09/2017
Fritz + Fränzi
Fritz + Fränzi
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Dossier<br />
Mit Geschichten zu innerer Stärke<br />
Ein Mittel, um Kinder in ihrer Resilienz zu fördern, ist die sogenannte «Heldenreise».<br />
Eine Anleitung für Lehrpersonen. Text: Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler<br />
Jedes Kind bringt seine Ge <br />
schichte mit ins Klassenzimmer.<br />
Manche sind geprägt von<br />
einem liebevollen Familienklima,<br />
schulischen Erfolgserlebnissen<br />
und stabilen Freundschaften.<br />
Andere kämpfen an allen Fronten.<br />
Der Lehrer Daniel Pennac schreibt<br />
dazu in seinem Buch «Schulkummer»:<br />
«Unsere ‹schlechten Schüler›<br />
(jene, aus denen angeblich nichts<br />
wird) kommen nie unbeschwert.<br />
Was da die Klasse betritt, ist eine<br />
Zwiebel: mehrere Schichten aus<br />
Kummer, Angst, Sorgen, Groll, Wut,<br />
ungestillten Begierden, zorniger<br />
Resignation, die sich um einen Kern<br />
schmachvoller Vergangenheit,<br />
bedrohlicher Gegenwart und verbauter<br />
Zukunft legen. Wirklich be <br />
ginnen kann der Unterricht erst,<br />
wenn dieses Gepäck abgestellt und<br />
die Zwiebel geschält ist.»<br />
Doch wie kann man als Lehrperson<br />
dazu beitragen, dass Schüler/<br />
innen ihren Rucksack für einen<br />
Moment abstellen und sich auf den<br />
Unterricht einlassen können? Und<br />
wie stärkt man Kinder für den<br />
Umgang mit schwierigen Situationen?<br />
Eine Möglichkeit dazu bietet die<br />
Heldenreise. Sie regt Kinder und<br />
Jugendliche dazu an, Modelle für<br />
den Umgang mit Krisen und Widrigkeiten<br />
zu entdecken, und sensibilisiert<br />
sie dafür, das Heldenhafte an<br />
ihrer eigenen Lebensgeschichte auf<br />
Helden sind stark, loyal<br />
und klug, aber es gibt auch die<br />
andere, zweifelnde Seite.<br />
zuspüren. Sie inspiriert zu Lösungen<br />
und Tugenden wie Tapferkeit, Mut,<br />
Ausdauer, Hilfsbereitschaft, Grosszügigkeit<br />
oder Hingabe. Die Arbeit<br />
am Thema Helden eröffnet die Möglichkeit,<br />
Kinder in schwierigen<br />
Situa tionen zu begleiten, ohne sich<br />
als Lehrperson in der Rolle des Helfers<br />
zu verlieren. Darüber hinaus<br />
können sich die Schüler/innen austauschen,<br />
einander besser kennenlernen<br />
und sich gegenseitig eine<br />
Hilfe sein, während ganz normaler<br />
Unterricht stattfindet. Es gibt eine<br />
Vielzahl an Möglichkeiten, die Heldenreise<br />
in den Unterricht zu integrieren.<br />
Eine Variante stellen wir<br />
Ihnen nachfolgend vor.<br />
1. Heldengeschichten sammeln<br />
In einem ersten Schritt tragen die<br />
Kinder Heldengeschichten zusammen.<br />
Sie können dazu:<br />
• einen Aufsatz über das Thema<br />
«Wer ist für mich eine Heldin<br />
oder ein Held?» schreiben;<br />
• Figuren oder Bilder ihrer Lieblingshelden<br />
aus der Realität, aus<br />
Filmen oder aus Comics mitbringen;<br />
• ihre Eltern oder Bezugspersonen<br />
in terviewen, wer für diese aus<br />
welchem Grund heldenhaft ist.<br />
Es lohnt sich gerade bei jüngeren<br />
Kindern, auch die Eltern oder Grosseltern<br />
zu diesem Thema befragen zu<br />
lassen. Andernfalls läuft man Gefahr,<br />
dass sich die Beispiele auf Batman,<br />
Spiderman & Co. beschränken. Die<br />
Schüler/innen können der Klasse<br />
ihre Helden vorstellen, indem sie<br />
eine Passage aus einem Buch vorlesen,<br />
wichtige Stationen aus dem<br />
Leben in einem Kurzvortrag be <br />
leuchten oder die wichtigsten Eigenschaften<br />
auf einem Plakat oder<br />
Steckbrief festhalten.<br />
2. Das Heldenhafte herausarbeiten<br />
Nachdem einige Heldinnen und Helden<br />
vorgestellt und deren Geschichten<br />
besprochen wurden, werden in<br />
der Klasse Gemeinsamkeiten herausgearbeitet.<br />
Sie können sich dabei<br />
an den folgenden Leitfragen orientieren:<br />
• Was zeichnet eine Heldin bzw.<br />
einen Helden aus?<br />
• Wie ist eine typische Heldengeschichte<br />
aufgebaut? Welchen<br />
chronologischen Verlauf weist sie<br />
auf? Welche Elemente gehören<br />
dazu?<br />
Meist stellen die Kinder zuerst das<br />
Offensichtliche fest: Helden sind<br />
stark, loyal, klug, mutig oder tapfer.<br />
Langsam, oft auch durch Anleitung,<br />
entdecken sie die anderen Seiten: Sie<br />
merken, dass ihre Helden zu Beginn<br />
unsicher sind, sich weigern, die<br />
ihnen gestellte Herausforderung<br />
anzunehmen, und immer wieder an<br />
sich zweifeln. Es wird ihnen bewusst,<br />
dass Helden nicht alleine stark sind,<br />
sondern auf Gefährten und eine/n<br />
Mentor/in angewiesen sind. Sie<br />
erkennen, dass jemand nicht von<br />
Anfang an ein Held ist, sondern sich<br />
die charakteristischen Eigenschaften<br />
in einem inneren und äusseren Ringen<br />
erwirbt, indem er sich Herausforderungen<br />
stellt, Verletzungen aus<br />
der Vergangenheit überwindet, Versuchungen<br />
widersteht – und dabei<br />
über sich hinauswachsen muss.<br />
3. Den Transfer ins eigene Leben<br />
anregen<br />
In einem dritten Schritt werden die<br />
Schüler/innen dazu angeregt, sich<br />
26 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi