09/2017

Fritz + Fränzi Fritz + Fränzi

08.09.2017 Aufrufe

Dossier 22 September 2017 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

Dossier >>> sam mit ihr überlege, wie sie reagieren könnte. Ich hingegen möchte kurz sagen können, wie es mir geht – und dann bitte nicht darüber sprechen müssen. Ein Glas Wein und ein guter Film sind für mich genau das Richtige, wenn ich frustriert bin. Um eine Lösung kümmere ich mich gerne am nächsten Tag, falls das dann überhaupt noch nötig ist. Was tut Ihnen gut, wenn Sie gestresst sind? Was benötigt Ihr Partner / Ihre Partnerin, wenn er oder sie frustriert oder enttäuscht ist? Was hilft Ihren Kindern, wenn sie traurig sind? Je genauer einzelne Familienmitglieder wissen, welche Bedürfnisse die anderen haben, desto besser können sie sich gegenseitig unterstützen. Je besser ein Kind weiss, was ihm guttut, desto leichter kann es einen guten Umgang mit schwierigen Gefühlen finden. Vielleicht sorgen diese Fragen während eines Ausflugs, einer Zugfahrt oder einer Wanderung für spannenden Gesprächsstoff? Selbstvertrauen und Problemlösekompetenz Widerstandskraft ist kein angeborenes Merkmal. Sie entwickelt sich im Laufe der Zeit, indem sich das Kind mit seiner Umwelt auseinandersetzt. Dabei erstarkt unser «psychisches Immunsystem» nur dann, wenn es ab und zu aktiviert wird, wenn Herausforderungen da sind, die unsere Widerstandskräfte mobilisieren. Jedes Problem, mit dem ein Kind konfrontiert wird, stellt auch eine Möglichkeit dar, Fähigkeiten im Umgang mit Problemen zu entwickeln, Selbstvertrauen zu gewinnen und sich als wirksam zu erleben. Hat ein Kind eine Belastung erfolgreich bewältigt oder ein Problem gelöst, geht es gestärkt aus dieser Erfahrung hervor. Nur so entwickelt es die realistische, positive Erwartung, dass es auch künftige Schwierigkeiten meistern kann. Was bedeutet das für uns als Eltern oder Lehrpersonen? Studien zur Resilienz haben immer wieder gezeigt, dass die Bezugspersonen, die für die resilienten Kinder prägend waren, dem Kind nicht nur Liebe und Wertschätzung entgegenbrachten, sondern es auch herausforderten und ihm etwas zutrauten. Wenn ein Kind das Gefühl hat, zu dumm zu sein oder etwas nicht zu schaffen, dann benötigt es keine «Du schaffst das!»-Parolen oder jemand, der ihm alles abnimmt, sondern Erwachsene, die die Unsicherheit des Kindes aushalten können und die Geduld aufbringen, mit ihm nach einer Lösung zu suchen. Auch hier ist es hilfreich, zunächst die Gefühle des Kindes zu spiegeln: «Das scheint dir im Moment wie ein riesiger Berg» oder «Du kannst dir gerade nicht vorstellen, dass du das jemals können wirst». Problemlösekompetenzen entwickeln Kinder, wenn wir ihnen dabei helfen, sich in Ruhe mit einer Aufgabe auseinanderzusetzen: «Komm, jetzt lesen wir die Aufgabe mal durch», «Weisst du, was du machen musst?», «Was hast du davon verstanden?». Wir können ihm den aktuellen Stand bewusst machen und ihm helfen, Ziele und einen Plan zu entwickeln. Vielleicht hat sich Ihre Tochter heftig mit der besten Freundin zerstritten? Eine wunderbare Möglichkeit, soziale Kompetenzen zu trainieren und die Erfahrung zu machen, dass Konflikte lösbar sind. Die Eltern könnten sagen: «Bei so einem Streit hat man oft das Gefühl: Das wird nie wieder gut. Weisst du, ich glaube, für Amelie ist es genauso schwierig wie für dich. Und ich glaube, nach der ersten Wut würde sie sich auch gerne wieder mit dir vertragen. Wollen wir überlegen, wie ihr das wieder hinbekommt?» Problemlösekompetenzen und Selbstvertrauen entwickeln Kinder dann, wenn sie zwar Hilfe erhalten, aber nur so wenig wie nötig – ganz nach dem Motto von Maria >>> Je besser ein Kind weiss, was ihm guttut, desto leichter findet es einen guten Umgang mit schwierigen Gefühlen. Literaturtipps Für Forschungsinteressierte • Resilienz. Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern. Von Dr. Corina Wustmann Seiler sowie Dr. Wassilios E. Fthenakis (Hrsg.). 6. Auflage. Cornelsen Verlag 2004. • Resilienz. Von Klaus Fröhlich-Gildhoff und Maike Rönnau-Böse. 4. Auflage Auflage. UTB GmbH 2015. Biografien von resilienten Persönlichkeiten Viele Menschen, die Spuren hinterlassen haben, mussten Schreckliches erleben: Charles Chaplin wuchs in einem Armenhaus auf, Anne Frank starb in einem KZ, Viktor Frankl und Nelson Mandela mussten Jahre der Gefangenschaft erdulden. Ihre Geschichten inspirieren Jugendliche und Erwachsene gleichermassen. • Tagebuch. Anne Frank. Fischer Taschenbuch Verlag 2011. • Die Geschichte meines Lebens. Charles Chaplin. Fischer Taschenbuch Verlag 1998. • … trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager. Viktor E. Frankl. Kösel-Verlag 2009. • Der lange Weg zur Freiheit. Nelson Mandela. Fischer Taschenbuch Verlag 1997. Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi September 201723

