09/2017
Fritz + Fränzi
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Fr. 7.50 9/September <strong>2017</strong><br />
Cybermobbing<br />
Wie Mitschülerinnen<br />
das Leben von Laila, 14,<br />
zur Hölle machten<br />
Jesper Juul<br />
Wie Eltern mit ihren<br />
pubertierenden Kindern<br />
umgehen sollten<br />
Was die Seele stark macht<br />
Resilienz
Lernende<br />
gesucht!<br />
Mehr dazu auf<br />
concordia.ch<br />
Bewährte Werte<br />
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Und für jene, denen Klasse wichtiger ist als Masse.<br />
Ihre Gesundheit, bei der CONCORDIA in besten Händen.<br />
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Editorial<br />
Bild: Geri Born<br />
Nik Niethammer<br />
Chefredaktor<br />
Liebe Leserin, lieber Leser<br />
Neulich fragte ich unsere sechsjährige Tochter, wen sie im Kindergarten besonders<br />
gerne mag. «Also der Paul und die Josefine sind nett, die Finja hat tolle<br />
Spielsachen, und der Jonda kann mich sogar hochheben», kam es wie aus der<br />
Pistole geschossen. Dann schaute sie mich mit grossen Augen an: «Und weisst<br />
du, wen ich am liebsten mag? Mich!»<br />
Es gibt wenige Dinge, die Eltern glücklicher machen, als wenn das Kind mit sich<br />
und der Welt im Einklang ist. Wenn es zu Kindergeburtstagen eingeladen wird,<br />
Freunde hat, nicht gehänselt oder gemobbt wird. Und wenn es auch schwierige<br />
Momente meistert, mit Enttäuschungen, Frust und Niederlagen umzugehen<br />
weiss. «Resilienz» nennt die Wissenschaft diesen besonderen Schutz der Seele.<br />
Sie hilft uns, auch grosse Herausforderungen zu bewältigen, an schweren Krisen<br />
nicht zu zerbrechen.<br />
«Du könntest dich auch<br />
einfach selber mögen.<br />
Denk nur an all die Zeit, die<br />
du mit dir verbringen musst.»<br />
Jerry Lewis, US-amerikanischer Komiker,<br />
Sänger und Schauspieler (1926–<strong>2017</strong>)<br />
Die Resilienzforschung ist noch relativ jung; erst seit dem Zweiten Weltkrieg<br />
befassen sich Forscher intensiv mit der Frage, wie wir gesund bleiben, was uns im<br />
Umgang mit Belastungen schützt und wie wir Wohlbefinden<br />
erlangen. Was man heute mit Sicherheit weiss: Resiliente Menschen<br />
besitzen eine ausgeprägte Selbstwahrnehmung, sie<br />
können ihre Gefühle regulieren, Probleme analysieren und<br />
lösungsorientiert bewältigen. Insbesonere können sie negative<br />
Gedanken vergleichsweise gut aushalten und ablegen; sie<br />
fokussieren sich auf ihre Kräfte, sind in der Regel optimistisch<br />
und wenig ängstlich.<br />
Wir haben die Psychologen Fabian Grolimund und Stefanie<br />
Rietzler gebeten, uns zu erklären, wie Kinder diese Widerstandskraft erwerben.<br />
Und was Eltern dabei tun können. Die gute Nachricht: Resilienz ist lernbar.<br />
Was die Seele stark macht – ab Seite 10.<br />
«Der Weg zur inneren Stärke» ist auch Thema unserer nächsten Hausveranstaltung<br />
im Kulturpark Zürich. Am 24. Oktober sind die Autoren dieses<br />
Dossiers (und des Dossiers «Was Kinder stark macht» aus dem Frühjahr<br />
2015) zu Gast – und Sie sind herzlich eingeladen.<br />
Infos und Anmeldung: www.fritzundfraenzi.ch/resilienz<br />
Ich wünsche Ihnen viel Lesevergnügen mit dieser Ausgabe – und lege Ihnen<br />
diese drei Texte besonders ans Herz:<br />
• «Die Eltern als Sparringspartner» von Jesper Juul – ab Seite 40.<br />
• «Üben, wie man Frust erträgt» von Ruth Fritschi – ab Seite 46.<br />
• «Wo Schule Freude macht» von Claudia Landolt – ab Seite 52.<br />
Herzlichst – Ihr Nik Niethammer<br />
850 Lehrstellen in 25 Berufen | www.login.org
Inhalt<br />
Ausgabe 9 / September <strong>2017</strong><br />
Viele nützliche Informationen finden Sie auch auf<br />
fritzundfraenzi.ch und<br />
facebook.com/fritzundfraenzi.<br />
Psychologie & Gesellschaft<br />
38<br />
Armes, verwöhntes Einzelkind?<br />
Zahlreich sind die Vorurteile über<br />
Kinder ohne Geschwister. Was stimmt<br />
und was ist längst überholt? Dazu:<br />
vier Tipps für Eltern.<br />
Augmented Reality<br />
Dieses Zeichen im Heft bedeutet, dass Sie digitalen Mehrwert<br />
erhalten. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos und<br />
Zusatzinformationen zu den Artikeln.<br />
10<br />
Dossier: Resilienz<br />
10 Was die Seele stark macht<br />
Warum meistern manche Menschen<br />
Schicksalsschläge und andere<br />
zerbrechen daran? Alles über diese<br />
Widerstandskraft, Resilienz genannt.<br />
Bild: Kate Parker<br />
18 So stärken Sie das psychische<br />
Immunsystem Ihres Kindes<br />
Drei einfache und alltagstaugliche<br />
Übungen für Eltern.<br />
28 Wie kommt man als Familie durch eine<br />
Lebenskrise?<br />
Der Buchautor Georges Morand und seine<br />
Kinder erzählen, wie sie die Zeit gemeistert<br />
haben, als die Mutter die Familie verliess.<br />
Cover<br />
Das Foto stammt von<br />
der US-Fotografin Kate<br />
Parker. Es entsprang<br />
der Idee, Mädchen<br />
möglichst autark und<br />
authentisch zu zeigen:<br />
als starke Kinder, die<br />
sie sind.<br />
Bilder: Kate Parker, Herbert Zimmermann / 13 Photo, Samuel Trümpy / 13 Photo, Stephan Rappo / 13 Photo<br />
4
32<br />
52<br />
68<br />
Margret Bürgisser, warum sollten Paare sich<br />
Familien- und Erwerbsarbeit egalitär teilen?<br />
Ein Besuch in einer integrativen Klasse ohne<br />
Prüfungen, Ufzgistress und Wettbewerb.<br />
Cybermobbing: Eine Mutter berichtet, was<br />
ihre Tochter und sie durchmachen mussten.<br />
Erziehung & Schule<br />
42 Interkulturelle Liebe<br />
Verlieben sich die Kinder in einen<br />
Menschen aus einem anderen<br />
Kulturkreis, haben ihre Eltern nicht<br />
selten Vorurteile.<br />
46 Mit Frust umgehen<br />
Kinder können lernen, Wünsche und<br />
Bedürfnisse besser zu kontrollieren.<br />
48 Da treffen sich Bücherwürmer<br />
Ein Überblick über Veranstaltungen.<br />
52 Wo Schule Freude macht<br />
Eine Reportage über eine öffentliche<br />
Schule ohne Hausaufgaben, Prüfungen<br />
und Lehrmittel – und mit Kindern<br />
mit besonderen Bedürfnissen.<br />
62 Sackgeld<br />
Wer bekommt wie viel?<br />
Ernährung & Gesundheit<br />
82 Was tun gegen Akne?<br />
Tipps, um die Pickelplage<br />
einzudämmen.<br />
Digital & Medial<br />
68 Cybermobbing<br />
Eine Mutter beschreibt zusammen mit<br />
ihrer Tochter, wie es ist, in Chats<br />
gemobbt zu werden und sich nicht<br />
mehr in die Schule zu trauen.<br />
76 «Etwas mehr Geduld, bitte!»<br />
Tiefere Frustrationstoleranz wegen<br />
Smartphones? Was Eltern bei der<br />
Medienerziehung beachten sollten.<br />
80 Sicher im Internet<br />
Über Inhalte im Netz, die wirklich<br />
kindgerecht sind.<br />
Rubriken<br />
03 Editorial<br />
06 Entdecken<br />
32 Monatsinterview<br />
Margret Bürgisser forscht über Paare,<br />
die sich Erwerbs- und Familienarbeit<br />
teilen.<br />
40 Jesper Juul<br />
Der Familientherapeut kennt einen<br />
Kniff, wie Eltern mit pubertierenden<br />
Kindern entspannter werden: sie als<br />
«Austauschstudenten» betrachten.<br />
49 Ellen Ringier<br />
Warum der Satz «Ich weiss nichts,<br />
macht nichts» abgrundtief falsch ist.<br />
50 Fabian Grolimund<br />
Wie es Eltern gelingt, ihre Zeit<br />
konstruktiv einzuteilen.<br />
64 Michèle Binswanger<br />
Über das Smartphone und die iGen.<br />
66 Leserbriefe<br />
90 Eine Frage – drei Meinungen<br />
Was tun, wenn die Tochter glaubt, der<br />
Vater liebe die Kinder seiner neuen<br />
Frau mehr als sie?<br />
Service<br />
86 Unser Wochenende …<br />
… in Arosa<br />
88 Verlosung<br />
88 Sponsoren/Impressum<br />
89 Buchtipps<br />
Die nächste Ausgabe erscheint<br />
am 5. Oktober <strong>2017</strong>.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>5
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3 FRAGEN<br />
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und sehen Sie einen<br />
Film-Beitrag über die<br />
neuen Bergtrails.<br />
Spätes Mutterglück<br />
Frauen, die ihre Kinder spät –<br />
ab Mitte 30 – bekommen haben,<br />
sind die besseren Mütter, ergab<br />
eine dänische Studie. Und dies<br />
ausschliesslich wegen ihres<br />
höheren Alters und der damit<br />
einhergehenden psychischen<br />
Reife, so die Forscher. Die 7-<br />
bis 11-jährigen Kinder älterer<br />
Mütter hatten demnach weniger<br />
soziale, emotionale und Verhaltensschwierigkeiten.<br />
Bei<br />
den 15-jährigen Kindern fand<br />
sich kein Unterschied. Befragt<br />
wurden 4741 Mütter des Danish<br />
Longitudinal Survey of Children<br />
in Kopenhagen.<br />
an Christina Hanke, Operations Manager von Foxtrail<br />
«Kinder merken gar nicht, dass sie wandern»<br />
Diesen Sommer eröffnete der Luzerner Veranstalter Foxtrail seine<br />
ersten Bergtrails in der Lenzerheide. Christina Hanke von Foxtrail erzählt,<br />
wie sich die Schnitzeljagd in den Bergen gestaltet.<br />
Interview: Evelin Hartmann<br />
Christina Hanke, was erwartet Familien auf den neuen Bergtrails?<br />
Ziel ist es, den Fuchs in seinem natürlichen Revier, dem Wald<br />
beziehungsweise den Bergen, zu jagen. Einmal auf einem grösstenteils<br />
flach verlaufenden Trail rund um den Heidsee sowie auf einem etwas<br />
anspruchsvolleren Bergtrail von Heidbüel hinab ins Tal. Natürlich nur<br />
symbolisch, dafür aber mit vielen spannenden Aufgaben, die Teilnehmern<br />
die Bergwelt näherbringen sollen.<br />
Wo bekomme ich die Tickets?<br />
Auf unserer Homepage sind die Trails beschrieben und buchbar. Die<br />
Startunterlagen bekommt man per Mail zugeschickt. Die Tickets inklusive<br />
Bus- und Bergbahntickets liegen dann im Tourismusbüro Lenzerheide<br />
zum Abholen bereit.<br />
Kinder sind meist keine begeisterten Wanderer. Wie wollen Sie diese<br />
erreichen?<br />
Das macht der Fuchs für uns. Auf den Trails gibt es so viel zu erleben und<br />
zu entdecken, dass Kinder gar nicht merken, dass sie wandern. Da gilt es<br />
zum Beispiel einen Wasserfall zu stoppen, um trockenen Fusses zu einer<br />
Aufgabe zu gelangen. Den leichteren und kürzeren Trail um den Heidsee<br />
empfehlen wir für Kinder ab 6 Jahren, den etwas anspruchsvolleren<br />
Bergtrail ab etwa 7 beziehungsweise 8 Jahren. Die Trails sind übrigens<br />
das ganze Jahr über begehbar.<br />
www.foxtrail.ch<br />
92 Prozent der Schweizer Eltern<br />
setzen in der Erziehung auf disziplinierende<br />
Massnahmen, zwei Drittel von ihnen auf<br />
ein Computer- und Smartphoneverbot.<br />
(Quelle: Studie, in Auftrag gegeben von der Credit Suisse, bei der 7200 Mütter<br />
und Väter mit Kindern im Alter von 5 bis 14 Jahren befragt wurden.)<br />
Die Käfer kommen<br />
«Mama, wie heisst der Käfer da?» Eltern<br />
stossen schnell an ihre Grenzen, wenn<br />
es um die Benennung heimischerKäfer<br />
geht. Um Kindern die Artenvielfalt in<br />
unseren Wiesen und Wäldern<br />
näherzubringen, geht der Verein<br />
Coleoptera (lat. für Käfer) mit<br />
Schulklassen oder auch kleineren<br />
Privatgruppen regelmässig im Raum<br />
Biel, Bern und Solothurn auf die Pirsch. An diesen<br />
sogenannten Forschertagen untersuchen die Buben und Mädchen<br />
zusammen mit einer Biologin, was in ihrer Umgebung so kreucht<br />
und fleucht. Übrigens: Auch wenn die meisten Käfer im Frühjahr und<br />
Sommer zu entdecken sind, ist die Biologin Lea Kamber noch bis<br />
in die Herbstferien für Coleoptera im Einsatz.<br />
Alle Infos auf www.coleoptera.ch<br />
Bilder: ZVG<br />
6 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Das limitierte Sondermodell Vito Tourer FAMILY.<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>7
Entdecken<br />
Blitzschnell rechnen<br />
243 minus 57 = 251. Oder etwa nicht? Viele<br />
Schüler tun sich mit dem Rechnen schwer.<br />
Was ihnen fehle, sei nicht selten das Verstehen.<br />
Und um zu verstehen, müssten Kinder<br />
die Vorstellung von Zahlen, Grössen und<br />
Operationen selbst im eigenen Kopf aufbauen<br />
oder konstruieren können, sagen die<br />
Gründer von Mathiblitz, einem schweizweit<br />
tätigen Nachhilfeinstitut. Seit beinahe<br />
20 Jahren greifen deren Lehrkräfte rechenschwachen<br />
Schülern unter die Arme –<br />
wollen Ängste und Unsicherheiten abbauen<br />
und dadurch die Freude an den Zahlen<br />
wecken.<br />
Alle Infos auf www.mathiblitz.ch<br />
Tierisch schweizerisch Sagen wir mal, die Schweiz hätte ein offizielles<br />
Nationaltier, so wie Australien das Känguru. Kuh, Murmeltier, Steinbock und Bernhardiner<br />
wären wohl die Topkandidaten. Diesen vier Tieren widmet das Landesmuseum Zürich<br />
jetzt die Ausstellung «tierisch schweizerisch». Lebensechte Tierpräparate, überraschende<br />
Exponate und interaktive Erlebnisstationen laden zu einer Erkundungstour ein. Dabei<br />
entdecken grosse und kleine Besucher Murmeltiere, die tanzen können, Bernhardiner, die<br />
Leben retten, Kühe, die Königinnen werden, und Steinböcke, die auch auf den steilsten<br />
Felsen klettern.<br />
Alle Infos auf www.nationalmuseum.ch<br />
«Bis ins Jahr 2025 werden die<br />
Schülerzahlen in einigen Kantonen<br />
historische Höchststände<br />
erreichen, ohne dass die Politik<br />
mehr Mittel zur Verfügung stellt. »<br />
Stefan Wolter in einem Interview<br />
auf www.aargauerzeitung.ch<br />
Stefan Wolter ist Direktor<br />
der Schweizerischen<br />
Koordinationsstelle für<br />
Bildungsforschung.<br />
Das Okapi hat Husten<br />
Welchen Berufswunsch haben Ihre<br />
Kinder? Tierarzt beziehungsweise<br />
Tierärztin? Dann sei ihnen dieses<br />
Buch empfohlen: «Das Okapi hat<br />
Husten. Geschichten aus dem Alltag<br />
eines Zootierarztes». Dieses liebevoll<br />
gestaltete Buch zeigt, wie im Zoo<br />
Basel die Tiere gepflegt, umsorgt und geheilt werden –<br />
und dass ihre Wehwehchen von unseren gar nicht so weit<br />
entfernt liegen, etwa wenn der Elefant Zahnschmerzen<br />
hat, der Hornrabe wegen grauem Star zum Augenarzt<br />
muss oder eben, das Okapi Husten hat.<br />
«Das Okapi hat Husten – Geschichten aus dem Alltag<br />
eines Zootierarztes», Christian Wenker, Stefan Hoby<br />
und Tanja Dietrich, Christoph Merian Verlag,<br />
etwa 31.90 Franken<br />
Bilder: ZVG, iStockphoto<br />
8 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Rubrik<br />
GÜNSTIG WIRD<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>9
10 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
Der Weg zur<br />
inneren Stärke<br />
Manche Menschen pustet ein Lüftchen um, andere<br />
trotzen Orkanen. «Resilienz» nennt die Wissenschaft jene<br />
Widerstands fähigkeit, die Menschen Krisen meistern und<br />
ein gutes Selbstwertgefühl bewahren lässt. Die gute<br />
Nachricht: Diese Widerstands fähigkeit können Kinder<br />
lernen. Doch wie geschieht das? Und was können Eltern<br />
dafür tun? Eine Annäherung.<br />
Text: Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler Bilder: Kate Parker<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>11
Dossier<br />
Die Bilder zu diesem Dossier stammen von<br />
der Amerikanerin Kate T. Parker, die mit<br />
ihrer Arbeit «Strong is the New Pretty»<br />
bekannt wurde. Ihr gleichnamiges Buch<br />
erscheint im Herbst. Parker lebt mit ihrer<br />
Familie in Atlanta. www.kateparker.com<br />
Hallo Stefanie …» sang<br />
mein Grossvater je <br />
weils aus voller Kehle,<br />
wenn ich an der<br />
Tür klingelte. So<br />
fröhlich war er, egal, ob es sich dabei<br />
um uns Enkel, den Briefträger oder<br />
Kinder aus der Nachbarschaft handelte.<br />
Jeder war willkommen und<br />
wurde angesteckt von seiner unbändigen<br />
Lebensfreude.<br />
Als ich ihm erzählte, dass ich in<br />
der Schule nun Französisch lerne,<br />
antwortete er mir: «Ah, vous parlez<br />
français, Mademoiselle!», und<br />
sprach fliessend auf mich ein. Es<br />
waren meist alltägliche Begebenheiten,<br />
die Bruchstücke seiner Lebensgeschichte<br />
zutage förderten.<br />
Als ich erstaunt nachfragte, wo <br />
her er Französisch könne, meinte er:<br />
«Das ist eine lange Geschichte.» Er<br />
strich sich über die Glatze mit vereinzelten<br />
weissen Haarbüscheln, die<br />
hügelig und vernarbt war von den<br />
Granatsplittern, die sich nicht entfernen<br />
liessen, und erzählte vom<br />
Krieg und der Gefangenschaft: den<br />
vielen Jahren, die er in Kriegsgefangenenlagern<br />
an der italie >>><br />
Resiliente Kinder und<br />
Jugendliche besitzen eine<br />
ausgeprägte<br />
Selbstwahrnehmung.<br />
12 <br />
September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
13
Dossier<br />
14 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
Einem resilienten Kind geht<br />
es nicht einfach schlecht:<br />
es weiss, ob es traurig, wütend,<br />
enttäuscht ist. Oder<br />
einfach nur mies gelaunt.<br />
>>> nisch-französischen Grenze<br />
verbrachte, den Minenfeldern, die<br />
sie räumen mussten, und den jungen<br />
Männern in seiner Umgebung,<br />
die durch Explosionen zu Tode<br />
kamen, erfroren oder verhungerten.<br />
Wann immer ich etwas zum Thema<br />
Resilienz (siehe Box Seite 16) lese,<br />
muss ich an ihn denken. An seine<br />
Widerstandsfähigkeit, seinen Optimismus,<br />
seine Besonnenheit und<br />
seine Fähigkeit, sich über scheinbare<br />
Kleinigkeiten zu freuen. Woher<br />
nahm er diesen ungebrochenen<br />
Lebenswillen und seine Fröhlichkeit?<br />
Die Entstehung von Gesundheit<br />
Seit dem Zweiten Weltkrieg befassen<br />
sich Strömungen der Psychologie<br />
mit der Frage, wie wir gesund bleiben,<br />
was uns im Umgang mit Belastungen<br />
schützt und wie wir Wohlbefinden<br />
erlangen.<br />
Der Erste, der sich mit der «Entstehung<br />
von Gesundheit» auseinandersetzte,<br />
war Aaron Antonovsky. Er<br />
untersuchte Überlebende des Holocaust<br />
und ging der Frage nach, warum<br />
es einigen der Menschen, die die<br />
Schrecken der Konzentrationslager<br />
überlebten, gelang, trotz dieser<br />
Erfahrungen ein zufriedenes Leben<br />
zu führen. Seine Untersuchung zeigte,<br />
dass diese Menschen die Welt als<br />
verstehbar und sinnhaft und sich<br />
selbst als wirksam wahrnahmen.<br />
Einige Jahre später wurden viele<br />
seiner Ergebnisse durch einen neuen<br />
Forschungszweig bestätigt. Die Entwicklungspsychologin<br />
Emmy Werner<br />
startete 1955 gemeinsam mit<br />
ihrer Kollegin Ruth Smith >>><br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>15
Dossier<br />
>>> eine bahnbrechende Untersuchung.<br />
Sie begleitete den gesamten<br />
Geburtsjahrgang 1955 der Insel<br />
Kauai, insgesamt 698 Kinder, über<br />
mehrere Jahrzehnte hinweg. Dabei<br />
stellte sie fest, dass sich rund ein<br />
Drittel der Kinder, die unter schwierigsten<br />
Bedingungen aufwachsen<br />
mussten, trotz aller Widrigkeiten<br />
positiv entwickelte. Kinder, die trotz<br />
grösster Armut, alkohol- oder drogensüchtiger<br />
Eltern oder zerrütteten<br />
Familienverhältnissen zu psychisch<br />
gesunden Erwachsenen heranwuchsen,<br />
bezeichnete sie als resilient.<br />
Weitere Forscher schlossen sich dieser<br />
Strömung an, führten eine Vielzahl<br />
an Studien durch und fanden<br />
mehrere Faktoren, die Kinder, Ju -<br />
gendliche, aber auch Erwachsene im<br />
Umgang mit Belastungen stärken.<br />
Während diese Forschungsbereiche<br />
der Frage nachgingen, wie wir<br />
mit Stress und Belastungen umgehen<br />
können, befassen sich die positive<br />
Psychologie und die Glücksforschung<br />
mit der Frage, wie wir ein<br />
gelingendes Leben führen und unser<br />
Wohlbefinden und unsere Gesundheit<br />
steigern können.<br />
Die Grundlage für ein zufriedenes<br />
Leben<br />
Aus dieser Forschungslandschaft<br />
möchten wir Ihnen einige Ergebnisse<br />
vorstellen, die es Ihnen erleichtern,<br />
Ihre Kinder auf das Leben vorzubereiten,<br />
ihre Widerstandskräfte<br />
zu stärken und die Grundlagen für<br />
ein zufriedenes Leben zu legen.<br />
Vorausschicken möchten wir<br />
einen zentralen Befund der Resilienzforschung:<br />
Fast jedes der resilienten<br />
Kinder hatte zumindest eine<br />
Ein resilientes Kind hat<br />
zumindest eine erwachsene<br />
Bezugsperson, die ihm Liebe<br />
und Geborgenheit vermittelt.<br />
Resilienz – die psychische<br />
Widerstandsfähigkeit<br />
Resilienz bezeichnete ursprünglich die<br />
Beschaffenheit von Baustoffen, die nach<br />
Krafteinwirkungen wieder in ihre Ursprungsform<br />
zurückkehren, etwa ein Schaumstoffball, den<br />
man zusammendrücken kann. In der<br />
Psychologie versteht man unter Resilienz die<br />
psychische Widerstandkraft. Resiliente<br />
Menschen besitzen die Fähigkeit, schwierige<br />
Lebensumstände, Krisen und Traumata zu<br />
verkraften und trotzdem psychisch gesund zu<br />
bleiben. Wie sich diese Fähigkeit entwickelt,<br />
steht seit mehreren Jahrzehnten im Zentrum<br />
der Resilienzforschung. Heute geht man davon<br />
aus, dass sich Resilienz in einer komplexen<br />
Wechselwirkung zwischen einem Kind, seinen<br />
engsten Bezugspersonen und Umwelteinflüssen<br />
entwickelt und sich im Laufe des Lebens auch<br />
verändern kann.<br />
erwachsene Bezugsperson, die ihm<br />
Liebe und Geborgenheit vermittelte.<br />
Häufig war dies ein Elternteil, oft<br />
aber auch nähere Verwandte oder<br />
eine Lehrperson. Die im Folgenden<br />
beschriebenen Eigenschaften setzen<br />
eine solche stabile Beziehung voraus<br />
und entwickeln sich im Austausch<br />
zwischen Kind, Bezugsperson und<br />
Umwelt.<br />
Selbstwahrnehmung und<br />
Selbststeuerung<br />
Bin ich mir meiner Gedanken und<br />
Gefühle bewusst? Kann ich diese<br />
ausdrücken und reflektieren? Resiliente<br />
Kinder und Jugendliche besitzen<br />
eine gut ausgeprägte Selbstwahrnehmung.<br />
Es geht ihnen nicht<br />
einfach schlecht: Sie wissen, ob sie<br />
traurig, wütend, enttäuscht oder nur<br />
mies gelaunt sind. Dadurch kennen<br />
sie nicht nur sich selbst besser, sondern<br />
können auch die Gefühle und<br />
Stimmungen anderer besser «lesen»<br />
und adäquat darauf reagieren.<br />
Gleichzeitig können sie ihre<br />
Gefühle regulieren. Dies bedeutet,<br />
dass sie ihren Emotionen >>><br />
16
Dossier<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>17
Dossier<br />
Drei Übungen, um<br />
das psychische<br />
Immunsystem Ihres<br />
Kindes zu stärken<br />
Seelische Widerstandsfähigkeit lässt<br />
sich trainieren, ganz einfach im<br />
Alltag.<br />
1. Wenn dich etwas belastet, dann<br />
schreib es auf<br />
Was passiert, wenn jemand an fünf Tagen<br />
für jeweils 15 Minuten beschreibt, was ihn<br />
belastet, und dabei seinen Gefühlen<br />
und Gedanken freien Lauf lässt?<br />
Die Forschung zum expressiven Schreiben<br />
zeigt: sehr viel!<br />
Diese simple Übung verbesserte die<br />
Stimmung und das Wohlbefinden. Darüber<br />
hinaus konnten Forscher eine Menge<br />
zusätzlicher Effekte feststellen, die man fast<br />
nicht für wahr halten könnte, wenn sie nicht<br />
so gut abgesichert wären: Eine Stärkung des<br />
Immunsystems und weniger Arztbesuche<br />
konnten sogar über ein Jahr nach der<br />
Schreibwoche noch festgestellt werden.<br />
Studierende, die am Experiment teilnahmen,<br />
schrieben bessere Noten, und Arbeitslose<br />
fanden rascher eine neue Stelle. Sogar bei<br />
Depressionen und posttraumatischen<br />
Belastungsstörungen konnten die Symptome<br />
durch das Schreiben gelindert werden.<br />
Während des Schreibens nehmen die<br />
negativen Gefühle zu. Die positiven Effekte<br />
lassen aber nicht lange auf sich warten.<br />
Das expressive Schreiben ist eine wirksame<br />
Möglichkeit, sich belastenden Erlebnissen<br />
und Gefühlen mit voller Aufmerksamkeit<br />
zuzuwenden und sie aktiv zu verarbeiten.<br />
Es hilft dabei, einen anderen Umgang damit<br />
zu finden oder mit schwierigen Episoden<br />
abzuschliessen.<br />
Probieren Sie es aus: Sie benötigen dazu<br />
nicht mehr als einen Stift und ein Blatt<br />
Papier oder den Computer. Kinder können<br />
auch eine Zeichnung machen.<br />
Was für eine lebensverändernde Erfahrung<br />
das Schreiben eines Tagebuchs für<br />
Jugendliche sein kann, zeigt das Beispiel<br />
von Erin Gruwell.<br />
Die junge Lehrerin unterrichtete an der<br />
Wilson Classical High School in Kalifornien<br />
eine Klasse von Jugendlichen, die aus<br />
schwierigsten Familienverhältnissen<br />
stammten. Viele waren bereits straffällig<br />
geworden. Der Alltag der Jugendlichen war<br />
gezeichnet von Bandenkriegen, Schiessereien<br />
und Drogen. Die meisten hatten bereits<br />
eine wichtige Bezugsperson durch Gewalt<br />
verloren. Erin Gruwell nutzte unter anderem<br />
das Tagebuchschreiben als Möglichkeit, den<br />
Jugendlichen bei der Verarbeitung ihrer<br />
Erlebnisse zu helfen. Wenn Sie sich und Ihre<br />
Kinder oder Schüler/innen zum Tagebuchschreiben<br />
inspirieren möchten, empfehlen<br />
wir Ihnen das Buch «Freedom Writers: Wie<br />
eine junge Lehrerin und 150 gefährdete<br />
Jugendliche sich und ihre Umwelt durch<br />
Schreiben verändert haben». Lesemuffel<br />
könnten sich von der Verfilmung mit Hilary<br />
Swank mitreissen lassen.<br />
2. Begegnen Sie unnötigen Sorgen mit<br />
einem psychologischen Kniff<br />
Manchmal müssen wir mit wirklich<br />
belastenden Ereignissen zurechtkommen.<br />
Wir alle machen uns im Alltag aber auch<br />
viele unnötige Sorgen, bei denen wir im<br />
Nachhinein sagen müssen: «Da hätte ich<br />
mich jetzt wirklich nicht so verrückt machen<br />
müssen – die ganze Grübelei hätte ich<br />
mir sparen können.»<br />
18 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
>>> nicht ausgeliefert sind, sondern<br />
Möglichkeiten kennen, um<br />
ihre Gefühle zu beeinflussen.<br />
Dadurch können Sie beispielsweise<br />
trotz Wut im Bauch darauf verzichten,<br />
ein anderes Kind zu schlagen.<br />
Sie können ihre Ängste überwinden,<br />
an einer Aufgabe bleiben, obwohl sie<br />
keine Lust darauf haben, oder sich<br />
selbst beruhigen.<br />
Ein Kind kann diese Kompetenzen<br />
eher erwerben, wenn es Erwachsene<br />
um sich hat, die:<br />
• über eigene Gefühle sprechen.<br />
• ihm dabei helfen, seine Gefühle<br />
auszudrücken.<br />
• ihm einen kompetenten Umgang<br />
mit Emotionen vorleben.<br />
Die Fähigkeit, Gefühle wahrzunehmen<br />
und mit ihnen umzugehen,<br />
Resiliente Kinder regulieren<br />
ihre Gefühle. Sie sind ihren<br />
Emotionen nicht einfach<br />
ausgeliefert, sondern können<br />
ihre Gefühle beinflussen.<br />
entwickelt sich über viele kleine Alltagssituationen<br />
hinweg: Nehmen wir<br />
an, ein Kind wurde in der Schule von<br />
einer Lehrperson ungerecht be handelt.<br />
Es musste eine unpädagogische<br />
Äusserung über sich ergehen lassen<br />
oder wurde ungerecht benotet. Wie<br />
wsähe eine Reaktion aussehen, bei<br />
der ein Kind lernen kann, >>><br />
Nachts im Bett oder wenn wir uns müde,<br />
ausgelaugt oder ängstlich fühlen, quälen uns<br />
Sorgen, die wir in einem nüchternen Moment<br />
kaum ernst nehmen würden. Dabei begleiten<br />
uns negative Gedanken wie «Wenn ich das<br />
nicht schaffe, bin ich der totale Versager»,<br />
«Warum muss gerade mir das passieren?»,<br />
«Das könnte ich nicht aushalten» oder<br />
«Was ist, wenn xy passiert?». Bei genauerer<br />
Betrachtung sind die meisten dieser<br />
Gedanken übertrieben und einseitig. Aber<br />
dennoch können sie uns zusetzen, uns<br />
vom Schlafen abhalten und uns hilf- und<br />
hoffnungslos machen.<br />
Je nachdem, in welcher Stimmung wir über<br />
eine schwierige Situation nachdenken, sieht<br />
diese ganz anders aus. Sobald wir etwas<br />
besser gelaunt sind, fällt uns plötzlich ein,<br />
dass wir nicht so alleine, schwach und hilflos<br />
sind, wie wir uns eben noch gefühlt haben.<br />
Ein wirksamer psychologischer Kniff besteht<br />
darin, sich im Gefühlsstrudel seine negativen<br />
Gedanken aufzuschreiben und sich etwas<br />
später – in einem neutralen oder positiven<br />
Moment – damit auseinanderzusetzen.<br />
Dies ist besonders lohnenswert bei Sorgen,<br />
die uns und unsere Kinder immer wieder<br />
befallen.<br />
Und so gehen Sie vor: Schreiben Sie die<br />
Sorgen, Selbstzweifel oder Befürchtungen,<br />
die Sie oder Ihr Kind plagen, auf Karteikarten.<br />
Nehmen Sie für jeden einzelnen<br />
Gedanken eine neue Karteikarte. Wenn Ihr<br />
Kind beispielsweise Gedanken äussert wie<br />
«Mich mag eh keiner!», «Ich bin sowieso<br />
zu blöd» usw. können Sie diese zu Papier<br />
bringen. Hören Sie einfach nur zu, argumentieren<br />
sie nicht dagegen. Schreiben Sie<br />
die Gedanken für später auf.<br />
