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Fr. 7.50 9/September <strong>2017</strong><br />

Cybermobbing<br />

Wie Mitschülerinnen<br />

das Leben von Laila, 14,<br />

zur Hölle machten<br />

Jesper Juul<br />

Wie Eltern mit ihren<br />

pubertierenden Kindern<br />

umgehen sollten<br />

Was die Seele stark macht<br />

Resilienz


Lernende<br />

gesucht!<br />

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Bewährte Werte<br />

Zuverlässig und sicher. Solide mit gutem Ruf. So wie die<br />

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Und für jene, denen Klasse wichtiger ist als Masse.<br />

Ihre Gesundheit, bei der CONCORDIA in besten Händen.<br />

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Editorial<br />

Bild: Geri Born<br />

Nik Niethammer<br />

Chefredaktor<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Neulich fragte ich unsere sechsjährige Tochter, wen sie im Kindergarten besonders<br />

gerne mag. «Also der Paul und die Josefine sind nett, die Finja hat tolle<br />

Spielsachen, und der Jonda kann mich sogar hochheben», kam es wie aus der<br />

Pistole geschossen. Dann schaute sie mich mit grossen Augen an: «Und weisst<br />

du, wen ich am liebsten mag? Mich!»<br />

Es gibt wenige Dinge, die Eltern glücklicher machen, als wenn das Kind mit sich<br />

und der Welt im Einklang ist. Wenn es zu Kindergeburtstagen eingeladen wird,<br />

Freunde hat, nicht gehänselt oder gemobbt wird. Und wenn es auch schwierige<br />

Momente meistert, mit Enttäuschungen, Frust und Niederlagen umzugehen<br />

weiss. «Resilienz» nennt die Wissenschaft diesen besonderen Schutz der Seele.<br />

Sie hilft uns, auch grosse Herausforderungen zu bewältigen, an schweren Krisen<br />

nicht zu zerbrechen.<br />

«Du könntest dich auch<br />

einfach selber mögen.<br />

Denk nur an all die Zeit, die<br />

du mit dir verbringen musst.»<br />

Jerry Lewis, US-amerikanischer Komiker,<br />

Sänger und Schauspieler (1926–<strong>2017</strong>)<br />

Die Resilienzforschung ist noch relativ jung; erst seit dem Zweiten Weltkrieg<br />

befassen sich Forscher intensiv mit der Frage, wie wir gesund bleiben, was uns im<br />

Umgang mit Belastungen schützt und wie wir Wohlbefinden<br />

erlangen. Was man heute mit Sicherheit weiss: Resiliente Menschen<br />

besitzen eine ausgeprägte Selbstwahrnehmung, sie<br />

können ihre Gefühle regulieren, Probleme analysieren und<br />

lösungsorientiert bewältigen. Insbesonere können sie negative<br />

Gedanken vergleichsweise gut aushalten und ablegen; sie<br />

fokussieren sich auf ihre Kräfte, sind in der Regel optimistisch<br />

und wenig ängstlich.<br />

Wir haben die Psychologen Fabian Grolimund und Stefanie<br />

Rietzler gebeten, uns zu erklären, wie Kinder diese Widerstandskraft erwerben.<br />

Und was Eltern dabei tun können. Die gute Nachricht: Resilienz ist lernbar.<br />

Was die Seele stark macht – ab Seite 10.<br />

«Der Weg zur inneren Stärke» ist auch Thema unserer nächsten Hausveranstaltung<br />

im Kulturpark Zürich. Am 24. Oktober sind die Autoren dieses<br />

Dossiers (und des Dossiers «Was Kinder stark macht» aus dem Frühjahr<br />

2015) zu Gast – und Sie sind herzlich eingeladen.<br />

Infos und Anmeldung: www.fritzundfraenzi.ch/resilienz<br />

Ich wünsche Ihnen viel Lesevergnügen mit dieser Ausgabe – und lege Ihnen<br />

diese drei Texte besonders ans Herz:<br />

• «Die Eltern als Sparringspartner» von Jesper Juul – ab Seite 40.<br />

• «Üben, wie man Frust erträgt» von Ruth Fritschi – ab Seite 46.<br />

• «Wo Schule Freude macht» von Claudia Landolt – ab Seite 52.<br />

Herzlichst – Ihr Nik Niethammer<br />

850 Lehrstellen in 25 Berufen | www.login.org


Inhalt<br />

Ausgabe 9 / September <strong>2017</strong><br />

Viele nützliche Informationen finden Sie auch auf<br />

fritzundfraenzi.ch und<br />

facebook.com/fritzundfraenzi.<br />

Psychologie & Gesellschaft<br />

38<br />

Armes, verwöhntes Einzelkind?<br />

Zahlreich sind die Vorurteile über<br />

Kinder ohne Geschwister. Was stimmt<br />

und was ist längst überholt? Dazu:<br />

vier Tipps für Eltern.<br />

Augmented Reality<br />

Dieses Zeichen im Heft bedeutet, dass Sie digitalen Mehrwert<br />

erhalten. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos und<br />

Zusatzinformationen zu den Artikeln.<br />

10<br />

Dossier: Resilienz<br />

10 Was die Seele stark macht<br />

Warum meistern manche Menschen<br />

Schicksalsschläge und andere<br />

zerbrechen daran? Alles über diese<br />

Widerstandskraft, Resilienz genannt.<br />

Bild: Kate Parker<br />

18 So stärken Sie das psychische<br />

Immunsystem Ihres Kindes<br />

Drei einfache und alltagstaugliche<br />

Übungen für Eltern.<br />

28 Wie kommt man als Familie durch eine<br />

Lebenskrise?<br />

Der Buchautor Georges Morand und seine<br />

Kinder erzählen, wie sie die Zeit gemeistert<br />

haben, als die Mutter die Familie verliess.<br />

Cover<br />

Das Foto stammt von<br />

der US-Fotografin Kate<br />

Parker. Es entsprang<br />

der Idee, Mädchen<br />

möglichst autark und<br />

authentisch zu zeigen:<br />

als starke Kinder, die<br />

sie sind.<br />

Bilder: Kate Parker, Herbert Zimmermann / 13 Photo, Samuel Trümpy / 13 Photo, Stephan Rappo / 13 Photo<br />

4


32<br />

52<br />

68<br />

Margret Bürgisser, warum sollten Paare sich<br />

Familien- und Erwerbsarbeit egalitär teilen?<br />

Ein Besuch in einer integrativen Klasse ohne<br />

Prüfungen, Ufzgistress und Wettbewerb.<br />

Cybermobbing: Eine Mutter berichtet, was<br />

ihre Tochter und sie durchmachen mussten.<br />

Erziehung & Schule<br />

42 Interkulturelle Liebe<br />

Verlieben sich die Kinder in einen<br />

Menschen aus einem anderen<br />

Kulturkreis, haben ihre Eltern nicht<br />

selten Vorurteile.<br />

46 Mit Frust umgehen<br />

Kinder können lernen, Wünsche und<br />

Bedürfnisse besser zu kontrollieren.<br />

48 Da treffen sich Bücherwürmer<br />

Ein Überblick über Veranstaltungen.<br />

52 Wo Schule Freude macht<br />

Eine Reportage über eine öffentliche<br />

Schule ohne Hausaufgaben, Prüfungen<br />

und Lehrmittel – und mit Kindern<br />

mit besonderen Bedürfnissen.<br />

62 Sackgeld<br />

Wer bekommt wie viel?<br />

Ernährung & Gesundheit<br />

82 Was tun gegen Akne?<br />

Tipps, um die Pickelplage<br />

einzudämmen.<br />

Digital & Medial<br />

68 Cybermobbing<br />

Eine Mutter beschreibt zusammen mit<br />

ihrer Tochter, wie es ist, in Chats<br />

gemobbt zu werden und sich nicht<br />

mehr in die Schule zu trauen.<br />

76 «Etwas mehr Geduld, bitte!»<br />

Tiefere Frustrationstoleranz wegen<br />

Smartphones? Was Eltern bei der<br />

Medienerziehung beachten sollten.<br />

80 Sicher im Internet<br />

Über Inhalte im Netz, die wirklich<br />

kindgerecht sind.<br />

Rubriken<br />

03 Editorial<br />

06 Entdecken<br />

32 Monatsinterview<br />

Margret Bürgisser forscht über Paare,<br />

die sich Erwerbs- und Familienarbeit<br />

teilen.<br />

40 Jesper Juul<br />

Der Familientherapeut kennt einen<br />

Kniff, wie Eltern mit pubertierenden<br />

Kindern entspannter werden: sie als<br />

«Austauschstudenten» betrachten.<br />

49 Ellen Ringier<br />

Warum der Satz «Ich weiss nichts,<br />

macht nichts» abgrundtief falsch ist.<br />

50 Fabian Grolimund<br />

Wie es Eltern gelingt, ihre Zeit<br />

konstruktiv einzuteilen.<br />

64 Michèle Binswanger<br />

Über das Smartphone und die iGen.<br />

66 Leserbriefe<br />

90 Eine Frage – drei Meinungen<br />

Was tun, wenn die Tochter glaubt, der<br />

Vater liebe die Kinder seiner neuen<br />

Frau mehr als sie?<br />

Service<br />

86 Unser Wochenende …<br />

… in Arosa<br />

88 Verlosung<br />

88 Sponsoren/Impressum<br />

89 Buchtipps<br />

Die nächste Ausgabe erscheint<br />

am 5. Oktober <strong>2017</strong>.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>5


Entdecken<br />

3 FRAGEN<br />

Starten Sie<br />

die aktuelle<br />

Fritz+Fränzi-App,<br />

scannen Sie diese Seite<br />

und sehen Sie einen<br />

Film-Beitrag über die<br />

neuen Bergtrails.<br />

Spätes Mutterglück<br />

Frauen, die ihre Kinder spät –<br />

ab Mitte 30 – bekommen haben,<br />

sind die besseren Mütter, ergab<br />

eine dänische Studie. Und dies<br />

ausschliesslich wegen ihres<br />

höheren Alters und der damit<br />

einhergehenden psychischen<br />

Reife, so die Forscher. Die 7-<br />

bis 11-jährigen Kinder älterer<br />

Mütter hatten demnach weniger<br />

soziale, emotionale und Verhaltensschwierigkeiten.<br />

Bei<br />

den 15-jährigen Kindern fand<br />

sich kein Unterschied. Befragt<br />

wurden 4741 Mütter des Danish<br />

Longitudinal Survey of Children<br />

in Kopenhagen.<br />

an Christina Hanke, Operations Manager von Foxtrail<br />

«Kinder merken gar nicht, dass sie wandern»<br />

Diesen Sommer eröffnete der Luzerner Veranstalter Foxtrail seine<br />

ersten Bergtrails in der Lenzerheide. Christina Hanke von Foxtrail erzählt,<br />

wie sich die Schnitzeljagd in den Bergen gestaltet.<br />

Interview: Evelin Hartmann<br />

Christina Hanke, was erwartet Familien auf den neuen Bergtrails?<br />

Ziel ist es, den Fuchs in seinem natürlichen Revier, dem Wald<br />

beziehungsweise den Bergen, zu jagen. Einmal auf einem grösstenteils<br />

flach verlaufenden Trail rund um den Heidsee sowie auf einem etwas<br />

anspruchsvolleren Bergtrail von Heidbüel hinab ins Tal. Natürlich nur<br />

symbolisch, dafür aber mit vielen spannenden Aufgaben, die Teilnehmern<br />

die Bergwelt näherbringen sollen.<br />

Wo bekomme ich die Tickets?<br />

Auf unserer Homepage sind die Trails beschrieben und buchbar. Die<br />

Startunterlagen bekommt man per Mail zugeschickt. Die Tickets inklusive<br />

Bus- und Bergbahntickets liegen dann im Tourismusbüro Lenzerheide<br />

zum Abholen bereit.<br />

Kinder sind meist keine begeisterten Wanderer. Wie wollen Sie diese<br />

erreichen?<br />

Das macht der Fuchs für uns. Auf den Trails gibt es so viel zu erleben und<br />

zu entdecken, dass Kinder gar nicht merken, dass sie wandern. Da gilt es<br />

zum Beispiel einen Wasserfall zu stoppen, um trockenen Fusses zu einer<br />

Aufgabe zu gelangen. Den leichteren und kürzeren Trail um den Heidsee<br />

empfehlen wir für Kinder ab 6 Jahren, den etwas anspruchsvolleren<br />

Bergtrail ab etwa 7 beziehungsweise 8 Jahren. Die Trails sind übrigens<br />

das ganze Jahr über begehbar.<br />

www.foxtrail.ch<br />

92 Prozent der Schweizer Eltern<br />

setzen in der Erziehung auf disziplinierende<br />

Massnahmen, zwei Drittel von ihnen auf<br />

ein Computer- und Smartphoneverbot.<br />

(Quelle: Studie, in Auftrag gegeben von der Credit Suisse, bei der 7200 Mütter<br />

und Väter mit Kindern im Alter von 5 bis 14 Jahren befragt wurden.)<br />

Die Käfer kommen<br />

«Mama, wie heisst der Käfer da?» Eltern<br />

stossen schnell an ihre Grenzen, wenn<br />

es um die Benennung heimischerKäfer<br />

geht. Um Kindern die Artenvielfalt in<br />

unseren Wiesen und Wäldern<br />

näherzubringen, geht der Verein<br />

Coleoptera (lat. für Käfer) mit<br />

Schulklassen oder auch kleineren<br />

Privatgruppen regelmässig im Raum<br />

Biel, Bern und Solothurn auf die Pirsch. An diesen<br />

sogenannten Forschertagen untersuchen die Buben und Mädchen<br />

zusammen mit einer Biologin, was in ihrer Umgebung so kreucht<br />

und fleucht. Übrigens: Auch wenn die meisten Käfer im Frühjahr und<br />

Sommer zu entdecken sind, ist die Biologin Lea Kamber noch bis<br />

in die Herbstferien für Coleoptera im Einsatz.<br />

Alle Infos auf www.coleoptera.ch<br />

Bilder: ZVG<br />

6 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Das limitierte Sondermodell Vito Tourer FAMILY.<br />

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Treibstoffherstellung: 27 g/km, Energieeffizienz-Kategorie: D. Leasingbeispiel: Laufzeit: 48 Monate, Laufleistung: 10 000 km/Jahr, eff. Jahreszinssatz: 2,94 %, 1. grosse Rate: CHF 9600.–,<br />

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Energieeffizienz-Kategorie: D. Leasingbeispiel: Laufzeit: 48 Monate, Laufleistung: 10 000 km/Jahr, eff. Jahreszinssatz: 2,94 %, 1. grosse Rate: CHF 9900.–, Leasingrate ab dem 2. Monat:<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>7


Entdecken<br />

Blitzschnell rechnen<br />

243 minus 57 = 251. Oder etwa nicht? Viele<br />

Schüler tun sich mit dem Rechnen schwer.<br />

Was ihnen fehle, sei nicht selten das Verstehen.<br />

Und um zu verstehen, müssten Kinder<br />

die Vorstellung von Zahlen, Grössen und<br />

Operationen selbst im eigenen Kopf aufbauen<br />

oder konstruieren können, sagen die<br />

Gründer von Mathiblitz, einem schweizweit<br />

tätigen Nachhilfeinstitut. Seit beinahe<br />

20 Jahren greifen deren Lehrkräfte rechenschwachen<br />

Schülern unter die Arme –<br />

wollen Ängste und Unsicherheiten abbauen<br />

und dadurch die Freude an den Zahlen<br />

wecken.<br />

Alle Infos auf www.mathiblitz.ch<br />

Tierisch schweizerisch Sagen wir mal, die Schweiz hätte ein offizielles<br />

Nationaltier, so wie Australien das Känguru. Kuh, Murmeltier, Steinbock und Bernhardiner<br />

wären wohl die Topkandidaten. Diesen vier Tieren widmet das Landesmuseum Zürich<br />

jetzt die Ausstellung «tierisch schweizerisch». Lebensechte Tierpräparate, überraschende<br />

Exponate und interaktive Erlebnisstationen laden zu einer Erkundungstour ein. Dabei<br />

entdecken grosse und kleine Besucher Murmeltiere, die tanzen können, Bernhardiner, die<br />

Leben retten, Kühe, die Königinnen werden, und Steinböcke, die auch auf den steilsten<br />

Felsen klettern.<br />

Alle Infos auf www.nationalmuseum.ch<br />

«Bis ins Jahr 2025 werden die<br />

Schülerzahlen in einigen Kantonen<br />

historische Höchststände<br />

erreichen, ohne dass die Politik<br />

mehr Mittel zur Verfügung stellt. »<br />

Stefan Wolter in einem Interview<br />

auf www.aargauerzeitung.ch<br />

Stefan Wolter ist Direktor<br />

der Schweizerischen<br />

Koordinationsstelle für<br />

Bildungsforschung.<br />

Das Okapi hat Husten<br />

Welchen Berufswunsch haben Ihre<br />

Kinder? Tierarzt beziehungsweise<br />

Tierärztin? Dann sei ihnen dieses<br />

Buch empfohlen: «Das Okapi hat<br />

Husten. Geschichten aus dem Alltag<br />

eines Zootierarztes». Dieses liebevoll<br />

gestaltete Buch zeigt, wie im Zoo<br />

Basel die Tiere gepflegt, umsorgt und geheilt werden –<br />

und dass ihre Wehwehchen von unseren gar nicht so weit<br />

entfernt liegen, etwa wenn der Elefant Zahnschmerzen<br />

hat, der Hornrabe wegen grauem Star zum Augenarzt<br />

muss oder eben, das Okapi Husten hat.<br />

«Das Okapi hat Husten – Geschichten aus dem Alltag<br />

eines Zootierarztes», Christian Wenker, Stefan Hoby<br />

und Tanja Dietrich, Christoph Merian Verlag,<br />

etwa 31.90 Franken<br />

Bilder: ZVG, iStockphoto<br />

8 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Rubrik<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>9


10 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Der Weg zur<br />

inneren Stärke<br />

Manche Menschen pustet ein Lüftchen um, andere<br />

trotzen Orkanen. «Resilienz» nennt die Wissenschaft jene<br />

Widerstands fähigkeit, die Menschen Krisen meistern und<br />

ein gutes Selbstwertgefühl bewahren lässt. Die gute<br />

Nachricht: Diese Widerstands fähigkeit können Kinder<br />

lernen. Doch wie geschieht das? Und was können Eltern<br />

dafür tun? Eine Annäherung.<br />

Text: Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler Bilder: Kate Parker<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>11


Dossier<br />

Die Bilder zu diesem Dossier stammen von<br />

der Amerikanerin Kate T. Parker, die mit<br />

ihrer Arbeit «Strong is the New Pretty»<br />

bekannt wurde. Ihr gleichnamiges Buch<br />

erscheint im Herbst. Parker lebt mit ihrer<br />

Familie in Atlanta. www.kateparker.com<br />

Hallo Stefanie …» sang<br />

mein Grossvater je ­<br />

weils aus voller Kehle,<br />

wenn ich an der<br />

Tür klingelte. So<br />

fröhlich war er, egal, ob es sich dabei<br />

um uns Enkel, den Briefträger oder<br />

Kinder aus der Nachbarschaft handelte.<br />

Jeder war willkommen und<br />

wurde angesteckt von seiner unbändigen<br />

Lebensfreude.<br />

Als ich ihm erzählte, dass ich in<br />

der Schule nun Französisch lerne,<br />

antwortete er mir: «Ah, vous parlez<br />

français, Mademoiselle!», und<br />

sprach fliessend auf mich ein. Es<br />

waren meist alltägliche Begebenheiten,<br />

die Bruchstücke seiner Lebensgeschichte<br />

zutage förderten.<br />

Als ich erstaunt nachfragte, wo ­<br />

her er Französisch könne, meinte er:<br />

«Das ist eine lange Geschichte.» Er<br />

strich sich über die Glatze mit vereinzelten<br />

weissen Haarbüscheln, die<br />

hügelig und vernarbt war von den<br />

Granatsplittern, die sich nicht entfernen<br />

liessen, und erzählte vom<br />

Krieg und der Gefangenschaft: den<br />

vielen Jahren, die er in Kriegsgefangenenlagern<br />

an der italie­ >>><br />

Resiliente Kinder und<br />

Jugendliche besitzen eine<br />

ausgeprägte<br />

Selbstwahrnehmung.<br />

12 <br />

September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

13


Dossier<br />

14 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Einem resilienten Kind geht<br />

es nicht einfach schlecht:<br />

es weiss, ob es traurig, wütend,<br />

enttäuscht ist. Oder<br />

einfach nur mies gelaunt.<br />

>>> nisch-französischen Grenze<br />

verbrachte, den Minenfeldern, die<br />

sie räumen mussten, und den jungen<br />

Männern in seiner Umgebung,<br />

die durch Explosionen zu Tode<br />

kamen, erfroren oder verhungerten.<br />

Wann immer ich etwas zum Thema<br />

Resilienz (siehe Box Seite 16) lese,<br />

muss ich an ihn denken. An seine<br />

Widerstandsfähigkeit, seinen Optimismus,<br />

seine Besonnenheit und<br />

seine Fähigkeit, sich über scheinbare<br />

Kleinigkeiten zu freuen. Woher<br />

nahm er diesen ungebrochenen<br />

Lebenswillen und seine Fröhlichkeit?<br />

Die Entstehung von Gesundheit<br />

Seit dem Zweiten Weltkrieg befassen<br />

sich Strömungen der Psychologie<br />

mit der Frage, wie wir gesund bleiben,<br />

was uns im Umgang mit Belastungen<br />

schützt und wie wir Wohlbefinden<br />

erlangen.<br />

Der Erste, der sich mit der «Entstehung<br />

von Gesundheit» auseinandersetzte,<br />

war Aaron Antonovsky. Er<br />

untersuchte Überlebende des Holocaust<br />

und ging der Frage nach, warum<br />

es einigen der Menschen, die die<br />

Schrecken der Konzentrationslager<br />

überlebten, gelang, trotz dieser<br />

Erfahrungen ein zufriedenes Leben<br />

zu führen. Seine Untersuchung zeigte,<br />

dass diese Menschen die Welt als<br />

verstehbar und sinnhaft und sich<br />

selbst als wirksam wahrnahmen.<br />

Einige Jahre später wurden viele<br />

seiner Ergebnisse durch einen neuen<br />

Forschungszweig bestätigt. Die Entwicklungspsychologin<br />

Emmy Werner<br />

startete 1955 gemeinsam mit<br />

ihrer Kollegin Ruth Smith >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>15