Dossier<br />

>>> sam mit ihr überlege, wie sie<br />

reagieren könnte. Ich hingegen<br />

möchte kurz sagen können, wie es<br />

mir geht – und dann bitte nicht darüber<br />

sprechen müssen. Ein Glas Wein<br />

und ein guter Film sind für mich<br />

genau das Richtige, wenn ich frustriert<br />

bin. Um eine Lösung kümmere<br />

ich mich gerne am nächsten Tag, falls<br />

das dann überhaupt noch nötig ist.<br />

Was tut Ihnen gut, wenn Sie<br />

gestresst sind? Was benötigt Ihr<br />

Partner / Ihre Partnerin, wenn er<br />

oder sie frustriert oder enttäuscht<br />

ist? Was hilft Ihren Kindern, wenn<br />

sie traurig sind? Je genauer einzelne<br />

Familienmitglieder wissen, welche<br />

Bedürfnisse die anderen haben, desto<br />

besser können sie sich gegenseitig<br />

unterstützen. Je besser ein Kind<br />

weiss, was ihm guttut, desto leichter<br />

kann es einen guten Umgang mit<br />

schwierigen Gefühlen finden. Vielleicht<br />

sorgen diese Fragen während<br />

eines Ausflugs, einer Zugfahrt oder<br />

einer Wanderung für spannenden<br />

Gesprächsstoff?<br />

Selbstvertrauen und Problemlösekompetenz<br />

Widerstandskraft ist kein angeborenes<br />

Merkmal. Sie entwickelt sich im<br />

Laufe der Zeit, indem sich das Kind<br />

mit seiner Umwelt auseinandersetzt.<br />

Dabei erstarkt unser «psychisches<br />

Immunsystem» nur dann, wenn es<br />

ab und zu aktiviert wird, wenn Herausforderungen<br />

da sind, die unsere<br />

Widerstandskräfte mobilisieren.<br />

Jedes Problem, mit dem ein Kind<br />

konfrontiert wird, stellt auch eine<br />

Möglichkeit dar, Fähigkeiten im<br />

Umgang mit Problemen zu entwickeln,<br />

Selbstvertrauen zu gewinnen<br />

und sich als wirksam zu erleben. Hat<br />

ein Kind eine Belastung erfolgreich<br />

bewältigt oder ein Problem gelöst,<br />

geht es gestärkt aus dieser Erfahrung<br />

hervor. Nur so entwickelt es die realistische,<br />

positive Erwartung, dass es<br />

auch künftige Schwierigkeiten meistern<br />

kann.<br />

Was bedeutet das für uns als<br />

Eltern oder Lehrpersonen? Studien<br />

zur Resilienz haben immer wieder<br />

gezeigt, dass die Bezugspersonen,<br />

die für die resilienten Kinder prägend<br />

waren, dem Kind nicht nur<br />

Liebe und Wertschätzung entgegenbrachten,<br />

sondern es auch herausforderten<br />

und ihm etwas zutrauten.<br />

Wenn ein Kind das Gefühl hat,<br />

zu dumm zu sein oder etwas nicht<br />

zu schaffen, dann benötigt es keine<br />

«Du schaffst das!»-Parolen oder<br />

jemand, der ihm alles abnimmt,<br />

sondern Erwachsene, die die Unsicherheit<br />

des Kindes aushalten können<br />

und die Geduld aufbringen, mit<br />

ihm nach einer Lösung zu suchen.<br />

Auch hier ist es hilfreich, zunächst<br />

die Gefühle des Kindes zu spiegeln:<br />