In einem besseren Moment nehmen Sie<br />
und Ihr Kind die Gedankenkärtchen hervor.<br />
Ziehen Sie beide jeweils einen negativen<br />
Gedanken und rücken Sie diesem zu Leibe.<br />
Sicher werden Ihnen nun viele Argumente<br />
einfallen, weshalb dieser Gedanke übertrieben<br />
oder sogar falsch ist. Schreiben Sie<br />
die Gegenargumente auf die Rückseite des<br />
Kärtchens. Auf der Vorderseite stünde<br />
zum Beispiel «Keiner mag mich», auf der<br />
Rückseite die Namen der Menschen, die das<br />
Kind gern haben, sowie die liebenswerten<br />
Seiten des Kindes. Sie machen das Gleiche<br />
für einen Ihrer Stressgedanken. Wenn Sie<br />
das für zwei, drei Gedanken gemacht haben,<br />
kommt die Herausforderung: Sie oder<br />
Ihr Kind ziehen einen Gedanken und das<br />
Gegenüber muss so rasch wie möglich<br />
dagegen argumentieren. Mit etwas Übung<br />
fallen uns die Gegenargumente in immer<br />
schwierigeren Situationen ein, wodurch<br />
Stress und Hilflosigkeit reduziert werden.<br />
3. Starten Sie gut in den Tag<br />
Die Frage «Worauf freust du dich heute?»<br />
kann uns den ganzen Tag versüssen. Sie hilft<br />
uns, auch kleine Glücksinseln im Alltag<br />
auszumachen und diese auszukosten. Das<br />
können ganz banale Dinge sein: der Schulweg<br />
mit der besten Freundin, die Stunde bei der<br />
Lieblingslehrerin, die Lieblingsserie, die heute<br />
Abend im Fernsehen läuft. Gerade wenn Sie<br />
oder Ihr Kind einen stressigen oder mühsamen<br />
Tag vor sich haben, lohnt es sich, solche<br />
Momente bereits im Vorfeld bewusst zu<br />
machen. Damit verbessert sich automatisch<br />
die Stimmung und man gewinnt mehr<br />
Energie, um auch den unliebsamen Punkten<br />
zu Leibe zu rücken. Manchmal merkt man<br />
bei dieser kurzen Übung auch, dass zu wenig<br />
schöne Momente auf einen warten und man<br />
noch etwas mehr davon einbauen sollte. Mit<br />
der Frage «Was würde den Tag heute besser<br />
machen?» lassen sich auch graue Tage<br />
aufpeppen.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>19
Dossier<br />
>>> sein e Gefühle auszudrücken<br />
und mit diesen umzugehen?<br />
Der Resilienzforscher Klaus<br />
Fröhlich-Gildhoff unterscheidet<br />
drei Reaktionsmöglichkeiten, von<br />
denen nur eine sinnvoll ist:<br />
• Manche Eltern möchten das Kind<br />
trösten, indem sie das Problem<br />
als Bagatelle abtun: «Ist doch<br />
nicht so schlimm.» Das birgt das<br />
Risiko, dass das Kind sich nicht<br />
ernst genommen fühlt. Vielleicht<br />
vertraut es mit der Zeit den eigenen<br />
Gefühlen nicht mehr oder<br />
behält diese lieber für sich.<br />
• Ähnlich ungünstig ist es, wenn<br />
die Eltern von ihren eigenen<br />
Gefühlen übermannt werden und<br />
sich dadurch nicht mehr um das<br />
Kind kümmern können. Dies<br />
wäre beispielsweise der Fall,<br />
wenn sie derart wütend werden,<br />
dass sie das Ruder an sich reissen<br />
und gleich die Lehrperson anrufen<br />
oder in der Schule vorstellig<br />
werden. Manchmal werden<br />
dadurch Schwierigkeiten, die für<br />
das Kind zuvor noch gut zu handhaben<br />
schienen, durch die Eltern<br />
derart aufgebauscht, dass sie<br />
plötzlich unüberwindbar wirken.<br />
• Hilfreich wäre, wenn die Eltern<br />
dem Kind zunächst nur zuhören:<br />
Was ist genau passiert? Wie hast<br />
du dich dabei gefühlt? Sie können<br />
dazu die Gefühle des Kindes spiegeln:<br />
«Das hat dich sicher sehr<br />
geärgert.»<br />
Doch wie können wir in solchen<br />
Situationen beim Kind bleiben,<br />
anstatt uns in eigenen Gefühlen zu<br />
verlieren? Vielleicht hilft es, wenn<br />
wir unsere Emotionen mit dem Kind<br />
teilen: «Das ärgert mich gerade<br />
auch!» Beruhigend wirkt auch der<br />
Gedanke, dass wir nicht gleich etwas<br />
unternehmen müssen. Wir dürfen<br />
uns darauf konzentrieren, für unser<br />
Kind da zu sein, zuzuhören und mit<br />
ihm gemeinsam zu überlegen, wie<br />
es mit der Situation umgehen will.<br />
Dabei wird sich zeigen, ob es überhaupt<br />
weitere Hilfe von uns will und,<br />
wenn ja, in welcher Form.<br />
Sich um die Emotionen des Kindes<br />
kümmern<br />
Bei der Arbeit mit Eltern durften wir<br />
immer wieder erfahren, dass es für<br />
Kind und Eltern entlastend ist, wenn<br />
sich Eltern zunächst ausschliesslich<br />
um die Gefühle des Kindes kümmern<br />
und nicht schon an eine<br />
Lösung denken. Wenn wir starke<br />
unangenehme Emotionen wie Ärger,<br />
Wut, Enttäuschung oder Angst empfinden,<br />
ist ein spezifischer Bereich<br />
in unserem Gehirn aktiv: die Amygdala.<br />
Wenn dieser Bereich feuert,<br />
geht die Hirntätigkeit in unserem<br />
präfrontalen Kortex, dem Sitz unseres<br />
bewussten Denkens, zurück.<br />
Genau diesen Bereich benötigen wir<br />
jedoch, um uns eine Lösung zu überlegen.<br />
In diesem Zustand werden<br />
auch Ideen und Lösungsvorschläge<br />
von aussen keinen Anklang finden:<br />
Sie reden gegen eine Wand. Ganz<br />
egal, ob es sich beim Gesprächspartner<br />
um ein Kind oder einen Erwachsenen<br />
handelt.<br />
Eltern können ihr Kind in diesem<br />
Moment aber fragen, was ihm jetzt<br />
guttun würde, und ihm versichern,<br />
dass sie gemeinsam mit ihm nach<br />
einer Lösung suchen werden, sobald<br />
es sich etwas besser fühlt: «Wir werden<br />
etwas unternehmen. Aber jetzt<br />
kochen und essen wir erst mal. Und<br />
nach dem Essen überlegen wir uns,<br />
was wir tun könnten.»<br />
«Fabian, hast du Zeit für mich?»<br />
Wenn meine Frau nach Hause<br />
kommt und enttäuscht oder wütend<br />
ist, schätzt sie es, wenn ich ihr eine<br />
halbe Stunde konzentriert zuhöre<br />
und vielleicht auch gemein-<br />
Widerstandskraft ist<br />
nicht angeboren. Sie<br />
entwickelt sich, indem das<br />
Kind sich mit seiner<br />
Umwelt auseinandersetzt. >>><br />
20
Dossier<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>21
Dossier<br />
22 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
>>> sam mit ihr überlege, wie sie<br />
reagieren könnte. Ich hingegen<br />
möchte kurz sagen können, wie es<br />
mir geht – und dann bitte nicht darüber<br />
sprechen müssen. Ein Glas Wein<br />
und ein guter Film sind für mich<br />
genau das Richtige, wenn ich frustriert<br />
bin. Um eine Lösung kümmere<br />
ich mich gerne am nächsten Tag, falls<br />
das dann überhaupt noch nötig ist.<br />
Was tut Ihnen gut, wenn Sie<br />
gestresst sind? Was benötigt Ihr<br />
Partner / Ihre Partnerin, wenn er<br />
oder sie frustriert oder enttäuscht<br />
ist? Was hilft Ihren Kindern, wenn<br />
sie traurig sind? Je genauer einzelne<br />
Familienmitglieder wissen, welche<br />
Bedürfnisse die anderen haben, desto<br />
besser können sie sich gegenseitig<br />
unterstützen. Je besser ein Kind<br />
weiss, was ihm guttut, desto leichter<br />
kann es einen guten Umgang mit<br />
schwierigen Gefühlen finden. Vielleicht<br />
sorgen diese Fragen während<br />
eines Ausflugs, einer Zugfahrt oder<br />
einer Wanderung für spannenden<br />
Gesprächsstoff?<br />
Selbstvertrauen und Problemlösekompetenz<br />
Widerstandskraft ist kein angeborenes<br />
Merkmal. Sie entwickelt sich im<br />
Laufe der Zeit, indem sich das Kind<br />
mit seiner Umwelt auseinandersetzt.<br />
Dabei erstarkt unser «psychisches<br />
Immunsystem» nur dann, wenn es<br />
ab und zu aktiviert wird, wenn Herausforderungen<br />
da sind, die unsere<br />
Widerstandskräfte mobilisieren.<br />
Jedes Problem, mit dem ein Kind<br />
konfrontiert wird, stellt auch eine<br />
Möglichkeit dar, Fähigkeiten im<br />
Umgang mit Problemen zu entwickeln,<br />
Selbstvertrauen zu gewinnen<br />
und sich als wirksam zu erleben. Hat<br />
ein Kind eine Belastung erfolgreich<br />
bewältigt oder ein Problem gelöst,<br />
geht es gestärkt aus dieser Erfahrung<br />
hervor. Nur so entwickelt es die realistische,<br />
positive Erwartung, dass es<br />
auch künftige Schwierigkeiten meistern<br />
kann.<br />
Was bedeutet das für uns als<br />
Eltern oder Lehrpersonen? Studien<br />
zur Resilienz haben immer wieder<br />
gezeigt, dass die Bezugspersonen,<br />
die für die resilienten Kinder prägend<br />
waren, dem Kind nicht nur<br />
Liebe und Wertschätzung entgegenbrachten,<br />
sondern es auch herausforderten<br />
und ihm etwas zutrauten.<br />
Wenn ein Kind das Gefühl hat,<br />
zu dumm zu sein oder etwas nicht<br />
zu schaffen, dann benötigt es keine<br />
«Du schaffst das!»-Parolen oder<br />
jemand, der ihm alles abnimmt,<br />
sondern Erwachsene, die die Unsicherheit<br />
des Kindes aushalten können<br />
und die Geduld aufbringen, mit<br />
ihm nach einer Lösung zu suchen.<br />
Auch hier ist es hilfreich, zunächst<br />
die Gefühle des Kindes zu spiegeln:<br />
«Das scheint dir im Moment wie ein<br />
riesiger Berg» oder «Du kannst dir<br />
gerade nicht vorstellen, dass du das<br />
jemals können wirst».<br />
Problemlösekompetenzen entwickeln<br />
Kinder, wenn wir ihnen dabei<br />
helfen, sich in Ruhe mit einer Aufgabe<br />
auseinanderzusetzen: «Komm,<br />
jetzt lesen wir die Aufgabe mal<br />
durch», «Weisst du, was du machen<br />
musst?», «Was hast du davon verstanden?».<br />
Wir können ihm den aktuellen<br />
Stand bewusst machen und ihm helfen,<br />
Ziele und einen Plan zu entwickeln.<br />
Vielleicht hat sich Ihre Tochter<br />
heftig mit der besten Freundin zerstritten?<br />
Eine wunderbare Möglichkeit,<br />
soziale Kompetenzen zu trainieren<br />
und die Erfahrung zu<br />
machen, dass Konflikte lösbar sind.<br />
Die Eltern könnten sagen: «Bei so<br />
einem Streit hat man oft das Gefühl:<br />
Das wird nie wieder gut. Weisst du,<br />
ich glaube, für Amelie ist es genauso<br />
schwierig wie für dich. Und ich<br />
glaube, nach der ersten Wut würde<br />
sie sich auch gerne wieder mit dir<br />
vertragen. Wollen wir überlegen,<br />
wie ihr das wieder hinbekommt?»<br />
Problemlösekompetenzen und<br />
Selbstvertrauen entwickeln Kinder<br />
dann, wenn sie zwar Hilfe erhalten,<br />
aber nur so wenig wie nötig – ganz<br />
nach dem Motto von Maria >>><br />
Je besser ein Kind weiss, was<br />
ihm guttut, desto leichter<br />
findet es einen guten Umgang<br />
mit schwierigen Gefühlen.<br />
Literaturtipps<br />
Für Forschungsinteressierte<br />
• Resilienz. Widerstandsfähigkeit von<br />
Kindern in Tageseinrichtungen fördern.<br />
Von Dr. Corina Wustmann Seiler sowie<br />
Dr. Wassilios E. Fthenakis (Hrsg.).<br />
6. Auflage. Cornelsen Verlag 2004.<br />
• Resilienz. Von Klaus Fröhlich-Gildhoff und<br />
Maike Rönnau-Böse. 4. Auflage Auflage.<br />
UTB GmbH 2015.<br />
Biografien von resilienten<br />
Persönlichkeiten<br />
Viele Menschen, die Spuren hinterlassen<br />
haben, mussten Schreckliches erleben:<br />
Charles Chaplin wuchs in einem Armenhaus<br />
auf, Anne Frank starb in einem KZ, Viktor<br />
Frankl und Nelson Mandela mussten<br />
Jahre der Gefangenschaft erdulden. Ihre<br />
Geschichten inspirieren Jugendliche und<br />
Erwachsene gleichermassen.<br />
• Tagebuch. Anne Frank. Fischer<br />
Taschenbuch Verlag 2011.<br />
• Die Geschichte meines Lebens. Charles<br />
Chaplin. Fischer Taschenbuch Verlag<br />
1998.<br />
• … trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein<br />
Psychologe erlebt das Konzentrationslager.<br />
Viktor E. Frankl. Kösel-Verlag 20<strong>09</strong>.<br />
• Der lange Weg zur Freiheit. Nelson<br />
Mandela. Fischer Taschenbuch Verlag<br />
1997.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>23
Dossier<br />
>>> Montessori «Hilf mir, es auf die Realität vorbereiten! Wenn reicher. Mit Optimismus ist kein<br />
selbst zu tun».<br />
Wann immer es Ihrem Kind<br />
gelungen ist, ein Problem zu lösen,<br />
können Sie mit ihm darüber sprechen,<br />
wie es das geschafft hat. Damit<br />
helfen Sie ihm, sich nützliche Strategien<br />
bewusst zu machen und sich<br />
diese für spätere Gelegenheiten zu<br />
merken. Mit der Zeit fühlt es sich<br />
für eine immer grössere Bandbreite<br />
an Herausforderungen ge wappnet.<br />
Der Umgang mit Problemen<br />
beeinflusst jedoch nicht nur die<br />
Selbstwirksamkeit, sondern prägt<br />
auch die Persönlichkeit. Oftmals<br />
bleibt uns angesichts der kleineren<br />
und grösseren Widrigkeiten des<br />
Lebens kaum etwas anderes übrig, als<br />
uns in wichtigen Tugenden wie Ausdauer,<br />
mentaler Stärke, Geduld oder<br />
Hilfsbereitschaft zu üben.<br />
Wir können mit Kindern und<br />
Jugendlichen von Zeit zu Zeit einen<br />
Blick zurück werfen auf diejenigen<br />
Momente, an denen sie als Persönlichkeit<br />
gewachsen sind. Oftmals<br />
wird ihnen dabei bewusst, dass sie<br />
bereits einige Hürden genommen<br />
haben und mittlerweile mehr Kraft<br />
und innere Stärke in ihnen steckt, als<br />
sie vielleicht bisher angenommen<br />
haben. Eine Möglichkeit, diese Reflexion<br />
im Klassenverband anzuregen,<br />
bietet die sogenannte Heldenreise,<br />
die wir Ihnen auf Seite 26 vorstellen.<br />
In unserer Kultur gelten Optimisten<br />
oftmals als realitätsfremd und<br />
naiv. Als wir in einem unserer Seminare<br />
darüber sprachen, wie wichtig<br />
es für Kinder sei, eine optimistische<br />
Grundhaltung zu entwickeln, entgegnete<br />
eine Mutter: «Das sehe ich<br />
anders. Ich muss mein Kind doch<br />
man vom Schlimmsten ausgeht und<br />
sich innerlich darauf vorbereitet,<br />
dass die Welt nun mal ungerecht ist<br />
und dass andere Menschen einen<br />
ausnützen wollen, wenn man zu nett<br />
zu ihnen ist, ist man besser dran und<br />
wird seltener enttäuscht!»<br />
Letzteres ist definitiv nicht der<br />
Fall. Menschen, die davon ausgehen,<br />
dass die Welt schlecht ist, und tief im<br />
Inneren bangen, dass eine düstere<br />
Zukunft vor ihnen und ihren Kindern<br />
liegt, sorgen schlussendlich<br />
dafür, dass es ihnen selbst und ihren<br />
Familien tatsächlich schlechter geht.<br />
Wer dem Leben mit einer pessimistischen<br />
Haltung gegenübertritt,<br />
lenkt seine Aufmerksamkeit automatisch<br />
auf alle Aspekte, die dieser<br />
Einstellung entsprechen: auf das<br />
«gemeine Kind» auf dem Spielplatz,<br />
die Schulfreundin, die ein Geheimnis<br />
ausplaudert, die rücksichtslosen<br />
älteren Schüler, die einen Teil des<br />
Pausenhofs für sich beanspruchen,<br />
auf den ungerechten Lehrer, die<br />
strenge Sporttrainerin.<br />
Fit und glücklich dank Optimismus<br />
All diese Erlebnisse werden zur<br />
Bestätigung, wie schlimm und ungerecht<br />
die Welt ist. Wer mit dieser<br />
Brille durchs Leben geht, empfindet<br />
negative Gefühle länger und stärker.<br />
Und ihm entgehen die vielen<br />
Momente, in denen andere Kinder<br />
hilfsbereit, freundlich oder loyal<br />
sind, die Lehrpersonen sich wertschätzend<br />
auf das Kind einlassen und<br />
die strenge Sporttrainerin durch klare<br />
Regeln und Rückmeldungen dafür<br />
sorgt, dass das Kind sich über Fortschritte<br />
freuen kann. Momente, die<br />
für positive Gefühle sorgen, geraten<br />
in den Hintergrund, gleichzeitig werden<br />
negative Gefühle wie Ärger,<br />
Missgunst, Neid oder Enttäuschung<br />
geschürt.<br />
Die Forschung zeichnet ein deutliches<br />
Bild: Menschen mit einem<br />
gesunden Optimismus leben länger,<br />
sind körperlich fitter, haben glücklichere<br />
Beziehungen und sind erfolgblauäugiges<br />
positives Denken ge <br />
meint, sondern die Überzeugung,<br />
dass das Leben lebenswert ist, viel<br />
Schönes bereithält und sich Krisen<br />
und Schwierigkeiten überwinden<br />
lassen.<br />
Doch wie können Familien optimistischer<br />
werden? Bei dieser Frage<br />
kommt man fast nicht an der Dankbarkeit<br />
vorbei. Die bekannte Talkmasterin<br />
Oprah Winfrey, die als<br />
Kind in bitterer Armut aufwuchs<br />
und sexuellen Missbrauch erleben<br />
musste, schreibt dazu: Ein Dankbarkeitstagebuch<br />
zu führen «war der<br />
wichtigste Schritt, den ich in meinem<br />
gesamten Leben gemacht habe.<br />
Egal, was gerade in deinem Leben<br />
vorgeht. Wenn du dich darauf konzentrierst,<br />
was du hast, wirst du<br />
letztlich immer mehr haben als<br />
zuvor. Wenn du dich darauf konzentrierst,<br />
was du nicht hast, wirst du<br />
nie, nie, nie genug haben.»<br />
Auch die Familie Morand (die Sie<br />
im Interview auf Seite 28 kennenler<br />
Menschen mit einem gesunden<br />
Optimismus leben länger, sind<br />
körperlich fitter und haben<br />
glücklichere Beziehungen.<br />
24 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
nen) hat sich in ihrer schwierigen<br />
Lebensphase aktiv darum bemüht,<br />
ein Dankbarkeitsritual in der Familie<br />
zu pflegen. Vor Weihnachten<br />
wurde die Wohnung mit Zetteln<br />
dekoriert, auf die George und seine<br />
Kinder schrieben, wofür sie trotz<br />
allem Schwierigen dankbar sind.<br />
Wie können Familien<br />
optimistischer werden? Zum<br />
Beispiel durch die Einführung<br />
eines Dankbarkeitsrituals.<br />
Den Moment geniessen<br />
Als Eltern können wir unsere Kinder<br />
dazu anleiten, ab und zu innezuhalten<br />
und den Moment zu geniessen.<br />
Wir können uns gemeinsam mit<br />
ihnen Zeit nehmen, um dankbar zu<br />
sein für all das Gute, das uns manchmal<br />
selbstverständlich erscheint.<br />
Wenn wir selbst oder unsere Kinder<br />
einen Schicksalsschlag oder eine<br />
schwierige Lebenssituation bewältigen<br />
müssen, ist es nicht leicht, optimistisch<br />
in die Zukunft zu blicken.<br />
Manchmal finden wir Trost und<br />
neue Zuversicht in den Geschichten<br />
von Menschen, die Ähnliches<br />
durchmachen mussten.<br />
Immer wieder stossen wir auf inspirierende<br />
Biografien von Persönlichkeiten,<br />
die sich trotz schwerer<br />
Vergangenheit ein zufriedenes und<br />
erfolgreiches Leben erkämpft haben.<br />
Indem wir solche Beispiele mit<br />
belasteten Jugendlichen teilen, vermitteln<br />
wir ihnen ein wenig Hoffnung,<br />
dass Unglück nicht zwangsläufig<br />
von Dauer sein muss.<br />
>>><br />
Stefanie Rietzler<br />
Fabian Grolimund<br />
sind Psychologen, leiten die Akademie<br />
für Lerncoaching in Zürich und sind Autoren<br />
der Bücher «Mit Kindern lernen»<br />
sowie «Erfolgreich lernen mit ADHS».<br />
www.mit-kindern-lernen.ch<br />
www.biber-blog.com<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>25
Dossier<br />
Mit Geschichten zu innerer Stärke<br />
Ein Mittel, um Kinder in ihrer Resilienz zu fördern, ist die sogenannte «Heldenreise».<br />
Eine Anleitung für Lehrpersonen. Text: Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler<br />
Jedes Kind bringt seine Ge <br />
schichte mit ins Klassenzimmer.<br />
Manche sind geprägt von<br />
einem liebevollen Familienklima,<br />
schulischen Erfolgserlebnissen<br />
und stabilen Freundschaften.<br />
Andere kämpfen an allen Fronten.<br />
Der Lehrer Daniel Pennac schreibt<br />
dazu in seinem Buch «Schulkummer»:<br />
«Unsere ‹schlechten Schüler›<br />
(jene, aus denen angeblich nichts<br />
wird) kommen nie unbeschwert.<br />
Was da die Klasse betritt, ist eine<br />
Zwiebel: mehrere Schichten aus<br />
Kummer, Angst, Sorgen, Groll, Wut,<br />
ungestillten Begierden, zorniger<br />
Resignation, die sich um einen Kern<br />
schmachvoller Vergangenheit,<br />
bedrohlicher Gegenwart und verbauter<br />
Zukunft legen. Wirklich be <br />
ginnen kann der Unterricht erst,<br />
wenn dieses Gepäck abgestellt und<br />
die Zwiebel geschält ist.»<br />
Doch wie kann man als Lehrperson<br />
dazu beitragen, dass Schüler/<br />
innen ihren Rucksack für einen<br />
Moment abstellen und sich auf den<br />
Unterricht einlassen können? Und<br />
wie stärkt man Kinder für den<br />
Umgang mit schwierigen Situationen?<br />
Eine Möglichkeit dazu bietet die<br />
Heldenreise. Sie regt Kinder und<br />
Jugendliche dazu an, Modelle für<br />
den Umgang mit Krisen und Widrigkeiten<br />
zu entdecken, und sensibilisiert<br />
sie dafür, das Heldenhafte an<br />
ihrer eigenen Lebensgeschichte auf<br />
Helden sind stark, loyal<br />
und klug, aber es gibt auch die<br />
andere, zweifelnde Seite.<br />
zuspüren. Sie inspiriert zu Lösungen<br />
und Tugenden wie Tapferkeit, Mut,<br />
Ausdauer, Hilfsbereitschaft, Grosszügigkeit<br />
oder Hingabe. Die Arbeit<br />
am Thema Helden eröffnet die Möglichkeit,<br />
Kinder in schwierigen<br />
Situa tionen zu begleiten, ohne sich<br />
als Lehrperson in der Rolle des Helfers<br />
zu verlieren. Darüber hinaus<br />
können sich die Schüler/innen austauschen,<br />
einander besser kennenlernen<br />
und sich gegenseitig eine<br />
Hilfe sein, während ganz normaler<br />
Unterricht stattfindet. Es gibt eine<br />
Vielzahl an Möglichkeiten, die Heldenreise<br />
in den Unterricht zu integrieren.<br />
Eine Variante stellen wir<br />
Ihnen nachfolgend vor.<br />
1. Heldengeschichten sammeln<br />
In einem ersten Schritt tragen die<br />
Kinder Heldengeschichten zusammen.<br />
Sie können dazu:<br />
• einen Aufsatz über das Thema<br />
«Wer ist für mich eine Heldin<br />
oder ein Held?» schreiben;<br />
• Figuren oder Bilder ihrer Lieblingshelden<br />
aus der Realität, aus<br />
Filmen oder aus Comics mitbringen;<br />
• ihre Eltern oder Bezugspersonen<br />
in terviewen, wer für diese aus<br />
welchem Grund heldenhaft ist.<br />
Es lohnt sich gerade bei jüngeren<br />
Kindern, auch die Eltern oder Grosseltern<br />
zu diesem Thema befragen zu<br />
lassen. Andernfalls läuft man Gefahr,<br />
dass sich die Beispiele auf Batman,<br />
Spiderman & Co. beschränken. Die<br />
Schüler/innen können der Klasse<br />
ihre Helden vorstellen, indem sie<br />
eine Passage aus einem Buch vorlesen,<br />
wichtige Stationen aus dem<br />
Leben in einem Kurzvortrag be <br />
leuchten oder die wichtigsten Eigenschaften<br />
auf einem Plakat oder<br />
Steckbrief festhalten.<br />
2. Das Heldenhafte herausarbeiten<br />
Nachdem einige Heldinnen und Helden<br />
vorgestellt und deren Geschichten<br />
besprochen wurden, werden in<br />
der Klasse Gemeinsamkeiten herausgearbeitet.<br />
Sie können sich dabei<br />
an den folgenden Leitfragen orientieren:<br />
• Was zeichnet eine Heldin bzw.<br />
einen Helden aus?<br />
• Wie ist eine typische Heldengeschichte<br />
aufgebaut? Welchen<br />
chronologischen Verlauf weist sie<br />
auf? Welche Elemente gehören<br />
dazu?<br />
Meist stellen die Kinder zuerst das<br />
Offensichtliche fest: Helden sind<br />
stark, loyal, klug, mutig oder tapfer.<br />
Langsam, oft auch durch Anleitung,<br />
entdecken sie die anderen Seiten: Sie<br />
merken, dass ihre Helden zu Beginn<br />
unsicher sind, sich weigern, die<br />
ihnen gestellte Herausforderung<br />
anzunehmen, und immer wieder an<br />
sich zweifeln. Es wird ihnen bewusst,<br />
dass Helden nicht alleine stark sind,<br />
sondern auf Gefährten und eine/n<br />
Mentor/in angewiesen sind. Sie<br />
erkennen, dass jemand nicht von<br />
Anfang an ein Held ist, sondern sich<br />
die charakteristischen Eigenschaften<br />
in einem inneren und äusseren Ringen<br />
erwirbt, indem er sich Herausforderungen<br />
stellt, Verletzungen aus<br />
der Vergangenheit überwindet, Versuchungen<br />
widersteht – und dabei<br />
über sich hinauswachsen muss.<br />
3. Den Transfer ins eigene Leben<br />
anregen<br />
In einem dritten Schritt werden die<br />
Schüler/innen dazu angeregt, sich<br />
26 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
an diesen Modellen zu orientieren<br />
und die Eigenschaften ihrer Heldinnen<br />
und Helden zu verinnerlichen.<br />
Jüngere Primarschulkinder können<br />
sich mündlich oder schriftlich mit<br />
Fragen befassen, die sie ihren Helden<br />
näherbringen:<br />
• Wo und wann habe ich schon einmal<br />
Mut gezeigt bzw. Angst und<br />
Zweifel überwunden?<br />
• Wo habe ich mich schon einmal<br />
durchgebissen, obwohl es schwierig<br />
war und ich dachte: «Ich schaff<br />
das nicht!»?<br />
• Wann habe ich mich schon einmal<br />
für andere oder für eine<br />
Sache eingesetzt, die mir wichtig<br />
ist?<br />
• Wer sind für mich wichtige<br />
«Gefährten» und «Mentoren»?<br />
• Welche Situation ist für mich im<br />
Moment schwierig? Was würde<br />
mein/e Held/in tun?<br />
Die Schülerinnen und Schüler<br />
sollen erkennen können: Auch<br />
ich habe heldenhafte Momente<br />
in meinem Leben.<br />
Das Ziel besteht darin, die Schüler/<br />
innen erkennen zu lassen: Auch ich<br />
habe heldenhafte Momente in meinem<br />
Leben. Ich kann mit Herausforderungen<br />
umgehen, Ausdauer,<br />
Tapferkeit und Mut entwickeln und<br />
darf mir Hilfe holen.<br />
Jugendliche können ihre persönliche<br />
Heldenreise schreiben. Dabei<br />
orientieren sie sich an den Merkmalen<br />
der Heldenreise, die im zweiten<br />
Schritt herausgearbeitet wurde, und<br />
überlegen sich: Wo bin ich mit einer<br />
Herausforderung konfrontiert worden,<br />
die Zweifel, Unsicherheiten,<br />
Wut oder Scham in mir ausgelöst<br />
hat? Gab es Gefährten, die mir in<br />
dieser Situation beigestanden sind?<br />
Welche Eigenschaften musste ich<br />
entwickeln, um die Herausforderung<br />
anzunehmen? Wie habe ich<br />
diese Situation bewältigt? Wie kann<br />
ich die dadurch entwickelten Eigenschaften,<br />
Charakterstärken und<br />
Fähigkeiten nutzen, um zukünftige<br />
Schwierigkeiten zu meistern?<br />
Dabei ist es wichtig, dass diese<br />
Auseinandersetzung mit der eigenen<br />
Geschichte als Schreib- und Reflexionsübung<br />
verstanden wird und<br />
nicht als Aufsatz, der bewertet wird.<br />
Wichtig ist, dass die Schüler/innen<br />
selbst entscheiden dürfen, ob und<br />
wie viel sie davon mit der Klasse und<br />
der Lehrperson teilen möchten.<br />
Vorteil Volg : Post im Laden.<br />
Da, wo<br />
die Post<br />
abgeht.<br />
«<br />
In der Post im Volg kann ich<br />
auch an Randzeiten noch<br />
meine Rechnungen bezahlen<br />
und Sendungen abholen.<br />
Cornelia Voggensperger, Bäuerin,<br />
Hebamme und Volg-Kundin seit<br />
Kindertagen<br />
»<br />
brandinghouse<br />
Dank Volg bleibt die Post im Dorf – bereits mehr als<br />
280 mal gibt es das bequeme Rundum-Paket: Briefe<br />
und Pakete auf geben und abholen, bargeldlos Rechnungen<br />
bezahlen, Bargeld beziehen. Und alles bei<br />
komfor tablenLadenöffnungszeiten!<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Volg .Im Dorf daheim.<br />
In Schönenbuch BL zuhause.<br />
September <strong>2017</strong>27
Dossier<br />
«Damals konnte ich mir nicht vorstellen,<br />
wie krisenfest Kinder werden können»<br />
Nach 21 Jahren Beziehung bricht die Ehe von Georges Morand auseinander. Die<br />
Scheidung stürzt die Familie in eine schwere Krise. Die Kinder, damals 14, 14, 16 und 19,<br />
entscheiden sich, zusammenzubleiben und beim Vater zu wohnen. Im Interview erzählen<br />
Vater und Kinder, wie sie damit umgegangen sind. Interview: Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler<br />
Die Morands<br />
(von links):<br />
Patric, Nadine,<br />
Georges, Nicola<br />
und Viola.<br />
Georges Morand, wie haben Sie die<br />
Trennung von Ihrer damaligen Frau<br />
erlebt?<br />
Georges Morand: Die Familie war<br />
neben dem Beruf mein grosser<br />
Traum. Ich musste Abschied nehmen<br />
von diesem Traum und dem, was ich<br />
mir für das Aufwachsen meiner Kinder<br />
gewünscht hatte. Die ganze Situation<br />
konnte ich kaum einordnen. Da<br />
war so viel Wut, Trauer, Verzweiflung.<br />
Ich war überfordert. Plötzlich<br />
musste ich für mich einen Umgang<br />
damit finden und mir gleichzeitig<br />
überlegen, wie die Kinder das schaffen.<br />
Ich musste ja auch 100 Prozent<br />
weiterarbeiten und wusste nicht, wie<br />
das alles gehen soll.<br />
Sie haben sich viele Sorgen um die<br />
Kinder gemacht?<br />
Georges Morand: Ja. Ein zerbrochenes<br />
Elternhaus ist immer schwer für<br />
Kinder. Ich weiss, dass kein perfektes<br />
Lebensumfeld nötig ist, aber ich<br />
fand, dass unsere Trennung zu um <br />
gehen gewesen wäre.<br />
Für euch kam die Trennung ähnlich<br />
überraschend?<br />
Nadine: Ja. Mama und Papa haben<br />
sich vor uns nie gestritten. In unse<br />
Bild: Salvatore Vinci / 13 Photo<br />
28 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
em Umfeld waren sie oft ein Vorbild<br />
für andere Paare. Ich war damals 19<br />
und hatte eine sehr enge Beziehung<br />
zu meiner Mutter und hätte nie<br />
gedacht, dass sie sich einfach so neu<br />
verlieben könnte. Ich glaube, deswegen<br />
war es besonders tragisch, weil<br />
meine Eltern vorher so ein gutes<br />
Team waren.<br />
