DER BLAUE ENGEL - Theater Hameln

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13.12.2012 Aufrufe

DER BLAUE ENGEL Der Roman PROFESSOR UNRAT ODER DAS ENDE EINES TYRANNEN von Heinrich Mann (1871-1950) entstand 1904 und erschien ein Jahr später. Das Buch stieß verbreitet auf Ablehnung, die Verkaufszahlen blieben entsprechend niedrig. Besonders in Heinrich Manns Heimatstadt Lübeck fühlten sich die Bürger in der Darstellung von Gesellschaft und Schule angegriffen. Das Buch wurde totgeschwiegen, kritisiert und (vor allem für Schüler) faktisch verboten. Die geänderten politischen Verhältnisse und der große Erfolg des Romans DER UNTERTAN, der 1918 erschien, sorgten für steigendes Interesse auch an früheren gesellschaftskritischen Werken Heinrich Manns, und davon profitierte auch PROFESSOR UNRAT. Durch den Welterfolg der Verfilmung des PROFESSOR UNRAT unter dem Titel DER BLAUE ENGEL erlangten auch die Vorlage und ihr Autor internationale Berühmtheit, der Roman wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Heinrich Mann übt in PROFESSOR UNRAT pointiert und satirisch überspitzt scharfe Kritik an den politischen und sittlichen Verhältnissen im Wilhelminischen Deutschland. Er selbst fühlte sich dem Bürgertum zugehörig und bekannte sich zu dessen positiven Werten, Leistungs- und Bildungswillen, verurteilte aber gleichzeitig dessen „Ungeist“. Die Wohlanständigkeit seiner Zeit- und Standesgenossen schien ihm heuchlerisch. Der Roman zeigt diese Doppelmoral des Bürgertums. Seine Leser nahmen Heinrich Mann übel, dass er in moralischen Skandalen, die andere als Einzelfälle bewerteten, Fehler in der Struktur der Gesellschaft erkannte und darstellte. Neben der Kritik am Bürgertum zeigt Heinrich Mann in PROFESSOR UNRAT auch Schwächen des Schulsystems auf. Das Gymnasium entfernte sich zunehmend von den Idealen und inneren Werten humanistischer Bildung, lehnte demokratische und sozialistische Anschauungen ab, wurde strenger und verstärkte den Drill. Ziel war die Heranbildung gehorsamer Untertanen, Selbständigkeit und Kritikfähigkeit der Schüler wurden unterdrückt, Pauker verlangten vor allem Disziplin und unreflektiertes Auswendiglernen. Der in den UFA-Studios gedrehte deutsche Film DER BLAUE ENGEL entstand zwischen 1929 und 1930 unter der Regie von Josef von Sternberg. Das Drehbuch schrieben Carl Zuckmayer, Karl Gustav Vollmoeller und Robert Liebmann nach dem Roman von Heinrich Mann (wobei die genaue Beteiligung jedes Einzelnen ebenso wenig geklärt ist wie der persönliche Einfluss Heinrich Manns). Die Premiere des Films fand am 1. April 1930 in Berlin statt. Gleichzeitig mit der deutschsprachigen entstand eine englische Fassung (THE BLUE ANGEL) mit denselben SchauspielerInnen, die im Juli 1930 in London uraufgeführt wurde.