«Das scheint dir im Moment wie ein<br />

riesiger Berg» oder «Du kannst dir<br />

gerade nicht vorstellen, dass du das<br />

jemals können wirst».<br />

Problemlösekompetenzen entwickeln<br />

Kinder, wenn wir ihnen dabei<br />

helfen, sich in Ruhe mit einer Aufgabe<br />

auseinanderzusetzen: «Komm,<br />

jetzt lesen wir die Aufgabe mal<br />

durch», «Weisst du, was du machen<br />

musst?», «Was hast du davon verstanden?».<br />

Wir können ihm den aktuellen<br />

Stand bewusst machen und ihm helfen,<br />

Ziele und einen Plan zu entwickeln.<br />

Vielleicht hat sich Ihre Tochter<br />

heftig mit der besten Freundin zerstritten?<br />

Eine wunderbare Möglichkeit,<br />

soziale Kompetenzen zu trainieren<br />

und die Erfahrung zu<br />

machen, dass Konflikte lösbar sind.<br />

Die Eltern könnten sagen: «Bei so<br />

einem Streit hat man oft das Gefühl:<br />

Das wird nie wieder gut. Weisst du,<br />

ich glaube, für Amelie ist es genauso<br />

schwierig wie für dich. Und ich<br />

glaube, nach der ersten Wut würde<br />

sie sich auch gerne wieder mit dir<br />

vertragen. Wollen wir überlegen,<br />

wie ihr das wieder hinbekommt?»<br />

Problemlösekompetenzen und<br />

Selbstvertrauen entwickeln Kinder<br />

dann, wenn sie zwar Hilfe erhalten,<br />

aber nur so wenig wie nötig – ganz<br />

nach dem Motto von Maria >>><br />

Je besser ein Kind weiss, was<br />

ihm guttut, desto leichter<br />

findet es einen guten Umgang<br />

mit schwierigen Gefühlen.<br />

Literaturtipps<br />

Für Forschungsinteressierte<br />

• Resilienz. Widerstandsfähigkeit von<br />

Kindern in Tageseinrichtungen fördern.<br />

Von Dr. Corina Wustmann Seiler sowie<br />

Dr. Wassilios E. Fthenakis (Hrsg.).<br />

6. Auflage. Cornelsen Verlag 2004.<br />

• Resilienz. Von Klaus Fröhlich-Gildhoff und<br />

Maike Rönnau-Böse. 4. Auflage Auflage.<br />

UTB GmbH 2015.<br />

Biografien von resilienten<br />

Persönlichkeiten<br />

Viele Menschen, die Spuren hinterlassen<br />

haben, mussten Schreckliches erleben:<br />

Charles Chaplin wuchs in einem Armenhaus<br />

auf, Anne Frank starb in einem KZ, Viktor<br />

Frankl und Nelson Mandela mussten<br />

Jahre der Gefangenschaft erdulden. Ihre<br />

Geschichten inspirieren Jugendliche und<br />

Erwachsene gleichermassen.<br />

• Tagebuch. Anne Frank. Fischer<br />

Taschenbuch Verlag 2011.<br />

• Die Geschichte meines Lebens. Charles<br />

Chaplin. Fischer Taschenbuch Verlag<br />

1998.<br />

• … trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein<br />

Psychologe erlebt das Konzentrationslager.<br />

Viktor E. Frankl. Kösel-Verlag 20<strong>09</strong>.<br />

• Der lange Weg zur Freiheit. Nelson<br />

Mandela. Fischer Taschenbuch Verlag<br />

1997.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>23

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