Nicola: Ich kann mich noch genau<br />
an den Tag erinnern, an dem wir<br />
erfahren haben, dass Mama sich neu<br />
verliebt hat. Das war ein riesiger<br />
Schock. Nach dem emotionalen<br />
Gespräch meinte mein Vater, dass er<br />
uns für diesen Tag von der Schule<br />
abmelde. Aber ich wollte trotzdem<br />
hin, den Alltag normal weitermachen.<br />
In der Schule habe ich gemerkt,<br />
dass das nicht so einfach ist. Aber<br />
wir hatten in den ersten Monaten alle<br />
«Papa braucht<br />
uns mehr als<br />
unsere Kollegen<br />
beim Feiern.»<br />
die Hoffnung, dass unsere Eltern<br />
wieder zusammenkommen und alles<br />
wieder gut wird.<br />
Viola: Als wir aber realisierten, dass<br />
wir als gesamte Familie nicht zusammenbleiben<br />
können, war es für uns<br />
Kinder eine unfassbare Tragödie.<br />
Wir haben viel geweint. Ich konnte<br />
mir kaum vorstellen, was nun auf uns<br />
zukommt, wie sich ein Zuhause ohne<br />
unsere Mutter anfühlt und wann<br />
wieder Normalität und der «Alltag»<br />
einkehren.<br />
Wie seid ihr damit umgegangen?<br />
Patric: Für mich brach eine Welt<br />
zusammen. Ich fiel in ein Loch, war<br />
wütend und konnte es nicht verstehen.<br />
Wir verloren einen Teil der<br />
Familie, damit konnte ich nicht<br />
umgehen.<br />
Nicola: Am Anfang mussten wir alle<br />
einfach funktionieren. Wie Papa<br />
immer gesagt hat, waren wir jetzt<br />
eine WG, und alle mussten mit anpacken.<br />
Die Aufgaben im Haushalt<br />
wurden aufgeteilt: kochen, Wäsche<br />
machen, putzen.<br />
Viola: Mein Zwillingsbruder Nicola<br />
und ich haben sicher ein Stück weit<br />
auf unsere Pubertät verzichtet.<br />
Andere gingen am Wochenende aus,<br />
wir wollten lieber daheim >>><br />
Publireportage<br />
Heidis Heimat<br />
entdecken<br />
Dem Heidi-Mythos auf der Spur<br />
Fotocredit: Heidiland Tourismus/Boris Baldinger<br />
Besuch im Heididorf in Maienfeld.<br />
«Vom freundlichen Dorfe Maienfeld<br />
führt ein Fussweg durch grüne,<br />
baum reiche Fluren bis zum Fusse<br />
der Höhen, die von dieser Seite gross<br />
und ernst auf das Tal herniederschauen».<br />
Seit Johanna Spyri im Jahr<br />
1880 ihr weltberühmtes Buch «Heidis<br />
Lehr- und Wanderjahre» mit diesem<br />
Satz begann, wird Maienfeld in der<br />
Ferien region Heidiland mit Heidi in<br />
Verbindung gebracht. Heute spazieren<br />
Besucher gemütlich vom<br />
Bahnhof Maienfeld durch die Gassen<br />
des historischen Städtchens, vorbei<br />
an einigen prächtigen Brunnen mit<br />
erfrischendem Trinkwasser hoch<br />
nach Rofels. Der friedliche Weiler mit<br />
herr lichem Blick ins Tal ist Standort<br />
des Heididorfes, welches das «Original<br />
Heidihaus» (ein Wohnhaus mit<br />
Einrichtung wie zu Heidis Zeiten),<br />
Heidis Alphütte sowie echte Geissen<br />
beheimatet. Ausserdem findet man<br />
im Heididorf ein kleines Museum,<br />
welches Johanna Spyri gewidmet ist,<br />
sowie einen Dorf- und Souvenirladen<br />
mit der kleinsten Poststelle der<br />
Schweiz und dem Heididorf-Sonderstempel.<br />
Im Restaurant Heidihof<br />
können sich die Besucher stärken,<br />
bevor es auf dem Heidi-Erlebnisweg<br />
mit 12 Stationen in gut 1,5 Stunden<br />
Gehzeit vom Heididorf hoch zur<br />
Heidialp geht. Und wer schon einmal<br />
den Ausblick von der Heidialp ins Tal<br />
genossen hat, kann gut nachvollziehen,<br />
weshalb sich Johanna Spyri<br />
hier zu ihren Heidi-Romanen<br />
inspirieren liess.<br />
www.heidiland.com/heidi<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>29
Dossier<br />
>>> sein. Wir dachten, Papa brauche<br />
uns mehr, als unsere Kollegen<br />
uns beim Feiern brauchten. Wir<br />
mussten schneller erwachsen und<br />
selbständig werden. Schlimm fanden<br />
wir das aber nicht.<br />
Georges Morand: Das war wiederum<br />
meine Hauptsorge! Dass sie etwas<br />
verpassen, weil sie zu viel Verantwortung<br />
übernehmen wollen,<br />
anstatt einfach jung zu sein und zu<br />
pubertieren.<br />
Nicola: Wir hatten immer diese<br />
Angst: Schafft unser Papa das? Hält<br />
er das durch? Da dachten wir, wir<br />
müssen ihm möglichst viel abnehmen.<br />
Was hat euch in dieser Krise am<br />
meisten geholfen?<br />
Nadine: Gespräche mit Freunden,<br />
Ablenkung, Gott und unser Umfeld<br />
unterstützten uns. Wir hatten<br />
Freunde von meinen Eltern, die<br />
sofort eingesprungen sind. Sie<br />
haben uns zum Beispiel die Wäsche<br />
gemacht und sogar monatlich etwas<br />
zur Wohnungsmiete beigesteuert.<br />
Dafür sind wir sehr dankbar!<br />
Viola: Unsere Freunde haben sich<br />
bewusst darum bemüht, dass wir<br />
abgelenkt werden, Schönes erleben<br />
und weg von zu Hause kommen.<br />
Somit hatte auch unser Vater mal<br />
etwas Ruhe und Zeit für sich. Das<br />
hat mir viel Kraft gegeben.<br />
«Es war schön, dass<br />
die Kinder sich für<br />
mich entschieden<br />
hatten. Aber auch<br />
schön schwer.»<br />
Nicola: Für uns war auch die Vereinsmitgliedschaft<br />
im Cevi (YMCA)<br />
ein wichtiger Teil. Das hat uns ein<br />
Fundament gegeben und auch<br />
Ablenkung – mit Freunden etwas<br />
erleben. Es war wie ein zweites<br />
Zuhause.<br />
Viola: Meine älteste Schwester Na <br />
dine lernte in dieser Zeit ihren heutigen<br />
Mann kennen. Auch er nahm<br />
eine wichtige Rolle ein. Er gab<br />
anfangs seine Wohnung für unsere<br />
Mutter frei, damit sie ausziehen<br />
konnte, und zog zu uns. Er wurde<br />
schnell zu einem wichtigen Mitglied<br />
der Familie.<br />
Nadine: Er ist humorvoll und brachte<br />
uns in dieser Zeit viel zum Lachen.<br />
Oft hat er einzeln etwas mit uns<br />
Geschwistern unternommen. Wir<br />
gingen grillieren, Fussball spielen<br />
oder setzten uns in den Golf und<br />
fuhren durch die Gegend.<br />
Wie war es unter euch Geschwistern?<br />
Viola: Für uns war klar, wir möchten<br />
als Geschwister zusammenbleiben<br />
und bei Papa wohnen. Wir sind in<br />
dieser Zeit zu einer unzertrennlichen<br />
Einheit zusammengewachsen.<br />
Wir konnten gemeinsam heulen<br />
und wütend sein, aber auch lustige<br />
Momente erleben. Das hat mir das<br />
Gefühl gegeben, dass es weitergeht<br />
und dass wir es schaffen.<br />
Patric: Es ist ein Geschenk, dass wir<br />
mit Papa ein Team waren und einander<br />
geholfen haben. Es war wichtig,<br />
zu wissen, dass wir diesen Zu <br />
sammenhalt nicht verlieren.<br />
Georges Morand: Die Küche wurde<br />
in dieser Zeit sehr viel genutzt, ebenso<br />
die Stube. Jeder suchte Nestwärme.<br />
Stundenlang haben wir zu<br />
Abend gegessen oder am Sonntag<br />
gebruncht und geredet. Nicht nur<br />
über schwierige Dinge, auch über<br />
viel Schönes. Die Einzelzimmer<br />
waren in dieser Zeit nicht so beliebt<br />
(lacht).<br />
Georges Morand, Sie waren voll<br />
berufstätig, hatten vier Kinder zu<br />
versorgen und eine Trennung zu<br />
verarbeiten. Wie sind Sie damit<br />
zurechtgekommen?<br />
Georges Morand: Es war schön, dass<br />
sich die Kinder für mich entschieden<br />
hatten, aber auch schön schwer.<br />
Ich wusste nicht, wie ich das alles<br />
bewältigen sollte. Die Scheidung<br />
habe ich als persönliches Scheitern<br />
erlebt. Aber wir gaben unser Bestes,<br />
und mehr und mehr gelang es uns,<br />
wieder Boden zu gewinnen. Nach<br />
zehn Monaten – als vieles wieder<br />
rundlief – brach ich zusammen, hatte<br />
eine Erschöpfung. Zehn Wochen<br />
war ich krankgeschrieben, mit an <br />
schliessender langsamer Aufbauphase.<br />
Hilfreich war in dieser Zeit<br />
die therapeutische Begleitung, um<br />
die Situation aus mehr Distanz zu<br />
reflektieren.<br />
«Es gibt Menschen,<br />
die haben viel<br />
Schlimmeres erlebt<br />
und haben es auch<br />
geschafft.»<br />
Was haben Sie in der Therapie<br />
erfahren?<br />
Ein wichtiger Gedanke, den ich aus<br />
der Therapie mitgenommen habe,<br />
war: «Sie sind nicht dafür verantwortlich,<br />
Ihre Kinder vor jeglichen<br />
Nöten zu schützen.» Ebenso waren<br />
auch einige Männerfreundschaften<br />
für mich sehr wichtig. Zudem habe<br />
ich viel gelesen. In einem Buch stiess<br />
ich auf die Sätz «Sie können an Ihrer<br />
Scheidung wachsen» und «Auch<br />
Ihre Kinder können an Ihrer Scheidung<br />
wachsen». Das hat mir eine<br />
neue Sicht eröffnet. Und schliesslich<br />
war Tagebuch schreiben enorm hilfreich.<br />
In Ihrem Buch sprechen Sie auch von<br />
einer Art Urvertrauen, das Sie in sich<br />
tragen.<br />
Ich meine dieses Gefühl: «Ich weiss<br />
momentan zwar nicht, wie es weitergehen<br />
soll, aber es geht weiter. Es<br />
gibt Menschen, die haben viel<br />
Schlimmeres erlebt und haben es<br />
auch geschafft.» Woher ich dieses<br />
Urvertrauen habe, weiss ich nicht.<br />
Von meinen Eltern habe ich das<br />
nicht mitbekommen. Aber schon als<br />
Kind hatte ich etwas in mir, von dem<br />
ich dachte, dass ich mir das nicht<br />
nehmen und von niemandem kaputt<br />
machen lasse. Es ist eine Art innerer<br />
Bunker. Später habe ich bei Anselm<br />
30 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Grün gelesen, dass man dies den<br />
inneren Raum nennt – die Würde<br />
des Menschen.<br />
Gab es einen speziellen Wendepunkt<br />
für euch?<br />
Viola: Ich empfand es als Befreiung,<br />
dass mit Papas neuer Partnerin nach<br />
Jahren wieder jemand da war, der<br />
die engste Bezugsperson in seinem<br />
Leben sein konnte. Nicola und ich<br />
spürten, dass wir das nun nicht<br />
mehr abzudecken brauchten. So war<br />
es leichter, wieder loszulassen. Dann<br />
konnten wir auch endlich in Ruhe<br />
pubertieren (lacht).<br />
Patric: Mir war es sehr wichtig, dass<br />
Mama und Papa beide glücklich<br />
sind. Ich bin froh, dass es heute wieder<br />
jemanden gibt, der in Papas<br />
Herzen einen besonderen Platz hat.<br />
Was würdet ihr anderen Familien<br />
raten, die in einer Krise stecken?<br />
Patric: Gebt einander Kraft, stützt<br />
euch gegenseitig und schaut, dass<br />
alle Beteiligten zu Freunden gehen<br />
können und auch schöne Dinge<br />
erleben können. Das gibt Halt.<br />
Viola: Rückblickend hat es mir sehr<br />
geholfen, dass unser Vater authentisch<br />
war. Er zeigte offen seine<br />
Gefühle, hat auch ab und zu geweint,<br />
war wütend und hat uns offen ge <br />
sagt, was er momentan verträgt und<br />
was nicht. So wussten wir immer,<br />
«Es bleibt viel<br />
Gutes in<br />
Kinderherzen<br />
haften und wird<br />
gespeichert.»<br />
woran wir sind. Und er gab zu, wenn<br />
er am Ende war und nicht mehr<br />
konnte. Dadurch war es auch für<br />
mich leichter, zu meinen Gefühlen<br />
zu stehen und Schwäche zu zeigen.<br />
Gleichzeitig wusste ich, es gibt auch<br />
Platz, um Glücksgefühle auszudrücken.<br />
Georges Morand: Den Kindern den<br />
Rücken zu stärken, dass sie ausdrücken<br />
können, was sie möchten und<br />
was nicht. Mir war es wichtig, dass<br />
wir alle ehrlich zu unseren Gefühlen<br />
stehen können.<br />
Viola: Es braucht die Akzeptanz<br />
untereinander, dass jeder eine<br />
schwierige Lebenssituation anders<br />
verarbeitet. Den anderen zugestehen<br />
können, dass es beim einen<br />
länger dauert, bis er/sie bereit ist für<br />
gewisse Schritte, und dass einen<br />
gewisse Themen stärker beschäftigen<br />
als andere.<br />
Georges Morand: Dieser Respekt für<br />
die Gefühle der anderen war immer<br />
wichtig für uns. Es geht auch darum,<br />
die Jahre davor zu würdigen; zu<br />
merken, dass nicht alles kaputt ist,<br />
dass so viel Gutes in Kinderherzen<br />
haften bleibt und gespeichert ist.<br />
Eine Scheidung schafft es nicht, all<br />
das zu zerstören. Ich habe anfangs<br />
so gefühlt, aber heute weiss ich es<br />
besser.<br />
>>><br />
Interviewpartner:<br />
Georges Morand, 57, ist Theologe und Coach.<br />
Nadine, 32, aktuell in Elternzeit und Mutter<br />
zweier Kinder.<br />
Patric, 30, wohnt und arbeitet als Gärtner in<br />
der Stiftung Brunegg, die Wohn-, Arbeits- und<br />
Ausbildungsplätze für Menschen mit einer<br />
Behinderung anbietet.<br />
Viola, 26, ist Erzieherin in einer Kindertagesstätte.<br />
Nicola, 26, ist Sozialpädagoge in Ausbildung.<br />
Im nächsten Heft:<br />
Digitale Schule<br />
Bild: Salvatore Vinci / 13 Photo<br />
Programmieren in der Primarschule, Vorträge am<br />
Tablet in der Sek: die Schweizer Schulen werden<br />
immer multimedialer. Wie verändert sich dadurch<br />
das Lernen? Und wie viel digital ist zu viel? Mehr<br />
dazu in unserem grossen Dossier im Oktober.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>31
Monatsinterview<br />
«Es geht um die Qualität des<br />
Zusammenlebens und nicht<br />
um Geld und Karriere»<br />
Seit 1993 begleitet Margret Bürgisser im Rahmen einer Studie Paare, die sich sowohl<br />
die Erwerbsarbeit als auch die Kinderbetreuung gleichwertig teilen. «Egalitär»<br />
nennt sie diese Rollenteilung und spricht von einem Erfolgsmodell. Die Soziologin<br />
über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, den Verzicht auf Status und das<br />
Gefühl des «Ungenügendseins». Interview: Evelin Hartmann Bilder: Herbert Zimmermann / 13 Photo<br />
Ein Familienquartier am Luzerner<br />
Stadtrand. Zwischen den gepflegten<br />
neuen Häusern spielen Kinder,<br />
fahren Velo und Trottinett. Für die<br />
Eltern stehen Bänke bereit. In der<br />
obersten Etage eines dieser Häuser<br />
wohnt Margret Bürgisser mit ihrem<br />
Mann. Von ihrer Dachterrasse aus<br />
kann sie die Kinder beobachten.<br />
«Schön, dass Familien hier so viel<br />
Raum haben», sagt die Soziologin,<br />
und: «Wollen wir das Gespräch hier<br />
draussen oder im Wohnzimmer<br />
führen? Ich richte mich nach Ihnen.»<br />
Margret Bürgisser, Sie haben die<br />
Lösung für ein Problem gefunden,<br />
dass viele Mütter und Väter umtreibt.<br />
Wie lassen sich Beruf und Familie<br />
besser vereinbaren?<br />
Als Patentrezept für jeden Mann und<br />
jede Frau würde ich meine Studienergebnisse<br />
nicht bezeichnen. Aber<br />
ja, meinen Erhebungen zufolge<br />
er weist sich das «egalitäre» oder<br />
partnerschaftliche Rollenmodell als<br />
Weg zur besseren Vereinbarkeit von<br />
Familie und Beruf und zum Erreichen<br />
einer hohen Lebensqualität für<br />
die ganze Familie.<br />
Sie haben 28 Elternpaare aus der<br />
Deutschschweiz in Abständen von<br />
etwa zehn Jahren dreimal über ihre<br />
Rollenteilung interviewt.<br />
«Das Modell<br />
gewährleistet, dass<br />
die Hausarbeit –<br />
das ungeliebte<br />
Stiefkind – auf<br />
beide Partner<br />
aufgeteilt wird.»<br />
gewählt, bei denen die Männer 50,<br />
60 oder maximal 70 Prozent berufstätig<br />
waren. Heute würde ich das<br />
egalitäre Modell offener definieren.<br />
Und wie?<br />
Unter egalitärer Rollenteilung verstehe<br />
ich eine Arbeitsteilung zwischen<br />
Mutter und Vater, die in einem<br />
ähnlich grossen Teilzeitpensum<br />
berufstätig sind und sich die Verantwortung<br />
für Berufsarbeit, Kinderbetreuung<br />
und Hausarbeit gleichverantwortlich<br />
teilen.<br />
Im September erscheint Ihr Buch:<br />
«Partnerschaftliche Rollenteilung –<br />
ein Erfolgsmodell», die Quintessenz<br />
Ihrer Erkenntnisse. Damit wollen Sie<br />
jungen Eltern Mut machen, dieses<br />
Modell zu leben. Worin liegen denn die<br />
Vorteile?<br />
Die partnerschaftliche Rollenteilung<br />
bietet Eltern die Möglichkeit, sowohl<br />
ihrem Beruf nachgehen zu können<br />
als auch an der Entwicklung der Kinder<br />
teilzuhaben. Und es gewährleis<br />
Als ich 1993 mit meinen Recherchen<br />
begann, gab es nur sehr wenige Paare,<br />
die solch ein Familienmodell<br />
lebten. Um eine substanzielle Beteiligung<br />
der Väter an Kinderbetreuung<br />
und Hausarbeit zu gewährleisten, tet, dass die Hausarbeit – das un <br />
habe ich bewusst diejenigen Paare geliebte Stiefkind – auf beide >>><br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>33
Monatsinterview<br />
>>> Partner aufgeteilt wird. Wenn<br />
die Verantwortung für die Erwerbsarbeit<br />
auf zwei Schultern ruht, verteilt<br />
sich ausserdem das Risiko der<br />
Existenzsicherung.<br />
Das hört sich traumhaft an. In der Praxis<br />
klagen aber vor allem Mütter, dass<br />
sie sich zwischen Job und Familie zum<br />
Teil bis zur Erschöpfung aufreiben.<br />
Ich vermute, dass dieses Gefühl des<br />
Unvermögens in der ersten Familienphase,<br />
wenn die Kinder klein<br />
sind, sehr verbreitet ist. Irgendwo<br />
kommt immer etwas zu kurz. Man<br />
hat als junge Mutter oder junger<br />
Vater nun mal nur begrenzte Möglichkeiten<br />
– unabhängig vom Familienmodell.<br />
Wenn aber die Mutter<br />
zu Hause bleibt, um einem Ideal zu<br />
entsprechen, obwohl sie eigentlich<br />
andere Ambitionen hätte, kann auch<br />
das in ihr Gefühle des «Ungenügendseins»<br />
auslösen.<br />
Meines Erachtens liegt das Problem<br />
auch darin, dass die meisten Paare die<br />
Rollen trotz Berufstätigkeit der Frau<br />
oftmals nicht wirklich teilen. Der Vater<br />
arbeitet weiterhin 100 Prozent und die<br />
Mutter trägt neben ihrem 50-Prozent-<br />
Erwerbspensum zu Hause weiterhin<br />
die Hauptverantwortung.<br />
Paare mit jüngstem Kind unter drei<br />
Jahren arbeiten in der Schweiz in<br />
etwa gleich viel, nämlich die Frauen<br />
71,7 und die Männer 71,4 Stunden<br />
pro Woche. Das ist die Summe aus<br />
Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung<br />
und Hausarbeit. Der Unterschied<br />
zwischen den Geschlechtern liegt<br />
darin, dass die Arbeit der Männer<br />
mehrheitlich bezahlte Erwerbsarbeit<br />
ist und die der Frauen unbezahlte<br />
Familienarbeit. Verständlicherweise<br />
haben Frauen immer noch das<br />
Gefühl, dass die Koordination von<br />
Kinderbetreuung und Hausarbeit<br />
mehrheitlich bei ihnen liegt.<br />
Die Frau ist also so etwas wie die<br />
logistische Schaltzentrale der Familie.<br />
Genau. Von daher stimme ich Ihnen<br />
zu, wenn Sie sagen, dass mehr Familienarbeit<br />
an der Mutter hängen<br />
bleibt als am Vater. Aber es hängt<br />
eben von der Höhe der Arbeitspensen<br />
ab. Arbeiten Mann und Frau<br />
ähnlich viel, gleicht sich die Rollenteilung<br />
in der Praxis an. Wenn ein<br />
Vater (mindestens!) einen Tag pro<br />
Woche zu Hause für alles allein verantwortlich<br />
ist, vom Kochen übers<br />
Waschen bis hin zur Kinderbetreuung,<br />
fühlt er sich ebenso für den<br />
häuslichen, familiären Bereich verantwortlich.<br />
«Paare, die sich<br />
gemeinsam<br />
entwickeln, haben<br />
stabilere<br />
Beziehungen als<br />
andere Paare.»<br />
Aber in dem Fall bleibt nicht nur ein<br />
Partner, sondern gleich beide hinter<br />
ihren beruflichen Möglichkeiten<br />
zurück.<br />
Die von mir befragten Paare betonen<br />
mehrheitlich, dass die Karriere für<br />
sie nicht im Vordergrund stand. Verstehen<br />
sie mich nicht falsch: Das sind<br />
zum Teil hochqualifizierte Fachleute,<br />
die sich als leistungs- und berufsorientiert<br />
beschrieben haben. Doch<br />
die Balance zwischen Familie und<br />
Beruf war ihnen immer wichtig. Viele<br />
Paare haben auch betont, dass sie,<br />
als die Kinder klein waren, auf manches<br />
bewusst verzichtet haben. Es<br />
ging ihnen primär um die Qualität<br />
ihres Zusammenlebens und nicht<br />
um Geld und Karriere. Ich habe auch<br />
festgestellt, dass Paare, die sich<br />
gemeinsam entwickeln, stabilere<br />
Beziehungen haben als andere Paare.<br />
Die Scheidungsrate egalitär organisierter<br />
Paare liegt unter dem schweizerischen<br />
Durchschnittswert.<br />
Verzicht ist bei diesen Familien demnach<br />
ein Schlüsselbegriff.<br />
Im Sinne von Verzicht auf Geld und<br />
Status, ja. Nicht im Sinne von inhaltlicher<br />
Weiterentwicklung im Beruf.<br />
Bezeichnend ist, dass ein Grossteil<br />
der Studienteilnehmer zu einem späteren<br />
Zeitpunkt sein Arbeitspensum<br />
aufgestockt hat und ein Viertel sogar<br />
noch Karriere machen konnte. Das<br />
partnerschaftliche Familienmodell<br />
schliesst demnach eine – verzögerte<br />
– berufliche Karriere nicht aus.<br />
Ich stelle mir das aber auch nicht einfach<br />
vor: Da hat man diese Ab -<br />
machung und dann kommt ein tolles<br />
berufliches Angebot. Halten diese<br />
Beziehungen so etwas aus?<br />
Das muss kein Beziehungskiller sein,<br />
sofern man das gut miteinander aushandelt.<br />
An meiner Studie hat beispielsweise<br />
ein Paar teilgenommen,<br />
das zusammen eine Grafikagentur<br />
geführt hat, bis die Frau das Angebot<br />
bekam, in einem Verlag eine Führungsposition<br />
zu übernehmen. Ihr<br />
Mann riet ihr, die Chance zu ergrei<br />
34 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
fen, und das Ganze hat sich gut entwickelt.<br />
Allerdings waren ihre Kinder<br />
schon grösser. Wichtig ist in<br />
solchen Situationen, dass keiner den<br />
Eindruck hat, der andere lebe auf<br />
seine Kosten.<br />
Sie sprachen es eben an: Bei Ihren<br />
Studienteilnehmern handelte es sich<br />
um qualifizierte bis hochqualifizierte<br />
Fachkräfte. Welche Voraussetzungen<br />
braucht es, dass das Modell funktioniert?<br />
Zunächst einmal braucht es von beiden<br />
Partnern den Willen, diese Rollenteilung<br />
zu leben, sowie ein hohes<br />
Mass an Organisations-, Verhandlungs-<br />
und Konfliktfähigkeit. Man<br />
muss auch akzeptieren können,<br />
wenn der Partner etwas andere Vorstellungen<br />
von Kindererziehung und<br />
Ordnung hat. Auch die gerechte Verteilung<br />
der Hausarbeit war bei manchen<br />
Paaren immer wieder ein Zankapfel.<br />
Ausserdem müssen die Rollen<br />
stetig neu definiert werden: Wie geht<br />
«Die Rollen müssen<br />
stetig neu definiert<br />
werden. Das ist<br />
anstrengend, hält<br />
die Beziehung aber<br />
lebendig.»<br />
es uns gerade als Paar? Als Familie?<br />
Wie sieht es mit meinen Bedürfnissen<br />
aus, wie mit deinen? Stimmt es<br />
noch so für uns? Das ist mitunter<br />
anstrengend, hält die Beziehung aber<br />
längerfristig lebendig. Man bleibt im<br />
Gespräch.<br />
Welche wirtschaftlichen Faktoren spielen<br />
eine Rolle?<br />
Für Geringverdiener ist es sehr<br />
schwierig, so zu leben, da oft beide<br />
Partner voll arbeiten müssen, um die<br />
Existenz zu sichern. Ein Teilzeitpensum<br />
ist in solchen Fällen kaum möglich.<br />
Das geht nur bei Paaren, bei<br />
denen beide einen recht guten Lohn<br />
verdienen. Ausserdem ist es schwierig<br />
für selbständig Erwerbende, die<br />
hochpräsent für ihre Kundschaft sein<br />
müssen, und auch in Branchen, in<br />
denen die Bereitschaft, Teilzeit zu<br />
ermöglichen, gering ist. Aber die<br />
Nachfrage steigt! Das Bundesamt für<br />
Statistik hat 2013 junge Menschen<br />
nach ihrem favorisierten Er - >>><br />
Margret<br />
Bürgisser<br />
plädiert für eine<br />
egalitäre<br />
Aufteilung der<br />
Rollen zwischen<br />
Eltern.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>35
Monatsinterview<br />
>>> werbsmodell befragt. Ein<br />
Grossteil der Befragten hat sich für<br />
das partnerschaftliche Modell mit<br />
beidseitiger Teilzeitarbeit ausgesprochen.<br />
Aber die Realität sieht doch bei vielen<br />
anders aus. Kaum ist das Baby auf der<br />
Welt, finden sich viele Paare in einem<br />
annähernd klassischen Rollenmodell<br />
wieder. Warum das?<br />
Das ist eine gute Frage. Vielleicht weil<br />
viele junge Männer immer noch denken,<br />
sie müssten zwingend und<br />
schnell Karriere machen. Oder weil<br />
die Arbeitgeber zu wenig entgegenkommend<br />
sind in Sachen Teilzeitarbeit.<br />
Oder weil die Männer immer<br />
noch nicht den Mut haben, sich für<br />
eine Pensenreduktion starkzumachen.<br />
Der Typus des Karrieremannes,<br />
der bereit ist, im Job eine überdurchschnittliche<br />
Leistung zu<br />
bringen, ist immer noch das ideale<br />
Männerbild, dem die Männer nacheifern.<br />
Zu sagen: solange die Kinder<br />
nicht zur Schule gehen, werde ich 80<br />
Prozent oder sogar noch weniger<br />
arbeiten, dazu fehlt vielen Männern<br />
der Mut.<br />
«Statistisch gesehen<br />
stagniert das<br />
egalitäre Modell<br />
im niedrigen<br />
Prozentbereich.»<br />
Eine partnerschaftliche Rollenteilung<br />
würde auch bedeuten, dass manche<br />
Frauen mit ihren Pensen hochgehen<br />
oder zumindest häusliche Verantwortung<br />
an die Väter abgeben müssten.<br />
Und dazu sind nicht alle Mütter bereit<br />
– weil sie die Zeit mit den Kindern verbringen<br />
wollen oder weil sie es auch<br />
ganz schön finden zu Hause …<br />
… dann sollen sie das so machen. Ich<br />
bin dafür, dass die Leute das realisieren,<br />
was sie sich wünschen. Wenn<br />
dieses Modell für sämtliche Fami <br />
lienmitglieder stimmt, ist das doch<br />
auch eine Lösung. Ich bin überzeugt<br />
vom partnerschaftlichen Modell –<br />
unter bestimmten Rahmenbedingungen<br />
–, aber ich bin keine Missionarin,<br />
die es allen überstülpen will.<br />
Statistisch gesehen stagniert das<br />
egalitär e Rollenmodell seit Jahren im<br />
niedrigen Prozentbereich.<br />
Das stimmt und hat nicht zuletzt<br />
auch politische Gründe. Es mangelt<br />
an griffigen Fördermassnahmen.<br />
Das 1996 in Kraft getretene Gleichstellungsgesetz<br />
zielt fast ausschliesslich<br />
auf Gleichstellungsmassnahmen<br />
im Erwerbsbereich ab.<br />
Was sinnvoll klingt.<br />
Aber sehr einseitig ist. Bisher wurden<br />
ausgewählte Fachstellen dabei<br />
unterstützt, Mütter und Väter in<br />
Sachen Vereinbarkeit von Familie<br />
und Beruf zu beraten. 2016 hat der<br />
Bundesrat jedoch entschieden, ab<br />
2019 keine Finanzhilfen mehr an<br />
Frauenberatungs- und Wiedereinstiegsfachstellen<br />
zu zahlen. Wenn<br />
junge Paare sich also beraten lassen<br />
wollen, müssen sie diese Dienstleistung<br />
künftig selbst bezahlen. Ab<br />
2019 werden nur noch unternehmensbezogene<br />
Projekte, welche der<br />
Integration der Frauen in den<br />
Arbeitsmarkt und der Gleichstellung<br />
von Frau und Mann im Erwerbsleben<br />
dienen, von Finanzhilfen profitieren<br />
können. Die Gleichstellungspolitik<br />
wird damit faktisch in den<br />
Dienst der Wirtschaftspolitik ge <br />
stellt.<br />
Was braucht es Ihrer Meinung nach,<br />
um mehr Paaren eine egalitäre Rollenteilung<br />
zu ermöglichen?<br />
Um Vätern den Weg in die Familienarbeit<br />
zu ebnen, bieten sich verschiedene<br />
Massnahmen an. Eine<br />
davon ist die Förderung von Teilzeitarbeit<br />
– auch für Männer in an <br />
spruchsvollen Positionen. Eine<br />
Chance wäre auch ein Vaterschaftsoder<br />
Elternurlaub beziehungsweise<br />
ein «Elterngeld» – analog dem deutschen<br />
Vorbild. Die Diskussion über<br />
die Zukunft der Familie sollte auch<br />
weniger von wirtschaftlichen Interessen<br />
und Kosten-Nutzen-Überlegungen<br />
geleitet sein. Stattdessen<br />
sollte sie auf die Frage fokussieren:<br />
Welche Rahmenbedingungen brauchen<br />
Eltern und Kinder in der heutigen<br />
Zeit, um ein erfülltes Leben in<br />
Sicherheit und Geborgenheit zu führen?<br />
«Ich plädiere dafür,<br />
dass Paare, wenn<br />
sie Eltern werden,<br />
das Wohl des<br />
Kindes ins<br />
Zentrum stellen.»<br />
Sie selbst haben keine Kinder. Hätten<br />
Sie das partnerschaftliche Modell im<br />
Falle einer Familiengründung auch<br />
gewählt?<br />
Ja, das hätte ich mir gewünscht. Ich<br />
plädiere dafür, dass Paare, wenn sie<br />
Eltern werden, das Wohl des Kindes<br />
ins Zentrum stellen – so wie es meine<br />
Studienteilnehmer getan haben.<br />
Das bedeutet aber nicht den Verzicht<br />
auf berufliche Herausforderung und<br />
Erfüllung.<br />
In Ihrer letzten Befragung sind auch<br />
die mittlerweile erwachsenen Kinder<br />
zu Wort gekommen. Wie beurteilen<br />
diese das Lebensmodell ihrer Eltern?<br />
Mehrheitlich sehr positiv. Und auf<br />
die Frage, welche Eigenschaften sie<br />
an ihren Eltern jeweils bewundern,<br />
wurden andere als die typisch ge <br />
schlechtsspezifischen Eigenschaften<br />
genannt. So schätzt man an der Mutter<br />
insbesondere ihr Durchsetzungsvermögen,<br />
ihre Power und ihre Zielstrebigkeit,<br />
während die Väter für<br />
ihre Sozialkompetenz, ihre Ruhe und<br />
Ausgeglichenheit bewundert werden.<br />
Das finde ich sehr spannend,<br />
ebenso, dass drei Viertel aller Befragten<br />
es – wenn sie einmal Kinder<br />
haben – ebenso machen möchten<br />
wie ihre Eltern. Das spricht doch klar<br />
für dieses Modell.
