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DER BLAUE ENGEL - Theater Hameln

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Die Geschichte des Lehrers ist im Film insgesamt zurückgedrängt, im Vordergrund steht<br />

die Liebesgeschichte und Unrats durch seine Liebe verursachter gesellschaftlicher und<br />

persönlicher Niedergang. Seine emotionale Entwicklung und die Beziehung zur<br />

Künstlerin sind vereinfacht und komprimiert. Unrats Zerrissenheit zwischen Vertrauen<br />

und Betrugsverdacht, sein Schwanken zwischen Triumphgefühl und Verzweiflung fehlt.<br />

Die Künstlerin Fröhlich ist im Roman eine vielschichtigere Figur als im Film. Während der<br />

Film sie als berechnende Opportunistin zeigt, die sich den Professor wegen seines<br />

Geldes „angelt“ und ihn, als er kein Geld mehr hat, mit Geringschätzung behandelt und<br />

ungeniert betrügt, schildert der Roman eine Frau, die sich von ihrer Heirat mit Unrat vor<br />

allem einen gesellschaftlichen Aufstieg erhofft. Im Roman hat sie auch eine Tochter, der<br />

sie eine bessere Zukunft ermöglichen will. Die Annäherung an Unrat gelingt nicht so<br />

unkompliziert und schnell wie im Film und geschieht auch nicht ausschließlich über<br />

körperliche Reize. Als alles Geld ausgegeben ist, sucht sie pragmatisch nach Auswegen,<br />

und auch wenn sie sich bei den Festen im eigenen Haus ihrem früheren Lebenswandel<br />

wieder annähert, ist sie doch bemüht, Unrat in seinem Rachefeldzug gegen die Bürger<br />

der Stadt zu unterstützen.<br />

Im Roman sorgt Unrat sehr bald dafür, dass Rosa ihr Zimmer im „Blauen Engel“ verlassen<br />

kann und eine angemessene Wohnmöglichkeit bekommt. Ihre Kollegen, das Ehepaar<br />

Kiepert, ziehen ohne Rosa zum nächsten Engagement in eine andere Stadt weiter. Der<br />

Film wertet Kiepert zum Direktor der Truppe auf, die Unrats Anwesenheit begrüßt,<br />

solange er zahlen kann. Danach muss er in den Vorstellungen den Clown spielen. Der<br />

erzwungene Auftritt in seiner Heimatstadt und Lolas unverhohlenes Interesse am Artisten<br />

Mazeppa lassen Unrat verzweifeln. Er stürzt sich schreiend auf Lola und wird in eine<br />

Zwangsjacke gesteckt. Als er gehen darf, wankt er aus dem „Blauen Engel“, schleppt sich<br />

zu seiner alten Schule und bricht dort tot zusammen, die Hände am Lehrertisch<br />

festgekrallt.<br />

Während im Roman der Untergang Unrats die gesetzliche Strafe für die Überschätzung<br />

seiner Machtbefugnisse und für seine Rachgier, die den sittlichen Verfall einer ganzen<br />

Stadt zu verantworten hat, bedeutet, endet Unrat im Film als tragische Figur, die für die<br />

Liebe alles geopfert hat und gescheitert ist.<br />

Die Schauplätze bleiben im Film durchgehend dieselben, während der Roman nur im<br />

ersten Teil in der Schule und im „Blauen Engel“ stattfindet, während der zweite Teil<br />

vorwiegend in Unrats Villa und dem der Stadt nahen Badeort spielt, in dem die meisten<br />

Bürger ihren Sommer verbringen.<br />

Zur Änderung der Geschichte kommen im Film akustische (Musik) und optische<br />

Elemente, etwa der Einsatz von Symbolen (Kanarienvogel, Rathausuhr) oder die<br />

Verknappung von (oder der gänzliche Verzicht auf) Sprache in vielen Szenen.<br />

Heinrich Mann erklärte sich im Großen und Ganzen mit den Änderungen des Films<br />

gegenüber dem Roman einverstanden, mit dem Ende allerdings nicht. Auch wenn er die<br />

effektvolle schauspielerische Leistung von Hauptdarsteller Emil Jannings lobte,<br />

bewertete er Unrat als Clown und sterbend auf dem Katheder doch als falsch, der<br />

Komödienschluss des Romans schien ihm nach wie vor der richtige. In Unrat fehlte ihm<br />

der Intellektuelle und Menschenverachter.<br />

Das <strong>Theater</strong> in der Josefstadt nimmt das Filmdrehbuch als Grundlage für seine<br />

Bühnenfassung, ergänzt aber textliche, inhaltliche und charakterliche Elemente aus dem<br />

Roman und gibt damit den Figuren und der Geschichte Komplexität und Gefühlstiefe<br />

zurück.

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