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RADAR Nr. 2, August 2017

Das Magazin der Christoph Merian Stiftung zum Schwerpunkt Kulturförderung. Wer kann, was soll und auf welche Weise in Basel gefördert werden? Die neuen Strategien der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung zeigen wir anhand von drei Beispielen (ManaBar, Holzpark Klybeck, tohuwabohu - Haus für Kosmopolitisches) auf und legen dar, was das noch mit Kultur und dem Zweck der Stiftung zu tun hat. In der News-Beilage des Magazins steht die Entwicklung des Freilagers zum Stadtquartier im Fokus. Drei Protagonisten kommen zu Wort, die den Wandel des Dreispitz Basel und Münchenstein aus unterschiedlichen Perspektiven erlebt haben und erleben.

Das Magazin der Christoph Merian Stiftung zum Schwerpunkt Kulturförderung. Wer kann, was soll und auf welche Weise in Basel gefördert werden? Die neuen Strategien der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung zeigen wir anhand von drei Beispielen (ManaBar, Holzpark Klybeck, tohuwabohu - Haus für Kosmopolitisches) auf und legen dar, was das noch mit Kultur und dem Zweck der Stiftung zu tun hat.

In der News-Beilage des Magazins steht die Entwicklung des Freilagers zum Stadtquartier im Fokus. Drei Protagonisten kommen zu Wort, die den Wandel des Dreispitz Basel und Münchenstein aus unterschiedlichen Perspektiven erlebt haben und erleben.

