RADAR Nr. 2, August 2017

Das Magazin der Christoph Merian Stiftung zum Schwerpunkt Kulturförderung. Wer kann, was soll und auf welche Weise in Basel gefördert werden? Die neuen Strategien der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung zeigen wir anhand von drei Beispielen (ManaBar, Holzpark Klybeck, tohuwabohu - Haus für Kosmopolitisches) auf und legen dar, was das noch mit Kultur und dem Zweck der Stiftung zu tun hat. In der News-Beilage des Magazins steht die Entwicklung des Freilagers zum Stadtquartier im Fokus. Drei Protagonisten kommen zu Wort, die den Wandel des Dreispitz Basel und Münchenstein aus unterschiedlichen Perspektiven erlebt haben und erleben. Das Magazin der Christoph Merian Stiftung zum Schwerpunkt Kulturförderung. Wer kann, was soll und auf welche Weise in Basel gefördert werden? Die neuen Strategien der Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung zeigen wir anhand von drei Beispielen (ManaBar, Holzpark Klybeck, tohuwabohu - Haus für Kosmopolitisches) auf und legen dar, was das noch mit Kultur und dem Zweck der Stiftung zu tun hat.

In der News-Beilage des Magazins steht die Entwicklung des Freilagers zum Stadtquartier im Fokus. Drei Protagonisten kommen zu Wort, die den Wandel des Dreispitz Basel und Münchenstein aus unterschiedlichen Perspektiven erlebt haben und erleben.

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Aus ‹Sunday Sketching› (Abrams Books / Knesebeck) von Christoph Niemann

Schwerpunkt WELT ALS HEIMAT FÜR ALLE Das Projekt ‹tohuwabohu› scy Das 1912 von Rudolf Sandreuter erbaute ehemalige Getreidesilo wird schon bald nicht mehr wiederzuerkennen sein. In zwei Jahren soll das Silo nach einem Umbau zum Mittelpunkt des neuen Stadtviertels und ein neues soziokulturelles Zentrum werden. Nicht irgendeines, sondern ein sehr spezielles. Die sechs jungen Leute, die das Projekt derzeit vorbereiten und auch betreiben werden, nennen sich Verein für Kosmopolitisches. Der Name ist Programm. «Die Idee des Kosmopolitischen – die Welt als Heimat für alle – ist unsere Inspiration», heisst es in ihrem Positionspapier. Vordergründig kosmopolitisch ist die im Silo geplante Herberge für Gäste aus aller Welt. Unter ‹kosmopolitisch› versteht der Verein aber weit mehr als nur internationale Gäste in einem Hotel: nämlich «die Vision einer Welt, in der wir alle Gäste sind». Unabhängig von Herkunft, Sozialisierung, körperlichen und geistigen Fähigkeiten und materiellem Vermögen sollen im Haus für Kosmopolitisches niederschwellig möglichst viele am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilhaben, aktiv mitwirken und sich austauschen können. Inklusion, die gleichberechtigte Teilhabe an kulturellen und gesellschaftlichen Prozessen, ist für die Gruppe denn auch ein zentraler Begriff und ein grosses Anliegen. Auch deshalb, weil sie bewusst unterschiedliche Zielgruppen im neuen Quartier ansprechen und in Projekte integrieren will: Menschen mit Behinderung der abilia-Einrichtungen gleich nebenan, Kinder der Kitas, Kunstschaffende der Ateliers, junge Menschen der Wohnungen für Studierende, Mieterinnen und Mieter der Genossenschaftswohnungen und Flüchtlinge, die im geplanten Bistro Zur Bleibe und beim Unterhalt des Areals mitwirken werden. Neben der