Zur Person<br />
Dr. phil. Margret Bürgisser ist<br />
Soziologin und Inhaberin des Instituts<br />
für Sozialforschung, Analyse und<br />
Beratung ISAB (www.isab.ch) sowie<br />
Buchautorin. Seit über 20 Jahren<br />
forscht sie über sozialen Wandel,<br />
Gleichstellung, die Vereinbarkeit von<br />
Beruf und Familie, partnerschaftliche<br />
Rollenteilung sowie andere Themen.<br />
Margret Bürgisser:<br />
Partnerschaftliche Rollenteilung –<br />
ein Erfolgsmodell. Hep Verlag <strong>2017</strong>.<br />
Die Soziologin Margret Bürgisser im Gespräch mit Fritz+Fränzi-Autorin<br />
Evelin Hartmann.<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>37
Psychologie & Gesellschaft<br />
Armes Einzelkind?<br />
Einzelkinder sind verwöhnt, haben Mühe, sich in einer Gruppe<br />
einzufügen, und können nicht teilen. Und das, weil sie dies nicht mithilfe<br />
von Geschwistern lernen konnten. Doch was ist wirklich dran an den<br />
Vorurteilen über Einzelkinder? Eine Spurensuche. Text: Susan Edthofer<br />
«Freunde bedeuten<br />
für Einzelkinder oft<br />
eine Art erweiterte<br />
Familie.»<br />
Mit dem Begriff Familie verbinden sich<br />
traditionelle Vorstellungen, die vielfach<br />
weit von der Realität entfernt<br />
sind. Hartnäckig hält sich das Idealbild<br />
eines Familiengefüges, das aus<br />
Mutter, Vater und zwei bis drei Kindern besteht. Warum<br />
ein Paar nur ein Kind hat, kann verschiedene Ursachen<br />
haben. Möglicherweise sind es biologische Gründe, vielleicht<br />
reichen die finanziellen Mittel nicht aus, um eine<br />
grössere Familie zu ernähren. Oder die berufliche Verwirklichung<br />
ist ebenso wichtig wie die Familie. Natürlich<br />
spielt auch die Tatsache mit, dass Ehen geschieden<br />
werden, bevor Geschwister zur Welt kommen.<br />
Einzelkinder und ihr Ruf<br />
Studien belegen, dass Einzelkinder nicht egoistischer<br />
sind als andere Kinder. Für die Charakterbildung entscheidender<br />
ist, welche Werte Eltern ihrem Kind vermitteln.<br />
Dass Einzelkinder oft mehr Aufmerksamkeit<br />
erhalten als Kinder mit Geschwistern, ist unbestritten.<br />
Schliesslich müssen sich Einkindeltern bei der Erziehungsaufgabe<br />
nur auf einen Sohn, eine Tochter fokussieren.<br />
Das heisst aber nicht, dass diese Kinder deswegen<br />
zu Egoisten werden. Nicht selten gewichten Einzelkinder<br />
Freundschaften höher als materiellen Besitz und haben<br />
keine Mühe, Dinge zu teilen. Wenn Eltern sich nicht<br />
einig sind, befinden sich Einzelkinder schnell in einem<br />
Loyalitätskonflikt. Fakt ist: Auch bei den Einzelkindern<br />
gibt es unterschiedliche Persönlichkeiten, und das typische<br />
Einzelkind existiert vor allem in unseren Vorstellungen.<br />
Glückliche oder unglückliche Kindheit<br />
Dass ein Kind inmitten von Geschwistern aufwächst, ist<br />
noch kein Garant für eine glückliche Kindheit. Es gibt<br />
Kinder, die gerne allein sind und das Fehlen eines Bruders,<br />
einer Schwester nicht vermissen. Andere wiederum<br />
wünschen sich nichts sehnlicher als ein Geschwister<br />
oder fühlen sich trotz Geschwistern innerhalb der Familie<br />
alleine. Freundinnen und Freunde bedeuten für Einzelkinder<br />
oft eine Art erweiterte Familie. Wichtig ist,<br />
Susan Edthofer ist Redaktorin<br />
im Bereich Kommunikation<br />
dass Eltern darin keine Bedrohung sehen<br />
von Pro Juventute.<br />
und nicht annehmen, dass dem Kind die<br />
eigene Familie nicht genügt. Strategien,<br />
welche Kinder selber entwickeln, helfen,<br />
die Kindheit zu einer Wunschkindheit werden zu lassen:<br />
Manchmal dienen Cousinen und Cousins als Geschwisterersatz.<br />
Gewisse Kinder erschaffen sich zudem ein<br />
imaginäres Zwillingsgeschwister, dem sie ihr Innerstes<br />
anvertrauen und mit dem sie gemeinsam spannende<br />
Abenteuer erleben.<br />
Was Eltern von Einzelkindern tun können – vier Tipps<br />
• Achten Sie darauf, dass Ihr Kind auch in der Freizeit oft mit anderen<br />
Kindern zusammen sein darf. Zeigen Sie Verständnis, wenn Ihr Kind<br />
zwischendurch auch gerne alleine sein möchte.<br />
• Nehmen Sie auf Ausflüge Freundinnen und Freunde Ihres Kindes<br />
mit. Lassen Sie Ihr Kind selber wählen, wen es mitnehmen möchte.<br />
Gewähren Sie Ihrem Kind genügend Freiraum, damit es auch Zeit in<br />
anderen Familien verbringen kann.<br />
• Passen Sie auf, dass Ihr Kind nicht in einen Loyalitätskonflikt gerät,<br />
wenn Sie sich als Eltern uneinig sind. Ihr Kind kann sich nicht mit<br />
seinen Geschwistern zusammentun und opponieren und ist deshalb<br />
noch stärker von Ihnen abhängig als Geschwisterkinder.<br />
• Oft betrachten Einzelkinder ihre Freundinnen und Freunde als<br />
erweiter te Familie. Freuen Sie sich, wenn Ihr Kind gut integriert ist,<br />
und denken Sie nicht, es fühle sich in seiner Familie zu wenig wohl.<br />
Pro Juventute Elternberatung<br />
Bei Pro Juventute Elternberatung können Eltern und Bezugspersonen von<br />
Kindern und Jugendlichen jederzeit telefonisch (058 261 61 61) oder online<br />
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Erziehung und Schule stellen. Ausser den normalen Telefongebühren fallen<br />
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Informationen für den Erziehungsalltag. Mehr Infos: www.projuventute.ch<br />
38 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Wir sind die Chefs –<br />
von morgen.<br />
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Kolumne<br />
Die Eltern als Sparringspartner<br />
Warum es sinnvoll sein kann, seine pubertierenden Kinder als Austauschstudenten<br />
zu betrachten, und wieso man ihnen dennoch Verantwortung übertragen sollte.<br />
Jesper Juul<br />
ist Familientherapeut und Autor<br />
zahlreicher internationaler Bestseller<br />
zum Thema Erziehung und Familien.<br />
1948 in Dänemark geboren, fuhr er<br />
nach dem Schulabschluss zur See, war<br />
später Betonarbeiter, Tellerwäscher<br />
und Barkeeper. Nach der<br />
Lehrerausbildung arbeitete er als<br />
Heimerzieher und Sozialarbeiter<br />
und bildete sich in den Niederlanden<br />
und den USA bei Walter Kempler zum<br />
Familientherapeuten weiter. Seit 2012<br />
leidet Juul an einer Entzündung der<br />
Rückenmarksflüssigkeit und sitzt im<br />
Rollstuhl.<br />
Jesper Juul hat einen erwachsenen<br />
Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter<br />
Ehe geschieden.<br />
E<br />
in Leser schreibt: In den<br />
letzten drei Monaten<br />
stellten wir bei unserem<br />
Sohn Mario, 12, eine<br />
grosse Veränderung fest.<br />
Er ist oft launisch und macht sowohl<br />
uns als auch seinem achtjährigen<br />
Bruder das Leben schwer.<br />
Es geht rauf und runter. Wenn wir<br />
die Wochenenden oder Feiertage<br />
mit ein ander verbringen, kommt er<br />
wieder zurück zu seinem alten<br />
Selbst, aber sobald er in der Schule<br />
und mit seinen Freunden zusammen<br />
ist, wird er mürrisch und reagiert<br />
nicht mehr auf uns Eltern.<br />
Besonders schlimm ist es, wenn<br />
er von seinen Freunden zurückkommt.<br />
Wir glauben, dass er das<br />
Gefühl hat, seine Freunde hätten viel<br />
mehr Freiheiten als er: Sie würden<br />
später ins Bett gehen, kauften sich<br />
ständig Süssigkeiten und andere<br />
Dinge vom Geld ihrer Eltern.<br />
Wir versuchen, einige der Wünsche<br />
von Mario zu erfüllen. Wir wissen<br />
auch, dass wir ihn loslassen müssen,<br />
aber er ist nie zufrieden und<br />
Seien Sie für Ihren Sohn ein<br />
Sparringspartner: Sie leisten<br />
maximalen Widerstand und<br />
richten minimalen Schaden an.<br />
glücklich. Er sieht ständig das Negative,<br />
nie etwas Gutes oder Positives.<br />
Wenn etwas passiert, dann gibt er<br />
immer den anderen die Schuld.<br />
Seine negative Haltung uns und<br />
seinem Zuhause gegenüber zermürbt<br />
uns. Wir versuchen ganz ruhig mit<br />
ihm zu reden, und oft scheint er zu<br />
verstehen. Doch am nächsten Tag ist<br />
er wieder ablehnend.<br />
Mario ist beliebt bei den anderen,<br />
aber er erlebt nicht so viel, mit dem<br />
er sich rühmen kann, wie die anderen<br />
Burschen in seiner Klasse. Wie<br />
können wir uns Mario annähern<br />
und ihn erreichen?<br />
Jesper Juul antwortet<br />
Was Sie beschreiben, ist das normale<br />
Bild eines Zwölfjährigen in der<br />
Pubertät. Er trifft auf neue Referenzen<br />
in seinem Leben – auf Freunde –,<br />
und es beginnen grosse Umbauarbeiten<br />
in seinem Gehirn, das bis<br />
jetzt immer zur Zufriedenheit aller<br />
gearbeitet hat.<br />
In den nächsten Jahren werden<br />
sich sein Verhalten und sein Charakter<br />
ändern. Nicht nur in Bezug<br />
auf seine Stimmungen, sondern<br />
auch in Bezug auf die Fähigkeiten,<br />
die er vorher hatte. Die scheinen im<br />
Moment verschwunden zu sein.<br />
Betrachten Sie Ihren Sohn jetzt,<br />
als wäre er ein Austauschstudent aus<br />
einer «anderen Kultur», und lernen<br />
Sie dabei, wie Sie mit ihm umgehen<br />
können.<br />
Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />
40 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Ihre Beschreibung erinnert mich an<br />
eine Erfahrung, die ich bei einem<br />
Ge spräch mit einer Patchworkfamilie<br />
gemacht habe. Die Mutter stellte<br />
ihre Familie vor und schloss mit<br />
folgenden Worten über ihren elfjährigen<br />
Sohn: «Er ist jetzt in einem<br />
Alter, in dem ihm die Familie nicht<br />
mehr so wichtig ist.»<br />
Die Frau sass neben ihrem Sohn,<br />
dem ein paar Tränen über die Wangen<br />
rannen. Als ich ihn danach fragte,<br />
sagte er: «Das ist nicht wahr,<br />
Mama! Meine Familie bedeutet<br />
immer noch sehr viel für mich. Ich<br />
verbringe jetzt nur mehr Zeit mit<br />
meinen Freunden!»<br />
Ihr Sohn Mario sucht nun seine<br />
eigene Art und Weise, um sich in<br />
der Welt zurechtzufinden. Würde<br />
ich ihn bitten, ein Abendessen für<br />
die Familie zuzubereiten, würde er<br />
wohl versuchen, ein guter Koch zu<br />
sein und mit allem zu experimentieren,<br />
was zur Verfügung steht, um<br />
dieses Ziel zu erreichen.<br />
Wenn aber seine Eltern sich ständig<br />
einmischen und sagen, dass sie<br />
so etwas niemals essen würden,<br />
dann fühlt er sich bewertet. Er fühlt,<br />
dass die Energie, die er einsetzt,<br />
nicht geschätzt wird. Es wurde ihm<br />
sozusagen eine Aufgabe erteilt, aber<br />
nicht die Möglichkeit gegeben, für<br />
deren Erfüllung auch verantwortlich<br />
zu sein.<br />
Der beste Weg für Sie als Eltern,<br />
ihrem Sohn in seiner neuen Rolle<br />
zu begegnen, ist, wenn Sie in die<br />
Rolle eines Sparringspartners<br />
schlüpfen. Das bedeutet, ihm eine<br />
Art Trainingspartner zu sein, maximalen<br />
Widerstand zu leisten und<br />
minimalen Schaden anzurichten.<br />
Er braucht jetzt Ihre Antworten<br />
und Rückmeldungen, mit der traditionellen<br />
Form der Erziehung in<br />
Form von «Unterricht» ist es nun<br />
vorbei. Er braucht ehrliches,<br />
authentisches und persönliches<br />
Feedback.<br />
Je mehr Sie über seine neuen Versuche<br />
und Möglichkeiten des<br />
Menschseins richten und diese<br />
bewerten, desto mehr wird er Ihren<br />
Weg des Seins ablehnen.<br />
Wenn wir das Bild mit ihm als<br />
Koch für die Familie herbeiziehen,<br />
so ist es nicht nur in Ordnung, sondern<br />
es ist sogar sehr wichtig, zu<br />
sagen: «Das hat mir nicht gefallen»<br />
oder «Mmmh, das hat gut ge <br />
schmeckt».<br />
Das kann zu Konflikten führen,<br />
aber es sind Konflikte, an denen beide<br />
Parteien wachsen. Das wiederum<br />
stärkt die Beziehung in beide Richtungen.<br />
Wenn Sie glauben, dass Ihr Sohn<br />
von Ihrer Erfahrung und Perspektive<br />
profitieren kann, dann warten Sie<br />
zuerst auf seine Einladung. Das<br />
bedeutet, ihm zu vermitteln: «Ich<br />
möchte mit dir über das reden, was<br />
wir gestern zu essen bekommen<br />
haben. Hast du Zeit?» Dabei müssen<br />
Sie auch ein Nein aushalten können.<br />
Sie haben nicht mehr automatisch<br />
Zutritt zu seinem Bewusstsein und<br />
nicht mehr seine Erlaubnis, jederzeit<br />
alles sagen zu dürfen.<br />
Ihre Zeilen, die Sie an mich<br />
gerichtet haben, vermitteln mir den<br />
Eindruck einer Familie mit zwei<br />
engagierten, liebevollen und verantwortungsbewussten<br />
Eltern, die<br />
wunderbare Arbeit geleistet haben.<br />
Vielleicht mit der Tendenz, ein<br />
wenig «zu vernünftig» zu sein. Sie<br />
werden Ihre wohlverdiente Belohnung<br />
dafür bekommen – allerdings<br />
wird es noch etwa zehn Jahre dauern,<br />
bis Sie die Auszahlung erhalten<br />
werden.<br />
Bis dahin gibt es, ausser dass Sie<br />
anwesend sind, nur eine Sache zu<br />
tun: Lieben Sie Ihren Sohn so, wie<br />
Sie werden die verdiente Belohnung<br />
für Ihre wunderbare Arbeit als Eltern<br />
bekommen – allerdings dauert es noch<br />
etwa zehn Jahre bis zur Auszahlung.<br />
er in seiner Einzigartigkeit ist, selbst<br />
wenn das das Schwierigste ist. Das<br />
ist es, was er wirklich braucht, um<br />
das er aber nicht fragen kann. Sie<br />
haben ihm das Vertrauen und die<br />
Grundlage gegeben, die beste Person<br />
zu sein, die er sein kann – auch mit<br />
seinen Fehlern.<br />
Haben auch Sie eine Frage an Jesper Juul,<br />
die er persönlich beantworten soll?<br />
Dann schreiben Sie uns eine E-Mail an<br />
redaktion@fritzundfraenzi.ch oder<br />
einen Brief an: Schweizer ElternMagazin<br />
Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97,<br />
8008 Zürich<br />
Die Kolumnen von Jesper Juul entstehen<br />
in Zusammenarbeit mit<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>41
Erziehung & Schule<br />
Grenzenlose Liebe?<br />
Wenn sich zwei Menschen aus unterschiedlichen Kultur kreisen ineinander verlieben, stossen sie nicht<br />
selten auf Vorurteile. Doch wie entstehen diese? Und wie können Vorurteile überwunden werden?<br />
Text: Maximiliane Uhlich, Michael Ackert<br />
Freya schwärmt schon lange<br />
für Konstantin, 16. Als<br />
die 15-Jährige erfährt,<br />
dass es ihm ebenso er -<br />
geht, ist sie überrascht<br />
und glücklich. Als sie Konstantin<br />
jedoch ihren Eltern als festen Freund<br />
vorstellt, erlebt sie eine herbe Enttäuschung.<br />
Dass Konstantin aus dem ehemaligen<br />
Jugoslawien kommt und<br />
bekennender Muslim ist, spielt für<br />
Freya keine Rolle. Sie liebt ihn. Sie<br />
selbst war als Diplomatentochter<br />
viel in der Welt unterwegs, erst vor<br />
zwei Jahren entschieden sich ihre<br />
Eltern, zurück in die Schweiz zu<br />
kommen. Dass sie nun gegen ihre<br />
Beziehung sind, weil Konstantin<br />
einer anderen Religion angehört, ist<br />
für Freya ein Schock. Besonders<br />
Freyas Mutter macht ihrer Tochter<br />
klar, dass sie nichts gegen eine<br />
romantische Beziehung habe, mit<br />
der Beziehung zu Konstantin jedoch<br />
nicht einverstanden sei. Was sie<br />
ihrer Tochter jedoch nicht sagt, ist,<br />
dass ihre Reaktion für sie selbst<br />
überraschend ist. Als Mutter will sie<br />
nur das Beste für ihr Kind. Der<br />
Gedanke, ihrer Tochter in Sachen<br />
Liebe etwas vorzuschreiben, er -<br />
schreckt sie, doch fühlt es sich in<br />
diesem Fall richtig an. Sie kennt<br />
Konstantin nur flüchtig, von einem<br />
ersten Treffen abgesehen, sind die<br />
Eindrücke spärlich. Die Mutter vertraut<br />
mehr ihrer Intuition. Ausserdem<br />
ist ihr der Gedanke, dass ihre<br />
Die Mutter kennt<br />
Konstantin nur flüchtig.<br />
Vertraut aber<br />
ihrer Intuition.<br />
Bild: © Thinkstock<br />
42 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Enkelsöhne irgendwann beschnitten<br />
werden könnten, sehr fremd.<br />
Unsichtbare Mauern<br />
Freya und Konstantin sind nur ein<br />
Beispiel. Konstantin könnte auch<br />
Yusuf oder Jamal heissen, dunkelhäutig<br />
sein oder aus China kommen.<br />
Vielleicht spräche er einen arabischen<br />
Dialekt oder Swahili. Vielleicht<br />
hätte sich die Familie von<br />
Konstantin gegen seine Beziehung<br />
mit Freya gestellt. Bei allen Kombinationen<br />
bleibt, dass Stereotype<br />
schnell zu Vorurteilen führen und<br />
unsichtbare Mauern zwischen dem<br />
«Wir» und «den Anderen» entstehen<br />
(siehe Box Seite 45). Was Freya und<br />
Konstantin erleben, kann verschiedene<br />
Ursachen haben. Für das Paar<br />
ist es in erster Linie eine schmerzhafte<br />
Enttäuschung über das Unverständnis<br />
für ihre Liebe. Ohne eine<br />
bestimmte Absicht durchbricht ihre<br />
Zuneigung zueinander die Grenze<br />
zwischen dem «Wir» der Mutter und<br />
«den Anderen». Nun stehen der<br />
Partnerschaft Vorurteile im Weg.<br />
Wie kann ein Umgang gefunden<br />
werden, der auf beiden Seiten Verständnis<br />
schafft?<br />
Verschiedene Arten von Vorurteilen<br />
Ausgrenzung oder Diskriminierung<br />
findet entlang von (aus-)gedachten<br />
gesellschaftlichen Grenzen meistens<br />
zwischen einer Minderheit und<br />
einer Mehrheit statt. Erkennbar ist<br />
oft nur das abweisende Verhalten,<br />
da die Meinungen, wenn überhaupt,<br />
nur im Privaten offengelegt werden.<br />
Dabei können das äussere Verhalten<br />
und die innere Einstellung in unterschiedliche<br />
Richtungen zeigen. Die<br />
Sozialpsychologie unterscheidet<br />
deshalb bei Diskriminierung verschiedene<br />
Arten von Vorurteilen<br />
(siehe Box Seite 45). Die Ungerechtigkeit<br />
für Freya und Konstantin ist,<br />
dass Freya als Diplomatentochter<br />
die Erwartung hat, seitens ihrer<br />
Eltern eine offene Haltung gegenüber<br />
einem Partner wie Konstantin<br />
zu treffen. Nun erlebt sie die Diskrepanz<br />
zwischen der Einstellung<br />
ihrer Mutter auf der Arbeit und im<br />
Privaten, ihrem beruflichen Um -<br />
gang mit der Vielfalt der Welt und<br />
der Haltung gegenüber einem Mitglied<br />
innerhalb der eigenen Familie.<br />
Die Haltung der Mutter ist nachvollziehbar,<br />
doch wie kommt es<br />
dazu?<br />
Menschen brauchen, um der<br />
Komplexität der Umwelt Herr zu<br />
werden, schnell verfügbare und einfach<br />
strukturierte Informationen.<br />
Ohne dass Personen es bewusst<br />
bemerken, klassifiziert das Gehirn<br />
die soziale Umwelt in Gruppen und<br />
versieht sie mit einfach zugänglichen<br />
Informationen – den Stereotypen.<br />
Solche Stereotype sind hilfreich<br />
und notwendig. Sie erlauben schnelle<br />
Entscheidungen und geben<br />
Sicherheit durch die empfundene<br />
Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Sie<br />
rechtfertigen und schaffen zum Teil<br />
Anzeige<br />
Menschen brauchen schnell<br />
verfügbare und einfach<br />
strukturierte Informationen.<br />
jedoch auch die ungleichen Machtverhältnisse<br />
in einer Gesellschaft.<br />
Häufig passiert zudem, dass diese<br />
«Filter» in der Wahrnehmung neue<br />
Informationen über eine soziale<br />
Gruppe nur in einer bestimmten<br />
Weise interpretieren lassen.<br />
Eine besondere Rolle spielen<br />
dabei aussergewöhnliche Ereignisse,<br />
wobei besonders auffällige Mitglieder<br />
einer Gruppe das Bild prägen.<br />
Die Mehrheit der Gruppe wird nicht<br />
wahrgenommen, bekommt aber<br />
dieselbe Bewertung. Einem solchen<br />
Urteil zufolge werden auf der >>><br />
Sprachaufenthalte<br />
für Jugendliche<br />
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SEINES LEBENS.<br />
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SPECIAL BIS<br />
31.10.<strong>2017</strong><br />
SPRACHAUFENTHALTE<br />
2018 ZU PREISEN<br />
VON <strong>2017</strong><br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>43
Erziehung & Schule<br />
Lassen Sie die eigenen<br />
Vorurteile bewusst<br />
hochkommen und überprüfen<br />
Sie Ihre Emotionen.<br />
>>> einen Seite alle Informationen<br />
ausgeschlossen, die der eigenen<br />
Meinung widersprechen, und auf<br />
der anderen Seite bringen die Neuigkeiten,<br />
die in das Muster passen,<br />
Bestätigung für die eigenen Stereotypen.<br />
Die Welt wird nach einem<br />
einfachen und verfestigten Muster<br />
wahrgenommen («stereo» kommt<br />
vom Altgriechischen und bedeutet<br />
«fest, steif, solide»).<br />
Grenzen überwinden<br />
Im sozialen Bereich kann sich etwa<br />
ein gesellschaftliches Bild in «Wir»<br />
und «die Anderen» verfestigen. Dass<br />
Konstantin von Freyas Mutter nicht<br />
als Teil der eigenen Gruppe wahrgenommen<br />
wird, hat vielleicht mit<br />
ihren persönlichen Erfahrungen in<br />
der Vergangenheit zu tun. Vielleicht<br />
hat sich die Mutter ihre Meinung<br />
über die Gruppe «der Anderen» aus<br />
den Medienberichten gebildet.<br />
Sich einzugestehen, dass dies eine<br />
Rolle spielt, ist ein erster Schritt.<br />
Danach können viele weitere Schritte<br />
erfolgen, die den Weg für einen<br />
Abbau von Vorurteilen und Stereotypen<br />
ebnen. Als Elternteil können<br />
Sie ein Beispiel für die eigenen Kinder<br />
sein, wenn Sie an den eigenen<br />
Stereotypen arbeiten. In der Sozialpsychologie<br />
haben sich über die Zeit<br />
einige Empfehlungen herausgebildet,<br />
die die unsichtbaren Grenzen<br />
zwischen zwei Gruppen überwindbarer<br />
machen. Hierzu zählen die<br />
bewusste häufige und individuelle<br />
Begegnung mit Gruppenmitgliedern<br />
«der Anderen» in verschiedenen<br />
Situationen. Lassen Sie dabei die<br />
Vorurteile in Ihrem Bewusstsein<br />
hochkommen. Dabei können Sie<br />
Ihre eigenen Emotionen überprüfen.<br />
Chancen und Risiken<br />
Nehmen Sie sich Zeit und lassen Sie<br />
Ihre eigenen Eindrücke über die<br />
Begegnung mit den Menschen auf<br />
sich wirken. Versuchen Sie nicht,<br />
etwas «Typisches» zu finden oder<br />
den Eindruck entstehen zu lassen,<br />
dass gerade diese «Anderen» eine<br />
Ausnahme sind und nicht zu der<br />
Gruppe gehören, die Sie sonst be <br />
fremdet. Somit gewinnen Sie neue<br />
Erfahrung und können die Gedanken<br />
und Gefühle Ihrer Kinder, die<br />
solche Begegnungen im schulischen<br />
Kontext einer multikulturellen Ge <br />
sellschaft häufig erleben, aus einer<br />
anderen Position besser nachvoll <br />
ziehen.<br />
Zum Schluss die Frage: Mit wem<br />
konnten Sie sich in dieser Geschichte<br />
am besten identifizieren? War es<br />
Freya, Konstantin, das Paar oder<br />
doch die Mutter? Alle drei haben mit<br />
Hürden zu kämpfen. Was die Risiken<br />
und die Chancen in solchen Situationen<br />
sind, untersucht gerade eine<br />
Forschungsgruppe am Institut für<br />
Familienforschung und -beratung<br />
an der Universität Freiburg zusammen<br />
mit dem Institut für Empirische<br />
Religionsforschung der Universität<br />
Bern in einer Online-Studie (siehe<br />
nächste Seite).<br />
>>><br />
Maximiliane Uhlich<br />
ist Psychologin und Doktorandin im<br />
Forschungsprojekt «Interkulturelle und<br />
interreligiöse Partnerschaften» am Institut<br />
für Familienforschung und -beratung der<br />
Universität Freiburg. Sie forscht über das<br />
Funktionieren von Beziehungen.<br />
Michael Ackert<br />
hat Psychologie an der Humboldt-<br />
Universität zu Berlin studiert. Er promoviert<br />
zurzeit am Institut für Familienforschung<br />
und -beratung der Universität Freiburg<br />
zum Thema Wertetransformation in<br />
interreligiösen Partnerschaften.<br />
Ausbildung<br />
Seniorenbetreuung<br />
Infos unter www.ibk-berufsbildung.ch
Auf jeden Fall<br />
bewegen!<br />
Stereotyp und Vorurteil<br />
• Stereotypen: Annahmen über eine soziale Gruppe. Sie<br />
beinhalten Überzeugungen über typische Merkmale und<br />
Verhaltensweisen der Gruppe, die entweder (teilweise)<br />
zutreffen, aber auch gänzlich falsch sein können. Was<br />
immer zutrifft, ist, dass sie übertrieben und bewertend<br />
sind. Die Bewertung einer Gruppe aufgrund von<br />
verbreiteten Annahmen führt schliesslich zu Vorurteilen.<br />
• Vorurteile: Eine positive oder negative Bewertung einer<br />
sozialen Gruppe und ihrer Mitglieder. Vorurteile führen<br />
seltener zu bevorzugendem, oft zu benachteiligendem<br />
Verhalten gegenüber einer Gruppe oder einem<br />
Gruppenmitglied.<br />
Arten von Vorurteilen<br />
• Klassisches Vorurteil: Jemand ist gegen bestimmte<br />
Menschen, äussert es öffentlich und verbirgt seine innere<br />
Einstellung nicht. Dass dabei bestimmte Menschen<br />
diskriminiert werden, ist dieser Person klar.<br />
• Modernes Vorurteil: Jemand ist negativ eingestellt<br />
gegenüber einer bestimmten Gruppe von Menschen,<br />
möchte dies jedoch nicht öffentlich zeigen. Er oder sie<br />
verbirgt seine innere Einstellung und leugnet dabei<br />
die Tatsache der Diskriminierung.<br />
• Aversives Vorurteil: Jemand hat eine negative Einstellung<br />
gegenüber einer bestimmten Gruppe Menschen,<br />
sagt nach aussen jedoch, dass diese Menschen<br />
diskriminiert werden und deshalb positiv gesehen werden<br />
müssen. Er oder sie muss sich anstrengen, seine/ihre<br />
innere Einstellung zu verbergen. Der Widerspruch<br />
zwischen innerer und äusserer Einstellung wird in<br />
diesem Fall als Aversion bezeichnet.<br />
Studie: Ein Paar – zwei Religionen<br />
In einem interdisziplinären Projekt untersuchen Psychologen<br />
und Religionswissenschaftler, was zum Gelingen einer<br />
interreligiösen oder interkulturellen Partnerschaft beiträgt<br />
und welche Risiken zum Scheitern führen. In einer breit<br />
angelegten Online-Umfrage werden individuelle und<br />
paarpsychologische, religiöse sowie soziologische Aspekte<br />
untersucht. Paare und Einzelteilnehmer bekommen ein<br />
wissenschaftlich fundiertes Feedback zu ihren Angaben. Die<br />
Studie wird vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert<br />
und läuft ab sofort bis Ende 2018. Gesucht werden Paare,<br />
die einen unterschiedlichen religiösen oder kulturellen<br />
Hintergrund haben, oder Personen, die in einer solchen<br />
Partnerschaft waren. Die Studie führen das Institut für<br />
Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg<br />
und das Institut für Empirische Religionswissenschaft der<br />
Universität Bern duch. Mehr Informationen sowie den Link<br />
zur Studie finden Sie unter: www.paare.unibe.ch.<br />
«Nein, da steigst du jetzt nicht<br />
hoch!» Ist Ihnen dieser Satz<br />
auch schon über die Lippen<br />
gekommen? Eltern sind oft ein<br />
wenig besorgt, wenn ihre Kinder<br />
spielend die Welt erkunden.<br />
Dabei sind diese Erfahrungen so<br />
wichtig, damit die kleinen<br />
Entdecker lernen, Risiken einzuschätzen<br />
und körperliche<br />
Grenzen auszutesten. Natürlich<br />
kann es zu kleinen Unfällen<br />
kommen – mehr als eine Schürfung<br />
gibt es meist aber nicht zu<br />
verarzten. Deshalb zeigt Ihnen<br />
der EGK-Ratgeber «Bewegung,<br />
Spiel und Spass in der ganzen<br />
Familie» nicht nur Bewegungstipps<br />
für Grosseltern, Eltern<br />
und ihre Kinder. Er zeigt auch,<br />
wie Sie dem Forschungs- und<br />
Entwicklungsdrang der Kleinen<br />
gerecht werden.<br />
Den Ratgeber «Bewegung, Spiel<br />
und Spass in der ganzen<br />
Familie» der EGK-Gesundheitskasse<br />
erhalten Sie unter:<br />
www.egk.ch/spiel-und-spass<br />
Lukas Zahner<br />
Departement für Sport,<br />
Bewegung und Gesundheit<br />
der Universität Basel<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>45
Erziehung & Schule<br />
Üben, wie man<br />
Frust erträgt<br />
Viele Kinder reagieren auf Enttäuschungen und Niederlagen mit Wut<br />
und Aggression. Wie Eltern und Lehrpersonen einem Kind helfen<br />
können, seine Frustrationstolerenz zu verbessern und Bedürfnisse<br />
und Wünsche besser zu kontrollieren. Text: Ruth Fritschi<br />
«Kinder beim emotionalen<br />
Lernen zu begleiten, ist<br />
eine Herausforderung.»<br />
Ruth Fritschi ist Mitglied der<br />
Geschäftsleitung des Dachverbandes<br />
Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH),<br />
schulische Heilpädagogin und Lehrperson<br />
Kindergarten.<br />
Unser Erstklässler hat immer wieder Wutanfälle,<br />
zu Hause und manchmal auch in<br />
der Schule. Er ist viel aggressiver als sein<br />
älterer Bruder. Wie können wir das in<br />
den Griff bekommen?» Für viele Eltern<br />
und Lehrpersonen eine bekannte Situation. Und eine<br />
grosse Herausforderung.<br />
Klar ist, dass nicht Sie als Eltern das in den Griff<br />
bekommen sollen, sondern Ihr Sohn oder Ihre Tochter<br />
selber. Aber natürlich müssen Sie, liebe Eltern, und wir<br />
Lehrpersonen dem Kind dabei helfen. Dazu braucht es<br />
erstens eine Grundhaltung, dass Konflikte gewaltfrei zu<br />
lösen sind, und zweitens ein nicht wertendes Verständnis<br />
dafür, wie die Wut zustande kommt. Alle Gefühle,<br />
auch negative wie Ärger und Wut, sind berechtigt. Aber<br />
die Form, wie sie ausgedrückt werden, soll zivilisiert<br />
und fair sein. Das muss und kann man lernen.<br />
Viele Kinder kommen nur sehr schlecht mit Kritik<br />
und Misserfolgen zurecht. Sie reagieren mit Wut und<br />
Aggressionen, wenn ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche<br />
nicht null Komma plötzlich erfüllt werden. Mal<br />
abwarten zu müssen oder hin und wieder enttäuscht zu<br />
Alle Gefühle, auch negative wie<br />
Ärger und Wut, sind berechtigt.<br />
Aber die Form, wie sie ausgedrückt<br />
werden, soll fair sein.<br />
werden, weil das Gewünschte nicht zu bekommen ist,<br />
halten sie nicht aus. Dies gehört im Kleinkindalter zum<br />
normalen Entwicklungsprozess.<br />
Bis zum Eintritt in die Primarschule sollte jedoch<br />
jedes Kind eine gewisse Frustrationstoleranz aufgebaut<br />
haben. Bei manchen Kindern geschieht dies ganz von<br />
selbst, andere brauchen auf dem Weg zu einem «reiferen»<br />
Umgang mit Frustrationen mehr Unterstützung.<br />
Findet diese Entwicklung nicht statt, weil etwa Eltern<br />
aus falsch verstandener Sorge ihrem Kind keine Enttäuschungen<br />
zumuten wollen, wirkt sich das für das Kind<br />
verheerend aus.<br />
Was ist Frustrationstoleranz? Es ist die Fähigkeit, mit<br />
Enttäuschungen umzugehen. Sie gehört neben anderen<br />
Kompetenzen wie zum Beispiel Beziehungs- und Konfliktfähigkeit<br />
oder auch Einfühlungsvermögen zum<br />
Bereich der emotionalen Intelligenz. Emotionale Intelligenz<br />
bedeutet, dass man seine Gefühle wahrnehmen<br />
kann, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Und dass<br />
man auch die Gefühle anderer erkennen und respektieren<br />
kann.<br />
Wie äussert sich geringe Frustrationstoleranz? Tisch<br />
abräumen, Zimmer aufräumen, Flöte üben? «Keine<br />
Lust.» Wenn Eltern solchem Verhalten der Harmonie<br />
wegen immer wieder nachgeben oder sich ständig in<br />
Endlosdiskussionen verstricken, kann das problematisch<br />
werden. Das Kind lernt so, dass es mit seiner bockigen<br />
Haltung Erfolg hat. Wie soll es wissen, dass ein<br />
ähnliches Verhalten später in der Schule weniger Erfolg<br />
verspricht und es bei den Mitschülerinnen und Mitschülern<br />
und bei den Lehrpersonen nicht mit derselben<br />
elterlichen Nachsicht rechnen darf? Mangelnde Frustrationstoleranz<br />
äussert sich häufig auch beim Kontakt<br />
46 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
mit anderen Kindern. Die Betroffenen spielen zwar<br />
gerne mit Nachbarskindern und Freunden, aber nur<br />
solange alles nach ihren Wünschen läuft. Ist dies nicht<br />
der Fall, reagieren sie schnell aggressiv und verärgert.<br />
Sie empfinden das Nichterfüllen ihrer Wünsche als so<br />
starke Zumutung, dass sie sich gar nicht anders verhalten<br />
können. In der Schule reden diese Kinder ständig<br />
dazwischen, weil sie in jungen Jahren nicht gelernt<br />
haben, dass sie jemanden nicht einfach unterbrechen<br />
dürfen, sondern warten müssen, bis sie an der Reihe<br />
sind. Und weil ihnen dieses unsoziale Verhalten bei<br />
Lehrpersonen und Mitschülerinnen und Mitschülern<br />
nur Misskredit beschert, spielen viele der betroffenen<br />
Kinder den Klassenclown. Die Folge: Die Situation spitzt<br />