Die Handlung des Romans ist im Film inhaltlich vereinfacht und im zweiten Teil auch deutlich verändert. Die Anzahl der Figuren ist stark reduziert. Einige der Veränderungen sind auf die Übertragung in das neue Medium zurückzuführen, in dem die Bedeutung der Sprache zugunsten der Optik in den Hintergrund tritt. Dazu kommen politische Gründe: Die deutschnational geführte UFA hatte sich gegen die unveränderte Verwendung einer Vorlage des eher links ausgerichteten Heinrich Mann ausgesprochen. Auch dass der Stoff in die Gegenwart, also die zweite Hälfte der 20er Jahre, verlegt wurde, verlangte einige Adaptierungen. Die meisten Neuerungen lassen sich aber auf das Bestreben zurückführen, einen publikumswirksamen und kommerziell erfolgreichen Film zu produzieren (worauf schon die Wahl des Titels hinweist). Hauptfigur des Romans ist der strenge Professor Immanuel Raat, 57 Jahre alt und seit 26 Jahren Lehrer am örtlichen Gymnasium. Das bedeutet, dass es in der Stadt auch viele ehemalige Schüler in unterschiedlichen Altersstufen gibt. Professor Raat sieht seine Schüler, die ihm hinter seinem Rücken den Spitznamen „Unrat“ geben, als persönliche Feinde und Rebellen und ist daher vor allem bestrebt, sie zu „fassen“ und zu strafen (- zum Beispiel, indem er ihnen unlösbare Aufgaben stellt). Besonders einen seiner Schüler, Lohmann, empfindet Unrat als Gegenspieler und Bedrohung, weil er die Autorität und Macht des Lehrers und damit ihn selbst in Frage stellt. Als Unrat bei Lohmann ein Gedicht über die Künstlerin Rosa Fröhlich entdeckt, macht er sich auf die Suche nach ihr, um den Umgang seiner Schüler mit ihr zu unterbinden. Rosa gelingt es, Unrat nach der ersten Begegnung wieder in das Lokal „Der Blaue Engel“, in dem sie als Sängerin auftritt, zu locken. Die ursprüngliche Motivation, seine Schüler fernzuhalten, wandelt sich allmählich. Bald fühlt sich Unrat als Beschützer Rosas, die er mit für sie ungewohnter Höflichkeit und Respekt behandelt, und er beginnt großzügig Geld für sie auszugeben. Dass er sie schließlich heiratet, kostet Unrat in seiner Stadt Ansehen und Stellung: Die Hochzeit bedeutet einen Verstoß gegen die Moral (die eine derartige Beziehung bestenfalls dann toleriert, wenn sie geheim gehalten wird) und macht ihn als Vorbildfigur in seiner Funktion als Lehrer unmöglich. Der verschwenderische Lebensstil seiner Frau treibt Unrat bald in finanzielle Schwierigkeiten, sein angespartes Geld ist schnell aufgebraucht. Auf Betreiben Rosas beginnen die beiden in ihrem Haus zweifelhafte „Gesellschaften“ zu veranstalten, die an die Abende im „Blauen Engel“ erinnern und bei denen es jede Art von Vergnügungen und auch Glücksspiel gibt. Rosa lässt sich mit einflussreichen Männern ein, tut das aber diskret (im Geheimen und außer Haus) und bleibt Unrat in einer Mischung aus Zärtlichkeit und Mitleid verbunden. Dass Rosa ihn betrügt, erduldet Unrat im Bewusstsein, sich an den gar nicht so wohlanständigen Bürgern der Stadt (und damit an vielen seiner ehemaligen Schüler) zu rächen, die sich durch ihr unehrenhaftes Verhalten erniedrigen oder sogar ruinieren. Das Zusammentreffen Rosas mit Lohmann, der wieder in der Stadt ist und sich von Rosa nach Hause einladen lässt, löst allerdings eine so heftige Eifersucht aus, dass Unrat sich strafbar macht (- er würgt Rosa und nimmt Lohmanns offen daliegende Brieftasche an sich -) und unter dem Spott der Stadtbürger verhaftet wird. Der Film zeichnet die beiden Hauptfiguren, Professor Unrat und Lola (wie die Künstlerin nun heißt), anders als der Roman. Der Lehrer, bei Heinrich Mann ein unerbittlicher Tyrann und rachsüchtiger Menschenfeind, der erst nach und nach Verständnis und Mitgefühl des Lesers gewinnt, bekommt im Film gleich zu Beginn sympathische Züge: Er trauert um seinen toten Kanarienvogel. Auch optisch ist er positiv verändert: Aus dem faltigen, verkrampften, schwächlichen Mann mit schlechter Haltung wird im Film ein stattlicher, gesetzter Herr. Seinen Schülern gegenüber zeigt er zwar Strenge, wirkt aber mehr kauzig als bedrohlich. Auch scheint er sich tatsächlich Sorge um das Wohlergehen seiner Schüler zu machen. Dass Unrat im Roman den Schüler Lohmann als gefährlichen Gegenspieler sieht, fehlt im Film ganz.

