unteren Haus von 1363-1387 Konrad und<br />
Heinrich von Hornstein, die Söhne des Hermanns residierten.<br />
Nach deren Tod fiel alles an Konrad, den Sohn des Hans,<br />
von dem beide Häuser an die Bittelschießer Linie übergingen:
Bentz von Hornstein zu Bittelschieß erwarb dazu von Swigger<br />
von Wildnau auch dessen Anteil, so daß er mit seinen fünf<br />
Söhnen Alleininhaber der Burgen Hornstein und Bittelschieß<br />
war (-1390). Nach seinem Tode wurde der Besitz wieder<br />
geteilt. Die Söhne Lutz, Hans und Gerion wurden Inhaber<br />
von Hornstein. Nach dem frühen Tod des Lutz (1399)<br />
erwarb Bentz, der bislang mit seinem Bruder Ulrich auf<br />
Bittelschieß saß, auf Burg Hornstein das obere und das untere<br />
Haus. Da sich der Turm als Erbe seines Vaters bereits in<br />
seinem Besitz befand, war er nun Alleininhaber und saß von<br />
etwa 1401 an auf der Burg Hornstein. Schon im Jahre 1406<br />
verkaufte er den Turm an seinen Vetter Heinrich, den Sohn<br />
des Hans von Hornstein zu Schatzberg, und die beiden<br />
anderen Teile (das »große Haus« genannt) 1427 an den zu<br />
Scheer sitzenden Heinrich von Reischach. Den Turm erwarb<br />
Hans von Hornstein zu Heudorf (am Bussen), der ihn seinem<br />
Sohn Laux vererbte (vgl. Göffingen). Dessen Tochter Magdalena,<br />
die mit Berchtold von Stein zu Ronsberg vermählt<br />
war, verkaufte 1465 den Turm und seine Zugehörungen an<br />
Konrad von Reischach, der von seinem Vater den anderen Teil<br />
erhielt und .1467 ganz Hornstein dem Grafen Ulrich von<br />
Württemberg als Lehen auftrug.<br />
Als württembergisches Lehenj.irhielt Konrad von Reischach<br />
die Bürg Hornstein samt Zubehör wieder zurück. 1501<br />
verkaufte sein Sohn Wilhelm von Reischach Hornstein an<br />
seinen Schwager Hieronymus von Croaria, kaufte im Jahre<br />
1510 von ihm das Lehen wieder zurück und veräußerte es an<br />
den kaiserlichen Sekretär Johann Renner, und zwar das<br />
»große Haus« als württembergisches Lehen und den Turm als<br />
Allod. Brun von Hornstein-Hertenstein, der Bruder des zu<br />
Göffingen seßhaften Jost, kaufte 1512 von ihm die Burg<br />
Hornstein mit allen Zugehörungen, wozu auch das österreichische<br />
Lehen Bittelschieß gehörte, und zog mit seiner<br />
Familie auf die Burg.<br />
Das »große Haus« war württembergisches Lehen, als jedoch<br />
Herzog Ulrich 1519 außer Landes flüchtete, wurde Hornstein<br />
auf 15 Jahre österreichisches Lehen und als solches<br />
erstmals 1521 an Brun verliehen. Als er im selben Jahr starb,<br />
kamen seine Kinder unter die Vormundschaft seines Bruders<br />
Jost. Bei der Erbteilung im Jahre 1543 erhielt Brun VI. von<br />
und zu Hornstein, der Sohn Bruns V., der sich noch »von<br />
Hornstein-Hertenstein« geschrieben hatte, die Burg Hornstein,<br />
wurde aber 1522 vom württembergischen Lehengericht<br />
seiner Lehen entsetzt und gezwungen auch den alloden Teil<br />
seines Besitzes als Lehen aufzutragen. Nach seinem Tod<br />
(1554) hatte die Vormundschaft von 1555-1569 das Lehen<br />
inne, das dann Brun VII. von und zu Hornstein übertragen<br />
wurde. Sein Bruder Balthasar II. von und zu Hornstein, trat<br />
nach Bruns VII. Tod (1594) in das Lehen Hornstein ein, das<br />
ihm 1596 von Herzog Friedrich verliehen wurde. Von seinem<br />
Oheim Balthasar I. zu Eichen erhielt er nach dessen Tod im<br />
Jahre 1598 die Güter zu Eichen, Stafflangen, Streitberg, die<br />
Mößmühle sowie den Hof zu Herbertingen und Daugendorf.<br />
Durch die vielen Verpfändungen, die er vornahm, legte er den<br />
Grund zum Ruin seiner Familie. 1614 zog er nach Konstanz<br />
und übergab 1624 seinen verschuldeten Besitz an seine Söhne:<br />
Eichen und Zollernreute an Balthasar, Schloß Hornstein,<br />
Bingen und Bittelschieß an den jüngeren Sohn Sigmund von<br />
und zu Hornstein, der im Jahre 1631 in Kauf beuren, wohin er<br />
mit seiner Familie wegen der Kriegsläufte geflohen war,<br />
starb.<br />
Seine beiden Söhne erbten den verschuldeten Besitz. Johann<br />
Baptist verzichtete gegen ein jährliches Deputat von 100<br />
Talern zugunsten seines erst ein paar Monaten alten Bruders<br />
Johann Heinrich von und zu Hornstein. Als ihm 1652 der<br />
Besitz von den Vormündern übertragen wurde, war er derart<br />
verschuldet, daß er ihn 1656 an die Gläubiger abtreten mußte.<br />
Alles Allod zu Hornstein, Bittelschieß, Bingen, Eichen,<br />
Stafflangen, Streitberg, Zollernreute, Vogelsang, Schwarzenbach,<br />
Unlingen, Herbertingen und Daugendorf ging damals<br />
für die Familie verloren. 1676 scheint Johann Heinrich<br />
Schloß Hornstein verlassen zu haben. Nach langwierigen<br />
Prozessen gelang es 1693 mit den Gläubigern einen Vergleich<br />
zu schließen. Initiator war der Fürstabt von Kempten, in<br />
dessen Diensten Adam Bernhard von Hornstein zu Göffingen<br />
stand, der 1688 als Rat Kaiser Leopolds in den Freiherrenstand<br />
erhoben wurde. Er kaufte 1693 für 31 500 fl. Schloß<br />
Hornstein mit Bittelschieß und das Dorf Bingen. Er ließ das<br />
Schloß renovieren, die Schloßkaplanei-Pfründe wieder herstellen,<br />
eine neue Schloßkapelle in den oberen Torturm<br />
einbauen und die Bittelschießer Kapelle erneuern. 1715 übertrug<br />
er Schloß Hornstein und Bittelschieß auf seinen Sohn<br />
Franz MarquardAnton von und zu Hornstein auf Göffingen,<br />
Bingen, Bussen, Bittelschieß und Vogelsang. Er scheint die<br />
meiste Zeit in Göffingen gelebt zu haben. Sein Sohn Marquard<br />
Eustach von Hornstein übergab 1786 Göffingen seinem<br />
Sohn Bernhard und verkaufte 1787 Schloß Hornstein,<br />
Burgstall Bittelschieß und das Dorf Bingen an den Fürsten<br />
Anton Alois von Hohenzollern-Sigmaringen. Von 1818 ab<br />
diente Schloß Hornstein als Zucht- und Strafarbeitshaus. Als<br />
dieses 1869 aufgehoben war, kaufte die Familie von Hornstein-Grüningen<br />
das Schloß zurück und ließ es 1877 abbrechen;<br />
nur die Kapelle blieb bestehen.<br />
Die Burg Hertenstein über dem rechten Lauchertufer, 5 km<br />
oberhalb Hornstein, 2 km unterhalb Jungnau, stand gegenüber<br />
der Burg Insikofen auf der vorspringenden Felskuppe,<br />
die noch die Bezeichnung »das alte Schloß« trägt. Hier hatte<br />
zu Beginn des 13 Jahrhunderts ein Glied der Horhsteinischen<br />
Familie einen, wahrscheinlich nur über eine Leiter zu<br />
erreichenden Bergfried erstellen lassen. - In seinem o. a.<br />
Werk nennt Schönh : zum hndc des 12. Jahrhunderts einen<br />
Cuno von Hertenstein auf der gleichnamigen Burg, dessen<br />
Tochter Emma sich mit Hermann von Hornstein vermählt<br />
habe. 1250 traten Albrecht und Heinrich von Hertenstein als<br />
Dienstmannen des Grafen Wolfrad von Veringen auf. Ihr<br />
Bruder Mangold von Hertenstein (1254-1272) war ebenfalls<br />
Ministeriale des Veringers und siegelte u.a. 1254 mit einem<br />
Hermann von Hertenstein und 1267 mit dessen gleichnamigen<br />
Sohn. Von Mangolds Kindern kennen wir den Sohn<br />
Mangold von Hertenstein (1262-1272) und Gotswin von<br />
Hertenstein (1258-1311), der als Zeuge bei Veringen und<br />
Salem auftritt. Auch der 1264 als Zeuge des Grafen Konrad<br />
von Heiligenberg auftretende Hunon (Kuno) von Hertensteinten.<br />
Stier, und Rudolf von Hertenstein, der als Zeuge für<br />
die Grafen von Nellenburg und für das Kloster Salem<br />
erwähnt ist, werden zu den genannten Brüdern gezählt.<br />
Burkhard von Hertenstein (1276-1317), vermutlich der Sohn<br />
des letztgenannten Mangold, befand sich am Hof des Herzogs<br />
Friedrich von Österreich, der ihm 1306 für seine Dienste<br />
einen Hof zu Langenenslingen verpfändete. Von seinen<br />
Geschwistern war Werner von Hertenstein in Bingen<br />
begütert, Irmengart von Hertenstein in den Jahren 1300-1309<br />
Äbtissin des Cisterzienserinnenklosters HeiligkreuztaLJüe.<br />
Burg Hertenstein, die von Burkhard an dessen Sohn Brun I.<br />
von Hertenstein (1350-1385) überging, wurde von der Familie<br />
verlassen. Der nunmehrige Stammsitz war die Burg DaugendorfBei<br />
Riedlingen, wo Brun I. neben den Bossen, einem<br />
altadeligen Geschlecht, residierte. Hier hatte schon Heinrich<br />
von Hornstein (1320-1339) den Burgstall besessen. Gegen .<br />
Ende seines Lebens veräußerte Brun den größten TeiJ seines<br />
Besitzes: Daugendorf an Rudolf von Friedingen und Mietenhausen<br />
an das Kloster Marchtal. Da Mietenhausen ein Lehen<br />
der Grafen von Wartstein war, mußte er ihnen die Feste<br />
Hertenstein aufgeben und als Lehen wieder empfangen. Seine<br />
Söhne gründeten auswärts weitere Linien: zu Genkingen,<br />
Riedlingen und Dürmentingen.<br />
45
Die von Heinrich von Hertenstein gegründete Genkinger<br />
Linie und die von Ulrich von Hertenstein gegründete Riedlinger<br />
Linie starben bald wieder aus. Werner von Hertenstein<br />
(1385-1451) residierte zuerst als österreichischer Vogt auf<br />
dem Bussen, 1401 Dürmentingen und versah dann das Amt<br />
eines Pfründammanns in Buchau, wo er noch 1451 urkundete.<br />
Schon 1412 hatte er seine Güter den Kindern übertragen.<br />
Während die Töchter ins Kloster Habstal eintraten,<br />
setzte der Sohn Brun III. von Hertenstein die Linie fort.<br />
Er zog von Dürmentingen nach Riedlingen, dann wieder<br />
zurück nach Dürmentingen und erwarb 1434 vom Kloster<br />
Heiligkreuztal, dem von 1425-1443 seine Base Agnes von<br />
Hornstein als Äbtissin vorstand, die Burg gen. obere Burg zu<br />
Grüningen. 1444_verkaufte er seine Güter zu Dürmentingen<br />
an den Grafen Eberhard von Sonnenberg-Scheer und 1449<br />
das Stammhaus Hertenstein, das damals schon zerfallen war,<br />
an die Stadt Sigmaringen.<br />
Die Burg Bittelschieß, 600 m von Hornstein entfernt, an die<br />
heute noch'"der Rest des Rundturms, Spuren des Palas und<br />
einer Ringmauer erinnern, war zunächst im Besitz derer von<br />
Bittelschieß. Als ihre letzten Vertreter seien erwähnt: Hugo<br />
von Bittelschieß, der 1244 dem Kloster Salem Güter übertrug,<br />
die er von Berthold von Mengen zu Lehen trug, und<br />
Albert von Bittelschieß, der 1265 im Besitz des Burgstalls<br />
war. Ab 1313 hatten die Herren von Hornstein die Burg als<br />
habsburgisches Lehen inne. Die ersten namentlich bekannten<br />
Vertreter der Familie sind Albrecht von Hornstein und seine<br />
Gemahlin Mechthilde. 1330 und 1370 ist ein Perchtold von<br />
Hornstein erwähnt, vermutlich der Vater des Bentz und des<br />
Kunz von Hornstein, die beide bis 1390 bzw. 1391 auf<br />
Bittelschieß saßen. Lutz, Hans, Ulrich, Bentz und Geory<br />
von Hornstein, die Söhne des Bentz verkauften 1391 Zins aus<br />
einem Gut in Beizkofen. Die Kinder des Kunz finden wir<br />
später in der Alt-Grüninger Linie wieder. Von den Kindern<br />
des Benz kamen Lutz, Hans und Gerion in den Besitz von<br />
Hornstein. - Auf Bittelschieß blieben die Söhne Ulrich I. von<br />
Hornstein und Benz von Hornstein, bis Letzterer 1401 auf<br />
Burg Hornstein zog.<br />
1416 erfahren wir, daß in der Feste Bittelschieß mehrere<br />
Gebäude bestanden. Die Verleihung des Hirtenstabes in<br />
Bingen war das Recht der Bittelschießer Hornstein, das zu<br />
manchen Unruhen führte, besonders unter Ulrich II., der<br />
etwa 1435 von seinem Vater Ulrich I. die Feste Bittelschieß<br />
mit den Gütern Bingen erbte, die nach seinem Tod an seine<br />
Söhne Bernhard, Mathias, Ulrich und Hans fielen. In der<br />
Fehde zwischen Erzherzog Sigmund von Osterreich und dem<br />
Grafen Eberhard von Württemberg zerstörte der Württemberger<br />
1480 die Feste Bittelschieß, die der auf Hornstein<br />
gesessene Reischach als Kriegsbeute ansprach und dem<br />
Bernhard sperrte. Erst 1484 gab Wilhelm von Reischach die<br />
Bittelschießer Güter frei, die Bernhard nun von Herzog<br />
Sigmund als Lehen der Herrschaft Hohenberg verliehen<br />
bekam. 1490 verkaufte er sein Burgstall Bittelschieß samt aller<br />
Zugehör an den Grafen Andreas von Sonnenberg zu Scheer,<br />
der es 1491 an die Brüder Heinrich und Wilhelm von<br />
Reischach vertauschte. Mit Bernhard, der nach Uberlingen<br />
zog und dort 1504 starb, erlosch die alte Hornstein-Bittelschießer<br />
Linie. Das weitere Schicksal von Bittelschieß blieb<br />
fortan mit dem der Burg Hornstein verbunden.<br />
Die obere Burg Grüningen, deren aus dem 10. Jahrhundert<br />
stammender Bergfried in den späteren Schloßbau einbezogen<br />
wurde, ist als älteste der drei Burgen des Ortes anzusehen.<br />
Grüningen kam schon 793 aus dem alaholfingischen Besitz<br />
durch Schenkung an das Kloster St. Gallen und war später im<br />
Besitz der Grafen von Altshausen.<br />
Der erste in Grüningen bekannte Vertreter war Konrad von<br />
Hornstein, der sich auch von Grüningen schrieb und 1274 auf<br />
der Burg Hohenberg saß. Einen Hof in Grüningen besaßen<br />
46<br />
auch Mangold und Ludwig von Hornstein als Lehen von<br />
Veringen.<br />
Nachdem 1291 der veringsche Besitz an die Habsburger<br />
übergegangen war, saß vermutlich Peter I. von Hornstein auf<br />
der Burg, dessen Sohn Peter II. von Hornstein zu Grüningen<br />
(1311-1315) für seine Leute eine Kirche erbaute bzw. die<br />
Pfarrei Grüningen gründete. Die Leute der unteren Burg<br />
blieben nach Langenenslingen eingepfarrt. Sein Sohn Konrad<br />
von Hornstein (1335-1381) verkaufte und verschenkte einen<br />
Großteil seines Besitzes. Auf unbekannte Weise kam die<br />
Burg durch dessen Sohn Hans von Hornstein (1358-1404),<br />
der alles verkaufte und nach Riedlingen zog, in die Hände der<br />
Bittelschießer Linie.<br />
Benz und Hänslin von Hornstein, (1384-1420) die Söhne des<br />
Kunz von Hornstein zu Bittelschieß, saßen nach 1381 neben<br />
den Bossen von Daugendorf zu Grüningen. Nach dem Tode<br />
seines Bruders wurde Hänslin Alleinherr der Burg Grüningen,<br />
die damals freies Eigentum war. Seine noch unmündigen<br />
Kinder Konrad und Elsbeth, die unter die Vormundschaft<br />
Ulrichs von Hornstein zu Bittelschieß und eines Verwandten<br />
ihrer Mutter kamen, verkauften nach seinem Tod im Jahr<br />
1420 das Dorf Dietershausen mit Tobel an Berchhold und<br />
Konrad von Stein zu Uttenweiler, 1415 die Burg Grüningen<br />
an die Heudorfer Linie (-1425).<br />
Hans von Hornstein zu Heudorf veräußerte die Burg wieder<br />
an das Kloster Heiligkreuztal, das die ganze Herrschaft an<br />
sich brachte und im Jahre 1434 an Brun III. von Hertenstein<br />
zu Dürmentingen, der nun nach Grüningen zog, als freies<br />
Eigentum verkaufte.<br />
Nach seinem Tod (1461) behielten die Söhne Hans /., Brun<br />
IV. und Geory von Hertenstein die ererbten Güter im<br />
gemeinschaftlichen Besitz. Bei der Erbteilung im Jahr 1463<br />
erhielt Hans Grüningen mit seinen Zugehörungen. Er starb<br />
frühzeitig 1465 oder 1466. Seine Witwe heiratete den Heinrich<br />
Speth zu Granheim. Ihre beide Schwäger Brun und<br />
Geory welche für die beiden Töchter Anna und Margaret<br />
Bürgschaft leisteten, übernahmen den väterlichen Besitz, den<br />
sie im Jahre 1472 teilten.<br />
Bruno IV. stiftete die Göffinger Linie (s. d.), sein Bruder<br />
übernahm Grüningen und schrieb sich Georg I. von Hornstein<br />
gen. Hertenstein (-1498).<br />
Schon 1469 war er mit Grüningen belehnt worden und kaufte<br />
nun die Schatzberger Besitzungen, die er wieder veräußerte<br />
(s. d.). Sein Totenschild wird im Schloß Grüningen aufbewahrt.<br />
In den Gütern zu Grüningen folgte ihm sein Sohn<br />
Balthasar von Hornstein gen. Hertenstein (-1530) in<br />
Gemeinschaft mit den Brüdern Geory und Hans. 1499<br />
wurden sie mit dem unteren Schloß von Grüningen, gen. »der<br />
Turm« (Judenschloß) belehnt, das sie von Rudolf von<br />
Reischach (Nachfolger der Bossen) erworben hatten.<br />
1503 ließ Balthasar seinen Bruder auslösen und wurde Alleinherr.<br />
Da er ledig geblieben war, folgte ihm sein Bruder Georg<br />
II. von Hornstein gen. Hertenstein (-1533), der sich als<br />
Verschwender zeigte. Noch zu seinen Lebzeiten wurde im<br />
Jahre 1538 sein einziger Sohn Jocob Ernst von Hornstein<br />
(-1580) mit Grüningen belehnt, wobei auch das »obere<br />
Schloß«, das bisher freies Gut war, als Lehen erscheint.<br />
Unter Mithilfe seines Schwiegervaters Bernhard Renner zu<br />
Granheim gelang es ihm den Besitz zu vergrößern. Nach<br />
seinem Tod hatten die Söhne den Besitz zunächst gemeinsam<br />
inne.<br />
Bei der Erbteilung im Jahre 1583 erhielt der Sohn Hans<br />
Christoph von Hornstein (-1606) Grüningen. Sein Bruder<br />
Balthasar, der Hohenstoffeln erheiratet hatte wurde ausgelöst.<br />
Der dritte Sohn Karl (-1605) der mitbelehnt worden war,
gelangte nach Hans Christophs Tod, zusammen mit Balthasar<br />
in den Besitz von Grüningen. Balthasar trat seinen Teil an<br />
ihn ab, so daß er nun Alleininhaber war. Seine Söhne starben<br />
jung, die Töchter verheirateten sich nach auswärts. Nachdem<br />
er die Tochter seines Bruders abgefunden hatte, wurde<br />
Balthasar, der sich nun von Grüningen und Hohenstoffeln<br />
schrieb, Alleinherr von Grüningen, wo er im Jahre 1620<br />
starb.<br />
Sein Sohn Hans Erhard von Hornstein zu Grüningen und<br />
Hohenstoffeln, der zum Hinter- und Mittelstoffeln auch den<br />
Vorderstoffeln erwarb, residierte meist auf Mittelstoffeln und<br />
reiste nur ab und zu nach Grüningen. Nach seinem Tod im<br />
Jahre 1625 erbte der einzige Sohn Balthasar Ferdinand<br />
(-1685) die Herrschaften Hohenstoffeln und Grüningen,<br />
stand aber, da er erst 11 Jahre alt war, zunächst unter<br />
Vormundschaft. 1633 verlor er alle drei Schlösser auf Hohenstoffeln,<br />
welche der mit den Schweden verbündete Herzog<br />
Eberhard von Württemberg dem Erdboden gleichmachen<br />
ließ. 1636 wurde Balthasar Ferdinand in den Freiherrenstand<br />
erhoben. Als er 1646 mit seiner Familie in Grüningen aufzog,<br />