sich weiter zu.<br />
Die Kinder beim emotionalen Lernen zu begleiten,<br />
ist für Eltern und Lehrpersonen eine Herausforderung.<br />
Machen wir uns klar, dass es in der Erziehung nicht<br />
darum geht, einem Kind Enttäuschungen zu ersparen.<br />
Diese gehören zum Leben. Eltern können Kindern den<br />
positiven Umgang mit Fehlern und Niederlagen vor<br />
allem dadurch vermitteln, indem sie ihnen ein gutes<br />
Vorbild sind. Denn Kinder wollen gross werden, und<br />
sie wollen gross sein wie die Eltern. Sie beobachten<br />
genau, wie die Eltern sich verhalten. So ist Erziehung<br />
vor allem Selbsterziehung.<br />
Tipps für Eltern<br />
Fünf Tipps, wie Eltern ihrem Kind helfen können, seine<br />
Frustrationstolerenz zu verbessern und mit Enttäuschungen<br />
und Frustrationen besser umzugehen:<br />
• Übergeben Sie Ihrem Kind Aufgaben wie Tisch<br />
abräumen oder Wäsche zusammenlegen. Diese<br />
Arbeit muss erledigt werden, bevor Ihr Kind spielen<br />
darf. Gehen Sie auf wiederholtes Klagen nicht ein.<br />
• Erfüllen Sie Ihrem Kind nicht jeden Wunsch sofort,<br />
nur ein- oder zweimal in der Woche ein Glace oder<br />
eine Kleinigkeit aus dem Supermarkt. Grössere Spielzeugwünsche<br />
sollten nicht sofort erfüllt werden. Verweisen<br />
Sie auf Weihnachten oder den nächsten<br />
Geburtstag.<br />
• Spielen Sie mit Ihrem Kind Gesellschaftsspiele und<br />
lassen Sie es verlieren! Aus Mitleid die Regeln zu verändern<br />
oder vom älteren Bruder zu erwarten, dass er<br />
das schnell frustrierte Kind gewinnen lässt, hilft nicht<br />
weiter.<br />
• Loben und belohnen Sie positives Verhalten Ihres<br />
Kindes. Für viele Kinder ist ein visuelles System hilfreich,<br />
zum Beispiel ein Sternchen- oder ein Smiley-<br />
Kalender. Wichtig ist, genau zu erklären, welches<br />
Verhalten zu einem Sternchen führt und wann ein<br />
erstes Ziel für eine Belohnung erreicht ist.<br />
• Nehmen Sie das Gefühl Ihres Kindes, das hinter dem<br />
«Ausflippen» steht, ernst. Erkennen Sie das Gefühl<br />
Anzeige<br />
Sie müssen Ihrem Kind<br />
klarmachen, dass das gezeigte<br />
Verhalten nicht akzeptabel ist.<br />
Zeigen Sie Alternativen auf.<br />
an und erklären Sie, dass negative Gefühle zum Leben<br />
gehören. Gleichzeitig müssen Sie klarmachen, dass<br />
das gezeigte Fehlverhalten nicht akzeptabel ist. Zeigen<br />
Sie Alternativen auf.<br />
Zum Schluss wünsche ich Ihnen zu Hause und uns Lehrpersonen<br />
im Schulalltag viel Ausdauer beim Begleiten<br />
von Kindern, die beim emotionalen Lernen mehr Unterstützung<br />
brauchen. Auch wenn ich die oben genannten<br />
Punkte nur zu gut kenne und versuche, diese konsequent<br />
umzusetzen, komme ich immer wieder in Situationen,<br />
die ganz viel von mir abverlangen. Routiniertes Vorbild<br />
sein gelingt oft, aber nicht in jedem Fall.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>47
In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post<br />
Erziehung & Schule<br />
Wo sich kleine und<br />
grosse Bücherwürmer treffen<br />
An verschiedenen Festivals und Veranstaltungen in der Schweiz können Kinder<br />
gemeinsam Geschichten lauschen und in Büchern stöbern. Ein Überblick über die<br />
wichtigsten Events der nächsten Wochen. Text: Johanna Oeschger<br />
Abraxas-Festival, 4. und 5. November,<br />
Zug<br />
Am jährlich stattfindenden Zentralschweizer<br />
Kinder- und Jugendliteraturfestival<br />
entführt der Rabe Abraxas die<br />
Besucher in die magische Welt der<br />
Geschichten. Hier erleben Kinder aller<br />
Altersstufen ihre Lieblingsautoren und<br />
Buchstabenkünstler aus dem In- und<br />
Ausland hautnah: An Lesungen und in<br />
Workshops wird gemeinsam gelesen,<br />
gesungen, gerätselt, gebastelt, gelacht<br />
und gestaunt.<br />
www.abraxas-festival.ch<br />
Schweizer Erzählnacht, 10. November,<br />
diverse Durchführungsorte<br />
Jeweils am zweiten Freitag im November<br />
laden verschiedene Bibliotheken, Buchläden,<br />
Schulen und andere Institutionen<br />
zum gemeinsamen Geschichtenerlebnis<br />
ein. Dieses Jahr versammelt sich Klein<br />
und Gross unter dem Motto «Mutig,<br />
mutig!»: Kinder lauschen heldenhaften<br />
Geschichten, bewältigen abenteuerliche<br />
Lese-Parcours und schlafen vielleicht<br />
sogar alleine auswärts.<br />
www.sikjm.ch<br />
Verschiedene Schreib- und<br />
Lesever anstaltungen<br />
• Eine Auswahl kleinerer Veranstaltungen<br />
an diversen Standorten ist auf der<br />
Website des Vereins Kinder- und<br />
Jugendschaffende Schweiz aufgeführt:<br />
www.autillus.ch.<br />
• Im Rahmen des Projekts Buchstart veranstalten<br />
Bibliotheken der ganzen<br />
Schweiz erste Begegnungen mit<br />
Büchern, Versen und Schrift für<br />
Kleinkinder. Den aktuellen Veranstaltungskalender<br />
finden Eltern unter<br />
www.buchstart.ch.<br />
Bild: Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM<br />
So gehts 2018 weiter<br />
• Basler Bücherschiff: www.edubs.ch<br />
• St. Galler Kinder- und Jugend literaturfestival:<br />
www.stadt.sg.ch<br />
• Schreibwettbewerb für 8- bis 18-Jährige:<br />
www.schreibzeitschweiz.ch<br />
• Digitaler Jugendwettbewerb: www.bugnplay.ch<br />
Links direkt zu<br />
den Veranstaltungen<br />
finden Sie im Online-Artikel auf<br />
www.fritzundfraenzi.ch.<br />
Johanna Oeschger<br />
ist Literatur- und Sprachwissenschaftlerin,<br />
unterrichtet Deutsch und Englisch<br />
auf der Sekundarstufe II und arbeitet<br />
als Mediendidaktikerin bei LerNetz.<br />
48 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Stiftung Elternsein<br />
Ich weiss nichts, macht nichts<br />
Ellen Ringier über die Gefahren, die Unwissenheit in sich birgt,<br />
und die Bedeutung von Bildung.<br />
Bild: Maurice Haas / 13 Photo<br />
Dr. Ellen Ringier präsidiert<br />
die Stiftung Elternsein.<br />
Sie ist Mutter zweier Töchter.<br />
Am 1. Mai 2003 erklärten die USA dem<br />
Irak den Krieg. Wie sich später herausstellte,<br />
aus einem falschen Grund. Denn<br />
trotz intensivster Suche konnten keine<br />
Massenvernichtungswaffen gefunden<br />
werden. Fake News! Das Resultat dieses<br />
Krieges und der anschliessenden Besetzung<br />
des Landes heisst keineswegs<br />
Befriedung. Bürgerkriegsähnliche<br />
Zustände und die Expansion des Islamischen Staates<br />
waren und sind bis heute die Folge. Einer US-Studie<br />
der Washington University in Seattle zufolge starben<br />
während des Krieges und der anschliessenden Besetzung<br />
mindestens eine halbe Million Iraker!<br />
In diesen Sommerwochen fand und findet ein<br />
Duell zwischen zwei der grössten derzeit regierenden<br />
Vollidioten statt: den Präsidenten von Nordkorea und<br />
den USA. In Pjöngjang und Washington sitzen zwei<br />
Männer an den Schalthebeln der Macht und auch am<br />
Drücker zum Atomschlag, die ausschliesslich von<br />
Irrationalität, dem Willen zum Machterhalt und<br />
ihrem Ego getrieben werden und daher nicht zurückschrecken,<br />
mit dem Einsatz von Atomwaffen zu drohen.<br />
Das Unaussprechliche, nämlich ein Atomkrieg,<br />
ist von einer virtuellen Möglichkeit zu einem denkbaren<br />
Szenario geworden. Das jahrzehntelang währende<br />
Gleichgewicht des Schreckens hat ausgedient, ein<br />
Atomkrieg, ja ein dritter Weltkrieg, ist denkbar<br />
geworden.<br />
Nach dem Gedanken folgt bekanntlich das Wort,<br />
und dann droht die Tat!<br />
Präsident Donald Trump hat ein seit dem Zweiten<br />
Weltkrieg auf der ganzen Welt gültiges Tabu geritzt.<br />
Und das Aberwitzigste dabei ist, dass er auf die Unterstützung<br />
aus Teilen der US-Bevölkerung zählen kann!<br />
Dahinter steht ein bodenloses Unwissen vieler Bürger<br />
der USA.<br />
Weit weniger als die Hälfte der US-Bürger wusste<br />
damals, wo sich der Irak auf der geografischen Weltkarte<br />
befindet, geschweige denn, weshalb man gegen<br />
dieses Land Krieg führen sollte!<br />
Neulich hat die New York Times 1746 erwachsenen<br />
US-Amerikanern eine Asienkarte vorgelegt. 36 Prozent<br />
haben Nordkorea gefunden. Die restlichen 64<br />
Prozent tippten auf China, Indien oder gar Australien,<br />
alle asiatischen Länder hatten einen Treffer.<br />
Wäre das Thema nicht so ernst, könnte man über<br />
das Resultat dieser Umfrage lachen, wie wir es jeweils<br />
taten, wenn Amerikaner die Schweiz mit Schweden<br />
verwechselten: «You make good chocolate in<br />
Sweden!» …<br />
In einer Demokratie, auch in einer repräsentativen,<br />
müssen die Bürger sich eine Meinung zu den anstehenden<br />
Sachfragen bilden oder wenigstens Repräsentanten<br />
wählen können, die sich in den verschiedensten<br />
Materien auskennen, auch in Geografie und<br />
Geschichte!<br />
Wer die Schrecken des US-Atomangriffs auf Hiroshima<br />
und die tödlichen Folgen nicht kennt, kann die<br />
Tragweite eines atomaren Erstschlags gar nicht nachvollziehen,<br />
der ahnt allenfalls, aber weiss nicht wirklich<br />
um dessen Gefährlichkeit. Der redet dann von<br />
und droht mit Atomkrieg, als handle es sich um «War<br />
Games».<br />
Fehlendes elementares Wissen macht alles denkbar<br />
und alles möglich. Darum ist der beliebte Satz «Ich<br />
weiss nichts, macht nichts» abgrundtief falsch! Im<br />
Gegenteil: Mehr Wissen bringt bessere Entscheidungen.<br />
Fürwahr ein Motto zum neuen Schuljahr, das<br />
soeben begonnen hat!<br />
STIFTUNG ELTERNSEIN<br />
«Eltern werden ist nicht schwer,<br />
Eltern sein dagegen sehr.» Frei nach Wilhelm Busch<br />
Oft fühlen sich Eltern alleingelassen in ihren Unsicherheiten,<br />
Fragen, Sorgen. Hier setzt die Stiftung Elternsein<br />
an. Sie richtet sich an Eltern von schulpflichtigen Kindern<br />
und Jugendlichen. Sie fördert den Dialog zwischen<br />
Eltern, Kindern, Lehrern und die Vernetzung der elternund<br />
erziehungsrelevanten Organisationen in der<br />
deutschs prachigen Schweiz. Die Stiftung Elternsein<br />
gibt das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi heraus.<br />
www.elternsein.ch<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>49
Elterncoaching<br />
«Mir wird alles zu viel»<br />
Wie es Eltern gelingen kann, die ständige Verknappung<br />
der Zeit zu stoppen.<br />
Fabian Grolimund<br />
ist Psychologe und Autor («Mit<br />
Kindern lernen»). In der Rubrik<br />
«Elterncoaching» beantwortet<br />
er Fragen aus dem Familienalltag.<br />
Der 37-Jährige ist verheiratet<br />
und Vater eines Sohnes, 4,<br />
und einer Tochter, 1. Er lebt<br />
mit seiner Familie in Freiburg.<br />
www.mit-kindern-lernen.ch<br />
www.biber-blog.com<br />
Es ist sechs Uhr morgens.<br />
Ich bin auf dem Weg zu<br />
einer Lehrerfortbildung,<br />
der ich noch den letzten<br />
Schliff geben müsste.<br />
Dummerweise muss ich auch noch<br />
diesen Artikel hier zu Ende schreiben<br />
und vor Seminarbeginn einreichen.<br />
Zum Glück sind solche Last-<br />
Minute-Aktionen viel seltener<br />
geworden. Ich muss aber zugeben:<br />
Als Vater von zwei Kindern alles<br />
unter einen Hut zu bekommen, ist<br />
manchmal ziemlich schwierig.<br />
Eltern stehen heute unter einem<br />
immensen Druck. Das Bundesamt<br />
für Statistik zeigt einen klaren<br />
Anstieg der Gesamtarbeitszeit: Mütter<br />
von kleinen Kindern arbeiten<br />
insgesamt 68 Stunden pro Woche,<br />
die Väter 70. Bei den Vätern hat die<br />
Arbeit im Haushalt und in der Kinderbetreuung<br />
zugenommen, bei den<br />
Frauen die Erwerbsarbeit. Die<br />
Gleichstellung – ein wichtiges Ziel<br />
– führt momentan dazu, dass Männer<br />
und Frauen mehr zu tun haben,<br />
weil beide den Anspruch haben,<br />
alles zu sein und alles gut zu machen.<br />
Gleichzeitig steigen die Anforderungen<br />
und die Hektik in der<br />
Arbeitswelt: Immer mehr soll von<br />
immer weniger Menschen in immer<br />
Wir fürchten den Verlust,<br />
wenn wir auf eine neue,<br />
interessante Möglichkeit<br />
verzichten.<br />
kürzerer Zeit erledigt werden. Wie<br />
kommen wir da wieder raus? Wie<br />
können wir dem täglichen Stress<br />
begegnen? Durch einen Zeitmanagementkurs?<br />
Yoga? Entspannungsübungen?<br />
Das ist alles sinnvoll,<br />
braucht aber dummerweise<br />
– Zeit.<br />
Machen Sie weniger!<br />
Wenn wir über Stress klagen, denken<br />
wir meist darüber nach, wie wir all<br />
unserer Aufgaben Herr werden können.<br />
Wir versuchen schneller zu<br />
arbeiten, uns noch besser zu organisieren,<br />
uns effektivere Arbeitsmethoden<br />
anzueignen oder auf Erholung<br />
und Schlaf zu verzichten.<br />
Wirklich hilfreich ist nur: weniger<br />
tun. Das klingt banal. Aber es ist<br />
das Einzige, das uns langfristig aus<br />
der Überforderung heraushilft. Und<br />
es ist gleichzeitig eine Herausforderung,<br />
die wir nur meistern können,<br />
wenn wir uns darauf einlassen und<br />
entschlossene Schritte unternehmen.<br />
Mit etwas aufzuhören, etwas zu<br />
reduzieren oder zu etwas Nein zu<br />
sagen, fällt den meisten Menschen<br />
schwer. Wir fürchten den Verlust,<br />
wenn wir auf eine neue, interessante<br />
Möglichkeit verzichten. Wir sehen,<br />
wie sich eine Tür schliesst, und beeilen<br />
uns, Ja zu sagen. Auch dann,<br />
wenn wir hinterher fast in Arbeit<br />
und Verpflichtungen ersticken.<br />
Denn wenn wir Nein sagen, erteilen<br />
wir nicht nur anderen Menschen<br />
eine Absage, sondern auch unserem<br />
eigenen Ehrgeiz, unseren Ansprüchen,<br />
Zielen und Wünschen.<br />
Wenn wir dies aber lernen, verschaffen<br />
wir uns Luft und holen uns<br />
Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />
50 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
unser Leben zurück. Wir machen<br />
weniger, das dafür mit mehr Freude,<br />
Ruhe und Qualität. Und wir können<br />
die Zeit mit Menschen, die uns<br />
wichtig sind, wieder geniessen, ohne<br />
ständig an unsere To-do-Liste zu<br />
denken.<br />
Egal, ob Sie gefragt werden, ob<br />
Sie dem Elternrat beitreten, ein politisches<br />
Amt übernehmen, eine<br />
Beförderung annehmen oder Ihrem<br />
Kind ein zusätzliches Hobby ermöglichen<br />
wollen: Erlauben Sie sich, auf<br />
Zeit zu spielen. Wann immer Sie<br />
zusagen möchten, könnten Sie von<br />
nun an sagen: «Ich überlege es mir<br />
und gebe dir morgen Bescheid»<br />
oder «Das klingt interessant – ich<br />
muss es aber zuerst mit meiner Partnerin,<br />
meinem Partner besprechen».<br />
Nehmen Sie sich diese Momente,<br />
um die Vorteile und die Kosten<br />
abzuwägen.<br />
Denken Sie an die Kosten Ihrer<br />
Zusage<br />
Anfangs sehen wir oft nur die Vorteile<br />
einer Zusage. Die Kosten<br />
kalkulie ren wir zu wenig ein. Wir<br />
unterschätzen den erforderlichen<br />
Aufwand meist gewaltig. Und wir<br />
führen uns nicht vor Augen, wozu<br />
wir implizit Nein sagen, wenn wir Ja<br />
sagen.<br />
Unser Tag hat 24 Stunden. Wenn<br />
wir Ja sagen zu einer neuen Aufgabe,<br />
sagen wir automatisch Nein zu<br />
etwas anderem: zu Zeit mit unseren<br />
Kindern, dem Partner oder der<br />
Partnerin, zu Erholung, Schlaf oder<br />
einem Hobby. Oft geben wir die<br />
wertvollsten Dinge her, um vermeintliche<br />
Pflichten zu erfüllen<br />
oder jemanden zufriedenzustellen,<br />
der laut genug auftritt. Sich diese<br />
Kosten im richtigen Moment<br />
bewusst zu machen, kann uns die<br />
nötige Courage verleihen, um uns<br />
gegen fordernde Chefs und Kollegen<br />
abzugrenzen, Kundenanfragen ab -<br />
zulehnen oder eine schmerzhafte<br />
Entscheidung zu treffen.<br />
Brian Tracy hat einmal darauf<br />
hingewiesen, dass es nur vier Mög-<br />
lichkeiten gibt, sein Leben zu<br />
ändern. Sie können:<br />
1. mit etwas Neuem beginnen<br />
2. etwas öfter tun<br />
3. etwas seltener tun<br />
4. etwas nicht mehr tun<br />
Wenn die meisten Veränderungen<br />
in Ihrem Leben darin bestehen,<br />
etwas Neues hinzuzufügen oder sich<br />
vorzunehmen, bestimmte Dinge<br />
öfter zu tun, bauen sich zusehends<br />
mehr Druck und Stress auf. Es<br />
wächst das Gefühl, dass Ihr Leben<br />
vom Wort «müssen» geprägt ist. Für<br />
Erholung, Schönes und Geselligkeit<br />
bleibt rasch weniger Raum.<br />
Wann immer es uns zu viel wird,<br />
können wir uns darauf konzentrieren,<br />
im nächsten halben Jahr ausschliesslich<br />
Ziele zu verfolgen, die<br />
darin bestehen, bestimmte Dinge<br />
seltener oder nicht mehr (selbst) zu<br />
tun.<br />
Ein Ziel könnte lauten, das<br />
Arbeitspensum zu reduzieren oder<br />
im nächsten Jahr keine Überstunden<br />
mehr zu leisten. Vielleicht ist es<br />
sinnvoll, ein Amt abzugeben, die<br />
Mitgliedschaft in einem Verein zu<br />
überdenken oder die Regel einzuführen,<br />
dass an zwei Wochenenden<br />
im Monat weder etwas unternommen<br />
noch jemand eingeladen wird.<br />
Eventuell reicht es auch schon, wenn<br />
Sie alle Ziele und Projekte, die Sie<br />
momentan verfolgen, auflisten –<br />
und den Rotstift ansetzen. Wie wäre<br />
es, wenn Sie ein halbes Jahr nicht<br />
versuchen, abzunehmen oder mehr<br />
Sport zu treiben? Wie würde es sich<br />
auswirken, wenn Sie Ihre Ansprüche<br />
im Haushalt eine Zeit lang bewusst<br />
senkten?<br />
Ziele schriftlich festhalten<br />
Meist befürchten wir allerlei Widerstände,<br />
wenn wir ein solches Ziel<br />
verfolgen. Wir denken, dass es nicht<br />
möglich ist, oder glauben, dass es<br />
schwerwiegende Einbussen oder<br />
Konflikte mit sich bringen wird.<br />
Wenn es uns ernst genug ist, wir solche<br />
Ziele schriftlich festhalten und<br />
Eventuell reicht es schon, wenn<br />
Sie alle Projekte, die Sie<br />
momentan verfolgen, auflisten<br />
und den Rotstift ansetzen.<br />
etwas Denkarbeit investieren, lassen<br />
sie sich genauso gut erreichen wie<br />
andere Ziele. Es ist schade, wenn ein<br />
Burnout notwendig ist, um das herauszufinden.<br />
Kurztipps:<br />
• Sagen Sie «Vielleicht» statt «Ja».<br />
• Wägen Sie die Kosten vorsichtig<br />
ab und machen Sie sich bewusst,<br />
was zu kurz kommen wird, wenn<br />
Sie zu einer Aufgabe oder einem<br />
Amt Ja sagen.<br />
• Nehmen Sie sich ab und zu Zeit,<br />
um Ihr Leben auszumisten. Was<br />
möchten Sie in Zukunft seltener<br />
oder nicht mehr tun? Und wie<br />
liesse sich das erreichen?<br />
In der nächsten Ausgabe:<br />
Hilfe, mein Kind ist ein Tagträumer.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>51
Erziehung Rubrik & Schule<br />
Wo<br />
Schule<br />
Freude<br />
macht<br />
Eine ganz «normale» staatliche<br />
Schulklasse in Wil, die so ganz<br />
anders ist: Hausaufgaben sind<br />
freiwil lig, auf Lehrmittel und<br />
Arbeitsblät ter wird verzichtet, und<br />
Prüfungsstress gibt es auch nicht.<br />
Dies dazu in einer altersgemischten,<br />
integrativen Kindergruppe. Wie geht<br />
das? Ein Unterrichtsbesuch.<br />
Text: Claudia Landolt Bilder: Samuel Trümpy / 13 Photo<br />
52 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Rubrik<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>53
Céline ist voll dabei<br />
– trotz ihrer<br />
Sehbehinderung.<br />
Für schriftliche<br />
Arbeiten verwendet<br />
sie ein Tablet.<br />
54 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Erziehung & Schule<br />
Sprachheilschule besuchen würde.<br />
Sowie weitere sechs Kinder, die<br />
anderswo separiert unterrichtet<br />
würden. Hier jedoch gehören sie alle<br />
dazu. Möglich ist dies, weil Achim<br />
Arn Klassenlehrer und Heilpädagoge<br />
zugleich ist und mit Darinka Egli<br />
stets zusammen vor Ort sein kann.<br />
Welche Schule ist<br />
die beste? Eine<br />
Schule, in der<br />
die Kinder ihr<br />
Potenzial entdecken<br />
und entfalten können sowie<br />
mit Freude lernen, sind sich Mütter<br />
und Väter und auch Lehrpersonen<br />
jeweils an Elternabenden einig.<br />
Eine, in der «jedes Kind selbstbestimmt<br />
in seinem Tempo und auf<br />
seine Weise lernt», sagt etwa Remo<br />
Largo*, der berühmteste Schweizer<br />
Kinderarzt.<br />
Nun sind alle Kinder verschieden,<br />
lernen verschieden und stammen<br />
aus ganz unterschiedlichen<br />
Verhältnissen. Diesen unterschiedlichen<br />
kindlichen Entwicklungsständen<br />
wollen einige Schweizer<br />
Schulen entgegenkommen. Sie<br />
haben das Altersdurchmischte Lernen<br />
(AdL) eingeführt – als pädagogische<br />
Antwort auf diese sogenannte<br />
Heterogenität.<br />
Wir wollten wissen, wie der<br />
Schulalltag in einer solchen Mischklasse,<br />
die zudem integrativ geführt<br />
wird, aussieht, und besuchten eine<br />
von acht Klassen des Alleeschulhauses<br />
in Wil. Die Schule gilt als<br />
Vorzeigemodell und ist für ihr<br />
Schulkonzept «Prisma» ausgezeichnet<br />
worden. Darinka Egli und<br />
Achim Arn sind dort Lehrpersonen<br />
und unterrichten als Zweierteam<br />
gemeinsam 21 Kinder im Alter von<br />
sechs bis zehn Jahren – auch Kinder<br />
mit besonderen Bedürfnissen.<br />
Zum Beispiel Céline. Sie ist<br />
schwer sehbehindert und damit das<br />
Kind mit dem sichtbarsten Handicap.<br />
Oder der heute so aufgeweckte<br />
Tenzin, der im Kindergarten sehr<br />
wenig sprach und ansonsten eine<br />
Vom echten Leben lernen<br />
Es ist Dienstagmorgen, 7.30 Uhr. Die<br />
grosse Eingangstüre des Alleeschulhauses<br />
mitten im Stadtzentrum von<br />
Wil ist weit geöffnet. Nach und nach<br />
trudeln die Kinder der Klasse Egli/<br />
Arn im Klassenzimmer ein. Obwohl<br />
der Unterricht erst um 8 Uhr anfängt,<br />
sind die Lehrpersonen schon eine<br />
halbe Stunde früher vor Ort – um<br />
den Kindern einen individuellen<br />
und ruhigen Schulstart zu ermöglichen<br />
und den Eltern etwas Morgenstress<br />
zu nehmen. So kommt es nicht<br />
selten vor, dass manche sich im<br />
Schulzimmer die Zähne putzen, sich<br />
ein Buch schnappen oder an ihren<br />
Aufgaben arbeiten.<br />
Um 8 Uhr ertönt das Morgenlied<br />
auf dem Klavier. Die Schule beginnt.<br />
Heute steht ein Ausflug in den Wald<br />
an. «Vom Baum zum Stuhl» heisst<br />
das Thema. Ihre Entdeckungen<br />
bebildern und beschreiben sie in<br />
ihrem Arbeitsheft, dem sogenannten<br />
Forschungsheft. Vorerst gilt es,<br />
den 20-minütigen Fussmarsch in<br />
den Wald zu bewältigen. Das gelingt<br />
mit wenig Gedränge und Geschubse<br />
– zu gross ist die Vorfreude. «Ich<br />
finde es toll, dass wir so viel draussen<br />
sind», bringt es Mehrin >>><br />
Was gefällt den Kindern an ihrer<br />
besonderen Klasse/Schule?<br />
«Ich finde es toll, dass wir freie<br />
Tätigkeit haben, das macht<br />
glaube ich sonst keine Schule.»<br />
Lilija, 9<br />
55
Erziehung & Schule<br />
>>> auf den Punkt. Alle zwei<br />
Wochen brechen die Mädchen und<br />
Buben in den Wald auf. Im Rahmen<br />
ihres Realienthemas haben sie sich<br />
viele Wochen mit Bäumen beschäftigt,<br />
sie zu unterscheiden gelernt,<br />
verschiedene Keimlinge gesammelt<br />
und in kleine Tontöpfe gepflanzt.<br />
Diese stehen nun auf den Pulten<br />
im Schulzimmer. «Wir pflegen sie<br />
gut», erklärt uns Vleran unterwegs<br />
ganz stolz. «In unserer Baumschule<br />
haben wir viele Bäumchen. Wir pflegen<br />
sie, bis sie gross genug sind, um<br />
in den Wald ausgepflanzt zu werden.<br />
Dies haben schon viele Schulklassen<br />
vor mir so gemacht. Darum hat es<br />
im Wald ganz viele grosse Bäume<br />
aus unserer Klasse.» Heute geht es<br />
also in den Wald, wo der Wiler Förster<br />
Renaldo Vanzo bereits auf die<br />
Kinder wartet. Er sucht an diesem<br />
Tag mit ihnen die Bäumchen aus<br />
ihrer Baumschule aus, die sie an<br />
einer entfernt liegenden Lichtung<br />
einpflanzen werden.<br />
Keine Schulglocke, die erklingt,<br />
kein Sehnen nach der Pause und<br />
kein Pressieren auf den Zug. «Das<br />
Leben findet draussen statt, das sollen<br />
die Kinder miterleben», erklärt<br />
Darinka Egli. So geht die Klasse<br />
nicht nur regelmässig in den Wald,<br />
sondern nutzt auch die Stadt als<br />
Lernort. Zum aktuellen Thema<br />
«Vom Baum zum Stuhl» besuchten<br />
sie bereits eine Sägerei und eine<br />
Schreinerei. «Kinder sollen Lebensstärke<br />
entwickeln, das heisst, mit<br />
beiden Beinen im Leben stehen. Das<br />
bedeutet, dass sich Kindergarten<br />
und Schule den echten Inhalten und<br />
Situationen des Lebens stellen müssen»,<br />
sagt Darinka Egli.<br />
Einander helfen ist Programm<br />
Wir spazieren zur Waldlichtung.<br />
Ein Mädchen in gelber Regenjacke<br />
greift nach meiner Hand. Es ist Cé <br />
line. «Gehst du gerne in den Wald?»,<br />
fragt sie mich. Und sagt dann in<br />
einer Grosszügigkeit, wie sie nur<br />
Kindern eigen ist: «Ich habe eine<br />
Sehbehinderung – und dann habe<br />
ich noch zwei Geschwister und bin<br />
zehn Jahre alt, und du?» Ihre jüngere<br />
Klassenkollegin Tijana hüpft<br />
neben uns, munter wie Pippi Langstrumpf.<br />
Zwischen zwei Sprüngen<br />
und zahlreichen Entdeckungen<br />
(«eine Schnecke!») berichtet sie mir<br />
aus ihrer Welt: von ihrem Morgen,<br />
ihrer Familie und ihrem baldigen<br />
Geburtstag. Zwischendurch erklärt<br />
sie Céline den Weg: «Jetzt musst du<br />
nach rechts abbiegen.» Dass man<br />
sich gegenseitig hilft, ist in dieser<br />
Klasse Programm. Es bedeutet: «Ich<br />
weiss, wo ich gebraucht werde, aber<br />
auch ich brauche die anderen. Das<br />
Erste stärkt das Kind, und das Zweite<br />
gibt ihm Sicherheit», erklärt<br />
Achim Arn. >>><br />
«Wenn sich ein Kind<br />
wohlfühlt, kann ich<br />
es als Lehrer auch<br />
herausfordern»<br />
Achim Arn ist Lehrer einer<br />
integrativen und altersgemischten<br />
Unterstufe in Wil. Für ihn muss<br />
Schule ein Ort der Ermutigung sein.<br />
Wie das möglich ist, erzählt er im<br />
Interview.<br />
Interview: Claudia Landolt<br />
Herr Arn, gehen Ihre Schülerinnen und<br />
Schüler gern zur Schule?<br />
Ja, und genau deshalb zeigen sie grossen<br />
Einsatz und tolle Leistungen. Leistung und<br />
Freude sind keine Widersprüche, sondern<br />
helfen sich gegenseitig.<br />
Ihre Klasse ist eine besondere Lerngemeinschaft.<br />
So arbeiten Sie beispielsweise<br />
ohne Lehrmittel. Warum?<br />
Das Leben und Lernen jedes Kindes ist<br />
einzigartig. Es findet immer im Hier und Jetzt<br />
«Ich finde die Spielzeit<br />
sehr schön, danach kann<br />
ich mich wieder<br />
gut konzentrieren.»<br />
Jonas, 9<br />
Rechnen ist ja lustig!<br />
Auch schüchterne<br />
Kinder entwickeln<br />
Spass an der<br />
Mathematik ohne<br />
Wettbewerb.<br />
statt und lässt sich folglich nicht wiederholen.<br />
Wir wollen mit den Kindern neue Wege<br />
gehen und nicht ausgetretene Pfade. Das ist<br />
spannender und nachhaltiger. Diese Wege<br />
dokumentiert jedes Kind in seinem – zu<br />
Beginn leeren – Forscherheft. So kommen in<br />
drei Schuljahren gut und gerne über 20 sehr<br />
individuelle Hefte zusammen. Ein echter<br />
Schatz, auf den die Kinder sehr stolz sind!<br />
Ganz «nebenbei» fördern wir damit nicht nur<br />
das Rechnen, Schreiben, Lesen usw.,<br />
sondern auch eigenständiges Denken.<br />
Was stört Sie an üblichen Lehrmitteln?<br />
Aus meiner Sicht orientieren sich die<br />
Lehrmittel, Arbeitsblätter, Werkstattposten<br />
usw. viel zu wenig an den Fragen und der<br />
Erlebniswelt der Kinder. Das können sie auch<br />
nicht, denn dazu sind die Kinder, ihre<br />
Hintergründe und ihre Möglichkeiten viel zu<br />
verschieden. Daneben verleiten Lehrmittel<br />
auch zu einer Abarbeitungs- und Erfüllungsmentalität.<br />
In Ihrer Klasse sind Kinder mit besonderen<br />
Bedürfnissen. Alle sind immer voll dabei.<br />
Es ist nicht nur normal, verschieden zu sein,<br />
sondern richtig toll! Denn erst durch diese<br />
unterschiedlichen Fähigkeiten und Hintergründe<br />
wird das Von- und Miteinanderlernen<br />
56 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Rubrik<br />
in unserer Klasse so spannend. Um diesen<br />
Umstand zu nutzen, arbeiten wir alle meist<br />
an demselben Thema oder derselben<br />
Aufgabe. Natürlich auf verschiedenen<br />
Niveaus und mit verschiedenen Zugängen,<br />
aber dennoch miteinander! Dabei merken<br />
wir dann alle, wie schön es ist, andern zu<br />
helfen, aber auch Hilfe annehmen zu können.<br />
Das ist für mich gelebte Inklusion.<br />
Bei Ihnen helfen alle Kinder einander ganz<br />
selbstverständlich. Sie als Lehrperson<br />
geben also Verantwortung ab.<br />
Genau. Das geht aber nur, wenn man die<br />
Grundhaltung des Miteinanders verinnerlicht.<br />
Die Kinder sind mit mir gemeinsam für<br />
das Lernen jedes Kindes unserer Klasse<br />
verantwortlich. Das heisst aber, dass sie den<br />
Unterricht auch mitgestalten dürfen. Diese<br />
Haltung fordert gerade auch Kinder, die sehr<br />
schnell lernen. Durch ihre Mithilfe habe ich<br />
dann wiederum genug Zeit für ihre neuen<br />
Lernschritte.<br />
«Schwächere Kinder» ist ein Ausdruck,<br />
den Sie bewusst vermeiden.<br />
Schwäche klingt hier als Abwertung der<br />
Leistung eines Kindes. Diese normative<br />
Aussage wird niemandem gerecht, der sein<br />
Bestes gibt, und ist hinderlich für das<br />
Lernen. Dennoch ist es wichtig, dass jedes<br />
Kind lernt, einen selbstbewussten Umgang<br />
mit den eigenen Begrenzungen zu finden. Es<br />
geht darum, zu den eigenen Grenzen stehen<br />
zu können und sich mit der eigenen<br />
Fehlbarkeit auseinanderzusetzen. Das<br />
wiederum empfinde ich als Stärke.<br />
In Ihrer Klasse gibt es keine Prüfungen.<br />
Warum? Und wie ist das möglich?<br />
Prüfungen und Noten orientieren sich an<br />
einer Altersnorm und nicht am einzelnen<br />
Kind. Das hat für viele Kinder und ihre<br />
Lernbiografie negative Folgen. Deshalb<br />
verzichten wir im Unterricht auf Prüfungen.<br />
Als Klasse in einer öffentlichen Schule sind<br />
wir jedoch gezwungen, halbjährlich<br />
Zeugnisse abzugeben. Die dort enthaltenen<br />
Noten basieren auf den Leistungen in den<br />
Forschungsheften der Kinder und auf<br />
Beobachtungen im Unterricht. Aber auch<br />
gegenüber diesen Noten sind wir kritisch<br />
und besprechen dies auch mit den Kindern<br />
und Eltern.<br />
Wie wirkt sich das integrative und<br />
altersdurchmischte Lernen auf die spätere<br />
Laufbahn Ihrer Schüler aus?<br />
Zahlen und Statistiken dazu habe ich keine<br />
– woher auch? Und allgemeine Aussagen<br />
dazu zu machen, liegt mir fern, denn weder<br />
Integration noch Altersdurchmischung<br />
garantieren guten Unterricht und Schulerfolg.<br />
Für die Kinder zählt einzig, was ihre<br />
Lehrpersonen und das Umfeld mit ihnen<br />
leben und lernen. Was ich zur Frage ganz<br />
persönlich sagen kann, ist, dass mich und<br />
unsere Klasse immer wieder ehemalige<br />
Schülerinnen und Schüler besuchen. Ich<br />
staune dabei immer wieder über den Weg,<br />
den diese jungen Menschen gehen und<br />
gegangen sind. Dass einige von ihnen Dinge<br />
erreicht haben, welche ihnen viele nie zu getraut<br />
hätten, freut mich dann umso mehr.<br />
Zur Person<br />
Achim Arn ist Primarlehrer und Heilpädagoge.<br />
Er unterrichtet mit seiner Kollegin Darinka Egli<br />
im Alleeschulhaus in Wil. Er hält Gastreferate<br />
im Bereich der «inklusiven Didaktik». Er ist<br />
verheiratet und Vater einer zweijährigen Tochter.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>57
Erziehung & Schule<br />
Schule mit Auszeichnung<br />
Das Alleeschulhaus wurde 2006 für sein<br />
Schulmodell Prisma mit dem Pestalozzi-Preis<br />
ausgezeichnet. Prisma heisst: mit den Kindern die<br />
Schule gestalten, nicht für sie. Praktisch geschieht<br />
das beispielsweise im Gruppenrat (Klassenverbund)<br />
und an der Prisma-Vollversammlung (ganzes<br />
Schulhaus). Prisma ist eine geleitete öffentliche<br />
Schule, unterrichtet nach dem kantonalen Lehrplan<br />
und erfüllt sämtliche Vorgaben, auch die finanziellen.<br />
Mehr Informationen: www.prisma-wil.ch<br />
«Ich finde es toll, dass ich<br />
etwas Neues lernen kann und<br />