Dossier<br />

>>> eine bahnbrechende Untersuchung.<br />

Sie begleitete den gesamten<br />

Geburtsjahrgang 1955 der Insel<br />

Kauai, insgesamt 698 Kinder, über<br />

mehrere Jahrzehnte hinweg. Dabei<br />

stellte sie fest, dass sich rund ein<br />

Drittel der Kinder, die unter schwierigsten<br />

Bedingungen aufwachsen<br />

mussten, trotz aller Widrigkeiten<br />

positiv entwickelte. Kinder, die trotz<br />

grösster Armut, alkohol- oder drogensüchtiger<br />

Eltern oder zerrütteten<br />

Familienverhältnissen zu psychisch<br />

gesunden Erwachsenen heranwuchsen,<br />

bezeichnete sie als resilient.<br />

Weitere Forscher schlossen sich dieser<br />

Strömung an, führten eine Vielzahl<br />

an Studien durch und fanden<br />

mehrere Faktoren, die Kinder, Ju -<br />

gendliche, aber auch Erwachsene im<br />

Umgang mit Belastungen stärken.<br />

Während diese Forschungsbereiche<br />

der Frage nachgingen, wie wir<br />

mit Stress und Belastungen umgehen<br />

können, befassen sich die positive<br />

Psychologie und die Glücksforschung<br />

mit der Frage, wie wir ein<br />

gelingendes Leben führen und unser<br />

Wohlbefinden und unsere Gesundheit<br />

steigern können.<br />

Die Grundlage für ein zufriedenes<br />

Leben<br />

Aus dieser Forschungslandschaft<br />

möchten wir Ihnen einige Ergebnisse<br />

vorstellen, die es Ihnen erleichtern,<br />

Ihre Kinder auf das Leben vorzubereiten,<br />

ihre Widerstandskräfte<br />

zu stärken und die Grundlagen für<br />

ein zufriedenes Leben zu legen.<br />

Vorausschicken möchten wir<br />

einen zentralen Befund der Resilienzforschung:<br />

Fast jedes der resilienten<br />

Kinder hatte zumindest eine<br />

Ein resilientes Kind hat<br />

zumindest eine erwachsene<br />

Bezugsperson, die ihm Liebe<br />

und Geborgenheit vermittelt.<br />

Resilienz – die psychische<br />

Widerstandsfähigkeit<br />

Resilienz bezeichnete ursprünglich die<br />

Beschaffenheit von Baustoffen, die nach<br />

Krafteinwirkungen wieder in ihre Ursprungsform<br />

zurückkehren, etwa ein Schaumstoffball, den<br />

man zusammendrücken kann. In der<br />

Psychologie versteht man unter Resilienz die<br />

psychische Widerstandkraft. Resiliente<br />

Menschen besitzen die Fähigkeit, schwierige<br />

Lebensumstände, Krisen und Traumata zu<br />

verkraften und trotzdem psychisch gesund zu<br />

bleiben. Wie sich diese Fähigkeit entwickelt,<br />

steht seit mehreren Jahrzehnten im Zentrum<br />

der Resilienzforschung. Heute geht man davon<br />

aus, dass sich Resilienz in einer komplexen<br />

Wechselwirkung zwischen einem Kind, seinen<br />

engsten Bezugspersonen und Umwelteinflüssen<br />

entwickelt und sich im Laufe des Lebens auch<br />

verändern kann.<br />

erwachsene Bezugsperson, die ihm<br />

Liebe und Geborgenheit vermittelte.<br />

Häufig war dies ein Elternteil, oft<br />

aber auch nähere Verwandte oder<br />

eine Lehrperson. Die im Folgenden<br />

beschriebenen Eigenschaften setzen<br />

eine solche stabile Beziehung voraus<br />

und entwickeln sich im Austausch<br />

zwischen Kind, Bezugsperson und<br />

Umwelt.<br />

Selbstwahrnehmung und<br />

Selbststeuerung<br />

Bin ich mir meiner Gedanken und<br />

Gefühle bewusst? Kann ich diese<br />

ausdrücken und reflektieren? Resiliente<br />

Kinder und Jugendliche besitzen<br />

eine gut ausgeprägte Selbstwahrnehmung.<br />

Es geht ihnen nicht<br />

einfach schlecht: Sie wissen, ob sie<br />

traurig, wütend, enttäuscht oder nur<br />

mies gelaunt sind. Dadurch kennen<br />

sie nicht nur sich selbst besser, sondern<br />

können auch die Gefühle und<br />

Stimmungen anderer besser «lesen»<br />

und adäquat darauf reagieren.<br />

Gleichzeitig können sie ihre<br />

Gefühle regulieren. Dies bedeutet,<br />

dass sie ihren Emotionen >>><br />

16


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>17


Dossier<br />

Drei Übungen, um<br />

das psychische<br />

Immunsystem Ihres<br />

Kindes zu stärken<br />

Seelische Widerstandsfähigkeit lässt<br />

sich trainieren, ganz einfach im<br />

Alltag.<br />

1. Wenn dich etwas belastet, dann<br />

schreib es auf<br />

Was passiert, wenn jemand an fünf Tagen<br />

für jeweils 15 Minuten beschreibt, was ihn<br />

belastet, und dabei seinen Gefühlen<br />

und Gedanken freien Lauf lässt?<br />

Die Forschung zum expressiven Schreiben<br />

zeigt: sehr viel!<br />

Diese simple Übung verbesserte die<br />

Stimmung und das Wohlbefinden. Darüber<br />

hinaus konnten Forscher eine Menge<br />

zusätzlicher Effekte feststellen, die man fast<br />

nicht für wahr halten könnte, wenn sie nicht<br />

so gut abgesichert wären: Eine Stärkung des<br />

Immunsystems und weniger Arztbesuche<br />

konnten sogar über ein Jahr nach der<br />

Schreibwoche noch festgestellt werden.<br />

Studierende, die am Experiment teilnahmen,<br />

schrieben bessere Noten, und Arbeitslose<br />

fanden rascher eine neue Stelle. Sogar bei<br />

Depressionen und posttraumatischen<br />

Belastungsstörungen konnten die Symptome<br />

durch das Schreiben gelindert werden.<br />

Während des Schreibens nehmen die<br />

negativen Gefühle zu. Die positiven Effekte<br />

lassen aber nicht lange auf sich warten.<br />

Das expressive Schreiben ist eine wirksame<br />

Möglichkeit, sich belastenden Erlebnissen<br />

und Gefühlen mit voller Aufmerksamkeit<br />

zuzuwenden und sie aktiv zu verarbeiten.<br />

Es hilft dabei, einen anderen Umgang damit<br />

zu finden oder mit schwierigen Episoden<br />

abzuschliessen.<br />

Probieren Sie es aus: Sie benötigen dazu<br />

nicht mehr als einen Stift und ein Blatt<br />

Papier oder den Computer. Kinder können<br />

auch eine Zeichnung machen.<br />

Was für eine lebensverändernde Erfahrung<br />

das Schreiben eines Tagebuchs für<br />

Jugendliche sein kann, zeigt das Beispiel<br />

von Erin Gruwell.<br />

Die junge Lehrerin unterrichtete an der<br />

Wilson Classical High School in Kalifornien<br />

eine Klasse von Jugendlichen, die aus<br />

schwierigsten Familienverhältnissen<br />

stammten. Viele waren bereits straffällig<br />

geworden. Der Alltag der Jugendlichen war<br />

gezeichnet von Bandenkriegen, Schiessereien<br />

und Drogen. Die meisten hatten bereits<br />

eine wichtige Bezugsperson durch Gewalt<br />

verloren. Erin Gruwell nutzte unter anderem<br />

das Tagebuchschreiben als Möglichkeit, den<br />

Jugendlichen bei der Verarbeitung ihrer<br />

Erlebnisse zu helfen. Wenn Sie sich und Ihre<br />

Kinder oder Schüler/innen zum Tagebuchschreiben<br />

inspirieren möchten, empfehlen<br />

wir Ihnen das Buch «Freedom Writers: Wie<br />

eine junge Lehrerin und 150 gefährdete<br />

Jugendliche sich und ihre Umwelt durch<br />

Schreiben verändert haben». Lesemuffel<br />

könnten sich von der Verfilmung mit Hilary<br />

Swank mitreissen lassen.<br />

2. Begegnen Sie unnötigen Sorgen mit<br />

einem psychologischen Kniff<br />

Manchmal müssen wir mit wirklich<br />

belastenden Ereignissen zurechtkommen.<br />

Wir alle machen uns im Alltag aber auch<br />

viele unnötige Sorgen, bei denen wir im<br />

Nachhinein sagen müssen: «Da hätte ich<br />

mich jetzt wirklich nicht so verrückt machen<br />

müssen – die ganze Grübelei hätte ich<br />

mir sparen können.»<br />

18 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

>>> nicht ausgeliefert sind, sondern<br />

Möglichkeiten kennen, um<br />

ihre Gefühle zu beeinflussen.<br />

Dadurch können Sie beispielsweise<br />

trotz Wut im Bauch darauf verzichten,<br />

ein anderes Kind zu schlagen.<br />

Sie können ihre Ängste überwinden,<br />

an einer Aufgabe bleiben, obwohl sie<br />

keine Lust darauf haben, oder sich<br />

selbst beruhigen.<br />

Ein Kind kann diese Kompetenzen<br />

eher erwerben, wenn es Erwachsene<br />

um sich hat, die:<br />

• über eigene Gefühle sprechen.<br />

• ihm dabei helfen, seine Gefühle<br />

auszudrücken.<br />

• ihm einen kompetenten Umgang<br />

mit Emotionen vorleben.<br />

Die Fähigkeit, Gefühle wahrzunehmen<br />

und mit ihnen umzugehen,<br />

Resiliente Kinder regulieren<br />

ihre Gefühle. Sie sind ihren<br />

Emotionen nicht einfach<br />

ausgeliefert, sondern können<br />

ihre Gefühle beinflussen.<br />

entwickelt sich über viele kleine Alltagssituationen<br />

hinweg: Nehmen wir<br />

an, ein Kind wurde in der Schule von<br />

einer Lehrperson ungerecht be handelt.<br />

Es musste eine unpädagogische<br />

Äusserung über sich ergehen lassen<br />

oder wurde ungerecht benotet. Wie<br />

wsähe eine Reaktion aussehen, bei<br />

der ein Kind lernen kann, >>><br />

Nachts im Bett oder wenn wir uns müde,<br />

ausgelaugt oder ängstlich fühlen, quälen uns<br />

Sorgen, die wir in einem nüchternen Moment<br />

kaum ernst nehmen würden. Dabei begleiten<br />

uns negative Gedanken wie «Wenn ich das<br />

nicht schaffe, bin ich der totale Versager»,<br />

«Warum muss gerade mir das passieren?»,<br />

«Das könnte ich nicht aushalten» oder<br />

«Was ist, wenn xy passiert?». Bei genauerer<br />

Betrachtung sind die meisten dieser<br />

Gedanken übertrieben und einseitig. Aber<br />

dennoch können sie uns zusetzen, uns<br />

vom Schlafen abhalten und uns hilf- und<br />

hoffnungslos machen.<br />

Je nachdem, in welcher Stimmung wir über<br />

eine schwierige Situation nachdenken, sieht<br />

diese ganz anders aus. Sobald wir etwas<br />

besser gelaunt sind, fällt uns plötzlich ein,<br />

dass wir nicht so alleine, schwach und hilflos<br />

sind, wie wir uns eben noch gefühlt haben.<br />

Ein wirksamer psychologischer Kniff besteht<br />

darin, sich im Gefühlsstrudel seine negativen<br />

Gedanken aufzuschreiben und sich etwas<br />

später – in einem neutralen oder positiven<br />

Moment – damit auseinanderzusetzen.<br />

Dies ist besonders lohnenswert bei Sorgen,<br />

die uns und unsere Kinder immer wieder<br />

befallen.<br />

Und so gehen Sie vor: Schreiben Sie die<br />

Sorgen, Selbstzweifel oder Befürchtungen,<br />

die Sie oder Ihr Kind plagen, auf Karteikarten.<br />

Nehmen Sie für jeden einzelnen<br />

Gedanken eine neue Karteikarte. Wenn Ihr<br />

Kind beispielsweise Gedanken äussert wie<br />

«Mich mag eh keiner!», «Ich bin sowieso<br />

zu blöd» usw. können Sie diese zu Papier<br />

bringen. Hören Sie einfach nur zu, argumentieren<br />

sie nicht dagegen. Schreiben Sie<br />

die Gedanken für später auf.<br />

In einem besseren Moment nehmen Sie<br />

und Ihr Kind die Gedankenkärtchen hervor.<br />

Ziehen Sie beide jeweils einen negativen<br />

Gedanken und rücken Sie diesem zu Leibe.<br />

Sicher werden Ihnen nun viele Argumente<br />

einfallen, weshalb dieser Gedanke übertrieben<br />

oder sogar falsch ist. Schreiben Sie<br />

die Gegenargumente auf die Rückseite des<br />

Kärtchens. Auf der Vorderseite stünde<br />

zum Beispiel «Keiner mag mich», auf der<br />

Rückseite die Namen der Menschen, die das<br />

Kind gern haben, sowie die liebenswerten<br />

Seiten des Kindes. Sie machen das Gleiche<br />

für einen Ihrer Stressgedanken. Wenn Sie<br />

das für zwei, drei Gedanken gemacht haben,<br />

kommt die Herausforderung: Sie oder<br />

Ihr Kind ziehen einen Gedanken und das<br />

Gegenüber muss so rasch wie möglich<br />

dagegen argumentieren. Mit etwas Übung<br />

fallen uns die Gegenargumente in immer<br />

schwierigeren Situationen ein, wodurch<br />

Stress und Hilflosigkeit reduziert werden.<br />

3. Starten Sie gut in den Tag<br />

Die Frage «Worauf freust du dich heute?»<br />

kann uns den ganzen Tag versüssen. Sie hilft<br />

uns, auch kleine Glücksinseln im Alltag<br />

auszumachen und diese auszukosten. Das<br />

können ganz banale Dinge sein: der Schulweg<br />

mit der besten Freundin, die Stunde bei der<br />

Lieblingslehrerin, die Lieblingsserie, die heute<br />

Abend im Fernsehen läuft. Gerade wenn Sie<br />

oder Ihr Kind einen stressigen oder mühsamen<br />

Tag vor sich haben, lohnt es sich, solche<br />

Momente bereits im Vorfeld bewusst zu<br />

machen. Damit verbessert sich automatisch<br />

die Stimmung und man gewinnt mehr<br />

Energie, um auch den unliebsamen Punkten<br />

zu Leibe zu rücken. Manchmal merkt man<br />

bei dieser kurzen Übung auch, dass zu wenig<br />

schöne Momente auf einen warten und man<br />

noch etwas mehr davon einbauen sollte. Mit<br />

der Frage «Was würde den Tag heute besser<br />

machen?» lassen sich auch graue Tage<br />

aufpeppen.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>19


Dossier<br />

>>> sein e Gefühle auszudrücken<br />

und mit diesen umzugehen?<br />

Der Resilienzforscher Klaus<br />

Fröhlich-Gildhoff unterscheidet<br />

drei Reaktionsmöglichkeiten, von<br />

denen nur eine sinnvoll ist:<br />

• Manche Eltern möchten das Kind<br />

trösten, indem sie das Problem<br />

als Bagatelle abtun: «Ist doch<br />

nicht so schlimm.» Das birgt das<br />

Risiko, dass das Kind sich nicht<br />

ernst genommen fühlt. Vielleicht<br />

vertraut es mit der Zeit den eigenen<br />

Gefühlen nicht mehr oder<br />

behält diese lieber für sich.<br />

• Ähnlich ungünstig ist es, wenn<br />

die Eltern von ihren eigenen<br />

Gefühlen übermannt werden und<br />

sich dadurch nicht mehr um das<br />

Kind kümmern können. Dies<br />

wäre beispielsweise der Fall,<br />

wenn sie derart wütend werden,<br />

dass sie das Ruder an sich reissen<br />

und gleich die Lehrperson anrufen<br />

oder in der Schule vorstellig<br />

werden. Manchmal werden<br />

dadurch Schwierigkeiten, die für<br />

das Kind zuvor noch gut zu handhaben<br />

schienen, durch die Eltern<br />

derart aufgebauscht, dass sie<br />

plötzlich unüberwindbar wirken.<br />

• Hilfreich wäre, wenn die Eltern<br />

dem Kind zunächst nur zuhören:<br />

Was ist genau passiert? Wie hast<br />

du dich dabei gefühlt? Sie können<br />

dazu die Gefühle des Kindes spiegeln:<br />

«Das hat dich sicher sehr<br />

geärgert.»<br />

Doch wie können wir in solchen<br />

Situationen beim Kind bleiben,<br />

anstatt uns in eigenen Gefühlen zu<br />

verlieren? Vielleicht hilft es, wenn<br />

wir unsere Emotionen mit dem Kind<br />

teilen: «Das ärgert mich gerade<br />

auch!» Beruhigend wirkt auch der<br />

Gedanke, dass wir nicht gleich etwas<br />

unternehmen müssen. Wir dürfen<br />

uns darauf konzentrieren, für unser<br />

Kind da zu sein, zuzuhören und mit<br />

ihm gemeinsam zu überlegen, wie<br />

es mit der Situation umgehen will.<br />

Dabei wird sich zeigen, ob es überhaupt<br />

weitere Hilfe von uns will und,<br />

wenn ja, in welcher Form.<br />

Sich um die Emotionen des Kindes<br />

kümmern<br />

Bei der Arbeit mit Eltern durften wir<br />

immer wieder erfahren, dass es für<br />

Kind und Eltern entlastend ist, wenn<br />

sich Eltern zunächst ausschliesslich<br />

um die Gefühle des Kindes kümmern<br />

und nicht schon an eine<br />

Lösung denken. Wenn wir starke<br />

unangenehme Emotionen wie Ärger,<br />

Wut, Enttäuschung oder Angst empfinden,<br />

ist ein spezifischer Bereich<br />

in unserem Gehirn aktiv: die Amygdala.<br />

Wenn dieser Bereich feuert,<br />

geht die Hirntätigkeit in unserem<br />

präfrontalen Kortex, dem Sitz unseres<br />

bewussten Denkens, zurück.<br />

Genau diesen Bereich benötigen wir<br />

jedoch, um uns eine Lösung zu überlegen.<br />

In diesem Zustand werden<br />

auch Ideen und Lösungsvorschläge<br />

von aussen keinen Anklang finden:<br />

Sie reden gegen eine Wand. Ganz<br />

egal, ob es sich beim Gesprächspartner<br />

um ein Kind oder einen Erwachsenen<br />

handelt.<br />

Eltern können ihr Kind in diesem<br />

Moment aber fragen, was ihm jetzt<br />

guttun würde, und ihm versichern,<br />

dass sie gemeinsam mit ihm nach<br />

einer Lösung suchen werden, sobald<br />

es sich etwas besser fühlt: «Wir werden<br />

etwas unternehmen. Aber jetzt<br />

kochen und essen wir erst mal. Und<br />

nach dem Essen überlegen wir uns,<br />

was wir tun könnten.»<br />

«Fabian, hast du Zeit für mich?»<br />

Wenn meine Frau nach Hause<br />

kommt und enttäuscht oder wütend<br />

ist, schätzt sie es, wenn ich ihr eine<br />

halbe Stunde konzentriert zuhöre<br />

und vielleicht auch gemein-<br />

Widerstandskraft ist<br />

nicht angeboren. Sie<br />

entwickelt sich, indem das<br />

Kind sich mit seiner<br />

Umwelt auseinandersetzt. >>><br />

20


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>21


Dossier<br />

22 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

>>> sam mit ihr überlege, wie sie<br />

reagieren könnte. Ich hingegen<br />

möchte kurz sagen können, wie es<br />

mir geht – und dann bitte nicht darüber<br />

sprechen müssen. Ein Glas Wein<br />

und ein guter Film sind für mich<br />

genau das Richtige, wenn ich frustriert<br />

bin. Um eine Lösung kümmere<br />

ich mich gerne am nächsten Tag, falls<br />

das dann überhaupt noch nötig ist.<br />

Was tut Ihnen gut, wenn Sie<br />

gestresst sind? Was benötigt Ihr<br />

Partner / Ihre Partnerin, wenn er<br />

oder sie frustriert oder enttäuscht<br />

ist? Was hilft Ihren Kindern, wenn<br />

sie traurig sind? Je genauer einzelne<br />

Familienmitglieder wissen, welche<br />

Bedürfnisse die anderen haben, desto<br />

besser können sie sich gegenseitig<br />

unterstützen. Je besser ein Kind<br />

weiss, was ihm guttut, desto leichter<br />

kann es einen guten Umgang mit<br />

schwierigen Gefühlen finden. Vielleicht<br />

sorgen diese Fragen während<br />

eines Ausflugs, einer Zugfahrt oder<br />

einer Wanderung für spannenden<br />

Gesprächsstoff?<br />

Selbstvertrauen und Problemlösekompetenz<br />

Widerstandskraft ist kein angeborenes<br />

Merkmal. Sie entwickelt sich im<br />

Laufe der Zeit, indem sich das Kind<br />

mit seiner Umwelt auseinandersetzt.<br />

Dabei erstarkt unser «psychisches<br />

Immunsystem» nur dann, wenn es<br />

ab und zu aktiviert wird, wenn Herausforderungen<br />

da sind, die unsere<br />

Widerstandskräfte mobilisieren.<br />

Jedes Problem, mit dem ein Kind<br />

konfrontiert wird, stellt auch eine<br />

Möglichkeit dar, Fähigkeiten im<br />

Umgang mit Problemen zu entwickeln,<br />

Selbstvertrauen zu gewinnen<br />

und sich als wirksam zu erleben. Hat<br />

ein Kind eine Belastung erfolgreich<br />

bewältigt oder ein Problem gelöst,<br />

geht es gestärkt aus dieser Erfahrung<br />

hervor. Nur so entwickelt es die realistische,<br />

positive Erwartung, dass es<br />

auch künftige Schwierigkeiten meistern<br />

kann.<br />

Was bedeutet das für uns als<br />

Eltern oder Lehrpersonen? Studien<br />

zur Resilienz haben immer wieder<br />

gezeigt, dass die Bezugspersonen,<br />

die für die resilienten Kinder prägend<br />

waren, dem Kind nicht nur<br />

Liebe und Wertschätzung entgegenbrachten,<br />

sondern es auch herausforderten<br />

und ihm etwas zutrauten.<br />

Wenn ein Kind das Gefühl hat,<br />

zu dumm zu sein oder etwas nicht<br />

zu schaffen, dann benötigt es keine<br />

«Du schaffst das!»-Parolen oder<br />

jemand, der ihm alles abnimmt,<br />

sondern Erwachsene, die die Unsicherheit<br />

des Kindes aushalten können<br />

und die Geduld aufbringen, mit<br />

ihm nach einer Lösung zu suchen.<br />

Auch hier ist es hilfreich, zunächst<br />

die Gefühle des Kindes zu spiegeln:<br />

«Das scheint dir im Moment wie ein<br />

riesiger Berg» oder «Du kannst dir<br />

gerade nicht vorstellen, dass du das<br />

jemals können wirst».<br />

Problemlösekompetenzen entwickeln<br />

Kinder, wenn wir ihnen dabei<br />

helfen, sich in Ruhe mit einer Aufgabe<br />

auseinanderzusetzen: «Komm,<br />

jetzt lesen wir die Aufgabe mal<br />

durch», «Weisst du, was du machen<br />

musst?», «Was hast du davon verstanden?».<br />

Wir können ihm den aktuellen<br />

Stand bewusst machen und ihm helfen,<br />

Ziele und einen Plan zu entwickeln.<br />

Vielleicht hat sich Ihre Tochter<br />

heftig mit der besten Freundin zerstritten?<br />

Eine wunderbare Möglichkeit,<br />

soziale Kompetenzen zu trainieren<br />

und die Erfahrung zu<br />

machen, dass Konflikte lösbar sind.<br />

Die Eltern könnten sagen: «Bei so<br />

einem Streit hat man oft das Gefühl:<br />

Das wird nie wieder gut. Weisst du,<br />

ich glaube, für Amelie ist es genauso<br />

schwierig wie für dich. Und ich<br />

glaube, nach der ersten Wut würde<br />

sie sich auch gerne wieder mit dir<br />

vertragen. Wollen wir überlegen,<br />

wie ihr das wieder hinbekommt?»<br />

Problemlösekompetenzen und<br />

Selbstvertrauen entwickeln Kinder<br />

dann, wenn sie zwar Hilfe erhalten,<br />

aber nur so wenig wie nötig – ganz<br />

nach dem Motto von Maria >>><br />

Je besser ein Kind weiss, was<br />

ihm guttut, desto leichter<br />

findet es einen guten Umgang<br />

mit schwierigen Gefühlen.<br />

Literaturtipps<br />

Für Forschungsinteressierte<br />

• Resilienz. Widerstandsfähigkeit von<br />

Kindern in Tageseinrichtungen fördern.<br />

Von Dr. Corina Wustmann Seiler sowie<br />

Dr. Wassilios E. Fthenakis (Hrsg.).<br />

6. Auflage. Cornelsen Verlag 2004.<br />

• Resilienz. Von Klaus Fröhlich-Gildhoff und<br />

Maike Rönnau-Böse. 4. Auflage Auflage.<br />

UTB GmbH 2015.<br />

Biografien von resilienten<br />

Persönlichkeiten<br />

Viele Menschen, die Spuren hinterlassen<br />

haben, mussten Schreckliches erleben:<br />

Charles Chaplin wuchs in einem Armenhaus<br />

auf, Anne Frank starb in einem KZ, Viktor<br />

Frankl und Nelson Mandela mussten<br />

Jahre der Gefangenschaft erdulden. Ihre<br />

Geschichten inspirieren Jugendliche und<br />

Erwachsene gleichermassen.<br />

• Tagebuch. Anne Frank. Fischer<br />

Taschenbuch Verlag 2011.<br />

• Die Geschichte meines Lebens. Charles<br />

Chaplin. Fischer Taschenbuch Verlag<br />

1998.<br />

• … trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein<br />

Psychologe erlebt das Konzentrationslager.<br />

Viktor E. Frankl. Kösel-Verlag 20<strong>09</strong>.<br />

• Der lange Weg zur Freiheit. Nelson<br />

Mandela. Fischer Taschenbuch Verlag<br />

1997.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>23


Dossier<br />

>>> Montessori «Hilf mir, es auf die Realität vorbereiten! Wenn reicher. Mit Optimismus ist kein<br />

selbst zu tun».<br />

Wann immer es Ihrem Kind<br />

gelungen ist, ein Problem zu lösen,<br />

können Sie mit ihm darüber sprechen,<br />

wie es das geschafft hat. Damit<br />

helfen Sie ihm, sich nützliche Strategien<br />

bewusst zu machen und sich<br />

diese für spätere Gelegenheiten zu<br />

merken. Mit der Zeit fühlt es sich<br />

für eine immer grössere Bandbreite<br />

an Herausforderungen ge wappnet.<br />

Der Umgang mit Problemen<br />

beeinflusst jedoch nicht nur die<br />

Selbstwirksamkeit, sondern prägt<br />

auch die Persönlichkeit. Oftmals<br />

bleibt uns angesichts der kleineren<br />

und grösseren Widrigkeiten des<br />

Lebens kaum etwas anderes übrig, als<br />

uns in wichtigen Tugenden wie Ausdauer,<br />

mentaler Stärke, Geduld oder<br />

Hilfsbereitschaft zu üben.<br />

Wir können mit Kindern und<br />

Jugendlichen von Zeit zu Zeit einen<br />

Blick zurück werfen auf diejenigen<br />

Momente, an denen sie als Persönlichkeit<br />

gewachsen sind. Oftmals<br />

wird ihnen dabei bewusst, dass sie<br />

bereits einige Hürden genommen<br />

haben und mittlerweile mehr Kraft<br />

und innere Stärke in ihnen steckt, als<br />

sie vielleicht bisher angenommen<br />

haben. Eine Möglichkeit, diese Reflexion<br />

im Klassenverband anzuregen,<br />

bietet die sogenannte Heldenreise,<br />

die wir Ihnen auf Seite 26 vorstellen.<br />

In unserer Kultur gelten Optimisten<br />

oftmals als realitätsfremd und<br />

naiv. Als wir in einem unserer Seminare<br />

darüber sprachen, wie wichtig<br />

es für Kinder sei, eine optimistische<br />

Grundhaltung zu entwickeln, entgegnete<br />

eine Mutter: «Das sehe ich<br />

anders. Ich muss mein Kind doch<br />

man vom Schlimmsten ausgeht und<br />

sich innerlich darauf vorbereitet,<br />

dass die Welt nun mal ungerecht ist<br />

und dass andere Menschen einen<br />

ausnützen wollen, wenn man zu nett<br />

zu ihnen ist, ist man besser dran und<br />

wird seltener enttäuscht!»<br />

Letzteres ist definitiv nicht der<br />

Fall. Menschen, die davon ausgehen,<br />

dass die Welt schlecht ist, und tief im<br />

Inneren bangen, dass eine düstere<br />

Zukunft vor ihnen und ihren Kindern<br />

liegt, sorgen schlussendlich<br />

dafür, dass es ihnen selbst und ihren<br />

Familien tatsächlich schlechter geht.<br />

Wer dem Leben mit einer pessimistischen<br />

Haltung gegenübertritt,<br />

lenkt seine Aufmerksamkeit automatisch<br />

auf alle Aspekte, die dieser<br />

Einstellung entsprechen: auf das<br />

«gemeine Kind» auf dem Spielplatz,<br />

die Schulfreundin, die ein Geheimnis<br />

ausplaudert, die rücksichtslosen<br />

älteren Schüler, die einen Teil des<br />

Pausenhofs für sich beanspruchen,<br />

auf den ungerechten Lehrer, die<br />

strenge Sporttrainerin.<br />

Fit und glücklich dank Optimismus<br />

All diese Erlebnisse werden zur<br />

Bestätigung, wie schlimm und ungerecht<br />

die Welt ist. Wer mit dieser<br />

Brille durchs Leben geht, empfindet<br />

negative Gefühle länger und stärker.<br />

Und ihm entgehen die vielen<br />

Momente, in denen andere Kinder<br />

hilfsbereit, freundlich oder loyal<br />

sind, die Lehrpersonen sich wertschätzend<br />

auf das Kind einlassen und<br />

die strenge Sporttrainerin durch klare<br />

Regeln und Rückmeldungen dafür<br />

sorgt, dass das Kind sich über Fortschritte<br />

freuen kann. Momente, die<br />

für positive Gefühle sorgen, geraten<br />

in den Hintergrund, gleichzeitig werden<br />

negative Gefühle wie Ärger,<br />

Missgunst, Neid oder Enttäuschung<br />

geschürt.<br />

Die Forschung zeichnet ein deutliches<br />

Bild: Menschen mit einem<br />

gesunden Optimismus leben länger,<br />

sind körperlich fitter, haben glücklichere<br />

Beziehungen und sind erfolgblauäugiges<br />

positives Denken ge ­<br />

meint, sondern die Überzeugung,<br />

dass das Leben lebenswert ist, viel<br />

Schönes bereithält und sich Krisen<br />

und Schwierigkeiten überwinden<br />

lassen.<br />

Doch wie können Familien optimistischer<br />

werden? Bei dieser Frage<br />

kommt man fast nicht an der Dankbarkeit<br />

vorbei. Die bekannte Talkmasterin<br />

Oprah Winfrey, die als<br />

Kind in bitterer Armut aufwuchs<br />

und sexuellen Missbrauch erleben<br />

musste, schreibt dazu: Ein Dankbarkeitstagebuch<br />

zu führen «war der<br />

wichtigste Schritt, den ich in meinem<br />

gesamten Leben gemacht habe.<br />

Egal, was gerade in deinem Leben<br />

vorgeht. Wenn du dich darauf konzentrierst,<br />

was du hast, wirst du<br />

letztlich immer mehr haben als<br />

zuvor. Wenn du dich darauf konzentrierst,<br />

was du nicht hast, wirst du<br />

nie, nie, nie genug haben.»<br />

Auch die Familie Morand (die Sie<br />

im Interview auf Seite 28 kennenler­<br />

Menschen mit einem gesunden<br />

Optimismus leben länger, sind<br />

körperlich fitter und haben<br />

glücklichere Beziehungen.<br />

24 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

nen) hat sich in ihrer schwierigen<br />

Lebensphase aktiv darum bemüht,<br />

ein Dankbarkeitsritual in der Familie<br />

zu pflegen. Vor Weihnachten<br />

wurde die Wohnung mit Zetteln<br />

dekoriert, auf die George und seine<br />

Kinder schrieben, wofür sie trotz<br />

allem Schwierigen dankbar sind.<br />

Wie können Familien<br />

optimistischer werden? Zum<br />

Beispiel durch die Einführung<br />

eines Dankbarkeitsrituals.<br />

Den Moment geniessen<br />

Als Eltern können wir unsere Kinder<br />

dazu anleiten, ab und zu innezuhalten<br />

und den Moment zu geniessen.<br />

Wir können uns gemeinsam mit<br />

ihnen Zeit nehmen, um dankbar zu<br />

sein für all das Gute, das uns manchmal<br />

selbstverständlich erscheint.<br />

Wenn wir selbst oder unsere Kinder<br />

einen Schicksalsschlag oder eine<br />

schwierige Lebenssituation bewältigen<br />

müssen, ist es nicht leicht, optimistisch<br />

in die Zukunft zu blicken.<br />

Manchmal finden wir Trost und<br />

neue Zuversicht in den Geschichten<br />

von Menschen, die Ähnliches<br />

durchmachen mussten.<br />

Immer wieder stossen wir auf inspirierende<br />

Biografien von Persönlichkeiten,<br />

die sich trotz schwerer<br />

Vergangenheit ein zufriedenes und<br />

erfolgreiches Leben erkämpft haben.<br />

Indem wir solche Beispiele mit<br />

belasteten Jugendlichen teilen, vermitteln<br />

wir ihnen ein wenig Hoffnung,<br />

dass Unglück nicht zwangsläufig<br />

von Dauer sein muss.<br />

>>><br />

Stefanie Rietzler<br />

Fabian Grolimund<br />

sind Psychologen, leiten die Akademie<br />

für Lerncoaching in Zürich und sind Autoren<br />

der Bücher «Mit Kindern lernen»<br />

sowie «Erfolgreich lernen mit ADHS».<br />

www.mit-kindern-lernen.ch<br />

www.biber-blog.com<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>25


Dossier<br />

Mit Geschichten zu innerer Stärke<br />

Ein Mittel, um Kinder in ihrer Resilienz zu fördern, ist die sogenannte «Heldenreise».<br />

Eine Anleitung für Lehrpersonen. Text: Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler<br />

Jedes Kind bringt seine Ge ­<br />

schichte mit ins Klassenzimmer.<br />

Manche sind geprägt von<br />

einem liebevollen Familienklima,<br />

schulischen Erfolgserlebnissen<br />

und stabilen Freundschaften.<br />

Andere kämpfen an allen Fronten.<br />

Der Lehrer Daniel Pennac schreibt<br />

dazu in seinem Buch «Schulkummer»:<br />

«Unsere ‹schlechten Schüler›<br />

(jene, aus denen angeblich nichts<br />

wird) kommen nie unbeschwert.<br />

Was da die Klasse betritt, ist eine<br />

Zwiebel: mehrere Schichten aus<br />

Kummer, Angst, Sorgen, Groll, Wut,<br />

ungestillten Begierden, zorniger<br />

Resignation, die sich um einen Kern<br />

schmachvoller Vergangenheit,<br />

bedrohlicher Gegenwart und verbauter<br />

Zukunft legen. Wirklich be ­<br />

ginnen kann der Unterricht erst,<br />

wenn dieses Gepäck abgestellt und<br />

die Zwiebel geschält ist.»<br />

Doch wie kann man als Lehrperson<br />

dazu beitragen, dass Schüler/<br />

innen ihren Rucksack für einen<br />

Moment abstellen und sich auf den<br />

Unterricht einlassen können? Und<br />

wie stärkt man Kinder für den<br />

Umgang mit schwierigen Situationen?<br />

Eine Möglichkeit dazu bietet die<br />

Heldenreise. Sie regt Kinder und<br />

Jugendliche dazu an, Modelle für<br />

den Umgang mit Krisen und Widrigkeiten<br />

zu entdecken, und sensibilisiert<br />

sie dafür, das Heldenhafte an<br />

ihrer eigenen Lebensgeschichte auf­<br />

Helden sind stark, loyal<br />

und klug, aber es gibt auch die<br />

andere, zweifelnde Seite.<br />

zuspüren. Sie inspiriert zu Lösungen<br />

und Tugenden wie Tapferkeit, Mut,<br />

Ausdauer, Hilfsbereitschaft, Grosszügigkeit<br />

oder Hingabe. Die Arbeit<br />

am Thema Helden eröffnet die Möglichkeit,<br />

Kinder in schwierigen<br />

Situa tionen zu begleiten, ohne sich<br />

als Lehrperson in der Rolle des Helfers<br />

zu verlieren. Darüber hinaus<br />

können sich die Schüler/innen austauschen,<br />

einander besser kennenlernen<br />

und sich gegenseitig eine<br />

Hilfe sein, während ganz normaler<br />

Unterricht stattfindet. Es gibt eine<br />

Vielzahl an Möglichkeiten, die Heldenreise<br />

in den Unterricht zu integrieren.<br />

Eine Variante stellen wir<br />

Ihnen nachfolgend vor.<br />

1. Heldengeschichten sammeln<br />

In einem ersten Schritt tragen die<br />

Kinder Heldengeschichten zusammen.<br />

Sie können dazu:<br />

• einen Aufsatz über das Thema<br />

«Wer ist für mich eine Heldin<br />

oder ein Held?» schreiben;<br />

• Figuren oder Bilder ihrer Lieblingshelden<br />

aus der Realität, aus<br />

Filmen oder aus Comics mitbringen;<br />

• ihre Eltern oder Bezugspersonen<br />

in terviewen, wer für diese aus<br />

welchem Grund heldenhaft ist.<br />

Es lohnt sich gerade bei jüngeren<br />

Kindern, auch die Eltern oder Grosseltern<br />

zu diesem Thema befragen zu<br />

lassen. Andernfalls läuft man Gefahr,<br />

dass sich die Beispiele auf Batman,<br />

Spiderman & Co. beschränken. Die<br />

Schüler/innen können der Klasse<br />

ihre Helden vorstellen, indem sie<br />

eine Passage aus einem Buch vorlesen,<br />

wichtige Stationen aus dem<br />

Leben in einem Kurzvortrag be ­<br />

leuchten oder die wichtigsten Eigenschaften<br />

auf einem Plakat oder<br />

Steckbrief festhalten.<br />

2. Das Heldenhafte herausarbeiten<br />

Nachdem einige Heldinnen und Helden<br />

vorgestellt und deren Geschichten<br />

besprochen wurden, werden in<br />

der Klasse Gemeinsamkeiten herausgearbeitet.<br />

Sie können sich dabei<br />

an den folgenden Leitfragen orientieren:<br />

• Was zeichnet eine Heldin bzw.<br />

einen Helden aus?<br />

• Wie ist eine typische Heldengeschichte<br />

aufgebaut? Welchen<br />

chronologischen Verlauf weist sie<br />

auf? Welche Elemente gehören<br />

dazu?<br />

Meist stellen die Kinder zuerst das<br />

Offensichtliche fest: Helden sind<br />

stark, loyal, klug, mutig oder tapfer.<br />

Langsam, oft auch durch Anleitung,<br />

entdecken sie die anderen Seiten: Sie<br />

merken, dass ihre Helden zu Beginn<br />

unsicher sind, sich weigern, die<br />

ihnen gestellte Herausforderung<br />

anzunehmen, und immer wieder an<br />

sich zweifeln. Es wird ihnen bewusst,<br />

dass Helden nicht alleine stark sind,<br />

sondern auf Gefährten und eine/n<br />

Mentor/in angewiesen sind. Sie<br />

erkennen, dass jemand nicht von<br />

Anfang an ein Held ist, sondern sich<br />

die charakteristischen Eigenschaften<br />

in einem inneren und äusseren Ringen<br />

erwirbt, indem er sich Herausforderungen<br />

stellt, Verletzungen aus<br />

der Vergangenheit überwindet, Versuchungen<br />

widersteht – und dabei<br />

über sich hinauswachsen muss.<br />

3. Den Transfer ins eigene Leben<br />

anregen<br />

In einem dritten Schritt werden die<br />

Schüler/innen dazu angeregt, sich<br />

26 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


an diesen Modellen zu orientieren<br />

und die Eigenschaften ihrer Heldinnen<br />

und Helden zu verinnerlichen.<br />

Jüngere Primarschulkinder können<br />

sich mündlich oder schriftlich mit<br />

Fragen befassen, die sie ihren Helden<br />

näherbringen:<br />

• Wo und wann habe ich schon einmal<br />

Mut gezeigt bzw. Angst und<br />

Zweifel überwunden?<br />

• Wo habe ich mich schon einmal<br />

durchgebissen, obwohl es schwierig<br />

war und ich dachte: «Ich schaff<br />

das nicht!»?<br />

• Wann habe ich mich schon einmal<br />

für andere oder für eine<br />

Sache eingesetzt, die mir wichtig<br />

ist?<br />

• Wer sind für mich wichtige<br />

«Gefährten» und «Mentoren»?<br />

• Welche Situation ist für mich im<br />

Moment schwierig? Was würde<br />

mein/e Held/in tun?<br />

Die Schülerinnen und Schüler<br />

sollen erkennen können: Auch<br />

ich habe heldenhafte Momente<br />

in meinem Leben.<br />

Das Ziel besteht darin, die Schüler/<br />

innen erkennen zu lassen: Auch ich<br />

habe heldenhafte Momente in meinem<br />

Leben. Ich kann mit Herausforderungen<br />

umgehen, Ausdauer,<br />

Tapferkeit und Mut entwickeln und<br />

darf mir Hilfe holen.<br />

Jugendliche können ihre persönliche<br />

Heldenreise schreiben. Dabei<br />

orientieren sie sich an den Merkmalen<br />

der Heldenreise, die im zweiten<br />

Schritt herausgearbeitet wurde, und<br />

überlegen sich: Wo bin ich mit einer<br />

Herausforderung konfrontiert worden,<br />

die Zweifel, Unsicherheiten,<br />

Wut oder Scham in mir ausgelöst<br />

hat? Gab es Gefährten, die mir in<br />

dieser Situation beigestanden sind?<br />

Welche Eigenschaften musste ich<br />

entwickeln, um die Herausforderung<br />

anzunehmen? Wie habe ich<br />

diese Situation bewältigt? Wie kann<br />

ich die dadurch entwickelten Eigenschaften,<br />

Charakterstärken und<br />

Fähigkeiten nutzen, um zukünftige<br />

Schwierigkeiten zu meistern?<br />

Dabei ist es wichtig, dass diese<br />

Auseinandersetzung mit der eigenen<br />

Geschichte als Schreib- und Reflexionsübung<br />

verstanden wird und<br />

nicht als Aufsatz, der bewertet wird.<br />

Wichtig ist, dass die Schüler/innen<br />

selbst entscheiden dürfen, ob und<br />

wie viel sie davon mit der Klasse und<br />

der Lehrperson teilen möchten.<br />

Vorteil Volg : Post im Laden.<br />

Da, wo<br />

die Post<br />

abgeht.<br />

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In der Post im Volg kann ich<br />

auch an Randzeiten noch<br />

meine Rechnungen bezahlen<br />

und Sendungen abholen.<br />

Cornelia Voggensperger, Bäuerin,<br />

Hebamme und Volg-Kundin seit<br />

Kindertagen<br />

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Dank Volg bleibt die Post im Dorf – bereits mehr als<br />

280 mal gibt es das bequeme Rundum-Paket: Briefe<br />

und Pakete auf geben und abholen, bargeldlos Rechnungen<br />

bezahlen, Bargeld beziehen. Und alles bei<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Volg .Im Dorf daheim.<br />

In Schönenbuch BL zuhause.<br />

September <strong>2017</strong>27


Dossier<br />

«Damals konnte ich mir nicht vorstellen,<br />

wie krisenfest Kinder werden können»<br />

Nach 21 Jahren Beziehung bricht die Ehe von Georges Morand auseinander. Die<br />

Scheidung stürzt die Familie in eine schwere Krise. Die Kinder, damals 14, 14, 16 und 19,<br />

entscheiden sich, zusammenzubleiben und beim Vater zu wohnen. Im Interview erzählen<br />

Vater und Kinder, wie sie damit umgegangen sind. Interview: Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler<br />