war nur das untere Schloß notdürftig bewohnbar. 1657 nahm<br />
er seinen Sitz in Weiterdingen bei Singen, wo er 1685 starb.<br />
Nun teilten sich die drei Söhne im väterlichen Güterbesitz.<br />
Balthasar (-1723) erhielt das Dorf Weiterdingen mit der<br />
Hälfte der Reben und halb Stoffeln; Josef Leopold Melchior<br />
(-1718) das Dorf Biningen, den Hof Homboll, halb Stoffeln,<br />
die Hälfte der Weiterdinger Reben und allen auswärtigen<br />
Zehnten.<br />
Der älteste Bruder Franz Ferdinand Kaspar (-1703) bekam<br />
Grüningen und Bietingen im Hegau. In Grüningen ließ er das<br />
halb zerstörte Schloß wieder herstellen, neue Scheuern<br />
erbauen und die Schutzengelkapelle renovieren.<br />
Da er keine männlichen Nachkommen hinterließ, fiel der<br />
Besitz zunächst (1703-1707) an Josef Leopold von Hornstein<br />
und Karl Balthasar (-1707) von Hornstein, die Söhne Balthasar<br />
Ferdinands. Durch die Teilung erhielten Franz Ernst von<br />
Hornstein, der Sohn Josef Leopolds, und Ferdinand Maria,<br />
der Sohn Karl Balthasars, den Grüninger Besitz je zur Hälfte<br />
(1707-1715).<br />
Nach dem Tod des Franz Ernst gelang es seinem Vater die<br />
halbe Herrschaft Grüningen aus den Händen Ferdinands<br />
Marias zu lösen. Nun wies er seinen ältesten Sohn Johann<br />
Bernhard Anton von Hornstein (-1756) auf Grüningen an<br />
und übertrug der Witwe des Franz Ernst Biningen, das<br />
bislang von Johann (Hans) Bernhard verwaltet wurde. Nach<br />
dem Tod seiner Frau (1756) übergab Hans Bernhard seinem<br />
Sohn Karl Andreas von Hornstein des Besitz und zog selbst<br />
zu seiner Tochter ins benachbarte Heudorf. Vater und Sohn<br />
starben im Jahr 1760. Honorius Karl von Hornstein (-1838)<br />
kam erst nach dem Tode seines Vaters zur Welt. Während der<br />
Zeit, in welcher er unter Vormundschaft stand, machte Josef<br />
Anton von Hornstein (-1786), der Sohn des Franz Ernst,<br />
seine Ansprüche geltend und erreichte, daß ihn Kaiser Josef<br />
II. im Jahre 1781 mit dem oberen und unteren Schloß und<br />
dem ganzen Dorf Grüningen belehnte. Da seine Kinder vor<br />
ihm starben, fielen alle Rechte an Honorius Karl, dessen<br />
Vormünder im Jahre 1785 das seit 1756 nicht mehr bewohnte<br />
Schloß renovieren ließen, in das Honorius Karl nach seiner<br />
Vermählung einzog. 1806 wurde aus dem reichsunmittelbaren<br />
freien Herrn ein württembergischer Untertan. Sein Sohn<br />
Karl Theodor von Hornstein (-1862) erhielt im Erbvergleich<br />
von 1838 Grüningen, sein Bruder Friedrich Karl Bietingen<br />
und Homboll. - In Grüningen folgte auf Karl Theodor<br />
dessen Sohn Edward Sigmund von Hornstein (-1905), der<br />
Verfasser der großen Hornsteinchronik, von dem das Gut<br />
durch Familienstatuten an den ältesten Sohn Balthasar von<br />
Hornstein (-1920) überging. Ihm folgte sein einziger überlebender<br />
Sohn Hans Christoph von Hornstein (-1948). Seine<br />
Gemahlin Maria Sidonie führte zunächst die Geschäfte selbst<br />
weiter und übergab 1958 dem Sohn Hans Hubert, dem<br />
heutigen Besitzer. Er vermählte sich 1968 mit Heike Lueder.<br />
Nach dem Sohn Hans Christoph und der Tochter Irina<br />
wurde 1980 das dritte Kind auf den Namen Edward Balthasar<br />
getauft.<br />
Die Burgen zu Neufra bei Riedlingen (die alte Burg neben der<br />
Kirche, die neue Burg daneben und die Burg unten im Dorf)<br />
waren in den Händen verschiedener Geschlechter; die beiden<br />
oberen Burgen im Besitz des Ortsadeligen Heinrich von<br />
Neufra, der bereits dem Geschlecht von Hornstein zugeschrieben<br />
wird, die untere Burg im Besitz der Fleck, zu denen<br />
auch die Ranz gezählt werden.<br />
Heinrich von Neufra gab 1298 die Burg Zußdorf dem Grafen<br />
Ulrich von Berg auf, der nun die Brüder Ludwig und<br />
Mangold von Hornstein damit belehnte. Sie traten nach<br />
seinem Tod auch Neufra als Erbe an und besaßen ein<br />
veringisches Lehen in Grüningen. Ludwig I. stiftete 1303 eine<br />
Kaplanei zu Neufra, wo auch Heinrich I, von Hornstein, der<br />
als »zu Neufra gesessen« bezeichnet wird, begütert war. Zur<br />
selben Zeit trat auch ein Hans von Hornstein zu Neufra auf.<br />
Er verkaufte die Hölzer von Neufra an die Herren von<br />
Gundelfingen. Von den Söhnen Heinrichs I. bezog Heinrich<br />
II. die Burg Langenstein (s.d.). Ludwig II. (-1392) der als<br />
Landvogt in Schwaben auf der Burg Warthausen saß, erbte<br />
von seinem Vater Neufra, Seekirch und Alleshausen; letztere<br />
wurden von ihm verkauft, die Herrschaft Neufra an die Stadt<br />
Ulm, die Herrschaft Warthausen an seinen Schwiegersohn (?)<br />
Eberhard von Freiberg verpfändet. Als Eberhard von Freiberg<br />
im Jahre 1378 Warthausen eingelöst hatte, stiftete<br />
Ludwig II. das Franziskanerinnenkloster Oggelsbeuren. Von<br />
seinen Söhnen saß Ludwig III. (-1427) auf der alten Hamann<br />
(-1419) auf der neuen Burg zu Neufra. Beide hatten Neufra<br />
zu gleichen Teilen geerbt und waren auch im Besitz der<br />
unteren Burg. 1399 verkauften sie den ganzen Ort Neufra mit<br />
seinen drei Burgen an Stefan von Gundelfingen. Nach dem<br />
Aussterben der Gundelfinger ging der Ort an die Helfenstein,<br />
1627 an die Fürstenberg über und kam 1806 unter württembergische<br />
Staatshoheit.<br />
Die Burg Heudorf am Bussen war ursprünglich im Besitz des<br />
Ortsadels. Als veringischer Besitz kam sie an die Habsburger,<br />
die in ihrem Urbar von 1303 anführen, daß der Pfaff Hermann<br />
von Hornstein das Gut innehat. Mit Rudolf von<br />
Hornstein (1338-1349), der auch in Burgau und Beizkofen<br />
begütert war, beginnt die eigentliche Linie der vermutlich<br />
von der Linie Neufra abgezweigten Linie Heudorf. Das<br />
Reichenauische Lehen Heudorf erbte sein Sohn Mantz von<br />
Hornstein (1349-1413) der von Graf Eberhard dem Greiner<br />
auch das Dorf Betzenweiler zu Lehen hatte.<br />
Seine Schwester Anna war an der Burg Heudorf mitbelehnt.<br />
1355 verkaufte er den Zehnten zu Beizkofen an die Heiligkreuztaler<br />
Äbtissin Anna von Hornstein von Göffingen und<br />
dem Konvent als Lehen, 1356 einen Hof in Burgau, der<br />
Lehen des Freiherrn Albrecht von Stoffeln war, und eignete<br />
1386 den 6. Teil des Beizkofer Zehnten dem Kloster Heiligkreuztal.<br />
1412 erhielt er das Lehen der Vogtei Betzenweiler,<br />
Nachfolger waren die Söhne Herman und Hugo von Hornstein.<br />
Hermann (-1439) hatte 1416 die Vogteien Uigendorf, Dietlhofen<br />
und Betzenweiler zu Lehen. Hugo (-1442) empfing<br />
1401 Betzenweiler zu Lehen und 1410 vom Grafen Eberhard<br />
von Württemberg die Kirche in Veringen. Ihr Bruder Hans-<br />
,der sich auch von Heudorf schrieb, besaß die Burg Hornstein<br />
(Turm), kaufte 1415 die Burg Grüningen, 1416 die<br />
Vogteien Uigendorf und Dietelhofen, 1420 von den Kindern<br />
Hänslin von Hornstein Grüningen, das er 1425 wieder<br />
verkaufte (s. d.). (Schluß folgt)<br />
47
Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> <strong>Geschichtsverein</strong><br />
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />
Willy Baur feierte seinen 85. Geburtstag<br />
Eine große Festgemeinde war am 20. August 1982 im<br />
Hechinger Rathaus versammelt, um Willy Baur zu seinem 85.<br />
Geburtstag zu ehren. Vom Schwäbischen Heimatbund überbrachte<br />
Professor Bim eine Geburtstagsgabe und Willy Leygraf<br />
hielt die Laudatio auf den Jubilar. Bürgermeister Norbert<br />
Roth würdigte die Verdienste Willy Baurs im Namen der<br />
Stadt Hechingen.<br />
Die Glückwünsche des Hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong>s,<br />
dessen Ehrenmitglied Willy Baur ist, überbrachte<br />
Staatsarchivdirektor Dr. W. Schöntag. Er betonte, daß ohne<br />
die Beiträge Willy Baurs der <strong>Geschichtsverein</strong> um vieles<br />
ärmer wäre.<br />
Den Festvortrag hielt der Präsident der Landesarchivdirektion,<br />
Dr. Eberhard Gönner über die Residenzstadt Hechingen<br />
und die Denkmäler ihrer Geschichte. Willy Baur habe<br />
sich ein Leben lang bemüht, andere an die Geschichte<br />
Josef Mühlebach 80 Jahre<br />
80 Jahre alt wurde am 3. Juli der Mann, den man mit Recht<br />
das »Gedächtnis Hohenzollerns« nennen kann. Josef Mühlebach,<br />
letzter leitender Verwaltungsbeamter des aufgelösten<br />
Kommunalverbandes der Hohenzollerischen Lande, hat<br />
nach dem Untergang Hohenzollerns die Landesbücherei in<br />
die Obhut des Kreises Sigmaringen überführt. Mehr noch: in<br />
den seither vergangenen rund zehn Jahren hat er diese<br />
Bibliothek geordnet und sie stand fast jeden Werktag jedermann<br />
zur Verfügung, der sie benutzt. Das sind in starkem<br />
Maß Studenten der Universtitäten des Landes.<br />
Josef Mühlebach setzt diese Arbeit täglich fort, demnächst<br />
mit einem weitaus kürzeren täglichen Fußweg, wenn die<br />
Bestände im ehemaligen Krankenhaus, dem neuen Landratsamt,<br />
nahe seinem Haus, untergebracht werden. Eigentlich<br />
hat sein ganzes Leben Hohenzollern gegolten, denn bereits<br />
nach dem Abitur hat der Sohn eines Lehrers aus Hausen am<br />
Andelsbach 1923 seine Laufbahn im Sigmaringer Landeshaus<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
hrsggbn. vom Hohenz. <strong>Geschichtsverein</strong>.<br />
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />
ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
und der angrenzenden Landesteile mit der<br />
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />
bringt neben fachhistorischen auch populär<br />
gehaltene Beiträge.<br />
Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />
Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />
802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />
Druck:<br />
M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co.,<br />
7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />
Die Autoren dieser Nummer:<br />
Walter Bleicher, Rektor<br />
Schlehenweg 5, 7947 Mengen<br />
Pfr. Johann Adam Kraus<br />
Erzbischöfl. Archivar i. R.<br />
Badstraße 8<br />
7800 Freiburg-Littenweiler<br />
Dr. Hans-Dieter Lehmann<br />
Uhlandweg 1, 7450 Hechingen<br />
Dr. Wilfried Schöntag<br />
Staatsarchivdirektor<br />
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />
Hubert Stekeler<br />
Hohenzollernstraße 8<br />
7795 Thalheim<br />
heranzuführen; dafür verdiene er höchsten Respekt und<br />
Dank. Der Jubilar bedankte sich in Schwäbischen Reimen.<br />
Den Festgästen trug er seine Geschichte von der Hechinger<br />
Gansrevolution vor.<br />
Die Feierstunde wurde musikalisch umrahmt vom Bläserquartett<br />
der Hechinger Stadtmusik unter Leitung von Stadtmusikdirektor<br />
Karl Stockmaier. Auf dem Rathausplatz hatte<br />
sich die Bürgergarde mit Spielmannszug und Trachtengruppe<br />
aufgestellt. Es wurden mehrere Märsche gespielt und Gardehauptmann<br />
Hugo Mayer gratulierte Willy Baur. Zum Schluß<br />
erklang das Hohenzollernlied, das von den Anwesenden<br />
begeistert mitgesungen wurde.<br />
Die Hohenzollerische Heimat möchte sich all den Glückwünschen<br />
anschließen. Wir wünschen dem Jubilar noch viele<br />
Jahre bei guter Gesundheit.<br />
begonnen. In dieser langen Zeit hat er nicht nur seine Ämter -<br />
und schließlich das Ganze - musterhaft verwaltet; er hat sich<br />
tief in die Geschichte hineingearbeitet. Aus seiner Feder<br />
stammen zahllose Beiträge, vor allem in der »Hohenzollerischen<br />
Heimat«, aber auch Gedenkschriften. Er schrieb ein<br />
Buch über seine Geburtsgemeinde Hausen - das ihm die<br />
Ehrenbürgerschaft einbrachte. Er schrieb eines über den<br />
hohenzollerischen Kommunalverband; eine Schrift über das<br />
Krankenhauswesen, über die Feuerversicherung Hohenzollerns<br />
und vieles mehr.<br />
Als er 1968 das Bundesverdienstkreuz erhielt, bekam er es<br />
nicht nur für seine Dienste als Beamter, sondern eben auch<br />
diese literarische, sammelnde, sichtende Arbeit. Jahrzehntelang<br />
sang er im Kirchenchor, desgleichen spielte er den<br />
Kontrabaß beim Orchesterverein, der ihn mit seiner Silbermedaille<br />
auszeichnete. Und er hat als Vorsitzender des<br />
Vereins für Freunde des Gymnasiums viele ehemalige Schüler<br />
gewinnen können. W.F.<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />
persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />
sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />
Heimat« weiter zu empfehlen.
HOHENZOLLERISCHE<br />
HEIMAT<br />
Herausgegeben vom<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong><br />
Klosterprospekt von Inzigkofen um 1700, Stich nach Joann Franck, Fürstl. Hohenz. Hofb'nliothek Sigmaringen<br />
MAREN KUHN-REHFUS i, /<br />
Zur Geschichte des Chorfrauenstifts Inzigkofen<br />
Das 12. Jahrhundert erlebte den Aufbruch einer breiten<br />
Frömmigkeitsbewegung. Ihr Ziel war, apostelgleich und<br />
evangelienmäßig in Armut zu leben und zu wirken. Dieses<br />
Jahrhundert brachte dem abendländischen Mönchtum eine<br />
unerwartete Ausbreitung. Das alte Benediktinertum sah sich<br />
von neuen Ordensgemeinschaften umgeben, die vornehmlich<br />
in den zwei Jahrzehnten nach 1100 und dann wieder um 1200<br />
entstanden. Hauptsächlich suchten sie ihre Ideale in den<br />
Ordensklöstern zu verwirklichen, zunächst vor allem in den<br />
beiden Reformorden der Zisterzienser und Prämonstratenser.<br />
Diejenigen Frauen, denen es nicht gelang, Aufnahme in<br />
einem Orden zu finden, schlossen sich zu religiös lebenden<br />
Gemeinschaften zusammen, die die Gebote der Armut und<br />
32. Jahrgang Nr. 4/Dezember 1982<br />
'.teu.m'im ¿j.Li .-'TPrAC Rutilafil t<br />
MS, J)c,wx\ VOMJXi. MiHJ.1 DonClTlllK.<br />
i PcDT C'AreoxissAHUM Rny i.Arji M.if: -<br />
jfcgjagBt hvwosn s. v D D ' 3<br />
Keuschheit beachteten und von der Arbeit ihrer Hände<br />
lebten. So entwickelten sich diese religiösen Frauenzusammenschlüsse<br />
zu einer neuen, neben den bisherigen Orden<br />
selbständig bestehenden Form von religiösen Gemeinschaften.<br />
Man nannte sie Beginen und ihre klosterähnlichen<br />
Niederlassungen Beginenhäuser oder in Deutschland zumeist<br />
Sammlungen. Es ist nicht erstaunlich, daß sich die Frauen, die<br />
ja in erster Linie von den Idealen der Armutsbewegung<br />
ergriffen worden waren, mit Vorliebe an die Dominikaner<br />
und Franziskaner anlehnten und diese ihrerseits sich der<br />
Frauenbewegung annahmen. Dominikus und Franziskus gaben<br />
den Frauen in ihren Zweiten Orden eine eigene Lebensordnung.<br />
Neben dem Zweiten Orden kannten Dominikaner<br />
49
und Franziskaner aber auch noch den Dritten Orden, die<br />
sogenannten Tertiaren.<br />
In der Blütezeit der Franziskanertertiarinnen nun entstanden<br />
nahe bei Sigmaringen innerhalb von 50 Jahren gleich drei<br />
Tertianerinnenklöster: Gorheim, nach der Tradition 1303<br />
vermutlich als Beginensammlung gegründet, die nach 1312<br />
die Dritte Regel des Franziskus annah, aber erst 1347 urkundlich<br />
erwähnt ist; Laiz, angeblich 1308 als Stiftung der Grafen<br />
von Montfort entstanden, urkundlich aber erst 1350 faßbar;<br />
und als letztes Inzigkofen, das nach der Klosterchronik 1354<br />
gestiftet worden sein soll und erstmals 1356 in einer Urkunde<br />
genannt wird. Warum es zu drei so nahe beieinandergelegenen<br />
Franziskanerinnenklöstern kam, warum die Frauen von<br />
Laiz und Inzigkofen nicht in das schon bestehende Gorheim<br />
eintraten, läßt sich heute letztlich nicht mehr klären. Die<br />
Inzigkofer Chronik erklärte, daß zwei Sigmaringer Bürgertöchter<br />
mit Namen Mechthild und Irmengard Sönner und<br />
eine Verwandte dieser beiden Schwestern namens Anna<br />
Sönner sowie eine vierte Frau mit Vornamen Lutgard vorhatten,<br />
eine Klause auf dem heutigen Amalienfelsen bei Inzigkofen<br />
zu errichten. Daß aber das Bauholz, das man bereits zu<br />
diesem Felsen geführt hatte, am nächsten Tag auf wunderbare<br />
Weise bei der Mauritiuskapelle lag. Dies als himmlisches<br />
Zeichen deutend, bauten die frommen Frauen ihr Haus nun<br />
neben dieser Kapelle.<br />
Über die Sigmaringer Familie Sönner, aus der drei der<br />
Klostergründerinnen stammten, ist nur wenig bekannt. Sie<br />
dürfte aber keinesfalls zur sozialen Unterschicht der Stadt<br />
gehört haben. Die Herkunft aus wohlhabenden bürgerlichen<br />
Schichten läßt sich auch für weitere Inzigkofer Klausnerinnen<br />
der ersten Jahrzehnte nachweisen: Anna Schmid, die 1372<br />
eintrat, war die Tochter des Bürgermeisters von Mengen und<br />
erhielt als Klosteraussteuer zwei Gütlein in Menningen und<br />
Völlkofen. Margarethe Bosch aus Meßkirch brachte 1392 der<br />
Klause einen Hof in Ablach zu. Katharina Huter oder Hudler<br />
aus Sigmaringen, wahrscheinlich eine Verwandte des Mengener<br />
Bürgermeisters Konrad Schmid, ein Gütlein zu Ennetach.<br />
Die Inzigkofer Klause fand bald Gönner, die sie durch<br />
Schenkungen, Stiftungen und Almosen materiell unterstützten:<br />
So vor allem die Herren von Reischach, aber auch die<br />
Herren von Königsegg und der Mengener Bürgermeister<br />
Schmid. Weiterer Grundbesitz kam durch die Mitgift von<br />
eintretenden Frauen an die Klause. Dadurch wurde die junge<br />
Niederlassung in die Lage versetzt, bereits in den ersten<br />
Jahrzehnten nach der Gründung aus eigenen finanziellen<br />
Mitteln Liegenschaften zu erwerben. Schon 1356, also nur<br />
zwei Jahre nach der Gründung, ist der erste Kauf bezeugt.<br />
Bald schon war Inzigkofen wirtschaftlich so gut situiert, daß<br />
es sich leisten konnte, 1381 neben der alten Klause neue<br />
Gebäude für die Frauen aufzuführen und 1388 die Mauritiuskapelle<br />
abzureißen und neu aufzubauen, mit drei Altären<br />
auszustatten und einen Friedhof anzulegen. Die Weihe fand<br />
in selben Jahr statt, und zwar zu Ehren Johannes des Täufers,<br />