wir nach draussen gehen.»<br />
Vleran, 10<br />
>>> Auf der Lichtung zeigt der<br />
Förster den Kindern, wie man korrekt<br />
einen jungen Baum einpflanzt.<br />
Wenig später graben sie zu zweit<br />
mit einem Spaten ein Loch in den<br />
Boden und schleppen schwere<br />
Holzpfähle. Manche schwitzen, ziehen<br />
ihre Jacken aus. Andere diskutieren,<br />
wer welche Aufgabe hat.<br />
Auch Céline läuft über den un <br />
ebenen Waldboden, an der Hand<br />
ihrer Kollegin Joy. Ab und zu schaut<br />
Céline in den Himmel, als ob sie das<br />
gefällige Blau, die schöne Stimmung<br />
mit ihren Sinnen einfangen möchte.<br />
«Viele unserer Kinder kannten den<br />
Wald früher kaum und waren nur<br />
selten in der Natur», weiss Achim<br />
Arn.<br />
Die Unterrichtsform der altersdurchmischten<br />
Klassen und die des<br />
integrativen Unterrichts haben<br />
zahlreiche Kritiker. Die schwächeren<br />
Kinder würden die schnelleren<br />
bremsen. Die Lehrperson habe für<br />
die Starken zu wenig Zeit und das<br />
Unterrichtsniveau würde sinken,<br />
befürchten etwa Eltern. Und auch<br />
die Schwächeren hätten Probleme,<br />
da sie das Gefühl hätten, nicht zu<br />
genügen und am Rande zu stehen.<br />
Pädagogen machen den Mehraufwand<br />
in der Vorbereitung als auch<br />
mangelnde personelle Ressourcen<br />
geltend und hegen besonders in<br />
Kernfächern wie Deutsch oder<br />
Mathematik Zweifel, welche promotionswirksam,<br />
also entscheidend<br />
für den Übertritt in die nächste<br />
Klasse sind.<br />
Anderntags im Schulzimmer.<br />
Rechnen sei ihr Lieblingsfach, erklären<br />
uns mehrere Kinder voller Freude.<br />
Warum? «Weil wir hier Rechnen<br />
58 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Ein Schulzimmer<br />
mit räumlicher<br />
Förderung à la<br />
carte: gross, hell<br />
und mit vielen<br />
Möglichkeiten<br />
zum Zurückzug.<br />
spielen. Das ist wie ein Rätsel lösen»,<br />
sagt Leon. Zum Beispiel Subtraktion.<br />
An diesem Morgen ge schieht<br />
dies zuerst mit einer selbstgebastelten<br />
Kegelbahn mit 7 oder 14 Kegeln,<br />
die es mit dem Finger und mit Hilfe<br />
einer Murmel wegzukicken gilt. Die<br />
Anzahl gefallener Kegel wird von<br />
der Startzahl 20 oder 40 subtrahiert.<br />
Wer zuerst bei 0 ist, hat gewonnen.<br />
Mehr als eine Stunde<br />
hochkonzentrier t<br />
Die Kinder entscheiden dabei selbst,<br />
mit welcher Anzahl Kegel und mit<br />
welcher Startzahl sie spielen wollen.<br />
Achim Arn erfragt das so: «Welche<br />
Anzahl Kegel ist gut für dich? Mit<br />
welcher Startzahl möchtest du<br />
üben?» Dann setzen sich zwei Kinder<br />
zusammen, welche die gleiche<br />
Herausforderung suchen, unabhängig<br />
von ihrem Alter. Die Rechenaufgabe<br />
wird ins Heft ge schrieben, der<br />
Kegelpartner rechnet mit und korrigiert,<br />
wo nötig. Nach einigen Runden<br />
treffen sich die Kinder im Kreis<br />
und geben sich Tipps, wie man fingerfertig<br />
die Kegel trifft und vor<br />
allem wie man die daraus entstehende<br />
Rechnung schlau lösen kann.<br />
Später rechnen die Kinder von<br />
der Tafel, an der unzählige Rechnungen<br />
verschiedenen Schwierigkeitsgrades<br />
stehen. Auch hier wählen<br />
sie selbst, welche Aufgaben zu<br />
ihnen passen und sie fordern. Sie<br />
entscheiden auch eigenständig, mit<br />
welchen Hilfsmitteln (Finger, Klötze<br />
oder iPad) sie die Rechnung lösen.<br />
Mehr als eine Stunde sind alle Kinder<br />
hochkonzentriert.<br />
Dabei ist die Bandbreite sehr<br />
gross: Ein siebenjähriger Junge rechnet<br />
im Tausenderraum, während das<br />
neunjährige Mädchen daneben bis<br />
20 arbeitet. Beide sind mit grossem<br />
Eifer dabei und helfen sich gegenseitig.<br />
Bei Fragen wenden sie sich zu <br />
erst an ihren Nachbarn, dann an<br />
eine der beiden Lehrpersonen. Auch<br />
Céline übt an ihrem iPad, mit einem<br />
Programm, das das Duo Arn/Egli<br />
eigens für sie entwickelt hat und ihr<br />
«Es ist sehr cool, dass Lehrer nicht<br />
alles alleine bestimmen, sondern<br />
wir mitbestimmen dürfen.»<br />
Lars, 7<br />
das selbständige Arbeiten an den<br />
Klasseninhalten ermöglicht. Am<br />
Schluss der Stunde gibt es eine Feedbackrunde,<br />
welche von einem Kind<br />
geleitet wird. «Wie ging es dir beim<br />
Arbeiten? Was hat dir geholfen? Wo<br />
möchtest du weiterarbeiten?»<br />
Mehrere Kinder melden sich und<br />
geben so Auskunft über ihr Lernen.<br />
Weniger rechenkompetente Kinder<br />
sind ebenfalls unter ihnen. Sie alle<br />
Anzeige<br />
wollen über ihr Lernen Auskunft<br />
geben. «Wir wollen nicht nur die<br />
Kinder dort abholen, wo sie stehen,<br />
sondern wollen, dass sie es selbst<br />
wissen. Von dort aus können wir<br />
gemeinsam überlegen, welche Lernschritte<br />
für sie folgen könnten», sagt<br />
Darinka Egli. Leistung sei, so doppelt<br />
Achim Arn nach, nicht nur im<br />
Verbund mit Wettbewerb denkbar,<br />
sondern könne auch aus >>><br />
Hildegard<br />
von Bingen<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>59
Rubrik<br />
Gewonnen! Die<br />
siebenjährige<br />
Asya freut sich<br />
über das richtige<br />
Resultat beim<br />
Kegel rechnen.<br />
>>> Freude an der Sache heraus<br />
entstehen.<br />
Dabei ist die selbstgebastelte<br />
Kegelbahn keine Ausnahme. In dieser<br />
Klasse gibt es keine Lehrbücher,<br />
Arbeitsblätter, Werkstätten oder<br />
Wochenpläne. Gelernt wird am Thema<br />
selbst, dokumentiert wird in<br />
leeren Heften und geübt wird oft mit<br />
Spielen. Immer gibt es Raum zur<br />
Differenzierung.<br />
Und tatsächlich: Es scheint, als ob<br />
keines dieser Kinder zu kurz kommt,<br />
jedem die Zeit geschenkt wird, die<br />
es für seine Lernschritte braucht.<br />
Während Da rinka Egli einer Gruppe<br />
eine Aufgabe erklärt, kann sich<br />
Achim Arn länger einem einzelnen<br />
Kind widmen. Es muss ihn dringend<br />
etwas fragen. «Es ist nett, dass du<br />
«Mir gefällt, dass die Lehrer<br />
nicht so streng sind und<br />
niemandem Angst machen.»<br />
Simon, 10<br />
mir beim Rechnen geholfen hast»,<br />
sagt das Mädchen später zu Achim<br />
Arn.<br />
Lernen im Rhythmus der Kinder<br />
Damit die Kinder so konzentriert<br />
arbeiten, wie sie es in der Mathematik<br />
tun, braucht es einen Tagesrhythmus,<br />
der ihnen entspricht. So treffen<br />
sich die Buben und Mädchen täglich<br />
im Morgenkreis. Auf dem kleinen<br />
Holztischchen in der Mitte liegt ein<br />
mehrteiliges Holzpuzzle, aus dem<br />
sechs Kinder ein Stück herausnehmen<br />
und etwas berichten dürfen. Sei<br />
es von ihrem neuen Rucksack oder<br />
einem Ausflug am Wochenende. Was<br />
immer ein Kind beschäftigt, kann so<br />
mit der Klasse geteilt werden.<br />
So erzählt ein Knabe zum Beispiel,<br />
dass er mit seinem Vater an der<br />
Eröffnung einer Moschee gewesen<br />
sei. Seine Klassenkollegen denken<br />
nach, man sieht förmlich, wie es hinter<br />
der Kinderstirn arbeitet. An <br />
schliessend fragen sie: «Was ist eine<br />
Moschee?», «Was machts du da?»,<br />
«Hast du da auch gebetet?» und<br />
«Sieht sie schön aus?».<br />
Nach der darauffolgenden, etwa einstündigen<br />
intensiven Arbeitsphase<br />
gibt es den wohlverdienten Znüni.<br />
Dieser wird nach dem Znünilied<br />
gemeinsam im Stuhlkreis in der<br />
Klasse eingenommen. Die Kinder<br />
holen ihre Snacks aus dem Schulthek.<br />
Es kommen Früchte zum Vorschein,<br />
ab und an ein Darvida, manchmal<br />
ein Sandwich. «Wenn wir wollen,<br />
dass die Kinder gesund essen, weil<br />
es zu ihrem Wohlbefinden beiträgt,<br />
muss das gesunde Essen Bestandteil<br />
des Alltags sein», sagt Darinka Egli.<br />
Enge Ernährungsvorgaben gebe es<br />
aber nicht, das Züni müsse einfach<br />
gesund sein. Dies führe dazu, dass<br />
die Schülerinnen und Schüler immer<br />
wieder über ihr Znüni diskutieren,<br />
ob etwas gesund sei oder nicht. So<br />
lernen sie ein Stück weit, sich gesund<br />
zu ernähren.<br />
Nach der Zwischenverpflegung<br />
wischt Tijana die Brösmeli vom<br />
Tisch und reinigt mit dem Staubsauger<br />
den Boden. Danach geht es hinaus<br />
zum Aus toben und Spielen –<br />
nicht ohne vorher besprochen zu<br />
haben, was man vorhat, damit nie<br />
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60 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
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Erziehung & Schule<br />
«Wir lachen einander nicht aus<br />
und helfen einander.»<br />
Joy, 9<br />
mand sich langweilt oder allein<br />
bleibt. «Das ge meinsame Znüni und<br />
das Pausenkonzept wurde entwickelt,<br />
damit Ernährung und Bewegung<br />
genug Raum im Alltag haben»,<br />
erklären die beiden Pädagogen. Auf<br />
die Pause folgen oft Phasen des freien<br />
Spielens und Lernens, des Sports<br />
oder des Gestaltens.<br />
Dass in dieser Klasse das Kind in<br />
seiner gesamten Entwicklung im<br />
Zentrum steht, wird schnell sichtbar.<br />
Auch darin, dass von allen Kindern<br />
der Klasse ein grosses Familienfoto<br />
an der Wand hängt. Hier<br />
gehören nicht nur alle Kinder, sondern<br />
auch ihre Familien dazu. Die<br />
Eltern sind auch ohne Vorankündigung<br />
immer gern als Besucher in<br />
der Klasse gesehen. Das sorgt für ein<br />
gutes gegenseitiges Verständnis, was<br />
bei den vielen nicht alltäglichen<br />
Dingen in dieser Klasse wichtig ist.<br />
Eine Mutter erzählt mir, dass<br />
Konflikte innerhalb der Klasse nicht<br />
an den Mittagstisch gelangen, sondern<br />
in der Schule gelöst werden.<br />
Die Sprachkultur schwappe auch auf<br />
das Elternhaus über, erzählt sie.<br />
«Häufiger als ‹Ich will› hören wir<br />
nun ‹Ich hätte einen Vorschlag›.»<br />
Manche Kinder empfinden diesen<br />
Unterrichtsstil jedoch als «anstrengend,<br />
weil ich da so viel selber denken<br />
muss», sagt etwa eine Schülerin.<br />
«Das empfinde ich aber als Kompli<br />
ment«, antwortet Achim Arn. «Selber<br />
zu denken, ist nicht der einfachste<br />
Weg. Doch nur wer alles<br />
selber ausprobieren, prüfen und<br />
erforschen will, wird echte Lebensstärke<br />
entwickeln.»<br />
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war sehr beeindruckt, wie harmonisch,<br />
liebevoll und hilfsbereit die Kinder<br />
miteinander umgehen. Und wie inspirierend<br />
Lernen ohne Lehrmittel ist. Kegelrechnen<br />
übt sie jetzt auch mit ihren Söhnen.<br />
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Erziehung & Schule<br />
Sackgeld –<br />
wer bekommt wie viel?<br />
Den Umgang mit Geld lernen ist wichtig – aber wie? Laut einer grossen Taschengeldstudie<br />
sehen es Mütter und Väter klar als ihre Aufgabe, ihren Kindern den Umgang mit Geld<br />
beizubringen. Diese sind sogar vernünftiger, als viele Eltern denken. Text: Florence Schnydrig Moser<br />
Ab welchem Alter sollte<br />
man seinen Kindern<br />
ein Sackgeld<br />
zahlen? Wie hoch<br />
sollte dieses sein?<br />
Und wie machen das andere Eltern?<br />
Diesen und anderen Fragen ging<br />
eine grosse Studie zum Thema<br />
Taschengeld auf den Grund. Im Auftrag<br />
von Credit Suisse und in<br />
Kooperation mit Pro Juventute wurden<br />
11 000 Mütter und Väter in der<br />
ganzen Schweiz befragt.<br />
Dabei wurde deutlich, wie wichtig<br />
es Schweizer Eltern ist, ihren Kindern<br />
einen verantwortungsbewussten<br />
Umgang mit Geld beizubringen<br />
Grafik 1 Grafik 2<br />
Anteil der Eltern, die ihren Kindern Taschengeld geben<br />
nach Sprachregion<br />
100 %<br />
50 %<br />
86 %<br />
89 %<br />
72 %<br />
41 %<br />
11 %<br />
43 %<br />
0 %<br />
5 – 7 Jahre<br />
8 – 11 Jahre 12 – 14 Jahre<br />
Deutsch Französisch<br />
Anteil der Kinder, die Taschengeld erhalten<br />
nach Geschlecht<br />
100 %<br />
50 %<br />
72 % 81 % 84 % 85 %<br />
28 % 43 %<br />
0 %<br />
5 – 7 Jahre<br />
8 – 11 Jahre 12 – 14 Jahre<br />
Mädchen Buben<br />
Bild: Martin Barraud / Plainpicture Grafiken: Credit Suisse / sotomo<br />
62 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
In Zusammenarbeit mit der Credit Suisse<br />
– wichtiger noch als die Förderung<br />
von Bescheidenheit oder Zielstrebigkeit.<br />
Das sehe ich auch bei mir und<br />
meinen eigenen Kindern. Obwohl<br />
sie erst sechs und acht Jahre alt sind,<br />
sollen sie schon jetzt ein Bewusstsein<br />
für den Wert des Geldes entwickeln<br />
und lernen, was Sparen bedeutet.<br />
Damit bin ich nicht alleine: Die<br />
meisten Eltern führen ihre Kinder<br />
im Alter von sechs Jahren in die<br />
Welt des Geldes ein – also dann,<br />
wenn sie in die Schule kommen und<br />
das Einmaleins lernen. Mit sieben<br />
Jahren dürfen Kinder üblicherweise<br />
das erste Mal selbst kleine Einkäufe<br />
erledigen und mit zehn Jahren über<br />
Geldgeschenke verfügen.<br />
Das Sackgeld nutzen die meisten<br />
Eltern als wichtiges Übungsfeld:<br />
Kinder können so erste Erfahrungen<br />
im Umgang mit Geld sammeln,<br />
ohne in finanzielle Schieflage zu ge <br />
raten. Deshalb erstaunt es wenig,<br />
dass etwa die Hälfte aller Siebenjährigen<br />
Sackgeld bekommt – zumindest<br />
in der Deutschschweiz. Für die<br />
Mehrheit der Kinder in der Romandie<br />
gibt es erst mit dem Übertritt<br />
in die Sekundarschule Sackgeld<br />
(Grafik 1).<br />
Grafik 3<br />
Mittelwert des monatlichen Taschengelds (in Franken)<br />
nach Alter des Kindes<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
5 5<br />
6 7<br />
11<br />
14 17<br />
5 J. 6 J. 7 J. 8 J. 9 J. 10 J. 11 J. 12 J. 13 J. 14 J.<br />
Was überrascht: Mädchen erhalten<br />
später Taschengeld als Buben. Besonders<br />
bei den fünf- bis siebenjährigen<br />
Kindern fällt der Unterschied<br />
auf; so bekommt fast jeder zweite<br />
Bub Sackgeld, bei den Mädchen nur<br />
jedes dritte. Zumindest bei der Höhe<br />
des Sackgeldes herrscht aber Ausgeglichenheit<br />
(Grafik 2).<br />
Die Höhe des Taschengelds hängt<br />
vom Alter ab. Kinder zwischen fünf<br />
und sieben Jahren erhalten im<br />
Schnitt vier Franken pro Monat, bei<br />
den Acht- bis Elfjährigen sind es<br />
zehn und bei den Zwölf- bis Vierzehnjährigen<br />
20 Franken (Grafik 3).<br />
Zwei Drittel der Kinder können<br />
frei über ihr Taschengeld verfügen<br />
und selbständig entscheiden, wofür<br />
sie das Geld einsetzen. Bemerkenswert<br />
ist, dass die Kinder diese Freiheit<br />
nicht ausspielen: Knapp die<br />
Hälfte legt einen grösseren Teil des<br />
Sackgelds zur Seite und beginnt mit<br />
dem Aufbau eines kleinen Vermögens.<br />
Natürlich haben Kinder auch<br />
Konsumwünsche, für die gespart<br />
wird: Häufig genannte Sparziele<br />
sind der Computer, ein Töffli oder<br />
Smartphone sowie Spielzeug wie<br />
Lego. Oft gaben Eltern auch an, dass<br />
23<br />
39<br />
48<br />
ihre Kinder auf nichts Spezielles<br />
sparen, sondern generell für die<br />
Zukunft.<br />
Als Mutter gefällt mir diese<br />
Erkenntnis. Denn offensichtlich<br />
sind unsere Kinder im Umgang mit<br />
Geld vernünftiger, als wir gemeinhin<br />
annehmen. Der richtige Umgang<br />
mit Geld wird in unserer Familie<br />
weiterhin Thema bleiben. Die Er <br />
gebnisse der Taschengeldstudie<br />
geben mir dabei Orientierung.<br />
Florence<br />
Schnydrig Moser<br />
ist Leiterin von Products & Investment<br />
Services bei der Credit Suisse und<br />
Auftraggeberin der Taschengeldstudie.<br />
Die grösste Taschengeldstudie der<br />
Schweiz zeigt:<br />
• Für die meisten Eltern ist das Sackgeld ein<br />
wichtiger Teil der Finanzerziehung.<br />
• In der lateinischen Schweiz hat<br />
Finanz erziehung einen geringeren<br />
Stellenwert und Sackgeld wird später<br />
vergeben als in der Deutschschweiz.<br />
• Sechs von zehn Kindern können frei über ihr<br />
Sackgeld verfügen.<br />
• Die Mehrheit der Mädchen erhält später<br />
Sackgeld als Buben, später jedoch einen<br />
ähnlichen Betrag.<br />
Mehr Informationen finden Sie unter:<br />
credit-suisse.com/taschengeldstudie<br />
In der Viva Kids World der Credit Suisse finden<br />
Eltern Tipps und Tricks für die Finanz erziehung.<br />
Kinder entdecken Finanzthemen gemeinsam<br />
mit der Viva-Kids-Bande.<br />
credit-suisse.com/vivakidsworld<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>63
Kolumne<br />
Im Haus der Zukunft<br />
Michèle Binswanger<br />
Die studierte Philosophin ist Journalistin und<br />
Buchautorin. Sie schreibt zu Gesellschaftsthemen,<br />
ist Mutter zweier Kinder und lebt in Basel.<br />
Einer der schönsten Texte für Eltern ist Kahlil Gibrans Gedicht<br />
«Über Kinder». «Eure Kinder sind nicht eure Kinder (…),<br />
ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht<br />
besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen», so heisst es.<br />
Ich werde also niemals wissen, in welchem Zimmer meine<br />
Kinder im Haus der Zukunft wohnen werden. Aber ich habe eine ganz<br />
gute Vorstellung, was ihre Generation prägt: das Smartphone.<br />
Meine Kinder gehören zur sogenannten iGen. Gemeint sind die Jahrgänge<br />
von 1995 bis 2012, die mit Smartphones und sozialen Medien<br />
aufgewachsen sind. Wie genau die digita le Revolution die Adoleszenz<br />
verändert, hat Psycho logie professorin Jean M. Twenge kürzlich in<br />
einem viel diskutierten Artikel dargelegt. Sie bezieht sich auf Statistiken,<br />
die in Amerika erhoben wurden. Aber die Veränderungen dürften jede<br />
durch Smartphones geprägte Gesellschaft betreffen.<br />
Heutigen Teenagern, beobachtet Twenge, geht es in einigen Hinsichten<br />
besser als vorherigen Generationen. Etwa bauen sie weniger Autounfälle<br />
oder haben weniger Probleme mit Rauchen und Alkohol. Dafür<br />
gehe es ihnen psychisch schlecht, denn Depressions- und Suizidraten<br />
unter Teens seien explodiert. Die Teenager der iGen sind abhängiger von<br />
ihren Eltern als frühere Generationen, sie gehen weniger alleine aus<br />
dem Haus, sie daten weniger, lernen später Autofahren, haben weniger<br />
Ferienjobs. Sexuell sind sie ebenfalls weniger aktiv. Was sie mit ihrer Zeit<br />
anfangen, liegt auf der Hand: Sie liegen alleine im Bett – mit dem Smartphone.<br />
In einer Zeit, in der meine Generation sich nichts sehnlicher<br />
wünschte, als mit anderen Teenagern die Köpfe zusammenzustecken,<br />
steckt die iGen ihren Kopf ins Smartphone. Und es macht sie un glücklich:<br />
Je mehr Zeit Teenager am Handy verbringen, desto weniger glücklich<br />
sind sie. Das betrifft Mädchen noch stärker als Buben, weil diese auch<br />
öfter Opfer von Cyberbullying sind.<br />
Das sind schmerzliche Beobachtungen. Allerdings beleuchtet Autorin<br />
Twenge nur eine Seite der Medaille. Wenn ich mich an meine Jugend<br />
zurückerinnere, hat die digitale Re volution doch auch positive Seiten.<br />
Wie verzweifelt hätte ich mir in den Achtzigerjahren so etwas wie Spotify<br />
gewünscht, um jene Musik zu finden, die ich hören wollte. Stattdessen<br />
harrte ich Stunden um Stunden am Radio aus, um im richtigen Moment<br />
auf Rec zu drücken – dann nämlich, wenn mein Song endlich gespielt<br />
wurde. Mein Sohn kann heute mit dem Smartphone gleich selber Hits<br />
produzieren. Meine These ist deshalb: Bringt ein Kind ein stabiles<br />
soziales Fundament mit und hat es kreative Interessen, dann ist das<br />
Smartphone mehr Segen als Fluch.<br />
Allerdings weiss ich, wie süchtig das ewige Surfen in sozialen Medien<br />
machen kann. Ich weiss zudem, wie schwer es Kindern manchmal fällt,<br />
auf das Smartphone zu verzichten und etwas anderes zu tun. Aber mit<br />
etwas Nachdruck kriegt man das hin. Solange man nicht zu bequem ist,<br />
zu inter venieren – weil man selber dauernd ins Handy starrt –, gibt es<br />
auch für die iGen Hoffnung. Denn auch sie hat Anrecht auf ein hübsches<br />
und helles Zimmer im Haus der Zukunft.<br />
Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />
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Do sier<br />
Der 9-jährige Emilio<br />
hat Autismus. Rituale<br />
bestimmen sein<br />
Leben. Mehrmals am<br />
Tag geht er in den<br />
Wäscheraum und<br />
beobachtet die<br />
drehenden Trommeln.<br />
wischen Tütensu pen<br />
und Trockenobst fa se<br />
ich Mut. Fast eine halbe<br />
Stunde bin ich durch<br />
mich nicht zu ste len traute.<br />
die D-d-d …»<br />
Ich begi ne zu schwitzen.<br />
Silbe hat.<br />
die ich nicht brauche.<br />
Leserbriefe<br />
«Menschen mit Autismus<br />
brauchen unsere Unterstützung»<br />
«Herzlichen Dank!»<br />
(Dossier «Autismus», Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />
Das andere Kind –<br />
leben mit Autismus<br />
Eine Störung für die einen, eine Wesensart für die anderen<br />
und eine Herausforderung für alle. Das ist Autismus.<br />
Jedes hundertste Kind in der Schweiz ist davon betroffen.<br />
Was heisst das für das Kind? Was für seine Eltern?<br />
Und vor a lem: Wer hilft?<br />
Text: Sarah King Bilder: Daniel Auf der Mauer / 13 Photo<br />
10 August <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi August <strong>2017</strong> 1<br />
In der August-Ausgabe Ihres ElternMagazins ist ein Porträt über<br />
das Leben von Emilio veröffentlicht worden. Emilio ist mein Sohn.<br />
Leben mit Autismus ist unser Alltag. Frau King hat eine wunderbare<br />
Arbeit geleistet. Die Bilder haben mich sehr berührt.<br />
Ich freute mich auch über Ihre Videopräsentation. Sie ist ein<br />
wichtiger Beitrag zur korrekten Information. Mehr Verständnis<br />
bringt auch mehr Toleranz. Für Ihren Beitrag möchte ich mich<br />
herzlich bedanken. Ich habe viele Feedbacks bekommen von Eltern<br />
und Selbstbetroffenen, die schwierige Lebenskonditionen haben.<br />
Durch einen korrekten Zugang zur Öffentlichkeit fühlen sich die<br />
Leute nicht mehr alleine. Sie wissen, dass ihr Leiden nicht umsonst<br />
ist, dass sich der tägliche Kampf mit Alltag, Umfeld, Schule und<br />
Institutionen lohnt und dass sie nicht still in der Verzweiflung<br />
untergehen müssen.<br />
Gerne leistete ich mit den 30 erhaltenen Exemplaren Ihrer<br />
August-Ausgabe Aufklärungsarbeit. Geschäfte, Schulen, Ärzte,<br />
Nachbarschaft und Gemeinde haben grosses Interesse gezeigt.<br />
Denn Emilios Verhalten löst viele Fragen aus. Bezahlen an der<br />
Kasse ist eine hohe Hürde. Unerwartete Bewegungen der anderen<br />
Kunden sind für Emilio eine Herausforderung, ebenso Licht oder<br />
Lärm. Die Benutzung der öffentlichen Toiletten ist seit dem<br />
Aufkommen der Hochdruck-Handtrockner eine Odyssee; das laute<br />
Geräusch und der Druck sind für sensible Autisten unerträglich.<br />
Auch Bank, Kino und Post haben viele Fragen gestellt.<br />
Die Blindenschule Zollikofen hat eine neue Lernumgebung<br />
geschaffen und unterrichtet seit August sieben autistische<br />
Knaben. Die Beschulung von Kindern mit ASS ist schwierig. Es fehlt<br />
an geeigneten Schulen, Lerntools, Assistenzlehrern, Weiterbildungen<br />
und oft auch an Verständnis. Kinder mit ASS passen nirgends<br />
hin. Sie überfordern sowohl das Sonderschulsystem wie auch<br />
Regelschulen. Viele Kinder müssen mit ständigen Schulwechseln<br />
leben. Durch den ständigen Wechsel wird die soziale Integration<br />
gestört. Viele Kinder entwickeln Selbstmordgedanken. Eltern<br />
fühlen sich hilflos. Demnächst führt die Blindenschule einen<br />
Info-Anlass durch, an dem ich gerne das Heft verteilen würde.<br />
Wäre es möglich, weitere 50 Exemplare zu erhalten?<br />
«Eine Autismus-Strategie ist nötig»<br />
(Dossier «Autismus», Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />
«Autismus deutsche schweiz», die grösste Non-Profit-Organisation<br />
zum Thema Autismus in der Schweiz, bedankt sich für das<br />
vielseitige Dossier mit den eindrücklichen Porträts von Betroffenen.<br />
Sie zeigen, dass eine Autismus-Strategie für die Schweiz<br />
dringend nötig ist, damit die vielen ungelösten Themen angepackt<br />
werden und alle Beteiligten die nötige Unterstützung bekommen.<br />
Frühkindliche und andere Therapien etwa müssen für alle<br />
zugänglich sein und die Schulen in ihren Bestrebungen, Inklusion<br />
möglich zu machen, besser unterstützt werden. Zum Glück gibt es<br />
positive Beispiele dafür, wie dies gelingen kann, und engagierte<br />
Personen, die dies ermöglichen. Leider finden diese aber nur<br />
selten den Weg in die Medien. Dies ist bedauerlich, da gerade<br />
solche positiven Beispiele als Modelllösungen für Betroffene in<br />
ähnlichen Situationen dienen können.<br />
Menschen mit Autismus brauchen unsere Unterstützung, damit<br />
sie in ihrem «Anderssein» mit möglichst wenig Stress und viel<br />
Verständnis von ihrem Umfeld leben können. Das ist uns allen klar.<br />
Gute Ansätze müssen in der Öffentlichkeit bekannt werden, damit<br />
sie möglichst zahlreiche Nachahmer finden.<br />
Regula Buehler<br />
Geschäftsleitung autismus deutsche schweiz (per Mail)<br />
«Stottern muss nicht sein»<br />
(«Mein Stottern und ich», Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />
Wir hatten selber einen stotternden Sohn. Als er sieben Jahre alt war,<br />
besuchten wir für zwei Wochen das Del-Ferro-Institut in Amsterdam,<br />
und danach flogen wir ein Jahr lang ein Mal im Monat nach Deutschland,<br />
Iserlohn, zur Nachsorge. Heute ist unser Sohn dreizehn Jahre alt<br />
und stottert nicht mehr. Es war eine sehr intensive und sehr harte<br />
Zeit, doch es hat sich gelohnt, und wir würden es sofort wieder tun.<br />
Stottern muss nicht sein: www.stottern-delferro.de.<br />
Erziehung & Schule<br />
MEIN<br />
STOTTERN<br />
UND ICH<br />
Etwa 80 000 Menschen hierzulande sto tern, oft so schwer,<br />
dass ihr A ltag leidet – und manchmal ihre Lebensplanung. Die<br />
Autorin Vivian Pasquet kämpft, seit sie fünf Jahre alt ist, gegen<br />
den drohenden Bruch in ihrem Redefluss. Hier erzählt sie ihre<br />
Geschichte. Text: Vivian Pasquet Bilder: Olaf Blecker<br />
Z<br />
den Supermarkt gelaufen.<br />
An a len Regalen mehrfach entlang,<br />
selbst bei Küchenro len und<br />
Klopapier habe ich nachgeschaut.<br />
Mit einer Frage im Kopf, die ich<br />
Schlie slich spreche ich eine Verkäuferin<br />
an. «Entschuldigung», sage<br />
Das Wort steckt fest, zwischen vor-<br />
«Die D-d-d-d …– Äpfel?» Die Mitlage,<br />
ich fü l eine Tüte mit Äpfeln,<br />
den und habe versprochen, Da teln Als ich auf die Strasse trete, fühle<br />
ich mich wie eine Versagerin.<br />
Ingrid Del Fe ro angerufen. Als ich<br />
16 Jahre alt war, hat die Sprechtrai-<br />
einem D anfängt und mehr als eine<br />
ich und atme tief ein. «Wo finde ich<br />
stück anderthalb Stunden am Bühse<br />
die Zunge gegen den Gaumen. >>><br />
derem Gaumen und Zungenspitze.<br />
Ich bin zum Abende sen eingela-<br />
im Speckmantel vorzubereiten. Jetzt<br />
habe ich nicht Hummus vorgeschla-<br />
verfluche ich mich dafür. Warum ZWEI TAGE ZUVOR habe ich<br />
gen, Salat oder Wackelpudding?<br />
Sto terzeit befreit. In der Grund-<br />
Egal was, Hauptsache nichts, das mit<br />
Ich schlie se die Augen und pres-<br />
arbeiterin führt mich zur Obstaus-<br />
nerin mich aus meiner schlimmsten<br />
schule ha te ich in einem Theater-<br />
nenrand gekauert und einen<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi August <strong>2017</strong> 59<br />
Bruna Rausa (per Mail)<br />
Karin Kauth (per Mail)<br />
66 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
Weil sich ihr Sohn<br />
nach der Scheidung<br />
nicht um seine<br />
Tochter kümmern<br />
ko nte, nahmen<br />
Ines und Edi Schmid<br />
ihr Enkelkind<br />
Siriwan in Pflege.<br />
«Die Partnerin meines<br />
Exmannes akzeptierte<br />
mich nicht als Mutter»<br />
(Dossier «Pflegefamilien»,<br />
Heft 6 –7/<strong>2017</strong>)<br />
In guten<br />
Händen<br />
In der Schweiz leben rund 15 000 Kinder in<br />
Pflegefamilien und Heimen. Wer sind sie?<br />
Warum wachsen sie nicht bei Vater und Mutter<br />
auf? Und wie fühlt sich das an: Eltern auf Zeit?<br />
Eine Spurensuche.<br />
Text: Be tina Leinenbach Bilder: Gabi Vogt / 13 Photo<br />
10 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Vielen Dank für den spannenden Artikel zum Thema Pflegefamilien.<br />
Ich bin sehr froh, dass wir heute die Möglichkeit haben,<br />
Kindern, die Unterstützung benötigen, diese unter anderem auch<br />
in Pflegefamilien anbieten zu können.<br />
Im Informationsteil – «Wie werden wir Pflegeeltern?» – bin ich<br />
allerdings auf einen Punkt gestossen, der mich nachdenklich<br />
stimmt. Und ich gehe davon aus, dass ich da sicher nicht alleine<br />
betroffen bin: Pflegeeltern akzeptieren, dass Pflegekinder ein<br />
Recht auf Umgang mit ihren leiblichen Eltern haben, und sind<br />
fähig, eine wertschätzende Haltung gegenüber der Herkunfts <br />
familie des Kindes einzunehmen.<br />
Seit der Scheidung von meinem Exmann vor mehr als drei<br />
Jahren hat mich seine Partnerin nie als Mutter der gemeinsamen<br />
Kinder (14 und 11) akzeptiert. Sie hat sehr viel negativen Einfluss<br />
auf die Kinder, in der Schule auf die Lehrer und vor allem auf die<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Juni/Juli <strong>2017</strong> 1<br />
Kommunikation zwischen uns als Erziehungsberechtigte<br />
ge nommen, sodass ich gezwungen war, die Mithilfe von Behörden<br />
in Anspruch zu nehmen, um diesem Verhalten ein Ende zu setzen.<br />
Die Partnerin ist Heilpädagogin und hat keine Kinder. Aber sollten<br />
nicht genau diese Personen im Grunde die Fähigkeit besitzen, eine<br />
wertschätzende Haltung gegenüber der Herkunftsfamilie der<br />
Kinder einzunehmen? Im Schulalltag klappt das ja normalerweise<br />
auch.<br />
Seit mein Exmann und ich das aber zumindest erst mal<br />
mündlich mit dem Amt für Erwachsenen- und Kindesschutz<br />
geklärt haben, verläuft die Sache um so vieles angenehmer, und<br />
zwar für alle.<br />
S. Ramseier (per Mail)<br />
Schreiben Sie uns!<br />
Ihre Meinung ist uns wichtig. Sie erreichen uns über:<br />
leserbriefe@fritzundfraenzi.ch oder<br />
Redaktion Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>67
Digital & Medial<br />
«Wenn es<br />
wehtut,<br />
lache ich»<br />
Rauswurf aus dem Chat, beleidigende und bedrohliche<br />
Textnachrichten: Cybermobbing hinterlässt keine blauen<br />
Flecken, richtet aber bei betroffenen Kindern und<br />
Jugendlichen viel Leid an. So auch bei der 14-jährigen Laila*.<br />
Sie lässt ihre Mutter Renata Weiss* beschreiben,<br />
wie sehr Eltern mitleiden.<br />
Aufgezeichnet: Sarah King Bilder: Stephan Rappo / 13 Photo<br />
68 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Digital & Medial<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>69
Digital & Medial<br />
Mein Mann und ich<br />
haben uns oft<br />
gefragt: Was hätten<br />
wir besser<br />
machen können?<br />
Wir haben alles versucht: reden,<br />
schweigen, konfrontieren, vermitteln.<br />
Nichts nützte. Wir konnten als<br />
Eltern nur gemeinsam mit Laila<br />
durch diese Hölle gehen.<br />
Die Anfänge<br />
Es begann in der Unterstufe. Laila<br />
lud eine Schulkollegin nach Hause<br />
ein. Die beiden Mädchen verbrachten<br />
einen schönen Nachmittag. Am<br />
frühen Abend gingen sie ins Kinderturnen.<br />
Da drehte sich die Kollegin<br />
plötzlich um, kickte Laila mit<br />
dem Fuss in den Bauch und<br />
beschimpfte sie vor den anderen<br />
Kindern.<br />
Das kann doch nicht sein, dachte<br />
ich. Sie war den ganzen Nachmittag<br />
so lieb und dann plötzlich ein umgekehrter<br />
Handschuh. Daraufhin nahmen<br />
wir mit ihren Eltern Kontakt<br />
auf. Sie verstanden diese plötzliche<br />
Attacke ihrer Tochter nicht und<br />
redeten mit ihr. Ich spürte den<br />
Schmerz. Es tut weh, wenn das eigene<br />
Kind geplagt wird.<br />
Laila: Eigentlich begann das Mobbing<br />
schon früher. Aus organisatorischen<br />
Gründen kam ich in eine neue<br />
Klasse. Ich fand den Anschluss nicht,<br />