<strong>DER</strong> <strong>BLAUE</strong> <strong>ENGEL</strong> Der Roman PROFESSOR UNRAT O<strong>DER</strong> DAS ENDE EINES TYRANNEN von Heinrich<br />

Mann (1871-1950) entstand 1904 und erschien ein Jahr später. Das Buch stieß verbreitet<br />

auf Ablehnung, die Verkaufszahlen blieben entsprechend niedrig. Besonders in Heinrich<br />

Manns Heimatstadt Lübeck fühlten sich die Bürger in der Darstellung von Gesellschaft<br />

und Schule angegriffen. Das Buch wurde totgeschwiegen, kritisiert und (vor allem für<br />

Schüler) faktisch verboten.<br />

Die geänderten politischen Verhältnisse und der große Erfolg des Romans <strong>DER</strong><br />

UNTERTAN, der 1918 erschien, sorgten für steigendes Interesse auch an früheren<br />

gesellschaftskritischen Werken Heinrich Manns, und davon profitierte auch<br />

PROFESSOR UNRAT.<br />

Durch den Welterfolg der Verfilmung des PROFESSOR UNRAT unter dem Titel <strong>DER</strong><br />

<strong>BLAUE</strong> <strong>ENGEL</strong> erlangten auch die Vorlage und ihr Autor internationale Berühmtheit, der<br />

Roman wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt.<br />

Heinrich Mann übt in PROFESSOR UNRAT pointiert und satirisch überspitzt scharfe<br />

Kritik an den politischen und sittlichen Verhältnissen im Wilhelminischen Deutschland. Er<br />

selbst fühlte sich dem Bürgertum zugehörig und bekannte sich zu dessen positiven<br />

Werten, Leistungs- und Bildungswillen, verurteilte aber gleichzeitig dessen „Ungeist“. Die<br />

Wohlanständigkeit seiner Zeit- und Standesgenossen schien ihm heuchlerisch. Der<br />

Roman zeigt diese Doppelmoral des Bürgertums. Seine Leser nahmen Heinrich Mann<br />

übel, dass er in moralischen Skandalen, die andere als Einzelfälle bewerteten, Fehler in<br />

der Struktur der Gesellschaft erkannte und darstellte.<br />

Neben der Kritik am Bürgertum zeigt Heinrich Mann in PROFESSOR UNRAT auch<br />

Schwächen des Schulsystems auf. Das Gymnasium entfernte sich zunehmend von den<br />

Idealen und inneren Werten humanistischer Bildung, lehnte demokratische und<br />

sozialistische Anschauungen ab, wurde strenger und verstärkte den Drill. Ziel war die<br />

Heranbildung gehorsamer Untertanen, Selbständigkeit und Kritikfähigkeit der Schüler<br />

wurden unterdrückt, Pauker verlangten vor allem Disziplin und unreflektiertes<br />

Auswendiglernen.<br />

Der in den UFA-Studios gedrehte deutsche Film <strong>DER</strong> <strong>BLAUE</strong> <strong>ENGEL</strong> entstand zwischen<br />

1929 und 1930 unter der Regie von Josef von Sternberg. Das Drehbuch schrieben Carl<br />

Zuckmayer, Karl Gustav Vollmoeller und Robert Liebmann nach dem Roman von<br />

Heinrich Mann (wobei die genaue Beteiligung jedes Einzelnen ebenso wenig geklärt ist<br />

wie der persönliche Einfluss Heinrich Manns). Die Premiere des Films fand am 1. April<br />

1930 in Berlin statt. Gleichzeitig mit der deutschsprachigen entstand eine englische<br />

Fassung (THE BLUE ANGEL) mit denselben SchauspielerInnen, die im Juli 1930 in<br />

London uraufgeführt wurde.

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