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News<br />

Terrasse zum Freilager-Platz mit historischem Verladekran, 2014<br />

Mobiler Pocket-Park auf dem Dreispitz, 2013<br />

Stimmt es, dass das Areal eine<br />

Zeit lang von bewaffnetem<br />

Zollpersonal gesichert wurde?<br />

In der ersten Zeit hat es viele Grenzwächter hier<br />

gegeben, und die waren bewaffnet, das habe<br />

ich noch erlebt. Die Leute mussten den Ausweis<br />

zeigen, wenn sie ins Freilager wollten.<br />

Wie sah Ihr erster Arbeitstag<br />

aus?<br />

Am frühen Montagmorgen war meine erste Aufgabe,<br />

an der Florenz-Strasse 7, dort wo jetzt die<br />

Post ist, den Stacheldraht auf der Mauer zu ersetzen.<br />

Wie viele Angestellte beschäftigte<br />

die Freilager AG damals?<br />

Wir waren etwa zwölf Lagerarbeiter, und im Büro<br />

kamen noch sechs Personen hinzu. Doch bald<br />

wurden es weniger. Wir hatten damals viele<br />

eigene Lager, andere waren an Logistikfirmen<br />

und Spediteure vermietet. Unsere Räume waren<br />

immer begehrt, weil bestimmte Unternehmen<br />

hier sein mussten für die Verzollung ihrer Waren.<br />

Wie hat sich Ihre Arbeit dann<br />

verändert?<br />

Nach ungefähr vier Jahren ging unser damaliger<br />

Hofmeister, und ich übernahm seinen Posten.<br />

1989 starb unser Prokurist Herr Egli. Der damalige<br />

Direktor kam auf mich zu und fragte, ob ich ad<br />

interim die Leitung übernehmen könne. Dann<br />

bin ich vom Lager ins Büro gewechselt. Das war<br />

gut für mich, ich weiss nicht, wie ich jetzt aussehen<br />

würde, wenn ich all die Jahre im Lager<br />

geblieben wäre … Der neue Direktor Willy Rüthemann<br />

sagte uns 1990: «Herren, passt auf, ihr<br />

seid alle so um die vierzig Jahre alt. Ihr arbeitet<br />

nicht bis zu eurer Pensionierung im Freilager,<br />

das wird es irgendwann nicht mehr geben.» Er<br />

war der erste Chef, der nicht von den SBB kam –<br />

Rüthemann kam von der Danzas und war an der<br />

Ausarbeitung des neuen Zollgesetzes beteiligt.<br />

Der nächste wichtige Schritt kam am 14. <strong>August</strong><br />

1994, als das Freilager geöffnet wurde.<br />

Sie hatten vor allem mit LKW<br />

zu tun, wie sah es bei der Bahn<br />

aus?<br />

Auch die Bahn brachte immer weniger Waren<br />

ins Freilager. Camions und Container waren auf<br />

dem Vormarsch und die grossen Spediteure<br />

rückten noch näher an die Autobahn, heute<br />

zum Beispiel in Pratteln.<br />

Wie hat sich das Freilager durch<br />

die Öffnung verändert?<br />

Bis dahin kannten wir alle Leute, die hier gearbeitet<br />

haben. Mit der Öffnung wurde der Kreis viel<br />

grösser, Speditionen hatten ihre Mitarbeiter auf<br />

dem Areal und es wurde alles etwas öffentlicher.<br />

Nicht mehr genutzte Räume wurden ab 1994<br />

auch an Künstlerinnen und Künstler vermietet.<br />

Nachdem das Stücki-Areal aufgehoben wurde,<br />

fehlten denen die bezahlbaren Ateliers. Hier<br />

konnten sie zu einem guten Preis einfache Räume<br />

bekommen, nicht perfekt, nicht saniert, dafür<br />

günstig.<br />

Wie wurden die Künstlerinnen<br />

und Künstler in dieser vom<br />

Gewerbe geprägten Umgebung<br />

aufgenommen?<br />

Viele taten sich sehr schwer mit ihnen. Es ist ja<br />

auch ein ‹anderes Völkchen›. Aber ich habe es sehr<br />

gut gehabt mit ihnen. Immer noch! Sie kamen<br />

immer auf mich zu, und wir haben gemeinsam<br />

eine Lösung für ihre Probleme gefunden. Ich<br />

finde es sehr interessant, mit einem Künstler zu<br />

sprechen. Es sind ganz normale Menschen, aber<br />

irgendwann, irgendwie heben die ein wenig ab.<br />

Ich habe dann gesagt, du bist mir zu hoch,<br />

komm wieder runter!<br />

2008 hat die Stiftung das<br />

Areal übernommen. Was waren<br />

die ersten Aktivitäten der<br />

Stiftung?<br />

Die CMS hat früh erkannt, dass sie das Freilager<br />

übernehmen kann, um vorhandene Gebäude zu<br />

erhalten und Platz für neue Gebäude schaffen.<br />

Und die HGK suchte schon damals einen neuen<br />

Standort. So kam das restliche Freilager-Personal<br />

zur CMS – für uns ein Glücksfall. An den Veränderungen,<br />

die ich begleiten durfte, hatte ich<br />

grosse Freude!<br />

Was hat sich am stärksten<br />

verändert?<br />

Früher musste man den Ausweis zeigen, um ins<br />

Freilager zu kommen, und alles stand voller<br />

Container und Camions. Heute sitzen bei schönem<br />

Wetter alle auf dem Platz oder in den Pocket-<br />

Parks und arbeiten am Laptop – eine ganz andere<br />

Welt! Der grosse Platz bekommt ein Gesicht,<br />

und ich hoffe sehr, dass die Leute, die jetzt hier<br />

wohnen, sich einbringen im neuen Quartier.<br />

Im Freilager-Quartier ist die<br />

Transformation am deutlichsten<br />

erkennbar. Wo noch?<br />

Der LKW-Verkehr beim Freilager hat extrem<br />

abgenommen, weil das Freilager und Speditionen<br />

wie Danzas, Lamprecht und Weitnauer nicht<br />

mehr hier sind. Bonatrans ist noch da, auch Fiege<br />

und der Fruchthandel, aber das ist kein Vergleich<br />

mehr zu früher. Zugenommen haben die Fahrten<br />

der Kleintransporter. Ich denke, das pendelt sich<br />

alles ein. Ruhe wie auf dem Land wird man hier<br />

nie haben, es soll ja ein lebendiges Stück Stadt<br />

sein. Was noch fehlt hier ist ein Laden, um am<br />

Samstagmorgen frische Gipfeli und eine Flasche<br />

Milch kaufen zu können.<br />

Ist das Areal anonymer<br />

geworden, weil hier mehr<br />

Menschen zugange sind?<br />

Siebzig Prozent der Leute würden wohl sagen,<br />

es sei anonymer geworden. Aber ich meine, es<br />

kommt immer darauf an, wie man in den Wald<br />

hineinruft. Ich habe mit allen einen Umgang<br />

gefunden, für mich ist das eine weltoffene Stadt.<br />

«Urbanisierung<br />

ist für<br />

alle Neuland»<br />

Christine Kämpf<br />

Christine Kämpf, das Angebot<br />

der ‹Drehscheibe› endete im<br />

April <strong>2017</strong>. Wie haben Sie den Weg<br />

der ‹Drehscheibe› begleitet?<br />

2014 wollte die Abteilung Soziales mit einem<br />

‹Quartierkiosk› vor Ort die Entwicklungen möglichst<br />

eng begleiten. Gemeinsam haben wir die<br />

Idee aufgenommen, und so entstand die ‹Drehscheibe›<br />

im Blechspitz. Für mich hiess dies fünfzig<br />

Prozent Quartierkoordination und fünfzig<br />

Prozent Dreispitz-Marketing. Die wichtigste<br />

Entscheidung war, meinen Arbeitsplatz ins<br />

Quartier zu verlegen. Nur hier konnte ich spüren,<br />

was die Leute bewegt. Wenn es hier Baulärm<br />

gab, dann habe ich das ‹im Auge des Orkans›<br />

selbst mitbekommen.<br />

Wie haben Sie Ihre Aufgabe<br />

auf dem Dreispitz selbst<br />

interpretiert?<br />

Ich habe mich vor allem für die Kommunikation<br />

verantwortlich gefühlt. Zu Beginn war ich die<br />

Schnittstelle für die Entwickler am Hauptsitz<br />

der Stiftung und den Leuten hier auf dem Dreispitz.<br />

Das sind zwei verschiedene Welten, zwei<br />

Sprachen, die da gesprochen werden. Wo ich<br />

zuvor zwischen zwei Parteien vermittelt habe,<br />

musste ich nun zwischen zehn oder mehr<br />

vermitteln. Wichtig war, dass wir als Stiftung,<br />

d.h. als Grundeigentümerin und als Arealbewirtschafterin,<br />

auf dem Areal weiterhin eine<br />

Stimme haben – vor allem neben den neuen<br />

Nutzerinnen und Nutzern. Natürlich gab es<br />

Grabenkämpfe, bevor jeder seine Rolle eingenommen<br />

hat. Mit der Hochschule für Gestaltung<br />

(HGK) gibt es einen starken Player am Freilager-<br />

Platz. Das ist für kleinere Institutionen wie das<br />

Haus der elektronischen Künste (HeK) neben<br />

der Bereicherung auch eine Herausforderung.<br />

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