weil alle schon in ihren Gruppen<br />
waren.<br />
Ich schenkte dem keine Bedeutung.<br />
Dass etwas nicht stimmte,<br />
merkte ich erst, als Laila ihren<br />
Geburtstag nicht mehr feiern wollte.<br />
Sie wurde auch nie an Geburtstagsfeste<br />
eingeladen. Als später mein<br />
Mann als Begleitperson auf eine<br />
Schulreise eingeladen wurde, realisierten<br />
wir, wie sehr unsere Tochter<br />
in der Schule litt. «Ich erkannte<br />
unsere Tochter nicht wieder», sagte<br />
er, «Laila war so still. Und wenn sie<br />
etwas sagte, hörte niemand zu.» Laila<br />
ist eigentlich ein lebhaftes Kind.<br />
Eine Weile ging sie an Gespräche<br />
mit der Schulsozialarbeiterin. Nicht<br />
lange. «Das macht alles nur noch<br />
schlimmer», sagte sie. «Die anderen<br />
Kinder lästern über mich.» Die Lehrer<br />
sagten, sie könnten nichts tun.<br />
Laila tat dann etwas. Sie wehrte<br />
sich. Eines Tages schlug sie zurück,<br />
als sie geschlagen wurde. Eine Lehrerin<br />
intervenierte: Sie liess die Klasse<br />
einen Kreis bilden, setzte Laila in<br />
die Mitte und sagte: «Ich kann dich<br />
nicht schützen, wenn du anderen<br />
wehtust.» Sie war so blossgestellt.<br />
Von da an entwickelte Laila ein neues<br />
Muster: «Wenn es wehtut, lache<br />
ich.»<br />
Laila: Ich entschied mich, in der<br />
Schule die Starke zu sein. Bis in die<br />
sechste Klasse graute mir davor, morgens<br />
in die Schule zu gehen. Nachts<br />
heulte ich mich in den Schlaf. Das<br />
wollte ich nicht mehr.<br />
Mobbing rund um die Uhr<br />
Kam sie dann nach Hause, war sie<br />
umso wütender und niedergeschlagener.<br />
Das nahm zu, als die Klasse<br />
auch im privaten Familienalltag präsenter<br />
wurde. Zunehmend nutzte sie<br />
die sozialen Medien, um Laila zu<br />
mobben.<br />
Laila: Whatsapp, Instagram,<br />
Snapchat. Mit Snapchat kann man<br />
ein Bild für 24 Stunden hochladen,<br />
das für alle Follower sichtbar ist. Man<br />
kann auch Bilder aus einem privaten<br />
Chat schicken, die nach zehn Sekunden<br />
automatisch gelöscht werden.<br />
Eines Tages sassen wir bei uns im<br />
Garten, da sagte Laila: «Du, Mami,<br />
jetzt haben sie mich gerade aus dem<br />
Klassenchat rausgeworfen.» Sie rief<br />
das Mädchen an und fragte nach<br />
dem Grund. Die Antwort war kurz<br />
und klar: «Dich hassen alle, darum<br />
habe ich dich rausgeworfen.» Die<br />
Lehrerin sagte, das sei ausser- >>><br />
«Dass etwas nicht stimmte,<br />
merkte ich erst,<br />
als Laila ihren Geburtstag<br />
nicht mehr feiern wollte.»<br />
Laila ging nicht<br />
mehr gern zur<br />
Schule. Aber auch<br />
zu Hause<br />
erreichten sie die<br />
Beschimpfungen.<br />
Via Smartphone.<br />
70 September <strong>2017</strong>
71
«Ich bringe unsere Tochter<br />
unter die Wölfe.<br />
So fühlte ich mich.»<br />
>>> halb der Schule, da könne sie<br />
nichts tun. Ich blieb beharrlich. Für<br />
mich ist ein Klassenchat nicht<br />
ausserhalb der Schule. Also bildete<br />
die Lehrerin erneut einen Kreis und<br />
setzte das Mädchen in die Mitte.<br />
Laila: Es nützte nichts. Danach<br />
waren alle in der Klasse gegen mich.<br />
Ich wusste nicht, was tun, also ging<br />
ich auf die Toilette und weinte.<br />
Das Mobbing nahm zu. Auf Instagram<br />
wurden Vergleichsspiele<br />
gemacht: Laila versus ein anderes<br />
Mädchen. Man kann verschiedenes<br />
ankreuzen: wer mehr Style, den<br />
schöneren Body oder die schöneren<br />
Augen hat. Die Kreuze wurden selten<br />
auf Lailas Seite gesetzt. Das<br />
sehen viele Leute. Mir drehte es fast<br />
den Magen um.<br />
Laila: Dieselben Spiele gibt es auch<br />
zu anderen Themen: Charakter, zum<br />
Beispiel. Es ist grausam (lacht).<br />
Eines sonntagabends erhielt sie<br />
einen Anruf von einem Mädchen.<br />
«Hey, Laila, es ist mega schlimm!<br />
Meine Eltern lassen sich scheiden.<br />
Ich brauche dich.» Laila war schockiert<br />
und bat uns um Hilfe.<br />
«Schreib, dass du für sie da bist»,<br />
sagte ich. Laila tat es. Kurz darauf<br />
erhielt sie eine Nachricht: «Es war<br />
ein Witz. Du bist so doof, dass du<br />
darauf reinfällst.» Laila lachte.<br />
Solche Witze gehörten zu unserem<br />
Alltag. Einmal schickte ihr ein<br />
Junge ein Bild von einem kaputten<br />
Fuss und täuschte vor, er sei auf dem<br />
Notfall. Ein anderes Mal erhielt sie<br />
eine Drohnachricht: «Geh und<br />
schmeiss dich vor den Zug.»<br />
Das haben wir in der Schule<br />
gemeldet. Der Schulsozialarbeiter<br />
riet, zur Polizei zu gehen. Darauf<br />
verzichteten wir. Wir leben in einem<br />
Dorf. Da wird viel geredet. Wir wollten<br />
zuerst abwarten, ob noch weitere<br />
solche Nachrichten kommen. Das<br />
war ein Fehler von uns. Es kamen<br />
keine Drohungen mehr, aber der<br />
Terror setzte sich dennoch fort. Einmal<br />
fuhr ich Laila in die Geigenstunde.<br />
Zwei Mädchen grüssten<br />
Laila freundlich. Kaum war sie im<br />
Gebäude verschwunden, lachten die<br />
Mädchen über Laila. Ich bringe<br />
unsere Tochter unter die Wölfe. So<br />
fühlte ich mich.<br />
Nichts mehr spüren<br />
Diesen Frühling ereignete sich<br />
etwas. Laila hatte sich in einen Jungen<br />
verliebt. Wir freuten uns mit ihr.<br />
Ein glückliches Kind ist etwas vom<br />
Schönsten. Das Glück währte so lange,<br />
bis der Junge eine Nachricht von<br />
72 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Digital & Medial<br />
einem Mädchen aus der Klasse<br />
erhielt.<br />
Laila: «Was findest du an dieser<br />
Schlampe schön? Wenn du dich weiter<br />
mit ihr abgibst, rede ich nicht<br />
mehr mit dir.» Auf dem Pausenhof<br />
erhielt ich den Befehl, nicht in die<br />
Nähe dieses Jungen zu gehen. Ich<br />
durfte nicht zu ihm hinschauen und<br />
nicht an ihn denken.<br />
Sie hielt sich daran. Dem Frieden<br />
zuliebe. Sie hielt den Frieden selbst<br />
dann bei, als sie stolperte und sich<br />
den Ellbogen aufschlug. Die anderen<br />
Kinder lachten. Laila lachte mit.<br />
Als sie nach Hause kam, sah ich<br />
schon von Weitem, dass etwas nicht<br />
stimmte. Sie kam strahlend zur Tür<br />
herein. Am Arm klaffte ein grosses<br />
Loch. Überall war Blut. Ich war entsetzt.<br />
Laila: Der Lehrer hat es abgewischt<br />
und ein Papier draufgetan. Ich spürte<br />
gar nichts.<br />
Beim Zahnarzt war es, wo Laila<br />
schliesslich zusammenbrach und<br />
nicht mehr aufhörte zu weinen.<br />
Auch ich war am Ende mit meinem<br />
Latein und ging zum Lehrer. Der<br />
Lehrer fiel aus allen Wolken. Das<br />
Ausmass des Mobbings war ihm<br />
nicht bewusst. Er hatte seine Klasse<br />
bisher immer als Traumklasse<br />
betrachtet. Am nächsten Tag konfrontierte<br />
er die Schüler: «Laila geht<br />
es schlecht. Wer denkt, er habe etwas<br />
damit zu tun, bleibt sitzen. Die anderen<br />
können rausgehen.»<br />
Laila: Drei gingen raus. Alle anderen<br />
blieben sitzen. Drei oder vier<br />
waren die Anführer, die anderen Mitläufer.<br />
«Der Lehrer war der Meinung,<br />
dass Laila viel zu lieb ist.<br />
Ich glaube, die Sache wuchs<br />
ihm über den Kopf.»<br />
Sie äusserten ihren Unmut darüber,<br />
immer über Laila reden zu müssen.<br />
Sie erklärten, alles nur lustig und<br />
nicht ernst gemeint zu haben. Am<br />
nächsten Tag schon blockierten sie<br />
Laila erneut auf dem Handy. In meiner<br />
Verzweiflung redete ich einer<br />
Mutter auf die Combox: Bitte hilf,<br />
dass dieses Blockieren aufhört. Sie<br />
rief nie zurück.<br />
Der Lehrer war der Meinung,<br />
dass Laila viel zu lieb ist. Ich >>><br />
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September <strong>2017</strong>73
«Kinder brauchen<br />
ein Bewusstsein<br />
dafür, was sie<br />
bewirken»<br />
Digitale Medien eignen sich<br />
besonders für Mobbing, weiss<br />
Mobbingexpertin Christelle<br />
Schläpfer. Im Interview erklärt<br />
sie, wie Lehrer, Eltern und Kinder<br />
mit Cybermobbing umgehen<br />
können.<br />
Interview: Sarah King<br />
Frau Schläpfer, Sie bieten Beratungen<br />
und Fortbildungen zum Thema<br />
Mobbing und Cybermobbing an.<br />
Was ist der Unterschied?<br />
Cybermobbing ist anonymer, was<br />
die Hemmschwelle senkt. Im klassischen<br />
Mobbing sehe ich, was meine<br />
Handlung beim Gegenüber auslöst,<br />
und bin deshalb empathischer. Dieser<br />
Mechanismus fehlt hinter dem Bildschirm.<br />
Cybermobbing macht es<br />
zudem möglich, rund um die Uhr Hassnachrichten<br />
weltweit zu verbreiten.<br />
Das Opfer kann sich diesen nicht<br />
entziehen – weder zu Hause noch mit<br />
einem Schulwechsel.<br />
Manchmal senden Jugendliche und<br />
Kinder Morddrohungen per Whatsapp.<br />
Wann machen sie sich strafbar?<br />
Drohungen sind nach schweizerischem<br />
Strafgesetz eine Straftat –<br />
zum Beispiel eine Morddrohung oder<br />
Anstiftung zum Selbstmord. Viele<br />
Kinder und Jugendliche sind sich<br />
nicht bewusst, wie früh sie sich auf<br />
strafbarem Terrain bewegen. Sie verwenden<br />
bisweilen eine grobe Sprache<br />
in digitalen Medien. Ausdrücke wie<br />
«hey Alter» oder «du Schlampe»<br />
sind oft freundlich gemeint. Dienen<br />
sie als Beschimpfung, bewegen wir<br />
uns bereits im strafbaren Bereich.<br />
Oft wähnen sich Jugendliche auch in<br />
Sicherheit, weil sie minderjährig sind.<br />
Tatsächlich aber sind sie ab zehnjährig<br />
strafmündig und unterstehen dem<br />
Jugendstrafgesetz.<br />
Wie gehen Eltern am besten vor, wenn<br />
ihr Kind Opfer von Cybermobbing<br />
wird?<br />
Manche Kinder sagen nichts, aus<br />
Angst, die Eltern könnten überreagieren<br />
– zum Beispiel mit den<br />
Eltern des Täters oder mit dem<br />
Täter selbst reden. Das stachelt die<br />
Mobbingdynamik noch mehr an. Die<br />
erste Anlaufstelle ist in der Regel<br />
die Lehrperson. Manchmal reicht es<br />
schon, wenn diese die Klasse über das<br />
Strafgesetz aufklärt. Bei Drohungen<br />
und Verleumdungen rate ich aber,<br />
die Polizei einzuschalten. Vielleicht<br />
genügt vorerst eine Beratung durch<br />
den Jugenddienst. Wer sich dann für<br />
eine Anzeige entschliesst, muss diese<br />
innerhalb von drei Monaten machen.<br />
Beweismaterial kann zum Beispiel mit<br />
Printscreen gesichert werden. Was<br />
aber unter Sexting läuft, wie Nacktfotos<br />
oder Pornos, darf man nicht<br />
sichern, sonst macht man sich selber<br />
strafbar.<br />
Ist die Lehrperson bei Cybermobbing<br />
verantwortlich? Whatsapp-Nachrichten<br />
werden ja auch ausserhalb der<br />
Schule verschickt.<br />
Cybermobbing geht meist von Mitschülern<br />
aus. Es ist die Lehrperson,<br />
die täglich mit ihnen arbeitet. Sie ist<br />
die Einzige, die das Mobbing auflösen<br />
kann – egal, ob die Kommunikation<br />
über das Handy läuft oder im Flur<br />
stattfindet. Beliebt ist dabei der No-<br />
Blame-Approach: Nicht Schuldige<br />
werden gesucht, sondern eine ausgewählte<br />
Gruppe von Schülern erarbeitet<br />
eine Lösung Richtung Wiedergutmachung<br />
(Das Schweizer ElternMagazin<br />
Fritz+Fränzi berichtete in seiner September-Ausgabe<br />
2016). Viele Lehrer<br />
arbeiten immer noch mit Schuldzuweisung<br />
und Sanktionen. Dadurch wird<br />
ein Kind jedoch nicht sozialkompetent.<br />
Welche Auswirkungen hat Cybermobbing<br />
auf die Opfer?<br />
Jugendliche können daran zerbrechen.<br />
Die Leistungen sinken, so auch der<br />
Selbstwert. Manche werden depressiv<br />
oder gar suizidal. Das Allerwichtigste<br />
für Mobbingopfer ist: nie alleine<br />
bleiben! Das Kind soll sich trauen, die<br />
Eltern einzubeziehen. Auch Die Dargebotene<br />
Hand oder Pro Juventute sind<br />
Anlaufstellen. Ausserdem braucht das<br />
Kind dringend psychologische Unterstützung.<br />
Wie können Eltern ihre Kinder vor<br />
Cybermobbing schützen?<br />
Manche Eltern verbieten Whatsapp<br />
und andere Plattformen. Das senkt<br />
zwar das Risiko für Mobbing, verhindert<br />
es aber nicht. Mobber tauschen<br />
sich trotzdem untereinander<br />
aus. Auch Handy ausschalten nützt<br />
nichts. Kaum schaltet das Kind das<br />
Handy wieder ein, sieht es die Nachrichten.<br />
Manchmal raten Eltern ihren<br />
Kindern, sich zu wehren, vielleicht gar<br />
mit körperlicher Gewalt. Davon rate<br />
ich dringend ab. Wird es erwischt, ist<br />
es doppelt Opfer. Den besten Schutz<br />
bietet Aufklärung. Kinder brauchen ein<br />
Bewusstsein dafür, was sie bewirken.<br />
Zur Person<br />
Christelle Schläpfer arbeitete 14 Jahre<br />
als Gymnasiallehrerin, bevor sie sich mit<br />
ihrer Firma edufamily® im Bereich<br />
Elternbildung und Lehrerfortbildung<br />
selbständig machte. Sie führt eine<br />
eigene Beratungspraxis in Winterthur.<br />
www.edufamily.ch<br />
74 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Digital & Medial<br />
>>> glaube, die Sache wuchs ihm<br />
über den Kopf. Wir vereinbarten ein<br />
Gespräch mit dem Schulpsychologen,<br />
der Schulsozialarbeiterin und<br />
mit Laila. Der Schulpsychologe leitete<br />
das Gespräch.<br />
Laila: Am Anfang sagte er: «Wenn<br />
du nicht mehr magst, zeigst du ein<br />
Füchslein. So erkennen wir, dass du<br />
eine Pause brauchst.» Er behandelte<br />
mich wie eine Sechsjährige.<br />
Eine Stunde lang versuchte der<br />
Psychologe herauszufinden, was<br />
unsere Tochter wünscht. Dann<br />
klopfte mein Mann auf den Tisch:<br />
«Wir versuchen zu erklären, was in<br />
dieser Klasse mit unserer Tochter<br />
Schlimmes geschieht. Wir denken<br />
darüber nach, die Schule zu wechseln.»<br />
Dann müssten wir uns an den<br />
Schulleiter wenden, sagten sie. Wir<br />
standen auf und gingen. Wir wussten<br />
weder ein noch aus. Laila ging es<br />
zunehmend schlechter.<br />
Laila: Ich hatte abgenommen, war<br />
böse gegen die Familie und tickte<br />
wegen Kleinigkeiten aus. Oft stellte<br />
ich mir die Frage, ob jemandem auffallen<br />
würde, wenn ich nicht mehr da<br />
wäre. Ich wollte nicht mehr sein.<br />
Ich rief die Kinderärztin an. Sie<br />
schrieb Laila krank. Mir gab sie<br />
Schritt für Schritt vor, was ich tun<br />
musste: psychologische Betreuung<br />
für Laila und mich organisieren, den<br />
Schulleiter informieren, eine neue<br />
Schule suchen. Laila ging in Begleitung<br />
des Schulleiters ein letztes Mal<br />
in die Klasse, um Adieu zu sagen.<br />
Neue Wege gehen<br />
Sie geht nun auf eine Privatschule.<br />
Instagram ist gestrichen. Zwischen<br />
12 und 18 Uhr schaltet sie Whatsapp<br />
aus. Nachts ab 21 Uhr ist das Handy<br />
im Flugmodus.<br />
Was mich frustriert, ist, dass alle<br />
über Mobbing sprechen, aber keiner<br />
weiss, wie damit umzugehen ist. Das<br />
zumindest ist unsere Erfahrung.<br />
Ich wünsche mir, dass etwas<br />
geschieht. Darum möchte ich diese<br />
Geschichte erzählen. Lehrer, Eltern<br />
und Kinder sollen für das Thema<br />
sensibilisiert werden. Das Wichtigste<br />
ist nun aber, dass Laila durch diese<br />
Situation gestärkt wird und ohne<br />
langfristige Verletzungen ihre Schulzeit<br />
beenden kann.<br />
Laila: Im Moment bin ich noch<br />
wütend und enttäuscht. Ich kann mir<br />
aber vorstellen, dass ich irgendwann<br />
wieder glücklich und fähig bin, meinen<br />
alten Schulkolleginnen wieder zu<br />
begegnen.<br />
>>><br />
* Pseudonym, Name der Redaktion<br />
bekannt<br />
Anzeige<br />
In der Mai-Ausgabe <strong>2017</strong> berichtete<br />
Das Schweizer ElternMagazin<br />
Fritz+Fränzi in einem Extra-Dossier<br />
über das Thema Cybermobbing.<br />
Sarah King<br />
Die Psychologin und Autorin war beeindruckt<br />
von Lailas Mut, durch ihr Erzählen die Gewalt<br />
offenzulegen, die sich hinter dem Begriff<br />
Mobbing verbirgt. Denselben Mut wünscht<br />
sie allen, die im Moment noch lächeln, obwohl<br />
ihnen nach Weinen zumute ist.<br />
«Instagram ist nun gestrichen.<br />
Zwischen 12 und 18 Uhr<br />
schaltet sie Whatsapp ab.»<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>75
Etwas mehr Geduld, bitte!<br />
Viele Kinder sind schlechte Verlierer – und begeistert von Smartphone<br />
und Co. Dabei spricht einiges dafür, dass der Mediengebrauch die<br />
Frustrationstoleranz bei Kindern noch weiter senkt. Was Eltern in<br />
der Medienerziehung beachten sollten. Text: Kathrin Blum<br />
Bild: iStockphoto<br />
76 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Digital & Medial<br />
Der elfjährige David<br />
wischt wütend die<br />
Spielsteine vom Feld,<br />
wenn er das Brettspiel<br />
nicht gewinnt;<br />
seine zwei Jahre jüngere Schwester<br />
Sophia hingegen rauscht aus dem<br />
Zimmer und knallt die Türe zu. Viele<br />
Kinder sind schlechte Verlierer.<br />
Und manche Eltern lassen den<br />
Nachwuchs lieber gewinnen, als<br />
dass sie sich mit dem Frust ihrer<br />
Söhne und Töchter auseinandersetzen<br />
– egal ob es dabei um das Würfelspiel<br />
geht oder darum, wie viel<br />
Zeit sie ihrem Smartphone widmen.<br />
Dabei spricht einiges dafür, dass<br />
eine intensive Smartphonenutzung<br />
die Frustrationstoleranz von Kindern<br />
und Jugendlichen senkt. Und<br />
sie dadurch zu noch schlechteren<br />
Verlierern werden.<br />
Etienne Bütikofer wollte, dass seine<br />
drei Kinder schon früh lernen,<br />
mit Enttäuschungen umzugehen,<br />
und ihre Frustrationstoleranz trainieren.<br />
Deshalb hat der Dozent und<br />
Medienpädagoge an der Pädagogischen<br />
Hochschule in Bern sie nie<br />
einfach gewinnen lassen. Genauso<br />
hält er es für wichtig, dass die Kinder<br />
lernen, Siege zu verkraften und nicht<br />
überheblich werden, wenn sie ge <br />
winnen.<br />
Anzeige<br />
Die Kinder verlernen, das<br />
Verlieren auszuhalten –<br />
und sich anzustrengen, um<br />
etwas zu erreichen.<br />
takt zu sein, oder darum, rund um<br />
die Uhr Filme und Musik zu streamen:<br />
«Mit dem Smartphone können<br />
alle Bedürfnisse ganz schnell und<br />
mit minimalem Aufwand befriedigt<br />
werden», sagt Sara Signer. Die promovierte<br />
wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
für Medienbildung an der<br />
Pädagogischen Hochschule Zürich<br />
glaubt, dass die Kinder dadurch verlernen,<br />
geduldig zu sein.<br />
Das gezielte Warten zu trainieren,<br />
hält Signer für äusserst wichtig, auch<br />
wenn es für die Eltern herausfordernd<br />
sei. «Ich provoziere das Warten<br />
immer wieder», erklärt Signer,<br />
die eine sechsjährige Tochter hat.<br />
Dazu gehört für sie auch, dass Eltern<br />
nicht alles stehen und liegen lassen,<br />
wenn das Mobiltelefon bimmelt<br />
oder piepst. «Viele unterbrechen<br />
Gespräche oder ihr Tun und springen<br />
sofort auf, wenn sich das Smartphone<br />
meldet», beobachtet Signer.<br />
Den meisten Erwachsenen sei nicht<br />
bewusst, was sie ihren Kindern<br />
damit vorleben. «Da steckt selten<br />
eine böse Absicht dahinter, vielmehr<br />
ist es doch so, dass auch viele Er <br />
wachsene mit dem Smartphone<br />
überfordert sind», sagt Signer.<br />
Bütikofer hält den Eltern zugute:<br />
«Als sie selbst Kinder waren, gab es<br />
das noch nicht, sie haben das nicht<br />
gelernt und müssen sich da selbst<br />
erst einfinden.» Und er emp >>><br />
Kinder verlernen, geduldig zu sein<br />
Bei Kindern, die heute aufwachsen,<br />
ist der Spielpartner häufig virtuell,<br />
die Spielkarten das Display. Das<br />
sogenannte Gamen per Handy setzt<br />
viele (Spiel-)Regeln ausser Kraft:<br />
Wer verloren hat, klickt oder wischt<br />
einmal und fängt einfach von vorne<br />
an. «Es gab noch nie zuvor Spiele,<br />
bei denen man so schnell auf null<br />
zurückgehen konnte», sagt Etienne<br />
Bütikofer. Dadurch verlernten Kinder,<br />
das Verlieren auszuhalten – und<br />
sich anzustrengen, um etwas zu<br />
erreichen.<br />
Nicht nur das Gamen trägt dazu<br />
bei, die Frustrationstoleranz zu senken.<br />
Ob es darum geht, immer und<br />
überall mit den Freunden in Kon<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi September <strong>2017</strong><br />
Balance-Akt<br />
Psychologische Beratung<br />
für Kinder, Jugendliche und<br />
Eltern am IAP<br />
zhaw.ch/iap
Digital & Medial<br />
Tipps für Eltern<br />
• Vorbild sein und nicht selber ständig<br />
am Smartphone kleben.<br />
• Smartphoneregeln aufstellen, zum<br />
Beispiel: Am Esstisch und nachts im<br />
Kinder-/Jugendzimmer haben die<br />
Geräte nichts verloren.<br />
• Smartphonezeiten festlegen: Sara<br />
Signer empfiehlt, dass Jugendliche<br />
allerhöchstens die Hälfte der freien Zeit<br />
ausserhalb der Schule mit Medien<br />
verbringen – und in der anderen Zeit<br />
mit Bewegung an der frischen Luft<br />
einen Ausgleich schaffen sollten.<br />
• Primarschulkinder sollten auf keinen<br />
Fall mehr als 20 Minuten pro Tag am<br />
Smartphone hängen.<br />
• Kinder beobachten: Wie nutzen sie das<br />
Smartphone und wie geht es ihnen<br />
dabei? Ist das mobile Gerät Stoppuhr<br />
beim Joggen oder Metronom beim<br />
Klavierüben? Oder geht es einfach nur<br />
um (sinnlose) Game-Apps?<br />
• So spät wie möglich ein eigenes Gerät<br />
für die Kinder anschaffen, frühestens<br />
am Ende der Primarschulzeit, besser<br />
erst ab 13, 14 Jahren.<br />
• Eingreifen, wenn das Gefühl entsteht,<br />
dass das Smartphone Aktivitäten wie<br />
Sport, das Üben eines Instruments<br />
oder Hobbys mit Freunden verdrängt.<br />
• Das Smartphone sollte nie dazu<br />
genutzt werden, ein Kind<br />
ruhigzustellen, damit man selber seine<br />
Ruhe hat.<br />
• Das Warten und das Verlieren gezielt<br />
mit Kindern trainieren – in der realen<br />
Welt.<br />
>>> fiehlt Eltern den Selbstversuch.<br />
Seiner Meinung nach sollten<br />
sie sich selbst ein paar Spiele herunterladen,<br />
sie ausprobieren und sich<br />
möglicherweise selbst dabei ertappen,<br />
wie schwer man davon loskommt.<br />
Das schadet langfristig<br />
Unabhängig von den eigenen Erfahren<br />
sollten Mütter und Väter ihre<br />
Kinder beim Umgang mit dem<br />
Smartphone genau beobachten, rät<br />
Lehrer und Autor Philippe Wampfler.<br />
Eltern sollten sich fragen: Was<br />
passiert da, wie reagiert das Kind,<br />
wenn es am Gerät sitzt? Und wenn<br />
sie das Gefühl haben, dass die Kinder<br />
auch eine halbe oder ganze Stunde<br />
nach der Smartphonezeit noch<br />
gereizt sind (weil sie zurück in die<br />
virtuelle Welt möchten), sollten<br />
Die Frustrationstoleranz muss<br />
genauso trainiert werden<br />
wie die Sprungkraft, um Hürden<br />
überwinden zu können.<br />
Mütter und Väter das Gespräch<br />
suchen und den Kindern erklären:<br />
«Das schadet euch langfristig!» Die<br />
intensive Nutzung falle häufig mit<br />
der Pubertät zusammen, deshalb sei<br />
in vielen Fällen schwer zu sagen, ob<br />
Entwicklungen und Verhaltensmuster<br />
hormonell beeinflusst oder dem<br />
Smartphone zuzuschreiben seien.<br />
Wampfler glaubt: «Das Smartphone<br />
kann etwas verstärken, das es<br />
ohnehin schon gibt, aber reiner Auslöser<br />
ist es wahrscheinlich selten.»<br />
Mit Verweis auf eine Studie von Jon<br />
D. Elhai aus dem vergangenen Jahr<br />
erklärt Wampfler: «Ich gehe davon<br />
aus, dass eine tiefe Frustrationstoleranz<br />
zu einer intensiveren Smartphonenutzung<br />
führt, sie umgekehrt<br />
aber davon auch verstärkt wird.»<br />
Zudem könne intensive Smartphonenutzung<br />
eine Reihe psychischer<br />
Probleme verstärken.<br />
Klare Regeln einführen<br />
Kindern die mobilen Geräte deshalb<br />
komplett vorzuenthalten, hält<br />
Wampfler jedoch für realitätsfern.<br />
Er fordert allerdings klare Regeln:<br />
«Die Smartphonenutzung muss<br />
geübt und dosiert eingesetzt werden.»<br />
Bütikofer findet es in diesem<br />
Zusammenhang wichtig, dass «die<br />
Absprachen auf Vertrauen basie-<br />
ren». Einfach nur den Stecker zu<br />
ziehen, also das WLAN zu blockieren,<br />
hält er für eine Bankrotterklärung.<br />
«Sprechen Sie mit Ihren Töchtern<br />
und Söhnen von klein auf über<br />
die Gefahren und das Suchtpotenzial<br />
– und darüber, wie wichtig eine<br />
hohe Frustrationstoleranz ist.» Letztere<br />
müsse genauso trainiert werden<br />
wie die Sprungkraft. Nur wer übe,<br />
könne die Fähigkeit entwickeln,<br />
Hürden zu überwinden. Und diese<br />
Hürden wüchsen im Laufe des<br />
Lebens.<br />
Die Frustrationstoleranz sinkt<br />
Genau diese Hürden werden es sein,<br />
die Mädchen und Jungen dazu zwingen,<br />
Frust, Enttäuschungen und<br />
Rückschläge auszuhalten – in der<br />
Schule, im Arbeitsleben, in Beziehungen.<br />
Deshalb glaubt Sara Signer<br />
auch nicht, dass eine dem Smartphone<br />
geschuldete niedrigere Frustrationstoleranz<br />
für ganze Generationen<br />
in der Katastrophe endet. Die<br />
Gesellschaft werde die Jugendlichen<br />
dazu zwingen, sich zu integrieren,<br />
glaubt Signer. Nur könnte das für<br />
viele ein schmerzhafter und anstrengender<br />
Prozess sein. Und daran sei<br />
das Smartphone nicht unschuldig.<br />
Einige Hirnforscher sind der<br />
Überzeugung, dass Teile unseres<br />
78 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Gehirns, die nicht genutzt und<br />
gefordert werden, verkümmern. Der<br />
Ulmer Professor Manfred Spitzer ist<br />
einer der Experten, die befürchten,<br />
dass ex zessive Smartphonenutzung<br />
genau dazu führt. Müssen Jugendliche<br />
also nicht lernen, Frust oder<br />
Niederlagen zu verarbeiten und sich<br />
selbst zu regulieren, sinkt die<br />
Frustrations toleranz. Lutz Jäncke,<br />
Professor für Neuropsychologie an<br />
der Universität Zürich, erklärt, dass<br />
man das an der Grösse des Frontalkortex<br />
sogar se hen könne.<br />
Die einen verteufeln das Smartphone,<br />
manche warnen davor und<br />
wieder andere sehen überhaupt keinen<br />
Zusammenhang zwischen dem<br />
Taschencomputer und einer sinkenden<br />
Frustrationstoleranz. Ein Wissenschaftler,<br />
der namentlich nicht<br />
genannt werden möchte, meint dazu<br />
etwa: «Warum sollte mangelnde<br />
Frustrationstoleranz ausgerechnet<br />
ein Problem von digitalen Medien<br />
sein? Man könnte genauso gut argumentieren,<br />
dass die permanente<br />
Verfügbarkeit von Nahrung die<br />
Frustrationstoleranz von Kindern<br />
senkt, weil sie nicht mit der Enttäuschung<br />
leben lernen, dass Papa heute<br />
kein Mammut mit nach Hause<br />
gebracht hat.»<br />
>>><br />
Kathrin Blum<br />
Die Journalistin war als Kind eine ganz<br />
schlechte Verliererin und beobachtet<br />
gespannt, wie sich die Frustrationstoleranz<br />
bei ihren Töchtern entwickelt.<br />
Das Smartphone sollte nie<br />
dazu genutzt werden,<br />
ein Kind ruhigzustellen, damit<br />
man selber seine Ruhe hat.<br />
Warum sind Online-Games auf dem<br />
Smartphone so beliebt?<br />
Vier mögliche Antworten von Medienpädagoge<br />
Etienne Bütikofer:<br />
• Mode und Gruppendruck, «alle machen es».<br />
• Eltern nehmen sich zu wenig Zeit für die Kinder,<br />
bieten ihnen keine Alternativen an und sind<br />
teilweise froh, dass die Kinder beschäftigt sind<br />
und nicht über Langeweile klagen.<br />
• Keine oder nur wenige Geschwister und damit<br />
weniger potenzielle Spielpartner.<br />
• Verinselung der Freizeit, zu wenig freies Spiel.<br />
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IN 25 BERUFEN
Digital & Medial<br />
Sicher im Netz<br />
Spielen, Videos schauen, im Internet surfen – dies<br />
sind oft die ersten Tätigkeiten, mit denen sich Kinder<br />
und Jugendliche ihre Online-Welten erschliessen.<br />
Doch welche Inhalte im Netz sind wirklich<br />
kindgerecht? Ein Überblick. Text: Michael In Albon<br />
Was Kinder bei<br />
ihren ersten<br />
Schritten im<br />
Netz erleben,<br />
stellt die Weichen<br />
für ihre Medienkompetenz.<br />
Damit verbunden ist auch der<br />
Umgang mit Risiken. Deshalb sollten<br />
Eltern ihre Kinder beim Aufwachsen<br />
mit digitalen Medien von<br />
Anfang an begleiten.<br />
Suchen und Lernen machen Spass<br />
Das Internet ist voller Informationen.<br />
Leider sind diese oft widersprüchlich<br />
und nicht kindgerecht.<br />
Hinzu kommt: Google zeigt bei einigen<br />
beliebten Suchbegriffen von<br />
Kindern belastende Inhalte und Bilder.<br />
Auch Wikipedia enthält ungeeignete<br />
Darstellungen für Kinder,<br />
zum Beispiel bei Sexualthemen. Eine<br />
altersgerechte Alternative sind Suchmaschinen<br />
für Kinder: fragfinn.ch,<br />
blinde-kuh.ch oder helles-koepfchen.ch.<br />
Und klexikon.ch ist ein<br />
gutes Kinderlexikon.<br />
Bilder und Videos anschauen und<br />
produzieren<br />
Beiträge auf Youtube sind unterhaltsam,<br />
erklären Sachverhalte eingängig<br />
und unterstützen zum Teil auch<br />
Lernprozesse. Sie können Kinder<br />
aber auch dazu verführen, immer<br />
weiter zu schauen, sie gar ängstigen<br />
oder negativ beeinflussen. Filtern Sie<br />
deshalb bei Youtube Videos mit einer<br />
Inhaltswarnung aus. Im Browser:<br />
Sicherer Modus (am unteren Seitenrand)<br />
> An > Speichern. In Apps:<br />
Einstellungen > Allgemein > Sicherer<br />
Modus > Einschalten.<br />
Bedenken Sie aber: Ein hundertprozentiger<br />
Schutz ist auch das<br />
nicht. Lassen Sie Ihr Kind Youtube<br />
nicht allein nutzen. Zeigen Sie ihm,<br />
worauf es achten kann und soll, um<br />
gute Seiten von schlechten Seiten zu<br />
unterscheiden. Dabei hilft Ihnen<br />
auch die Swisscom-Checkliste: Sie<br />
finden sie, wenn Sie im Suchfeld<br />
«Swisscom gute Seiten schlechte Seiten»<br />
eingeben.<br />
Noch mehr Spass macht es<br />
zudem, wenn Ihr Kind selbst kreativ<br />
wird und eigene Filme und Fotos<br />
erstellt und hochlädt. Wie’s geht,<br />
lernt Ihr Kind auf redaktionell<br />
betreuten Seiten – auf juki.de<br />
(Videos) und knipsclub.de (Fotos)<br />
zum Beispiel.<br />
App-Spiele für die Kleinen<br />
Apps sind unterhaltsam und oft kostenlos<br />
– zunächst. Denn viele Spiele<br />
ziehen den Spielern durch In- App-<br />
Käufe schon bald das Geld aus der<br />
Tasche. Man erhält dafür aber lediglich<br />
virtuelle und keine bleibenden<br />
Güter. Gute Filme und Serien für<br />
Kinder ab vier zeigt die ZDFtivi-Mediathek.<br />
Ebenfalls Geschichten und<br />
Spiele für Kinder bietet «Unser Sandmännchen»:<br />
mit dem Sandmann<br />
Fussball spielen, eine Geschichte<br />
anhören oder eine Folge sehen. Und<br />
auf «Die Maus» kann Ihr Kind interaktiv<br />
die Maus-Welt entdecken. Als<br />
Eltern erhalten Sie auf app-tipps.net<br />
Bild: jandrielombard<br />
zudem Monat für Monat App-Empfehlungen.<br />
Internet im Fernsehen<br />
Seit Kurzem ist «Funk» am Start –<br />
ZDF und ARD versuchen damit,<br />
Menschen zwischen 14 und 29 abzuholen.<br />
Vierzig junge sogenannte<br />
«Creators» produzieren Videos und<br />
Audiobeiträge für die sozialen Netzwerke<br />
– massgeschneidert für Instagram,<br />
Snapchat, Youtube und<br />
Facebook. Gebündelt werden die<br />
Inhalte auf einer eigenen Website<br />
und in einer App. Für Eltern ist es<br />
eine wunderbare Gelegenheit, in die<br />
Welt von Jugendlichen einzutauchen.<br />
Und es bietet Ihnen Themen<br />
für eine Diskussion mit Ihrem Kind.<br />
Michael In Albon<br />
ist Beauftragter Jugendmedienschutz<br />
und Experte Medienkompetenz von<br />
Swisscom.<br />
Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive<br />
Lernmodule für den kompetenten Umgang mit<br />
digitalen Medien im Familienalltag.<br />
swisscom.ch/medienstark<br />
80 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Über 2’073’000 Personen lesen uns<br />
wegen den erlebnisreichen Ausflugstipps.<br />
Und Sie?<br />
Die Schweiz liest das Migros Magazin. Lesen Sie mit!<br />
Mehr als drei Millionen Leserinnen und Leser freuen sich jede<br />
Woche über spannende Reportagen, nützliche Tipps und gute<br />
Unterhaltung – mit allem Wissenswerten rund um Menschen,<br />
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Für alle, die mitreden wollen.