Die Morands<br />

(von links):<br />

Patric, Nadine,<br />

Georges, Nicola<br />

und Viola.<br />

Georges Morand, wie haben Sie die<br />

Trennung von Ihrer damaligen Frau<br />

erlebt?<br />

Georges Morand: Die Familie war<br />

neben dem Beruf mein grosser<br />

Traum. Ich musste Abschied nehmen<br />

von diesem Traum und dem, was ich<br />

mir für das Aufwachsen meiner Kinder<br />

gewünscht hatte. Die ganze Situation<br />

konnte ich kaum einordnen. Da<br />

war so viel Wut, Trauer, Verzweiflung.<br />

Ich war überfordert. Plötzlich<br />

musste ich für mich einen Umgang<br />

damit finden und mir gleichzeitig<br />

überlegen, wie die Kinder das schaffen.<br />

Ich musste ja auch 100 Prozent<br />

weiterarbeiten und wusste nicht, wie<br />

das alles gehen soll.<br />

Sie haben sich viele Sorgen um die<br />

Kinder gemacht?<br />

Georges Morand: Ja. Ein zerbrochenes<br />

Elternhaus ist immer schwer für<br />

Kinder. Ich weiss, dass kein perfektes<br />

Lebensumfeld nötig ist, aber ich<br />

fand, dass unsere Trennung zu um ­<br />

gehen gewesen wäre.<br />

Für euch kam die Trennung ähnlich<br />

überraschend?<br />

Nadine: Ja. Mama und Papa haben<br />

sich vor uns nie gestritten. In unse­<br />

Bild: Salvatore Vinci / 13 Photo<br />

28 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


em Umfeld waren sie oft ein Vorbild<br />

für andere Paare. Ich war damals 19<br />

und hatte eine sehr enge Beziehung<br />

zu meiner Mutter und hätte nie<br />

gedacht, dass sie sich einfach so neu<br />

verlieben könnte. Ich glaube, deswegen<br />

war es besonders tragisch, weil<br />

meine Eltern vorher so ein gutes<br />

Team waren.<br />

Nicola: Ich kann mich noch genau<br />

an den Tag erinnern, an dem wir<br />

erfahren haben, dass Mama sich neu<br />

verliebt hat. Das war ein riesiger<br />

Schock. Nach dem emotionalen<br />

Gespräch meinte mein Vater, dass er<br />

uns für diesen Tag von der Schule<br />

abmelde. Aber ich wollte trotzdem<br />

hin, den Alltag normal weitermachen.<br />

In der Schule habe ich gemerkt,<br />

dass das nicht so einfach ist. Aber<br />

wir hatten in den ersten Monaten alle<br />

«Papa braucht<br />

uns mehr als<br />

unsere Kollegen<br />

beim Feiern.»<br />

die Hoffnung, dass unsere Eltern<br />

wieder zusammenkommen und alles<br />

wieder gut wird.<br />

Viola: Als wir aber realisierten, dass<br />

wir als gesamte Familie nicht zusammenbleiben<br />

können, war es für uns<br />

Kinder eine unfassbare Tragödie.<br />

Wir haben viel geweint. Ich konnte<br />

mir kaum vorstellen, was nun auf uns<br />

zukommt, wie sich ein Zuhause ohne<br />

unsere Mutter anfühlt und wann<br />

wieder Normalität und der «Alltag»<br />

einkehren.<br />

Wie seid ihr damit umgegangen?<br />

Patric: Für mich brach eine Welt<br />

zusammen. Ich fiel in ein Loch, war<br />

wütend und konnte es nicht verstehen.<br />

Wir verloren einen Teil der<br />

Familie, damit konnte ich nicht<br />

umgehen.<br />

Nicola: Am Anfang mussten wir alle<br />

einfach funktionieren. Wie Papa<br />

immer gesagt hat, waren wir jetzt<br />

eine WG, und alle mussten mit anpacken.<br />

Die Aufgaben im Haushalt<br />

wurden aufgeteilt: kochen, Wäsche<br />

machen, putzen.<br />

Viola: Mein Zwillingsbruder Nicola<br />

und ich haben sicher ein Stück weit<br />

auf unsere Pubertät verzichtet.<br />

Andere gingen am Wochenende aus,<br />

wir wollten lieber daheim >>><br />

Publireportage<br />

Heidis Heimat<br />

entdecken<br />

Dem Heidi-Mythos auf der Spur<br />

Fotocredit: Heidiland Tourismus/Boris Baldinger<br />

Besuch im Heididorf in Maienfeld.<br />

«Vom freundlichen Dorfe Maienfeld<br />

führt ein Fussweg durch grüne,<br />

baum reiche Fluren bis zum Fusse<br />

der Höhen, die von dieser Seite gross<br />

und ernst auf das Tal herniederschauen».<br />

Seit Johanna Spyri im Jahr<br />

1880 ihr weltberühmtes Buch «Heidis<br />

Lehr- und Wanderjahre» mit diesem<br />

Satz begann, wird Maienfeld in der<br />

Ferien region Heidiland mit Heidi in<br />

Verbindung gebracht. Heute spazieren<br />

Besucher gemütlich vom<br />

Bahnhof Maienfeld durch die Gassen<br />

des historischen Städtchens, vorbei<br />

an einigen prächtigen Brunnen mit<br />

erfrischendem Trinkwasser hoch<br />

nach Rofels. Der friedliche Weiler mit<br />

herr lichem Blick ins Tal ist Standort<br />

des Heididorfes, welches das «Original<br />

Heidihaus» (ein Wohnhaus mit<br />

Einrichtung wie zu Heidis Zeiten),<br />

Heidis Alphütte sowie echte Geissen<br />

beheimatet. Ausserdem findet man<br />

im Heididorf ein kleines Museum,<br />

welches Johanna Spyri gewidmet ist,<br />

sowie einen Dorf- und Souvenirladen<br />

mit der kleinsten Poststelle der<br />

Schweiz und dem Heididorf-Sonderstempel.<br />

Im Restaurant Heidihof<br />

können sich die Besucher stärken,<br />

bevor es auf dem Heidi-Erlebnisweg<br />

mit 12 Stationen in gut 1,5 Stunden<br />

Gehzeit vom Heididorf hoch zur<br />

Heidialp geht. Und wer schon einmal<br />

den Ausblick von der Heidialp ins Tal<br />

genossen hat, kann gut nachvollziehen,<br />

weshalb sich Johanna Spyri<br />

hier zu ihren Heidi-Romanen<br />

inspirieren liess.<br />

www.heidiland.com/heidi<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>29


Dossier<br />

>>> sein. Wir dachten, Papa brauche<br />

uns mehr, als unsere Kollegen<br />

uns beim Feiern brauchten. Wir<br />

mussten schneller erwachsen und<br />

selbständig werden. Schlimm fanden<br />

wir das aber nicht.<br />

Georges Morand: Das war wiederum<br />

meine Hauptsorge! Dass sie etwas<br />

verpassen, weil sie zu viel Verantwortung<br />

übernehmen wollen,<br />

anstatt einfach jung zu sein und zu<br />

pubertieren.<br />

Nicola: Wir hatten immer diese<br />

Angst: Schafft unser Papa das? Hält<br />

er das durch? Da dachten wir, wir<br />

müssen ihm möglichst viel abnehmen.<br />

Was hat euch in dieser Krise am<br />

meisten geholfen?<br />

Nadine: Gespräche mit Freunden,<br />

Ablenkung, Gott und unser Umfeld<br />

unterstützten uns. Wir hatten<br />

Freunde von meinen Eltern, die<br />

sofort eingesprungen sind. Sie<br />

haben uns zum Beispiel die Wäsche<br />

gemacht und sogar monatlich etwas<br />

zur Wohnungsmiete beigesteuert.<br />

Dafür sind wir sehr dankbar!<br />

Viola: Unsere Freunde haben sich<br />

bewusst darum bemüht, dass wir<br />

abgelenkt werden, Schönes erleben<br />

und weg von zu Hause kommen.<br />

Somit hatte auch unser Vater mal<br />

etwas Ruhe und Zeit für sich. Das<br />

hat mir viel Kraft gegeben.<br />

«Es war schön, dass<br />

die Kinder sich für<br />

mich entschieden<br />

hatten. Aber auch<br />

schön schwer.»<br />

Nicola: Für uns war auch die Vereinsmitgliedschaft<br />

im Cevi (YMCA)<br />

ein wichtiger Teil. Das hat uns ein<br />

Fundament gegeben und auch<br />

Ablenkung – mit Freunden etwas<br />

erleben. Es war wie ein zweites<br />

Zuhause.<br />

Viola: Meine älteste Schwester Na ­<br />

dine lernte in dieser Zeit ihren heutigen<br />

Mann kennen. Auch er nahm<br />

eine wichtige Rolle ein. Er gab<br />

anfangs seine Wohnung für unsere<br />

Mutter frei, damit sie ausziehen<br />

konnte, und zog zu uns. Er wurde<br />

schnell zu einem wichtigen Mitglied<br />

der Familie.<br />

Nadine: Er ist humorvoll und brachte<br />

uns in dieser Zeit viel zum Lachen.<br />

Oft hat er einzeln etwas mit uns<br />

Geschwistern unternommen. Wir<br />

gingen grillieren, Fussball spielen<br />

oder setzten uns in den Golf und<br />

fuhren durch die Gegend.<br />

Wie war es unter euch Geschwistern?<br />

Viola: Für uns war klar, wir möchten<br />

als Geschwister zusammenbleiben<br />

und bei Papa wohnen. Wir sind in<br />

dieser Zeit zu einer unzertrennlichen<br />

Einheit zusammengewachsen.<br />

Wir konnten gemeinsam heulen<br />

und wütend sein, aber auch lustige<br />

Momente erleben. Das hat mir das<br />

Gefühl gegeben, dass es weitergeht<br />

und dass wir es schaffen.<br />

Patric: Es ist ein Geschenk, dass wir<br />

mit Papa ein Team waren und einander<br />

geholfen haben. Es war wichtig,<br />

zu wissen, dass wir diesen Zu ­<br />

sammenhalt nicht verlieren.<br />

Georges Morand: Die Küche wurde<br />

in dieser Zeit sehr viel genutzt, ebenso<br />

die Stube. Jeder suchte Nestwärme.<br />

Stundenlang haben wir zu<br />

Abend gegessen oder am Sonntag<br />

gebruncht und geredet. Nicht nur<br />

über schwierige Dinge, auch über<br />

viel Schönes. Die Einzelzimmer<br />

waren in dieser Zeit nicht so beliebt<br />

(lacht).<br />

Georges Morand, Sie waren voll<br />

berufstätig, hatten vier Kinder zu<br />

versorgen und eine Trennung zu<br />

verarbeiten. Wie sind Sie damit<br />

zurechtgekommen?<br />

Georges Morand: Es war schön, dass<br />

sich die Kinder für mich entschieden<br />

hatten, aber auch schön schwer.<br />

Ich wusste nicht, wie ich das alles<br />

bewältigen sollte. Die Scheidung<br />

habe ich als persönliches Scheitern<br />

erlebt. Aber wir gaben unser Bestes,<br />

und mehr und mehr gelang es uns,<br />

wieder Boden zu gewinnen. Nach<br />

zehn Monaten – als vieles wieder<br />

rundlief – brach ich zusammen, hatte<br />

eine Erschöpfung. Zehn Wochen<br />

war ich krankgeschrieben, mit an ­<br />

schliessender langsamer Aufbauphase.<br />

Hilfreich war in dieser Zeit<br />

die therapeutische Begleitung, um<br />

die Situation aus mehr Distanz zu<br />

reflektieren.<br />

«Es gibt Menschen,<br />

die haben viel<br />

Schlimmeres erlebt<br />

und haben es auch<br />

geschafft.»<br />

Was haben Sie in der Therapie<br />

erfahren?<br />

Ein wichtiger Gedanke, den ich aus<br />

der Therapie mitgenommen habe,<br />

war: «Sie sind nicht dafür verantwortlich,<br />

Ihre Kinder vor jeglichen<br />

Nöten zu schützen.» Ebenso waren<br />

auch einige Männerfreundschaften<br />

für mich sehr wichtig. Zudem habe<br />

ich viel gelesen. In einem Buch stiess<br />

ich auf die Sätz «Sie können an Ihrer<br />

Scheidung wachsen» und «Auch<br />

Ihre Kinder können an Ihrer Scheidung<br />

wachsen». Das hat mir eine<br />

neue Sicht eröffnet. Und schliesslich<br />

war Tagebuch schreiben enorm hilfreich.<br />

In Ihrem Buch sprechen Sie auch von<br />

einer Art Urvertrauen, das Sie in sich<br />

tragen.<br />

Ich meine dieses Gefühl: «Ich weiss<br />

momentan zwar nicht, wie es weitergehen<br />

soll, aber es geht weiter. Es<br />

gibt Menschen, die haben viel<br />

Schlimmeres erlebt und haben es<br />

auch geschafft.» Woher ich dieses<br />

Urvertrauen habe, weiss ich nicht.<br />

Von meinen Eltern habe ich das<br />

nicht mitbekommen. Aber schon als<br />

Kind hatte ich etwas in mir, von dem<br />

ich dachte, dass ich mir das nicht<br />

nehmen und von niemandem kaputt<br />

machen lasse. Es ist eine Art innerer<br />

Bunker. Später habe ich bei Anselm<br />

30 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Grün gelesen, dass man dies den<br />

inneren Raum nennt – die Würde<br />

des Menschen.<br />

Gab es einen speziellen Wendepunkt<br />

für euch?<br />

Viola: Ich empfand es als Befreiung,<br />

dass mit Papas neuer Partnerin nach<br />

Jahren wieder jemand da war, der<br />

die engste Bezugsperson in seinem<br />

Leben sein konnte. Nicola und ich<br />

spürten, dass wir das nun nicht<br />

mehr abzudecken brauchten. So war<br />

es leichter, wieder loszulassen. Dann<br />

konnten wir auch endlich in Ruhe<br />

pubertieren (lacht).<br />

Patric: Mir war es sehr wichtig, dass<br />

Mama und Papa beide glücklich<br />

sind. Ich bin froh, dass es heute wieder<br />

jemanden gibt, der in Papas<br />

Herzen einen besonderen Platz hat.<br />

Was würdet ihr anderen Familien<br />

raten, die in einer Krise stecken?<br />

Patric: Gebt einander Kraft, stützt<br />

euch gegenseitig und schaut, dass<br />

alle Beteiligten zu Freunden gehen<br />

können und auch schöne Dinge<br />

erleben können. Das gibt Halt.<br />

Viola: Rückblickend hat es mir sehr<br />

geholfen, dass unser Vater authentisch<br />

war. Er zeigte offen seine<br />

Gefühle, hat auch ab und zu geweint,<br />

war wütend und hat uns offen ge ­<br />

sagt, was er momentan verträgt und<br />

was nicht. So wussten wir immer,<br />

«Es bleibt viel<br />

Gutes in<br />

Kinderherzen<br />

haften und wird<br />

gespeichert.»<br />

woran wir sind. Und er gab zu, wenn<br />

er am Ende war und nicht mehr<br />

konnte. Dadurch war es auch für<br />

mich leichter, zu meinen Gefühlen<br />

zu stehen und Schwäche zu zeigen.<br />

Gleichzeitig wusste ich, es gibt auch<br />

Platz, um Glücksgefühle auszudrücken.<br />

Georges Morand: Den Kindern den<br />

Rücken zu stärken, dass sie ausdrücken<br />

können, was sie möchten und<br />

was nicht. Mir war es wichtig, dass<br />

wir alle ehrlich zu unseren Gefühlen<br />

stehen können.<br />

Viola: Es braucht die Akzeptanz<br />

untereinander, dass jeder eine<br />

schwierige Lebenssituation anders<br />

verarbeitet. Den anderen zugestehen<br />

können, dass es beim einen<br />

länger dauert, bis er/sie bereit ist für<br />

gewisse Schritte, und dass einen<br />

gewisse Themen stärker beschäftigen<br />

als andere.<br />

Georges Morand: Dieser Respekt für<br />

die Gefühle der anderen war immer<br />

wichtig für uns. Es geht auch darum,<br />

die Jahre davor zu würdigen; zu<br />

merken, dass nicht alles kaputt ist,<br />

dass so viel Gutes in Kinderherzen<br />

haften bleibt und gespeichert ist.<br />

Eine Scheidung schafft es nicht, all<br />

das zu zerstören. Ich habe anfangs<br />

so gefühlt, aber heute weiss ich es<br />

besser.<br />

>>><br />

Interviewpartner:<br />

Georges Morand, 57, ist Theologe und Coach.<br />

Nadine, 32, aktuell in Elternzeit und Mutter<br />

zweier Kinder.<br />

Patric, 30, wohnt und arbeitet als Gärtner in<br />

der Stiftung Brunegg, die Wohn-, Arbeits- und<br />

Ausbildungsplätze für Menschen mit einer<br />

Behinderung anbietet.<br />

Viola, 26, ist Erzieherin in einer Kindertagesstätte.<br />

Nicola, 26, ist Sozialpädagoge in Ausbildung.<br />

Im nächsten Heft:<br />

Digitale Schule<br />

Bild: Salvatore Vinci / 13 Photo<br />

Programmieren in der Primarschule, Vorträge am<br />

Tablet in der Sek: die Schweizer Schulen werden<br />

immer multimedialer. Wie verändert sich dadurch<br />

das Lernen? Und wie viel digital ist zu viel? Mehr<br />

dazu in unserem grossen Dossier im Oktober.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>31


Monatsinterview<br />

«Es geht um die Qualität des<br />

Zusammenlebens und nicht<br />

um Geld und Karriere»<br />

Seit 1993 begleitet Margret Bürgisser im Rahmen einer Studie Paare, die sich sowohl<br />

die Erwerbsarbeit als auch die Kinderbetreuung gleichwertig teilen. «Egalitär»<br />

nennt sie diese Rollenteilung und spricht von einem Erfolgsmodell. Die Soziologin<br />

über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, den Verzicht auf Status und das<br />

Gefühl des «Ungenügendseins». Interview: Evelin Hartmann Bilder: Herbert Zimmermann / 13 Photo<br />

Ein Familienquartier am Luzerner<br />

Stadtrand. Zwischen den gepflegten<br />

neuen Häusern spielen Kinder,<br />

fahren Velo und Trottinett. Für die<br />

Eltern stehen Bänke bereit. In der<br />

obersten Etage eines dieser Häuser<br />

wohnt Margret Bürgisser mit ihrem<br />

Mann. Von ihrer Dachterrasse aus<br />

kann sie die Kinder beobachten.<br />

«Schön, dass Familien hier so viel<br />

Raum haben», sagt die Soziologin,<br />

und: «Wollen wir das Gespräch hier<br />

draussen oder im Wohnzimmer<br />

führen? Ich richte mich nach Ihnen.»<br />

Margret Bürgisser, Sie haben die<br />

Lösung für ein Problem gefunden,<br />

dass viele Mütter und Väter umtreibt.<br />

Wie lassen sich Beruf und Familie<br />

besser vereinbaren?<br />

Als Patentrezept für jeden Mann und<br />

jede Frau würde ich meine Studienergebnisse<br />

nicht bezeichnen. Aber<br />

ja, meinen Erhebungen zufolge<br />

er weist sich das «egalitäre» oder<br />

partnerschaftliche Rollenmodell als<br />

Weg zur besseren Vereinbarkeit von<br />

Familie und Beruf und zum Erreichen<br />

einer hohen Lebensqualität für<br />

die ganze Familie.<br />

Sie haben 28 Elternpaare aus der<br />

Deutschschweiz in Abständen von<br />

etwa zehn Jahren dreimal über ihre<br />

Rollenteilung interviewt.<br />

«Das Modell<br />

gewährleistet, dass<br />

die Hausarbeit –<br />

das ungeliebte<br />

Stiefkind – auf<br />

beide Partner<br />

aufgeteilt wird.»<br />

gewählt, bei denen die Männer 50,<br />

60 oder maximal 70 Prozent berufstätig<br />

waren. Heute würde ich das<br />

egalitäre Modell offener definieren.<br />

Und wie?<br />

Unter egalitärer Rollenteilung verstehe<br />

ich eine Arbeitsteilung zwischen<br />

Mutter und Vater, die in einem<br />

ähnlich grossen Teilzeitpensum<br />

berufstätig sind und sich die Verantwortung<br />

für Berufsarbeit, Kinderbetreuung<br />

und Hausarbeit gleichverantwortlich<br />

teilen.<br />

Im September erscheint Ihr Buch:<br />

«Partnerschaftliche Rollenteilung –<br />

ein Erfolgsmodell», die Quintessenz<br />

Ihrer Erkenntnisse. Damit wollen Sie<br />

jungen Eltern Mut machen, dieses<br />

Modell zu leben. Worin liegen denn die<br />

Vorteile?<br />

Die partnerschaftliche Rollenteilung<br />

bietet Eltern die Möglichkeit, sowohl<br />

ihrem Beruf nachgehen zu können<br />

als auch an der Entwicklung der Kinder<br />

teilzuhaben. Und es gewährleis­<br />

Als ich 1993 mit meinen Recherchen<br />

begann, gab es nur sehr wenige Paare,<br />

die solch ein Familienmodell<br />

lebten. Um eine substanzielle Beteiligung<br />

der Väter an Kinderbetreuung<br />

und Hausarbeit zu gewährleisten, tet, dass die Hausarbeit – das un ­<br />

habe ich bewusst diejenigen Paare geliebte Stiefkind – auf beide >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>33


Monatsinterview<br />

>>> Partner aufgeteilt wird. Wenn<br />

die Verantwortung für die Erwerbsarbeit<br />

auf zwei Schultern ruht, verteilt<br />

sich ausserdem das Risiko der<br />

Existenzsicherung.<br />

Das hört sich traumhaft an. In der Praxis<br />

klagen aber vor allem Mütter, dass<br />

sie sich zwischen Job und Familie zum<br />

Teil bis zur Erschöpfung aufreiben.<br />

Ich vermute, dass dieses Gefühl des<br />

Unvermögens in der ersten Familienphase,<br />

wenn die Kinder klein<br />

sind, sehr verbreitet ist. Irgendwo<br />

kommt immer etwas zu kurz. Man<br />

hat als junge Mutter oder junger<br />

Vater nun mal nur begrenzte Möglichkeiten<br />

– unabhängig vom Familienmodell.<br />

Wenn aber die Mutter<br />

zu Hause bleibt, um einem Ideal zu<br />

entsprechen, obwohl sie eigentlich<br />

andere Ambitionen hätte, kann auch<br />

das in ihr Gefühle des «Ungenügendseins»<br />

auslösen.<br />

Meines Erachtens liegt das Problem<br />

auch darin, dass die meisten Paare die<br />

Rollen trotz Berufstätigkeit der Frau<br />

oftmals nicht wirklich teilen. Der Vater<br />

arbeitet weiterhin 100 Prozent und die<br />

Mutter trägt neben ihrem 50-Prozent-<br />

Erwerbspensum zu Hause weiterhin<br />

die Hauptverantwortung.<br />

Paare mit jüngstem Kind unter drei<br />

Jahren arbeiten in der Schweiz in<br />

etwa gleich viel, nämlich die Frauen<br />

71,7 und die Männer 71,4 Stunden<br />

pro Woche. Das ist die Summe aus<br />

Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung<br />

und Hausarbeit. Der Unterschied<br />

zwischen den Geschlechtern liegt<br />

darin, dass die Arbeit der Männer<br />

mehrheitlich bezahlte Erwerbsarbeit<br />

ist und die der Frauen unbezahlte<br />

Familienarbeit. Verständlicherweise<br />

haben Frauen immer noch das<br />

Gefühl, dass die Koordination von<br />

Kinderbetreuung und Hausarbeit<br />

mehrheitlich bei ihnen liegt.<br />

Die Frau ist also so etwas wie die<br />

logistische Schaltzentrale der Familie.<br />

Genau. Von daher stimme ich Ihnen<br />

zu, wenn Sie sagen, dass mehr Familienarbeit<br />

an der Mutter hängen<br />

bleibt als am Vater. Aber es hängt<br />

eben von der Höhe der Arbeitspensen<br />

ab. Arbeiten Mann und Frau<br />

ähnlich viel, gleicht sich die Rollenteilung<br />

in der Praxis an. Wenn ein<br />

Vater (mindestens!) einen Tag pro<br />

Woche zu Hause für alles allein verantwortlich<br />

ist, vom Kochen übers<br />

Waschen bis hin zur Kinderbetreuung,<br />

fühlt er sich ebenso für den<br />

häuslichen, familiären Bereich verantwortlich.<br />

«Paare, die sich<br />

gemeinsam<br />

entwickeln, haben<br />

stabilere<br />

Beziehungen als<br />

andere Paare.»<br />

Aber in dem Fall bleibt nicht nur ein<br />

Partner, sondern gleich beide hinter<br />

ihren beruflichen Möglichkeiten<br />

zurück.<br />

Die von mir befragten Paare betonen<br />

mehrheitlich, dass die Karriere für<br />

sie nicht im Vordergrund stand. Verstehen<br />

sie mich nicht falsch: Das sind<br />

zum Teil hochqualifizierte Fachleute,<br />

die sich als leistungs- und berufsorientiert<br />

beschrieben haben. Doch<br />

die Balance zwischen Familie und<br />

Beruf war ihnen immer wichtig. Viele<br />

Paare haben auch betont, dass sie,<br />

als die Kinder klein waren, auf manches<br />

bewusst verzichtet haben. Es<br />

ging ihnen primär um die Qualität<br />

ihres Zusammenlebens und nicht<br />

um Geld und Karriere. Ich habe auch<br />

festgestellt, dass Paare, die sich<br />

gemeinsam entwickeln, stabilere<br />

Beziehungen haben als andere Paare.<br />

Die Scheidungsrate egalitär organisierter<br />

Paare liegt unter dem schweizerischen<br />

Durchschnittswert.<br />

Verzicht ist bei diesen Familien demnach<br />

ein Schlüsselbegriff.<br />

Im Sinne von Verzicht auf Geld und<br />

Status, ja. Nicht im Sinne von inhaltlicher<br />

Weiterentwicklung im Beruf.<br />

Bezeichnend ist, dass ein Grossteil<br />

der Studienteilnehmer zu einem späteren<br />

Zeitpunkt sein Arbeitspensum<br />

aufgestockt hat und ein Viertel sogar<br />

noch Karriere machen konnte. Das<br />

partnerschaftliche Familienmodell<br />

schliesst demnach eine – verzögerte<br />

– berufliche Karriere nicht aus.<br />

Ich stelle mir das aber auch nicht einfach<br />

vor: Da hat man diese Ab -<br />

machung und dann kommt ein tolles<br />

berufliches Angebot. Halten diese<br />

Beziehungen so etwas aus?<br />

Das muss kein Beziehungskiller sein,<br />

sofern man das gut miteinander aushandelt.<br />

An meiner Studie hat beispielsweise<br />

ein Paar teilgenommen,<br />

das zusammen eine Grafikagentur<br />

geführt hat, bis die Frau das Angebot<br />

bekam, in einem Verlag eine Führungsposition<br />

zu übernehmen. Ihr<br />

Mann riet ihr, die Chance zu ergrei­<br />

34 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


fen, und das Ganze hat sich gut entwickelt.<br />

Allerdings waren ihre Kinder<br />

schon grösser. Wichtig ist in<br />

solchen Situationen, dass keiner den<br />

Eindruck hat, der andere lebe auf<br />

seine Kosten.<br />

Sie sprachen es eben an: Bei Ihren<br />

Studienteilnehmern handelte es sich<br />

um qualifizierte bis hochqualifizierte<br />

Fachkräfte. Welche Voraussetzungen<br />

braucht es, dass das Modell funktioniert?<br />

Zunächst einmal braucht es von beiden<br />

Partnern den Willen, diese Rollenteilung<br />

zu leben, sowie ein hohes<br />

Mass an Organisations-, Verhandlungs-<br />

und Konfliktfähigkeit. Man<br />

muss auch akzeptieren können,<br />

wenn der Partner etwas andere Vorstellungen<br />

von Kindererziehung und<br />

Ordnung hat. Auch die gerechte Verteilung<br />

der Hausarbeit war bei manchen<br />

Paaren immer wieder ein Zankapfel.<br />

Ausserdem müssen die Rollen<br />

stetig neu definiert werden: Wie geht<br />

«Die Rollen müssen<br />

stetig neu definiert<br />

werden. Das ist<br />

anstrengend, hält<br />

die Beziehung aber<br />

lebendig.»<br />

es uns gerade als Paar? Als Familie?<br />

Wie sieht es mit meinen Bedürfnissen<br />

aus, wie mit deinen? Stimmt es<br />

noch so für uns? Das ist mitunter<br />

anstrengend, hält die Beziehung aber<br />

längerfristig lebendig. Man bleibt im<br />

Gespräch.<br />

Welche wirtschaftlichen Faktoren spielen<br />

eine Rolle?<br />

Für Geringverdiener ist es sehr<br />

schwierig, so zu leben, da oft beide<br />

Partner voll arbeiten müssen, um die<br />

Existenz zu sichern. Ein Teilzeitpensum<br />

ist in solchen Fällen kaum möglich.<br />

Das geht nur bei Paaren, bei<br />

denen beide einen recht guten Lohn<br />

verdienen. Ausserdem ist es schwierig<br />

für selbständig Erwerbende, die<br />

hochpräsent für ihre Kundschaft sein<br />

müssen, und auch in Branchen, in<br />

denen die Bereitschaft, Teilzeit zu<br />

ermöglichen, gering ist. Aber die<br />

Nachfrage steigt! Das Bundesamt für<br />

Statistik hat 2013 junge Menschen<br />

nach ihrem favorisierten Er - >>><br />

Margret<br />

Bürgisser<br />

plädiert für eine<br />

egalitäre<br />

Aufteilung der<br />

Rollen zwischen<br />

Eltern.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>35


Monatsinterview<br />

>>> werbsmodell befragt. Ein<br />

Grossteil der Befragten hat sich für<br />

das partnerschaftliche Modell mit<br />

beidseitiger Teilzeitarbeit ausgesprochen.<br />

Aber die Realität sieht doch bei vielen<br />

anders aus. Kaum ist das Baby auf der<br />

Welt, finden sich viele Paare in einem<br />

annähernd klassischen Rollenmodell<br />

wieder. Warum das?<br />

Das ist eine gute Frage. Vielleicht weil<br />

viele junge Männer immer noch denken,<br />

sie müssten zwingend und<br />

schnell Karriere machen. Oder weil<br />

die Arbeitgeber zu wenig entgegenkommend<br />

sind in Sachen Teilzeitarbeit.<br />

Oder weil die Männer immer<br />

noch nicht den Mut haben, sich für<br />

eine Pensenreduktion starkzumachen.<br />

Der Typus des Karrieremannes,<br />

der bereit ist, im Job eine überdurchschnittliche<br />

Leistung zu<br />

bringen, ist immer noch das ideale<br />

Männerbild, dem die Männer nacheifern.<br />

Zu sagen: solange die Kinder<br />

nicht zur Schule gehen, werde ich 80<br />

Prozent oder sogar noch weniger<br />

arbeiten, dazu fehlt vielen Männern<br />

der Mut.<br />

«Statistisch gesehen<br />

stagniert das<br />

egalitäre Modell<br />

im niedrigen<br />

Prozentbereich.»<br />

Eine partnerschaftliche Rollenteilung<br />

würde auch bedeuten, dass manche<br />

Frauen mit ihren Pensen hochgehen<br />

oder zumindest häusliche Verantwortung<br />

an die Väter abgeben müssten.<br />

Und dazu sind nicht alle Mütter bereit<br />

– weil sie die Zeit mit den Kindern verbringen<br />

wollen oder weil sie es auch<br />

ganz schön finden zu Hause …<br />

… dann sollen sie das so machen. Ich<br />

bin dafür, dass die Leute das realisieren,<br />

was sie sich wünschen. Wenn<br />

dieses Modell für sämtliche Fami ­<br />

lienmitglieder stimmt, ist das doch<br />

auch eine Lösung. Ich bin überzeugt<br />

vom partnerschaftlichen Modell –<br />

unter bestimmten Rahmenbedingungen<br />

–, aber ich bin keine Missionarin,<br />

die es allen überstülpen will.<br />

Statistisch gesehen stagniert das<br />

egalitär e Rollenmodell seit Jahren im<br />

niedrigen Prozentbereich.<br />

Das stimmt und hat nicht zuletzt<br />

auch politische Gründe. Es mangelt<br />

an griffigen Fördermassnahmen.<br />

Das 1996 in Kraft getretene Gleichstellungsgesetz<br />

zielt fast ausschliesslich<br />

auf Gleichstellungsmassnahmen<br />

im Erwerbsbereich ab.<br />

Was sinnvoll klingt.<br />

Aber sehr einseitig ist. Bisher wurden<br />

ausgewählte Fachstellen dabei<br />

unterstützt, Mütter und Väter in<br />

Sachen Vereinbarkeit von Familie<br />

und Beruf zu beraten. 2016 hat der<br />

Bundesrat jedoch entschieden, ab<br />

2019 keine Finanzhilfen mehr an<br />

Frauenberatungs- und Wiedereinstiegsfachstellen<br />

zu zahlen. Wenn<br />

junge Paare sich also beraten lassen<br />

wollen, müssen sie diese Dienstleistung<br />

künftig selbst bezahlen. Ab<br />

2019 werden nur noch unternehmensbezogene<br />

Projekte, welche der<br />

Integration der Frauen in den<br />

Arbeitsmarkt und der Gleichstellung<br />

von Frau und Mann im Erwerbsleben<br />

dienen, von Finanzhilfen profitieren<br />

können. Die Gleichstellungspolitik<br />

wird damit faktisch in den<br />

Dienst der Wirtschaftspolitik ge ­<br />

stellt.<br />

Was braucht es Ihrer Meinung nach,<br />

um mehr Paaren eine egalitäre Rollenteilung<br />

zu ermöglichen?<br />

Um Vätern den Weg in die Familienarbeit<br />

zu ebnen, bieten sich verschiedene<br />

Massnahmen an. Eine<br />

davon ist die Förderung von Teilzeitarbeit<br />

– auch für Männer in an ­<br />

spruchsvollen Positionen. Eine<br />

Chance wäre auch ein Vaterschaftsoder<br />

Elternurlaub beziehungsweise<br />

ein «Elterngeld» – analog dem deutschen<br />

Vorbild. Die Diskussion über<br />

die Zukunft der Familie sollte auch<br />

weniger von wirtschaftlichen Interessen<br />

und Kosten-Nutzen-Überlegungen<br />

geleitet sein. Stattdessen<br />

sollte sie auf die Frage fokussieren:<br />

Welche Rahmenbedingungen brauchen<br />

Eltern und Kinder in der heutigen<br />

Zeit, um ein erfülltes Leben in<br />

Sicherheit und Geborgenheit zu führen?<br />

«Ich plädiere dafür,<br />

dass Paare, wenn<br />

sie Eltern werden,<br />

das Wohl des<br />

Kindes ins<br />

Zentrum stellen.»<br />

Sie selbst haben keine Kinder. Hätten<br />

Sie das partnerschaftliche Modell im<br />

Falle einer Familiengründung auch<br />

gewählt?<br />

Ja, das hätte ich mir gewünscht. Ich<br />

plädiere dafür, dass Paare, wenn sie<br />

Eltern werden, das Wohl des Kindes<br />

ins Zentrum stellen – so wie es meine<br />

Studienteilnehmer getan haben.<br />

Das bedeutet aber nicht den Verzicht<br />

auf berufliche Herausforderung und<br />

Erfüllung.<br />

In Ihrer letzten Befragung sind auch<br />

die mittlerweile erwachsenen Kinder<br />

zu Wort gekommen. Wie beurteilen<br />

diese das Lebensmodell ihrer Eltern?<br />

Mehrheitlich sehr positiv. Und auf<br />

die Frage, welche Eigenschaften sie<br />

an ihren Eltern jeweils bewundern,<br />

wurden andere als die typisch ge ­<br />

schlechtsspezifischen Eigenschaften<br />

genannt. So schätzt man an der Mutter<br />

insbesondere ihr Durchsetzungsvermögen,<br />

ihre Power und ihre Zielstrebigkeit,<br />

während die Väter für<br />

ihre Sozialkompetenz, ihre Ruhe und<br />

Ausgeglichenheit bewundert werden.<br />

Das finde ich sehr spannend,<br />

ebenso, dass drei Viertel aller Befragten<br />

es – wenn sie einmal Kinder<br />

haben – ebenso machen möchten<br />

wie ihre Eltern. Das spricht doch klar<br />

für dieses Modell.


