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RADAR Nr. 2, August 2017

Das Magazin der Christoph Merian Stiftung zum Schwerpunkt Kulturförderung. Wer kann, was soll und auf welche Weise in Basel gefördert werden? Die neuen Strategien der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung zeigen wir anhand von drei Beispielen (ManaBar, Holzpark Klybeck, tohuwabohu - Haus für Kosmopolitisches) auf und legen dar, was das noch mit Kultur und dem Zweck der Stiftung zu tun hat. In der News-Beilage des Magazins steht die Entwicklung des Freilagers zum Stadtquartier im Fokus. Drei Protagonisten kommen zu Wort, die den Wandel des Dreispitz Basel und Münchenstein aus unterschiedlichen Perspektiven erlebt haben und erleben.

Das Magazin der Christoph Merian Stiftung zum Schwerpunkt Kulturförderung. Wer kann, was soll und auf welche Weise in Basel gefördert werden? Die neuen Strategien der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung zeigen wir anhand von drei Beispielen (ManaBar, Holzpark Klybeck, tohuwabohu - Haus für Kosmopolitisches) auf und legen dar, was das noch mit Kultur und dem Zweck der Stiftung zu tun hat.

In der News-Beilage des Magazins steht die Entwicklung des Freilagers zum Stadtquartier im Fokus. Drei Protagonisten kommen zu Wort, die den Wandel des Dreispitz Basel und Münchenstein aus unterschiedlichen Perspektiven erlebt haben und erleben.