womit also ein Patrozinienwechsel stattgefunden hatte.<br />
Die Inzigkofer Frauen werden in den Quellen immer nur<br />
Klausnerinnen, ihr Haus Klause oder Zelle genannt. Dennoch<br />
durften die Insassinnen von Anfang an die Regel des<br />
Dritten Ordens des Franziskus befolgt haben, wie die<br />
Klosterchronik und die Tradition des Franziskanerordens es<br />
behaupten. Wahrscheinlich unterstand Inzigkofen, solange<br />
es ein Franziskanerinnenkloster war, der geistlichen Aufsicht<br />
des Überlinger Barfüßerklosters. Pfarrechtlich gehörte es<br />
dagegen zur Pfarrei Laiz.<br />
Der Bischof von Konstanz nahm die Klause Inzigkofen 1388<br />
in seinen Schutz auf. Er übte auch die geistliche Gerichtsbarkeit<br />
aus.<br />
Bedeutsam für die Inzigkofer Tertiarinnen wurden die Beziehungen<br />
zu den Herren v. Reischach zu Dietfurt. Die Familie<br />
50<br />
gehörte dem Niederadel an. Um Dietfurt hatte sie sich eine<br />
kleine Herrschaft aufgebaut und besaß über das Dorf Inzigkofen<br />
die Ortsherrschaft. Die Reischacher überließen schon<br />
bei der Gründung der Klause den Frauen einen Platz als<br />
Erstausstattung, stifteten Jahrtage und ein ewiges Licht. 1391<br />
richtete Ritter Heinrich v. Reischach ein Jahrgedächtnis für<br />
sich und seine Familie in der Klause ein und befreite dafür die<br />
Klausnerinnen mit all ihrem Besitz, den sie in Eigenbewirtschaftung<br />
Umtrieben, von Steuern und Dienstbarkeiten. Er<br />
machte aber eine interessante Auflage: Die Klausnerinnen<br />
durften ohne Erlaubnis der Reischacher keinen Vogt annehmen.<br />
Dieses Verbot spricht dafür, daß die Reischacher den<br />
Schutz - vielleicht sogar die regelrechte Vogtei - über Kloster<br />
Inzigkofen beanspruchten. Auf alle Fälle aber ist die Auflage<br />
Ausdruck eines besonderen Interesses der Reischacher an<br />
Inzigkofen. Grete Schnitzer, die 1968 eine Zulassungsarbeit<br />
über das Kloster anfertigte, vermutet, daß die Reischacher<br />
der Linie Dietfurt Inzigkofen als Hauskloster ausbauen<br />
wollten. Deshalb hätten sie auch darauf hingewirkt, daß die<br />
Frauen die Regel des franziskanischen Drittordens aufgaben<br />
und statt ihrer die Regel Augustins annahmen: Sie wollten ein<br />
Hauskloster mit einer strengeren und wohl auch vornehmeren<br />
Regel haben. - Jedenfalls genehmigte der bischöfliche<br />
Stuhl zu Konstanz am 6. Oktober 1394 den Klausnerinnen<br />
den Ordenswechsel. Aus den neun Franziskanertertiarinnen<br />
und fünf Laienschwestern waren regulierte Augustinerchorfrauen<br />
geworden, die nach der Augustinerregel lebten und<br />
nicht als Nonnen im monastischen Sinn, sondern als Kanonissen,<br />
eben als Chorfrauen zu betrachten sind, weil das<br />
kanonische Element das monastische überwog.<br />
In der Folge wurde 1412 die Kapelle in Inzigkofen von der<br />
Pfarrei Laiz losgelöst und selbst zur Pfarrkirche erhoben.<br />
Wenige Jahrzehnte nach der Umwandlung Inzigkofens in ein<br />
Augustinerchorfrauenstift, nämlich im Jahre 1421, verkauften<br />
die Herren von Reischach das Dorf Inzigkofen an die<br />
Grafen v. Werdenberg, die damals Inhaber der Herrschaft<br />
Sigmaringen waren. Als diese 1534 ausstarben, vererbten sie<br />
das Dorf Inzigkofen als Eigentum an die Grafen von Fürstenberg.<br />
Der neue Inhaber der Grafschaft Sigmaringen, Graf<br />
Karl I. von Zollern, konnte erst 1540 den Ort von den<br />
Fürstenbergern erwerben. Damals übernahm er aber nicht<br />
auch gleichzeitig die Vogtei über das Stift Inzigkofen. Vielmehr<br />
hatte sich Fürstenberg in einer Spezialklausel die Vogtei<br />
bis zum Tod zweier Chorfrauen aus ihrer Verwandtschaft<br />
vorbehalten. Die letzte, es war Euphrosine v. Fürstenberg,<br />
starb 1567. Mit diesem Jahr endete die Kastenvogtei der<br />
Fürstenberger und ging an die Grafen v. Hohenzollern-<br />
Sigmaringen über. Sie übten sie dann bis zur Aufhebung des<br />
Stifts durchgängig aus.<br />
Inzigkofen hatte eine wesentlich schwächere Position seinem<br />
Kastenvogt gegenüber, als dies bei den Klöstern Habsthal,<br />
Wald und Heiligkreuztal der Fall war. Ein Grund dafür war,<br />
daß es ihm im Gegensatz zu diesen Klöstern nicht gelungen<br />
war, obrigkeitliche Rechte über Dörfer und Untertanen an<br />
sich zu bringen, und daß es deshalb auch kein weltliches<br />
Territorium mit Niedergericht und Leibherrschaft hatte aufbauen<br />
können. Es war lediglich Grundherr über einzelne<br />
Höfe und erhielt Zinse und Zehnten - eine Folge seiner späten<br />
Gründung und des Fehlens einer potenten Stifterfamilie.<br />
Inzigkofen war völlig der sigmaringischen Landesherrschaft<br />
unterworfen.<br />
Der Konvent von Inzigkofen nahm die Versuche der weltlichen<br />
Obrigkeit, mit Hilfe der Kastenvogtei auf das innerklösterliche<br />
Leben einzuwirken, keineswegs widerspruchslos<br />
hin. Um jeden Einfluß auf die Pröpstinnenwahl auszuschließen,<br />
verboten die Inzigkofer Statuten von 1643 streng die<br />
Anwesenheit von Laien bei der Wahl. Das aber hielt den<br />
Fürsten nicht ab, auch noch im 18. Jahrhundert die Teilnah-
me eines seiner Beamten zu verlangen und gegen die Wahl<br />
ohne fürstliche Repräsentanz zu protestieren. Ebenso sollte<br />
der Kastenvogt von der Verwaltung des Stifts ausgeschlossen<br />
werden. Doch erwies sich die Absicht, den Einfluß der<br />
weltlichen Obrigkeit völlig abzuwehren, als undurchführbar.<br />
Denn gerade auf wirtschaftlichem Gebiet war die Abhängigkeit<br />
Inzigkofens von seinem Vogt groß. Sie zeigte sich<br />
besonders eindrücklich am Ende des 16. Jahrhunderts: Nur<br />
mit Hilfe des zollerischen Vogtes gelang die Uberweisung des<br />
Besitzes von Kloster Hedingen an Inzigkofen und damit eine<br />
bedeutende Erweiterung der wirtschaftlichen Basis. So verwunderte<br />
es nicht, daß das Stift sich mit der Beteiligung<br />
sigmaringischer Beamter bei der Rechnungslegung abfinden<br />
mußte. Materiell aber war das Chorfrauenstift ansehnlich<br />
ausgestattet. Besonders in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts<br />
und am Ende des 16. Jahrhunderts erfreute es sich<br />
eines großen Besitzzuwachses und nahm einen beachtlichen<br />
wirtschaftlichen Aufschwung. Einen Einbruch am Ende des<br />
15. Jahrhunderts, der zu Schulden und zeitweiliger Versetzung<br />
von Höfen zwang, überwandt Inzigkofen bald wieder.<br />
Die Sicherung seiner wirtschaftlichen Basis verdankte es<br />
einem Kreis von Gönnern, die Jahrzeiten stifteten,<br />
Schenkungen machten, Legate im Todesfall hinterließen und<br />
ihre in Inzigkofen eintretenden Verwandten mit einer ansehnlichen<br />
Mitgift versahen. Unter ihnen sind im 15. und 16.<br />
Jahrhundert etwa zu nennen die Grafen v. Werdenberg, v.<br />
Fürstenberg und v. Zollern, die Herren v. Zimmern, Patrizierfamilien<br />
aus Augsburg, Konstanz, Biberach und Ulm,<br />
eine ganze Reihe von Priestern und Niederadelsfamilien.<br />
Stellvertretend für letztere ist Michael v. Reischach hervorzuheben,<br />
der in Inzigkofen ausdrücklich der große Guttäter<br />
genannt wurde. Er stiftete nicht nur zwei Altarpfründen,<br />
sondern setzte 1467 das Sift auch als Erben ein. Insgesamt<br />
erhielten die Frauen von ihm über 11 000 fl. an Geld und<br />
Geldeswert. Michael entstammte einem recht schillernden<br />
und abenteuerlichen Verwandtenkreis: Seine Großmutter<br />
war die Königin Isabella v. Majorka, die mit einem Konrad v.<br />
Reischach eine geheime Ehe eingegangen war. Sein Vater,<br />
eben aus dieser Verbindung hervorgegangen, hatte zwei<br />
uneheliche Kinder: Die Tochter trat in Inzigkofen ein; der<br />
Sohn, nämlich eben der Inzigkofer Wohltäter Michael,<br />
stammte aus der Verbindung mit einer Saulgauer Bürgerin. Er<br />
war hintereinander Kaplan in Birnau, Chorherr zu St. Stephan<br />
in Konstanz, Pfarrer in Scheer, Kaplan in Ulm, Owingen<br />
und Inzigkofen. Hier starb er auch 1486 als Pründner.<br />
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts verfügte das Stift<br />
über Höfe in 14 Orten, nämlich Ablach, Beizkofen, Daugendorf,<br />
Egelfingen, Ennetach, Enzkofen, Erisdorf, Günzkofen,<br />
Inzigkofen, Krauchenwies, Menningen, Unlingen,<br />
Waldsteig und Wangen. Durch die Zuweisung des Hedinger<br />
Vermögens am Ende des Jahrhunderts verdoppelte sich dieser<br />
Grundbesitz nahezu. Im Jahr 1626 besaß Inzigkofen 44 Höfe<br />
mit 2366 Jauchert in 30 Orten. Davon stammten 17 Höfe aus<br />
Alt-Inzigkofer Besitz. 27 Höfe dagegen aus dem hedingischen<br />
Erbe. Außerdem bewirtschaftete das Stift in Inzigkofen<br />
selbst einen größeren Eigenbetrieb. Außer den genannten<br />
Gütern besaß es noch ein Fischwasser in der Donau, Weingüter<br />
in Sipplingen und Immenstaad sowie Zehnten in mehreren<br />
Orten. In Zell am Andelsbach gehörte ihm der Kirchensatz,<br />
und von Hedingen hatte es die inkorporierte Pfarrei Krauchenwies<br />
übernommen. Hier präsentierte von nun an die<br />
Pröpstin von Inzigkofen dem Bischof von Konstanz die<br />
einzusetzenden Pfarrer.<br />
Im 16. und 17. Jahrhundert kam das Stift überdies in den<br />
Genuß von großen finanziellen Zuwendungen, die hauptsächlich<br />
die Grafen v. Fürstenberg und die Grafen bzw.<br />
Fürsten v. Hohenzollern und ihre Verwandten machten. Aus<br />
diesem Grund verfügte das Stift über erstaunlich viel Bargeld.<br />
Für die Werdenberger, Fürstenberger und Zollern war das<br />
Chorfrauenstift ein nicht zu unterschätzender Kreditgeber:<br />
Anfang des 18. Jahrhunderts waren die Fürstenberger mit<br />
10000 fl. bei ihm verschuldet, 1738 stellten die Frauen Fürst<br />
Josef v. Hohenzollern-Sigmaringen bei seiner Hochzeit<br />
12500 fl. zur Verfügung und übernahmen für ihn die Bürgschaft<br />
für 30000 fl. Das waren für ein kleines Stift wie<br />
Inzigkofen ganz erstaunliche Beträge!<br />
Die offenbar gesunde Wirtschaftsbasis erlaubte dem Stift eine<br />
entsprechende Bautätigkeit. 1409 legte es einen neuen Kreuzgang<br />
an, in dem die Konventsangehörigen auch begraben<br />
wurden. 1435 wurde eine neuer Friedhof eingeweiht, 1449<br />
die Klostermauer errichtet. Ein Jahr später erhielt die Kirche<br />
einen neuen Chor, der in den 80er Jahren umgestaltet wurde.<br />
Gleichzeitig baute man einen Glockenturm und den kleinen<br />
Chor in der äußeren Kirche. Die Kirche erfuhr rund hundert<br />
Jahre später, nämlich 1576, Umgestaltungen am baufälligen<br />
Chor und an der sogenannten oberen Kirche. Am Ende des<br />
16. Jahrhunderts war Inzigkofen ein »gar schlechtes und<br />
enges Klösterlein«, in dem die Frauen nur unter beschwerlichen<br />
Verhältnissen wohnen konnten, wie sich die Chronik<br />
ausdrückt. Daher schritt der Konvent 1600 zu einem grundlegenden<br />
Neubau, der aus Beisteuern der drei Grafen von<br />
Hohenzollern-Sigmaringen, -Hechingen und -Haigerloch<br />
sowie aus Almosen finanziert werden sollte. Innerhalb von<br />
vier Jahren führte man einen vierstöckigen Bau auf. Als er<br />
bereits unter Dach und Fach stand, starben die zollerischen<br />
Grafen hintereinander. Damit versiegte die Geldquelle. Der<br />
Bau blieb unvollendet über 40 Jahre lang liegen, bis man die<br />
oberen Stockwerke abtrug und nur den untersten stehen ließ,<br />
der fortan als Klostermauer diente. Wenige Jahre nach dem<br />
Abbruch und nach dem Ende des 30jährigen Krieges erweiterte<br />
man zwischen 1659 und 1663 die Klostergebäude um<br />
den Kreuzgang herum und führte die Flügel des Nordwestteils<br />
neu auf. Baumeister war der bekannte Michael Beer aus<br />
Au im Bregenzer Wald. Zur selben Zeit baute Michael Beer<br />
auch eine völlig neue Klosterkirche, die 1665 geweiht wurde.<br />
Diese umfängliche Bautätigkeit legt Zeugnis dafür ab, daß<br />
sich Inzigkofen in kurzer Zeit wirtschaftlich von den verheerenden<br />
Kriegsfolgen erholt hatte. Die Kirche war angeblicherweise<br />
so unzulänglich, daß sie 1780 abermals abgebrochen<br />
und unter weitgehender Verwendung der Mauern der Vorgängerkirche<br />
von Christian Großbayer, dem bedeutenden<br />
Haigerlocher Barockbaumeister, in ihrer heutigen Erscheinungsform<br />
neu errichtet wurde.<br />
Die soziale Zusammensetzung des Inzigkofer Konvents ähnelte<br />
stark derjenigen der oberschwäbischen Frauenzisterzen,<br />
stand also nicht vereinzelt da. Das gilt auch für die<br />
geographische Herkunft der Inzigkoferinnen: Das wichtigste<br />
Einzugsgebiet war die Region zwischen oberer Donau und<br />
Bodensee. Seit dem 17. Jahrhundert, sobald die Geburtsorte<br />
der Chorfrauen notiert wurden, kamen viele Nonnen aber<br />
auch aus den österreichischen Erblanden und aus dem bayerischen<br />
Raum. Diese Ausdehnung des Einzugsgebiets auf<br />
Bayern und Österreich seit dem 17. Jahrhundert ist auch für<br />
andere oberschwäbische Frauenklöster charakteristisch. Sie<br />
läßt sich wiederum mit den engen Verbindungen dieser<br />
Landschaft mit dem Erzhaus Österreich und mit dem gestiegenen<br />
Ansehen Bayerns, vor allem durch seine Rolle im<br />
Dreißigjährigen Krieg, erklären. Außerdem müssen verwandtschaftliche<br />
Bande der Nonnen untereinander zur Erklärung<br />
herangezogen werden, die dazu führten, daß Chorfrauen<br />
ihre Verwandten nachzogen. 1394 hatte der Bischof<br />
die Höchstzahl der Chorfrauen auf 13 festgesetzt. Die Zahl<br />
der aufzunehmenden Laienschwestern war dagegen der<br />
Pröpstin überlassen. Trotzdem vermehrte sich der Konvent<br />
wesentlich über diese Höchstzahl hinaus: 1509 sollen in<br />
Inzigkofen 28 Chorfrauen und 23 Laienschwestern gelebt<br />
51
haben, 1658, also nach dem Dreißigjährigen Krieg, waren es<br />
16 Chorfrauen und sechs Laienschwestern. Bei der Aufhebung<br />
des Stifts wurden 26 Frauen und zwölf Laienschwestern<br />
pensioniert.<br />
Die leitende Position in der Stiftsgemeinschaft nahm die<br />
Pröpstin ein. Sie stand dem Stift nach innen und nach außen<br />
vor. Zusammen mit Priorin, Schaffnerin und den Ratsschwestern<br />
leitete sie die Verwaltung des Stifts. Aufgabe der Priorin<br />
waren die inneren Angelegenheiten des Konvents. Die<br />
Schaffnerin verwaltete das Vermögen, Einkünfte und Ausgaben.<br />
Die Kellerin war für Keller und Wein zuständig, die<br />
Küchenmeisterin für die Küche und die Essenzubereitung,<br />
die Gewandmeisterin für Anfertigung, Säuberung und Aufbewahrung<br />
der Kleidung, die Krankenwärterin für die Pflege<br />
der kranken Schwestern, die Büchermeisterin stand der offenbar<br />
umfangreichen Bibliothek vor. Die Novizenmeisterin<br />
unterwies die Novizen in der Oberservanz und im geistlichen<br />
Leben. Eine der bedeutendsten Novizenmeisterinnen war<br />
Paula Merend, die 1627 im Gerüche der Heiligkeit starb. Die<br />
Pförtnerin übernahm den Verkehr mit der Außenwelt und die<br />
Almosenausteilung. Inzigkofen tat sich bei der Hungersnot<br />
in den Jahren 1770 und 1771 rühmlich hervor, als es eine<br />
großangelegte Armenspeisung organisierte. Es sollen damals<br />
täglich bis zu 400 Personen um Speise und Almosen gebeten<br />
haben. Die Apothekerin leitete die seit dem 17. Jahrhundert<br />
nachweisbare, sehr gut ausgestattete Klosterapotheke, die<br />
auch die Einwohner der Orte im weiteren Umkreis versorgte.<br />
Für Kirche und Sakristei war die Küsterin verantwortlich, für<br />
die liturgischen Gesänge die Sängerin, für die liturgischen<br />
Dienste beim Chorgebet die Chorwochnerin. Alle Amter<br />
wurden gemäß den Statuten von 1643 durch Wahl besetzt.<br />
Das Chorfrauenstift unterstand der bischöflichen Jurisdiktion.<br />
Der Bischof von Konstanz beschränkte sich aber im<br />
wesentlichen auf die Bestätigung des Ordensvisitators. Seit<br />
1578 übte der Propst des Chorherrenstifts Kreuzlingen das<br />
Amt des Visitators bis 1802 aus. Seine Visitationspflichten in<br />
Inzigkofen nahm der Propst von Kreuzlingen ernst. Die<br />
Ernennung des Beichtvaters bot dem Visitator reichlich<br />
Gelegenheit, Einfluß auf das Kloster Inzigkofen zu nehmen.<br />
Der Beichtvater nahm an den Konventswahlen und an den<br />
Rechnungslegungen teil, ganz abgesehen von seinem persönlichen<br />
Einfluß, den er durch seine seelsorgerische Tätigkeit<br />
auf die Frauen ausübte.<br />
Schon 1395 hatte die Konstanzer Kurie den Konvent von<br />
Inzigkofen von der Pfarrei Laiz gelöst. 1412 hatte sie dem<br />
Konvent das Recht zugestanden, einen Beichtvater frei zu<br />
wählen und hatte die Klosterkapelle zur selbständigen Pfarrkirche<br />
erhoben. Mit Unterstützung von Gönnern stiftete<br />
Inzigkofen daraufhin eine Kaplanei auf den Hochaltar, die<br />
mit der Beichtvaterstelle verbunden wurde. Michael v.<br />
Reischach, der ehemalige Chorherr von St. Stephan in<br />
Konstanz, hatte die Kaplanei eine Zeitlang inne, bis er 1458<br />
selbst zwei Altarpfründen stiftete, nämlich eine auf den<br />
Johannes und Mauritius geweihten Hochaltar und eine auf<br />
den Allerheiligenaltar in der Klosterkirche. Einer der beiden<br />
Kapläne mußte gleichzeitig die Beichtvater- und Seelsorgedienste<br />
im Kloster übernehmen. Der andere, der sogenannte<br />
Helfer, besorgte später teilweise auch die Pastoration des<br />
Dorfes Inzigkofen.<br />
Die Inzigkoferinnen hatten 1430 die Statuten des Augustinerinnenstifts<br />
Pillenreuth übernommen. Schon vorher hatten<br />
sie auf Anraten oder auf Druck ihres Visitators die strenge<br />
Klausur eingeführt. Im Lauf der Zeit ließ die Strenge des<br />
geistlichen Lebens hier wie auch anderswo nach, die Ideale<br />
der Anfangszeit verblaßten. Die Klausurbestimmungen wurden<br />
im 16. Jahrhundert höchst nachlässig befolgt. Erst Pröpstin<br />
Amalie v. Hohenzollern-Sigmaringen bemühte sich intensiv<br />
um die Reform des Stifts in Sinne des Konzils von<br />
52<br />
Trient. Unterstützt wurde sie bezeichnenderweise vom Kastenvogt<br />