Herberge und dem Bistro ist ein grosser Offener Salon geplant: ein öffentliches ‹Wohnzimmer›, in dem auch Quartierfeste, Kinoabende, Workshops und Ausstellungen stattfinden können. Erste Ideen gibt es auch für die zahlreichen Projekträume, die vermietet werden sollen: eine Gemeinschaftswerkstatt, eine Hausbibliothek, ein Tanzraum, Künstlerateliers, eine Reparaturwerkstatt für Kinder, ein Secondhand-Kleiderladen und und und. Das alles auf einer Nutzungsfläche von rund 2000 Quadratmetern. Auf dem Areal Erlenmatt Ost entsteht zurzeit ein neues Stadtquartier. Bis 2019 werden dort über 500 Menschen leben. Im alten Getreidesilo realisiert eine Gruppe von jungen Leuten das Haus für Kosmopolitisches, das Projekt ‹tohuwabohu›. Sie sind als Sieger aus dem Umnutzungswettbewerb der Stiftung Habitat hervorgegangen und wollen im Sommer 2019 ein neues soziokulturelles Begegnungszentrum eröffnen. «Bei meinen vielen Reisen hat mich die internationale Hostel-Kultur inspiriert. Das ‹Daheimsein› auf Zeit an einem interkulturellen Begegnungsort», sagt Etienne Blatz, einer der sechs im Vereinsvorstand, alle um die dreissig Jahre alt. Blatz hat wie Livia Matthäus und Luca Varisco im innovativen Hyperwerk, dem Institute for Postindustrial Design der Fachhochschule Nordwestschweiz, studiert. Zu den Studien- und Forschungsprojekten zu kosmopolitischen Fragestellungen und Gesellschaftsutopien kamen neue Ideen hinzu. Die Gruppe erweiterte sich um die Soziologin und Sozialarbeiterin Salome Bay, die soziokulturelle Animatorin Anna Sollberger und den Betriebswirtschaftsstudenten Nicolai Jakob. Die Gruppe machte sich auf die Suche nach einem Ort für ihre Vision, gründete einen Verein, bewarb sich bei der Stiftung Habitat und erhielt den Zuschlag. Die CMS hat den Verein im Rahmen ihrer Entwicklungsförderung für die Startphase mit 50 000 Franken unterstützt. Davon können sich die Vorstandsmitglieder, die in unterschiedlichsten Sparten jobben, ein minimales Honorar für die umfangreichen Vorbereitungsarbeiten auszahlen. Dazu gehören auch Abklärungen bei Fachstellen und professionelles Know-how, das sich die Gruppe für ihr Projekt bei externen Beratungsfirmen eingekauft hat. Mehr über das Projekt ‹tohuwabohu› auf www.thwbh.ch «Wir unterstützen das Projekt innerhalb unserer Entwicklungsförderung, d.h. mit Geld und mit einer engen inhaltlichen Begleitung. Uns überzeugt die Zielsetzung des Projekts: ein vielkultureller und sozialer Begegnungsort, der Raum für Eigen initiative, Quartieraustausch und eine Plattform für künstlerische und soziale Initiativen aus der Bevölkerung bietet. Es geht dabei nicht um kuratierte Hochkultur, sondern um eine Kultur, die in der Begegnung und im Prozess des gemeinsamen Machens entsteht. Wie man die Vision des Kosmopolitischen realisiert und eine Heimat schafft, wo alle willkommen sind? Wie die Zusammenarbeit mit den Zielgruppen und anderen Institutionen gelingen kann? Wir wissen es nicht, wollen es aber mit dem Verein für Kosmopolitisches herausfinden. Das Projekt ist mehr als ambitioniert, hat eine utopische Seite und kann auch scheitern, denn wie finanziert man langfristig so ein Engagement? Aber dieses Risiko nehmen wir in Kauf.» Nathalie Unternährer, Leiterin der Abteilung Kultur der CMS 11