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News<br />

Was heisst das im<br />

Dreispitz-Alltag?<br />

Das HeK hat einen öffentlichen Auftrag und<br />

möchte auf dem Dreispitz gesehen werden.<br />

Also stand die Forderung nach einer eigenen<br />

Signaletik im Raum. Die Zeit der Transitlager-<br />

Baustelle war auch problematisch, weil das HeK<br />

hinter Baucontainern ‹verschwand›. Baupläne<br />

sind eben nur zweidimensional, in der Realität<br />

sieht es dann ganz anders aus.<br />

Ein Problem der verschiedenen<br />

Perspektiven?<br />

Ich habe viel gelernt über die Bedürfnisse<br />

einzelner Nutzer. Auch darüber, wie jemand das<br />

Areal betrachtet, ob er hier wohnt oder hier<br />

arbeitet. Ich habe verschiedene Standpunkte<br />

eingenommen, um Argumente besser nachvollziehen<br />

zu können. In Sitzungen musste ich mitunter<br />

verschiedene Interessen vertreten. Meine<br />

Arbeitgeberin war natürlich die Stiftung. Und<br />

trotzdem habe ich manchmal aus der Perspektive<br />

der Nutzer argumentiert – das war nicht immer<br />

einfach.<br />

Wie sind Sie mit diesen teils<br />

konträren Erwartungshaltungen<br />

umgegangen?<br />

Die Nutzerinnen und Nutzer des Freilagers sahen<br />

in mir eine Ansprechperson für ihre Probleme<br />

auf dem Areal und haben von mir Lösungen<br />

erwartet. Dabei musste ich zuerst wahrnehmen,<br />

wo es Reibungen gibt.<br />

Welche Rolle nehmen die neuen<br />

Nutzer in diesem Dialog ein?<br />

Kaum jemand bringt Erfahrungen mit, wie man<br />

urbanes Leben in Gang bringen soll, es ist für<br />

alle Neuland. Am Anfang waren viele blockiert,<br />

meinten, es sei nichts erlaubt und alle Ideen<br />

würden durch Vorschriften gebodigt, weil bei<br />

jeder etwas lauteren Veranstaltung die Polizei<br />

komme. Aber das Ganze ist ein anhaltender<br />

Lernprozess, in dem sich beide Seiten angenähert<br />

haben.<br />

Und wie steht es um die neuen<br />

Bewohnerinnen und Bewohner<br />

im Helsinki Dreispitz, im Oslo<br />

Nord, H7 und im Transitlager?<br />

Ich meine, die Mieterinnen und Mieter der rund<br />

150 Wohnungen, die in den letzten zwei Jahren<br />

bezogen wurden, fühlen sich momentan eher<br />

benachteiligt. Sie sind zwar eine grosse Nutzergruppe,<br />

aber ihnen fehlt bisher die Stimme. Ich<br />

habe mich stark für diese neue Klientel engagiert,<br />

und auch von ihrer Seite gibt es jetzt Ideen und<br />

Kraft, das Freilager weiter zu beleben. Natürlich<br />

birgt dieser neue Aspekt auch neues Konfliktpotenzial.<br />

Als es zum Beispiel den Wunsch gab,<br />

einen Basketballkorb auf dem Platz zu montieren<br />

oder eine Bocciabahn anzulegen, erinnerte die<br />

HGK daran, dass es hier um den Campus der<br />

Künste mit grossem Anspruch an Design und<br />

Ästhetik gehe. Das waren genau die Situationen,<br />

in denen das Verhandeln wieder neu beginnen<br />

musste und mir meine Ausbildung zur Mediatorin<br />

zugutekam.<br />

Was bringt dieser<br />

Transformationsprozess<br />

den Beteiligten?<br />

Am Beginn der Transformation war die HGK als<br />

‹flagship› ein wichtiger Katalysator. Inzwischen<br />

profitiert auch sie von ihrem Umfeld. Es kommen<br />

andere Besucher und damit Sichtweisen aufs<br />

Areal. Der Schritt zur Gleichberechtigung aller<br />

Nachbarn ist noch nicht vollzogen. Gerade mit<br />

dem Transitlager hat die HGK jetzt ein neues<br />

Gegenüber erhalten – mit Gewerbe, mit Kultur,<br />

mit Wohnungen – und damit auch neue und<br />

berechtigte Ansprüche an die Nutzung des<br />

Freilager-Platzes. Die bisherige Dominanz der<br />

Künste wird positiv ergänzt.<br />

Die ‹Drehscheibe› wurde<br />

Ende April <strong>2017</strong> geschlossen.<br />

Wer übernimmt künftig<br />

die Moderation?<br />

Einen Teil der administrativen Aufgaben wird der<br />

Betrieb Dreispitz übernehmen, der in der Depotwerkstatt<br />

an der Frankfurt-Strasse domiziliert<br />

