09/2017

Fritz + Fränzi Fritz + Fränzi

08.09.2017 Aufrufe

Dossier >>> sein e Gefühle auszudrücken und mit diesen umzugehen? Der Resilienzforscher Klaus Fröhlich-Gildhoff unterscheidet drei Reaktionsmöglichkeiten, von denen nur eine sinnvoll ist: • Manche Eltern möchten das Kind trösten, indem sie das Problem als Bagatelle abtun: «Ist doch nicht so schlimm.» Das birgt das Risiko, dass das Kind sich nicht ernst genommen fühlt. Vielleicht vertraut es mit der Zeit den eigenen Gefühlen nicht mehr oder behält diese lieber für sich. • Ähnlich ungünstig ist es, wenn die Eltern von ihren eigenen Gefühlen übermannt werden und sich dadurch nicht mehr um das Kind kümmern können. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn sie derart wütend werden, dass sie das Ruder an sich reissen und gleich die Lehrperson anrufen oder in der Schule vorstellig werden. Manchmal werden dadurch Schwierigkeiten, die für das Kind zuvor noch gut zu handhaben schienen, durch die Eltern derart aufgebauscht, dass sie plötzlich unüberwindbar wirken. • Hilfreich wäre, wenn die Eltern dem Kind zunächst nur zuhören: Was ist genau passiert? Wie hast du dich dabei gefühlt? Sie können dazu die Gefühle des Kindes spiegeln: «Das hat dich sicher sehr geärgert.» Doch wie können wir in solchen Situationen beim Kind bleiben, anstatt uns in eigenen Gefühlen zu verlieren? Vielleicht hilft es, wenn wir unsere Emotionen mit dem Kind teilen: «Das ärgert mich gerade auch!» Beruhigend wirkt auch der Gedanke, dass wir nicht gleich etwas unternehmen müssen. Wir dürfen uns darauf konzentrieren, für unser Kind da zu sein, zuzuhören und mit ihm gemeinsam zu überlegen, wie es mit der Situation umgehen will. Dabei wird sich zeigen, ob es überhaupt weitere Hilfe von uns will und, wenn ja, in welcher Form. Sich um die Emotionen des Kindes kümmern Bei der Arbeit mit Eltern durften wir immer wieder erfahren, dass es für Kind und Eltern entlastend ist, wenn sich Eltern zunächst ausschliesslich um die Gefühle des Kindes kümmern und nicht schon an eine Lösung denken. Wenn wir starke unangenehme Emotionen wie Ärger, Wut, Enttäuschung oder Angst empfinden, ist ein spezifischer Bereich in unserem Gehirn aktiv: die Amygdala. Wenn dieser Bereich feuert, geht die Hirntätigkeit in unserem präfrontalen Kortex, dem Sitz unseres bewussten Denkens, zurück. Genau diesen Bereich benötigen wir jedoch, um uns eine Lösung zu überlegen. In diesem Zustand werden auch Ideen und Lösungsvorschläge von aussen keinen Anklang finden: Sie reden gegen eine Wand. Ganz egal, ob es sich beim Gesprächspartner um ein Kind oder einen Erwachsenen handelt. Eltern können ihr Kind in diesem Moment aber fragen, was ihm jetzt guttun würde, und ihm versichern, dass sie gemeinsam mit ihm nach einer Lösung suchen werden, sobald es sich etwas besser fühlt: «Wir werden etwas unternehmen. Aber jetzt kochen und essen wir erst mal. Und nach dem Essen überlegen wir uns, was wir tun könnten.» «Fabian, hast du Zeit für mich?» Wenn meine Frau nach Hause kommt und enttäuscht oder wütend ist, schätzt sie es, wenn ich ihr eine halbe Stunde konzentriert zuhöre und vielleicht auch gemein- Widerstandskraft ist nicht angeboren. Sie entwickelt sich, indem das Kind sich mit seiner Umwelt auseinandersetzt. >>> 20