Zur Person<br />

Dr. phil. Margret Bürgisser ist<br />

Soziologin und Inhaberin des Instituts<br />

für Sozialforschung, Analyse und<br />

Beratung ISAB (www.isab.ch) sowie<br />

Buchautorin. Seit über 20 Jahren<br />

forscht sie über sozialen Wandel,<br />

Gleichstellung, die Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Familie, partnerschaftliche<br />

Rollenteilung sowie andere Themen.<br />

Margret Bürgisser:<br />

Partnerschaftliche Rollenteilung –<br />

ein Erfolgsmodell. Hep Verlag <strong>2017</strong>.<br />

Die Soziologin Margret Bürgisser im Gespräch mit Fritz+Fränzi-Autorin<br />

Evelin Hartmann.<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>37


Psychologie & Gesellschaft<br />

Armes Einzelkind?<br />

Einzelkinder sind verwöhnt, haben Mühe, sich in einer Gruppe<br />

einzufügen, und können nicht teilen. Und das, weil sie dies nicht mithilfe<br />

von Geschwistern lernen konnten. Doch was ist wirklich dran an den<br />

Vorurteilen über Einzelkinder? Eine Spurensuche. Text: Susan Edthofer<br />

«Freunde bedeuten<br />

für Einzelkinder oft<br />

eine Art erweiterte<br />

Familie.»<br />

Mit dem Begriff Familie verbinden sich<br />

traditionelle Vorstellungen, die vielfach<br />

weit von der Realität entfernt<br />

sind. Hartnäckig hält sich das Idealbild<br />

eines Familiengefüges, das aus<br />

Mutter, Vater und zwei bis drei Kindern besteht. Warum<br />

ein Paar nur ein Kind hat, kann verschiedene Ursachen<br />

haben. Möglicherweise sind es biologische Gründe, vielleicht<br />

reichen die finanziellen Mittel nicht aus, um eine<br />

grössere Familie zu ernähren. Oder die berufliche Verwirklichung<br />

ist ebenso wichtig wie die Familie. Natürlich<br />

spielt auch die Tatsache mit, dass Ehen geschieden<br />

werden, bevor Geschwister zur Welt kommen.<br />

Einzelkinder und ihr Ruf<br />

Studien belegen, dass Einzelkinder nicht egoistischer<br />

sind als andere Kinder. Für die Charakterbildung entscheidender<br />

ist, welche Werte Eltern ihrem Kind vermitteln.<br />

Dass Einzelkinder oft mehr Aufmerksamkeit<br />

erhalten als Kinder mit Geschwistern, ist unbestritten.<br />

Schliesslich müssen sich Einkindeltern bei der Erziehungsaufgabe<br />

nur auf einen Sohn, eine Tochter fokussieren.<br />

Das heisst aber nicht, dass diese Kinder deswegen<br />

zu Egoisten werden. Nicht selten gewichten Einzelkinder<br />

Freundschaften höher als materiellen Besitz und haben<br />

keine Mühe, Dinge zu teilen. Wenn Eltern sich nicht<br />

einig sind, befinden sich Einzelkinder schnell in einem<br />

Loyalitätskonflikt. Fakt ist: Auch bei den Einzelkindern<br />

gibt es unterschiedliche Persönlichkeiten, und das typische<br />

Einzelkind existiert vor allem in unseren Vorstellungen.<br />

Glückliche oder unglückliche Kindheit<br />

Dass ein Kind inmitten von Geschwistern aufwächst, ist<br />

noch kein Garant für eine glückliche Kindheit. Es gibt<br />

Kinder, die gerne allein sind und das Fehlen eines Bruders,<br />

einer Schwester nicht vermissen. Andere wiederum<br />

wünschen sich nichts sehnlicher als ein Geschwister<br />

oder fühlen sich trotz Geschwistern innerhalb der Familie<br />

alleine. Freundinnen und Freunde bedeuten für Einzelkinder<br />

oft eine Art erweiterte Familie. Wichtig ist,<br />

Susan Edthofer ist Redaktorin<br />

im Bereich Kommunikation<br />

dass Eltern darin keine Bedrohung sehen<br />

von Pro Juventute.<br />

und nicht annehmen, dass dem Kind die<br />

eigene Familie nicht genügt. Strategien,<br />

welche Kinder selber entwickeln, helfen,<br />

die Kindheit zu einer Wunschkindheit werden zu lassen:<br />

Manchmal dienen Cousinen und Cousins als Geschwisterersatz.<br />

Gewisse Kinder erschaffen sich zudem ein<br />

imaginäres Zwillingsgeschwister, dem sie ihr Innerstes<br />

anvertrauen und mit dem sie gemeinsam spannende<br />

Abenteuer erleben.<br />

Was Eltern von Einzelkindern tun können – vier Tipps<br />

• Achten Sie darauf, dass Ihr Kind auch in der Freizeit oft mit anderen<br />

Kindern zusammen sein darf. Zeigen Sie Verständnis, wenn Ihr Kind<br />

zwischendurch auch gerne alleine sein möchte.<br />

• Nehmen Sie auf Ausflüge Freundinnen und Freunde Ihres Kindes<br />

mit. Lassen Sie Ihr Kind selber wählen, wen es mitnehmen möchte.<br />

Gewähren Sie Ihrem Kind genügend Freiraum, damit es auch Zeit in<br />

anderen Familien verbringen kann.<br />

• Passen Sie auf, dass Ihr Kind nicht in einen Loyalitätskonflikt gerät,<br />

wenn Sie sich als Eltern uneinig sind. Ihr Kind kann sich nicht mit<br />

seinen Geschwistern zusammentun und opponieren und ist deshalb<br />

noch stärker von Ihnen abhängig als Geschwisterkinder.<br />

• Oft betrachten Einzelkinder ihre Freundinnen und Freunde als<br />

erweiter te Familie. Freuen Sie sich, wenn Ihr Kind gut integriert ist,<br />

und denken Sie nicht, es fühle sich in seiner Familie zu wenig wohl.<br />

Pro Juventute Elternberatung<br />

Bei Pro Juventute Elternberatung können Eltern und Bezugspersonen von<br />

Kindern und Jugendlichen jederzeit telefonisch (058 261 61 61) oder online<br />

(www.projuventute-elternberatung.ch) Fragen zum Familienalltag, zu<br />

Erziehung und Schule stellen. Ausser den normalen Telefongebühren fallen<br />

keine Kosten an. In den Elternbriefen und Extrabriefen finden Eltern<br />

Informationen für den Erziehungsalltag. Mehr Infos: www.projuventute.ch<br />

38 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Wir sind die Chefs –<br />

von morgen.<br />

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Kolumne<br />

Die Eltern als Sparringspartner<br />

Warum es sinnvoll sein kann, seine pubertierenden Kinder als Austauschstudenten<br />

zu betrachten, und wieso man ihnen dennoch Verantwortung übertragen sollte.<br />

Jesper Juul<br />

ist Familientherapeut und Autor<br />

zahlreicher internationaler Bestseller<br />

zum Thema Erziehung und Familien.<br />

1948 in Dänemark geboren, fuhr er<br />

nach dem Schulabschluss zur See, war<br />

später Betonarbeiter, Tellerwäscher<br />

und Barkeeper. Nach der<br />

Lehrerausbildung arbeitete er als<br />

Heimerzieher und Sozialarbeiter<br />

und bildete sich in den Niederlanden<br />

und den USA bei Walter Kempler zum<br />

Familientherapeuten weiter. Seit 2012<br />

leidet Juul an einer Entzündung der<br />

Rückenmarksflüssigkeit und sitzt im<br />

Rollstuhl.<br />

Jesper Juul hat einen erwachsenen<br />

Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter<br />

Ehe geschieden.<br />

E<br />

in Leser schreibt: In den<br />

letzten drei Monaten<br />

stellten wir bei unserem<br />

Sohn Mario, 12, eine<br />

grosse Veränderung fest.<br />

Er ist oft launisch und macht sowohl<br />

uns als auch seinem achtjährigen<br />

Bruder das Leben schwer.<br />

Es geht rauf und runter. Wenn wir<br />

die Wochenenden oder Feiertage<br />

mit ein ander verbringen, kommt er<br />

wieder zurück zu seinem alten<br />

Selbst, aber sobald er in der Schule<br />

und mit seinen Freunden zusammen<br />

ist, wird er mürrisch und reagiert<br />

nicht mehr auf uns Eltern.<br />

Besonders schlimm ist es, wenn<br />

er von seinen Freunden zurückkommt.<br />

Wir glauben, dass er das<br />

Gefühl hat, seine Freunde hätten viel<br />

mehr Freiheiten als er: Sie würden<br />

später ins Bett gehen, kauften sich<br />

ständig Süssigkeiten und andere<br />

Dinge vom Geld ihrer Eltern.<br />

Wir versuchen, einige der Wünsche<br />

von Mario zu erfüllen. Wir wissen<br />

auch, dass wir ihn loslassen müssen,<br />

aber er ist nie zufrieden und<br />

Seien Sie für Ihren Sohn ein<br />

Sparringspartner: Sie leisten<br />

maximalen Widerstand und<br />

richten minimalen Schaden an.<br />

glücklich. Er sieht ständig das Negative,<br />

nie etwas Gutes oder Positives.<br />

Wenn etwas passiert, dann gibt er<br />

immer den anderen die Schuld.<br />

Seine negative Haltung uns und<br />

seinem Zuhause gegenüber zermürbt<br />

uns. Wir versuchen ganz ruhig mit<br />

ihm zu reden, und oft scheint er zu<br />

verstehen. Doch am nächsten Tag ist<br />

er wieder ablehnend.<br />

Mario ist beliebt bei den anderen,<br />

aber er erlebt nicht so viel, mit dem<br />

er sich rühmen kann, wie die anderen<br />

Burschen in seiner Klasse. Wie<br />

können wir uns Mario annähern<br />

und ihn erreichen?<br />

Jesper Juul antwortet<br />

Was Sie beschreiben, ist das normale<br />

Bild eines Zwölfjährigen in der<br />

Pubertät. Er trifft auf neue Referenzen<br />

in seinem Leben – auf Freunde –,<br />

und es beginnen grosse Umbauarbeiten<br />

in seinem Gehirn, das bis<br />

jetzt immer zur Zufriedenheit aller<br />

gearbeitet hat.<br />

In den nächsten Jahren werden<br />

sich sein Verhalten und sein Charakter<br />

ändern. Nicht nur in Bezug<br />

auf seine Stimmungen, sondern<br />

auch in Bezug auf die Fähigkeiten,<br />

die er vorher hatte. Die scheinen im<br />

Moment verschwunden zu sein.<br />

Betrachten Sie Ihren Sohn jetzt,<br />

als wäre er ein Austauschstudent aus<br />

einer «anderen Kultur», und lernen<br />

Sie dabei, wie Sie mit ihm umgehen<br />

können.<br />

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />

40 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ihre Beschreibung erinnert mich an<br />

eine Erfahrung, die ich bei einem<br />

Ge spräch mit einer Patchworkfamilie<br />

gemacht habe. Die Mutter stellte<br />

ihre Familie vor und schloss mit<br />

folgenden Worten über ihren elfjährigen<br />

Sohn: «Er ist jetzt in einem<br />

Alter, in dem ihm die Familie nicht<br />

mehr so wichtig ist.»<br />

Die Frau sass neben ihrem Sohn,<br />

dem ein paar Tränen über die Wangen<br />

rannen. Als ich ihn danach fragte,<br />

sagte er: «Das ist nicht wahr,<br />

Mama! Meine Familie bedeutet<br />

immer noch sehr viel für mich. Ich<br />

verbringe jetzt nur mehr Zeit mit<br />

meinen Freunden!»<br />

Ihr Sohn Mario sucht nun seine<br />

eigene Art und Weise, um sich in<br />

der Welt zurechtzufinden. Würde<br />

ich ihn bitten, ein Abendessen für<br />

die Familie zuzubereiten, würde er<br />

wohl versuchen, ein guter Koch zu<br />

sein und mit allem zu experimentieren,<br />

was zur Verfügung steht, um<br />

dieses Ziel zu erreichen.<br />

Wenn aber seine Eltern sich ständig<br />

einmischen und sagen, dass sie<br />

so etwas niemals essen würden,<br />

dann fühlt er sich bewertet. Er fühlt,<br />

dass die Energie, die er einsetzt,<br />

nicht geschätzt wird. Es wurde ihm<br />

sozusagen eine Aufgabe erteilt, aber<br />

nicht die Möglichkeit gegeben, für<br />

deren Erfüllung auch verantwortlich<br />

zu sein.<br />

Der beste Weg für Sie als Eltern,<br />

ihrem Sohn in seiner neuen Rolle<br />

zu begegnen, ist, wenn Sie in die<br />

Rolle eines Sparringspartners<br />

schlüpfen. Das bedeutet, ihm eine<br />

Art Trainingspartner zu sein, maximalen<br />

Widerstand zu leisten und<br />

minimalen Schaden anzurichten.<br />

Er braucht jetzt Ihre Antworten<br />

und Rückmeldungen, mit der traditionellen<br />

Form der Erziehung in<br />

Form von «Unterricht» ist es nun<br />

vorbei. Er braucht ehrliches,<br />

authentisches und persönliches<br />

Feedback.<br />

Je mehr Sie über seine neuen Versuche<br />

und Möglichkeiten des<br />

Menschseins richten und diese<br />

bewerten, desto mehr wird er Ihren<br />

Weg des Seins ablehnen.<br />

Wenn wir das Bild mit ihm als<br />

Koch für die Familie herbeiziehen,<br />

so ist es nicht nur in Ordnung, sondern<br />

es ist sogar sehr wichtig, zu<br />

sagen: «Das hat mir nicht gefallen»<br />

oder «Mmmh, das hat gut ge ­<br />

schmeckt».<br />

Das kann zu Konflikten führen,<br />

aber es sind Konflikte, an denen beide<br />

Parteien wachsen. Das wiederum<br />

stärkt die Beziehung in beide Richtungen.<br />

Wenn Sie glauben, dass Ihr Sohn<br />

von Ihrer Erfahrung und Perspektive<br />

profitieren kann, dann warten Sie<br />

zuerst auf seine Einladung. Das<br />

bedeutet, ihm zu vermitteln: «Ich<br />

möchte mit dir über das reden, was<br />

wir gestern zu essen bekommen<br />

haben. Hast du Zeit?» Dabei müssen<br />

Sie auch ein Nein aushalten können.<br />

Sie haben nicht mehr automatisch<br />

Zutritt zu seinem Bewusstsein und<br />

nicht mehr seine Erlaubnis, jederzeit<br />

alles sagen zu dürfen.<br />

Ihre Zeilen, die Sie an mich<br />

gerichtet haben, vermitteln mir den<br />

Eindruck einer Familie mit zwei<br />

engagierten, liebevollen und verantwortungsbewussten<br />

Eltern, die<br />

wunderbare Arbeit geleistet haben.<br />

Vielleicht mit der Tendenz, ein<br />

wenig «zu vernünftig» zu sein. Sie<br />

werden Ihre wohlverdiente Belohnung<br />

dafür bekommen – allerdings<br />

wird es noch etwa zehn Jahre dauern,<br />

bis Sie die Auszahlung erhalten<br />

werden.<br />

Bis dahin gibt es, ausser dass Sie<br />

anwesend sind, nur eine Sache zu<br />

tun: Lieben Sie Ihren Sohn so, wie<br />

Sie werden die verdiente Belohnung<br />

für Ihre wunderbare Arbeit als Eltern<br />

bekommen – allerdings dauert es noch<br />

etwa zehn Jahre bis zur Auszahlung.<br />

er in seiner Einzigartigkeit ist, selbst<br />

wenn das das Schwierigste ist. Das<br />

ist es, was er wirklich braucht, um<br />

das er aber nicht fragen kann. Sie<br />

haben ihm das Vertrauen und die<br />

Grundlage gegeben, die beste Person<br />

zu sein, die er sein kann – auch mit<br />

seinen Fehlern.<br />

Haben auch Sie eine Frage an Jesper Juul,<br />

die er persönlich beantworten soll?<br />

Dann schreiben Sie uns eine E-Mail an<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch oder<br />

einen Brief an: Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97,<br />

8008 Zürich<br />

Die Kolumnen von Jesper Juul entstehen<br />

in Zusammenarbeit mit<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>41


Erziehung & Schule<br />

Grenzenlose Liebe?<br />

Wenn sich zwei Menschen aus unterschiedlichen Kultur kreisen ineinander verlieben, stossen sie nicht<br />

selten auf Vorurteile. Doch wie entstehen diese? Und wie können Vorurteile überwunden werden?<br />

Text: Maximiliane Uhlich, Michael Ackert<br />

Freya schwärmt schon lange<br />

für Konstantin, 16. Als<br />

die 15-Jährige erfährt,<br />

dass es ihm ebenso er -<br />

geht, ist sie überrascht<br />

und glücklich. Als sie Konstantin<br />

jedoch ihren Eltern als festen Freund<br />

vorstellt, erlebt sie eine herbe Enttäuschung.<br />

Dass Konstantin aus dem ehemaligen<br />

Jugoslawien kommt und<br />

bekennender Muslim ist, spielt für<br />

Freya keine Rolle. Sie liebt ihn. Sie<br />

selbst war als Diplomatentochter<br />

viel in der Welt unterwegs, erst vor<br />

zwei Jahren entschieden sich ihre<br />

Eltern, zurück in die Schweiz zu<br />

kommen. Dass sie nun gegen ihre<br />

Beziehung sind, weil Konstantin<br />

einer anderen Religion angehört, ist<br />

für Freya ein Schock. Besonders<br />

Freyas Mutter macht ihrer Tochter<br />

klar, dass sie nichts gegen eine<br />

romantische Beziehung habe, mit<br />

der Beziehung zu Konstantin jedoch<br />

nicht einverstanden sei. Was sie<br />

ihrer Tochter jedoch nicht sagt, ist,<br />

dass ihre Reaktion für sie selbst<br />

überraschend ist. Als Mutter will sie<br />

nur das Beste für ihr Kind. Der<br />

Gedanke, ihrer Tochter in Sachen<br />

Liebe etwas vorzuschreiben, er -<br />

schreckt sie, doch fühlt es sich in<br />

diesem Fall richtig an. Sie kennt<br />

Konstantin nur flüchtig, von einem<br />

ersten Treffen abgesehen, sind die<br />

Eindrücke spärlich. Die Mutter vertraut<br />

mehr ihrer Intuition. Ausserdem<br />

ist ihr der Gedanke, dass ihre<br />

Die Mutter kennt<br />

Konstantin nur flüchtig.<br />

Vertraut aber<br />

ihrer Intuition.<br />

Bild: © Thinkstock<br />

42 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Enkelsöhne irgendwann beschnitten<br />

werden könnten, sehr fremd.<br />

Unsichtbare Mauern<br />

Freya und Konstantin sind nur ein<br />

Beispiel. Konstantin könnte auch<br />

Yusuf oder Jamal heissen, dunkelhäutig<br />

sein oder aus China kommen.<br />

Vielleicht spräche er einen arabischen<br />

Dialekt oder Swahili. Vielleicht<br />

hätte sich die Familie von<br />

Konstantin gegen seine Beziehung<br />

mit Freya gestellt. Bei allen Kombinationen<br />

bleibt, dass Stereotype<br />

schnell zu Vorurteilen führen und<br />

unsichtbare Mauern zwischen dem<br />

«Wir» und «den Anderen» entstehen<br />

(siehe Box Seite 45). Was Freya und<br />

Konstantin erleben, kann verschiedene<br />

Ursachen haben. Für das Paar<br />

ist es in erster Linie eine schmerzhafte<br />

Enttäuschung über das Unverständnis<br />

für ihre Liebe. Ohne eine<br />

bestimmte Absicht durchbricht ihre<br />

Zuneigung zueinander die Grenze<br />

zwischen dem «Wir» der Mutter und<br />

«den Anderen». Nun stehen der<br />

Partnerschaft Vorurteile im Weg.<br />

Wie kann ein Umgang gefunden<br />

werden, der auf beiden Seiten Verständnis<br />

schafft?<br />

Verschiedene Arten von Vorurteilen<br />

Ausgrenzung oder Diskriminierung<br />

findet entlang von (aus-)gedachten<br />

gesellschaftlichen Grenzen meistens<br />

zwischen einer Minderheit und<br />

einer Mehrheit statt. Erkennbar ist<br />

oft nur das abweisende Verhalten,<br />

da die Meinungen, wenn überhaupt,<br />

nur im Privaten offengelegt werden.<br />

Dabei können das äussere Verhalten<br />

und die innere Einstellung in unterschiedliche<br />

Richtungen zeigen. Die<br />

Sozialpsychologie unterscheidet<br />

deshalb bei Diskriminierung verschiedene<br />

Arten von Vorurteilen<br />

(siehe Box Seite 45). Die Ungerechtigkeit<br />

für Freya und Konstantin ist,<br />

dass Freya als Diplomatentochter<br />

die Erwartung hat, seitens ihrer<br />

Eltern eine offene Haltung gegenüber<br />

einem Partner wie Konstantin<br />

zu treffen. Nun erlebt sie die Diskrepanz<br />

zwischen der Einstellung<br />

ihrer Mutter auf der Arbeit und im<br />

Privaten, ihrem beruflichen Um -<br />

gang mit der Vielfalt der Welt und<br />

der Haltung gegenüber einem Mitglied<br />

innerhalb der eigenen Familie.<br />

Die Haltung der Mutter ist nachvollziehbar,<br />

doch wie kommt es<br />

dazu?<br />

Menschen brauchen, um der<br />

Komplexität der Umwelt Herr zu<br />

werden, schnell verfügbare und einfach<br />

strukturierte Informationen.<br />

Ohne dass Personen es bewusst<br />

bemerken, klassifiziert das Gehirn<br />

die soziale Umwelt in Gruppen und<br />

versieht sie mit einfach zugänglichen<br />

Informationen – den Stereotypen.<br />

Solche Stereotype sind hilfreich<br />

und notwendig. Sie erlauben schnelle<br />

Entscheidungen und geben<br />

Sicherheit durch die empfundene<br />

Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Sie<br />

rechtfertigen und schaffen zum Teil<br />

Anzeige<br />

Menschen brauchen schnell<br />

verfügbare und einfach<br />

strukturierte Informationen.<br />

jedoch auch die ungleichen Machtverhältnisse<br />

in einer Gesellschaft.<br />

Häufig passiert zudem, dass diese<br />

«Filter» in der Wahrnehmung neue<br />

Informationen über eine soziale<br />

Gruppe nur in einer bestimmten<br />

Weise interpretieren lassen.<br />

Eine besondere Rolle spielen<br />

dabei aussergewöhnliche Ereignisse,<br />

wobei besonders auffällige Mitglieder<br />

einer Gruppe das Bild prägen.<br />

Die Mehrheit der Gruppe wird nicht<br />

wahrgenommen, bekommt aber<br />

dieselbe Bewertung. Einem solchen<br />

Urteil zufolge werden auf der >>><br />

Sprachaufenthalte<br />

für Jugendliche<br />

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SEINES LEBENS.<br />

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VON <strong>2017</strong><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>43


Erziehung & Schule<br />

Lassen Sie die eigenen<br />

Vorurteile bewusst<br />

hochkommen und überprüfen<br />

Sie Ihre Emotionen.<br />

>>> einen Seite alle Informationen<br />

ausgeschlossen, die der eigenen<br />

Meinung widersprechen, und auf<br />

der anderen Seite bringen die Neuigkeiten,<br />

die in das Muster passen,<br />

Bestätigung für die eigenen Stereotypen.<br />

Die Welt wird nach einem<br />

einfachen und verfestigten Muster<br />

wahrgenommen («stereo» kommt<br />

vom Altgriechischen und bedeutet<br />

«fest, steif, solide»).<br />

Grenzen überwinden<br />

Im sozialen Bereich kann sich etwa<br />

ein gesellschaftliches Bild in «Wir»<br />

und «die Anderen» verfestigen. Dass<br />

Konstantin von Freyas Mutter nicht<br />

als Teil der eigenen Gruppe wahrgenommen<br />

wird, hat vielleicht mit<br />

ihren persönlichen Erfahrungen in<br />

der Vergangenheit zu tun. Vielleicht<br />

hat sich die Mutter ihre Meinung<br />

über die Gruppe «der Anderen» aus<br />

den Medienberichten gebildet.<br />

Sich einzugestehen, dass dies eine<br />

Rolle spielt, ist ein erster Schritt.<br />

Danach können viele weitere Schritte<br />

erfolgen, die den Weg für einen<br />

Abbau von Vorurteilen und Stereotypen<br />

ebnen. Als Elternteil können<br />

Sie ein Beispiel für die eigenen Kinder<br />

sein, wenn Sie an den eigenen<br />

Stereotypen arbeiten. In der Sozialpsychologie<br />

haben sich über die Zeit<br />

einige Empfehlungen herausgebildet,<br />

die die unsichtbaren Grenzen<br />

zwischen zwei Gruppen überwindbarer<br />

machen. Hierzu zählen die<br />

bewusste häufige und individuelle<br />

Begegnung mit Gruppenmitgliedern<br />

«der Anderen» in verschiedenen<br />

Situationen. Lassen Sie dabei die<br />

Vorurteile in Ihrem Bewusstsein<br />

hochkommen. Dabei können Sie<br />

Ihre eigenen Emotionen überprüfen.<br />

Chancen und Risiken<br />

Nehmen Sie sich Zeit und lassen Sie<br />

Ihre eigenen Eindrücke über die<br />

Begegnung mit den Menschen auf<br />

sich wirken. Versuchen Sie nicht,<br />

etwas «Typisches» zu finden oder<br />

den Eindruck entstehen zu lassen,<br />

dass gerade diese «Anderen» eine<br />

Ausnahme sind und nicht zu der<br />

Gruppe gehören, die Sie sonst be ­<br />

fremdet. Somit gewinnen Sie neue<br />

Erfahrung und können die Gedanken<br />

und Gefühle Ihrer Kinder, die<br />

solche Begegnungen im schulischen<br />

Kontext einer multikulturellen Ge ­<br />

sellschaft häufig erleben, aus einer<br />

anderen Position besser nachvoll ­<br />

ziehen.<br />

Zum Schluss die Frage: Mit wem<br />

konnten Sie sich in dieser Geschichte<br />

am besten identifizieren? War es<br />

Freya, Konstantin, das Paar oder<br />

doch die Mutter? Alle drei haben mit<br />

Hürden zu kämpfen. Was die Risiken<br />

und die Chancen in solchen Situationen<br />

sind, untersucht gerade eine<br />

Forschungsgruppe am Institut für<br />

Familienforschung und -beratung<br />

an der Universität Freiburg zusammen<br />

mit dem Institut für Empirische<br />

Religionsforschung der Universität<br />

Bern in einer Online-Studie (siehe<br />

nächste Seite).<br />

>>><br />

Maximiliane Uhlich<br />

ist Psychologin und Doktorandin im<br />

Forschungsprojekt «Interkulturelle und<br />

interreligiöse Partnerschaften» am Institut<br />

für Familienforschung und -beratung der<br />

Universität Freiburg. Sie forscht über das<br />

Funktionieren von Beziehungen.<br />

Michael Ackert<br />

hat Psychologie an der Humboldt-<br />

Universität zu Berlin studiert. Er promoviert<br />

zurzeit am Institut für Familienforschung<br />

und -beratung der Universität Freiburg<br />

zum Thema Wertetransformation in<br />

interreligiösen Partnerschaften.<br />

Ausbildung<br />

Seniorenbetreuung<br />

Infos unter www.ibk-berufsbildung.ch


Auf jeden Fall<br />

bewegen!<br />

Stereotyp und Vorurteil<br />

• Stereotypen: Annahmen über eine soziale Gruppe. Sie<br />

beinhalten Überzeugungen über typische Merkmale und<br />

Verhaltensweisen der Gruppe, die entweder (teilweise)<br />

zutreffen, aber auch gänzlich falsch sein können. Was<br />

immer zutrifft, ist, dass sie übertrieben und bewertend<br />

sind. Die Bewertung einer Gruppe aufgrund von<br />

verbreiteten Annahmen führt schliesslich zu Vorurteilen.<br />

• Vorurteile: Eine positive oder negative Bewertung einer<br />

sozialen Gruppe und ihrer Mitglieder. Vorurteile führen<br />

seltener zu bevorzugendem, oft zu benachteiligendem<br />

Verhalten gegenüber einer Gruppe oder einem<br />

Gruppenmitglied.<br />

Arten von Vorurteilen<br />

• Klassisches Vorurteil: Jemand ist gegen bestimmte<br />

Menschen, äussert es öffentlich und verbirgt seine innere<br />

Einstellung nicht. Dass dabei bestimmte Menschen<br />

diskriminiert werden, ist dieser Person klar.<br />

• Modernes Vorurteil: Jemand ist negativ eingestellt<br />

gegenüber einer bestimmten Gruppe von Menschen,<br />

möchte dies jedoch nicht öffentlich zeigen. Er oder sie<br />

verbirgt seine innere Einstellung und leugnet dabei<br />

die Tatsache der Diskriminierung.<br />

• Aversives Vorurteil: Jemand hat eine negative Einstellung<br />

gegenüber einer bestimmten Gruppe Menschen,<br />

sagt nach aussen jedoch, dass diese Menschen<br />

diskriminiert werden und deshalb positiv gesehen werden<br />

müssen. Er oder sie muss sich anstrengen, seine/ihre<br />

innere Einstellung zu verbergen. Der Widerspruch<br />

zwischen innerer und äusserer Einstellung wird in<br />

diesem Fall als Aversion bezeichnet.<br />

Studie: Ein Paar – zwei Religionen<br />

In einem interdisziplinären Projekt untersuchen Psychologen<br />

und Religionswissenschaftler, was zum Gelingen einer<br />

interreligiösen oder interkulturellen Partnerschaft beiträgt<br />

und welche Risiken zum Scheitern führen. In einer breit<br />

angelegten Online-Umfrage werden individuelle und<br />

paarpsychologische, religiöse sowie soziologische Aspekte<br />

untersucht. Paare und Einzelteilnehmer bekommen ein<br />

wissenschaftlich fundiertes Feedback zu ihren Angaben. Die<br />

Studie wird vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert<br />

und läuft ab sofort bis Ende 2018. Gesucht werden Paare,<br />

die einen unterschiedlichen religiösen oder kulturellen<br />

Hintergrund haben, oder Personen, die in einer solchen<br />

Partnerschaft waren. Die Studie führen das Institut für<br />

Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg<br />

und das Institut für Empirische Religionswissenschaft der<br />

Universität Bern duch. Mehr Informationen sowie den Link<br />

zur Studie finden Sie unter: www.paare.unibe.ch.<br />

«Nein, da steigst du jetzt nicht<br />

hoch!» Ist Ihnen dieser Satz<br />

auch schon über die Lippen<br />

gekommen? Eltern sind oft ein<br />

wenig besorgt, wenn ihre Kinder<br />

spielend die Welt erkunden.<br />

Dabei sind diese Erfahrungen so<br />

wichtig, damit die kleinen<br />

Entdecker lernen, Risiken einzuschätzen<br />

und körperliche<br />

Grenzen auszutesten. Natürlich<br />

kann es zu kleinen Unfällen<br />

kommen – mehr als eine Schürfung<br />

gibt es meist aber nicht zu<br />

verarzten. Deshalb zeigt Ihnen<br />

der EGK-Ratgeber «Bewegung,<br />

Spiel und Spass in der ganzen<br />

Familie» nicht nur Bewegungstipps<br />

für Grosseltern, Eltern<br />

und ihre Kinder. Er zeigt auch,<br />

wie Sie dem Forschungs- und<br />

Entwicklungsdrang der Kleinen<br />

gerecht werden.<br />

Den Ratgeber «Bewegung, Spiel<br />

und Spass in der ganzen<br />

Familie» der EGK-Gesundheitskasse<br />

erhalten Sie unter:<br />

www.egk.ch/spiel-und-spass<br />

Lukas Zahner<br />

Departement für Sport,<br />

Bewegung und Gesundheit<br />

der Universität Basel<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>45


Erziehung & Schule<br />

Üben, wie man<br />

Frust erträgt<br />

Viele Kinder reagieren auf Enttäuschungen und Niederlagen mit Wut<br />

und Aggression. Wie Eltern und Lehrpersonen einem Kind helfen<br />

können, seine Frustrationstolerenz zu verbessern und Bedürfnisse<br />

und Wünsche besser zu kontrollieren. Text: Ruth Fritschi<br />

«Kinder beim emotionalen<br />

Lernen zu begleiten, ist<br />

eine Herausforderung.»<br />

Ruth Fritschi ist Mitglied der<br />

Geschäftsleitung des Dachverbandes<br />

Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH),<br />

schulische Heilpädagogin und Lehrperson<br />

Kindergarten.<br />

Unser Erstklässler hat immer wieder Wutanfälle,<br />

zu Hause und manchmal auch in<br />

der Schule. Er ist viel aggressiver als sein<br />

älterer Bruder. Wie können wir das in<br />

den Griff bekommen?» Für viele Eltern<br />

und Lehrpersonen eine bekannte Situation. Und eine<br />

grosse Herausforderung.<br />

Klar ist, dass nicht Sie als Eltern das in den Griff<br />

bekommen sollen, sondern Ihr Sohn oder Ihre Tochter<br />

selber. Aber natürlich müssen Sie, liebe Eltern, und wir<br />

Lehrpersonen dem Kind dabei helfen. Dazu braucht es<br />

erstens eine Grundhaltung, dass Konflikte gewaltfrei zu<br />

lösen sind, und zweitens ein nicht wertendes Verständnis<br />

dafür, wie die Wut zustande kommt. Alle Gefühle,<br />

auch negative wie Ärger und Wut, sind berechtigt. Aber<br />

die Form, wie sie ausgedrückt werden, soll zivilisiert<br />

und fair sein. Das muss und kann man lernen.<br />

Viele Kinder kommen nur sehr schlecht mit Kritik<br />

und Misserfolgen zurecht. Sie reagieren mit Wut und<br />

Aggressionen, wenn ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche<br />

nicht null Komma plötzlich erfüllt werden. Mal<br />

abwarten zu müssen oder hin und wieder enttäuscht zu<br />

Alle Gefühle, auch negative wie<br />

Ärger und Wut, sind berechtigt.<br />

Aber die Form, wie sie ausgedrückt<br />

werden, soll fair sein.<br />

werden, weil das Gewünschte nicht zu bekommen ist,<br />

halten sie nicht aus. Dies gehört im Kleinkindalter zum<br />

normalen Entwicklungsprozess.<br />

Bis zum Eintritt in die Primarschule sollte jedoch<br />

jedes Kind eine gewisse Frustrationstoleranz aufgebaut<br />

haben. Bei manchen Kindern geschieht dies ganz von<br />

selbst, andere brauchen auf dem Weg zu einem «reiferen»<br />

Umgang mit Frustrationen mehr Unterstützung.<br />

Findet diese Entwicklung nicht statt, weil etwa Eltern<br />

aus falsch verstandener Sorge ihrem Kind keine Enttäuschungen<br />

zumuten wollen, wirkt sich das für das Kind<br />

verheerend aus.<br />

Was ist Frustrationstoleranz? Es ist die Fähigkeit, mit<br />

Enttäuschungen umzugehen. Sie gehört neben anderen<br />

Kompetenzen wie zum Beispiel Beziehungs- und Konfliktfähigkeit<br />

oder auch Einfühlungsvermögen zum<br />

Bereich der emotionalen Intelligenz. Emotionale Intelligenz<br />

bedeutet, dass man seine Gefühle wahrnehmen<br />

kann, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Und dass<br />

man auch die Gefühle anderer erkennen und respektieren<br />

kann.<br />

Wie äussert sich geringe Frustrationstoleranz? Tisch<br />

abräumen, Zimmer aufräumen, Flöte üben? «Keine<br />

Lust.» Wenn Eltern solchem Verhalten der Harmonie<br />

wegen immer wieder nachgeben oder sich ständig in<br />

Endlosdiskussionen verstricken, kann das problematisch<br />

werden. Das Kind lernt so, dass es mit seiner bockigen<br />

Haltung Erfolg hat. Wie soll es wissen, dass ein<br />

ähnliches Verhalten später in der Schule weniger Erfolg<br />

verspricht und es bei den Mitschülerinnen und Mitschülern<br />

und bei den Lehrpersonen nicht mit derselben<br />

elterlichen Nachsicht rechnen darf? Mangelnde Frustrationstoleranz<br />

äussert sich häufig auch beim Kontakt<br />

46 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


mit anderen Kindern. Die Betroffenen spielen zwar<br />

gerne mit Nachbarskindern und Freunden, aber nur<br />

solange alles nach ihren Wünschen läuft. Ist dies nicht<br />

der Fall, reagieren sie schnell aggressiv und verärgert.<br />

Sie empfinden das Nichterfüllen ihrer Wünsche als so<br />

starke Zumutung, dass sie sich gar nicht anders verhalten<br />

können. In der Schule reden diese Kinder ständig<br />

dazwischen, weil sie in jungen Jahren nicht gelernt<br />

haben, dass sie jemanden nicht einfach unterbrechen<br />

dürfen, sondern warten müssen, bis sie an der Reihe<br />

sind. Und weil ihnen dieses unsoziale Verhalten bei<br />

Lehrpersonen und Mitschülerinnen und Mitschülern<br />

nur Misskredit beschert, spielen viele der betroffenen<br />

Kinder den Klassenclown. Die Folge: Die Situation spitzt<br />

sich weiter zu.<br />

Die Kinder beim emotionalen Lernen zu begleiten,<br />

ist für Eltern und Lehrpersonen eine Herausforderung.<br />

Machen wir uns klar, dass es in der Erziehung nicht<br />

darum geht, einem Kind Enttäuschungen zu ersparen.<br />

Diese gehören zum Leben. Eltern können Kindern den<br />

positiven Umgang mit Fehlern und Niederlagen vor<br />

allem dadurch vermitteln, indem sie ihnen ein gutes<br />

Vorbild sind. Denn Kinder wollen gross werden, und<br />

sie wollen gross sein wie die Eltern. Sie beobachten<br />

genau, wie die Eltern sich verhalten. So ist Erziehung<br />

vor allem Selbsterziehung.<br />

Tipps für Eltern<br />

Fünf Tipps, wie Eltern ihrem Kind helfen können, seine<br />

Frustrationstolerenz zu verbessern und mit Enttäuschungen<br />

und Frustrationen besser umzugehen:<br />

• Übergeben Sie Ihrem Kind Aufgaben wie Tisch<br />

abräumen oder Wäsche zusammenlegen. Diese<br />

Arbeit muss erledigt werden, bevor Ihr Kind spielen<br />

darf. Gehen Sie auf wiederholtes Klagen nicht ein.<br />

• Erfüllen Sie Ihrem Kind nicht jeden Wunsch sofort,<br />

nur ein- oder zweimal in der Woche ein Glace oder<br />

eine Kleinigkeit aus dem Supermarkt. Grössere Spielzeugwünsche<br />

sollten nicht sofort erfüllt werden. Verweisen<br />

Sie auf Weihnachten oder den nächsten<br />

Geburtstag.<br />

• Spielen Sie mit Ihrem Kind Gesellschaftsspiele und<br />

lassen Sie es verlieren! Aus Mitleid die Regeln zu verändern<br />

oder vom älteren Bruder zu erwarten, dass er<br />

das schnell frustrierte Kind gewinnen lässt, hilft nicht<br />

weiter.<br />

• Loben und belohnen Sie positives Verhalten Ihres<br />

Kindes. Für viele Kinder ist ein visuelles System hilfreich,<br />

zum Beispiel ein Sternchen- oder ein Smiley-<br />

Kalender. Wichtig ist, genau zu erklären, welches<br />

Verhalten zu einem Sternchen führt und wann ein<br />

erstes Ziel für eine Belohnung erreicht ist.<br />

• Nehmen Sie das Gefühl Ihres Kindes, das hinter dem<br />

«Ausflippen» steht, ernst. Erkennen Sie das Gefühl<br />

Anzeige<br />

Sie müssen Ihrem Kind<br />

klarmachen, dass das gezeigte<br />

Verhalten nicht akzeptabel ist.<br />

Zeigen Sie Alternativen auf.<br />

an und erklären Sie, dass negative Gefühle zum Leben<br />

gehören. Gleichzeitig müssen Sie klarmachen, dass<br />

das gezeigte Fehlverhalten nicht akzeptabel ist. Zeigen<br />

Sie Alternativen auf.<br />

Zum Schluss wünsche ich Ihnen zu Hause und uns Lehrpersonen<br />

im Schulalltag viel Ausdauer beim Begleiten<br />

von Kindern, die beim emotionalen Lernen mehr Unterstützung<br />

brauchen. Auch wenn ich die oben genannten<br />

Punkte nur zu gut kenne und versuche, diese konsequent<br />

umzusetzen, komme ich immer wieder in Situationen,<br />

die ganz viel von mir abverlangen. Routiniertes Vorbild<br />

sein gelingt oft, aber nicht in jedem Fall.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>47