des Stifts, der gleichzeitig ihr Bruder war, dem<br />
Grafen v. Hohenzollern-Sigmaringen. 1591 erließ Amalie<br />
eine neue Klausurordnung. Indes nötigte der entschlossene<br />
Widerstand des Konvents, die Vorschriften schon nach kurzer<br />
Zeit größtenteils wieder aufzuheben. Erfolgreicher waren<br />
ihre liturgischen Reformmaßnahmen. Sie führte das römische<br />
Brevier ein und förderte die Kirchenmusik, die daraufhin<br />
einen bemerkenswerten Aufschwung nahm. Die Musik spielte<br />
fortan eine so große Rolle, daß vielfach eine gute Ausbildung<br />
in Instrumentalmusik und Gesang ausschlaggebend für<br />
die Aufnahme von Novizinnen wurde.<br />
Pröpstin Amalie resignierte 1600. Mitgespielt mögen haben<br />
ihre gescheiterten Reformversuche, aber auch die Folgen, die<br />
die Aufhebung des Dominikanerinnenklosters Hedingen für<br />
Inzigkofen hatte. Damit hatte es folgendes auf sich: Seit 1580<br />
betrieb Graf Karl II. v. Hohenzollern-Sigmaringen die Auflösung<br />
dieses geistlich und wirtschaftlich heruntergekommenen<br />
Klosters, das sich jeder Reform widersetzte. Er beabsichtigte<br />
seine Vereinigung mit Inzigkofen, dem ja seine Schwester<br />
vorstand. Nach schleppenden Verhandlungen in Rom<br />
löste eine päpstliche Kommission endlich 1595 Hedingen auf<br />
und verfügte die Überweisung fast seines gesamten Besitzes<br />
an Inzigkofen. Inzigkofen profitierte auf wirtschaftlichem<br />
Gebiet gewaltig, konnte es doch seinen Besitz nahezu verdoppeln.<br />
Allerdings mußte es auch die angefallenen Prozeßkosten<br />
von 15000 fl. tragen und die vier Hedinger Nonnen<br />
übernehmen. Die Dominikanerinnen führten in Inzigkofen<br />
ein abgesondertes Leben, integrierten sich nicht in die stiftische<br />
Gemeinschaft und nahmen nicht die Augustinerregel an.<br />
Ihr ablehnendes Verhalten belastete das Inzigkofer Konventsleben<br />
zweifellos stark.<br />
Nachdem die ersten Reformansätze gescheitert waren, vergingen<br />
noch weitere 50 Jahre, bis Inzigkofen wirklich reformiert<br />
wurde. Dies war hauptsächlich den Jesuiten zu verdanken.<br />
Die Beziehungen zum Jesuitenorden rissen von da an<br />
nicht mehr ab und vertieften sich in den 13 Jahren, die der<br />
Inzigkofer Konvent während des 30jährigen Krieges in<br />
Konstanz verbrachte. In dieser Zeit gab der Provinzial den<br />
Konstanzer Jesuiten den Auftrag, die veralteten Statuten<br />
Inzigkofens zu erneuern und damit die Reform einzuleiten.<br />
Das geschah, und 1643 bestätigte der Bischof die neuen<br />
Statuten. Inzigkofen hatte sich endgültig der Reform unterworfen.<br />
Wichtiger Bestandteil der neuen Statuten war die Wiedereinführung<br />
der strengen Klausur. Dagegen widersetzte sich nun<br />
aber Fürst Meinrad I. v. Hohenzollern-Sigmaringen heftig.<br />
Mit dem Hinweis auf seine Stellung als Kastenvogt und<br />
Landesherr verlangte er für sich und seine Familie Zugang<br />
zum Klausurbereich. Als ihm die Pröpstin diesen versagte,<br />
geriet er mit dem Bischof von Konstanz in jahrelange Auseinandersetzungen.<br />
Mit geringen Ausnahmen blieben die Statuten von 1643 bis<br />
zur Aufhebung Inzigkofens in Geltung. Doch schwächte sich<br />
die Begeisterung für die hohen Ansprüche der Reform im<br />
Alltag allmählich wieder ab, die Hochstimmung ließ sich<br />
nicht über Jahrzehnte hinweg ungebrochen aufrechterhalten.<br />
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts war wieder eine Erschlaffung<br />
eingetreten, doch wurde die Ordnung 1760 vom Visitator<br />
und vom Konstanzer Generalvikar wiederhergestellt. Ein<br />
in diesem Zusammenhang um 1756 abgefaßter, sehr kritischer<br />
Bericht einer Chorfrau an den Visitator in Kreuzlingen<br />
gibt uns wertvolle Einblicke in das innerklösterliche Leben<br />
und das menschliche Miteinander im Konvent. Wir erfahren<br />
höchst Interessantes über das Chorgebet und die privaten<br />
Gebete, den Stellenwert der Musik, die Tagesordnung und<br />
den Tagesablauf, die Verpflegung des Konvents und der<br />
Gäste, die Belustigungen der Frauen an Fasnacht und an
Nikolaus, über die verschiedenen Arbeiten, die die Frauen<br />
verrichteten, über die Kleidung, die Gesundheitspflege, die<br />
Buchlektüre und die Handhabung der Klausur. Hervorzuheben<br />
ist, daß die Inzigkoferinnen sich in der Kopierung von<br />
Handschriften hervortaten, hauptsächlich Meß- und Choralbücher,<br />
wahrscheinlich aber auch Gebetbücher abschrieben,<br />
durch deren Verkauf sie sich im 15. Jahrhundert ein Zubrot<br />
für ihren Lebensunterhalt verdienten; daß sie Lebensbeschreibungen<br />
ihrer Mitschwestern und eine Chronik ihres<br />
Stifts verfaßten, dank welcher wir über das Leben des Inzigkofer<br />
Konvents weit besser unterrichtet sind als über manche<br />
anderen Frauenklöster unseres Raumes.<br />
Der Reichsdeputationshauptschluß von 1803, ein Reichsgesetz,<br />
überwies das Stift an Hohenzollern-Sigmaringen als<br />
Entschädigung für verlorene Hoheitsrechte. Der Fürst wurde<br />
Eigentümer seines liegenden und fahrenden Besitzes und ließ<br />
HERMANN BAYER<br />
125 Jahre Betriebskrankenkasse<br />
der Fürstlich Hohenzollerischen Hüttenwerke Laucherthal<br />
Ein Beitrag zur Geschichte der Sozialversicherung in Hohenzollern<br />
1883 war das Geburtsjahr der Deutschen Sozialversicherung.<br />
Die »Kaiserliche Botschaft« von 1881 war der Auftakt und<br />
Anstoß für die Sozialgesetzgebung des Deutschen Kaiserreiches.<br />
Vor- und Leitbild für die Gesetze Bismarcks waren die<br />
bereits bestehenden 2000 Betriebs- und Fabrikkrankenkassen.<br />
Zu diesen Vorbildern gehörte auch die Betriebskrankenkasse<br />
FHH Laucherthal.<br />
Gründung der »Bruderlade«<br />
Der Gründung der Betriebskrankenkasse gingen schon Aktivitäten<br />
des Fürstenhauses voraus. Der damalige Bergverwalter<br />
Haller war darum bemüht, eine ausreichende Krankenversicherung<br />
für seine Arbeiter zu schaffen. Auf Bericht der<br />
Bergverwaltung wurden die Anordnungen für die Krankenbehandlung<br />
der »Laboranten« (Arbeiter) in einer Fürstlichen<br />
geheimen Konferenz vom 3. Mai 1833 dahin geändert, daß sie<br />
unter den für die Praxis legitimierten Ärzten freie Auswahl<br />
hatten. In einem weiteren Bericht vom 27. Januar 1835<br />
machte Haller den Vorschlag, den »Laboranten« die Beiträge<br />
zur Werkskasse zu erlassen und die Krankenkosten in Höhe<br />
von etwa 150 Gulden jährlich auf die Herrschaft zu übernehmen.<br />
Hofkammerrat Bilharz war zwar grundsätzlich für<br />
Hallers Vorschläge, regte jedoch an, die Unterstützung für<br />
die Kranken auf jährlich 100 Gulden zu begrenzen. Den Rest<br />
könnten die Arbeiter leicht selbst aufbringen. In einem über<br />
die Bergverwaltung eingereichten Gesuch vom 9. Februar<br />
1836 baten die »Laboranten« um Audienz, um dem Fürsten<br />
persönlich für den gewährten völligen Nachlaß ihrer Medizinalbeiträge<br />
zu danken. Demnach wurde dem Vorschlag<br />
Hallers voll entsprochen.<br />
Unter Bergverwalter Edele wurde im Jahre 1857 die Betriebskrankenkasse<br />
des Hüttenwerks, ursprünglich »Bruderlade«<br />
genannt, gegründet. Daneben aber gab es noch einen »Unterstützungsverein«,<br />
der Arbeitern, die alters- oder gebrechlichkeitshalber<br />
in den Ruhestand versetzt wurden, eine Unterstützung<br />
gewährte.<br />
Die »Bruderlade« ist im Zusammenhang mit der »Bruderschaft«,<br />
einer Art Betriebsgewerkschaft oder Zunft zu sehen,<br />
wie sie zu damaliger Zeit in der Hütte vorhanden war.<br />
die Fahrnisse schon 1802 versteigern. Doch durfte der Konvent<br />
sein klösterliches Leben fortsetzen, wenngleich die<br />
Neuaufnahme von Novizinnen verboten wurde, d. h. man<br />
setzte ihn auf den Aussterbeetat. Zur Bestreitung ihres<br />
Lebensunterhaltes erhielten die Schwestern Pensionen vom<br />
Fürsten.<br />
Die letzte Pröpstin M. Xaveria Braig starb 1808. Ihre Nachfolgerin<br />
war M. Ignatia Geißenhof. Sie durfte nicht mehr den<br />
Titel Pröpstin führen, sondern nur noch die Bezeichnung<br />
Vorsteherin. Ihre Nachfolgerin wurde ihre leibliche Nichte<br />
M. Maximiiiana Geißenhof. Sie war die letzte Vorsteherin<br />
Inzigkofens. Bei ihrem Tod 1852 lebten nur noch vier<br />
Stiftsmitglieder. Die letzte Laienschwester starb 1855, die<br />
letzte Chorfrau 1856. Nach ihrem Tod löschte der Kurat in<br />
Laiz das Ewige Licht in Inzigkofen und trug das Allerheiligste<br />
nach Laiz. Damit hatte das Chorfrauenstift Inzigkofen<br />
sowohl faktisch als auch symbolisch sein Ende erreicht.<br />
Praktizierte Selbstverwaltung<br />
Bei beiden Vereinigungen wurde bereits die Selbstverwaltung<br />
praktiziert. Der jeweilige Bergverwalter war Vorstand, dem<br />
ein von den Mitgliedern gewählter vierköpfiger Ausschuß zur<br />
Seite stand. Bei den Ausschußmitgliedern finden wir Namen,<br />
die auch heute noch bekannt sind und Ansehen haben: Behr,<br />
Gelle, Haas, Häberle, Hammerund Rebholz. Das Protokollbuch<br />
geht zurück bis ins Jahr 1875. Wie in den fein säuberlich<br />
geschriebenen Protokollen nachzulesen ist, wurde die Verwaltung<br />
sehr ernst genommen. Da wurde zum Beispiel<br />
entschieden, daß »ein Eisbeutel nicht unter diejenigen Gegenstände<br />
zu zählen ist, welche nach den Statuten dem Verein<br />
zur Bestreitung obliegt«. An anderer Stelle findet man die<br />
Entscheidung, daß »Wein und Thee, als Arzneimittel, die<br />
zugleich Genußmittel sind, nicht aus der Casse zu bestreiten<br />
sind«. Ein Beispiel aus dem Unterstützungsverein, wo die<br />
Ablehnung einer Unterstützung wie folgt umschrieben wurde:<br />
»Nun kann der unterzeichnete Ausschuß in keiner Weise<br />
die Ansicht gewinnen, daß das Alter oder die Gebrechlichkeit<br />
des Kohlmessers X Anspruch auf die statuarische Unterstützung<br />
rechtfertigen. Im Gegenteil ist der unterzeichnete Ausschuß<br />
der Ansicht, das Kohlmesser X unter den Umständen,<br />
wie derselbe thätig war, auf eine Reihe von Jahren sehr wohl<br />
arbeitsfähig wäre und wäre es leichtsinnig, wenn man die<br />
geringen Mittel der Unterstützungskasse an Unberechtigte<br />
verwendete.«<br />
Die Betriebskrankenkasse<br />
Kurz vor der gesetzlichen Regelung der Krankenversicherungen<br />
wurden die Bruderlade und der Unterstützungsverein<br />
zusammengelegt und als gewerbliche Unterstützungskasse<br />
weitergeführt. In einer Sitzung am 31. August 1884 beschloß<br />
der Vorstand, die Statuten der Unterstützungskasse gemäß<br />
Reichsgesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter<br />
vom 15. Juni 1883 entsprechend abzuändern und sie als<br />
»Betriebskrankenkasse« zu begründen. Daß es der neuen<br />
Kasse finanziell ganz gut ging, geht aus folgender Notiz<br />
hervor. Unter dem 29. Mai 1896 machte das Königl. Preuß.<br />
Oberamt in Sigmaringen den Vorsitzenden des Vorstands<br />
53
darauf aufmerksam, daß der Reservefonds der Kasse das<br />
Doppelte des gesetzlichen Mindestbetrages überschritten habe<br />
und deswegen von der Generalversammlung eine Ermäßigung<br />
der Beiräge oder eine Erhöhung bzw. Erweiterung der<br />
Kassenleitungen zu beschließen sei. Die Aufforderung wurde<br />
im Jahre 1898 mit Nachdruck wiederholt. In der Dehner-<br />
'schen Festschrift zum 200jährigen Bestehen der Hütte heißt<br />
es: Nach den heutigen Bestimmungen (1908) zahlen die<br />
Arbeiter 2% ihres Verdienstes als Beitrag in dieselbe. In<br />
Krankheitsfällen erhalten die kranken Mitglieder die Hälfte<br />
ihres Tagesverdienstes, wenn derselbe 5 Mark nicht übersteigt,<br />
sowie freie ärztliche Behandlung und freie Medikamente.<br />
Eltern oder andere Angehörige, welche auf den<br />
Arbeitserwerb des Mitglieds ganz oder größtenteils angewiesen<br />
sind, sowie nicht erwerbsfähige Kinder erhalten freie<br />
ärztliche Behandlung.<br />
Die schwierigen Zeiten des Ersten Weltkrieges, der Inflation<br />
und der Arbeitslosigkeit hat die Betriebskasse ohne besondere<br />
Vorkommnisse überstanden.<br />
Gefahr der Auflösung<br />
Erst im Jahre 1934 drohte Gefahr von außen. Der Vorstandsvorsitzende,<br />
Direktor Dr. Gossmann, teilte in einer Sitzung<br />
des Vorstandes und Ausschusses mit, daß Kreisleiter Maier<br />
mit Herren der zuständigen Stellen ihn zu einer Besprechung<br />
wegen Vereinigung der BKK mit den Ortskrankenkassen<br />
Krauchenwies und Sigmaringen besucht habe. Die Herren<br />
äußerten sich dabei, daß eine Gleichheit in der Sozialversicherung<br />
zu erstreben sei, damit Rechte und Pflichten der Versicherten<br />
und auch die wirtschaftliche Lage der Versicherungsträger<br />
im Sinne des nationalsozialistischen Staates möglichst<br />
gleichgeschaltet werden.<br />
Eine Entscheidung aber wurde nicht gefällt. Man ließ es auf<br />
eine gesetzliche Regelung ankommen, die aber durch den<br />
Zweiten Weltkrieg verhindert wurde. Dafür wurde die Verwaltungskraft<br />
der inzwischen größer gewordenen BKK gestärkt.<br />
Die Schatulle mit der Buchführung und den Geldmitteln<br />
im Kassenschrank des Hüttenkassierers hatte ausgedient.<br />
Die Krankenkasse bekam einen eigenen Kassenschrank. Der<br />
Angestellte Paul Gelle, der unter dem Hüttenkassierer die<br />
BKK nebenbei verwaltete, wurde zum Geschäftsführer<br />
berufen. Von Anfang an widmete er sich tatkräftig seiner<br />
neuen Aufgabe, obwohl er weiterhin für die Buchhaltung<br />
tätig sein mußte. Mit nur einem Mitarbeiter bewältigte er<br />
auch während des Krieges bis zu 2500 Versicherte; davon<br />
waren sehr viele Ausländer.<br />
Nicht weniger schwierig war die Nachkriegszeit. Einem<br />
Protokoll über die Kriegsereignisse ist u.a. zu entnehmen:<br />
22. 4. 1945 vorübergehende Stillegung des Betriebes und<br />
damit auch der Kassengeschäfte der BKK<br />
21. 6. 1945 Anweisung der Französischen Militärregierung<br />
und des Versicherungsamtes Sigmaringen, die<br />
Tätigkeit der Kasse wieder aufzunehmen<br />
1. 7. 1945 Wiederaufnahme der Kassengeschäfte in der<br />
Wohnung des bisherigen Geschäftsführers<br />
25. 7. 1945 Feststellung eines Diebstahles von 4247 RM<br />
Bargeld aus dem Panzerschrank im ehemaligen<br />
Geschäftslokal.<br />
Am 31. August 1945 hatte die Kasse nur noch 438 Versicherte.<br />
Mit Schreiben vom 1. April 1946 konnte dem Versicherungsamt<br />
Sigmaringen die Bestellung eines vorläufigen Ausschusses<br />
gemeldet werden. Er bestand aus vier Versichertenvertretern.<br />
Aufgrund einer Verordnung der französischen Militärregierung<br />
wurden im französischen Besatzungsgebiet die Betriebs-,<br />
Innungs- und Ersatzkassen aufgelöst. Ab 1. Juni 1946<br />
mußte daher auch die BKK Laucherthal in die AOK Sigmaringen<br />
eingegliedert werden. Das gesamte Vermögen der<br />
54<br />
Kasse mußte an die AOK abgeliefert werden. Fräulein Breitling,<br />
die damalige Landesgeschäftsführerin des Verbandes in<br />
Stuttgart, hatte zu Protesten aufgerufen. Auch von Laucherthal<br />
aus ging ein Protesttelegramm an den Chef der französischen<br />
Militärregierung, General Koenig, das böse Folgen<br />
hatte. Die Herren Wiedenhoff und Gelle, die das »verbrochen«<br />
hatten, wurden zur französischen Militärregierung<br />
nach Tübingen zitiert und dort eindringlich gewarnt, solche<br />
Dinge in Zukunft zu unterlassen.<br />
Neuer Anfang<br />
Nach einer Unterbrechung von über drei Jahren konnte die<br />
BKK ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Die Verordnung der<br />
französischen Militärregierung wurde aufgehoben, nachdem<br />
der Landtag von Württemberg-Hohenzollern in Tübingen<br />
ein entsprechendes Gesetz in Kraft gesetzt hatte. Nachdem<br />
sich die Belegschaft anläßlich einer Umfrage eindeutig für die<br />
Wiedererrichtung der BKK ausgesprochen hatte, zögerte die<br />
Direktion der FHH nicht und nahm in Verbindung mit dem<br />
Betriebsrat die Vorarbeiten auf, vom frühestmöglichen Zeitpunkt<br />
(1. Oktober 1949) an die BKK wieder zu errichten.<br />
Einige Jahre später wurde die Belegschaft der Elektrozentrale<br />
Sigmaringen in die Kasse aufgenommen.<br />
Dem früheren Geschäftsführer der Kasse, Paul Gelle, der<br />
über ein Jahrzehnt in vorbildlicher Weise die BKK leitete,<br />
wurde seit Aufhebung der Kasse ein anderes Arbeitsgebiet<br />
zugeteilt. Geschäftsführer wurde sein früherer Gehilfe, Hermann<br />
Bayer, der bei Prokurist Beiter Steuer- und Versicherungsangelegenheiten<br />
bearbeitete. Von dort aus leitete er die<br />
BKK, welche von dem Sachbearbeiter und stellvertretenden<br />
Geschäftsführer, Hermann Boos, verwaltet wurde. Infolge<br />
innerbetrieblicher Umbesetzungen im Jahre 1964 wurde<br />
Hermann Boos in das Lohnbüro versetzt. Hermann Bayer,<br />
der inzwischen durch die Ablegung von Fachprüfungen<br />
seinen Befähigungsnachweis erbracht hatte, übernahm nun<br />
selbst die BKK.<br />
Bereits 1951 war die Unterstützungskasse e. V. gegründet<br />
worden, die hauptsächlich die Gewährung von Werksrenten<br />
zur Aufgabe hat. Geschäftsführer und später stellvertretender<br />
Vorstand wurde ebenfalls Hermann Bayer. Schon vorher<br />
bestand eine enge Verbindung zu dieser Sozialeinrichtung.<br />
Die von der Hütte gewährten Unterstützungen wurden<br />
immer schon bei der BKK bearbeitet und ausbezahlt. Die<br />
ältesten Werksrenten gehen zurück auf das Jahr 1924. Über<br />
eine ähnliche Einrichtung zwischen der Aufhebung der gewerblichen<br />
Unterstützungskasse (1884) und dem Jahre 1923<br />
ist nichts bekannt.<br />
Heute ist die Unterstützungskasse neben der Betriebskrankenkasse<br />
der zweite Pfeiler der betrieblichen Sozialeinrichtungen.<br />
Die Neuregelung der Werksrenten 1958 bestätigt die<br />
vorteilhafte Verflechtung von BKK und UK. »Allgemeine<br />
Bemessungsgrundlage« und »Persönliche Bemessungsgrundlage«,<br />