ist. Die Schliessung der ‹Drehscheibe› ist auch<br />

ein Zeichen nach aussen: Jetzt müsst ihr euch<br />

selbst organisieren, ihr müsst die neue Nutzung<br />

gestalten und Gemeinsamkeiten finden. Das<br />

wird mit mehr Aufwand verbunden sein als<br />

bisher, aber der Prozess wird sich schnell zum<br />

Guten wenden. In der Zwischenzeit hat sich<br />

bereits eine Interessengemeinschaft gebildet.<br />

Damit können die Nutzerinnen und Nutzer und<br />

die Anwohnerinnen und Anwohner gegenüber<br />

der CMS, der Gemeinde Münchenstein oder<br />

dem Kanton Basel-Stadt gemeinsam Ansprüche<br />

formulieren. Jetzt lenkt die CMS nicht mehr,<br />

sondern die Beteiligten selbst lenken das öffentliche<br />

Leben im Freilager. Unsere Zügel waren am<br />

Anfang sehr straff, vielleicht zu straff, jetzt lassen<br />

wir sie lockerer.<br />

«Mir gefällt es,<br />

wenn die Welten<br />

aufeinanderprallen»<br />

Guy Krneta<br />

Guy Krneta, wie sind Sie aufs<br />

Dreispitz-Areal gekommen?<br />

Ich habe ein Schreibatelier gesucht und bei der<br />

CMS angefragt. Für mich als Autor mit Kindern<br />

ist das Atelier ein wichtiger Arbeits- und Rückzugsort.<br />

Hier schreibe ich vor allem, Organisatorisches<br />

erledige ich von zu Hause aus. Mein<br />

erstes Schreibatelier in Basel war im Hirscheneck,<br />

später fand ich eine Schreibstube im GGG-Atelier<br />

am Rhein, die war zeitlich befristet. Als es dort<br />

zu Ende ging, Anfang 2013, habe ich bei der CMS<br />

angefragt. Zu der Zeit wurde der Blechspitz an<br />

der Oslo-Strasse (heute: Freilager-Platz) frei.<br />

Nebenan, wo heute das Helsinki Dreispitz von<br />

Herzog & de Meuron steht, war eine Brache.<br />

Wenn ich aus dem Fenster schaute, blickte ich<br />

auf eine riesige leere Bühne. Ich schaute zu, wie<br />

gegraben und dann Stock um Stock gebaut<br />

wurde.<br />

Wie sind Sie mit dem Baulärm<br />

ringsum umgegangen?<br />

Baulärm stört mich nicht beim Schreiben,<br />

schwieriger ist es mit Musik, weil die rhythmischen<br />

Strukturen den eigenen Textrhythmus<br />

blockieren. Der Blick aufs entstehende Gebäude<br />

jedenfalls war beeindruckend. Luigi Pirandello<br />

beschreibt im Vorwort zu seinem Theaterstück<br />

‹Sechs Personen suchen einen Autor› eine ähnliche<br />

Situation: Er schreibt sein Stück, und vor<br />

seinem Fenster errichten Bauarbeiter ein Haus.<br />

Er kommt mit dem Stück voran und sie mit dem<br />

Haus ebenso. Bei mir war’s anders, ich hatte<br />

das Gefühl, die bauen sehr schnell und ich<br />

arbeite sehr langsam … Als würden sie mir jeden<br />

Tag beweisen wollen, was man mit seiner Zeit<br />

alles anstellen kann.<br />

Wo haben Sie gearbeitet, als der<br />

Blechspitz umgebaut wurde?<br />

Ich war dann für ein Jahr an der Venedig-Strasse<br />

22/24, zusammen mit der Feuerwehr. Dieses<br />

Haus habe ich mal Nathalie Unternährer von<br />

der CMS gezeigt, weil ich hoffte, man könnte es<br />

vielleicht zum Jugendliteraturlabor umfunktionieren.<br />

Es würde sich sehr gut für Schreib- und<br />

Workshop-Arbeit mit Gruppen eignen. Ausser<br />

donnerstagabends, da trifft sich hier die Feuerwehr.<br />

Einmal, als ich in meinem Schreibraum<br />

sass, drang Rauch herein. Die Feuerwehr machte<br />

eine Brandübung, von der ich nichts wusste,<br />

und nebelte das Gebäude ein! Das war so absurd,<br />

ich mit dem Laptop in diesem Rauch. Das<br />

hätte gleich eine Geschichte geben können. Mir<br />

gefällt es, wenn die Welten aufeinanderprallen.<br />

Sie hatten immer mal wieder<br />

Ideen für neue Literaturorte.<br />

Es gab mal ein Treffen im Literaturhaus, wo<br />

vonseiten der Autoren ein Atelierhaus für Schreibende<br />

gewünscht wurde. Beat von Wartburg<br />

nahm unseren Vorschlag auf, es folgte nach einer<br />

sanften Renovation die Ausschreibung für den<br />

Blechspitz. Doch dann gab es zu wenige Bewerbungen.<br />