In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post<br />

Erziehung & Schule<br />

Wo sich kleine und<br />

grosse Bücherwürmer treffen<br />

An verschiedenen Festivals und Veranstaltungen in der Schweiz können Kinder<br />

gemeinsam Geschichten lauschen und in Büchern stöbern. Ein Überblick über die<br />

wichtigsten Events der nächsten Wochen. Text: Johanna Oeschger<br />

Abraxas-Festival, 4. und 5. November,<br />

Zug<br />

Am jährlich stattfindenden Zentralschweizer<br />

Kinder- und Jugendliteraturfestival<br />

entführt der Rabe Abraxas die<br />

Besucher in die magische Welt der<br />

Geschichten. Hier erleben Kinder aller<br />

Altersstufen ihre Lieblingsautoren und<br />

Buchstabenkünstler aus dem In- und<br />

Ausland hautnah: An Lesungen und in<br />

Workshops wird gemeinsam gelesen,<br />

gesungen, gerätselt, gebastelt, gelacht<br />

und gestaunt.<br />

www.abraxas-festival.ch<br />

Schweizer Erzählnacht, 10. November,<br />

diverse Durchführungsorte<br />

Jeweils am zweiten Freitag im November<br />

laden verschiedene Bibliotheken, Buchläden,<br />

Schulen und andere Institutionen<br />

zum gemeinsamen Geschichtenerlebnis<br />

ein. Dieses Jahr versammelt sich Klein<br />

und Gross unter dem Motto «Mutig,<br />

mutig!»: Kinder lauschen heldenhaften<br />

Geschichten, bewältigen abenteuerliche<br />

Lese-Parcours und schlafen vielleicht<br />

sogar alleine auswärts.<br />

www.sikjm.ch<br />

Verschiedene Schreib- und<br />

Lesever anstaltungen<br />

• Eine Auswahl kleinerer Veranstaltungen<br />

an diversen Standorten ist auf der<br />

Website des Vereins Kinder- und<br />

Jugendschaffende Schweiz aufgeführt:<br />

www.autillus.ch.<br />

• Im Rahmen des Projekts Buchstart veranstalten<br />

Bibliotheken der ganzen<br />

Schweiz erste Begegnungen mit<br />

Büchern, Versen und Schrift für<br />

Kleinkinder. Den aktuellen Veranstaltungskalender<br />

finden Eltern unter<br />

www.buchstart.ch.<br />

Bild: Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM<br />

So gehts 2018 weiter<br />

• Basler Bücherschiff: www.edubs.ch<br />

• St. Galler Kinder- und Jugend literaturfestival:<br />

www.stadt.sg.ch<br />

• Schreibwettbewerb für 8- bis 18-Jährige:<br />

www.schreibzeitschweiz.ch<br />

• Digitaler Jugendwettbewerb: www.bugnplay.ch<br />

Links direkt zu<br />

den Veranstaltungen<br />

finden Sie im Online-Artikel auf<br />

www.fritzundfraenzi.ch.<br />

Johanna Oeschger<br />

ist Literatur- und Sprachwissenschaftlerin,<br />

unterrichtet Deutsch und Englisch<br />

auf der Sekundarstufe II und arbeitet<br />

als Mediendidaktikerin bei LerNetz.<br />

48 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Stiftung Elternsein<br />

Ich weiss nichts, macht nichts<br />

Ellen Ringier über die Gefahren, die Unwissenheit in sich birgt,<br />

und die Bedeutung von Bildung.<br />

Bild: Maurice Haas / 13 Photo<br />

Dr. Ellen Ringier präsidiert<br />

die Stiftung Elternsein.<br />

Sie ist Mutter zweier Töchter.<br />

Am 1. Mai 2003 erklärten die USA dem<br />

Irak den Krieg. Wie sich später herausstellte,<br />

aus einem falschen Grund. Denn<br />

trotz intensivster Suche konnten keine<br />

Massenvernichtungswaffen gefunden<br />

werden. Fake News! Das Resultat dieses<br />

Krieges und der anschliessenden Besetzung<br />

des Landes heisst keineswegs<br />

Befriedung. Bürgerkriegsähnliche<br />

Zustände und die Expansion des Islamischen Staates<br />

waren und sind bis heute die Folge. Einer US-Studie<br />

der Washington University in Seattle zufolge starben<br />

während des Krieges und der anschliessenden Besetzung<br />

mindestens eine halbe Million Iraker!<br />

In diesen Sommerwochen fand und findet ein<br />

Duell zwischen zwei der grössten derzeit regierenden<br />

Vollidioten statt: den Präsidenten von Nordkorea und<br />

den USA. In Pjöngjang und Washington sitzen zwei<br />

Männer an den Schalthebeln der Macht und auch am<br />

Drücker zum Atomschlag, die ausschliesslich von<br />

Irrationalität, dem Willen zum Machterhalt und<br />

ihrem Ego getrieben werden und daher nicht zurückschrecken,<br />

mit dem Einsatz von Atomwaffen zu drohen.<br />

Das Unaussprechliche, nämlich ein Atomkrieg,<br />

ist von einer virtuellen Möglichkeit zu einem denkbaren<br />

Szenario geworden. Das jahrzehntelang währende<br />

Gleichgewicht des Schreckens hat ausgedient, ein<br />

Atomkrieg, ja ein dritter Weltkrieg, ist denkbar<br />

geworden.<br />

Nach dem Gedanken folgt bekanntlich das Wort,<br />

und dann droht die Tat!<br />

Präsident Donald Trump hat ein seit dem Zweiten<br />

Weltkrieg auf der ganzen Welt gültiges Tabu geritzt.<br />

Und das Aberwitzigste dabei ist, dass er auf die Unterstützung<br />

aus Teilen der US-Bevölkerung zählen kann!<br />

Dahinter steht ein bodenloses Unwissen vieler Bürger<br />

der USA.<br />

Weit weniger als die Hälfte der US-Bürger wusste<br />

damals, wo sich der Irak auf der geografischen Weltkarte<br />

befindet, geschweige denn, weshalb man gegen<br />

dieses Land Krieg führen sollte!<br />

Neulich hat die New York Times 1746 erwachsenen<br />

US-Amerikanern eine Asienkarte vorgelegt. 36 Prozent<br />

haben Nordkorea gefunden. Die restlichen 64<br />

Prozent tippten auf China, Indien oder gar Australien,<br />

alle asiatischen Länder hatten einen Treffer.<br />

Wäre das Thema nicht so ernst, könnte man über<br />

das Resultat dieser Umfrage lachen, wie wir es jeweils<br />

taten, wenn Amerikaner die Schweiz mit Schweden<br />

verwechselten: «You make good chocolate in<br />

Sweden!» …<br />

In einer Demokratie, auch in einer repräsentativen,<br />

müssen die Bürger sich eine Meinung zu den anstehenden<br />

Sachfragen bilden oder wenigstens Repräsentanten<br />

wählen können, die sich in den verschiedensten<br />

Materien auskennen, auch in Geografie und<br />

Geschichte!<br />

Wer die Schrecken des US-Atomangriffs auf Hiroshima<br />

und die tödlichen Folgen nicht kennt, kann die<br />

Tragweite eines atomaren Erstschlags gar nicht nachvollziehen,<br />

der ahnt allenfalls, aber weiss nicht wirklich<br />

um dessen Gefährlichkeit. Der redet dann von<br />

und droht mit Atomkrieg, als handle es sich um «War<br />

Games».<br />

Fehlendes elementares Wissen macht alles denkbar<br />

und alles möglich. Darum ist der beliebte Satz «Ich<br />

weiss nichts, macht nichts» abgrundtief falsch! Im<br />

Gegenteil: Mehr Wissen bringt bessere Entscheidungen.<br />

Fürwahr ein Motto zum neuen Schuljahr, das<br />

soeben begonnen hat!<br />

STIFTUNG ELTERNSEIN<br />

«Eltern werden ist nicht schwer,<br />

Eltern sein dagegen sehr.» Frei nach Wilhelm Busch<br />

Oft fühlen sich Eltern alleingelassen in ihren Unsicherheiten,<br />

Fragen, Sorgen. Hier setzt die Stiftung Elternsein<br />

an. Sie richtet sich an Eltern von schulpflichtigen Kindern<br />

und Jugendlichen. Sie fördert den Dialog zwischen<br />

Eltern, Kindern, Lehrern und die Vernetzung der elternund<br />

erziehungsrelevanten Organisationen in der<br />

deutschs prachigen Schweiz. Die Stiftung Elternsein<br />

gibt das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi heraus.<br />

www.elternsein.ch<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>49


Elterncoaching<br />

«Mir wird alles zu viel»<br />

Wie es Eltern gelingen kann, die ständige Verknappung<br />

der Zeit zu stoppen.<br />

Fabian Grolimund<br />

ist Psychologe und Autor («Mit<br />

Kindern lernen»). In der Rubrik<br />

«Elterncoaching» beantwortet<br />

er Fragen aus dem Familienalltag.<br />

Der 37-Jährige ist verheiratet<br />

und Vater eines Sohnes, 4,<br />

und einer Tochter, 1. Er lebt<br />

mit seiner Familie in Freiburg.<br />

www.mit-kindern-lernen.ch<br />

www.biber-blog.com<br />

Es ist sechs Uhr morgens.<br />

Ich bin auf dem Weg zu<br />

einer Lehrerfortbildung,<br />

der ich noch den letzten<br />

Schliff geben müsste.<br />

Dummerweise muss ich auch noch<br />

diesen Artikel hier zu Ende schreiben<br />

und vor Seminarbeginn einreichen.<br />

Zum Glück sind solche Last-<br />

Minute-Aktionen viel seltener<br />

geworden. Ich muss aber zugeben:<br />

Als Vater von zwei Kindern alles<br />

unter einen Hut zu bekommen, ist<br />

manchmal ziemlich schwierig.<br />

Eltern stehen heute unter einem<br />

immensen Druck. Das Bundesamt<br />

für Statistik zeigt einen klaren<br />

Anstieg der Gesamtarbeitszeit: Mütter<br />

von kleinen Kindern arbeiten<br />

insgesamt 68 Stunden pro Woche,<br />

die Väter 70. Bei den Vätern hat die<br />

Arbeit im Haushalt und in der Kinderbetreuung<br />

zugenommen, bei den<br />

Frauen die Erwerbsarbeit. Die<br />

Gleichstellung – ein wichtiges Ziel<br />

– führt momentan dazu, dass Männer<br />

und Frauen mehr zu tun haben,<br />

weil beide den Anspruch haben,<br />

alles zu sein und alles gut zu machen.<br />

Gleichzeitig steigen die Anforderungen<br />

und die Hektik in der<br />

Arbeitswelt: Immer mehr soll von<br />

immer weniger Menschen in immer<br />

Wir fürchten den Verlust,<br />

wenn wir auf eine neue,<br />

interessante Möglichkeit<br />

verzichten.<br />

kürzerer Zeit erledigt werden. Wie<br />

kommen wir da wieder raus? Wie<br />

können wir dem täglichen Stress<br />

begegnen? Durch einen Zeitmanagementkurs?<br />

Yoga? Entspannungsübungen?<br />

Das ist alles sinnvoll,<br />

braucht aber dummerweise<br />

– Zeit.<br />

Machen Sie weniger!<br />

Wenn wir über Stress klagen, denken<br />

wir meist darüber nach, wie wir all<br />

unserer Aufgaben Herr werden können.<br />

Wir versuchen schneller zu<br />

arbeiten, uns noch besser zu organisieren,<br />

uns effektivere Arbeitsmethoden<br />

anzueignen oder auf Erholung<br />

und Schlaf zu verzichten.<br />

Wirklich hilfreich ist nur: weniger<br />

tun. Das klingt banal. Aber es ist<br />

das Einzige, das uns langfristig aus<br />

der Überforderung heraushilft. Und<br />

es ist gleichzeitig eine Herausforderung,<br />

die wir nur meistern können,<br />

wenn wir uns darauf einlassen und<br />

entschlossene Schritte unternehmen.<br />

Mit etwas aufzuhören, etwas zu<br />

reduzieren oder zu etwas Nein zu<br />

sagen, fällt den meisten Menschen<br />

schwer. Wir fürchten den Verlust,<br />

wenn wir auf eine neue, interessante<br />

Möglichkeit verzichten. Wir sehen,<br />

wie sich eine Tür schliesst, und beeilen<br />

uns, Ja zu sagen. Auch dann,<br />

wenn wir hinterher fast in Arbeit<br />

und Verpflichtungen ersticken.<br />

Denn wenn wir Nein sagen, erteilen<br />

wir nicht nur anderen Menschen<br />

eine Absage, sondern auch unserem<br />

eigenen Ehrgeiz, unseren Ansprüchen,<br />

Zielen und Wünschen.<br />

Wenn wir dies aber lernen, verschaffen<br />

wir uns Luft und holen uns<br />

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />

50 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


unser Leben zurück. Wir machen<br />

weniger, das dafür mit mehr Freude,<br />

Ruhe und Qualität. Und wir können<br />

die Zeit mit Menschen, die uns<br />

wichtig sind, wieder geniessen, ohne<br />

ständig an unsere To-do-Liste zu<br />

denken.<br />

Egal, ob Sie gefragt werden, ob<br />

Sie dem Elternrat beitreten, ein politisches<br />

Amt übernehmen, eine<br />

Beförderung annehmen oder Ihrem<br />

Kind ein zusätzliches Hobby ermöglichen<br />

wollen: Erlauben Sie sich, auf<br />

Zeit zu spielen. Wann immer Sie<br />

zusagen möchten, könnten Sie von<br />

nun an sagen: «Ich überlege es mir<br />

und gebe dir morgen Bescheid»<br />

oder «Das klingt interessant – ich<br />

muss es aber zuerst mit meiner Partnerin,<br />

meinem Partner besprechen».<br />

Nehmen Sie sich diese Momente,<br />

um die Vorteile und die Kosten<br />

abzuwägen.<br />

Denken Sie an die Kosten Ihrer<br />

Zusage<br />

Anfangs sehen wir oft nur die Vorteile<br />

einer Zusage. Die Kosten<br />

kalkulie ren wir zu wenig ein. Wir<br />

unterschätzen den erforderlichen<br />

Aufwand meist gewaltig. Und wir<br />

führen uns nicht vor Augen, wozu<br />

wir implizit Nein sagen, wenn wir Ja<br />

sagen.<br />

Unser Tag hat 24 Stunden. Wenn<br />

wir Ja sagen zu einer neuen Aufgabe,<br />

sagen wir automatisch Nein zu<br />

etwas anderem: zu Zeit mit unseren<br />

Kindern, dem Partner oder der<br />

Partnerin, zu Erholung, Schlaf oder<br />

einem Hobby. Oft geben wir die<br />

wertvollsten Dinge her, um vermeintliche<br />

Pflichten zu erfüllen<br />

oder jemanden zufriedenzustellen,<br />

der laut genug auftritt. Sich diese<br />

Kosten im richtigen Moment<br />

bewusst zu machen, kann uns die<br />

nötige Courage verleihen, um uns<br />

gegen fordernde Chefs und Kollegen<br />

abzugrenzen, Kundenanfragen ab -<br />

zulehnen oder eine schmerzhafte<br />

Entscheidung zu treffen.<br />

Brian Tracy hat einmal darauf<br />

hingewiesen, dass es nur vier Mög-<br />

lichkeiten gibt, sein Leben zu<br />

ändern. Sie können:<br />

1. mit etwas Neuem beginnen<br />

2. etwas öfter tun<br />

3. etwas seltener tun<br />

4. etwas nicht mehr tun<br />

Wenn die meisten Veränderungen<br />

in Ihrem Leben darin bestehen,<br />

etwas Neues hinzuzufügen oder sich<br />

vorzunehmen, bestimmte Dinge<br />

öfter zu tun, bauen sich zusehends<br />

mehr Druck und Stress auf. Es<br />

wächst das Gefühl, dass Ihr Leben<br />

vom Wort «müssen» geprägt ist. Für<br />

Erholung, Schönes und Geselligkeit<br />

bleibt rasch weniger Raum.<br />

Wann immer es uns zu viel wird,<br />

können wir uns darauf konzentrieren,<br />

im nächsten halben Jahr ausschliesslich<br />

Ziele zu verfolgen, die<br />

darin bestehen, bestimmte Dinge<br />

seltener oder nicht mehr (selbst) zu<br />

tun.<br />

Ein Ziel könnte lauten, das<br />

Arbeitspensum zu reduzieren oder<br />

im nächsten Jahr keine Überstunden<br />

mehr zu leisten. Vielleicht ist es<br />

sinnvoll, ein Amt abzugeben, die<br />

Mitgliedschaft in einem Verein zu<br />

überdenken oder die Regel einzuführen,<br />

dass an zwei Wochenenden<br />

im Monat weder etwas unternommen<br />

noch jemand eingeladen wird.<br />

Eventuell reicht es auch schon, wenn<br />

Sie alle Ziele und Projekte, die Sie<br />

momentan verfolgen, auflisten –<br />

und den Rotstift ansetzen. Wie wäre<br />

es, wenn Sie ein halbes Jahr nicht<br />

versuchen, abzunehmen oder mehr<br />

Sport zu treiben? Wie würde es sich<br />

auswirken, wenn Sie Ihre Ansprüche<br />

im Haushalt eine Zeit lang bewusst<br />

senkten?<br />

Ziele schriftlich festhalten<br />

Meist befürchten wir allerlei Widerstände,<br />

wenn wir ein solches Ziel<br />

verfolgen. Wir denken, dass es nicht<br />

möglich ist, oder glauben, dass es<br />

schwerwiegende Einbussen oder<br />

Konflikte mit sich bringen wird.<br />

Wenn es uns ernst genug ist, wir solche<br />

Ziele schriftlich festhalten und<br />

Eventuell reicht es schon, wenn<br />

Sie alle Projekte, die Sie<br />

momentan verfolgen, auflisten<br />

und den Rotstift ansetzen.<br />

etwas Denkarbeit investieren, lassen<br />

sie sich genauso gut erreichen wie<br />

andere Ziele. Es ist schade, wenn ein<br />

Burnout notwendig ist, um das herauszufinden.<br />

Kurztipps:<br />

• Sagen Sie «Vielleicht» statt «Ja».<br />

• Wägen Sie die Kosten vorsichtig<br />

ab und machen Sie sich bewusst,<br />

was zu kurz kommen wird, wenn<br />

Sie zu einer Aufgabe oder einem<br />

Amt Ja sagen.<br />

• Nehmen Sie sich ab und zu Zeit,<br />

um Ihr Leben auszumisten. Was<br />

möchten Sie in Zukunft seltener<br />

oder nicht mehr tun? Und wie<br />

liesse sich das erreichen?<br />

In der nächsten Ausgabe:<br />

Hilfe, mein Kind ist ein Tagträumer.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>51


Erziehung Rubrik & Schule<br />

Wo<br />

Schule<br />

Freude<br />

macht<br />

Eine ganz «normale» staatliche<br />

Schulklasse in Wil, die so ganz<br />

anders ist: Hausaufgaben sind<br />

freiwil lig, auf Lehrmittel und<br />

Arbeitsblät ter wird verzichtet, und<br />

Prüfungsstress gibt es auch nicht.<br />

Dies dazu in einer altersgemischten,<br />

integrativen Kindergruppe. Wie geht<br />

das? Ein Unterrichtsbesuch.<br />

Text: Claudia Landolt Bilder: Samuel Trümpy / 13 Photo<br />

52 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Rubrik<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>53


Céline ist voll dabei<br />

– trotz ihrer<br />

Sehbehinderung.<br />

Für schriftliche<br />

Arbeiten verwendet<br />

sie ein Tablet.<br />

54 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

Sprachheilschule besuchen würde.<br />

Sowie weitere sechs Kinder, die<br />

anderswo separiert unterrichtet<br />

würden. Hier jedoch gehören sie alle<br />

dazu. Möglich ist dies, weil Achim<br />

Arn Klassenlehrer und Heilpädagoge<br />

zugleich ist und mit Darinka Egli<br />

stets zusammen vor Ort sein kann.<br />

Welche Schule ist<br />

die beste? Eine<br />

Schule, in der<br />

die Kinder ihr<br />

Potenzial entdecken<br />

und entfalten können sowie<br />

mit Freude lernen, sind sich Mütter<br />

und Väter und auch Lehrpersonen<br />

jeweils an Elternabenden einig.<br />

Eine, in der «jedes Kind selbstbestimmt<br />

in seinem Tempo und auf<br />

seine Weise lernt», sagt etwa Remo<br />

Largo*, der berühmteste Schweizer<br />

Kinderarzt.<br />

Nun sind alle Kinder verschieden,<br />

lernen verschieden und stammen<br />

aus ganz unterschiedlichen<br />

Verhältnissen. Diesen unterschiedlichen<br />

kindlichen Entwicklungsständen<br />

wollen einige Schweizer<br />

Schulen entgegenkommen. Sie<br />

haben das Altersdurchmischte Lernen<br />

(AdL) eingeführt – als pädagogische<br />

Antwort auf diese sogenannte<br />

Heterogenität.<br />

Wir wollten wissen, wie der<br />

Schulalltag in einer solchen Mischklasse,<br />

die zudem integrativ geführt<br />

wird, aussieht, und besuchten eine<br />

von acht Klassen des Alleeschulhauses<br />

in Wil. Die Schule gilt als<br />

Vorzeigemodell und ist für ihr<br />

Schulkonzept «Prisma» ausgezeichnet<br />

worden. Darinka Egli und<br />

Achim Arn sind dort Lehrpersonen<br />

und unterrichten als Zweierteam<br />

gemeinsam 21 Kinder im Alter von<br />

sechs bis zehn Jahren – auch Kinder<br />

mit besonderen Bedürfnissen.<br />

Zum Beispiel Céline. Sie ist<br />

schwer sehbehindert und damit das<br />

Kind mit dem sichtbarsten Handicap.<br />

Oder der heute so aufgeweckte<br />

Tenzin, der im Kindergarten sehr<br />

wenig sprach und ansonsten eine<br />

Vom echten Leben lernen<br />

Es ist Dienstagmorgen, 7.30 Uhr. Die<br />

grosse Eingangstüre des Alleeschulhauses<br />

mitten im Stadtzentrum von<br />

Wil ist weit geöffnet. Nach und nach<br />

trudeln die Kinder der Klasse Egli/<br />

Arn im Klassenzimmer ein. Obwohl<br />

der Unterricht erst um 8 Uhr anfängt,<br />

sind die Lehrpersonen schon eine<br />

halbe Stunde früher vor Ort – um<br />

den Kindern einen individuellen<br />

und ruhigen Schulstart zu ermöglichen<br />

und den Eltern etwas Morgenstress<br />

zu nehmen. So kommt es nicht<br />

selten vor, dass manche sich im<br />

Schulzimmer die Zähne putzen, sich<br />

ein Buch schnappen oder an ihren<br />

Aufgaben arbeiten.<br />

Um 8 Uhr ertönt das Morgenlied<br />

auf dem Klavier. Die Schule beginnt.<br />

Heute steht ein Ausflug in den Wald<br />

an. «Vom Baum zum Stuhl» heisst<br />

das Thema. Ihre Entdeckungen<br />

bebildern und beschreiben sie in<br />

ihrem Arbeitsheft, dem sogenannten<br />

Forschungsheft. Vorerst gilt es,<br />

den 20-minütigen Fussmarsch in<br />

den Wald zu bewältigen. Das gelingt<br />

mit wenig Gedränge und Geschubse<br />

– zu gross ist die Vorfreude. «Ich<br />

finde es toll, dass wir so viel draussen<br />

sind», bringt es Mehrin >>><br />

Was gefällt den Kindern an ihrer<br />

besonderen Klasse/Schule?<br />

«Ich finde es toll, dass wir freie<br />

Tätigkeit haben, das macht<br />

glaube ich sonst keine Schule.»<br />

Lilija, 9<br />

55


Erziehung & Schule<br />

>>> auf den Punkt. Alle zwei<br />

Wochen brechen die Mädchen und<br />

Buben in den Wald auf. Im Rahmen<br />

ihres Realienthemas haben sie sich<br />

viele Wochen mit Bäumen beschäftigt,<br />

sie zu unterscheiden gelernt,<br />

verschiedene Keimlinge gesammelt<br />

und in kleine Tontöpfe gepflanzt.<br />

Diese stehen nun auf den Pulten<br />

im Schulzimmer. «Wir pflegen sie<br />

gut», erklärt uns Vleran unterwegs<br />

ganz stolz. «In unserer Baumschule<br />

haben wir viele Bäumchen. Wir pflegen<br />

sie, bis sie gross genug sind, um<br />

in den Wald ausgepflanzt zu werden.<br />

Dies haben schon viele Schulklassen<br />

vor mir so gemacht. Darum hat es<br />

im Wald ganz viele grosse Bäume<br />

aus unserer Klasse.» Heute geht es<br />

also in den Wald, wo der Wiler Förster<br />

Renaldo Vanzo bereits auf die<br />

Kinder wartet. Er sucht an diesem<br />

Tag mit ihnen die Bäumchen aus<br />

ihrer Baumschule aus, die sie an<br />

einer entfernt liegenden Lichtung<br />

einpflanzen werden.<br />

Keine Schulglocke, die erklingt,<br />

kein Sehnen nach der Pause und<br />

kein Pressieren auf den Zug. «Das<br />

Leben findet draussen statt, das sollen<br />

die Kinder miterleben», erklärt<br />

Darinka Egli. So geht die Klasse<br />

nicht nur regelmässig in den Wald,<br />

sondern nutzt auch die Stadt als<br />

Lernort. Zum aktuellen Thema<br />

«Vom Baum zum Stuhl» besuchten<br />

sie bereits eine Sägerei und eine<br />

Schreinerei. «Kinder sollen Lebensstärke<br />

entwickeln, das heisst, mit<br />

beiden Beinen im Leben stehen. Das<br />

bedeutet, dass sich Kindergarten<br />

und Schule den echten Inhalten und<br />

Situationen des Lebens stellen müssen»,<br />

sagt Darinka Egli.<br />

Einander helfen ist Programm<br />

Wir spazieren zur Waldlichtung.<br />

Ein Mädchen in gelber Regenjacke<br />

greift nach meiner Hand. Es ist Cé ­<br />

line. «Gehst du gerne in den Wald?»,<br />

fragt sie mich. Und sagt dann in<br />

einer Grosszügigkeit, wie sie nur<br />

Kindern eigen ist: «Ich habe eine<br />

Sehbehinderung – und dann habe<br />

ich noch zwei Geschwister und bin<br />

zehn Jahre alt, und du?» Ihre jüngere<br />

Klassenkollegin Tijana hüpft<br />

neben uns, munter wie Pippi Langstrumpf.<br />

Zwischen zwei Sprüngen<br />

und zahlreichen Entdeckungen<br />

(«eine Schnecke!») berichtet sie mir<br />

aus ihrer Welt: von ihrem Morgen,<br />

ihrer Familie und ihrem baldigen<br />

Geburtstag. Zwischendurch erklärt<br />

sie Céline den Weg: «Jetzt musst du<br />

nach rechts abbiegen.» Dass man<br />

sich gegenseitig hilft, ist in dieser<br />

Klasse Programm. Es bedeutet: «Ich<br />

weiss, wo ich gebraucht werde, aber<br />

auch ich brauche die anderen. Das<br />

Erste stärkt das Kind, und das Zweite<br />

gibt ihm Sicherheit», erklärt<br />

Achim Arn. >>><br />

«Wenn sich ein Kind<br />

wohlfühlt, kann ich<br />

es als Lehrer auch<br />

herausfordern»<br />

Achim Arn ist Lehrer einer<br />

integrativen und altersgemischten<br />

Unterstufe in Wil. Für ihn muss<br />

Schule ein Ort der Ermutigung sein.<br />

Wie das möglich ist, erzählt er im<br />

Interview.<br />

Interview: Claudia Landolt<br />

Herr Arn, gehen Ihre Schülerinnen und<br />

Schüler gern zur Schule?<br />

Ja, und genau deshalb zeigen sie grossen<br />

Einsatz und tolle Leistungen. Leistung und<br />

Freude sind keine Widersprüche, sondern<br />

helfen sich gegenseitig.<br />

Ihre Klasse ist eine besondere Lerngemeinschaft.<br />

So arbeiten Sie beispielsweise<br />

ohne Lehrmittel. Warum?<br />

Das Leben und Lernen jedes Kindes ist<br />

einzigartig. Es findet immer im Hier und Jetzt<br />

«Ich finde die Spielzeit<br />

sehr schön, danach kann<br />

ich mich wieder<br />

gut konzentrieren.»<br />

Jonas, 9<br />

Rechnen ist ja lustig!<br />

Auch schüchterne<br />

Kinder entwickeln<br />

Spass an der<br />

Mathematik ohne<br />

Wettbewerb.<br />

statt und lässt sich folglich nicht wiederholen.<br />

Wir wollen mit den Kindern neue Wege<br />

gehen und nicht ausgetretene Pfade. Das ist<br />

spannender und nachhaltiger. Diese Wege<br />

dokumentiert jedes Kind in seinem – zu<br />

Beginn leeren – Forscherheft. So kommen in<br />

drei Schuljahren gut und gerne über 20 sehr<br />

individuelle Hefte zusammen. Ein echter<br />

Schatz, auf den die Kinder sehr stolz sind!<br />

Ganz «nebenbei» fördern wir damit nicht nur<br />

das Rechnen, Schreiben, Lesen usw.,<br />

sondern auch eigenständiges Denken.<br />

Was stört Sie an üblichen Lehrmitteln?<br />

Aus meiner Sicht orientieren sich die<br />

Lehrmittel, Arbeitsblätter, Werkstattposten<br />

usw. viel zu wenig an den Fragen und der<br />

Erlebniswelt der Kinder. Das können sie auch<br />

nicht, denn dazu sind die Kinder, ihre<br />

Hintergründe und ihre Möglichkeiten viel zu<br />

verschieden. Daneben verleiten Lehrmittel<br />

auch zu einer Abarbeitungs- und Erfüllungsmentalität.<br />

In Ihrer Klasse sind Kinder mit besonderen<br />

Bedürfnissen. Alle sind immer voll dabei.<br />

Es ist nicht nur normal, verschieden zu sein,<br />

sondern richtig toll! Denn erst durch diese<br />

unterschiedlichen Fähigkeiten und Hintergründe<br />

wird das Von- und Miteinanderlernen<br />

56 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Rubrik<br />

in unserer Klasse so spannend. Um diesen<br />

Umstand zu nutzen, arbeiten wir alle meist<br />

an demselben Thema oder derselben<br />

Aufgabe. Natürlich auf verschiedenen<br />

Niveaus und mit verschiedenen Zugängen,<br />

aber dennoch miteinander! Dabei merken<br />

wir dann alle, wie schön es ist, andern zu<br />

helfen, aber auch Hilfe annehmen zu können.<br />

Das ist für mich gelebte Inklusion.<br />

Bei Ihnen helfen alle Kinder einander ganz<br />

selbstverständlich. Sie als Lehrperson<br />

geben also Verantwortung ab.<br />

Genau. Das geht aber nur, wenn man die<br />

Grundhaltung des Miteinanders verinnerlicht.<br />

Die Kinder sind mit mir gemeinsam für<br />

das Lernen jedes Kindes unserer Klasse<br />

verantwortlich. Das heisst aber, dass sie den<br />

Unterricht auch mitgestalten dürfen. Diese<br />

Haltung fordert gerade auch Kinder, die sehr<br />

schnell lernen. Durch ihre Mithilfe habe ich<br />

dann wiederum genug Zeit für ihre neuen<br />

Lernschritte.<br />

«Schwächere Kinder» ist ein Ausdruck,<br />

den Sie bewusst vermeiden.<br />

Schwäche klingt hier als Abwertung der<br />

Leistung eines Kindes. Diese normative<br />

Aussage wird niemandem gerecht, der sein<br />

Bestes gibt, und ist hinderlich für das<br />

Lernen. Dennoch ist es wichtig, dass jedes<br />

Kind lernt, einen selbstbewussten Umgang<br />

mit den eigenen Begrenzungen zu finden. Es<br />

geht darum, zu den eigenen Grenzen stehen<br />

zu können und sich mit der eigenen<br />

Fehlbarkeit auseinanderzusetzen. Das<br />

wiederum empfinde ich als Stärke.<br />

In Ihrer Klasse gibt es keine Prüfungen.<br />

Warum? Und wie ist das möglich?<br />

Prüfungen und Noten orientieren sich an<br />

einer Altersnorm und nicht am einzelnen<br />

Kind. Das hat für viele Kinder und ihre<br />

Lernbiografie negative Folgen. Deshalb<br />

verzichten wir im Unterricht auf Prüfungen.<br />

Als Klasse in einer öffentlichen Schule sind<br />

wir jedoch gezwungen, halbjährlich<br />

Zeugnisse abzugeben. Die dort enthaltenen<br />

Noten basieren auf den Leistungen in den<br />

Forschungsheften der Kinder und auf<br />

Beobachtungen im Unterricht. Aber auch<br />

gegenüber diesen Noten sind wir kritisch<br />

und besprechen dies auch mit den Kindern<br />

und Eltern.<br />

Wie wirkt sich das integrative und<br />

altersdurchmischte Lernen auf die spätere<br />

Laufbahn Ihrer Schüler aus?<br />

Zahlen und Statistiken dazu habe ich keine<br />

– woher auch? Und allgemeine Aussagen<br />

dazu zu machen, liegt mir fern, denn weder<br />

Integration noch Altersdurchmischung<br />

garantieren guten Unterricht und Schulerfolg.<br />

Für die Kinder zählt einzig, was ihre<br />

Lehrpersonen und das Umfeld mit ihnen<br />

leben und lernen. Was ich zur Frage ganz<br />

persönlich sagen kann, ist, dass mich und<br />

unsere Klasse immer wieder ehemalige<br />

Schülerinnen und Schüler besuchen. Ich<br />

staune dabei immer wieder über den Weg,<br />

den diese jungen Menschen gehen und<br />

gegangen sind. Dass einige von ihnen Dinge<br />

erreicht haben, welche ihnen viele nie zu getraut<br />

hätten, freut mich dann umso mehr.<br />

Zur Person<br />

Achim Arn ist Primarlehrer und Heilpädagoge.<br />

Er unterrichtet mit seiner Kollegin Darinka Egli<br />

im Alleeschulhaus in Wil. Er hält Gastreferate<br />

im Bereich der «inklusiven Didaktik». Er ist<br />

verheiratet und Vater einer zweijährigen Tochter.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>57