Begriffe der gesetzlichen Rentenversicherung, finden<br />
sich als Faktoren bei der Berechnung der Werksrente.<br />
Die Neuregelung von 1958 konnte allerdings nicht weitergeführt<br />
werden. Die Dynamisierung der Werksrenten war nicht<br />
durchzuhalten. Die wirtschaftliche Entwicklung des Träger-<br />
Unternehmens war ein Grund, aber auch das gut gemeinte,<br />
doch in der Praxis so schlecht angekommene Betriebsrentengesetz<br />
tat ein übriges, daß 1979 eine Reform der Betriebsrentenregelung<br />
vorgenommen werden mußte.<br />
In der Gegenwart<br />
Die Betriebskrankenkasse hat heute 2200 Mitglieder, davon<br />
700 Rentner. Der allgemeine Beitragssatz beträgt 10 % (AOK<br />
Sigmaringen 12,4%). In der Differenz liegen natürlich die
persönlichen Verwaltungskosten, die das Unternehmen bezahlen<br />
muß; entscheidend für die gute Finanzkraft der Kasse<br />
ist die überdurchschnittlich hohe Grundlohnsumme.<br />
Ohne den Ausgleich in der Krankenversicherung der Rentner<br />
stünde es bei dem hohen Rentneranteil um die Kasse sicherlich<br />
auch nicht so gut. Hinzu kommt ein niedriger Verwaltungsaufwand,<br />
so daß wir ein leistungstüchtiger Versicherungsträger<br />
sind.<br />
Alle Beteiligten, insbesondere die Versicherten, anerkennen<br />
die Laucherthaler Kasse. Ein Beweis hierfür ist auch, daß eine<br />
ganze Reihe bei der Hütte ausgeschiedener Angestellter sich<br />
seit Jahrzenten bei unserer Kasse weiterversichern. Sicherlich<br />
nicht nur, weil sie uns die Treue halten wollen.<br />
Seit einigen Jahren arbeiten wir mit dem Werksarzt zusammen.<br />
Er schätzt die Hilfestellung, welche wir ihm geben<br />
können, respektiert aber auch die Grenzen, die vom Gesetz<br />
her eingehalten werden müssen. Gleiches gilt seit eh und je in<br />
bezug auf die Zusammenarbeit mit dem Personalbüro sowie<br />
dem Betriebsrat.<br />
Die Betriebskrankenkasse Laucherthal tritt nicht mit großen<br />
Aktionen in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Auch im<br />
Betrieb verhält sie sich eher zurückhaltend.<br />
»Öffentlichkeitsarbeit« macht der Geschäftsführer auf seine<br />
Art mit ehrenamtlicher Tätigkeit im kommunalen und sozialen<br />
Bereich, in Vergangenheit und Gegenwart. Als einzige<br />
BKK im Kreis Sigmaringen ist sie auf sich selbst gestellt; sie<br />
arbeitet gut mit der bezirklichen Arbeitsgemeinschaft in<br />
WALTER BLEICHER<br />
Weingarten zusammen. Auch hat sie ein gutes Verhältnis zur<br />
AOK Sigmaringen.<br />
150 Jahre fürstliche Fürsorge aus christlicher Grundhaltung,<br />
150 Jahre betriebliche Kranken-, Alters- und Hinterbliebenenversorgung,<br />
125 Jahre Betriebskrankenkasse ist Anlaß<br />
zum Feiern, aber auch Gelegenheit, Dank zu sagen. Dank in<br />
erster Linie dem Fürstenhaus, Dank an die Bergverwalter,<br />
Hüttendirektoren bis hin zur heutigen Unternehmensleitung,<br />
Dank an die Arbeitnehmer-Vertreter, von der Bruderschaft<br />
des Jahres 1857 bis zum heutigen Betriebsrat, Dank an<br />
die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane, welche die Last<br />
der Verantwortung zu allen Zeiten mitgetragen haben.<br />
Wie geht es weiter?<br />
Für den heutigen Gesetzgeber sind wir mit 2200 Mitgliedern<br />
natürlich kein »Vorbild« mehr. Dabei tritt jedoch immer<br />
mehr zutage, daß kleine, überschaubare Einrichtungen viel<br />
besser zu verwalten sind als große Gebilde.<br />
Abschließend möchte ich noch einmal den Hofkammerrat<br />
Bilharz zitieren, der mit den Worten der damaligen Zeit<br />
geschrieben hat: »Es unterliegt keinem Anstände, daß keine<br />
Wohltat größer erscheinen kann als jene, welche man der<br />
durch unverschuldete Krankheit gebeugten und leidenden<br />
Menschheit erweist.« Und übersetzt in die Sprache von<br />
heute: »Es ist eine schöne Aufgabe, kranken Menschen zu<br />
helfen«, auch für einen Betrieb. Dies gelingt vorzüglich mit<br />
einer eigenen Krankenkasse - einer Betriebskrankenkasse. In<br />
diesem Sinne »Glück auf für die Zukunft!«<br />
Die Burgen derer von Hornstein und Hertenstein in unserer Gegend (Schluß)<br />
Von seinem Vater Hans erbte Lux von Hornstein (-1482)<br />
Heudorf, Uigendorf, Dietelhofen, Betzenweiler und einen<br />
Teil der Burg Hornstein. Da er minderjährig war, empfing<br />
sein Pfleger für ihn die württembergischen Lehen. 1454, dem<br />
Jahr seiner Heirat Meja, der Tochter des Wolf Speth, kaufte<br />
er Göffingen (s.d.). Seine Tochter Magdalena und deren<br />
Gemahl Berchtold von Stein zu Ronsberg (i. bayr. Allgäu)<br />
verkauften 1471 Schloß und Gut zu Heudorf an Hans von<br />
Stotzingen zu Rißtissen. Die Reichsfreiherren von Stotzingen<br />
saßen nun bis zum Verkauf der Herrschaft im Jahre 1790 an<br />
den Fürsten von Thurn & Taxis in Heudorf, das 1806 unter<br />
württembergische Hoheit kam.<br />
Die Burg Göffingenwar zunächst im Besitz des Ortsadels, der<br />
stammesverwandt mit den Rittern von Hornstein gewesen<br />
sein soll. Schon im Jahre 1310 sollen Hans und Walter von<br />
Hornstein die Burg je zur Hälfte besessen haben. Nach dem<br />
Tod Walters war Hans von Horstein (1345-13 75) Alleininhaber.<br />
Das Burggesäß auf dem Bussen, das mit Göffingen<br />
verbunden war, verkaufte er 1375 mit anderen Gütern an die<br />
Kinder des Berthold von Stein zu Klingenstein. Göffingen<br />
blieb zunächst im Besitz des Burkhard und des Benz von<br />
Hornstein (Söhne des Hans).<br />
Letzterer scheint durch seine Heirat in den Besitz der hinteren<br />
Burg Stoffeln gelangt zu sein. Mit ihnen erlosch die Alt-<br />
Göffinger Linie der Hornstein. Die Burg kam in den Besitz<br />
derer von Stein. 1454 verkaufte Konrad von Stein die Herrschaft<br />
Göffingen an Lux von Hornstein zu Heudorf (-1462).<br />
Als einziges Kind erbte die mit Berchtold von Stein zu<br />
Ronsberg vermählte Tochter Magdalena die Güter (vgl.<br />
Heudorf). Ihr Gemahl verkaufte im Jahre 1472 Göffingen an<br />
Konrad von Stein zu Uttenweiler, dessen Söhne es mit dem<br />
Burgstall auf dem Bussen, 1476 an Brun von Hornstein zu<br />
Hertenstein (-1506), den Inhaber von Grüningen verkauften,<br />
der sich nun in Göffingen ansäßig machte, während sein<br />
Bruder Grüningen behielt.<br />
Sein Sohn Jos I. von Hornstein gen. Hertenstein (-1549)<br />
wurde nach Auslösung seiner Brüder Alleinherr von Göffingen,<br />
das er aber schon 1509 seiner Gemahlin Dorothea von<br />
Stuben und den Töchtern übergab. Für sich behielt er nur das<br />
österreichische Lehen Bussen. Als seine Gemahlin im Jahre<br />
1538 starb, ging Göffingen wieder auf ihn über. Nach seinem<br />
Tode hatten von 1549-1556 die Söhrig Jos II. und Jakob die<br />
Herrschaft gemeinsam inne. Nach dem Tod Jos II. (1556)<br />
übernahm, neben dem Bruder ihrer Mutter, Jakob die Vormundschaft<br />
über die hinterlassenen noch unmündigen 2<br />
Söhne und drei Töchter.<br />
Der Sohn Christoph Hermann von Hornstein zu Göffingen<br />
(-1625) erbte 1582 nach dem Tod seines früheren Vormunds,<br />
der ledig starb, dessen Anteil und war nun Alleinherr von<br />
Göffingen. Die Nachfrage trat der älteste Sohn Jos //¿.von<br />
Hornstein an (-1645), die dann von dessen Sohn Adam<br />
Bernhard von Hornstein fortgesetzt wurde (-1722). 1693<br />
erwarb er die Stammburg Hornstein mit Bittelschieß und<br />
Bingen (s. d.).<br />
Nach seinem Tod erbte Franz Marquard »von und zu<br />
Hornstein auf Göffingen, Bingen, Bussen, Bittelschieß und<br />
Vogelsang« (-1740) als einziger Sohn den Besitz, der nach<br />
seinem Tod an den Sohn Marquard Eustach (1806) überging<br />
(vgl. Hornstein). Dessen Sohn Bernhard bekam noch zu<br />
55
Lebzeiten des Vaters im Jahre 1786 Göffingen übertragen.<br />
Sein Vater verkaufte jedoch im Jahre 1790 u. a. auch Göffingen<br />
an den Fürsten Karl Anselm von Turn & Taxis. Bernhard<br />
erwarb Schloß und Gut Bertolsheim in Bayern, wohin er<br />
noch im selben Jahr mit seiner Familie zog. Er wurde der<br />
Begründer der Linie Bußmannshausen. Sein Bruder der<br />
Begründer der Linie Wackerstein. - 1806 kam Göffingen<br />
unter württembergische Hoheit, 1812 wurde das Schloß<br />
abgetragen.<br />
Die Burg Schatzberg, auf einem Felsensporn südöstlich Egelfingens,<br />
hatte in ältesten Zeiten einen eigenen Adel, Ob<br />
Konrad von Schatzberg (1274), ein Lehensmann des Grafen<br />
Hartmann von Grüningen, schon ein Hornsteiner war, ist<br />
ungewiß. Er war auch in Beizkofen begütert. Seine Witwe<br />
Elisabeth resignierte die Eigenschaft eines dortigen Gutes in<br />
die Hand des Grafen Hartmann von Grüningen, der es 1274<br />
dem Kloster Salem übergab. - Die Burg Schatzberg kam von<br />
ihm an Graf Hugo von Montfort-Tettnang, den Inhaber der<br />
Herrschaft Scheer, der sie mit dieser Herrschaft zwischen<br />
1287 und 1291 an die Habsburger verkaufte. Von ihnen war<br />
Johannes I. von Hornstein mit der Burghut betraut nahm aber<br />
bald darauf die Burg als Lehen in Anspruch.<br />
Sein Sohn Heinrich von Wilflingen gen. von Hornstein saß auf<br />
der Burg Wilflingen und besaß wahrscheinlich auch Schatzberg.<br />
Auch dessen Sohn Hans II. von Hornstein saß noch zu<br />
Wilflingen, während sich sein Sohn Hans III. von Hornstein<br />
»zu Schatzberg und Wilflingen« schrieb. 1410 verkauften er<br />
und seine Söhne Heinrich und Hans an Stefan von Gundelfingen<br />
ihre beiden Höfe zu Neufra. Aus Hans III. folgte der<br />
Sohn Hans IV., der neben den Stammgütern Schatzberg und<br />
Wilflingen u. a. von Herzog Friedrich von Österreich, dessen<br />
Hauptmann er war, 1434 die Pfandherrschaft Hohenberg<br />
erhielt.<br />
1435 verkaufte er sein Dorf Emerfeld an das Stift Buchau,<br />
1438 die Burg und Dörfer Groß- und Klein-Wilflingen, gen.<br />
Enhofen, und den Weiher zu Enslingen an den württembergischen<br />
Landhofmeister Hans, Truchseß von Bischishausen.<br />
Dieser erwarb von Konrad von Hornstein, dem Sohn des<br />
Hänsli von Grüningen, im Jahre 1440 auch die »Wyden«,<br />
Leute und Gut, die Lehenschaft und das Vogtrecht der<br />
Kirchen zu Wilflingen, dem Dorf, bei der Burg gelegen. Jos<br />
von Hornstein (-1485), der Sohn Hans IV., der als Erbe der<br />
Pfandschaft Hohenberg auf der Burg Hohenberg residierte,<br />
besaß die Feste Schatzberg mit Egelfingen und Güter zu<br />
Langenenslingen. 1454 verkaufte er Schatzberg an seinen<br />
Vetter Konrad von Hornstein zu Grüningen. Die Burg war<br />
damals bereits zerstört. Uber dessen Tochter kam das Burgstall<br />
an Georg I von Hornstein gen. von Hertenstein zu<br />
Grüningen, der es aber sofort (1487) mit Zubehör an den<br />
Sigmaringer Vogt Hans von Mulfingen verkaufte. 1538<br />
erwarb Sebastian Schenk von Stauffenberg zu Wilflingen den<br />
Besitz, der nun in den Händen dieser Familie blieb.<br />
Die Burg Asenheim, an die noch der Flurname »Burgstall«<br />
erinnert, stand nördlich von Unlingen. Der gleichnamige<br />
abgegangene Ort war alaholfingischer Besitz, der 805 und 824<br />
an das Kloster St. Gallen ging und 973 von »Herzog Bertold«<br />
an das Kloster Reichenau geschenkt wurde. 1246 trugen<br />
Swiger d. Ä. von Gundelfingen und seine Söhne ihren Besitz<br />
in Asenheim dem Abt von Reichenau als Lehen auf. Als<br />
Erbauer der mit einem Graben umgebenen Wasserburg gilt<br />
der im Jahre 1298 genannte Bertold von Stein zu »Ensheim«.<br />
Seine Tochter vermählte sich mit Johannes von Hornstein,<br />
dem Bruder Mangolds der auf der Burg Veringen saß.<br />
Johannes hatte die Töchter Ursula und Anna, denen ihr<br />
Großvater im Jahre 1314 das Gut Asenheim vermachte, daß<br />
er als Lehen des Klosters Zwiefalten innehatte. Als nächster<br />
Inhaber ist Manz von Hornsteingenannt, der mit einer von<br />
Asenheim vermählt war. Er erhielt im Jahre 1321 von der<br />
56<br />
Vorsteherin des Frauenklosters Zwiefalten das von Swiger<br />
von Gundelfingen ihrem Kloster geschenkte Gut Asenheim<br />
zu Lehen und stellte 1322 hierüber den Revers aus. Konrad<br />
von Hornstein (-1410), vermutlich der Sohn, der mit Elisabeth,<br />
der Schwester des Zwiefalter Abts Anselm von Ehrenfels<br />
vermählt war, saß zunächst noch mit Manz von Hornstein<br />
der 1368 letztmals als Zeuge erwähnt wird, auf Asenheim.<br />
1410 war die Burg im Besitz Ludwig von Aderzhofen,<br />
der mit Anna von Hornstein auf der unteren Burg in Grüningen<br />
wohnte. Sie wollten zunächst Asenheim an das Kloster<br />
Zwiefalten verkaufen (1424), verpfändeten es aber 1425 an<br />
das Kloster und gaben es 1429 der Bauernschaft von Unlingen<br />
zu kaufen, die schon 1426 von Bernhard von Gundelfingen<br />
den Asenheimer Wald, den dieser von Ludwig von Aderzhofen<br />
erworben hatte, in ihren Besitz brachte.<br />
Die Burg Pflummern, am oberen Ende des Dorfes war von<br />
dem seit 1183 nachgewiesenen Ortsadel, den wir später in<br />
Kanzach, Seekirch und dann in Biberach antreffen, an die<br />
Veringer übergegangen. 1302 übergab sie Graf Mangold von<br />
Nellenburg mit weiteren Gütern an das Kloster Reichenau.<br />
Der Ritter H. Fleck verkaufte im Jahre 1311 seinen Besitz an<br />
Erisdorf, um die Burg Pflummern dem Grafen Wolfrad von<br />
Veringen bezahlen zu können (Dieser Besitz in Erisdorf<br />
wurde von den Veringern dem Johann von Hornstein übertragen).<br />
Ein Hermann von Hornstein vermachte im Jahr 1331<br />
seinen Besitz in Pflummern dem Hans von Hornstein<br />
(-1353). Bei diesem handelt es sich vermutlich um den o.a.<br />
»Johann« von Hornstein, der sich in der Folgezeit »von<br />
Pflummern« nannte. Den Besitz in Erisdorf verkaufte er an<br />
Heinrich von Reischach. In Pflummern saß neben Hans von<br />
Hornstein auch Konrad von Pflummern.<br />
Ungeklärt ist, vpn wem die von Jungingen den Zehnten zu<br />
Pflummern erhielten, den sie 1346 an Heinrich von<br />
Reischach, dem Bruder des Sigmaringer Vogts Eck von<br />
Reischach, verkauften. 7/8 dieses Zehnten kam 1380 durch<br />
Heinrichs Tochter Adelheid von Freiberg an das Kloster<br />
Heiligkreuztal. Im Verlaufe des Städtkrieges wurde im Jahre<br />
1350 die Burg Pflummern samt dem Dorf niedergebrannt.<br />
1369 besaßen Wilhelm und Wolf von Magenbuch das Achtel<br />
des Zehnten zu Pflummern als württembergisches Lehen, das<br />
Adelheid von Freiberg bereits 1361 verkauft hatte. Die Agnes<br />
von Magenbuch war mit einem von Hornstein vermählt. Da<br />
ihr Sohn Ludwig von Hornstein, der sich mit einer Fr. von<br />
Sulz vermählte, vermutlich von Pflummern wegzog, kam der<br />
hornsteinische Anteil von Pflummern an die Magenbuch. Die<br />
Burg (Ruine) war noch immer im Besitz des Heinrich von<br />
Pflummern (vermutlich Sohn Konrads), der sie 1370 nach<br />
seiner Rückkehr von einem 20jährigen Italienaufenthalt,<br />
verkaufte. Er selbst zog mit seiner Familie nach Biberach, wo<br />
er im Jahre 1402 starb. Der Aufenthalt derer von Magenbuch<br />
in Pflummern dauerte nicht lange. Schon 1416 saß dort Georg<br />
(Gery) Truchseß von Ringingen. Ab 1438 besaß der württembergische<br />
Landhofmeister Hans Truchseß von Bischishausen<br />
Pflummern und Wilflingen. Die Hälfte an Gericht,<br />
Zwing und Bann, Steuern usw. kam in den Besitz des Hans<br />
Kern zu Veringen, von diesem an den Sigmaringer Vogt Jörg<br />
Denehard, der sie 1452 an Heinrich Boß, und Bernhard Boß,<br />
den Inhabern des unteren Schlosses von Grüningen verkaufte<br />
(Bernhard war mit Anna von Hornstein, der Tochter Hans<br />
IV. von Hornstein zu Schatzberg und Wilflingen vermählt).<br />
Als Truchseß Hans von Bischishausen im Jahre 1461 seinen<br />
Besitz teilte, erhielten die Töchter Barbara und Lucya Wilflinen<br />
und Pflummern. Barbara heiratete in diesem Jahr den<br />
Schenken Werner von Stauffenberg, der noch im selben Jahr<br />
anstatt des Heinrich Boß dessen Grüninger Besitz an Brun<br />
III. von Hertenstein verkaufte.<br />
Lucia, die Pflummern erhalten hatte, war mit Konrad von<br />
Werdnau, ihre Schwester Udal mit Dietrich Speth von Sulz-
erg vermählt. 1486 verkaufte Lucia als Witwe Burg und<br />
Dorf Pflummern an den württembergischen Hofmeister<br />
Dietrich Speth von Neidlingen; auf ihn folgte Sebastian<br />
Speth, dann dessen Sohn Jörg Dietrich. Nach seinem Tod fiel<br />
das Dorf von ihm im Jahre 1565 an Kaspar von Karpfen, der<br />
mit seiner Schwester Magdalena verheiratet war. Von den<br />
sieben Erbtöchtern Kaspars kaufte in den Jahren 1605 und<br />
1606 Württemberg das Dorf.<br />
WOLFGANG IRTENKAUF<br />
Quellen:<br />
»Die von Hornstein und von Hertenstein« v. Edward v. Hornstein;<br />
»Die Burgen Württembergs« v. Schönhut; »Schwab. Kunde« v. W.<br />
Bleicher; Kindler-Knobloch (Stammtafeln) »Der Ursprung des Hauses<br />
Württemberg« v. Krüger<br />
Wilhelm Werner von Zimmern und seine literarische Hinterlassenschaft<br />
Wilhelm Werner von Zimmern, Herr auf Herrenzimmern,<br />
wurde einst als mutmaßlicher Verfasser der weltbekannten<br />
Zimmerischen Chronik geführt, bis man inzwischen seinen<br />
Neffen Christoph Froben von Zimmern als den »Richtigen«<br />
erkannte. Das schmälert den Ruhm des Onkels keineswegs,<br />
denn er war Verfasser einer fünfbändigen Bischofschronik<br />
des Erzbistums Mainz. Diese nimmt in der Geschichtsschreibung<br />
des 16. Jahrhunderts einen hohen Rang ein, zumal der<br />
geographische Begriff Mainz eigentlich irreführend ist. Es<br />
handelt sich vielmehr um eine verkappte Kirchengeschichtsschreibung<br />
Deutschlands, eine »Germania sacra«. Mainz ist<br />
hier als geistlicher Zentralsitz des deutschen Katholizismus<br />
von den Anfängen der Christianisierung bis zur Mitte des<br />
16. Jahrhunderts zu betrachten. Wir wollen hier vor allem<br />
den Spuren dieses nur handschriftlich überlieferten, also<br />
niemals gedruckten Werkes nachgehen.<br />
Der Verfasser: Wilhelm Werner von Zimmern<br />