Meine Enttäuschung ist, dass ich im<br />

‹Autorenhaus›, das nun anders genutzt wird, nun<br />

doch wieder allein bin, ohne Austausch mit anderen.<br />

Offenbar arbeiten die meisten Schreibenden<br />

zu Hause.<br />

Sie hätten gern beides,<br />

die Ruhe zum Arbeiten und die<br />

Nähe zu anderen?<br />

Ja, Ruhe zum Arbeiten und dann die zufälligen<br />

Begegnungen – sich austauschen, zusammen<br />

etwas ausprobieren, Veranstaltungen planen,<br />

Dinge angehen, die man allein vielleicht nicht<br />

machen würde.<br />

Welche Rolle spielt für Sie<br />

der Austausch mit anderen<br />

Kreativen?<br />

Als Bühnenautor bin ich es gewohnt, mit anderen<br />

Kunstsparten zusammenzuarbeiten, das macht<br />

einen grossen Teil meiner Arbeit aus.<br />

Wie stark wirkt das räumliche<br />

Umfeld auf Ihre Arbeit zurück?<br />

Wenn man schreibt, versucht man immer, sich<br />

zu öffnen. Einerseits öffnet man sich für die<br />

eigenen Erinnerungen, damit die Dinge ‹durchdrücken›.<br />

Andererseits ist man offen für Äusseres<br />

– ich beobachte und reflektiere. Was mich in<br />

dieser Umbauphase faszinierte, waren die unglaublich<br />

schnellen Veränderungen. Man war<br />

wie im Auge des Orkans.<br />

Bekommt Zeit eine andere<br />

Bedeutung durch dieses sich<br />

wandelnde Umfeld?<br />

Ja, die Dynamik ringsum kann aber auch etwas<br />

Bedrückendes haben. Die anderen bringen so<br />

viel zustande …<br />

Oslo Night, 2014<br />

AM 23. SEPTEMBER IST OSLO NIGHT!<br />

Samstag, 23. September, ab 14 Uhr<br />

Kann der Dreispitz Nährboden<br />

für kreatives Arbeiten sein?<br />

Ja, das ist er ja längst. Es gibt vielleicht noch<br />

zu wenige Berührungspunkte zwischen den Akteuren.<br />

Klar, man ist auch verschieden. Das HeK<br />

macht wenig Live-Veranstaltungen. Nachts bin<br />

ich oft der Einzige auf dem Gelände. Doch die<br />

Bildschirme des HeK laufen Tag und Nacht,auch<br />

wenn niemand schaut. Mich befremdet das<br />

manchmal. Schön wäre, wenn es eine Beiz gäbe,<br />

die lange offen hätte und auf den Platz hinaus<br />

stuhlen würde.<br />

Wie beurteilen Sie die Rolle<br />

der grossen Player im Freilager-<br />

Quartier, etwa der Hochschule<br />

für Gestaltung und Kunst?<br />

Für die HGK habe ich grosse Sympathien, auch<br />

wenn wir wenig miteinander zu tun haben. Ich<br />

habe selber ja nie Kunst studiert, aber ich hätte<br />

es mir gewünscht. Ich würde gerne ab und zu mit<br />

Studierenden etwas machen. Bei der Oslo Night<br />

gibt es die beiden Grossen, HeK und HGK. Die<br />

Werbung für den Anlass ist stark von deren Aktivitäten<br />

geprägt, die Literatur ist da ein bisschen<br />

rausgefallen. Womöglich braucht es mehr Zeit,<br />

damit das besser greifen kann.<br />

Worauf hätten Sie denn am<br />

meisten Lust?<br />

Ich habe mir immer vorgestellt, hier eine Literaturreihe<br />

zu machen, Lesungen zu organisieren,<br />

etwa in der Cucina des Atelier Mondial. Es gibt<br />

ja solche Atelier- und Kulturorte, an denen der<br />

Austausch wunderbar funktioniert, etwa im<br />

Berner Kulturzentrum ‹Progr›. Vielleicht gibt es<br />

irgendwann einen interdisziplinären Ort in Basel,<br />

an dem Leute zusammenkommen, nebeneinander<br />

produzieren, miteinander auftreten und<br />

veranstalten, zusammen streiten und sich gegenseitig<br />

aber wertschätzen. Auf dem Kasernenareal<br />

könnte so etwas entstehen und eben auch auf<br />

dem Dreispitz.<br />

An der sechsten Ausgabe der Oslo Night kann man den Dreispitz im Kultur- und Partymodus erleben.<br />

Akteure des Freilager-Quartiers werden sich am 23. September von 14 Uhr bis tief in die Nacht nicht nur<br />

selbst präsentieren, sondern laden alle Gäste zu Ausstellungen, Performances, Lesungen, Workshops,<br />

Kurzfilmen und zum Draisinenrennen ein.<br />

Mehr Informationen unter www.oslonight.ch und www.draisinenrennen.ch<br />

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