Erziehung & Schule<br />

Schule mit Auszeichnung<br />

Das Alleeschulhaus wurde 2006 für sein<br />

Schulmodell Prisma mit dem Pestalozzi-Preis<br />

ausgezeichnet. Prisma heisst: mit den Kindern die<br />

Schule gestalten, nicht für sie. Praktisch geschieht<br />

das beispielsweise im Gruppenrat (Klassenverbund)<br />

und an der Prisma-Vollversammlung (ganzes<br />

Schulhaus). Prisma ist eine geleitete öffentliche<br />

Schule, unterrichtet nach dem kantonalen Lehrplan<br />

und erfüllt sämtliche Vorgaben, auch die finanziellen.<br />

Mehr Informationen: www.prisma-wil.ch<br />

«Ich finde es toll, dass ich<br />

etwas Neues lernen kann und<br />

wir nach draussen gehen.»<br />

Vleran, 10<br />

>>> Auf der Lichtung zeigt der<br />

Förster den Kindern, wie man korrekt<br />

einen jungen Baum einpflanzt.<br />

Wenig später graben sie zu zweit<br />

mit einem Spaten ein Loch in den<br />

Boden und schleppen schwere<br />

Holzpfähle. Manche schwitzen, ziehen<br />

ihre Jacken aus. Andere diskutieren,<br />

wer welche Aufgabe hat.<br />

Auch Céline läuft über den un ­<br />

ebenen Waldboden, an der Hand<br />

ihrer Kollegin Joy. Ab und zu schaut<br />

Céline in den Himmel, als ob sie das<br />

gefällige Blau, die schöne Stimmung<br />

mit ihren Sinnen einfangen möchte.<br />

«Viele unserer Kinder kannten den<br />

Wald früher kaum und waren nur<br />

selten in der Natur», weiss Achim<br />

Arn.<br />

Die Unterrichtsform der altersdurchmischten<br />

Klassen und die des<br />

integrativen Unterrichts haben<br />

zahlreiche Kritiker. Die schwächeren<br />

Kinder würden die schnelleren<br />

bremsen. Die Lehrperson habe für<br />

die Starken zu wenig Zeit und das<br />

Unterrichtsniveau würde sinken,<br />

befürchten etwa Eltern. Und auch<br />

die Schwächeren hätten Probleme,<br />

da sie das Gefühl hätten, nicht zu<br />

genügen und am Rande zu stehen.<br />

Pädagogen machen den Mehraufwand<br />

in der Vorbereitung als auch<br />

mangelnde personelle Ressourcen<br />

geltend und hegen besonders in<br />

Kernfächern wie Deutsch oder<br />

Mathematik Zweifel, welche promotionswirksam,<br />

also entscheidend<br />

für den Übertritt in die nächste<br />

Klasse sind.<br />

Anderntags im Schulzimmer.<br />

Rechnen sei ihr Lieblingsfach, erklären<br />

uns mehrere Kinder voller Freude.<br />

Warum? «Weil wir hier Rechnen<br />

58 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ein Schulzimmer<br />

mit räumlicher<br />

Förderung à la<br />

carte: gross, hell<br />

und mit vielen<br />

Möglichkeiten<br />

zum Zurückzug.<br />

spielen. Das ist wie ein Rätsel lösen»,<br />

sagt Leon. Zum Beispiel Subtraktion.<br />

An diesem Morgen ge schieht<br />

dies zuerst mit einer selbstgebastelten<br />

Kegelbahn mit 7 oder 14 Kegeln,<br />

die es mit dem Finger und mit Hilfe<br />

einer Murmel wegzukicken gilt. Die<br />

Anzahl gefallener Kegel wird von<br />

der Startzahl 20 oder 40 subtrahiert.<br />

Wer zuerst bei 0 ist, hat gewonnen.<br />

Mehr als eine Stunde<br />

hochkonzentrier t<br />

Die Kinder entscheiden dabei selbst,<br />

mit welcher Anzahl Kegel und mit<br />

welcher Startzahl sie spielen wollen.<br />

Achim Arn erfragt das so: «Welche<br />

Anzahl Kegel ist gut für dich? Mit<br />

welcher Startzahl möchtest du<br />

üben?» Dann setzen sich zwei Kinder<br />

zusammen, welche die gleiche<br />

Herausforderung suchen, unabhängig<br />

von ihrem Alter. Die Rechenaufgabe<br />

wird ins Heft ge schrieben, der<br />

Kegelpartner rechnet mit und korrigiert,<br />

wo nötig. Nach einigen Runden<br />

treffen sich die Kinder im Kreis<br />

und geben sich Tipps, wie man fingerfertig<br />

die Kegel trifft und vor<br />

allem wie man die daraus entstehende<br />

Rechnung schlau lösen kann.<br />

Später rechnen die Kinder von<br />

der Tafel, an der unzählige Rechnungen<br />

verschiedenen Schwierigkeitsgrades<br />

stehen. Auch hier wählen<br />

sie selbst, welche Aufgaben zu<br />

ihnen passen und sie fordern. Sie<br />

entscheiden auch eigenständig, mit<br />

welchen Hilfsmitteln (Finger, Klötze<br />

oder iPad) sie die Rechnung lösen.<br />

Mehr als eine Stunde sind alle Kinder<br />

hochkonzentriert.<br />

Dabei ist die Bandbreite sehr<br />

gross: Ein siebenjähriger Junge rechnet<br />

im Tausenderraum, während das<br />

neunjährige Mädchen daneben bis<br />

20 arbeitet. Beide sind mit grossem<br />

Eifer dabei und helfen sich gegenseitig.<br />

Bei Fragen wenden sie sich zu ­<br />

erst an ihren Nachbarn, dann an<br />

eine der beiden Lehrpersonen. Auch<br />

Céline übt an ihrem iPad, mit einem<br />

Programm, das das Duo Arn/Egli<br />

eigens für sie entwickelt hat und ihr<br />

«Es ist sehr cool, dass Lehrer nicht<br />

alles alleine bestimmen, sondern<br />

wir mitbestimmen dürfen.»<br />

Lars, 7<br />

das selbständige Arbeiten an den<br />

Klasseninhalten ermöglicht. Am<br />

Schluss der Stunde gibt es eine Feedbackrunde,<br />

welche von einem Kind<br />

geleitet wird. «Wie ging es dir beim<br />

Arbeiten? Was hat dir geholfen? Wo<br />

möchtest du weiterarbeiten?»<br />

Mehrere Kinder melden sich und<br />

geben so Auskunft über ihr Lernen.<br />

Weniger rechenkompetente Kinder<br />

sind ebenfalls unter ihnen. Sie alle<br />

Anzeige<br />

wollen über ihr Lernen Auskunft<br />

geben. «Wir wollen nicht nur die<br />

Kinder dort abholen, wo sie stehen,<br />

sondern wollen, dass sie es selbst<br />

wissen. Von dort aus können wir<br />

gemeinsam überlegen, welche Lernschritte<br />

für sie folgen könnten», sagt<br />

Darinka Egli. Leistung sei, so doppelt<br />

Achim Arn nach, nicht nur im<br />

Verbund mit Wettbewerb denkbar,<br />

sondern könne auch aus >>><br />

Hildegard<br />

von Bingen<br />

oder Franziska<br />

von Gossau<br />

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sich aus.<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>59


Rubrik<br />

Gewonnen! Die<br />

siebenjährige<br />

Asya freut sich<br />

über das richtige<br />

Resultat beim<br />

Kegel rechnen.<br />

>>> Freude an der Sache heraus<br />

entstehen.<br />

Dabei ist die selbstgebastelte<br />

Kegelbahn keine Ausnahme. In dieser<br />

Klasse gibt es keine Lehrbücher,<br />

Arbeitsblätter, Werkstätten oder<br />

Wochenpläne. Gelernt wird am Thema<br />

selbst, dokumentiert wird in<br />

leeren Heften und geübt wird oft mit<br />

Spielen. Immer gibt es Raum zur<br />

Differenzierung.<br />

Und tatsächlich: Es scheint, als ob<br />

keines dieser Kinder zu kurz kommt,<br />

jedem die Zeit geschenkt wird, die<br />

es für seine Lernschritte braucht.<br />

Während Da rinka Egli einer Gruppe<br />

eine Aufgabe erklärt, kann sich<br />

Achim Arn länger einem einzelnen<br />

Kind widmen. Es muss ihn dringend<br />

etwas fragen. «Es ist nett, dass du<br />

«Mir gefällt, dass die Lehrer<br />

nicht so streng sind und<br />

niemandem Angst machen.»<br />

Simon, 10<br />

mir beim Rechnen geholfen hast»,<br />

sagt das Mädchen später zu Achim<br />

Arn.<br />

Lernen im Rhythmus der Kinder<br />

Damit die Kinder so konzentriert<br />

arbeiten, wie sie es in der Mathematik<br />

tun, braucht es einen Tagesrhythmus,<br />

der ihnen entspricht. So treffen<br />

sich die Buben und Mädchen täglich<br />

im Morgenkreis. Auf dem kleinen<br />

Holztischchen in der Mitte liegt ein<br />

mehrteiliges Holzpuzzle, aus dem<br />

sechs Kinder ein Stück herausnehmen<br />

und etwas berichten dürfen. Sei<br />

es von ihrem neuen Rucksack oder<br />

einem Ausflug am Wochenende. Was<br />

immer ein Kind beschäftigt, kann so<br />

mit der Klasse geteilt werden.<br />

So erzählt ein Knabe zum Beispiel,<br />

dass er mit seinem Vater an der<br />

Eröffnung einer Moschee gewesen<br />

sei. Seine Klassenkollegen denken<br />

nach, man sieht förmlich, wie es hinter<br />

der Kinderstirn arbeitet. An ­<br />

schliessend fragen sie: «Was ist eine<br />

Moschee?», «Was machts du da?»,<br />

«Hast du da auch gebetet?» und<br />

«Sieht sie schön aus?».<br />

Nach der darauffolgenden, etwa einstündigen<br />

intensiven Arbeitsphase<br />

gibt es den wohlverdienten Znüni.<br />

Dieser wird nach dem Znünilied<br />

gemeinsam im Stuhlkreis in der<br />

Klasse eingenommen. Die Kinder<br />

holen ihre Snacks aus dem Schulthek.<br />

Es kommen Früchte zum Vorschein,<br />

ab und an ein Darvida, manchmal<br />

ein Sandwich. «Wenn wir wollen,<br />

dass die Kinder gesund essen, weil<br />

es zu ihrem Wohlbefinden beiträgt,<br />

muss das gesunde Essen Bestandteil<br />

des Alltags sein», sagt Darinka Egli.<br />

Enge Ernährungsvorgaben gebe es<br />

aber nicht, das Züni müsse einfach<br />

gesund sein. Dies führe dazu, dass<br />

die Schülerinnen und Schüler immer<br />

wieder über ihr Znüni diskutieren,<br />

ob etwas gesund sei oder nicht. So<br />

lernen sie ein Stück weit, sich gesund<br />

zu ernähren.<br />

Nach der Zwischenverpflegung<br />

wischt Tijana die Brösmeli vom<br />

Tisch und reinigt mit dem Staubsauger<br />

den Boden. Danach geht es hinaus<br />

zum Aus toben und Spielen –<br />

nicht ohne vorher besprochen zu<br />

haben, was man vorhat, damit nie­<br />

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60 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

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Erziehung & Schule<br />

«Wir lachen einander nicht aus<br />

und helfen einander.»<br />

Joy, 9<br />

mand sich langweilt oder allein<br />

bleibt. «Das ge meinsame Znüni und<br />

das Pausenkonzept wurde entwickelt,<br />

damit Ernährung und Bewegung<br />

genug Raum im Alltag haben»,<br />

erklären die beiden Pädagogen. Auf<br />

die Pause folgen oft Phasen des freien<br />

Spielens und Lernens, des Sports<br />

oder des Gestaltens.<br />

Dass in dieser Klasse das Kind in<br />

seiner gesamten Entwicklung im<br />

Zentrum steht, wird schnell sichtbar.<br />

Auch darin, dass von allen Kindern<br />

der Klasse ein grosses Familienfoto<br />

an der Wand hängt. Hier<br />

gehören nicht nur alle Kinder, sondern<br />

auch ihre Familien dazu. Die<br />

Eltern sind auch ohne Vorankündigung<br />

immer gern als Besucher in<br />

der Klasse gesehen. Das sorgt für ein<br />

gutes gegenseitiges Verständnis, was<br />

bei den vielen nicht alltäglichen<br />

Dingen in dieser Klasse wichtig ist.<br />

Eine Mutter erzählt mir, dass<br />

Konflikte innerhalb der Klasse nicht<br />

an den Mittagstisch gelangen, sondern<br />

in der Schule gelöst werden.<br />

Die Sprachkultur schwappe auch auf<br />

das Elternhaus über, erzählt sie.<br />

«Häufiger als ‹Ich will› hören wir<br />

nun ‹Ich hätte einen Vorschlag›.»<br />

Manche Kinder empfinden diesen<br />

Unterrichtsstil jedoch als «anstrengend,<br />

weil ich da so viel selber denken<br />

muss», sagt etwa eine Schülerin.<br />

«Das empfinde ich aber als Kompli­<br />

ment«, antwortet Achim Arn. «Selber<br />

zu denken, ist nicht der einfachste<br />

Weg. Doch nur wer alles<br />

selber ausprobieren, prüfen und<br />

erforschen will, wird echte Lebensstärke<br />

entwickeln.»<br />

>>><br />

* Remo Largo: Das passende Leben.<br />

Zürich <strong>2017</strong>, 170 Seiten.<br />

Claudia Landolt<br />

war sehr beeindruckt, wie harmonisch,<br />

liebevoll und hilfsbereit die Kinder<br />

miteinander umgehen. Und wie inspirierend<br />

Lernen ohne Lehrmittel ist. Kegelrechnen<br />

übt sie jetzt auch mit ihren Söhnen.<br />

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Erziehung & Schule<br />

Sackgeld –<br />

wer bekommt wie viel?<br />

Den Umgang mit Geld lernen ist wichtig – aber wie? Laut einer grossen Taschengeldstudie<br />

sehen es Mütter und Väter klar als ihre Aufgabe, ihren Kindern den Umgang mit Geld<br />

beizubringen. Diese sind sogar vernünftiger, als viele Eltern denken. Text: Florence Schnydrig Moser<br />

Ab welchem Alter sollte<br />

man seinen Kindern<br />

ein Sackgeld<br />

zahlen? Wie hoch<br />

sollte dieses sein?<br />

Und wie machen das andere Eltern?<br />

Diesen und anderen Fragen ging<br />

eine grosse Studie zum Thema<br />

Taschengeld auf den Grund. Im Auftrag<br />

von Credit Suisse und in<br />

Kooperation mit Pro Juventute wurden<br />

11 000 Mütter und Väter in der<br />

ganzen Schweiz befragt.<br />

Dabei wurde deutlich, wie wichtig<br />

es Schweizer Eltern ist, ihren Kindern<br />

einen verantwortungsbewussten<br />

Umgang mit Geld beizubringen<br />

Grafik 1 Grafik 2<br />

Anteil der Eltern, die ihren Kindern Taschengeld geben<br />

nach Sprachregion<br />

100 %<br />

50 %<br />

86 %<br />

89 %<br />

72 %<br />

41 %<br />

11 %<br />

43 %<br />

0 %<br />

5 – 7 Jahre<br />

8 – 11 Jahre 12 – 14 Jahre<br />

Deutsch Französisch<br />

Anteil der Kinder, die Taschengeld erhalten<br />

nach Geschlecht<br />

100 %<br />

50 %<br />

72 % 81 % 84 % 85 %<br />

28 % 43 %<br />

0 %<br />

5 – 7 Jahre<br />

8 – 11 Jahre 12 – 14 Jahre<br />

Mädchen Buben<br />

Bild: Martin Barraud / Plainpicture Grafiken: Credit Suisse / sotomo<br />

62 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


In Zusammenarbeit mit der Credit Suisse<br />

– wichtiger noch als die Förderung<br />

von Bescheidenheit oder Zielstrebigkeit.<br />

Das sehe ich auch bei mir und<br />

meinen eigenen Kindern. Obwohl<br />

sie erst sechs und acht Jahre alt sind,<br />

sollen sie schon jetzt ein Bewusstsein<br />

für den Wert des Geldes entwickeln<br />

und lernen, was Sparen bedeutet.<br />

Damit bin ich nicht alleine: Die<br />

meisten Eltern führen ihre Kinder<br />

im Alter von sechs Jahren in die<br />

Welt des Geldes ein – also dann,<br />

wenn sie in die Schule kommen und<br />

das Einmaleins lernen. Mit sieben<br />

Jahren dürfen Kinder üblicherweise<br />

das erste Mal selbst kleine Einkäufe<br />

erledigen und mit zehn Jahren über<br />

Geldgeschenke verfügen.<br />

Das Sackgeld nutzen die meisten<br />

Eltern als wichtiges Übungsfeld:<br />

Kinder können so erste Erfahrungen<br />

im Umgang mit Geld sammeln,<br />

ohne in finanzielle Schieflage zu ge ­<br />

raten. Deshalb erstaunt es wenig,<br />

dass etwa die Hälfte aller Siebenjährigen<br />

Sackgeld bekommt – zumindest<br />

in der Deutschschweiz. Für die<br />

Mehrheit der Kinder in der Romandie<br />

gibt es erst mit dem Übertritt<br />

in die Sekundarschule Sackgeld<br />

(Grafik 1).<br />

Grafik 3<br />

Mittelwert des monatlichen Taschengelds (in Franken)<br />

nach Alter des Kindes<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

5 5<br />

6 7<br />

11<br />

14 17<br />

5 J. 6 J. 7 J. 8 J. 9 J. 10 J. 11 J. 12 J. 13 J. 14 J.<br />

Was überrascht: Mädchen erhalten<br />

später Taschengeld als Buben. Besonders<br />

bei den fünf- bis siebenjährigen<br />

Kindern fällt der Unterschied<br />

auf; so bekommt fast jeder zweite<br />

Bub Sackgeld, bei den Mädchen nur<br />

jedes dritte. Zumindest bei der Höhe<br />

des Sackgeldes herrscht aber Ausgeglichenheit<br />

(Grafik 2).<br />

Die Höhe des Taschengelds hängt<br />

vom Alter ab. Kinder zwischen fünf<br />

und sieben Jahren erhalten im<br />

Schnitt vier Franken pro Monat, bei<br />

den Acht- bis Elfjährigen sind es<br />

zehn und bei den Zwölf- bis Vierzehnjährigen<br />

20 Franken (Grafik 3).<br />

Zwei Drittel der Kinder können<br />

frei über ihr Taschengeld verfügen<br />

und selbständig entscheiden, wofür<br />

sie das Geld einsetzen. Bemerkenswert<br />

ist, dass die Kinder diese Freiheit<br />

nicht ausspielen: Knapp die<br />

Hälfte legt einen grösseren Teil des<br />

Sackgelds zur Seite und beginnt mit<br />

dem Aufbau eines kleinen Vermögens.<br />

Natürlich haben Kinder auch<br />

Konsumwünsche, für die gespart<br />

wird: Häufig genannte Sparziele<br />

sind der Computer, ein Töffli oder<br />

Smartphone sowie Spielzeug wie<br />

Lego. Oft gaben Eltern auch an, dass<br />

23<br />

39<br />

48<br />

ihre Kinder auf nichts Spezielles<br />

sparen, sondern generell für die<br />

Zukunft.<br />

Als Mutter gefällt mir diese<br />

Erkenntnis. Denn offensichtlich<br />

sind unsere Kinder im Umgang mit<br />

Geld vernünftiger, als wir gemeinhin<br />

annehmen. Der richtige Umgang<br />

mit Geld wird in unserer Familie<br />

weiterhin Thema bleiben. Die Er ­<br />

gebnisse der Taschengeldstudie<br />

geben mir dabei Orientierung.<br />

Florence<br />

Schnydrig Moser<br />

ist Leiterin von Products & Investment<br />

Services bei der Credit Suisse und<br />

Auftraggeberin der Taschengeldstudie.<br />

Die grösste Taschengeldstudie der<br />

Schweiz zeigt:<br />

• Für die meisten Eltern ist das Sackgeld ein<br />

wichtiger Teil der Finanzerziehung.<br />

• In der lateinischen Schweiz hat<br />

Finanz erziehung einen geringeren<br />

Stellenwert und Sackgeld wird später<br />

vergeben als in der Deutschschweiz.<br />

• Sechs von zehn Kindern können frei über ihr<br />

Sackgeld verfügen.<br />

• Die Mehrheit der Mädchen erhält später<br />

Sackgeld als Buben, später jedoch einen<br />

ähnlichen Betrag.<br />

Mehr Informationen finden Sie unter:<br />

credit-suisse.com/taschengeldstudie<br />

In der Viva Kids World der Credit Suisse finden<br />

Eltern Tipps und Tricks für die Finanz erziehung.<br />

Kinder entdecken Finanzthemen gemeinsam<br />

mit der Viva-Kids-Bande.<br />

credit-suisse.com/vivakidsworld<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>63


Kolumne<br />

Im Haus der Zukunft<br />

Michèle Binswanger<br />

Die studierte Philosophin ist Journalistin und<br />

Buchautorin. Sie schreibt zu Gesellschaftsthemen,<br />

ist Mutter zweier Kinder und lebt in Basel.<br />

Einer der schönsten Texte für Eltern ist Kahlil Gibrans Gedicht<br />

«Über Kinder». «Eure Kinder sind nicht eure Kinder (…),<br />

ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht<br />

besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen», so heisst es.<br />

Ich werde also niemals wissen, in welchem Zimmer meine<br />

Kinder im Haus der Zukunft wohnen werden. Aber ich habe eine ganz<br />

gute Vorstellung, was ihre Generation prägt: das Smartphone.<br />

Meine Kinder gehören zur sogenannten iGen. Gemeint sind die Jahrgänge<br />

von 1995 bis 2012, die mit Smartphones und sozialen Medien<br />

aufgewachsen sind. Wie genau die digita le Revolution die Adoleszenz<br />

verändert, hat Psycho logie professorin Jean M. Twenge kürzlich in<br />

einem viel diskutierten Artikel dargelegt. Sie bezieht sich auf Statistiken,<br />

die in Amerika erhoben wurden. Aber die Veränderungen dürften jede<br />

durch Smartphones geprägte Gesellschaft betreffen.<br />

Heutigen Teenagern, beobachtet Twenge, geht es in einigen Hinsichten<br />

besser als vorherigen Generationen. Etwa bauen sie weniger Autounfälle<br />

oder haben weniger Probleme mit Rauchen und Alkohol. Dafür<br />

gehe es ihnen psychisch schlecht, denn Depressions- und Suizidraten<br />

unter Teens seien explodiert. Die Teenager der iGen sind abhängiger von<br />

ihren Eltern als frühere Generationen, sie gehen weniger alleine aus<br />

dem Haus, sie daten weniger, lernen später Autofahren, haben weniger<br />

Ferienjobs. Sexuell sind sie ebenfalls weniger aktiv. Was sie mit ihrer Zeit<br />

anfangen, liegt auf der Hand: Sie liegen alleine im Bett – mit dem Smartphone.<br />

In einer Zeit, in der meine Generation sich nichts sehnlicher<br />

wünschte, als mit anderen Teenagern die Köpfe zusammenzustecken,<br />

steckt die iGen ihren Kopf ins Smartphone. Und es macht sie un glücklich:<br />

Je mehr Zeit Teenager am Handy verbringen, desto weniger glücklich<br />

sind sie. Das betrifft Mädchen noch stärker als Buben, weil diese auch<br />

öfter Opfer von Cyberbullying sind.<br />

Das sind schmerzliche Beobachtungen. Allerdings beleuchtet Autorin<br />

Twenge nur eine Seite der Medaille. Wenn ich mich an meine Jugend<br />

zurückerinnere, hat die digitale Re volution doch auch positive Seiten.<br />

Wie verzweifelt hätte ich mir in den Achtzigerjahren so etwas wie Spotify<br />

gewünscht, um jene Musik zu finden, die ich hören wollte. Stattdessen<br />

harrte ich Stunden um Stunden am Radio aus, um im richtigen Moment<br />

auf Rec zu drücken – dann nämlich, wenn mein Song endlich gespielt<br />

wurde. Mein Sohn kann heute mit dem Smartphone gleich selber Hits<br />

produzieren. Meine These ist deshalb: Bringt ein Kind ein stabiles<br />

soziales Fundament mit und hat es kreative Interessen, dann ist das<br />

Smartphone mehr Segen als Fluch.<br />

Allerdings weiss ich, wie süchtig das ewige Surfen in sozialen Medien<br />

machen kann. Ich weiss zudem, wie schwer es Kindern manchmal fällt,<br />

auf das Smartphone zu verzichten und etwas anderes zu tun. Aber mit<br />

etwas Nachdruck kriegt man das hin. Solange man nicht zu bequem ist,<br />

zu inter venieren – weil man selber dauernd ins Handy starrt –, gibt es<br />

auch für die iGen Hoffnung. Denn auch sie hat Anrecht auf ein hübsches<br />

und helles Zimmer im Haus der Zukunft.<br />

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />

64 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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Do sier<br />

Der 9-jährige Emilio<br />

hat Autismus. Rituale<br />

bestimmen sein<br />

Leben. Mehrmals am<br />

Tag geht er in den<br />

Wäscheraum und<br />

beobachtet die<br />

drehenden Trommeln.<br />

wischen Tütensu pen<br />

und Trockenobst fa se<br />

ich Mut. Fast eine halbe<br />

Stunde bin ich durch<br />

mich nicht zu ste len traute.<br />

die D-d-d …»<br />

Ich begi ne zu schwitzen.<br />

Silbe hat.<br />

die ich nicht brauche.<br />

Leserbriefe<br />

«Menschen mit Autismus<br />

brauchen unsere Unterstützung»<br />

«Herzlichen Dank!»<br />

(Dossier «Autismus», Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />

Das andere Kind –<br />

leben mit Autismus<br />

Eine Störung für die einen, eine Wesensart für die anderen<br />

und eine Herausforderung für alle. Das ist Autismus.<br />

Jedes hundertste Kind in der Schweiz ist davon betroffen.<br />

Was heisst das für das Kind? Was für seine Eltern?<br />

Und vor a lem: Wer hilft?<br />

Text: Sarah King Bilder: Daniel Auf der Mauer / 13 Photo<br />

10 August <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi August <strong>2017</strong> 1<br />

In der August-Ausgabe Ihres ElternMagazins ist ein Porträt über<br />

das Leben von Emilio veröffentlicht worden. Emilio ist mein Sohn.<br />

Leben mit Autismus ist unser Alltag. Frau King hat eine wunderbare<br />

Arbeit geleistet. Die Bilder haben mich sehr berührt.<br />

Ich freute mich auch über Ihre Videopräsentation. Sie ist ein<br />

wichtiger Beitrag zur korrekten Information. Mehr Verständnis<br />

bringt auch mehr Toleranz. Für Ihren Beitrag möchte ich mich<br />

herzlich bedanken. Ich habe viele Feedbacks bekommen von Eltern<br />

und Selbstbetroffenen, die schwierige Lebenskonditionen haben.<br />

Durch einen korrekten Zugang zur Öffentlichkeit fühlen sich die<br />

Leute nicht mehr alleine. Sie wissen, dass ihr Leiden nicht umsonst<br />

ist, dass sich der tägliche Kampf mit Alltag, Umfeld, Schule und<br />

Institutionen lohnt und dass sie nicht still in der Verzweiflung<br />

untergehen müssen.<br />

Gerne leistete ich mit den 30 erhaltenen Exemplaren Ihrer<br />

August-Ausgabe Aufklärungsarbeit. Geschäfte, Schulen, Ärzte,<br />

Nachbarschaft und Gemeinde haben grosses Interesse gezeigt.<br />

Denn Emilios Verhalten löst viele Fragen aus. Bezahlen an der<br />

Kasse ist eine hohe Hürde. Unerwartete Bewegungen der anderen<br />

Kunden sind für Emilio eine Herausforderung, ebenso Licht oder<br />

Lärm. Die Benutzung der öffentlichen Toiletten ist seit dem<br />

Aufkommen der Hochdruck-Handtrockner eine Odyssee; das laute<br />

Geräusch und der Druck sind für sensible Autisten unerträglich.<br />

Auch Bank, Kino und Post haben viele Fragen gestellt.<br />

Die Blindenschule Zollikofen hat eine neue Lernumgebung<br />

geschaffen und unterrichtet seit August sieben autistische<br />

Knaben. Die Beschulung von Kindern mit ASS ist schwierig. Es fehlt<br />

an geeigneten Schulen, Lerntools, Assistenzlehrern, Weiterbildungen<br />

und oft auch an Verständnis. Kinder mit ASS passen nirgends<br />

hin. Sie überfordern sowohl das Sonderschulsystem wie auch<br />

Regelschulen. Viele Kinder müssen mit ständigen Schulwechseln<br />

leben. Durch den ständigen Wechsel wird die soziale Integration<br />

gestört. Viele Kinder entwickeln Selbstmordgedanken. Eltern<br />

fühlen sich hilflos. Demnächst führt die Blindenschule einen<br />

Info-Anlass durch, an dem ich gerne das Heft verteilen würde.<br />

Wäre es möglich, weitere 50 Exemplare zu erhalten?<br />

«Eine Autismus-Strategie ist nötig»<br />

(Dossier «Autismus», Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />

«Autismus deutsche schweiz», die grösste Non-Profit-Organisation<br />

zum Thema Autismus in der Schweiz, bedankt sich für das<br />

vielseitige Dossier mit den eindrücklichen Porträts von Betroffenen.<br />

Sie zeigen, dass eine Autismus-Strategie für die Schweiz<br />

dringend nötig ist, damit die vielen ungelösten Themen angepackt<br />

werden und alle Beteiligten die nötige Unterstützung bekommen.<br />

Frühkindliche und andere Therapien etwa müssen für alle<br />

zugänglich sein und die Schulen in ihren Bestrebungen, Inklusion<br />

möglich zu machen, besser unterstützt werden. Zum Glück gibt es<br />

positive Beispiele dafür, wie dies gelingen kann, und engagierte<br />

Personen, die dies ermöglichen. Leider finden diese aber nur<br />

selten den Weg in die Medien. Dies ist bedauerlich, da gerade<br />

solche positiven Beispiele als Modelllösungen für Betroffene in<br />

ähnlichen Situationen dienen können.<br />

Menschen mit Autismus brauchen unsere Unterstützung, damit<br />

sie in ihrem «Anderssein» mit möglichst wenig Stress und viel<br />

Verständnis von ihrem Umfeld leben können. Das ist uns allen klar.<br />

Gute Ansätze müssen in der Öffentlichkeit bekannt werden, damit<br />

sie möglichst zahlreiche Nachahmer finden.<br />

Regula Buehler<br />

Geschäftsleitung autismus deutsche schweiz (per Mail)<br />

«Stottern muss nicht sein»<br />

(«Mein Stottern und ich», Heft 8/<strong>2017</strong>)<br />

Wir hatten selber einen stotternden Sohn. Als er sieben Jahre alt war,<br />

besuchten wir für zwei Wochen das Del-Ferro-Institut in Amsterdam,<br />

und danach flogen wir ein Jahr lang ein Mal im Monat nach Deutschland,<br />

Iserlohn, zur Nachsorge. Heute ist unser Sohn dreizehn Jahre alt<br />

und stottert nicht mehr. Es war eine sehr intensive und sehr harte<br />

Zeit, doch es hat sich gelohnt, und wir würden es sofort wieder tun.<br />

Stottern muss nicht sein: www.stottern-delferro.de.<br />

Erziehung & Schule<br />

MEIN<br />

STOTTERN<br />

UND ICH<br />

Etwa 80 000 Menschen hierzulande sto tern, oft so schwer,<br />

dass ihr A ltag leidet – und manchmal ihre Lebensplanung. Die<br />

Autorin Vivian Pasquet kämpft, seit sie fünf Jahre alt ist, gegen<br />

den drohenden Bruch in ihrem Redefluss. Hier erzählt sie ihre<br />

Geschichte. Text: Vivian Pasquet Bilder: Olaf Blecker<br />

Z<br />

den Supermarkt gelaufen.<br />

An a len Regalen mehrfach entlang,<br />

selbst bei Küchenro len und<br />

Klopapier habe ich nachgeschaut.<br />

Mit einer Frage im Kopf, die ich<br />

Schlie slich spreche ich eine Verkäuferin<br />

an. «Entschuldigung», sage<br />

Das Wort steckt fest, zwischen vor-<br />

«Die D-d-d-d …– Äpfel?» Die Mitlage,<br />

ich fü l eine Tüte mit Äpfeln,<br />

den und habe versprochen, Da teln Als ich auf die Strasse trete, fühle<br />

ich mich wie eine Versagerin.<br />

Ingrid Del Fe ro angerufen. Als ich<br />

16 Jahre alt war, hat die Sprechtrai-<br />

einem D anfängt und mehr als eine<br />

ich und atme tief ein. «Wo finde ich<br />

stück anderthalb Stunden am Bühse<br />

die Zunge gegen den Gaumen. >>><br />

derem Gaumen und Zungenspitze.<br />

Ich bin zum Abende sen eingela-<br />

im Speckmantel vorzubereiten. Jetzt<br />

habe ich nicht Hummus vorgeschla-<br />

verfluche ich mich dafür. Warum ZWEI TAGE ZUVOR habe ich<br />

gen, Salat oder Wackelpudding?<br />

Sto terzeit befreit. In der Grund-<br />

Egal was, Hauptsache nichts, das mit<br />

Ich schlie se die Augen und pres-<br />

arbeiterin führt mich zur Obstaus-<br />

nerin mich aus meiner schlimmsten<br />

schule ha te ich in einem Theater-<br />

nenrand gekauert und einen<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi August <strong>2017</strong> 59<br />

Bruna Rausa (per Mail)<br />

Karin Kauth (per Mail)<br />

66 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Weil sich ihr Sohn<br />

nach der Scheidung<br />

nicht um seine<br />

Tochter kümmern<br />

ko nte, nahmen<br />

Ines und Edi Schmid<br />

ihr Enkelkind<br />

Siriwan in Pflege.<br />

«Die Partnerin meines<br />

Exmannes akzeptierte<br />

mich nicht als Mutter»<br />

(Dossier «Pflegefamilien»,<br />

Heft 6 –7/<strong>2017</strong>)<br />

In guten<br />

Händen<br />

In der Schweiz leben rund 15 000 Kinder in<br />

Pflegefamilien und Heimen. Wer sind sie?<br />

Warum wachsen sie nicht bei Vater und Mutter<br />

auf? Und wie fühlt sich das an: Eltern auf Zeit?<br />

Eine Spurensuche.<br />

Text: Be tina Leinenbach Bilder: Gabi Vogt / 13 Photo<br />

10 Juni/Juli <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Vielen Dank für den spannenden Artikel zum Thema Pflegefamilien.<br />

Ich bin sehr froh, dass wir heute die Möglichkeit haben,<br />

Kindern, die Unterstützung benötigen, diese unter anderem auch<br />

in Pflegefamilien anbieten zu können.<br />

Im Informationsteil – «Wie werden wir Pflegeeltern?» – bin ich<br />

allerdings auf einen Punkt gestossen, der mich nachdenklich<br />

stimmt. Und ich gehe davon aus, dass ich da sicher nicht alleine<br />

betroffen bin: Pflegeeltern akzeptieren, dass Pflegekinder ein<br />

Recht auf Umgang mit ihren leiblichen Eltern haben, und sind<br />

fähig, eine wertschätzende Haltung gegenüber der Herkunfts ­<br />

familie des Kindes einzunehmen.<br />

Seit der Scheidung von meinem Exmann vor mehr als drei<br />

Jahren hat mich seine Partnerin nie als Mutter der gemeinsamen<br />

Kinder (14 und 11) akzeptiert. Sie hat sehr viel negativen Einfluss<br />

auf die Kinder, in der Schule auf die Lehrer und vor allem auf die<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Juni/Juli <strong>2017</strong> 1<br />

Kommunikation zwischen uns als Erziehungsberechtigte<br />

ge nommen, sodass ich gezwungen war, die Mithilfe von Behörden<br />

in Anspruch zu nehmen, um diesem Verhalten ein Ende zu setzen.<br />

Die Partnerin ist Heilpädagogin und hat keine Kinder. Aber sollten<br />

nicht genau diese Personen im Grunde die Fähigkeit besitzen, eine<br />

wertschätzende Haltung gegenüber der Herkunftsfamilie der<br />

Kinder einzunehmen? Im Schulalltag klappt das ja normalerweise<br />

auch.<br />

Seit mein Exmann und ich das aber zumindest erst mal<br />

mündlich mit dem Amt für Erwachsenen- und Kindesschutz<br />

geklärt haben, verläuft die Sache um so vieles angenehmer, und<br />

zwar für alle.<br />

S. Ramseier (per Mail)<br />

Schreiben Sie uns!<br />

Ihre Meinung ist uns wichtig. Sie erreichen uns über:<br />

leserbriefe@fritzundfraenzi.ch oder<br />

Redaktion Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>67


Digital & Medial<br />

«Wenn es<br />

wehtut,<br />

lache ich»<br />

Rauswurf aus dem Chat, beleidigende und bedrohliche<br />

Textnachrichten: Cybermobbing hinterlässt keine blauen<br />

Flecken, richtet aber bei betroffenen Kindern und<br />

Jugendlichen viel Leid an. So auch bei der 14-jährigen Laila*.<br />

Sie lässt ihre Mutter Renata Weiss* beschreiben,<br />

wie sehr Eltern mitleiden.<br />

Aufgezeichnet: Sarah King Bilder: Stephan Rappo / 13 Photo<br />

68 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Digital & Medial<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>69