Schwerpunkt<br />

WELT ALS HEIMAT<br />

FÜR ALLE<br />

Das Projekt ‹tohuwabohu›<br />

scy Das 1912 von Rudolf Sandreuter erbaute ehemalige Getreidesilo<br />

wird schon bald nicht mehr wiederzuerkennen sein. In zwei Jahren<br />

soll das Silo nach einem Umbau zum Mittelpunkt des neuen Stadtviertels<br />

und ein neues soziokulturelles Zentrum werden. Nicht irgendeines,<br />

sondern ein sehr spezielles. Die sechs jungen Leute, die das<br />

Projekt derzeit vorbereiten und auch betreiben werden, nennen sich<br />

Verein für Kosmopolitisches. Der Name ist Programm. «Die Idee des<br />

Kosmopolitischen – die Welt als Heimat für alle – ist unsere Inspiration»,<br />

heisst es in ihrem Positionspapier.<br />

Vordergründig kosmopolitisch ist die im Silo geplante Herberge<br />

für Gäste aus aller Welt. Unter ‹kosmopolitisch› versteht der Verein<br />

aber weit mehr als nur internationale Gäste in einem Hotel: nämlich<br />

«die Vision einer Welt, in der wir alle Gäste sind». Unabhängig von<br />

Herkunft, Sozialisierung, körperlichen und geistigen Fähigkeiten und<br />

materiellem Vermögen sollen im Haus für Kosmopolitisches niederschwellig<br />

möglichst viele am gesellschaftlichen und kulturellen Leben<br />

teilhaben, aktiv mitwirken und sich austauschen können. Inklusion,<br />

die gleichberechtigte Teilhabe an kulturellen und gesellschaftlichen<br />

Prozessen, ist für die Gruppe denn auch ein zentraler Begriff und ein<br />

grosses Anliegen. Auch deshalb, weil sie bewusst unterschiedliche<br />

Zielgruppen im neuen Quartier ansprechen und in Projekte integrieren<br />

will: Menschen mit Behinderung der abilia-Einrichtungen gleich<br />

nebenan, Kinder der Kitas, Kunstschaffende der Ateliers, junge<br />

Menschen der Wohnungen für Studierende, Mieterinnen und Mieter<br />

der Genossenschaftswohnungen und Flüchtlinge, die im geplanten<br />

Bistro Zur Bleibe und beim Unterhalt des Areals mitwirken werden.<br />

Neben der Herberge und dem Bistro ist ein grosser Offener<br />

Salon geplant: ein öffentliches ‹Wohnzimmer›, in dem auch Quartierfeste,<br />

Kinoabende, Workshops und Ausstellungen stattfinden können.<br />

Erste Ideen gibt es auch für die zahlreichen Projekträume, die<br />

vermietet werden sollen: eine Gemeinschaftswerkstatt, eine Hausbibliothek,<br />

ein Tanzraum, Künstlerateliers, eine Reparaturwerkstatt<br />

für Kinder, ein Secondhand-Kleiderladen und und und. Das alles auf<br />

einer Nutzungsfläche von rund 2000 Quadratmetern.<br />

Auf dem Areal Erlenmatt Ost entsteht<br />

zurzeit ein neues Stadtquartier. Bis 2019<br />

werden dort über 500 Menschen leben.<br />

Im alten Getreidesilo realisiert eine<br />

Gruppe von jungen Leuten das Haus<br />

für Kosmopolitisches, das Projekt ‹tohuwabohu›.<br />

Sie sind als Sieger aus dem<br />

Umnutzungswettbewerb der Stiftung<br />

Habitat hervorgegangen und wollen im<br />

Sommer 2019 ein neues soziokulturelles<br />

Begegnungszentrum eröffnen.<br />

«Bei meinen vielen Reisen hat mich die internationale Hostel-Kultur<br />

inspiriert. Das ‹Daheimsein› auf Zeit an einem interkulturellen<br />

Begegnungsort», sagt Etienne Blatz, einer der sechs im Vereinsvorstand,<br />

alle um die dreissig Jahre alt. Blatz hat wie Livia Matthäus<br />

und Luca Varisco im innovativen Hyperwerk, dem Institute for Postindustrial<br />

Design der Fachhochschule Nordwestschweiz, studiert. Zu<br />

den Studien- und Forschungsprojekten zu kosmopolitischen Fragestellungen<br />

und Gesellschaftsutopien kamen neue Ideen hinzu. Die<br />

Gruppe erweiterte sich um die Soziologin und Sozialarbeiterin Salome<br />

Bay, die soziokulturelle Animatorin Anna Sollberger und den Betriebswirtschaftsstudenten<br />

Nicolai Jakob. Die Gruppe machte sich auf die<br />

Suche nach einem Ort für ihre Vision, gründete einen Verein, bewarb<br />

sich bei der Stiftung Habitat und erhielt den Zuschlag.<br />

Die CMS hat den Verein im Rahmen ihrer Entwicklungsförderung<br />

für die Startphase mit 50 000 Franken unterstützt. Davon können sich<br />

die Vorstandsmitglieder, die in unterschiedlichsten Sparten jobben,<br />

ein minimales Honorar für die umfangreichen Vorbereitungsarbeiten<br />

auszahlen. Dazu gehören auch Abklärungen bei Fachstellen und<br />

professionelles Know-how, das sich die Gruppe für ihr Projekt bei<br />

externen Beratungsfirmen eingekauft hat.<br />

Mehr über das Projekt ‹tohuwabohu› auf www.thwbh.ch<br />

«Wir unterstützen das Projekt innerhalb unserer Entwicklungsförderung,<br />

d.h. mit Geld und mit einer engen inhaltlichen Begleitung. Uns überzeugt die Zielsetzung<br />

des Projekts: ein vielkultureller und sozialer Begegnungsort, der Raum<br />

für Eigen initiative, Quartieraustausch und eine Plattform für künstlerische und soziale<br />

Initiativen aus der Bevölkerung bietet. Es geht dabei nicht um kuratierte Hochkultur,<br />

sondern um eine Kultur, die in der Begegnung und im Prozess des gemeinsamen<br />

Machens entsteht. Wie man die Vision des Kosmopolitischen realisiert und eine Heimat<br />

schafft, wo alle willkommen sind? Wie die Zusammenarbeit mit den Zielgruppen<br />

und anderen Institutionen gelingen kann? Wir wissen es nicht, wollen es aber mit dem<br />

Verein für Kosmopolitisches herausfinden. Das Projekt ist mehr als ambitioniert,<br />

hat eine utopische Seite und kann auch scheitern, denn wie finanziert man langfristig<br />

so ein Engagement? Aber dieses Risiko nehmen wir in Kauf.»<br />

Nathalie Unternährer, Leiterin der Abteilung Kultur der CMS<br />

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