Ernährung & Gesundheit<br />
Waschen schützt vor Pickeln?<br />
Schön wärs!<br />
Fast alle Jugendlichen sind in der Pubertät von Akne betroffen. Während die einen<br />
nur ein paar Mitesser auf der Nase haben, leiden andere an entzündlichen<br />
Pusteln und Papeln, die Narben hinterlassen können. Der Akne-Spezialist<br />
Severin Läuchli erklärt, was dagegen hilft. Interview: Susanna Steimer Miller<br />
Illustration: iStockphoto<br />
82 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Herr Läuchli, warum leiden vor allem<br />
Jugendliche an Akne?<br />
Für die Hautkrankheit sind zwei<br />
Vorgänge im Körper verantwortlich.<br />
Einerseits führt die steigende Produktion<br />
von Sexualhormonen in der<br />
Pubertät dazu, dass die Haut mehr<br />
Talg herstellt. Talg ist wichtig, denn<br />
diese fettreiche Substanz bildet einen<br />
Film über der Haut und schützt sie<br />
vor äusseren Einflüssen. Anderseits<br />
neigen manche Menschen zur Bildung<br />
von sogenannten Hornzellen<br />
im Kanal der Talgdrüsen, die den<br />
Talg nicht abfliessen lassen. In der<br />
Folge verstopfen die Poren und es<br />
entstehen Mitesser, die sich entzünden<br />
können.<br />
In der Werbung wird immer wieder von<br />
Hautunreinheiten gesprochen. Ist<br />
Akne die Folge mangelnder Hygiene?<br />
Nein, keinesfalls. Die schwarze<br />
Farbe der Mitesser kommt vom<br />
Hautfarbstoff Melanin und von einer<br />
Verfärbung des Talg-Hornpfropfes.<br />
Sie hat also nichts mit Schmutz zu<br />
tun. Jugendliche können Akne nicht<br />
«Wenn beide Eltern<br />
von Akne betroffen<br />
waren, hat auch ihr<br />
Kind ein erhöhtes<br />
Risiko.»<br />
durch häufige Hautreinigung verhindern.<br />
Es reicht aus, wenn sie ihre<br />
Haut einmal pro Tag mit einer Reinigungslotion<br />
oder synthetischer<br />
Seife waschen.<br />
Welche Faktoren sind entscheidend<br />
für die Entstehung von Akne?<br />
Fast alle Mädchen und Jungen haben<br />
in der Pubertät Mitesser oder Pickel.<br />
Das Ausmass der Hornzellenbildung<br />
und der Talgdrüsenaktivität wird<br />
von den Genen gesteuert. Wenn beide<br />
Elternteile in der Jugend von<br />
Akne betroffen waren, hat auch ihr<br />
Kind ein erhöhtes Risiko für diese<br />
Hauterkrankung.<br />
Manche Jugendliche versuchen sich<br />
vor Akne zu schützen, indem sie zum<br />
Beispiel auf Schokolade verzichten.<br />
Bringt das tatsächlich etwas?<br />
Über den Einfluss der Ernährung auf<br />
die Akne wird viel spekuliert. Wir<br />
wissen, dass eine Ernährung mit vielen<br />
einfachen Kohlenhydraten und<br />
grossen Mengen an Milchprodukten<br />
die Entstehung von Akne be - >>><br />
Life-Domains<br />
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Dies sind zuge lassene Arznei -<br />
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die Packungs beilagen. Max Zeller<br />
Söhne AG, 8590 Romanshorn<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi September <strong>2017</strong>83<br />
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Natürlich aus<br />
der Schweiz.
Ernährung & Gesundheit<br />
>>> günstigen kann. Wissenschaftlich<br />
nicht erwiesen ist hingegen der<br />
Einfluss einzelner Nahrungsmittel<br />
auf die Haut. Jugendliche müssen<br />
also nicht auf Schokolade, Nüsse<br />
oder Salami verzichten. Sinnvoll ist<br />
aber sicher ein massvoller Konsum.<br />
Wo bildet sich Akne?<br />
Am häufigsten an Stirn, Nase, Kinn<br />
sowie am V-förmigen Brust- und<br />
Rückenausschnitt. Hier sind besonders<br />
viele Talgdrüsen vorhanden.<br />
Was kann Akne begünstigen?<br />
Viele Jugendlichen versuchen, ihre<br />
Pickel und Mitesser auszudrücken.<br />
Das fördert die Entzündung des<br />
umliegenden Hautgewebes, verzögert<br />
die Abheilung und erhöht das<br />
Risiko für Narben. Heute wissen wir<br />
auch, dass bestimmte Medikamente,<br />
wie zum Beispiel Kortison, hochdosierte<br />
Vitamin-B-Präparate und<br />
Anabolika Akne fördern. Auch stark<br />
fettende Hautpflegeprodukte und<br />
Rauchen begünstigen Akne.<br />
«Die Produkte<br />
entfernen beim<br />
Abstreifen Haut.<br />
Sie können die<br />
Haut irritieren. Ich<br />
rate davon ab.»<br />
Blackhead-Strips sind bei jungen<br />
Mädchen im Trend. Was halten Sie von<br />
diesen Produkten, die Mitesser ausreissen<br />
und porentiefe Reinigung<br />
versprechen?<br />
Die Produkte entfernen nicht nur die<br />
oberste Schicht von Mitessern, sondern<br />
beim Abstreifen auch zusätzliche<br />
Haut. Sie können die Haut<br />
irritieren. Zudem bilden sich die<br />
Mitesser sofort wieder. Ich rate also<br />
davon ab.<br />
Was hilft denn bei Mitessern?<br />
Sowohl bei den offenen Mitessern,<br />
die man am dunklen Hornpfropf<br />
erkennt, als auch bei den geschlossenen,<br />
die sich als kleine, hautfarbene<br />
Erhebungen manifestieren, helfen<br />
Cremes und Gels mit Vitamin-<br />
A-Säure, bei weniger ausgeprägten<br />
Fällen ist auch Salicylsäure hilfreich.<br />
«Antibiotika helfen<br />
bei entzündlichen<br />
Formen der Akne,<br />
dürfen aber nur<br />
eine begrenzte Zeit<br />
eingesetzt werden.»<br />
Wie behandelt man Akne, wenn mit<br />
Eiter gefüllte Bläschen oder kleine<br />
Knötchen auftreten?<br />
Die in der Apotheke frei verkäuflichen<br />
Cremes oder Gels mit Benzoylperoxid<br />
wirken antibakteriell und<br />
entzündungshemmend, helfen alleine<br />
allerdings nur bei leichten Akne-<br />
Formen. Bei Pusteln und Papeln<br />
empfehlen wir eine Behandlung mit<br />
Vitamin-A-Säure, auch Retinoid<br />
genannt, welche leicht schälend<br />
wirkt. Diese kann für schwerere Formen<br />
auch gut mit Benzoylperoxid<br />
oder einem Antibiotikum kombiniert<br />
werden.<br />
Und ansonsten?<br />
Bei der schwersten Form von Akne,<br />
bei der es zu ausgedehnten entzündlichen<br />
Veränderungen mit grossen<br />
Pusteln und zum Teil schmerzhaften<br />
Knoten kommt, setzen wir meist den<br />
Wirkstoff Isotretinoin ein – insbesondere,<br />
wenn wir die Entwicklung<br />
von Narben befürchten. Mädchen<br />
dürfen aber während der Behandlung<br />
auf keinen Fall schwanger<br />
werden, weil die Substanz das Ungeborene<br />
schädigt. Manchmal verschreiben<br />
wir auch Antibiotika zum<br />
Einnehmen. Diese wirken bei entzündlichen<br />
Formen der Akne, dürfen<br />
aber nur über einen begrenzten<br />
Zeitraum eingesetzt werden, weil die<br />
Bakterien bei längerer Anwendung<br />
resistent werden können.<br />
Was müssen Jugendliche bei der<br />
äusserlichen Behandlung der Haut<br />
beachten?<br />
Wichtig ist, dass sie nicht nur die<br />
Pickel damit eincremen, sondern alle<br />
Hautstellen, an denen keine neue<br />
Akne entstehen soll. Die Behandlung<br />
braucht ein bisschen Geduld. Erste<br />
Erfolge sieht man frühestens nach<br />
vier Wochen. Vitamin-A-Säure-Präparate<br />
bewirken, dass sich die Haut<br />
schält und Schuppen bildet. Dadurch<br />
können sich weniger Hornzellen bilden<br />
und der Talg kann besser abfliessen.<br />
Am Anfang einer Behandlung<br />
sind Hautreizungen möglich. Es ist<br />
wichtig, dass die Haut jetzt nicht<br />
noch mehr durch Peelings oder Sonnenbestrahlung<br />
gereizt wird.<br />
Kann die Antibabypille bei Akne<br />
helfen?<br />
Ja, vor allem Präparate, die die Produktion<br />
männlicher Hormone reduzieren.<br />
Dadurch wird die Talgproduktion<br />
gedrosselt. Oft tritt die Akne<br />
dann aber wieder auf, wenn man die<br />
Pille absetzen will.<br />
>>><br />
Zur Person<br />
Severin Läuchli, Dr. med., ist Privatdozent<br />
und Oberarzt an der Dermatologischen<br />
Klinik des Universitätsspitals Zürich.<br />
Susanna<br />
Steimer Miller<br />
ist Chefredaktorin des Elternratgebers<br />
«Baby & Kleinkind» und schreibt als Autorin<br />
über Gesundheits- und Ernährungsthemen.<br />
84 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Tipps bei Akne<br />
Jugendliche, die an Mitessern und Pickeln leiden, sollten:<br />
• ihre Haut nicht mit zu fettigen<br />
Präparaten pflegen oder mit<br />
pudrigen Kosmetika abdecken,<br />
weil diese die Poren zusätzlich<br />
verstopfen können, was Akne<br />
fördert.<br />
• ihre Haut einmal pro Tag sanft<br />
mit einer Reinigungslotion<br />
oder synthetischer Seife<br />
waschen.<br />
• auf Blackhead-Masken oder<br />
Strips verzichten, weil sie die<br />
Haut irritieren und die<br />
Talgproduktion sogar<br />
ankurbeln können.<br />
• keine Sonnenschutzmittel<br />
verwenden, die fetten. Besser<br />
sind Gels mit dem Hinweis<br />
«nicht komedogen». Ein<br />
mässiges Sonnenbad kann die<br />
Akne etwas verbessern.<br />
• nicht an den Mitessern und<br />
Pickeln herumdrücken, weil<br />
sich dadurch die umliegende<br />
Haut entzünden und sich<br />
Narben bilden können.<br />
Mitesser und Pickel sollten nur<br />
von einer entsprechend<br />
ausgebildeten Kosmetikerin<br />
entfernt werden.<br />
• aufs Rauchen verzichten.<br />
• einen Hautarzt aufsuchen,<br />
denn fast jede Akne lässt sich<br />
behandeln. Die Beseitigung<br />
von Aknenarben ist hingegen<br />
schwierig.<br />
So vielfältig ist<br />
gluten- und laktosefrei.<br />
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September <strong>2017</strong>85
Unser Wochenende …<br />
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… Entdecken Sie Arosa auf dem Trottinett. Es gibt mehrere<br />
Möglichkeiten für eine Tour, welche sowohl Kinder als auch<br />
Eltern begeistert. Zum Beispiel von der Weisshorn-Mittelstation<br />
aus über den Arlenwaldweg zurück ins Dorf. Oder via<br />
Stausee Isel hinunter nach Litzirüti und mit der Rhätischen<br />
Bahn zurück nach Arosa. Eine Trotti-Fahrt lässt sich auch mit<br />
einer Wanderung verbinden: etwa ab dem Prätschli über den<br />
Rot Tritt oder die Scheidegg zur Ochsenalp. Dort mieten Sie<br />
sich ein «Trotti Taxi» für die Rückfahrt.<br />
Trottinett-Miete bei Luzi Sport beim Bahnhof. 1 Trottinett inkl.<br />
Helm: 18 Franken. Kinder unter 12 Jahren nur in Begleitung<br />
Erwachsener. Weisshornbahn und RhB sind mir der Arosa Card<br />
kostenlos. Ochsenalp-Trotti: Miete inkl. Helm (obligatorisch) für<br />
eine Fahrt nach Arosa: Erwachsene und Kinder je 10 Franken,<br />
ohne Restaurant-Konsumation je 16 Franken. Kinder unter<br />
14 Jahren nur in Begleitung Erwachsener. arosa.ch/trottinett<br />
… Auf den Themenwegen in und um Arosa werden Wandern<br />
und Lernen spielerisch miteinander verbunden, zum Beispiel<br />
auf dem Eichhörnliweg. Lesen Sie Ihren Kindern auf dem Weg<br />
das wanderbare Bilderbuch «Mensch sein macht müde» vor<br />
oder lösen Sie die Rätselaufgaben. Entlang des Glücksstein-<br />
Trails können Sie Spannendes über Gesteine und Pflanzen<br />
lernen. Der Naturkundeweg Isel bringt Ihnen die botanische<br />
und geologische Vielfalt der Region näher. Anschliessend<br />
locken im Welschtobel zahlreiche Feuerstellen zum Picknick.<br />
arosa.ch/themenwege<br />
Geniessen …<br />
… Möchten Sie den Tag mit einer guten Stärkung beginnen?<br />
Dann fahren Sie mit der Luftseilbahn von der Talstation in<br />
Arosa auf den Weisshorngipfel auf 2653 m ü. M. und lassen<br />
Sie es sich bei einem reichhaltigen Gipfel-Zmorga gut gehen.<br />
Das 360°-Panorama-Restaurant bietet Ihnen eine atemberaubende<br />
Aussicht. Falls Sie die frisch zugeführte Energie gleich<br />
wieder einsetzen wollen, führt Sie eine leichte Höhenwanderung<br />
in knapp zwei Stunden zur Hörnlihütte (2511 m ü. M.).<br />
Mit dem Hörnliexpress erreichen Sie dann wieder Arosa.<br />
Oder Sie wandern vom Weisshorn auf mittelschwerem Weg via<br />
Carmennahütte ganz hinunter nach Innerarosa.<br />
Weisshorngipfel, sonntags, bei jeder Witterung, bis 22. Oktober<br />
<strong>2017</strong>. Bergfahrt aufs Weisshorn ab 9 Uhr, Gipfel-Zmorga von<br />
9.20 bis 11 Uhr. Reservation bis 17 Uhr am Vortag. Kosten:<br />
Erwachsene 28, Jugendliche (ab 13) 18, Kinder bis 12 Jahre 13,<br />
bis 5 Jahre pro Altersjahr 1 Franken. Bahnfahrt gratis mit Arosa<br />
Card. arosabergbahnen.com/experience/events<br />
… Sind die Beine von den vielen Erkundungen schon schwer<br />
und Sie möchten noch weitere Entdeckungen rund um Arosa<br />
machen, könnte eine Pferdekutschenfahrt die Lösung sein.<br />
Mit dem Zweispänner gehts gemütlich durch das Dorf und die<br />
umliegenden Wälder.<br />
Auskünfte zu den Pferdekutschen erhalten Sie beim Standplatz<br />
am Bahnhof. Auch Reservationen können Sie da<br />
vornehmen. Die Fahrten kosten zwischen 100 und 150 Franken<br />
pro Stunde. Ab 18 Uhr wird ein Zuschlag von 25 Prozent<br />
erhoben. Wartezeit kostet 50 Franken pro Stunde. arosa.ch/<br />
rundumspferd > Pferdekutschen<br />
Übernachten …<br />
… An ruhiger Lage am Waldrand nahe dem Dorfzentrum<br />
befindet sich das Sunstar Alpine Hotel (4 Sterne). Von hier<br />
86 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Service<br />
Unterwegs von der<br />
Scheidegg Richtung<br />
Oberer Prätschsee,<br />
Blick vom<br />
Weisshorngipfel, auf<br />
dem Eichhörnliweg.<br />
Bilder: Arosa Tourismus / Nina Mattli<br />
haben Sie Ausblick auf die Berge und den Untersee. Bei der<br />
Familienpauschale übernachten die Kinder (maximal zwei) bis<br />
15 Jahre im Zusatzbett im Komfortzimmer der Eltern gratis.<br />
Weiter in der Pauschale inbegriffen: Getränke aus der Minibar,<br />
WLAN im gesamten Hotel, Benützung von Hallenbad (20 x<br />
8 m), Sauna, Dampfbad und Fitness-Center.<br />
Sunstar Alpine Hotel Arosa, Seewaldweg. Preisbeispiel für drei<br />
Nächte, zwei Erwachsene mit zwei Kindern im Doppelzimmer:<br />
999 Franken inkl. Frühstücksbuffet und 5-Gang- Wahlmenü am<br />
Abend für die ganze Familie. Die Familienpauschale ist bis<br />
22. Oktober <strong>2017</strong> gültig. parkhotel-arosa.sunstar.ch > Arosa ><br />
Familienferien in Arosa<br />
… Für Familien gut geeignet ist das Hotel Hohenfels<br />
(3 Sterne). Es liegt zentral, und die verschiedenen Kombinationen<br />
der Familienzimmer mit 3 bis 6 Betten wie auch das<br />
Kinderspielzimmer sind ganz auf die Bedürfnisse der Eltern<br />
und der Kinder ausgerichtet. Alle Zimmer im familiären<br />
Ambiente haben Bad oder Dusche/WC, TV, Telefon und gratis<br />
WLAN. Sie haben die Möglichkeit, Kleider zu waschen und zu<br />
trocknen. Und Eltern steht die Sauna zur Verfügung.<br />
Hotel Hohenfels, Poststrasse. Preisbeispiel für drei Nächte,<br />
Eltern mit zwei Kindern, 10 und 14 Jahre alt: 1089 Franken inkl.<br />
Halbpension; für die Eltern immer ein Doppelbett und für die<br />
Kinder Kajüten-, Zusatz- oder Kinderbetten. Die Familienpauschale<br />
ist in der Sommersaison <strong>2017</strong> gültig (bis 24. September).<br />
hohenfels.ch/sommer/pauschalen<br />
Gut zu wissen …<br />
… In Arosa profitieren Übernachtungsgäste vom kostenlosen<br />
All-inclusive-Angebot. Mit der Arosa Card sind die Arosa<br />
Bergbahnen, die Rhätische Bahn zwischen Arosa und<br />
Lüen-Castiel, der Ortsbus und zahlreiche Freizeitaktivitäten<br />
wie etwa der Seilpark, das ChippinGolf oder das Strandbad<br />
Untersee kostenlos.<br />
Mehr Infos: arosa.ch/allinclusive<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>87
Service<br />
Vielen Dank<br />
an die Partner und Sponsoren der Stiftung Elternsein:<br />
Finanzpartner Hauptsponsoren Heftsponsoren<br />
Dr. iur. Ellen Ringier<br />
Walter Haefner Stiftung<br />
Credit Suisse AG<br />
Rozalia Stiftung<br />
UBS AG<br />
Paradies-Stiftung für soziale Innovation<br />
Impressum<br />
17. Jahrgang. Erscheint 10-mal jährlich<br />
Herausgeber<br />
Stiftung Elternsein,<br />
Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />
www.elternsein.ch<br />
Präsidentin des Stiftungsrates:<br />
Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch,<br />
Tel. 044 400 33 11<br />
(Stiftung Elternsein)<br />
Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder,<br />
ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 01 01<br />
Redaktion<br />
redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />
Chefredaktor: Nik Niethammer,<br />
n.niethammer@fritzundfraenzi.ch<br />
Verlag<br />
Fritz+Fränzi,<br />
Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />
Tel. 044 277 72 62,<br />
info@fritzundfraenzi.ch,<br />
verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />
www.fritzundfraenzi.ch<br />
Business Development & Marketing<br />
Leiter: Tobias Winterberg,<br />
t.winterberg@fritzundfraenzi.ch<br />
Anzeigen<br />
Administration: Dominique Binder,<br />
d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />
Tel. 044 277 72 62<br />
Art Direction/Produktion<br />
Partner & Partner, Winterthur<br />
Bildredaktion<br />
13 Photo AG, Zürich<br />
Korrektorat<br />
Brunner Medien AG, Kriens<br />
Auflage<br />
(WEMF/SW-beglaubigt 2016)<br />
total verbreitet 101 725<br />
davon verkauft 18 572<br />
Preis<br />
Jahresabonnement Fr. 68.–<br />
Einzelausgabe Fr. 7.50<br />
iPad pro Ausgabe Fr. 3.–<br />
Abo-Service<br />
Galledia Verlag AG Berneck<br />
Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54<br />
abo.fritzundfraenzi@galledia.ch<br />
Für Spenden<br />
Stiftung Elternsein, 8008 Zürich<br />
Postkonto 87-447004-3<br />
IBAN: CH40 <strong>09</strong>00 0000 8744 7004 3<br />
Inhaltspartner<br />
Institut für Familienforschung und -beratung<br />
der Universität Freiburg / Dachverband Lehrerinnen<br />
und Lehrer Schweiz / Verband Schulleiterinnen und<br />
Schulleiter Schweiz / Jacobs Foundation /<br />
Elternnotruf / Pro Juventute / Interkantonale<br />
Hochschule für Heilpädagogik Zürich /<br />
Schweizerisches Institut für Kinder- und<br />
Jugendmedien<br />
Stiftungspartner<br />
Pro Familia Schweiz / Pädagogische Hochschule<br />
Zürich / Elternbildung CH / Marie-Meierhofer-<br />
Institut für das Kind / Schule und Elternhaus<br />
Schweiz / Schweizerischer Verband<br />
alleinerziehender Mütter und Väter SVAMV /<br />
Kinderlobby Schweiz / kibesuisse Verband<br />
Kinderbetreuung Schweiz<br />
Jetzt<br />
gewinnen!<br />
September-Verlosung<br />
Fritz+Fränzi verlost …<br />
1 × 2-tägiger Erlebnisaufenthalt (2 Erw./2 Kinder)<br />
9 × Familien-Tageseintritt ins Ravensburger Spieleland<br />
Mehr unter: www.spieleland-feriendorf.ch<br />
Wettbewerbsteilnahme auf www.fritzundfraenzi.ch/verlosung<br />
Teilnahmeschluss: 4. Oktober <strong>2017</strong>. Teilnahme per SMS: Stichwort FF RSL an 959 senden (30 Rp./SMS)<br />
Ravensburger Spieleklassiker in XXL entdecken, actiongeladene<br />
Abenteuer erleben sowie Käpt’n Blaubär und die Maus treffen:<br />
Das Ravensburger Spieleland am Bodensee verspricht unvergessliche<br />
Familienmomente. Inmitten schönster Natur laden<br />
über 70 Attraktionen in acht Themenwelten zum Entdecken und<br />
spielerisch Neues Lernen ein. Trefft eure TV-Lieblinge live und<br />
übernachtet bei Maus & Co im neuen Feriendorf. So wird ein Aufenthalt<br />
im familienfreundlichsten Themenpark Deutschlands zu<br />
entspannten Kurzferien voller Spielspass. Zur Auswahl stehen<br />
thematisierte Ferienhäuser und komfortable Forscherzelte oder<br />
Stellplätze für das eigene Wohnmobil. Geöffnet ist das Feriendorf<br />
bis 02.<strong>09</strong>. und in den Herbstferien vom 29.<strong>09</strong>. bis 15.10.<strong>2017</strong>.
Buchtipps<br />
Über das endlos<br />
scheinende<br />
Eismeer fährt<br />
Siri ihrer<br />
entführten<br />
Schwester<br />
hinterher.<br />
William Grill:<br />
Die Wölfe von<br />
Currumpaw<br />
Ernest Thompson<br />
Seton soll den<br />
Wolf töten, der<br />
die Farmer von<br />
Currumpaw in Atem hält. Nachdem<br />
er die Kraft dieses Tieres erlebt hat,<br />
wird er überzeugter Naturschützer.<br />
Grill hat der wahren Geschichte mit<br />
eindrücklichen Farbstiftzeichnungen<br />
ein Denkmal gesetzt.<br />
NordSüd, <strong>2017</strong>, Fr. 19.90,<br />
ab 7 Jahren<br />
Bilder:ZVG<br />
Nach welchen ethischen Richtlinien handle<br />
ich? Was bedeutet das für andere?<br />
Zivilcourage oder moralische Werte können<br />
in Kinder- und Jugend büchern ohne<br />
erhobenen Zeigefinger vermittelt werden.<br />
Das Richtige tun<br />
Siri und die Eismeerpiraten<br />
Es gebe Dinge, die man<br />
tun müsse, selbst wenn<br />
sie gefährlich seien, er <br />
klärt Jonathan seinem<br />
kleinen Bruder im Lindgren-Klassiker<br />
«Die Brüder Löwenherz».<br />
«Weil man sonst kein Mensch<br />
ist, sondern nur ein Häuflein<br />
Dreck.»<br />
Frida Nilsson wird nicht umsonst<br />
als Lindgren-Nachfolgerin gehandelt.<br />
Wohl mag der Name etwas<br />
gross sein für die schwedische Autorin,<br />
doch macht sie in ihrem Abenteuerroman<br />
«Siri und die Eismeerpiraten»<br />
kein Hehl daraus, welchem<br />
Vorbild sie nacheifert. Auch ihre<br />
Heldin Siri zieht nämlich aus, weil<br />
es Dinge gibt, die man tun muss,<br />
selbst wenn sie gefährlich sind. Zum<br />
Beispiel die kleine Schwester aus den<br />
Händen des grässlichen Piraten <br />
kapitäns Weisshaupt befreien. Keiner<br />
der Erwachsenen auf der heimatlichen<br />
Schäre im Eismeer bringt<br />
dafür den Mut auf, also muss Siri die<br />
Sache selbst in die Hand nehmen.<br />
Auf ihrer abenteuerlichen Reise<br />
erfährt sie vom Guten und Schlechten,<br />
das im Menschen schlummert.<br />
Sie freundet sich mit dem Schiffskoch<br />
an, wird von einem Kapitän<br />
betrogen, gerät an eine Wolfsjägerin<br />
und kümmert sich um das verlassene<br />
Baby einer Seejungfrau. Immer aber<br />
bleibt sie ihrer Überzeugung treu:<br />
Kein Lebewesen darf zu Schaden<br />
kommen. Daran hält sie sich sogar<br />
im Angesicht der Piraten und bringt<br />
ihre Mission dennoch zu einem<br />
glücklichen Ende.<br />
Eine tief berührende Geschichte,<br />
die sich zum Vorlesen mit der ganzen<br />
Familie eignet.<br />
Frida Nilsson:<br />
Siri und die<br />
Eismeerpiraten.<br />
Aus dem<br />
Schwedischen<br />
von Friederike<br />
Buchinger.<br />
Gerstenberg,<br />
<strong>2017</strong>, Fr. 21.90,<br />
ab 10 Jahren<br />
Was WÜRDEst<br />
du tun?<br />
Auf den doppelseitigen<br />
Bildern<br />
von Tobias<br />
Krejtschi ist jeweils<br />
eine Szene zu<br />
sehen, in der die<br />
Würde eines Menschen in Gefahr ist.<br />
Wie gehst du mit dieser Situation<br />
um? Ein Buch, das zum Nachdenken<br />
über Respekt und den Umgang<br />
miteinander einlädt.<br />
Minedition, 2016, Fr. 14.90,<br />
ab 5 Jahren<br />
Die Königinnen<br />
der Würstchen<br />
Statt sich zurückzuziehen,<br />
treten<br />
drei Mobbingopfer<br />
die Flucht nach<br />
vorne an und<br />
fahren mit den Velos nach Paris, um<br />
sich für ihre Sache einzusetzen. Ein<br />
mit viel Witz erzähltes Sommerabenteuer<br />
von Clementine Beauvais.<br />
Carlsen, <strong>2017</strong>, Fr. 24.90,<br />
ab 14 Jahren<br />
Verfasst von Elisabeth Eggenberger,<br />
Mitarbeiterin des Schweizerischen<br />
Instituts für Kinder- und<br />
Jugendmedien SIKJM.<br />
Auf www.sikjm.ch/rezensionen sind<br />
weitere B uch empfehlungen zu finden.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
September <strong>2017</strong>89
Eine Frage – drei Meinungen<br />
Nach unserer Trennung vor zwei Jahren heiratete mein Exmann wieder.<br />
Unsere Tochter, 13, die bei mir lebt, hat das Gefühl, dass ihr Vater die<br />
Kinder seiner neuen Frau mehr liebt als sie. Sie ist kaum mehr fröhlich<br />
und wird immer pummeliger. Wie kann ich ihr helfen?<br />
Kathrin, 37, Chur<br />
Nicole Althaus<br />
Die Gefühle Ihrer Tochter<br />
sind so verständlich wie<br />
wohl fehlgeleitet. Sie muss<br />
erst vieles verarbeiten, bis<br />
die Eifersucht auf die neuen<br />
Menschen im Leben ihres<br />
Papas ihre Wahrnehmung<br />
nicht mehr trüben. Dazu<br />
kommt noch der Gefühlssturm<br />
der pubertären Hormonumstellung. Versichern<br />
Sie der Tochter, dass sie im Herzen ihrer Eltern<br />
immer einen zentralen Platz haben wird, egal welche<br />
Menschen dazukommen. Nehmen Sie sich Zeit,<br />
gehen Sie zusammen wandern, radfahren, ins Kino.<br />
Tonia von Gunten<br />
Ihre Tochter sucht nach der<br />
Trennung ihren neuen Platz<br />
im Familien-Patchwork. Sie<br />
muss die Liebe ihres Vaters<br />
mit den Kindern seiner<br />
neuen Partnerin teilen. Ein<br />
schwieriger und schmerzvoller<br />
Prozess, bei dem<br />
Sie Ihre Tochter begleiten<br />
können. Stehen Sie zu ihr und sorgen Sie für neue,<br />
fröhliche Momente in Ihrem gemeinsamen Leben,<br />
damit Ihre Tochter ihr Lachen wiederfindet.<br />
Peter Schneider<br />
Sie helfen ihr zunächst mal<br />
dadurch, indem Sie sich<br />
überlegen, ob an dem Gefühl<br />
Ihrer Tochter vielleicht etwas<br />
dran ist. Was nicht bedeutet,<br />
dass Sie nun mit Ihrer<br />
Tochter den Klub der von<br />
Ihrem Exmann nicht mehr<br />
Geliebten gründen. Aber es<br />
ist auch nicht ratsam, Ihre Tochter dadurch zu trösten,<br />
indem Sie eine richtige Wahrnehmung als falsch<br />
bezeichnen. Die Tatsache, dass Ihr Exmann nicht nur<br />
Sie, sondern damit auch Ihre Tochter hinter sich<br />
gelassen hat, können Sie Ihrer Tochter nicht ausreden,<br />
sondern allenfalls zu erklären versuchen.<br />
Nicole Althaus, 48, ist Kolumnistin, Autorin<br />
und Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am<br />
Sonntag». Zuvor war sie Chefredaktorin von «wir<br />
eltern» und hat den Mamablog auf «Tagesanzeiger.<br />
ch» initiiert und geleitet. Nicole Althaus ist Mutter<br />
von zwei Kindern, 16 und 12.<br />
Tonia von Gunten, 44, ist Elterncoach, Pädagogin<br />
und Buchautorin. Sie leitet elternpower.ch, ein<br />
Programm, das frische Energie in die Familien<br />
bringen und Eltern in ihrer Beziehungskompetenz<br />
stärken möchte. Tonia von Gunten ist verheiratet<br />
und Mutter von zwei Kindern, 11 und 8.<br />
Peter Schneider, 59, ist praktizierender<br />
Psychoanalytiker, Autor und SRF-Satiriker («Die<br />
andere Presseschau»). Er lehrt als Privatdozent<br />
für klinische Psychologie an der Uni Zürich und<br />
ist Professor für Entwicklungspsychologie an<br />
der Uni Bremen. Peter Schneider ist Vater eines<br />
erwachsenen Sohnes.<br />
Haben Sie auch eine Frage?<br />
Schreiben Sie eine E-Mail an:<br />
redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />
Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Pino Stranieri, HO<br />
90 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Mimo verlost 20 Bausets<br />
für ein Vogelhaus.<br />
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Teilnahmeschluss:<br />
30. September <strong>2017</strong><br />
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Glück eines von 20 Vogelhaus-Bausets.<br />
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credit-suisse.com/digipigi
Fr. 7.50 9/September <strong>2017</strong><br />
Cybermobbing<br />
Wie Mitschülerinnen<br />
das Leben von Laila, 14,<br />
zur Hölle machten<br />
Jesper Juul<br />
Wie Eltern mit ihren<br />
pubertierenden Kindern<br />
umgehen sollten<br />
Was die Seele stark macht<br />
Resilienz