Digital & Medial<br />

Mein Mann und ich<br />

haben uns oft<br />

gefragt: Was hätten<br />

wir besser<br />

machen können?<br />

Wir haben alles versucht: reden,<br />

schweigen, konfrontieren, vermitteln.<br />

Nichts nützte. Wir konnten als<br />

Eltern nur gemeinsam mit Laila<br />

durch diese Hölle gehen.<br />

Die Anfänge<br />

Es begann in der Unterstufe. Laila<br />

lud eine Schulkollegin nach Hause<br />

ein. Die beiden Mädchen verbrachten<br />

einen schönen Nachmittag. Am<br />

frühen Abend gingen sie ins Kinderturnen.<br />

Da drehte sich die Kollegin<br />

plötzlich um, kickte Laila mit<br />

dem Fuss in den Bauch und<br />

beschimpfte sie vor den anderen<br />

Kindern.<br />

Das kann doch nicht sein, dachte<br />

ich. Sie war den ganzen Nachmittag<br />

so lieb und dann plötzlich ein umgekehrter<br />

Handschuh. Daraufhin nahmen<br />

wir mit ihren Eltern Kontakt<br />

auf. Sie verstanden diese plötzliche<br />

Attacke ihrer Tochter nicht und<br />

redeten mit ihr. Ich spürte den<br />

Schmerz. Es tut weh, wenn das eigene<br />

Kind geplagt wird.<br />

Laila: Eigentlich begann das Mobbing<br />

schon früher. Aus organisatorischen<br />

Gründen kam ich in eine neue<br />

Klasse. Ich fand den Anschluss nicht,<br />

weil alle schon in ihren Gruppen<br />

waren.<br />

Ich schenkte dem keine Bedeutung.<br />

Dass etwas nicht stimmte,<br />

merkte ich erst, als Laila ihren<br />

Geburtstag nicht mehr feiern wollte.<br />

Sie wurde auch nie an Geburtstagsfeste<br />

eingeladen. Als später mein<br />

Mann als Begleitperson auf eine<br />

Schulreise eingeladen wurde, realisierten<br />

wir, wie sehr unsere Tochter<br />

in der Schule litt. «Ich erkannte<br />

unsere Tochter nicht wieder», sagte<br />

er, «Laila war so still. Und wenn sie<br />

etwas sagte, hörte niemand zu.» Laila<br />

ist eigentlich ein lebhaftes Kind.<br />

Eine Weile ging sie an Gespräche<br />

mit der Schulsozialarbeiterin. Nicht<br />

lange. «Das macht alles nur noch<br />

schlimmer», sagte sie. «Die anderen<br />

Kinder lästern über mich.» Die Lehrer<br />

sagten, sie könnten nichts tun.<br />

Laila tat dann etwas. Sie wehrte<br />

sich. Eines Tages schlug sie zurück,<br />

als sie geschlagen wurde. Eine Lehrerin<br />

intervenierte: Sie liess die Klasse<br />

einen Kreis bilden, setzte Laila in<br />

die Mitte und sagte: «Ich kann dich<br />

nicht schützen, wenn du anderen<br />

wehtust.» Sie war so blossgestellt.<br />

Von da an entwickelte Laila ein neues<br />

Muster: «Wenn es wehtut, lache<br />

ich.»<br />

Laila: Ich entschied mich, in der<br />

Schule die Starke zu sein. Bis in die<br />

sechste Klasse graute mir davor, morgens<br />

in die Schule zu gehen. Nachts<br />

heulte ich mich in den Schlaf. Das<br />

wollte ich nicht mehr.<br />

Mobbing rund um die Uhr<br />

Kam sie dann nach Hause, war sie<br />

umso wütender und niedergeschlagener.<br />

Das nahm zu, als die Klasse<br />

auch im privaten Familienalltag präsenter<br />

wurde. Zunehmend nutzte sie<br />

die sozialen Medien, um Laila zu<br />

mobben.<br />

Laila: Whatsapp, Instagram,<br />

Snapchat. Mit Snapchat kann man<br />

ein Bild für 24 Stunden hochladen,<br />

das für alle Follower sichtbar ist. Man<br />

kann auch Bilder aus einem privaten<br />

Chat schicken, die nach zehn Sekunden<br />

automatisch gelöscht werden.<br />

Eines Tages sassen wir bei uns im<br />

Garten, da sagte Laila: «Du, Mami,<br />

jetzt haben sie mich gerade aus dem<br />

Klassenchat rausgeworfen.» Sie rief<br />

das Mädchen an und fragte nach<br />

dem Grund. Die Antwort war kurz<br />

und klar: «Dich hassen alle, darum<br />

habe ich dich rausgeworfen.» Die<br />

Lehrerin sagte, das sei ausser- >>><br />

«Dass etwas nicht stimmte,<br />

merkte ich erst,<br />

als Laila ihren Geburtstag<br />

nicht mehr feiern wollte.»<br />

Laila ging nicht<br />

mehr gern zur<br />

Schule. Aber auch<br />

zu Hause<br />

erreichten sie die<br />

Beschimpfungen.<br />

Via Smartphone.<br />

70 September <strong>2017</strong>


71


«Ich bringe unsere Tochter<br />

unter die Wölfe.<br />

So fühlte ich mich.»<br />

>>> halb der Schule, da könne sie<br />

nichts tun. Ich blieb beharrlich. Für<br />

mich ist ein Klassenchat nicht<br />

ausserhalb der Schule. Also bildete<br />

die Lehrerin erneut einen Kreis und<br />

setzte das Mädchen in die Mitte.<br />

Laila: Es nützte nichts. Danach<br />

waren alle in der Klasse gegen mich.<br />

Ich wusste nicht, was tun, also ging<br />

ich auf die Toilette und weinte.<br />

Das Mobbing nahm zu. Auf Instagram<br />

wurden Vergleichsspiele<br />

gemacht: Laila versus ein anderes<br />

Mädchen. Man kann verschiedenes<br />

ankreuzen: wer mehr Style, den<br />

schöneren Body oder die schöneren<br />

Augen hat. Die Kreuze wurden selten<br />

auf Lailas Seite gesetzt. Das<br />

sehen viele Leute. Mir drehte es fast<br />

den Magen um.<br />

Laila: Dieselben Spiele gibt es auch<br />

zu anderen Themen: Charakter, zum<br />

Beispiel. Es ist grausam (lacht).<br />

Eines sonntagabends erhielt sie<br />

einen Anruf von einem Mädchen.<br />

«Hey, Laila, es ist mega schlimm!<br />

Meine Eltern lassen sich scheiden.<br />

Ich brauche dich.» Laila war schockiert<br />

und bat uns um Hilfe.<br />

«Schreib, dass du für sie da bist»,<br />

sagte ich. Laila tat es. Kurz darauf<br />

erhielt sie eine Nachricht: «Es war<br />

ein Witz. Du bist so doof, dass du<br />

darauf reinfällst.» Laila lachte.<br />

Solche Witze gehörten zu unserem<br />

Alltag. Einmal schickte ihr ein<br />

Junge ein Bild von einem kaputten<br />

Fuss und täuschte vor, er sei auf dem<br />

Notfall. Ein anderes Mal erhielt sie<br />

eine Drohnachricht: «Geh und<br />

schmeiss dich vor den Zug.»<br />

Das haben wir in der Schule<br />

gemeldet. Der Schulsozialarbeiter<br />

riet, zur Polizei zu gehen. Darauf<br />

verzichteten wir. Wir leben in einem<br />

Dorf. Da wird viel geredet. Wir wollten<br />

zuerst abwarten, ob noch weitere<br />

solche Nachrichten kommen. Das<br />

war ein Fehler von uns. Es kamen<br />

keine Drohungen mehr, aber der<br />

Terror setzte sich dennoch fort. Einmal<br />

fuhr ich Laila in die Geigenstunde.<br />

Zwei Mädchen grüssten<br />

Laila freundlich. Kaum war sie im<br />

Gebäude verschwunden, lachten die<br />

Mädchen über Laila. Ich bringe<br />

unsere Tochter unter die Wölfe. So<br />

fühlte ich mich.<br />

Nichts mehr spüren<br />

Diesen Frühling ereignete sich<br />

etwas. Laila hatte sich in einen Jungen<br />

verliebt. Wir freuten uns mit ihr.<br />

Ein glückliches Kind ist etwas vom<br />

Schönsten. Das Glück währte so lange,<br />

bis der Junge eine Nachricht von<br />

72 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Digital & Medial<br />

einem Mädchen aus der Klasse<br />

erhielt.<br />

Laila: «Was findest du an dieser<br />

Schlampe schön? Wenn du dich weiter<br />

mit ihr abgibst, rede ich nicht<br />

mehr mit dir.» Auf dem Pausenhof<br />

erhielt ich den Befehl, nicht in die<br />

Nähe dieses Jungen zu gehen. Ich<br />

durfte nicht zu ihm hinschauen und<br />

nicht an ihn denken.<br />

Sie hielt sich daran. Dem Frieden<br />

zuliebe. Sie hielt den Frieden selbst<br />

dann bei, als sie stolperte und sich<br />

den Ellbogen aufschlug. Die anderen<br />

Kinder lachten. Laila lachte mit.<br />

Als sie nach Hause kam, sah ich<br />

schon von Weitem, dass etwas nicht<br />

stimmte. Sie kam strahlend zur Tür<br />

herein. Am Arm klaffte ein grosses<br />

Loch. Überall war Blut. Ich war entsetzt.<br />

Laila: Der Lehrer hat es abgewischt<br />

und ein Papier draufgetan. Ich spürte<br />

gar nichts.<br />

Beim Zahnarzt war es, wo Laila<br />

schliesslich zusammenbrach und<br />

nicht mehr aufhörte zu weinen.<br />

Auch ich war am Ende mit meinem<br />

Latein und ging zum Lehrer. Der<br />

Lehrer fiel aus allen Wolken. Das<br />

Ausmass des Mobbings war ihm<br />

nicht bewusst. Er hatte seine Klasse<br />

bisher immer als Traumklasse<br />

betrachtet. Am nächsten Tag konfrontierte<br />

er die Schüler: «Laila geht<br />

es schlecht. Wer denkt, er habe etwas<br />

damit zu tun, bleibt sitzen. Die anderen<br />

können rausgehen.»<br />

Laila: Drei gingen raus. Alle anderen<br />

blieben sitzen. Drei oder vier<br />

waren die Anführer, die anderen Mitläufer.<br />

«Der Lehrer war der Meinung,<br />

dass Laila viel zu lieb ist.<br />

Ich glaube, die Sache wuchs<br />

ihm über den Kopf.»<br />

Sie äusserten ihren Unmut darüber,<br />

immer über Laila reden zu müssen.<br />

Sie erklärten, alles nur lustig und<br />

nicht ernst gemeint zu haben. Am<br />

nächsten Tag schon blockierten sie<br />

Laila erneut auf dem Handy. In meiner<br />

Verzweiflung redete ich einer<br />

Mutter auf die Combox: Bitte hilf,<br />

dass dieses Blockieren aufhört. Sie<br />

rief nie zurück.<br />

Der Lehrer war der Meinung,<br />

dass Laila viel zu lieb ist. Ich >>><br />

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September <strong>2017</strong>73


«Kinder brauchen<br />

ein Bewusstsein<br />

dafür, was sie<br />

bewirken»<br />

Digitale Medien eignen sich<br />

besonders für Mobbing, weiss<br />

Mobbingexpertin Christelle<br />

Schläpfer. Im Interview erklärt<br />

sie, wie Lehrer, Eltern und Kinder<br />

mit Cybermobbing umgehen<br />

können.<br />

Interview: Sarah King<br />

Frau Schläpfer, Sie bieten Beratungen<br />

und Fortbildungen zum Thema<br />

Mobbing und Cybermobbing an.<br />

Was ist der Unterschied?<br />

Cybermobbing ist anonymer, was<br />

die Hemmschwelle senkt. Im klassischen<br />

Mobbing sehe ich, was meine<br />

Handlung beim Gegenüber auslöst,<br />

und bin deshalb empathischer. Dieser<br />

Mechanismus fehlt hinter dem Bildschirm.<br />

Cybermobbing macht es<br />

zudem möglich, rund um die Uhr Hassnachrichten<br />

weltweit zu verbreiten.<br />

Das Opfer kann sich diesen nicht<br />

entziehen – weder zu Hause noch mit<br />

einem Schulwechsel.<br />

Manchmal senden Jugendliche und<br />

Kinder Morddrohungen per Whatsapp.<br />

Wann machen sie sich strafbar?<br />

Drohungen sind nach schweizerischem<br />

Strafgesetz eine Straftat –<br />

zum Beispiel eine Morddrohung oder<br />

Anstiftung zum Selbstmord. Viele<br />

Kinder und Jugendliche sind sich<br />

nicht bewusst, wie früh sie sich auf<br />

strafbarem Terrain bewegen. Sie verwenden<br />

bisweilen eine grobe Sprache<br />

in digitalen Medien. Ausdrücke wie<br />

«hey Alter» oder «du Schlampe»<br />

sind oft freundlich gemeint. Dienen<br />

sie als Beschimpfung, bewegen wir<br />

uns bereits im strafbaren Bereich.<br />

Oft wähnen sich Jugendliche auch in<br />

Sicherheit, weil sie minderjährig sind.<br />

Tatsächlich aber sind sie ab zehnjährig<br />

strafmündig und unterstehen dem<br />

Jugendstrafgesetz.<br />

Wie gehen Eltern am besten vor, wenn<br />

ihr Kind Opfer von Cybermobbing<br />

wird?<br />

Manche Kinder sagen nichts, aus<br />

Angst, die Eltern könnten überreagieren<br />

– zum Beispiel mit den<br />

Eltern des Täters oder mit dem<br />

Täter selbst reden. Das stachelt die<br />

Mobbingdynamik noch mehr an. Die<br />

erste Anlaufstelle ist in der Regel<br />

die Lehrperson. Manchmal reicht es<br />

schon, wenn diese die Klasse über das<br />

Strafgesetz aufklärt. Bei Drohungen<br />

und Verleumdungen rate ich aber,<br />

die Polizei einzuschalten. Vielleicht<br />

genügt vorerst eine Beratung durch<br />

den Jugenddienst. Wer sich dann für<br />

eine Anzeige entschliesst, muss diese<br />

innerhalb von drei Monaten machen.<br />

Beweismaterial kann zum Beispiel mit<br />

Printscreen gesichert werden. Was<br />

aber unter Sexting läuft, wie Nacktfotos<br />

oder Pornos, darf man nicht<br />

sichern, sonst macht man sich selber<br />

strafbar.<br />

Ist die Lehrperson bei Cybermobbing<br />

verantwortlich? Whatsapp-Nachrichten<br />

werden ja auch ausserhalb der<br />

Schule verschickt.<br />

Cybermobbing geht meist von Mitschülern<br />

aus. Es ist die Lehrperson,<br />

die täglich mit ihnen arbeitet. Sie ist<br />

die Einzige, die das Mobbing auflösen<br />

kann – egal, ob die Kommunikation<br />

über das Handy läuft oder im Flur<br />

stattfindet. Beliebt ist dabei der No-<br />

Blame-Approach: Nicht Schuldige<br />

werden gesucht, sondern eine ausgewählte<br />

Gruppe von Schülern erarbeitet<br />

eine Lösung Richtung Wiedergutmachung<br />

(Das Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi berichtete in seiner September-Ausgabe<br />

2016). Viele Lehrer<br />

arbeiten immer noch mit Schuldzuweisung<br />

und Sanktionen. Dadurch wird<br />

ein Kind jedoch nicht sozialkompetent.<br />

Welche Auswirkungen hat Cybermobbing<br />

auf die Opfer?<br />

Jugendliche können daran zerbrechen.<br />

Die Leistungen sinken, so auch der<br />

Selbstwert. Manche werden depressiv<br />

oder gar suizidal. Das Allerwichtigste<br />

für Mobbingopfer ist: nie alleine<br />

bleiben! Das Kind soll sich trauen, die<br />

Eltern einzubeziehen. Auch Die Dargebotene<br />

Hand oder Pro Juventute sind<br />

Anlaufstellen. Ausserdem braucht das<br />

Kind dringend psychologische Unterstützung.<br />

Wie können Eltern ihre Kinder vor<br />

Cybermobbing schützen?<br />

Manche Eltern verbieten Whatsapp<br />

und andere Plattformen. Das senkt<br />

zwar das Risiko für Mobbing, verhindert<br />

es aber nicht. Mobber tauschen<br />

sich trotzdem untereinander<br />

aus. Auch Handy ausschalten nützt<br />

nichts. Kaum schaltet das Kind das<br />

Handy wieder ein, sieht es die Nachrichten.<br />

Manchmal raten Eltern ihren<br />

Kindern, sich zu wehren, vielleicht gar<br />

mit körperlicher Gewalt. Davon rate<br />

ich dringend ab. Wird es erwischt, ist<br />

es doppelt Opfer. Den besten Schutz<br />

bietet Aufklärung. Kinder brauchen ein<br />

Bewusstsein dafür, was sie bewirken.<br />

Zur Person<br />

Christelle Schläpfer arbeitete 14 Jahre<br />

als Gymnasiallehrerin, bevor sie sich mit<br />

ihrer Firma edufamily® im Bereich<br />

Elternbildung und Lehrerfortbildung<br />

selbständig machte. Sie führt eine<br />

eigene Beratungspraxis in Winterthur.<br />

www.edufamily.ch<br />

74 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Digital & Medial<br />

>>> glaube, die Sache wuchs ihm<br />

über den Kopf. Wir vereinbarten ein<br />

Gespräch mit dem Schulpsychologen,<br />

der Schulsozialarbeiterin und<br />

mit Laila. Der Schulpsychologe leitete<br />

das Gespräch.<br />

Laila: Am Anfang sagte er: «Wenn<br />

du nicht mehr magst, zeigst du ein<br />

Füchslein. So erkennen wir, dass du<br />

eine Pause brauchst.» Er behandelte<br />

mich wie eine Sechsjährige.<br />

Eine Stunde lang versuchte der<br />

Psychologe herauszufinden, was<br />

unsere Tochter wünscht. Dann<br />

klopfte mein Mann auf den Tisch:<br />

«Wir versuchen zu erklären, was in<br />

dieser Klasse mit unserer Tochter<br />

Schlimmes geschieht. Wir denken<br />

darüber nach, die Schule zu wechseln.»<br />

Dann müssten wir uns an den<br />

Schulleiter wenden, sagten sie. Wir<br />

standen auf und gingen. Wir wussten<br />

weder ein noch aus. Laila ging es<br />

zunehmend schlechter.<br />

Laila: Ich hatte abgenommen, war<br />

böse gegen die Familie und tickte<br />

wegen Kleinigkeiten aus. Oft stellte<br />

ich mir die Frage, ob jemandem auffallen<br />

würde, wenn ich nicht mehr da<br />

wäre. Ich wollte nicht mehr sein.<br />

Ich rief die Kinderärztin an. Sie<br />

schrieb Laila krank. Mir gab sie<br />

Schritt für Schritt vor, was ich tun<br />

musste: psychologische Betreuung<br />

für Laila und mich organisieren, den<br />

Schulleiter informieren, eine neue<br />

Schule suchen. Laila ging in Begleitung<br />

des Schulleiters ein letztes Mal<br />

in die Klasse, um Adieu zu sagen.<br />

Neue Wege gehen<br />

Sie geht nun auf eine Privatschule.<br />

Instagram ist gestrichen. Zwischen<br />

12 und 18 Uhr schaltet sie Whatsapp<br />

aus. Nachts ab 21 Uhr ist das Handy<br />

im Flugmodus.<br />

Was mich frustriert, ist, dass alle<br />

über Mobbing sprechen, aber keiner<br />

weiss, wie damit umzugehen ist. Das<br />

zumindest ist unsere Erfahrung.<br />

Ich wünsche mir, dass etwas<br />

geschieht. Darum möchte ich diese<br />

Geschichte erzählen. Lehrer, Eltern<br />

und Kinder sollen für das Thema<br />

sensibilisiert werden. Das Wichtigste<br />

ist nun aber, dass Laila durch diese<br />

Situation gestärkt wird und ohne<br />

langfristige Verletzungen ihre Schulzeit<br />

beenden kann.<br />

Laila: Im Moment bin ich noch<br />

wütend und enttäuscht. Ich kann mir<br />

aber vorstellen, dass ich irgendwann<br />

wieder glücklich und fähig bin, meinen<br />

alten Schulkolleginnen wieder zu<br />

begegnen.<br />

>>><br />

* Pseudonym, Name der Redaktion<br />

bekannt<br />

Anzeige<br />

In der Mai-Ausgabe <strong>2017</strong> berichtete<br />

Das Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi in einem Extra-Dossier<br />

über das Thema Cybermobbing.<br />

Sarah King<br />

Die Psychologin und Autorin war beeindruckt<br />

von Lailas Mut, durch ihr Erzählen die Gewalt<br />

offenzulegen, die sich hinter dem Begriff<br />

Mobbing verbirgt. Denselben Mut wünscht<br />

sie allen, die im Moment noch lächeln, obwohl<br />

ihnen nach Weinen zumute ist.<br />

«Instagram ist nun gestrichen.<br />

Zwischen 12 und 18 Uhr<br />

schaltet sie Whatsapp ab.»<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>75


Etwas mehr Geduld, bitte!<br />

Viele Kinder sind schlechte Verlierer – und begeistert von Smartphone<br />

und Co. Dabei spricht einiges dafür, dass der Mediengebrauch die<br />

Frustrationstoleranz bei Kindern noch weiter senkt. Was Eltern in<br />

der Medienerziehung beachten sollten. Text: Kathrin Blum<br />

Bild: iStockphoto<br />

76 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Digital & Medial<br />

Der elfjährige David<br />

wischt wütend die<br />

Spielsteine vom Feld,<br />

wenn er das Brettspiel<br />

nicht gewinnt;<br />

seine zwei Jahre jüngere Schwester<br />

Sophia hingegen rauscht aus dem<br />

Zimmer und knallt die Türe zu. Viele<br />

Kinder sind schlechte Verlierer.<br />

Und manche Eltern lassen den<br />

Nachwuchs lieber gewinnen, als<br />

dass sie sich mit dem Frust ihrer<br />

Söhne und Töchter auseinandersetzen<br />

– egal ob es dabei um das Würfelspiel<br />

geht oder darum, wie viel<br />

Zeit sie ihrem Smartphone widmen.<br />

Dabei spricht einiges dafür, dass<br />

eine intensive Smartphonenutzung<br />

die Frustrationstoleranz von Kindern<br />

und Jugendlichen senkt. Und<br />

sie dadurch zu noch schlechteren<br />

Verlierern werden.<br />

Etienne Bütikofer wollte, dass seine<br />

drei Kinder schon früh lernen,<br />

mit Enttäuschungen umzugehen,<br />

und ihre Frustrationstoleranz trainieren.<br />

Deshalb hat der Dozent und<br />

Medienpädagoge an der Pädagogischen<br />

Hochschule in Bern sie nie<br />

einfach gewinnen lassen. Genauso<br />

hält er es für wichtig, dass die Kinder<br />

lernen, Siege zu verkraften und nicht<br />

überheblich werden, wenn sie ge ­<br />

winnen.<br />

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Die Kinder verlernen, das<br />

Verlieren auszuhalten –<br />

und sich anzustrengen, um<br />

etwas zu erreichen.<br />

takt zu sein, oder darum, rund um<br />

die Uhr Filme und Musik zu streamen:<br />

«Mit dem Smartphone können<br />

alle Bedürfnisse ganz schnell und<br />

mit minimalem Aufwand befriedigt<br />

werden», sagt Sara Signer. Die promovierte<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

für Medienbildung an der<br />

Pädagogischen Hochschule Zürich<br />

glaubt, dass die Kinder dadurch verlernen,<br />

geduldig zu sein.<br />

Das gezielte Warten zu trainieren,<br />

hält Signer für äusserst wichtig, auch<br />

wenn es für die Eltern herausfordernd<br />

sei. «Ich provoziere das Warten<br />

immer wieder», erklärt Signer,<br />

die eine sechsjährige Tochter hat.<br />

Dazu gehört für sie auch, dass Eltern<br />

nicht alles stehen und liegen lassen,<br />

wenn das Mobiltelefon bimmelt<br />

oder piepst. «Viele unterbrechen<br />

Gespräche oder ihr Tun und springen<br />

sofort auf, wenn sich das Smartphone<br />

meldet», beobachtet Signer.<br />

Den meisten Erwachsenen sei nicht<br />

bewusst, was sie ihren Kindern<br />

damit vorleben. «Da steckt selten<br />

eine böse Absicht dahinter, vielmehr<br />

ist es doch so, dass auch viele Er ­<br />

wachsene mit dem Smartphone<br />

überfordert sind», sagt Signer.<br />

Bütikofer hält den Eltern zugute:<br />

«Als sie selbst Kinder waren, gab es<br />

das noch nicht, sie haben das nicht<br />

gelernt und müssen sich da selbst<br />

erst einfinden.» Und er emp­ >>><br />

Kinder verlernen, geduldig zu sein<br />

Bei Kindern, die heute aufwachsen,<br />

ist der Spielpartner häufig virtuell,<br />

die Spielkarten das Display. Das<br />

sogenannte Gamen per Handy setzt<br />

viele (Spiel-)Regeln ausser Kraft:<br />

Wer verloren hat, klickt oder wischt<br />

einmal und fängt einfach von vorne<br />

an. «Es gab noch nie zuvor Spiele,<br />

bei denen man so schnell auf null<br />

zurückgehen konnte», sagt Etienne<br />

Bütikofer. Dadurch verlernten Kinder,<br />

das Verlieren auszuhalten – und<br />

sich anzustrengen, um etwas zu<br />

erreichen.<br />

Nicht nur das Gamen trägt dazu<br />

bei, die Frustrationstoleranz zu senken.<br />

Ob es darum geht, immer und<br />

überall mit den Freunden in Kon­<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi September <strong>2017</strong><br />

Balance-Akt<br />

Psychologische Beratung<br />

für Kinder, Jugendliche und<br />

Eltern am IAP<br />

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Digital & Medial<br />

Tipps für Eltern<br />

• Vorbild sein und nicht selber ständig<br />

am Smartphone kleben.<br />

• Smartphoneregeln aufstellen, zum<br />

Beispiel: Am Esstisch und nachts im<br />

Kinder-/Jugendzimmer haben die<br />

Geräte nichts verloren.<br />

• Smartphonezeiten festlegen: Sara<br />

Signer empfiehlt, dass Jugendliche<br />

allerhöchstens die Hälfte der freien Zeit<br />

ausserhalb der Schule mit Medien<br />

verbringen – und in der anderen Zeit<br />

mit Bewegung an der frischen Luft<br />

einen Ausgleich schaffen sollten.<br />

• Primarschulkinder sollten auf keinen<br />

Fall mehr als 20 Minuten pro Tag am<br />

Smartphone hängen.<br />

• Kinder beobachten: Wie nutzen sie das<br />

Smartphone und wie geht es ihnen<br />

dabei? Ist das mobile Gerät Stoppuhr<br />

beim Joggen oder Metronom beim<br />

Klavierüben? Oder geht es einfach nur<br />

um (sinnlose) Game-Apps?<br />

• So spät wie möglich ein eigenes Gerät<br />

für die Kinder anschaffen, frühestens<br />

am Ende der Primarschulzeit, besser<br />

erst ab 13, 14 Jahren.<br />

• Eingreifen, wenn das Gefühl entsteht,<br />

dass das Smartphone Aktivitäten wie<br />

Sport, das Üben eines Instruments<br />

oder Hobbys mit Freunden verdrängt.<br />

• Das Smartphone sollte nie dazu<br />

genutzt werden, ein Kind<br />

ruhigzustellen, damit man selber seine<br />

Ruhe hat.<br />

• Das Warten und das Verlieren gezielt<br />

mit Kindern trainieren – in der realen<br />

Welt.<br />

>>> fiehlt Eltern den Selbstversuch.<br />

Seiner Meinung nach sollten<br />

sie sich selbst ein paar Spiele herunterladen,<br />

sie ausprobieren und sich<br />

möglicherweise selbst dabei ertappen,<br />

wie schwer man davon loskommt.<br />

Das schadet langfristig<br />

Unabhängig von den eigenen Erfahren<br />

sollten Mütter und Väter ihre<br />

Kinder beim Umgang mit dem<br />

Smartphone genau beobachten, rät<br />

Lehrer und Autor Philippe Wampfler.<br />

Eltern sollten sich fragen: Was<br />

passiert da, wie reagiert das Kind,<br />

wenn es am Gerät sitzt? Und wenn<br />

sie das Gefühl haben, dass die Kinder<br />

auch eine halbe oder ganze Stunde<br />

nach der Smartphonezeit noch<br />

gereizt sind (weil sie zurück in die<br />

virtuelle Welt möchten), sollten<br />

Die Frustrationstoleranz muss<br />

genauso trainiert werden<br />

wie die Sprungkraft, um Hürden<br />

überwinden zu können.<br />

Mütter und Väter das Gespräch<br />

suchen und den Kindern erklären:<br />

«Das schadet euch langfristig!» Die<br />

intensive Nutzung falle häufig mit<br />

der Pubertät zusammen, deshalb sei<br />

in vielen Fällen schwer zu sagen, ob<br />

Entwicklungen und Verhaltensmuster<br />

hormonell beeinflusst oder dem<br />

Smartphone zuzuschreiben seien.<br />

Wampfler glaubt: «Das Smartphone<br />

kann etwas verstärken, das es<br />

ohnehin schon gibt, aber reiner Auslöser<br />

ist es wahrscheinlich selten.»<br />

Mit Verweis auf eine Studie von Jon<br />

D. Elhai aus dem vergangenen Jahr<br />

erklärt Wampfler: «Ich gehe davon<br />

aus, dass eine tiefe Frustrationstoleranz<br />

zu einer intensiveren Smartphonenutzung<br />

führt, sie umgekehrt<br />

aber davon auch verstärkt wird.»<br />

Zudem könne intensive Smartphonenutzung<br />

eine Reihe psychischer<br />

Probleme verstärken.<br />

Klare Regeln einführen<br />

Kindern die mobilen Geräte deshalb<br />

komplett vorzuenthalten, hält<br />

Wampfler jedoch für realitätsfern.<br />

Er fordert allerdings klare Regeln:<br />

«Die Smartphonenutzung muss<br />

geübt und dosiert eingesetzt werden.»<br />

Bütikofer findet es in diesem<br />

Zusammenhang wichtig, dass «die<br />

Absprachen auf Vertrauen basie-<br />

ren». Einfach nur den Stecker zu<br />

ziehen, also das WLAN zu blockieren,<br />

hält er für eine Bankrotterklärung.<br />

«Sprechen Sie mit Ihren Töchtern<br />

und Söhnen von klein auf über<br />

die Gefahren und das Suchtpotenzial<br />

– und darüber, wie wichtig eine<br />

hohe Frustrationstoleranz ist.» Letztere<br />

müsse genauso trainiert werden<br />

wie die Sprungkraft. Nur wer übe,<br />

könne die Fähigkeit entwickeln,<br />

Hürden zu überwinden. Und diese<br />

Hürden wüchsen im Laufe des<br />

Lebens.<br />

Die Frustrationstoleranz sinkt<br />

Genau diese Hürden werden es sein,<br />

die Mädchen und Jungen dazu zwingen,<br />

Frust, Enttäuschungen und<br />

Rückschläge auszuhalten – in der<br />

Schule, im Arbeitsleben, in Beziehungen.<br />

Deshalb glaubt Sara Signer<br />

auch nicht, dass eine dem Smartphone<br />

geschuldete niedrigere Frustrationstoleranz<br />

für ganze Generationen<br />

in der Katastrophe endet. Die<br />

Gesellschaft werde die Jugendlichen<br />

dazu zwingen, sich zu integrieren,<br />

glaubt Signer. Nur könnte das für<br />

viele ein schmerzhafter und anstrengender<br />

Prozess sein. Und daran sei<br />

das Smartphone nicht unschuldig.<br />

Einige Hirnforscher sind der<br />

Überzeugung, dass Teile unseres<br />

78 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Gehirns, die nicht genutzt und<br />

gefordert werden, verkümmern. Der<br />

Ulmer Professor Manfred Spitzer ist<br />

einer der Experten, die befürchten,<br />

dass ex zessive Smartphonenutzung<br />

genau dazu führt. Müssen Jugendliche<br />

also nicht lernen, Frust oder<br />

Niederlagen zu verarbeiten und sich<br />

selbst zu regulieren, sinkt die<br />

Frustrations toleranz. Lutz Jäncke,<br />

Professor für Neuropsychologie an<br />

der Universität Zürich, erklärt, dass<br />

man das an der Grösse des Frontalkortex<br />

sogar se hen könne.<br />

Die einen verteufeln das Smartphone,<br />

manche warnen davor und<br />

wieder andere sehen überhaupt keinen<br />

Zusammenhang zwischen dem<br />

Taschencomputer und einer sinkenden<br />

Frustrationstoleranz. Ein Wissenschaftler,<br />

der namentlich nicht<br />

genannt werden möchte, meint dazu<br />

etwa: «Warum sollte mangelnde<br />

Frustrationstoleranz ausgerechnet<br />

ein Problem von digitalen Medien<br />

sein? Man könnte genauso gut argumentieren,<br />

dass die permanente<br />

Verfügbarkeit von Nahrung die<br />

Frustrationstoleranz von Kindern<br />

senkt, weil sie nicht mit der Enttäuschung<br />

leben lernen, dass Papa heute<br />

kein Mammut mit nach Hause<br />

gebracht hat.»<br />

>>><br />

Kathrin Blum<br />

Die Journalistin war als Kind eine ganz<br />

schlechte Verliererin und beobachtet<br />

gespannt, wie sich die Frustrationstoleranz<br />

bei ihren Töchtern entwickelt.<br />

Das Smartphone sollte nie<br />

dazu genutzt werden,<br />

ein Kind ruhigzustellen, damit<br />

man selber seine Ruhe hat.<br />

Warum sind Online-Games auf dem<br />

Smartphone so beliebt?<br />

Vier mögliche Antworten von Medienpädagoge<br />

Etienne Bütikofer:<br />

• Mode und Gruppendruck, «alle machen es».<br />

• Eltern nehmen sich zu wenig Zeit für die Kinder,<br />

bieten ihnen keine Alternativen an und sind<br />

teilweise froh, dass die Kinder beschäftigt sind<br />

und nicht über Langeweile klagen.<br />

• Keine oder nur wenige Geschwister und damit<br />

weniger potenzielle Spielpartner.<br />

• Verinselung der Freizeit, zu wenig freies Spiel.<br />

ar<br />

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Digital & Medial<br />

Sicher im Netz<br />

Spielen, Videos schauen, im Internet surfen – dies<br />

sind oft die ersten Tätigkeiten, mit denen sich Kinder<br />

und Jugendliche ihre Online-Welten erschliessen.<br />

Doch welche Inhalte im Netz sind wirklich<br />

kindgerecht? Ein Überblick. Text: Michael In Albon<br />

Was Kinder bei<br />

ihren ersten<br />

Schritten im<br />

Netz erleben,<br />

stellt die Weichen<br />

für ihre Medienkompetenz.<br />

Damit verbunden ist auch der<br />

Umgang mit Risiken. Deshalb sollten<br />

Eltern ihre Kinder beim Aufwachsen<br />

mit digitalen Medien von<br />

Anfang an begleiten.<br />

Suchen und Lernen machen Spass<br />

Das Internet ist voller Informationen.<br />

Leider sind diese oft widersprüchlich<br />

und nicht kindgerecht.<br />

Hinzu kommt: Google zeigt bei einigen<br />

beliebten Suchbegriffen von<br />

Kindern belastende Inhalte und Bilder.<br />

Auch Wikipedia enthält ungeeignete<br />

Darstellungen für Kinder,<br />

zum Beispiel bei Sexualthemen. Eine<br />

altersgerechte Alternative sind Suchmaschinen<br />

für Kinder: fragfinn.ch,<br />

blinde-kuh.ch oder helles-koepfchen.ch.<br />

Und klexikon.ch ist ein<br />

gutes Kinderlexikon.<br />

Bilder und Videos anschauen und<br />

produzieren<br />

Beiträge auf Youtube sind unterhaltsam,<br />

erklären Sachverhalte eingängig<br />

und unterstützen zum Teil auch<br />

Lernprozesse. Sie können Kinder<br />

aber auch dazu verführen, immer<br />

weiter zu schauen, sie gar ängstigen<br />

oder negativ beeinflussen. Filtern Sie<br />

deshalb bei Youtube Videos mit einer<br />

Inhaltswarnung aus. Im Browser:<br />

Sicherer Modus (am unteren Seitenrand)<br />

> An > Speichern. In Apps:<br />

Einstellungen > Allgemein > Sicherer<br />

Modus > Einschalten.<br />

Bedenken Sie aber: Ein hundertprozentiger<br />

Schutz ist auch das<br />

nicht. Lassen Sie Ihr Kind Youtube<br />

nicht allein nutzen. Zeigen Sie ihm,<br />

worauf es achten kann und soll, um<br />

gute Seiten von schlechten Seiten zu<br />

unterscheiden. Dabei hilft Ihnen<br />

auch die Swisscom-Checkliste: Sie<br />

finden sie, wenn Sie im Suchfeld<br />

«Swisscom gute Seiten schlechte Seiten»<br />

eingeben.<br />

Noch mehr Spass macht es<br />

zudem, wenn Ihr Kind selbst kreativ<br />

wird und eigene Filme und Fotos<br />

erstellt und hochlädt. Wie’s geht,<br />

lernt Ihr Kind auf redaktionell<br />

betreuten Seiten – auf juki.de<br />

(Videos) und knipsclub.de (Fotos)<br />

zum Beispiel.<br />

App-Spiele für die Kleinen<br />

Apps sind unterhaltsam und oft kostenlos<br />

– zunächst. Denn viele Spiele<br />

ziehen den Spielern durch In- App-<br />

Käufe schon bald das Geld aus der<br />

Tasche. Man erhält dafür aber lediglich<br />

virtuelle und keine bleibenden<br />

Güter. Gute Filme und Serien für<br />

Kinder ab vier zeigt die ZDFtivi-Mediathek.<br />

Ebenfalls Geschichten und<br />

Spiele für Kinder bietet «Unser Sandmännchen»:<br />

mit dem Sandmann<br />

Fussball spielen, eine Geschichte<br />

anhören oder eine Folge sehen. Und<br />

auf «Die Maus» kann Ihr Kind interaktiv<br />

die Maus-Welt entdecken. Als<br />

Eltern erhalten Sie auf app-tipps.net<br />

Bild: jandrielombard<br />

zudem Monat für Monat App-Empfehlungen.<br />

Internet im Fernsehen<br />

Seit Kurzem ist «Funk» am Start –<br />

ZDF und ARD versuchen damit,<br />

Menschen zwischen 14 und 29 abzuholen.<br />

Vierzig junge sogenannte<br />

«Creators» produzieren Videos und<br />

Audiobeiträge für die sozialen Netzwerke<br />

– massgeschneidert für Instagram,<br />

Snapchat, Youtube und<br />

Facebook. Gebündelt werden die<br />

Inhalte auf einer eigenen Website<br />

und in einer App. Für Eltern ist es<br />

eine wunderbare Gelegenheit, in die<br />

Welt von Jugendlichen einzutauchen.<br />

Und es bietet Ihnen Themen<br />

für eine Diskussion mit Ihrem Kind.<br />

Michael In Albon<br />

ist Beauftragter Jugendmedienschutz<br />

und Experte Medienkompetenz von<br />

Swisscom.<br />

Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive<br />

Lernmodule für den kompetenten Umgang mit<br />

digitalen Medien im Familienalltag.<br />

swisscom.ch/medienstark<br />

80 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Über 2’073’000 Personen lesen uns<br />

wegen den erlebnisreichen Ausflugstipps.<br />

Und Sie?<br />

Die Schweiz liest das Migros Magazin. Lesen Sie mit!<br />

Mehr als drei Millionen Leserinnen und Leser freuen sich jede<br />

Woche über spannende Reportagen, nützliche Tipps und gute<br />

Unterhaltung – mit allem Wissenswerten rund um Menschen,<br />

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Für alle, die mitreden wollen.