Dossier Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi September 201721

Dossier<br />

>>> sein e Gefühle auszudrücken<br />

und mit diesen umzugehen?<br />

Der Resilienzforscher Klaus<br />

Fröhlich-Gildhoff unterscheidet<br />

drei Reaktionsmöglichkeiten, von<br />

denen nur eine sinnvoll ist:<br />

• Manche Eltern möchten das Kind<br />

trösten, indem sie das Problem<br />

als Bagatelle abtun: «Ist doch<br />

nicht so schlimm.» Das birgt das<br />

Risiko, dass das Kind sich nicht<br />

ernst genommen fühlt. Vielleicht<br />

vertraut es mit der Zeit den eigenen<br />

Gefühlen nicht mehr oder<br />

behält diese lieber für sich.<br />

• Ähnlich ungünstig ist es, wenn<br />

die Eltern von ihren eigenen<br />

Gefühlen übermannt werden und<br />

sich dadurch nicht mehr um das<br />

Kind kümmern können. Dies<br />

wäre beispielsweise der Fall,<br />

wenn sie derart wütend werden,<br />

dass sie das Ruder an sich reissen<br />

und gleich die Lehrperson anrufen<br />

oder in der Schule vorstellig<br />

werden. Manchmal werden<br />

dadurch Schwierigkeiten, die für<br />

das Kind zuvor noch gut zu handhaben<br />

schienen, durch die Eltern<br />

derart aufgebauscht, dass sie<br />

plötzlich unüberwindbar wirken.<br />

• Hilfreich wäre, wenn die Eltern<br />

dem Kind zunächst nur zuhören:<br />

Was ist genau passiert? Wie hast<br />

du dich dabei gefühlt? Sie können<br />

dazu die Gefühle des Kindes spiegeln:<br />

«Das hat dich sicher sehr<br />

geärgert.»<br />

Doch wie können wir in solchen<br />

Situationen beim Kind bleiben,<br />

anstatt uns in eigenen Gefühlen zu<br />

verlieren? Vielleicht hilft es, wenn<br />

wir unsere Emotionen mit dem Kind<br />

teilen: «Das ärgert mich gerade<br />

auch!» Beruhigend wirkt auch der<br />

Gedanke, dass wir nicht gleich etwas<br />

unternehmen müssen. Wir dürfen<br />

uns darauf konzentrieren, für unser<br />

Kind da zu sein, zuzuhören und mit<br />

ihm gemeinsam zu überlegen, wie<br />

es mit der Situation umgehen will.<br />

Dabei wird sich zeigen, ob es überhaupt<br />

weitere Hilfe von uns will und,<br />

wenn ja, in welcher Form.<br />

Sich um die Emotionen des Kindes<br />

kümmern<br />

Bei der Arbeit mit Eltern durften wir<br />

immer wieder erfahren, dass es für<br />

Kind und Eltern entlastend ist, wenn<br />

sich Eltern zunächst ausschliesslich<br />

um die Gefühle des Kindes kümmern<br />

und nicht schon an eine<br />

Lösung denken. Wenn wir starke<br />

unangenehme Emotionen wie Ärger,<br />

Wut, Enttäuschung oder Angst empfinden,<br />

ist ein spezifischer Bereich<br />

in unserem Gehirn aktiv: die Amygdala.<br />

Wenn dieser Bereich feuert,<br />

geht die Hirntätigkeit in unserem<br />

präfrontalen Kortex, dem Sitz unseres<br />

bewussten Denkens, zurück.<br />

Genau diesen Bereich benötigen wir<br />

jedoch, um uns eine Lösung zu überlegen.<br />

In diesem Zustand werden<br />

auch Ideen und Lösungsvorschläge<br />

von aussen keinen Anklang finden:<br />

Sie reden gegen eine Wand. Ganz<br />

egal, ob es sich beim Gesprächspartner<br />

um ein Kind oder einen Erwachsenen<br />

handelt.<br />

Eltern können ihr Kind in diesem<br />

Moment aber fragen, was ihm jetzt<br />

guttun würde, und ihm versichern,<br />

dass sie gemeinsam mit ihm nach<br />

einer Lösung suchen werden, sobald<br />

es sich etwas besser fühlt: «Wir werden<br />

etwas unternehmen. Aber jetzt<br />

kochen und essen wir erst mal. Und<br />

nach dem Essen überlegen wir uns,<br />

was wir tun könnten.»<br />

«Fabian, hast du Zeit für mich?»<br />

Wenn meine Frau nach Hause<br />

kommt und enttäuscht oder wütend<br />

ist, schätzt sie es, wenn ich ihr eine<br />

halbe Stunde konzentriert zuhöre<br />

und vielleicht auch gemein-<br />

Widerstandskraft ist<br />

nicht angeboren. Sie<br />

entwickelt sich, indem das<br />

Kind sich mit seiner<br />

Umwelt auseinandersetzt. >>><br />

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