X - Alatoran

Zur Auswahl
Für »Alatoran« habe ich in Absprache mit Barbara Wattendorf acht Prosaarbeiten von deutschen
Gegenwartsautoren ausgewählt, die zwischen 1954 und 1971 geboren wurden. Die Auswahl ist
subjektiv, aber keinesfalls zufällig: Alle Autoren wurden in Deutschland mit bedeutenden
Literaturpreisen ausgezeichnet, ihre Bücher erreichen eine große Leserschaft und zeichnen sich
durch ein strenges Formbewusstsein aus.
Fünf der acht Autoren haben in Klagenfurt am Literaturwettbewerb um den »Ingeborg-
Bachmann-Preis« teilgenommen, einem deutschsprachigen literarischen Vorlesewettbewerb, der
nicht zuletzt wegen der Live-Übertragung im Fernsehen als eine der wichtigsten Auszeichnungen
für vornehmlich jüngere Schriftsteller gilt. Alle fünf Autoren wurden dort ausgezeichnet, zwei
haben den Hauptpreis gewonnen, ihre Gewinnertexte wurden (in leicht bearbeiteter Form) in
diese Auswahl aufgenommen.
Bei zwei Beiträgen handelt es sich Romanauszüge. Alle ausgewählten Autoren – bis auf Kathrin
Passig, die eine erfolgreiche Sachbuchautorin ist – haben bereits mehrere Romane veröffentlicht.
Als literarische Gattung dominieren Romane den deutschen belletristischen Buchmarkt, wohingegen
Gedichtbände, Essays und selbst Kurzgeschichtensammlungen von den Verkaufszahlen her
eine zu vernachlässigende Rolle spielen.
Thematisch ist die deutsche Gegenwartsliteratur so vielfältig wie nie zuvor, das zeigt sich auch
auf den nächsten Seiten: Das Spektrum reicht von traditionellen Erzählungen hin zur fragmentarischen
Kurzprosa, es werden fiktive und autobiographische Liebes- und Krankheitsgeschichten
erzählt, Märchen, Anekdoten und Gleichnisse, die in Deutschland und auf der ganzen Welt angesiedelt
sind. Geschichten aus der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, die in der Wirklichkeit
oder in der Phantasie spielen, ergreifend, auffordernd oder sachlich dokumentierend. In der
deutschen Prosa ist fast alles erlaubt, beherrscht wird die literarische Produktion seit dem Ende
des Zweiten Weltkriegs aber weiterhin von Romanen mit einer realistischen Erzählweise.
Die Vielfalt der Gegenwartsliteratur in Deutschland ist u.a. auf ein weitverzweigtes
Literaturstipendiennetz zurückzuführen, ebenso auf das Vorhandensein zahlreicher
Literaturpreise. Die wichtigsten deutschen Buchpreise sind der Deutsche Buchpreis (dbp) und der
Preis der Leipziger Buchmesse, die jährlich jeweils im Herbst zur Frankfurter bzw. im Frühjahr
zur Leipziger Buchmesse vergeben werden, sowie der aspekte-Literaturpreis. Zu den Nominierten
und Gewinnern dieser Auszeichnungen zählen alle der in dieser Auswahl vorgestellten Autoren.
Obwohl man seit 1995 am Deutschen Literaturinstitut Leipzig (DLL) und seit 1999 an der
Universität Hildesheim literarisches Schreiben an zwei deutschen akademischen Hochschulen
erlernen kann, hat keiner der hier vorgestellten Autoren einen solchen Studiengang belegt. Das
mag hauptsächlich mit der relativen Jugend der Studiengänge zusammenhängen, und es ist
wahrscheinlich, dass eine ähnliche Auswahl in zehn oder fünfzehn Jahren einige Absolventen
dieser Studiengänge aufweisen würde.
Eine Besonderheit bei der Auswahl gibt es noch: Alle vorgestellten Autoren haben – bis auf
Dietmar Dath – einen Wohnsitz in Berlin. Auch wenn Berlin aufgrund seiner Größe, der
Lebensumstände und auch den verhältnismäßig geringen Lebenshaltungskosten die mit Abstand
größte Schriftstellerdichte Deutschlands aufzuweisen hat, so ist dieser Umstand, wie ich zugeben
muss, doch in erster Linie Zufall.
Marc Degens
Bonn, April 2012
ÀËÀÒÎÐÀÍ ¹17 / ÌÀÐÒ 2012
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