Ernährung & Gesundheit<br />

Waschen schützt vor Pickeln?<br />

Schön wärs!<br />

Fast alle Jugendlichen sind in der Pubertät von Akne betroffen. Während die einen<br />

nur ein paar Mitesser auf der Nase haben, leiden andere an entzündlichen<br />

Pusteln und Papeln, die Narben hinterlassen können. Der Akne-Spezialist<br />

Severin Läuchli erklärt, was dagegen hilft. Interview: Susanna Steimer Miller<br />

Illustration: iStockphoto<br />

82 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Herr Läuchli, warum leiden vor allem<br />

Jugendliche an Akne?<br />

Für die Hautkrankheit sind zwei<br />

Vorgänge im Körper verantwortlich.<br />

Einerseits führt die steigende Produktion<br />

von Sexualhormonen in der<br />

Pubertät dazu, dass die Haut mehr<br />

Talg herstellt. Talg ist wichtig, denn<br />

diese fettreiche Substanz bildet einen<br />

Film über der Haut und schützt sie<br />

vor äusseren Einflüssen. Anderseits<br />

neigen manche Menschen zur Bildung<br />

von sogenannten Hornzellen<br />

im Kanal der Talgdrüsen, die den<br />

Talg nicht abfliessen lassen. In der<br />

Folge verstopfen die Poren und es<br />

entstehen Mitesser, die sich entzünden<br />

können.<br />

In der Werbung wird immer wieder von<br />

Hautunreinheiten gesprochen. Ist<br />

Akne die Folge mangelnder Hygiene?<br />

Nein, keinesfalls. Die schwarze<br />

Farbe der Mitesser kommt vom<br />

Hautfarbstoff Melanin und von einer<br />

Verfärbung des Talg-Hornpfropfes.<br />

Sie hat also nichts mit Schmutz zu<br />

tun. Jugendliche können Akne nicht<br />

«Wenn beide Eltern<br />

von Akne betroffen<br />

waren, hat auch ihr<br />

Kind ein erhöhtes<br />

Risiko.»<br />

durch häufige Hautreinigung verhindern.<br />

Es reicht aus, wenn sie ihre<br />

Haut einmal pro Tag mit einer Reinigungslotion<br />

oder synthetischer<br />

Seife waschen.<br />

Welche Faktoren sind entscheidend<br />

für die Entstehung von Akne?<br />

Fast alle Mädchen und Jungen haben<br />

in der Pubertät Mitesser oder Pickel.<br />

Das Ausmass der Hornzellenbildung<br />

und der Talgdrüsenaktivität wird<br />

von den Genen gesteuert. Wenn beide<br />

Elternteile in der Jugend von<br />

Akne betroffen waren, hat auch ihr<br />

Kind ein erhöhtes Risiko für diese<br />

Hauterkrankung.<br />

Manche Jugendliche versuchen sich<br />

vor Akne zu schützen, indem sie zum<br />

Beispiel auf Schokolade verzichten.<br />

Bringt das tatsächlich etwas?<br />

Über den Einfluss der Ernährung auf<br />

die Akne wird viel spekuliert. Wir<br />

wissen, dass eine Ernährung mit vielen<br />

einfachen Kohlenhydraten und<br />

grossen Mengen an Milchprodukten<br />

die Entstehung von Akne be - >>><br />

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Dies sind zuge lassene Arznei -<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi September <strong>2017</strong>83<br />

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der Schweiz.


Ernährung & Gesundheit<br />

>>> günstigen kann. Wissenschaftlich<br />

nicht erwiesen ist hingegen der<br />

Einfluss einzelner Nahrungsmittel<br />

auf die Haut. Jugendliche müssen<br />

also nicht auf Schokolade, Nüsse<br />

oder Salami verzichten. Sinnvoll ist<br />

aber sicher ein massvoller Konsum.<br />

Wo bildet sich Akne?<br />

Am häufigsten an Stirn, Nase, Kinn<br />

sowie am V-förmigen Brust- und<br />

Rückenausschnitt. Hier sind besonders<br />

viele Talgdrüsen vorhanden.<br />

Was kann Akne begünstigen?<br />

Viele Jugendlichen versuchen, ihre<br />

Pickel und Mitesser auszudrücken.<br />

Das fördert die Entzündung des<br />

umliegenden Hautgewebes, verzögert<br />

die Abheilung und erhöht das<br />

Risiko für Narben. Heute wissen wir<br />

auch, dass bestimmte Medikamente,<br />

wie zum Beispiel Kortison, hochdosierte<br />

Vitamin-B-Präparate und<br />

Anabolika Akne fördern. Auch stark<br />

fettende Hautpflegeprodukte und<br />

Rauchen begünstigen Akne.<br />

«Die Produkte<br />

entfernen beim<br />

Abstreifen Haut.<br />

Sie können die<br />

Haut irritieren. Ich<br />

rate davon ab.»<br />

Blackhead-Strips sind bei jungen<br />

Mädchen im Trend. Was halten Sie von<br />

diesen Produkten, die Mitesser ausreissen<br />

und porentiefe Reinigung<br />

versprechen?<br />

Die Produkte entfernen nicht nur die<br />

oberste Schicht von Mitessern, sondern<br />

beim Abstreifen auch zusätzliche<br />

Haut. Sie können die Haut<br />

irritieren. Zudem bilden sich die<br />

Mitesser sofort wieder. Ich rate also<br />

davon ab.<br />

Was hilft denn bei Mitessern?<br />

Sowohl bei den offenen Mitessern,<br />

die man am dunklen Hornpfropf<br />

erkennt, als auch bei den geschlossenen,<br />

die sich als kleine, hautfarbene<br />

Erhebungen manifestieren, helfen<br />

Cremes und Gels mit Vitamin-<br />

A-Säure, bei weniger ausgeprägten<br />

Fällen ist auch Salicylsäure hilfreich.<br />

«Antibiotika helfen<br />

bei entzündlichen<br />

Formen der Akne,<br />

dürfen aber nur<br />

eine begrenzte Zeit<br />

eingesetzt werden.»<br />

Wie behandelt man Akne, wenn mit<br />

Eiter gefüllte Bläschen oder kleine<br />

Knötchen auftreten?<br />

Die in der Apotheke frei verkäuflichen<br />

Cremes oder Gels mit Benzoylperoxid<br />

wirken antibakteriell und<br />

entzündungshemmend, helfen alleine<br />

allerdings nur bei leichten Akne-<br />

Formen. Bei Pusteln und Papeln<br />

empfehlen wir eine Behandlung mit<br />

Vitamin-A-Säure, auch Retinoid<br />

genannt, welche leicht schälend<br />

wirkt. Diese kann für schwerere Formen<br />

auch gut mit Benzoylperoxid<br />

oder einem Antibiotikum kombiniert<br />

werden.<br />

Und ansonsten?<br />

Bei der schwersten Form von Akne,<br />

bei der es zu ausgedehnten entzündlichen<br />

Veränderungen mit grossen<br />

Pusteln und zum Teil schmerzhaften<br />

Knoten kommt, setzen wir meist den<br />

Wirkstoff Isotretinoin ein – insbesondere,<br />

wenn wir die Entwicklung<br />

von Narben befürchten. Mädchen<br />

dürfen aber während der Behandlung<br />

auf keinen Fall schwanger<br />

werden, weil die Substanz das Ungeborene<br />

schädigt. Manchmal verschreiben<br />

wir auch Antibiotika zum<br />

Einnehmen. Diese wirken bei entzündlichen<br />

Formen der Akne, dürfen<br />

aber nur über einen begrenzten<br />

Zeitraum eingesetzt werden, weil die<br />

Bakterien bei längerer Anwendung<br />

resistent werden können.<br />

Was müssen Jugendliche bei der<br />

äusserlichen Behandlung der Haut<br />

beachten?<br />

Wichtig ist, dass sie nicht nur die<br />

Pickel damit eincremen, sondern alle<br />

Hautstellen, an denen keine neue<br />

Akne entstehen soll. Die Behandlung<br />

braucht ein bisschen Geduld. Erste<br />

Erfolge sieht man frühestens nach<br />

vier Wochen. Vitamin-A-Säure-Präparate<br />

bewirken, dass sich die Haut<br />

schält und Schuppen bildet. Dadurch<br />

können sich weniger Hornzellen bilden<br />

und der Talg kann besser abfliessen.<br />

Am Anfang einer Behandlung<br />

sind Hautreizungen möglich. Es ist<br />

wichtig, dass die Haut jetzt nicht<br />

noch mehr durch Peelings oder Sonnenbestrahlung<br />

gereizt wird.<br />

Kann die Antibabypille bei Akne<br />

helfen?<br />

Ja, vor allem Präparate, die die Produktion<br />

männlicher Hormone reduzieren.<br />

Dadurch wird die Talgproduktion<br />

gedrosselt. Oft tritt die Akne<br />

dann aber wieder auf, wenn man die<br />

Pille absetzen will.<br />

>>><br />

Zur Person<br />

Severin Läuchli, Dr. med., ist Privatdozent<br />

und Oberarzt an der Dermatologischen<br />

Klinik des Universitätsspitals Zürich.<br />

Susanna<br />

Steimer Miller<br />

ist Chefredaktorin des Elternratgebers<br />

«Baby & Kleinkind» und schreibt als Autorin<br />

über Gesundheits- und Ernährungsthemen.<br />

84 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Tipps bei Akne<br />

Jugendliche, die an Mitessern und Pickeln leiden, sollten:<br />

• ihre Haut nicht mit zu fettigen<br />

Präparaten pflegen oder mit<br />

pudrigen Kosmetika abdecken,<br />

weil diese die Poren zusätzlich<br />

verstopfen können, was Akne<br />

fördert.<br />

• ihre Haut einmal pro Tag sanft<br />

mit einer Reinigungslotion<br />

oder synthetischer Seife<br />

waschen.<br />

• auf Blackhead-Masken oder<br />

Strips verzichten, weil sie die<br />

Haut irritieren und die<br />

Talgproduktion sogar<br />

ankurbeln können.<br />

• keine Sonnenschutzmittel<br />

verwenden, die fetten. Besser<br />

sind Gels mit dem Hinweis<br />

«nicht komedogen». Ein<br />

mässiges Sonnenbad kann die<br />

Akne etwas verbessern.<br />

• nicht an den Mitessern und<br />

Pickeln herumdrücken, weil<br />

sich dadurch die umliegende<br />

Haut entzünden und sich<br />

Narben bilden können.<br />

Mitesser und Pickel sollten nur<br />

von einer entsprechend<br />

ausgebildeten Kosmetikerin<br />

entfernt werden.<br />

• aufs Rauchen verzichten.<br />

• einen Hautarzt aufsuchen,<br />

denn fast jede Akne lässt sich<br />

behandeln. Die Beseitigung<br />

von Aknenarben ist hingegen<br />

schwierig.<br />

So vielfältig ist<br />

gluten- und laktosefrei.<br />

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September <strong>2017</strong>85


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Carmennahütte<br />

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Ochsenalp<br />

Erleben …<br />

Prätschli<br />

Weisshorn<br />

Mittelstation<br />

Scheidegg<br />

Hotel Hohenfels<br />

Sunstar Alpine Hotel<br />

Prätschseen<br />

Arosa<br />

Litzirüti<br />

Stausee<br />

Isel<br />

… Entdecken Sie Arosa auf dem Trottinett. Es gibt mehrere<br />

Möglichkeiten für eine Tour, welche sowohl Kinder als auch<br />

Eltern begeistert. Zum Beispiel von der Weisshorn-Mittelstation<br />

aus über den Arlenwaldweg zurück ins Dorf. Oder via<br />

Stausee Isel hinunter nach Litzirüti und mit der Rhätischen<br />

Bahn zurück nach Arosa. Eine Trotti-Fahrt lässt sich auch mit<br />

einer Wanderung verbinden: etwa ab dem Prätschli über den<br />

Rot Tritt oder die Scheidegg zur Ochsenalp. Dort mieten Sie<br />

sich ein «Trotti Taxi» für die Rückfahrt.<br />

Trottinett-Miete bei Luzi Sport beim Bahnhof. 1 Trottinett inkl.<br />

Helm: 18 Franken. Kinder unter 12 Jahren nur in Begleitung<br />

Erwachsener. Weisshornbahn und RhB sind mir der Arosa Card<br />

kostenlos. Ochsenalp-Trotti: Miete inkl. Helm (obligatorisch) für<br />

eine Fahrt nach Arosa: Erwachsene und Kinder je 10 Franken,<br />

ohne Restaurant-Konsumation je 16 Franken. Kinder unter<br />

14 Jahren nur in Begleitung Erwachsener. arosa.ch/trottinett<br />

… Auf den Themenwegen in und um Arosa werden Wandern<br />

und Lernen spielerisch miteinander verbunden, zum Beispiel<br />

auf dem Eichhörnliweg. Lesen Sie Ihren Kindern auf dem Weg<br />

das wanderbare Bilderbuch «Mensch sein macht müde» vor<br />

oder lösen Sie die Rätselaufgaben. Entlang des Glücksstein-<br />

Trails können Sie Spannendes über Gesteine und Pflanzen<br />

lernen. Der Naturkundeweg Isel bringt Ihnen die botanische<br />

und geologische Vielfalt der Region näher. Anschliessend<br />

locken im Welschtobel zahlreiche Feuerstellen zum Picknick.<br />

arosa.ch/themenwege<br />

Geniessen …<br />

… Möchten Sie den Tag mit einer guten Stärkung beginnen?<br />

Dann fahren Sie mit der Luftseilbahn von der Talstation in<br />

Arosa auf den Weisshorngipfel auf 2653 m ü. M. und lassen<br />

Sie es sich bei einem reichhaltigen Gipfel-Zmorga gut gehen.<br />

Das 360°-Panorama-Restaurant bietet Ihnen eine atemberaubende<br />

Aussicht. Falls Sie die frisch zugeführte Energie gleich<br />

wieder einsetzen wollen, führt Sie eine leichte Höhenwanderung<br />

in knapp zwei Stunden zur Hörnlihütte (2511 m ü. M.).<br />

Mit dem Hörnliexpress erreichen Sie dann wieder Arosa.<br />

Oder Sie wandern vom Weisshorn auf mittelschwerem Weg via<br />

Carmennahütte ganz hinunter nach Innerarosa.<br />

Weisshorngipfel, sonntags, bei jeder Witterung, bis 22. Oktober<br />

<strong>2017</strong>. Bergfahrt aufs Weisshorn ab 9 Uhr, Gipfel-Zmorga von<br />

9.20 bis 11 Uhr. Reservation bis 17 Uhr am Vortag. Kosten:<br />

Erwachsene 28, Jugendliche (ab 13) 18, Kinder bis 12 Jahre 13,<br />

bis 5 Jahre pro Altersjahr 1 Franken. Bahnfahrt gratis mit Arosa<br />

Card. arosabergbahnen.com/experience/events<br />

… Sind die Beine von den vielen Erkundungen schon schwer<br />

und Sie möchten noch weitere Entdeckungen rund um Arosa<br />

machen, könnte eine Pferdekutschenfahrt die Lösung sein.<br />

Mit dem Zweispänner gehts gemütlich durch das Dorf und die<br />

umliegenden Wälder.<br />

Auskünfte zu den Pferdekutschen erhalten Sie beim Standplatz<br />

am Bahnhof. Auch Reservationen können Sie da<br />

vornehmen. Die Fahrten kosten zwischen 100 und 150 Franken<br />

pro Stunde. Ab 18 Uhr wird ein Zuschlag von 25 Prozent<br />

erhoben. Wartezeit kostet 50 Franken pro Stunde. arosa.ch/<br />

rundumspferd > Pferdekutschen<br />

Übernachten …<br />

… An ruhiger Lage am Waldrand nahe dem Dorfzentrum<br />

befindet sich das Sunstar Alpine Hotel (4 Sterne). Von hier<br />

86 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Service<br />

Unterwegs von der<br />

Scheidegg Richtung<br />

Oberer Prätschsee,<br />

Blick vom<br />

Weisshorngipfel, auf<br />

dem Eichhörnliweg.<br />

Bilder: Arosa Tourismus / Nina Mattli<br />

haben Sie Ausblick auf die Berge und den Untersee. Bei der<br />

Familienpauschale übernachten die Kinder (maximal zwei) bis<br />

15 Jahre im Zusatzbett im Komfortzimmer der Eltern gratis.<br />

Weiter in der Pauschale inbegriffen: Getränke aus der Minibar,<br />

WLAN im gesamten Hotel, Benützung von Hallenbad (20 x<br />

8 m), Sauna, Dampfbad und Fitness-Center.<br />

Sunstar Alpine Hotel Arosa, Seewaldweg. Preisbeispiel für drei<br />

Nächte, zwei Erwachsene mit zwei Kindern im Doppelzimmer:<br />

999 Franken inkl. Frühstücksbuffet und 5-Gang- Wahlmenü am<br />

Abend für die ganze Familie. Die Familienpauschale ist bis<br />

22. Oktober <strong>2017</strong> gültig. parkhotel-arosa.sunstar.ch > Arosa ><br />

Familienferien in Arosa<br />

… Für Familien gut geeignet ist das Hotel Hohenfels<br />

(3 Sterne). Es liegt zentral, und die verschiedenen Kombinationen<br />

der Familienzimmer mit 3 bis 6 Betten wie auch das<br />

Kinderspielzimmer sind ganz auf die Bedürfnisse der Eltern<br />

und der Kinder ausgerichtet. Alle Zimmer im familiären<br />

Ambiente haben Bad oder Dusche/WC, TV, Telefon und gratis<br />

WLAN. Sie haben die Möglichkeit, Kleider zu waschen und zu<br />

trocknen. Und Eltern steht die Sauna zur Verfügung.<br />

Hotel Hohenfels, Poststrasse. Preisbeispiel für drei Nächte,<br />

Eltern mit zwei Kindern, 10 und 14 Jahre alt: 1089 Franken inkl.<br />

Halbpension; für die Eltern immer ein Doppelbett und für die<br />

Kinder Kajüten-, Zusatz- oder Kinderbetten. Die Familienpauschale<br />

ist in der Sommersaison <strong>2017</strong> gültig (bis 24. September).<br />

hohenfels.ch/sommer/pauschalen<br />

Gut zu wissen …<br />

… In Arosa profitieren Übernachtungsgäste vom kostenlosen<br />

All-inclusive-Angebot. Mit der Arosa Card sind die Arosa<br />

Bergbahnen, die Rhätische Bahn zwischen Arosa und<br />

Lüen-Castiel, der Ortsbus und zahlreiche Freizeitaktivitäten<br />

wie etwa der Seilpark, das ChippinGolf oder das Strandbad<br />

Untersee kostenlos.<br />

Mehr Infos: arosa.ch/allinclusive<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>87


Service<br />

Vielen Dank<br />

an die Partner und Sponsoren der Stiftung Elternsein:<br />

Finanzpartner Hauptsponsoren Heftsponsoren<br />

Dr. iur. Ellen Ringier<br />

Walter Haefner Stiftung<br />

Credit Suisse AG<br />

Rozalia Stiftung<br />

UBS AG<br />

Paradies-Stiftung für soziale Innovation<br />

Impressum<br />

17. Jahrgang. Erscheint 10-mal jährlich<br />

Herausgeber<br />

Stiftung Elternsein,<br />

Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />

www.elternsein.ch<br />

Präsidentin des Stiftungsrates:<br />

Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch,<br />

Tel. 044 400 33 11<br />

(Stiftung Elternsein)<br />

Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder,<br />

ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 01 01<br />

Redaktion<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Chefredaktor: Nik Niethammer,<br />

n.niethammer@fritzundfraenzi.ch<br />

Verlag<br />

Fritz+Fränzi,<br />

Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />

Tel. 044 277 72 62,<br />

info@fritzundfraenzi.ch,<br />

verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

Business Development & Marketing<br />

Leiter: Tobias Winterberg,<br />

t.winterberg@fritzundfraenzi.ch<br />

Anzeigen<br />

Administration: Dominique Binder,<br />

d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 62<br />

Art Direction/Produktion<br />

Partner & Partner, Winterthur<br />

Bildredaktion<br />

13 Photo AG, Zürich<br />

Korrektorat<br />

Brunner Medien AG, Kriens<br />

Auflage<br />

(WEMF/SW-beglaubigt 2016)<br />

total verbreitet 101 725<br />

davon verkauft 18 572<br />

Preis<br />

Jahresabonnement Fr. 68.–<br />

Einzelausgabe Fr. 7.50<br />

iPad pro Ausgabe Fr. 3.–<br />

Abo-Service<br />

Galledia Verlag AG Berneck<br />

Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54<br />

abo.fritzundfraenzi@galledia.ch<br />

Für Spenden<br />

Stiftung Elternsein, 8008 Zürich<br />

Postkonto 87-447004-3<br />

IBAN: CH40 <strong>09</strong>00 0000 8744 7004 3<br />

Inhaltspartner<br />

Institut für Familienforschung und -beratung<br />

der Universität Freiburg / Dachverband Lehrerinnen<br />

und Lehrer Schweiz / Verband Schulleiterinnen und<br />

Schulleiter Schweiz / Jacobs Foundation /<br />

Elternnotruf / Pro Juventute / Interkantonale<br />

Hochschule für Heilpädagogik Zürich /<br />

Schweizerisches Institut für Kinder- und<br />

Jugendmedien<br />

Stiftungspartner<br />

Pro Familia Schweiz / Pädagogische Hochschule<br />

Zürich / Elternbildung CH / Marie-Meierhofer-<br />

Institut für das Kind / Schule und Elternhaus<br />

Schweiz / Schweizerischer Verband<br />

alleinerziehender Mütter und Väter SVAMV /<br />

Kinderlobby Schweiz / kibesuisse Verband<br />

Kinderbetreuung Schweiz<br />

Jetzt<br />

gewinnen!<br />

September-Verlosung<br />

Fritz+Fränzi verlost …<br />

1 × 2-tägiger Erlebnisaufenthalt (2 Erw./2 Kinder)<br />

9 × Familien-Tageseintritt ins Ravensburger Spieleland<br />

Mehr unter: www.spieleland-feriendorf.ch<br />

Wettbewerbsteilnahme auf www.fritzundfraenzi.ch/verlosung<br />

Teilnahmeschluss: 4. Oktober <strong>2017</strong>. Teilnahme per SMS: Stichwort FF RSL an 959 senden (30 Rp./SMS)<br />

Ravensburger Spieleklassiker in XXL entdecken, actiongeladene<br />

Abenteuer erleben sowie Käpt’n Blaubär und die Maus treffen:<br />

Das Ravensburger Spieleland am Bodensee verspricht unvergessliche<br />

Familienmomente. Inmitten schönster Natur laden<br />

über 70 Attraktionen in acht Themenwelten zum Entdecken und<br />

spielerisch Neues Lernen ein. Trefft eure TV-Lieblinge live und<br />

übernachtet bei Maus & Co im neuen Feriendorf. So wird ein Aufenthalt<br />

im familienfreundlichsten Themenpark Deutschlands zu<br />

entspannten Kurzferien voller Spielspass. Zur Auswahl stehen<br />

thematisierte Ferienhäuser und komfortable Forscherzelte oder<br />

Stellplätze für das eigene Wohnmobil. Geöffnet ist das Feriendorf<br />

bis 02.<strong>09</strong>. und in den Herbstferien vom 29.<strong>09</strong>. bis 15.10.<strong>2017</strong>.


Buchtipps<br />

Über das endlos<br />

scheinende<br />

Eismeer fährt<br />

Siri ihrer<br />

entführten<br />

Schwester<br />

hinterher.<br />

William Grill:<br />

Die Wölfe von<br />

Currumpaw<br />

Ernest Thompson<br />

Seton soll den<br />

Wolf töten, der<br />

die Farmer von<br />

Currumpaw in Atem hält. Nachdem<br />

er die Kraft dieses Tieres erlebt hat,<br />

wird er überzeugter Naturschützer.<br />

Grill hat der wahren Geschichte mit<br />

eindrücklichen Farbstiftzeichnungen<br />

ein Denkmal gesetzt.<br />

NordSüd, <strong>2017</strong>, Fr. 19.90,<br />

ab 7 Jahren<br />

Bilder:ZVG<br />

Nach welchen ethischen Richtlinien handle<br />

ich? Was bedeutet das für andere?<br />

Zivilcourage oder moralische Werte können<br />

in Kinder- und Jugend büchern ohne<br />

erhobenen Zeigefinger vermittelt werden.<br />

Das Richtige tun<br />

Siri und die Eismeerpiraten<br />

Es gebe Dinge, die man<br />

tun müsse, selbst wenn<br />

sie gefährlich seien, er ­<br />

klärt Jonathan seinem<br />

kleinen Bruder im Lindgren-Klassiker<br />

«Die Brüder Löwenherz».<br />

«Weil man sonst kein Mensch<br />

ist, sondern nur ein Häuflein<br />

Dreck.»<br />

Frida Nilsson wird nicht umsonst<br />

als Lindgren-Nachfolgerin gehandelt.<br />

Wohl mag der Name etwas<br />

gross sein für die schwedische Autorin,<br />

doch macht sie in ihrem Abenteuerroman<br />

«Siri und die Eismeerpiraten»<br />

kein Hehl daraus, welchem<br />

Vorbild sie nacheifert. Auch ihre<br />

Heldin Siri zieht nämlich aus, weil<br />

es Dinge gibt, die man tun muss,<br />

selbst wenn sie gefährlich sind. Zum<br />

Beispiel die kleine Schwester aus den<br />

Händen des grässlichen Piraten ­<br />

kapitäns Weisshaupt befreien. Keiner<br />

der Erwachsenen auf der heimatlichen<br />

Schäre im Eismeer bringt<br />

dafür den Mut auf, also muss Siri die<br />

Sache selbst in die Hand nehmen.<br />

Auf ihrer abenteuerlichen Reise<br />

erfährt sie vom Guten und Schlechten,<br />

das im Menschen schlummert.<br />

Sie freundet sich mit dem Schiffskoch<br />

an, wird von einem Kapitän<br />

betrogen, gerät an eine Wolfsjägerin<br />

und kümmert sich um das verlassene<br />

Baby einer Seejungfrau. Immer aber<br />

bleibt sie ihrer Überzeugung treu:<br />

Kein Lebewesen darf zu Schaden<br />

kommen. Daran hält sie sich sogar<br />

im Angesicht der Piraten und bringt<br />

ihre Mission dennoch zu einem<br />

glücklichen Ende.<br />

Eine tief berührende Geschichte,<br />

die sich zum Vorlesen mit der ganzen<br />

Familie eignet.<br />

Frida Nilsson:<br />

Siri und die<br />

Eismeerpiraten.<br />

Aus dem<br />

Schwedischen<br />

von Friederike<br />

Buchinger.<br />

Gerstenberg,<br />

<strong>2017</strong>, Fr. 21.90,<br />

ab 10 Jahren<br />

Was WÜRDEst<br />

du tun?<br />

Auf den doppelseitigen<br />

Bildern<br />

von Tobias<br />

Krejtschi ist jeweils<br />

eine Szene zu<br />

sehen, in der die<br />

Würde eines Menschen in Gefahr ist.<br />

Wie gehst du mit dieser Situation<br />

um? Ein Buch, das zum Nachdenken<br />

über Respekt und den Umgang<br />

miteinander einlädt.<br />

Minedition, 2016, Fr. 14.90,<br />

ab 5 Jahren<br />

Die Königinnen<br />

der Würstchen<br />

Statt sich zurückzuziehen,<br />

treten<br />

drei Mobbingopfer<br />

die Flucht nach<br />

vorne an und<br />

fahren mit den Velos nach Paris, um<br />

sich für ihre Sache einzusetzen. Ein<br />

mit viel Witz erzähltes Sommerabenteuer<br />

von Clementine Beauvais.<br />

Carlsen, <strong>2017</strong>, Fr. 24.90,<br />

ab 14 Jahren<br />

Verfasst von Elisabeth Eggenberger,<br />

Mitarbeiterin des Schweizerischen<br />

Instituts für Kinder- und<br />

Jugendmedien SIKJM.<br />

Auf www.sikjm.ch/rezensionen sind<br />

weitere B uch empfehlungen zu finden.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

September <strong>2017</strong>89


Eine Frage – drei Meinungen<br />

Nach unserer Trennung vor zwei Jahren heiratete mein Exmann wieder.<br />

Unsere Tochter, 13, die bei mir lebt, hat das Gefühl, dass ihr Vater die<br />

Kinder seiner neuen Frau mehr liebt als sie. Sie ist kaum mehr fröhlich<br />

und wird immer pummeliger. Wie kann ich ihr helfen?<br />

Kathrin, 37, Chur<br />

Nicole Althaus<br />

Die Gefühle Ihrer Tochter<br />

sind so verständlich wie<br />

wohl fehlgeleitet. Sie muss<br />

erst vieles verarbeiten, bis<br />

die Eifersucht auf die neuen<br />

Menschen im Leben ihres<br />

Papas ihre Wahrnehmung<br />

nicht mehr trüben. Dazu<br />

kommt noch der Gefühlssturm<br />

der pubertären Hormonumstellung. Versichern<br />

Sie der Tochter, dass sie im Herzen ihrer Eltern<br />

immer einen zentralen Platz haben wird, egal welche<br />

Menschen dazukommen. Nehmen Sie sich Zeit,<br />

gehen Sie zusammen wandern, radfahren, ins Kino.<br />

Tonia von Gunten<br />

Ihre Tochter sucht nach der<br />

Trennung ihren neuen Platz<br />

im Familien-Patchwork. Sie<br />

muss die Liebe ihres Vaters<br />

mit den Kindern seiner<br />

neuen Partnerin teilen. Ein<br />

schwieriger und schmerzvoller<br />

Prozess, bei dem<br />

Sie Ihre Tochter begleiten<br />

können. Stehen Sie zu ihr und sorgen Sie für neue,<br />

fröhliche Momente in Ihrem gemeinsamen Leben,<br />

damit Ihre Tochter ihr Lachen wiederfindet.<br />

Peter Schneider<br />

Sie helfen ihr zunächst mal<br />

dadurch, indem Sie sich<br />

überlegen, ob an dem Gefühl<br />

Ihrer Tochter vielleicht etwas<br />

dran ist. Was nicht bedeutet,<br />

dass Sie nun mit Ihrer<br />

Tochter den Klub der von<br />

Ihrem Exmann nicht mehr<br />

Geliebten gründen. Aber es<br />

ist auch nicht ratsam, Ihre Tochter dadurch zu trösten,<br />

indem Sie eine richtige Wahrnehmung als falsch<br />

bezeichnen. Die Tatsache, dass Ihr Exmann nicht nur<br />

Sie, sondern damit auch Ihre Tochter hinter sich<br />

gelassen hat, können Sie Ihrer Tochter nicht ausreden,<br />

sondern allenfalls zu erklären versuchen.<br />

Nicole Althaus, 48, ist Kolumnistin, Autorin<br />

und Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am<br />

Sonntag». Zuvor war sie Chefredaktorin von «wir<br />

eltern» und hat den Mamablog auf «Tagesanzeiger.<br />

ch» initiiert und geleitet. Nicole Althaus ist Mutter<br />

von zwei Kindern, 16 und 12.<br />

Tonia von Gunten, 44, ist Elterncoach, Pädagogin<br />

und Buchautorin. Sie leitet elternpower.ch, ein<br />

Programm, das frische Energie in die Familien<br />

bringen und Eltern in ihrer Beziehungskompetenz<br />

stärken möchte. Tonia von Gunten ist verheiratet<br />

und Mutter von zwei Kindern, 11 und 8.<br />

Peter Schneider, 59, ist praktizierender<br />

Psychoanalytiker, Autor und SRF-Satiriker («Die<br />

andere Presseschau»). Er lehrt als Privatdozent<br />

für klinische Psychologie an der Uni Zürich und<br />

ist Professor für Entwicklungspsychologie an<br />

der Uni Bremen. Peter Schneider ist Vater eines<br />

erwachsenen Sohnes.<br />

Haben Sie auch eine Frage?<br />

Schreiben Sie eine E-Mail an:<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Pino Stranieri, HO<br />

90 September <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Mimo verlost 20 Bausets<br />

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30. September <strong>2017</strong><br />

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Fr. 7.50 9/September <strong>2017</strong><br />

Cybermobbing<br />

Wie Mitschülerinnen<br />

das Leben von Laila, 14,<br />

zur Hölle machten<br />

Jesper Juul<br />

Wie Eltern mit ihren<br />

pubertierenden Kindern<br />

umgehen sollten<br />

Was die Seele stark macht<br />

Resilienz

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