Unser Wilhelm Werner von Zimmern hat seinen ungebrochenen<br />
Ruf in der Geschichtsschreibung seiner Zeit gehabt. Aber<br />
auch persönlich muß er ein überragender Mensch gewesen<br />
sein. Gerühmt werden eine ganze Menge von guten Eigenschaften<br />
1 : Redliche Dienstfertigkeit, hohes, fast pedantisches<br />
Pflichtgefühl, ausgeprägter Rechtssinn, solide, ausgedehnte<br />
Kenntnisse und wahrhafte, durch die Reformation nicht<br />
beeinträchtigte Frömmigkeit.<br />
Neunzig Jahre alt ist dieser bewundernswerte Mann geworden.<br />
Am 6. Januar 1485 zu Meßkirch geboren, wurde er als<br />
Heranwachsender am Hofe von Herzog Ulrich von Württemberg<br />
in Stuttgart erzogen, studierte an den Universitäten<br />
Tübingen und Freiburg zunächst auf eine geistliche Laufbahn<br />
hin, die ihm aber versagt blieb, worauf er sich ganz der<br />
Juristerei verschrieb. So konnte er im Jahre 1510 Hofrichter<br />
in Rottweil werden. Er war damals 25 Jahre alt.<br />
In den nun folgenden Jahren erwarb er das Schloß Herrenzimmern<br />
nahe seiner neuen Wirkungsstätte, dessen Renovierung<br />
bzw. Umbau Jahrzehnte in Beschlag nahmen. 19 Jahre<br />
später-wir schreiben jetzt 1529-zog er als Richter an das mit<br />
vielfältigen Aufgaben bedachte Kammergericht nach Speyer,<br />
wo er bis zum Eintritt in den Ruhestand 1554 mit einigen<br />
Unterbrechungen verblieb.<br />
Dort fand Wilhelm Werner Muße und Gelegenheit, seinen<br />
geschichtlichen Studien und damit seinem Hobby nachzugehen.<br />
In zwölf Jahren, von 1538-1550, schrieb er die schon<br />
erwähnte Chronik der Bistümer Deutschlands, die Bischofschronik.<br />
Nach ihrem Abschluß ließ die Schaffenskraft des<br />
Autors langsam nach, weshalb wir nur noch Kenntnis von<br />
einer Art Geschichte des Speyrer Kammergerichts (1553) und<br />
einer Arbeit über die Feierlichkeiten der deutschen Kaiser<br />
und Könige (1558) haben. Jetzt, in den fast drei Jahrzehnten<br />
seines Lebensabends, hatte Wilhelm Werner Gelegenheit, auf<br />
Herrenzimmern die langsame Fertigstellung der Chronik<br />
seines Neffens zu beobachten, sich seinen Büchern zu widmen<br />
und mit Gelehrten vielfältigen Umgang zu pflegen. Er,<br />
Wilhelm Werner, war das Gegenteil seines Bruders Gottfried<br />
Werner, der auf Schloß Wildenstein oberhalb von Beuron<br />
mutwillig die alten Urkunden und Schriften zerstörte. Das<br />
mußte in den Augen des Schloßherrn von Herrenzimmern als<br />
ein Angriff auf die göttliche Weltordnung bewertet worden<br />
sein.<br />
Wilhelm Werner hatte seinerseits schon im Jahre 1552 den<br />
Verlust eines wesentlichen Teils seiner Bibliothek beklagen<br />
müssen. Damals floh er seinen Bücherschatz von Speyer im<br />
Zuge des Schmalkaldischen Krieges von Speyer über Straßburg<br />
nach Herrenzimmern. Die Bücherfässer fielen beim<br />
Transport in die Kinzig. Zwei Drittel des kostbaren Gutes<br />
verfaulten anschließend, weil bei der Ankunft der lädierten<br />
Fracht in Herrenzimmern es versäumt wurde, die Beschädigungen<br />
sachgemäß auszubessern. Nur: Woher hätte Wilhelm<br />
Werner von Zimmern damals einen Restaurator »beziehen«<br />
sollen?<br />
Als er an seinem 90. Geburtstag, dem Dreikönigstag des<br />
Jahres 1575, seine Augen für immer schloß, hatte er, der in<br />
zwei Ehen kinderlos geblieben war, in seinem Testament<br />
genau festgelegt, wie mit seiner Hinterlassenschaft zu verfahren<br />
sei. Seine Leiche sollte aufgeschnitten, das Herz herausgenommen<br />
und in der Schloßkapelle von Herrenzimmern<br />
beigesetzt werden, während der (übrige) Leib in die Zimmerische<br />
Fürstengruft nach Meßkirch zu überführen sei. Dort<br />
wurde in einem heute nicht mehr vorhandenen Epitaph<br />
Leben und Werk des großen Juristen und Schriftstellers<br />
verherrlicht.<br />
Das Herz befindet sich heute in der Schloßkapelle auf<br />
Heiligenberg (oberhalb von Salem).<br />
Die heute noch bekannten Exemplare der Bischofschronik<br />
Die fünf Bände der Bischofschronik des Wilhelm Werner von<br />
Zimmern mit ihren insgesamt 13 Bistumsbeschreibungen<br />
befinden sich heute in folgenden Archiven bzw. Bibliotheken<br />
2 :<br />
1. Buch: Mainz<br />
Entwurf: Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel<br />
Reinschrift: Thüringische Landesbibliothek Weimar<br />
2. Buch: Worms, Würzburg und Eichstätt<br />
Entwurf: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt<br />
Reinschrift: Fürstl. Fürstenbergische Hofbibliothek<br />
Donaueschingen<br />
57
3. Buch: Speyer, Straßburg und Verden<br />
(nur) Entwurf: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt<br />
4. Buch: Chur, Hildesheim und Paderborn<br />
Reinschrift: Württ. Landesbibliothek Stuttgart<br />
5. Buch: Halberstadt, Konstanz und Augsburg<br />
Man kann aus dieser Aufstellung ersehen, daß sich Entwürfe<br />
bzw. Reinschriften von diesem Werk überall in Deutschland<br />
finden. Das lag nicht im Sinne des Urhebers, denn dieser<br />
wünschte, wie noch zu zeigen sein wird, sein Werk als<br />
Ganzes an einem Ort erhalten. Die Bücher, so dürfen wir mit<br />
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, gingen<br />
an die von Froben Christoph von Zimmern gegründete<br />
Bibliothek in Meßkirch 3 . Sie muß sehr bald bekannt geworden<br />
sein, denn damals rühmte man sie als einen der größten<br />
Schätze Deutschlands (!)<br />
Der heute in der Österreichischen Nationalbibliothek in<br />
Wien aufbewahrte Bibliothekskatalog von 1576 - niedergeschrieben<br />
ein Jahr nach Wilhelm Werners Tod - macht uns<br />
deutlich, daß der Grundstock der Meßkircher Bibliothek die<br />
Bücherschätze aus Herrenzimmern waren. Und es heißt dort<br />
ausdrücklich, Wilhelm Werner habe seinen Erben den<br />
Auftrag erteilt, alles beieinander zu lassen.<br />
In drei Exemplaren der Bischofschronik (Donaueschingen,<br />
Stuttgart und Weimar) findet sich das eigenhändig von Wilhelm<br />
Werner von Zimmern niedergeschriebene Gebot, diese<br />
Bände zusammenzuhalten. Es folgt nunmehr der Wortlaut 4 :<br />
Dises ist dad fiert buch der materi vondem Ertzstifft Mentz /<br />
und des selben Süfraganeis, welches alles in fünf gleiche /<br />
bücher begriffen ist. Das erst, mit A bezaichnet, sagt allain /<br />
von dem Ertzstifft Mentz. So sagt und begreifft das ander, /<br />
mit B, die dreuw bischtümb Wormbs, Wurtzpürg und<br />
Aystett. / Das mit C bezaichnet, darin fint man geschriben<br />
das / leben und die geschichten aller bischofder dreyer stifft<br />
Speyr, / Sträspürg und Verden. So ist dises das fiert buch<br />
bezaichnet / mit dem buchstaben D, begreifft in im die<br />
bischtümb Cür, Hildeshaim und Paderborn. Das fünft aber<br />
und letst buch,/ mit E bezaichnet, erklert die bischtümb<br />
Halberstat, Costentz / und Aügspürg. Dise fünf bucher hab<br />
ich Wilhelm / Wernher graüe und her zü Zimbern selber nit<br />
mitt geringer / mue zuosamen gebrächt und ob den zwölfen<br />
jaren mit umb-/ gegangen, bis ich das alles so in dem und in<br />
den andern buchern / geschriben stat, erfa en und jewegen<br />
geprächt hab, die ich / mich mit meiner selb aygen hannd<br />
geschriben. Darumb / so bit ich meine erben, diewayl ich so<br />
vil unmüss, mu und / arbait darmit gehapt, sy wollend sy<br />
onzertrennt bey ain / andern von mainen wegen behalten und<br />
lieb haben, aüch / darbey im besten gedencken. dises hab ich<br />
geschriben / am zehenden tag des monatz Junii, als man zeit<br />
näch / Cristi unsers lieben herren gebürt thaüsend fünfhün-/<br />
dert und fünftzig jar.<br />
Der bzw. die letzte(n) Zimmern<br />
Als Wilhelm Werner von Zimmern 1575 seinen Unruhestand<br />
beenden mußte, war der chronikschreibende Neffe Froben<br />
Christoph schon sieben Jahre tot. Wilhelm Werners Bibliothek<br />
wanderte von Herrenzimmern nach Meßkirch, wo sie<br />
der letzte männliche Zimmern, Graf Wilhelm, in Empfang<br />
und unter seine Fittiche nahm.<br />
Wilhelm, geboren 1549, war im Todesjahr seines Herrenzimmerner<br />
Großonkels kaiserlicher Hofmarsciiall, also »ein<br />
nobel gewordener Herr« 5 . Seine finanzielle Wohlhabenheit<br />
drückt sich in der splendiden Anlage eines Tiergartens beim<br />
Falkenstein im oberen Donautal aus, er ließ Künstler nach<br />
Meßkirch kommen und legte als früher Wirtschaftsmanager<br />
eine Glashütte bei Leibertingen an. So auch erklärt sich das<br />
Münzprivileg für ihn, das er 1576 erhielt.<br />
58<br />
»Versuche, den Erbgang durch eigene Verfügungen zu<br />
regeln, hat Graf Wilhelm offenbar nicht gemacht; vielmehr<br />
beläßt er es bei der Intestatabfolge der Schwestern. « Doch die<br />
Zahl der Schwestern beläuft sich auf acht. Als er, Graf<br />
Wilhelm, im Jahre 1584 starb, hatte er den Schwägern aus<br />
dem Hause Helfenstein eine dominierende Rolle zugedacht.<br />
Eine Erbengemeinschaft von ungeheurem Ausmaß entstand.<br />
Die Grafen Georg und Froben von Helfenstein fanden die<br />
Miterben im Juli 1596 mit 400000 Gulden -ab. Und als die<br />
Tochter des Grafen Froben von Helfenstein 1627 den Grafen<br />
Wratislaus von Fürstenberg heiratete, war der weitere Besitzgang<br />
vorgezeichnet.<br />
So gelangten nach der herkömmlichen Meinung auch Entwurf<br />
und Reinschrift der Zimmerischen Chronik in die<br />
Fürstenbergische Bibliothek (heute in Donaueschingen).<br />
Doch die Bistumschronik Wilhelm Werners ging bis auf<br />
einen Band, der heute ebenfalls in Donaueschingen zu finden<br />
ist, andere Wege.<br />
In dem Hochzeitsjahr 1627 (Fürstenberg-Helfenstein) sah<br />
der damalige Sigmaringer Stadtpfarrer Jakob Mer(c)k noch<br />
den Konstanzer Band der Bischofschronik, deren Reinschrift<br />
heute als verschollen angesehen werden muß (nur der Entwurf<br />
blieb, siehe oben, erhalten). Wahrscheinlich lag dieser<br />
Band damals noch in Meßkirch.<br />
Bleiben wir aber doch bei den acht Schwestern. Sie waren mit<br />
folgenden Adelshäusern verbunden:<br />
1. Anna mit Fürstenberg<br />
2. Apollonia mit Helfenstein<br />
3. Johanna mit Waldburg-Wolfegg<br />
4. Kunigunde mit Königsegg<br />
5. Maria mit Lantieri<br />
6. Sibylla mit Hohenzollern-Hechingen<br />
7. Ursula mit Ortenberg.<br />
Die letzte, 8. Schwester, blieb unvermählt.<br />
Weitere Schicksale der Bischofschronik<br />
Lange Zeit war nicht bekannt, wie es zur Zerstückelung der<br />
ursprünglich fünfbändigen Einheit des Werkes von Wilhelm<br />
Werner von Zimmern gekommen ist. Inzwischen ist es<br />
gelungen, über den weiteren Besitzgang Klarheit zu gewinnen.<br />
Im Stuttgarter Exemplar der Bischofschronik (= Band 4)<br />
findet sich am Schluß des eigenhändigen Eintrags von Wilhelm<br />
Werner, wonach er seinen Erben den Auftrag gab, die<br />
Bände als Einheit zu behandeln, ein weiterer Eintrag von<br />
anderer Hand, der in der Zwischenzeit durch sorgfältiges<br />
Durchstreichen unleserlich gemacht wurde. Er lautet auszugsweise:<br />
»Ex dono ... generosi domini Georgii Baroni a<br />
Königsegg... Aulendorff patroni 1603«. D. h.: 1603 verfügte<br />
Graf Georg von Königsegg über diesen Band; er war Patron<br />
von Aulendorf. 1623 aber, so gibt der alte Bibliotheksvermerk<br />
auf Blatt 5 der Handschrift zu erkennen, war die<br />
Handschrift im Besitz des Benediktinerklosters Weingarten.<br />
Von dort kam sie nach der Säkularisation nach Stuttgart.<br />
Der Bibliothekseintrag Weingarten 1623 ist selten; er kann<br />
nur ein einziges Mal bei einer in tschechischer Sprache<br />
abgefaßten Handschrift (heute ebenfalls in Stuttgart) nachgewiesen<br />
werden. Offenbar war das testamentarisch vermachte<br />
Geschenk des Grafen Georg von Königsegg, der 1622 verstorben<br />
war, nicht besonders groß, denn sonst hätte man<br />
mehr Weingartner Besitzvermerke mit der Jahreszahl 1623<br />
(bzw. 1622) finden müssen.<br />
Graf Georg von Königsegg-Aulendorf<br />
Verhältnismäßig leicht löst sich die Frage, warum Georg von<br />
Königsegg-Aulendorf gerade in Weingarten eine so bedeu-
tende Handschrift geschenkt hat: es war lange Zeit (bis 1546)<br />
Grablege des Geschlechts, bevor Aulendorf an diese Stelle<br />
trat.<br />
Er, Georg von Königsegg, hätte diese Handschrift auch<br />
einem seiner Söhne überantworten können, von denen der<br />
älteste, Johann Jakob, seit 1606 Domherr in Salzburg war,<br />
während ein später geborener, Leopold, ebenfalls in dieser<br />
Eigenschaft in die Domstadt an der Salzach kam 7 . Offenbar<br />
war dies jedoch nicht sein Wunsch.<br />
Georg von Königsegg, mit vollem Namen auch Herr zu<br />
Aulendorf, Rothenfels (bei Immenstadt) und Staufen, war<br />
Unterlandvogt des Elsaß, Schultheiß zu Hagenau, kaiserlicher<br />
Rat und oberster Kämmerer des österreichischen Erzherzogs<br />
Ferdinand von Tirol. Als er am 20. August 1622<br />
einem Mordanschlag zum Opfer fiel, konnte man in den<br />
Nachrufen sein reiches Lebenswerk rühmen. Die erste Frau,<br />
die er im April 1589 zu Wolfegg heiratete, war Kunigunde aus<br />
dem Truchsessenhaus. Er verlor sie bereits im Jahre 1604. In<br />
zweiter Ehe war er mit Johanna, geborene von Eberstein,<br />
vermählt, die bereits vorher eine Ehe mit Eitelfritz von<br />
Hohenzollern-Hechingen geführt hatte.<br />
Vom reichen Bibliotheksbesitz der Königsegg zeugt die<br />
Tatsache, daß bis noch vor wenigen Jahrzehnten sich eine<br />
Handschrift über das Konzil von Konstanz aus der Feder und<br />
mit den Federzeichnungen des Ulrich von Richenthal in<br />
ihrem Besitz befand, ehe sie nach New York abwanderte 8 .<br />
Es wäre möglich gewesen, - und deswegen mußten diese<br />
Verhältnisse etwas ausführlicher dargestellt werden -, daß<br />
dieser Graf Georg die Zimmerische Handschrift über seinen<br />
ersten Schwiegervater, den Truchsessen von Waldburg-<br />
Wolfegg, empfangen hatte; denn dessen Frau war eine der<br />
acht bereits genannten Erb-Schwestern aus dem Hause Zimmern,<br />
Johanna. Sie, die 1548 Geborene, überlebte sowohl<br />
ihren Mann als auch ihre Tochter (f 1613) 9 . Als Miterbin<br />
hätte sie theoretisch den 4. Band der Zimmerischen Bistumschronik<br />
erben können, um ihn dann ihrem Schwiegersohn<br />
Georg von Königsegg zu schenken. Dieser Schwiegersohn<br />
war am Wolfegger Hof favorisiert, denn er übernahm die<br />
Stelle und Aufgabe eines Vormunds bei seiner Schwiegermutter,<br />
als durch den frühen Tod von deren Mann noch nicht<br />
volljährige Kinder übrigblieben 10 .<br />
Graf Berthold und seine Gemahlin<br />
Nach allen herkömmlichen Regeln hätten wir den Weg des<br />
4. Bandes der Bistumschronik des Wilhelm Werner von<br />
Zimmern aufgehellt:<br />
Wilhelm Werner von Zimmern<br />
Meßkircher Bibliothek des Grafen Wilhelm von Zimmern<br />
i i i / ,<br />
Gattin des Truchsessen von Waldburg-Wolfegg<br />
i<br />
Kunigunde von Königsegg, deren Tochter<br />
Georg von Königsegg, Erbe von Kunigunde, seiner 1. Frau<br />
Benediktinerkloster Weingarten<br />
Württ. Landesbibliothek Stuttgart.<br />
Doch dieser so einleuchtende Gang muß in den mittleren<br />
Teilen unseres »Stammbaums« anders verlaufen sein. Beweisstück<br />
für diese Behauptung ist der in der Fürstl. Fürstenbergischen<br />
Hofbibliothek in Donaueschingen aufbewahrte soge-<br />
nannte »Ältere Zimmerische Totentanz«. Diese Handschrift<br />
kam auch über das Haus Königsegg an die heutige Besitzerin.<br />
Die Geschichte dieser Handschrift klammert sich jedoch, wie<br />
die Besitzeinträge unzweifelhaft dartun, nicht an Johanna<br />
von Zimmern und damit den Gang über den Waldburger Hof<br />
in Wolfegg, sondern an eine ihrer Schwestern, Kunigunde.<br />
Sie war jünger als Johanna (geboren 1552) und heiratete im<br />
Jahre 1580 den Grafen Berthold von Königsegg, d.h. einen<br />
Bruder unseres Georg. Sie starb im Jahre 1602 n . In der<br />
Sebastianskapelle der Aulendorfer Pfarrkirche ist noch das<br />
Epitaph für sie und ihren Gemahl erhalten 12 .<br />
Kunigundes Gemahl Berthold stand dem Werk des alten<br />
Wilhelm Werner von Zimmern schon von Berufs wegen<br />
näher, da er seit 1568 kaiserlicher Rat und Präsident jenes<br />
Reichskammergerichts war, an dem Wilhelm Werner Jahrzehnte<br />
zuvor gewirkt hatte. Wenn man hinzufügt, daß<br />
Bertholds und Georgs gemeinsamer Vater Johann Jakob von<br />
Königsegg auch schon Präsident an diesem Gericht war, dann<br />
kann man vielleicht ermessen, warum man das literarische<br />
Zimmernerbe weder den Helfensteinern noch irgendeinem<br />
anderen Adelshaus, mit dem man verwandt war, übertragen<br />
wollte. Hier in Aulendorf bei den Königseggs schien die<br />
Kontinuität, das Traditionsverständnis, am besten gewährleistet.<br />
Sicher hat damals der materielle Wert von Handschriften<br />
noch eine untergeordnete Rolle gespielt. Es ging um den<br />
Inhalt. Es muß - dies als Anregung - geprüft werden, ob nicht<br />
noch weitere Teile des Zimmerischen Erbes über diese Aulendorfer<br />
Bibliothek gewandert sind, und man kann in diese<br />
Betrachtung auch die Konzilshandschrift (s. o.) mit einschließen.<br />
Den bisherigen Wirrwarr verdanken wir den »Sprossen«<br />
des Geschlechts derer von Zimmern, wie es so schön in einem<br />
Brief des Georg von Helfenstein an den Truchsessen von<br />
Waldburg-Wolfegg heißt 13 : ».. .Wobei der Baum der Zimmernschen<br />
Frucht seine Sprossen gleichsam wie eine Bruthenne<br />
ihre Jungen sammeln und einmal alle beieinander<br />
sehen und die jungen Sprossen ihrer Natur sich mit einander<br />
erfreuen und belustigen könnten«.<br />
Anmerkungen<br />
1<br />
So vor allem Beat Rudolf Jenny, Graf Froben Christoph von<br />
Zimmern. Lindau-Konstanz 1959 (an vielen Stellen).<br />
2<br />
Nachweise bei "Wilhelm Engel, Die Würzburger Bistumschronik<br />
des Grafen Wilhelm Werner von Zimmern und die Würzburger<br />
Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts. Würzburg 1952<br />
(= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte.<br />
Reihe 1, Band 2).<br />
3<br />
Heinrich Modern, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen<br />
des allerhöchsten Kaiserhauses 20, 1899, S. 113 ff.<br />
4<br />
Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Handschrift HB<br />
V 33, vorderer Deckel.<br />
5<br />
Karl Siegfried Bader, in: Zeitschrift für hohenzollerische Geschichte<br />
13, 1977, S. 124f.<br />
6<br />
Paul Beck, in: Schwäbisches Archiv 29, 1911, S. 160.<br />
7<br />
Ders., in: Diözesanarchiv für Schwaben 14, 1896, S. 7.<br />
8<br />
Rudolf Kautzsch, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 48,<br />
1894, S. 447 f.<br />
9<br />
Joseph Vochezer, Geschichte des fürstlichen Hauses Waldburg.<br />
Band 3, Kempten 1907, S. 449. Ihr Bildnis ist zusammen mit dem<br />
ihres Mannes erhalten (ebd., Band 1, Kempten 1888, S. 719).<br />
10<br />
Ders., Band 3, S. 520.<br />
11<br />
Ders., Band 3, S. 483.<br />
12<br />
Adolf Schahl, Die Kunstdenkmäler des ehemaligen Kreises Waldsee.<br />
Stuttgart-Berlin 1943, S. 73 f. und Tafel 16.<br />
13<br />
Zitiert bei Vochezer, Band 3, S. 472.<br />
59
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Melchinger Flurnamen<br />
Die Flurnamen von Ringingen finden sich in Hohenz. Heimat<br />
1960, 67f., die Salmendinger ebenda, Hohenz. Heimat<br />
1963, 7f. Hier mögen die wichtigsten von Melchingen,<br />
besonders aus dem Fleckenbüchledes 15. Jahrhunderts (Mitt.<br />
Hohz. 1954, 172f.) folgen, deren heutigen Bestand im »Melchinger<br />
Heimatbuch« 1972, 123, Egon Viesel ohne Erläuterungen<br />
aufzählte, z. B. »1 Letten, 128 Falltor« mit Karte (hier<br />
zitiert: V 1 bis V 128). Ein Gemarkungsplan von 1728 wurde<br />
noch um 1934 vom Staatsarchiv restauriert, ist aber später<br />
samt dem Fleckenbüchle von ca. 1450 verschwunden. Die<br />
wichtigsten Flurnamen dürften folgende sein:<br />
1. Aispel V 108, vermutlich entstanden aus Espan-Aispen<br />
(HH 1981, 56). 2. Asperdeich V 8. Deich-Vertiefung, erster<br />
Teil vermutlich wie Nr. 1. 2a Badstube, abgegangen am<br />
nordöstlichen Ortsausgang zum Stockbrunnen (HJH 1951,<br />
97). 3. Breitloch und Engelloch V 26, wohl Engen-loch, von<br />
loh Wald, oder Erdloch? 4. Büchsental V 108, vielleicht<br />
Biese-Nordostwind, oder nach Buck »unfruchtbare Stelle«.<br />
Kaum vom Büchsenschießen. 5. Brühl, Briel V 44, ehemals<br />
herrschaftliche Wiesen, alt brogil; oft feucht. 5a Bühl: 1450<br />
führt ein Weg vom Keppelin zum Bühl gegen Salmendingen.<br />
Bühl-Bol = Berg oder Hügel. 6. Burghalde V 82 (HH 1981,<br />
23). Die Schloßruine dagegen auf dem Berg südöstlich der<br />
Pfarrkirche! 7. Delle V 84, Vertiefung oder Tälchen. 8. Enge.<br />
9. Enzental, 1570 Frenzental V 19, volkstümlich umgedeutete<br />
Personennamen.<br />
10. Eselsteig V 42; Staig wäre Fahrweg, Steig ein Fußweg,<br />
dazu Eselbrunnen V 59. In der Melch. Marktordnung sind<br />
ausdrücklich Esel genannt, wohl Tragtiere zum Schloß hinauf.<br />
12. Fässler V 96, schon 1450 erwähnt: Faßmacher. 13.<br />
Feilen V 116, auch in Ringingen und Salmendingen vorkommend,<br />
aber heute nicht zu Fäulen-Faulwasser passend;<br />
scheint »Feld« zu bedeuten. 14. Frühmessers Löhen: Lehengut<br />
des Geistlichen, der die Frühmesse hält. 15. Furcht,<br />
Furch, Furt: Graben, den man durchfahren kann. 16. Gemeinmerk,<br />
Gemeindegrundstück (dem Schmied überlassen<br />
für Schmiede!). 17. Gass-äckerV 75, zu Gasse. 18. Herweg,<br />
Heerweg V 105, führte ins Dorf hinein. 19. Gamerstaig,<br />
heute irrig Steig, V 69, da alter Fahrweg nach Gammertingen!<br />
20. Hartenstein V 94, ob Grenzstein »zum hertenStein«? 21.<br />
Hearbühl V 13, benannt nach Feldhühnern oder Hühnen-,<br />
Heunenbühl? 22. Herrenwald V 51, Herrschaftswald, vgl.<br />
Ringinger Hairenwald und Hairle! 23. Himmelberg V 7,<br />
hochgelegene Orte, häufig! 24. Höfen, ob den Höfen, ehemalige<br />
Lehenhöfe. 25. Käpfle V 80, zu Kapf-gaffen und Kopf.<br />
26. Keppelin 1450; heute nur noch Bildstock des hl. Bernhard<br />
v. Clairvaux. 27. Köbele V 24, zu Kopf, ein zweites in<br />
Salmendingen. 28. Kreben, Dorfplatz, ehemals mit Flechtzaun<br />
umgeben, wie in Ringingen usw. Vgl. Hohz. J. Heft<br />
1961, 85f. 29. Kreuzstock V 66; im 15. Jahrhundert Krusestock,<br />
zu Familie Kraus.<br />
JOHANN ADAM KRAUS<br />
Neues zum Namen Viesel<br />
Schon im Jahre 1979 1 wurde im Zusammenhang mit den<br />
Familiennamen Flad, Lorch, Maier, Speidel auch über den<br />
Namen Viesel berichtet. Inzwischen kamen neue und sehr<br />
aufschlußreiche Tatsachen zutage, die eine erneute Behandlung<br />
rechtfertigen dürften. Wie dort gesagt ist, finden sich<br />
Viesel (Visel, Fisel u. ä.) zahlreich in Freiburg i. Br., in<br />
60<br />
30. Laile V 106, da mitten in den Äckern wohl zu Le-<br />
Grabhügel. 31. Lattenwald V 50, ob zu Letten = Lehm? Vgl.<br />
VI. 32. Leingruben 1450, Lehmgrube. 33. Luckabühl, jetzt<br />
verschwunden; zu Lücke im Zaun und Bühl-Bol = Hügel.<br />
34. Märklinsbuckel V 34; Buckel eines Märklin-Marquard.<br />
35. Mietle V 115, alte Form unbekannt. 36. Munken V 103.<br />
Münk wäre Mönch. 37. Oesselsteyg 1450, Eselsteig, schmaler<br />
Weg für Tragesel. 38. Pfaffenberg V 2; 1450 Pfaffberg, Berg<br />
eines Geistlichen. 39. Pfatten V 77; nicht zu Pfad, wie ich<br />
früher annahm, sondern mhd vade = Eschzaun mit entlanglaufendem<br />
Weg nach Ringingen.<br />
40. Schanz V 119, stammt von 1704 (Zoller<strong>heimat</strong> 1939,<br />
33f.). 41. Schayakobel 1450, jetzt Schoikobel, V 16, von<br />
mhd. schie = Pfahlzaun auf oder um einen Kobel-Köbele,<br />
Kopf. 42. Schelmenbuckel V 125; Schelm meint eine Viehkrankheit<br />
bzw. gefallenes Vieh zum dort verlochern. 43.<br />
Schützenbahn V 120, wohl von der Schützengesellschaft um<br />
1600 im Fürstenbergischen. 44. Sommerkirch V 37. Unerklärter<br />
Spaßname. 45. Sottenwiesen V 11, Sötte ist nach Rem.<br />
Vollmann eine Brühe, Lache, Sumpfwiese. 46. SpitzegertenW<br />
95, spitz zulaufende Egert, ungeackertes Oedland. 47. Staig<br />
= Fahrweg, ein Steig dagegen: Fußweg, V 81. 48. StrangenV<br />
96, schmale Grundstücke. 49. Steinbraike V 124, wohl gleich<br />
Braite (altes Herrschaftsgut?).<br />
50. Uchtenwaid, ahd. uochta = Morgenweide, auch Uchtert,<br />
Auchtert. 51. Waad V 47, wohl von mhd. wat = Furt; von<br />
waten. 52. Wanzental V 123, vermutlich verderbt. Wangen<br />
wäre leicht anschwellendes Gelände. 53. W^er-Weiher, vgl.<br />
Weiherhäldele V 22. 54. Weiler V 70, alt Wilergasse zur<br />
Mühle! In Ortsnähe schiene ein Weiler undenkbar. Dochter<br />
Weiler Mertingen, 772 Merioldingen; nur noch Flurname auf<br />
Stettener Gebiet. 55. Wellen 112, auch auf Salmendinger<br />
Bahn, unerklärt. Heute kein welliges Gelände. 56. Werde<br />
V 72, Wuhr V 56, 1450 Werd = Damm, Wehr. 57. Widemwies,<br />
zum Widdum bzw. Pfarrehem. gehörig. 58. Woog unter<br />
dem Eschenrain, wag = Wassergumpen, vgl. Werenwag im<br />
Donautal bezüglich der zweiten Silbe. 59. Wolfsgarten V 61,<br />
unerklärt; neben der Flur Mertingen-Merioldingen.<br />
60. Ziegelhof 1450, ob die Ziegelhütte V 86? 61. Zwerchronns<br />
1450, querlaufende Wasserrinne: Rons, Rauns, Runz von<br />
rinnen. 62. Zwickgabel, keilförmiges Landstück; Zwickel =<br />
Keil, anderseits gabelförmig.<br />
Hilfsmittel zur Erklärung: Michel R. Buck, Oberdeutsches Flurnamenbuch,<br />
Bayreuth 1931 (1. Aufl. 1880);/«/. Miedel, Oberschwäbisches<br />
Orts- und Flurnamenbuch, Memmingen 1906; Remigius Vollmann,<br />
Flurnamensammlung, München 1926. Joseph Schnetz, Flurnamenkunde<br />
(Bayerische Heimatforschung, Heft 1), München 1952.<br />
W. Keinath, Württembergisches Flurnamenbüchlein, Albverein Tübingen<br />
1926.<br />
Ehingen a. D. und sonst in Württemberg, bei uns vor allem in<br />
Melchingen. Auch im benachbarten Ringingen gab es im<br />
Jahre 1520 einen Pauli Visel, 1545 einen Cunli V., der 1548 in<br />
Burladingen wohnte. Im Jahre 1788 heiratete Kaspar Viesel<br />
aus Melchingen (eines Kaspars Sohn) nach Ringingen. Seine<br />
direkten männlichen Nachkommen sind hier erst 1977 mit
Isidor Viesel ausgestorben. Kaspars Vorfahren lassen sich in<br />
Melchingen aus den Kirchenbüchern bis auf einen Peter<br />
Viesel zurückführen, der 1582 bis 1667 lebte und Erbe eines<br />
Ludwig V. von 1562 war 2 . Die Türkensteuerliste des Jahres<br />
1542 3 erwähnt in Melchingen die zwei Familien Ludwig<br />
(offenbar den obigen) und Jerg Fisel (mit F geschrieben), und<br />
schon im Fleckenbuch von etwa 1450 4 findet sich ein Ludin<br />
(Ludwig) Visel. In einer Trochtelfinger Urkunde vom Jahre<br />
1422 erscheint in Steinhilben der Familienname Visel neben<br />
Heinzelmann 5 . In Ehingen a.D. saß 1489 ein Stadtschreiber<br />
Gösen (Goswin) Visel und schon 1356 ein »Ulrich der Visel«,<br />
deren Nachkommen sich heute (1981) teils als Fisel (mit F)<br />
schreiben.<br />
Vor dem 13. Jahrhundert waren Familiennamen noch sehr<br />
selten. So nennt das Kirchenlexikon von Buchberger einen<br />
hl. Bischof V i c e 1 i n aus Hameln, der von 1090 bis 1154 lebte<br />
und als Apostel der heidnischen Wagrier und Holsteins gilt.<br />
Für Sprachkundige dürfte der Wechsel von S zu C und Z<br />
keine allzu großen Schwierigkeiten darstellen. Wir finden im<br />
Jahre 817 zu Ebingen bei einer Rechtsentscheidung der<br />
St. Galler Mönche bezüglich Vilsinger Güter einen Zeugen<br />
mit dem auffallenden Namen Fizzilinus, wobei -inus als<br />
lateinische Endung aufzufassen sein wird 6 .<br />
Was soll dieser Name bedeuten und wo stammt er her? Wie<br />
konnte der Schreiber der Urkunde (doch wohl ein im Latein<br />
bewanderter Pater von St. Gallen/Schweiz) auf diese Namensform<br />
rein vom Gehör her kommen, da dessen Träger<br />
doch wohl ein ungelehrter, ja des Schreibens unkundiger<br />
Christ und Deutscher war?<br />
JOHANN WANNENMACHER<br />
So sei folgende These zur Diskussion gestellt: Nach Heinichen<br />
7 war Vicilinus einer der zahlreichen Beinamen des<br />
italisch-römischen obersten Gottes Jupiter. Er wird von<br />
Langenscheidt 8 als wachsam erklärt (verwandt mit »vigil«).<br />
Der Schriftsteller Livius, der im Jahre 204 vor Christus starb,<br />
nennt in einer seiner Schriften einen Tempel des Vicilinus in<br />
der Stadt Compsa'.<br />
Wir hätten somit ein spektakuläres Alter der Bezeichnung<br />
vicil-Visel vor uns in Bedeutung »der Wachsame«. Demgegenüber<br />
können andere Parallelausdrücke im Mittelhochdeutschen<br />
nicht aufkommen, wo der Fisel oder Visel als ein<br />
Spiel und Scherz, oder als Pfiesel ein »heizbares Gemach«,<br />
oder aber Visel als männliches Glied verstanden wurde 10 .<br />
Viesel, der Wachsame, erhielt sich seit über 2000 Jahren,<br />
ähnlich wie der altbiblische David und Levy.<br />
Anmerkungen<br />
1<br />
Hohenz. Heimat 1979, 31.<br />
2<br />
]. A. Kraus, Jugenderinnerungen 1965, 139.<br />
3<br />
Zoller<strong>heimat</strong> 1938,'91.<br />
4<br />
Hohenz. JHeft 1954, 172 f.<br />
5<br />
Zoller<strong>heimat</strong> 1938, 56.<br />
6<br />
Wartmann, UB von St. Gallen I, 223.<br />
7<br />
F. A. Heinichen, Lat.-dtsch. Schulwörterbuch, 9. Aufl.<br />
8<br />
Langenscheidt, Lat.-dtsch. Taschenwörterbuch.<br />
9<br />
Pauly, Realenzykl. d. klass. Altertums 1917, Sp. 1126.<br />
10<br />
W. Wackernagel, Altdeutsches Handwörterbuch.<br />
Alte, sinnvolle Ausdrücke und Redeweisen aus der heimischen Mundart<br />
Jeden Heimatfreund freut es, wenn Mundart und Volkskunst<br />
in zunehmenden Maße wieder ihre notwendige und wertvolle<br />
Beachtung finden. Die Mundart ist der Urgrund aus dem alle<br />
Sprachschichten wachsen. In ihr fließen Säfte aus den tiefsten<br />
Wurzeln unserer Muttersprache. Sie bezeichnet lebensnah<br />
und anschaulich Sein und Geschehen im menschlichen Alltag.<br />
Der Dichter, Max v. Schenkendorf, schreibt einmal:<br />
»Meine seligsten Gedanken spreche ich wie der Mutter-<br />
Mund!«<br />
Nachstehend alte Ausdrücke aus der Mundart von Rangendingen.<br />
Da wird einer schon eine zeitlang von einem Leiden<br />
geplagt; es ist ihm nie recht wohl, und er kann nicht arbeiten.<br />
Man fragt nach dessen Verbleib und erhält die Antwort:<br />
»Dear ischt marode«. Wieder ein anderer hat eine schwere<br />
Krankheit überwunden. Es verbleibt ihm aber davon etwas,<br />
was er nicht mehr los bekommt, das vielleicht auch äußerlich<br />
sichtbar ist und ihn überall in seinem Leben beschwert. Von<br />
einem solchen Menschen heißt es dann: »Dear hat anMagga!«<br />
In dem kurzen Wort Magga ist lebensnah und anschaulich<br />
alles eingeschlossen, was ein solcher Zustand bedeutet. Das<br />
Wort Magga gebraucht man aber auch bei Gegenständen und<br />
Sachen, die irgendwo nicht ganz in Ordnung sind, vor allem<br />
beim Einkauf, wenn man erkennt, daß die Ware einen Fehler<br />
hat. Dann sagt man: »Dös will i it, dös ischt it ganz in<br />
Ordnung, do (da) hot's an Magga«. - Hat jemand einen<br />
starken Husten und muß sich ständig damit quälen, den<br />
Schleim los zu werden, dann Kooderet er, was für andere<br />
Menschen oft sehr lästig werden kann. Wenn einer zu tief ins<br />
Bier- oder Weinglas geguckt hat und nachher stark hin- und<br />
herschwankend heimwärts geht, dann weifelt er. Plagen<br />
einen ständig Leiden oder zu schwere Arbeit und Unannehm-<br />
lichkeiten aller Art, so hört man stöhnend klagen: »S'ischt<br />
bald nemme zum Präschdiera« = zum Aushalten und Ertragen.<br />
Wer in kurzer Zeit gewollt oder ungewollt viel von<br />
seinem Körpergewicht verliert, dear oder diea ischt noo<br />
(aber) ran (nasal gesprochen) woara! Wenn Kinder oder auch<br />
Erwachsene beim Essen unsauber sind und immer wieder<br />
Teile von der Speise auf den Tisch oder die Kleider fallen<br />
lassen, dann driealet sie. Im übertragenen Sinn wird auch<br />
jemand, der in allem etwas unsauber und gleichgültig ist, als<br />
Driealer abgestempelt. »Dös ischt noo a baiser Driealer«, ist<br />
eine gängige Redensart. Wenn eine Frauensperson in ihrem<br />
ganzen Wesen auffallend neugierig, eigensüchtig und berechnend<br />
ist, dann ischt dös' a' alafanzegs oder a' abgschlages<br />
Luader. Beim Umgang mit solchen Kreaturen soll man<br />
vorsichtig sein, denn Recht und Gerechtigkeit stehen bei<br />
ihnen nicht immer an erster Stelle. - Wer mit Geld und Gut<br />
leichtfertig umgeht, alles sorglos verpulvert und unbekümmert<br />
in den Tag hineinlebt, das ist im Volksmund a' Luftdebus.<br />
Es gibt Menschen, die humorvoll von anderen die Stärken<br />
und Schwächen im Sein und Handeln sehen und sie bei jeder<br />
Gelegenheit scherzhaft ins Gespräch hineinstellen. Solche<br />
Leute tun gern foppa. Was murklescht denn do alles en sella<br />
Sack nei? kann die Mutter fragen, wenn ein Kind passende<br />
und unpassende Dinge aller Art ungeordnet in eine Tasche<br />
oder sonstwo hinein steckt. Der Ausdruck lätz wird für alles<br />
gebraucht, was nicht den richtigen Weg geht und verkehrt ist.<br />
»Dös ischt a' lätzer- Kerle«, sagt man, wenn einer immer das<br />
Gegenteil vom Richtigen tut, so anderen das Leben schwer<br />
macht, Schaden verursacht wo er kann usw. Und eine<br />
Krankheit, die nicht normal verläuft, ischt au a lätze Sach.<br />
61
Wenn einer sich im Weg verirrt, dann ischt er da lätza Weag<br />
ganga. - Wenn das Maß für eine Sache etwas zu kurz<br />
genommen wurde, so sagt man: »Dös ischt aber päb oder<br />
auch bschnotta gmessa«, d. h. es reicht gerade noch aus.<br />
Menschen, die vor allem in Geldsachen, aber auch beim<br />
Geben aller Art sich stets kleinlich zeigen, sind päb - oder was<br />
dasselbe bedeutet - kniggerich. Kinder plantschen und spielen<br />
gern im Wasser. Dieses wohltuende Tun u. Treiben, das<br />
nicht immer zur Freude der Eltern ist, heißt in der Mundart<br />
motza. Und wenn Erwachsene Flüssigkeiten miteinander<br />
JOSEF MÜHLEBACH<br />
Der Orchesterverein Sigmaringen<br />
Ein geschichtlicher Rückblick<br />
Im Jahre 1981 konnte der Orchesterverein Sigmaringen auf<br />
ein 90jähriges Wirken zurückblicken. Mit dem Jubiläum war<br />
ein Wechsel in der Direktion des Orchestervereins verbunden,<br />
ein Wechsel, der in den Annalen als eine deutliche Zäsur<br />
anzusprechen ist. Das doppelte Ereignis rechtfertigt es, die<br />
Geschichte des Vereins in einer kurzen Darstellung aufzuzeigen.<br />
Es bietet sich von selbst an, daß man in Sigmaringen die<br />
Anfänge des Vereins und eines musikalischen Vereinslebens<br />
in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts suchen<br />
muß. Dabei ist festzustellen, daß in der zweiten Hälfte des<br />
19. Jahrhunderts von einem musikalischen Leben in Sigmaringen<br />
kaum die Rede sein kann. Es ist daher verständlich,<br />
daß damals in der Bevölkerung der Stadt Sigmaringen der<br />
Wunsch auf Schaffung irgendeiner musikalischen Organisation<br />
wach wurde. Und so kam es, wenn zunächst in bescheidenem<br />
Rahmen, daß im Jahre 1883 zur Gründung eines<br />
Musikkörpers geschritten wurde, der sich - unter der Direktion<br />
des Musiklehrers Fischer - den Namen »Donauorchester«<br />
zulegte. Da aber diese Einrichtung noch nicht voll<br />
befriedigte, suchte man auf breiterer Grundlage eine bessere<br />
Lösung, die den Bedürfnissen der damaligen Zeit gerecht<br />
werden sollte.<br />
Die Bemühungen in weiten Schichten der Bevölkerung führten<br />
dann im Verlauf einiger Jahre am 9. September 1891 zur<br />
Gründung eines Musikvereins mit verbesserter Leistungsfähigkeit.<br />
Als Dirigent wurde der schon genannte Musiklehrer<br />
Fischer gewonnen. Als Gründungskräfte sind in den Annalen<br />
des Vereins genannt: Musiklehrer Fischer, Anton Wanner,<br />
Benedikt Pfaff, Johann Fleisch (dieser soll vier Instrumente<br />
gespielt haben: Violine, Bratsche und zwei Blasinstrumente),<br />
dann weiter: Georg Grieble und Friedrich Wolf. In der<br />
Gründungsversammlung haben sich 89 Personen als Passivmitglieder<br />
gemeldet. Der neue Musikverein entfaltete - wenn<br />
auch unter gewissen Schwierigkeiten und Rückschlägen -<br />
unter Anpassung an die von der Mitgliederversammlung<br />
beschlossenen Statuten eine Aufwärtsentwicklung, die eine<br />
erhöhte Leistungsfähigkeit erkennen ließ. Die das Vereinsleben<br />
regelnden Statuten sahen übrigens recht drastische Konventionalstrafen<br />
beim Fehlen der Proben, die am Mittwoch,<br />
Freitag und Samstag stattfanden, vor.<br />
Anläßlich der 100jährigen Mozart-Gedächtnistage - Mozart<br />
war am 5. Dezember 1781 gestorben - veranstaltete der<br />
Verein »zur Freude der Einwohnerschaft« am 5. Dezember<br />
1891 einen Umzug. Die Hohenz. Volkszeitung (»Donaubote«)<br />
brachte über die Gedenkkundgebung am 6. Dezember<br />
1891 folgenden Bericht: »Eine angenehme Überraschung<br />
wurde uns gestern Abend durch die von Herrn Musiklehrer J.<br />
Fischer neugegründete hiesige Stadtmusik bereitet. Zur Feier<br />
62<br />
mischen, kann der Nichtkenner scherzhaft fragen: »Was<br />
motzet ihr denn do zemmanand nei?« Den Brotlaib hat man<br />
ehemals in der Tischschublade aufbewahrt. Im Sommer<br />
wurde das Brot oft trocken und fiel beim Essen in kleinen<br />
Stücken auseinander. »Kinder« ermahnten dann die Eltern,<br />
»gebt acht auf eurer Brot, es braiselet«.<br />
Die Mundart war schon da vor uns. Sie prägt unser Leben<br />
seelisch und geistig mit und wird zu einem wertvollen und<br />
unverlierbaren Stück Heimat.<br />
des hundertjährigen Todestages des berühmten Musik-Altmeisters<br />
Mozart veranstaltete die Kapelle nämlich unter<br />
Fakel- und Lampionsbegleitung einen Umzug um die Stadt<br />
und trat mit dieser Veranlassung zum ersten Male öffentlich<br />
vor das Publikum. Wir müssen gestehen, daß nach dem uns<br />
zu Gehör Gebrachten Herr Fischer mit seinen Musikern<br />
schon recht Gutes geleistet hat, zumal wenn man bedenkt,<br />
daß sich bei der Gesellschaft verschiedene junge, in der Musik<br />
bisher ganz unerfahrene Leute befinden. Großer Eifer und<br />
guter Wille sowohl seitens des Dirigenten wie jedes einzelnen<br />
Mitgliedes sind erforderlich, um in so kurzer Zeit solche<br />
Fortschritte zu machen. Gut angesprochen hat besonders der<br />
beim Rathhause gespielte Marsch, der auch beim Prinzenpalais<br />
vor Seiner Königlichen Hoheit dem Fürsten Leopold<br />
wiederholt wurde. - Wir wünschen dem nun in die Oeffentlichkeit<br />
getretenen jungen Verein ein immerwährendes<br />
Wachsen und Blühen und namentlich auch eine recht große<br />
Zahl Passivmitglieder, um so durch Entgegenkommen seitens<br />
der Einwohner die jungen Musiker zu immer weiterem<br />
Streben und Ausharren auf der von ihnen beschrittenen Bahn<br />
-anzueifern und den hier schon so lange gehegten Wunsch<br />
nach einer »einigen« und »technisch geschulten« Musik für<br />
immer verwirklicht zu sehen.«<br />
Der Verein hat dann im Verlauf der Zeit einige beachtliche<br />
Konzertveranstaltungen gewagt. Im Jahre 1919 hat sich das<br />
Donau-Orchester mit dem Musikverein vereinigt; damit war<br />
ein weiterer Schritt zur Steigerung der Leistungsfähigkeit<br />
gemacht. In den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts findet<br />
man in den Vereinsakten wiederholt - so auch in der Festschrift<br />
zur Einweihung des neu erbauten Rathauses im Jahre<br />
1927 - die Bemerkung: »Jetzt sei man in Sigmaringen nicht<br />
mehr auf auswärtige Kräfte angewiesen, der Verein verfüge in<br />
gleicher Weise den Anforderungen, die heutzutage an jedes<br />
gute Orchester gestellt werden, das habe der Verein in<br />
mehrfachen Konzerten bewiesen.«<br />
Für die Geschichte des Vereins sind die Dirigenten, die den<br />
Verein seit 1891 geleitet haben, besonders wichtig. Da ist<br />
zunächst der Musiklehrer Fischer zu nennen, der von 1891 an<br />
als Dirigent wirkte. Ihm folgte 1897 für kurze Zeit Schuhmachermeister<br />
Fleisch, der, wie bereits vermerkt, vier Instrumente<br />
gespielt haben soll. Der Nachfolger von Fleisch wurde<br />
Lehrer Gauggel, der bis 1898 als Dirigent tätig war. Im Jahre<br />
1898 übernahm Hofhafnermeister Lehle die Direktion bis<br />
1909. Weiterhin sind zu nennen als Dirigenten ab 1909: Josef<br />
Hofherr, ab 1909 Berthold von der Unteroffiziers-Vorschule<br />
Sigmaringen, um 1914 kurzfristig Reg. Amtsmeister Bartels.<br />
Von 1914 bis 1921 lag die Direktion bei Wilhelm Dittmar aus<br />
Helmstedt in Braunschweig, geboren 1875. Wilhelm Dittmar<br />
sah als Aufgabe und Zielsetzung des Vereins die Pflege guter<br />
Streichmusik.
Das Jahr 1921 brachte die große Wendung in der musikalischen<br />
Leitung, als Chordirektor Richard Hoff, später Musikdirektor<br />
des kath. Kirchenchores St. Johann Sigmaringen, die<br />
Direktion des Vereins übernahm. Richard Hoff, geboren am<br />
10. Mai 1875 bei Mönchen-Gladbach, zuletzt tätig als Domorganist<br />
in Fünfkirchen/Ungarn, war ein Musiker von ho-<br />
Buchbesprechungen<br />
Fasnet im Hegau und Linzgau<br />
Herausgegeben von Herbert Berner. 336 Seiten mit 208<br />
Abbildungen, davon 100 mehrfarbige, vierfarbiger Einband,<br />
55.- DM. Im Verlag des SÜDKURIER Konstanz.<br />
Das Thema des Buches ist die bezaubernde, für »Ausländer«<br />
vielleicht sogar etwas geheimnisvoll beängstigende Welt der<br />
Fasnetsnarren in der Landschaft des westlichen Bodensees.<br />
17 sachkundige Autoren stellen in 23 Beiträgen den Ursprung<br />
und Ablauf der schwäbisch-alemannischen Fasnacht und ihre<br />
Entwicklung bis in die jüngste Gegenwart dar. Das Werk<br />
beleuchtet die Fasnacht von der historischen, theologischen<br />
und volkskundlichen Seite. In dem Beitrag »Warum Fasnacht?«<br />
wird das Thema zusätzlich von medizinisch-psychologischer<br />
Seite her behandelt. Etwas ganz Neues wird für<br />
viele Leser die Schilderung der jüdischen Fasnet, der Gailinger<br />
Purim, sein. Ein spezieller Beitrag ist dem Fasnachtsmuseum<br />
im Schloß Langenstein gewidmet, welches seit seiner<br />
Gründung im Jahre 1969 ein lebendiger Kristallisationspunkt<br />
der Hegau-Bodensee-Fasnacht ist.<br />
Im Mittelpunkt aber steht die ausführliche Schilderung der<br />
ländlichen Fasnacht, ihrer Figuren, Narrengestalten, Heischebräuche<br />
und Fasnetsversle. Die über 110 in der Narrenvereinigung<br />
Hegau-Bodensee zusammengeschlossenen<br />
Zünfte werden einzeln mit ihren Besonderheiten im Brauchtum<br />
vorgestellt.<br />
Eine ausführliche Darstellung gilt der Fasnet in den Narrenstädten<br />
Stockach, Radolfzell, Singen, Konstanz, Engen,<br />
Meßkirch, Überlingen, Pfullendorf, Markdorf und Meersburg.<br />
Das Buch ist reichlich mit Bildern ausgestattet. Die Auswahl<br />
der Bilder ist in der Mehrzahl repräsentativ und gut, auf<br />
einige jedoch hätte man verzichten können, da sie nur die<br />
interessieren, die darauf dargestellt sind.<br />
Angelika Bischoff-Luithlen:' Der Schwabe und sein Häs<br />
Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, 28 DM.-.<br />
Das Manuskript dieses Buches stellte Angelika Bischoff-<br />
Luithlen noch kurz vor ihrem Tod 1981 fertig. Unser Wissen<br />
um die Kleidung der bäuerlichen Bevölkerung in alter Zeit ist<br />
sehr gering. Der Verfasserin ist es gelungen, eine bisher nicht<br />
genützte Quelle zu erschließen. Sie ging die »Inventuren« in<br />
den Gemeindearchiven durch, welche bei Heirat oder Tod<br />
einer Person aufgestellt wurden. Hier wurden auch die<br />
vorhandenen Kleidungsstücke verzeichnet. Nicht selten stieß<br />
sie auf Bezeichnungen, deren Sinn längst vergessen war und<br />
mühsam geklärt werden mußte. Oft wurde den Landbewohnern<br />
durch obrigkeitliche Kleiderordnungen vorgeschrieben,<br />
was sie tragen durften. Das Buch ist für jeden volks- und<br />
<strong>heimat</strong>kundlich Interessierten von bleibendem Wert. Mit 42<br />
- teils farbigen - Abbildungen wird das Geschriebene veranschaulicht. <br />
hem Rang und hat - dank seiner großen musikalischen<br />
Befähigung und seiner virtuosen Beherrschung mehrerer<br />
Musikinstrumente bedeutende konzertante Veranstaltungen<br />
des Musikvereins - seit 1926 Orchesterverein genannt -<br />
geleitet. Gleich im Jahr 1921 erfolgte unter Hoff die Aufführung<br />
der 1. Symphonie von Beethoven. (Schluß folgt)<br />
Martin Blümcke (Hrsg.): Abschied von der Dorfidylle?<br />
Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, 28.- DM.<br />
Martin Blümcke hat in der Sendung »Land und Leute« des<br />
Süddeutschen Rundfunks in den vergangenen zehn Jahren<br />
über 500 Vorträge zur Landes- und Volkskunde gebracht.<br />
Eine Auswahl erschien nun in Buchform. Vom Beginn des<br />
19. Jahrhunderts bis zu Themen der Gegenwart wird eine<br />
Fülle von Informationen vermittelt. Das Buch wird zu Recht<br />
als Lesebuch bezeichnet, denn man nimmt es immer wieder<br />
gerne zur Hand. Die Autoren gehören zu den bekanntesten<br />
Landeskundlern und Landeshistorikern in Baden-Württemberg.<br />
Erika Dillmann: Von der Donau zum See. Ein oberschwäbisches<br />
Skizzenbuch<br />
Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, 19,80 DM.<br />
Ein unterhaltsames Lesebuch mit Federzeichnungen von<br />
Hagen Binder. Es ist kein Kunst- und Reiseführer, sondern<br />
ein Büchlein, in dem Geschichten erzählt werden von Städten,<br />
Klöstern, Kirchen und natürlich von den Menschen in<br />
Oberschwaben. Jeder Freund Oberschwabens hat seine<br />
Freude daran, und wer die Landschaft noch nicht kennt,<br />
einen Anreiz, sie kennenzulernen.<br />
Ottmar Engelhardt, Joachim Feist: Albstadt<br />
Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, 38.- DM.<br />
Die Gemeindereform hat vor einem Jahrzehnt die neue Stadt<br />
Albstadt geschaffen. Sie reicht vom höchsten Dorf der Alb,<br />
Burgfelden, bis nach Ebingen. Obwohl ihr Gesicht durch<br />
eine teilweise weltbekannte Industrie bestimmt wird, hat<br />
Albstadt Naturschönheiten und reizvolle alte Stadt- und<br />
Dorfteile. Ottmar Engelhardt schildert die Landschaftsgeschichte<br />
und die Geschichte der Dörfer und Städte. Albstadt<br />
bemüht sich auch um kulturelles Leben. In nur wenigen<br />
Jahren hat sich die Städtische Galerie einen Namen gemacht.<br />
Im ehemaligen Stauffenbergschloß in Lautlingen wird die<br />
bedeutende musikhistorische Sammlung Jehle der Öffentlichkeit<br />
gezeigt. Sehr schön sind die von Joachim Feist<br />
aufgenommenen Bilder, 26 davon sind in Farbe. Erwähnt sei<br />
auch die farbige Wiedergabe einer Verwaltungskarte vom<br />
Jahre 1753 als Frontispiz. Sie zeigt u.a. eine bisher nicht<br />
veröffentlichte Darstellung der Burg Hohenzollern und der<br />
Stadt Hechingen.<br />
Barbara Scholkmann: Burg Baldenstein. Das »Alte Schloß«<br />
bei Gammertingen<br />
Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen, 20.- DM.<br />
In Nr. 1/1982 der Hohenz. Heimat wurde ausführlich über<br />
die Arbeiten von Frau Dr. Barbara Scholkmann berichtet<br />
(Burg Baldenstein, Sitz der Grafen von Gammertingen).<br />
Diese sind nun mit Unterstützung der Stadt Gammertingen<br />
in Buchform erschienen. Am 26. November 1982 wurde das<br />
Buch im Rahmen einer Vortragsveranstaltung in Gammertingen<br />
der Öffentlichkeit vorgestellt. Das hervorragend ausgestattete<br />
Buch ist nicht nur für jeden Heimatfreund von<br />
Interesse, sondern auch als Geschenk geeignet.<br />
63
Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> <strong>Geschichtsverein</strong><br />
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />
W <strong>3828</strong> FX<br />
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />
Ausstellung Kloster Inzigkofen<br />
Vom 25. September bis 3. Oktober 1982 veranstaltete die<br />
Gemeinde Inzigkofen in den ehemaligen Klosterräumen,<br />
dem heutigen Volkshochschulheim, eine Ausstellung:<br />
»Kloster Inzigkofen, Geschichte und Kultur eines Augustinerinnenchorfrauenstiftes<br />
(1354—1856)«. Es war ein sehr<br />
verdienstvolles Unternehmen, die kulturelle Hinterlassenschaft<br />
des Klosters in die alten Räume zurückzubringen und<br />
sie der Öffentlichkeit in einer Ausstellung zugänglich zu<br />
machen. Das Kloster Inzigkofen wurde durch die Säkularisation<br />
nicht so rücksichtslos aufgehoben wie die meisten anderen<br />
Klöster Oberschwabens. Bis 1856 lebten noch Chorfrauen<br />
in dem alten Kloster. Nach ihrem Tode wurden von<br />
Pfarrer Thomas Geiselhart zahlreiche Kunstwerke gerettet,<br />
die man sonst wahrscheinlich verschleudert und vernichtet<br />
hätte. Klosterurkunden, Handschriften und Bücher waren<br />
schon vorher ins Fürstliche Archiv und in die Hofbibliothek<br />
gekommen, einiges gelangte später ins Kloster Beuron. Manche<br />
klösterliche Hinterlassenschaft kam auch in Privatbesitz.<br />
Unter Mithilfe des Staatsarchivs Sigmaringen, vor allem<br />
Herrn Dr. Becker und Herrn Bartl Ismann, wurde eine<br />
vorbildliche Ausstellung gestaltet. In 30 Urkunden über<br />
Stiftungen und Käufe spiegelten sich Aufbau und Konsolidierung<br />
des Klosters und seines Besitzes im 14. und 15. Jahrhundert.<br />
Zahlreiche Gemälde und Plastiken zeugten vom reichen<br />
Kunstbesitz des Klosters, dessen bestes Stück heute als die<br />
Berliner Christus-Johannes-Gruppe in der Kunstwelt<br />
berühmt ist. Man spricht allerdings von einer Sigmaringer<br />
Gruppe und verschweigt Kloster Inzigkofen, wo sie Jahrhunderte<br />
lang ihre Heimat hatte. Der Ausstellungskatalog beschreibt<br />
167 Exponate und berichtet gleichzeitig zur Geschichte<br />
von Inzigkofen, zum klösterlichen Leben und den<br />
kulturellen Schätzen. Für jeden der zahlreichen Besucher war<br />
die Ausstellung eine Freude und ein Gewinn.<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
hrsggbn. vom Hohenz. <strong>Geschichtsverein</strong>.<br />
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />
ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />
und der angrenzenden Landesteile mit der<br />
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />
bringt neben fachhistorischen auch populär<br />
gehaltene Beiträge.<br />
Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />
Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />
802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />
12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />
Druck:<br />
M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH &i Co.,<br />
7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />
64<br />
Die Autoren dieser Nummer:<br />
An unsere Leser<br />
Hermann Bayer<br />
Fürstlich Hohenzollernsche Hüttenverwaltung<br />
Laucherthal, 7485 Sigmaringendorf<br />
Walter Bleicher, Rektor<br />
Schlehenweg 5, 7947 Mengen<br />
Dr. Wolfgang Irtenkauf<br />
An der Lehmgrube 35, 7257 Ditzingen<br />
Pfr. Johann Adam Kraus<br />
Erzbischöfl. Archivar i. R.<br />
Badstraße 8, 7800 Freiburg-Littenweiler<br />
Dr. Maren Kuhn-Rehfus<br />
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />
Josef Mühlebach<br />
Landesverw. Rat i. R.,<br />
Leopoldstraße 41, 7480 Sigmaringen<br />
Johannes Wannenmacher, Schulrat i.R.,<br />
Eichertstraße 9, 7487 Gammertingen<br />
Die allgemeine Kostenerhöhung geht leider auch an<br />
der »Hohenz. Heimat« nicht spurlos vorbei. Ab 1983<br />
müssen wir leider den Bezugspreis auf jährlich 8 DM<br />
erhöhen. Wer den Bezugspreis nicht abbuchen läßt,<br />
möge bitte für 1983 8 DM überweisen. Die Konten:<br />
Hohenz. Landesbank Sigmaringen Nr. 802507 (BLZ<br />
653 51050) und Postscheckamt Stuttgart Nr. 12363-<br />
707.<br />
Ausstellung der Kunstfreunde<br />
Donau e. V. in Herbertingen<br />
An zwei Wochenenden und am Büß- und Bettag im November<br />
1982 fand die diesjährige Ausstellung der Kunstfreunde<br />
Donau in Herbertingen statt. Sie stand unter dem Thema<br />
»Brauch und Sitte«. Erinnerungen und Liebesgaben von der<br />
Wiege bis zur Bahre. Bäuerliche Portraits, Trachten, Möbel<br />
und alte Schlösser. Der Heuneburgverein brachte eine Tonbildschau<br />
und stellte Keltische Grabfunde aus. Freizeitkünstler<br />
zeigten in einer Verkaufsschau ihre Arbeiten. Es ist kaum<br />
zu glauben, welche Fülle von Gegenständen der Verein zum<br />
Thema Brauch und Sitte zusammengetragen hatte. Der Katalog<br />
führte 80 Nummern auf, wobei sich meistens unter einer<br />
Nummer zahlreiche Exponate verbargen. Beispiel Kat. Nr.<br />
1, Vitrine mit 40 Taufbriefen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert<br />
usw. Kat. Nr. 31, Kasten mit 150 Wallfahrtsandenken aus<br />
dem Süddeutschen Raum, darunter Walpurgis-Ölfläschchen,<br />
Skapuliere, Reliquienbehälter, Reliquienkreuze, Breverle<br />
usw. Kat. Nr. 58, 10 Votivtafeln aus Oberschwaben. Kat.<br />
Nr. 61, 40 (!) Totenandenken in verschiedenen Darstellungen<br />
als Graphik, Hinterglas-Stick- oder Haarbild, darunter zwei<br />
große Totentafeln der Walburga Enderle (Feldstetten).<br />
Bei den Freizeitkünstlern gab es ebenfalls eine Menge von<br />
Gegenständen, die fast alle verkäuflich waren. Die Preise<br />
waren teilweise zivil, so daß sich mancher Besucher einen -<br />
vielleicht lange gehegten - Wunsch erfüllen konnte.<br />
Schriftleitung:<br />
Dr. med. Herbert Burkarth,<br />
7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />
Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />
persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />
sind als solche gekennzeichnet.<br />
Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />
Heimat« weiter zu empfehlen.