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Rückblick1999-2013_HP

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am südlichsten Zipfel der Hochebene von Vilgereuth/Filgreit (Folgaria) und Lafraun (Lavarone),<br />

hervor. Vom cimbrischen Sprachraum im Trientinischen hat sich nur diese kleine Gemeinde<br />

erhalten. Unverkennbar bestätigen Kennwörter wie /angas für „Frühling", ertag für „Dienstag",<br />

pfinztag für „Donnerstag", pfaff für „Priester" oder baip für „Weib, Frau" und pfoad neben<br />

hemade für „Hemd" bzw. khentan für „anzünden" die bairische Herkunft. Etwas mehr als vier<br />

Fünftel der knapp 400 Einwohner der Kamou" vo" Lusern (Gemeinde von Lusern} sprechen<br />

hoch fließend Cimbrisch. Es ist eine bairische Varietät des Mittelhochdeutschen (Mhd). Das<br />

an die Sieben Gemeinden angrenzende Lusern ist sprachlich mit Giazza verwandter als mit<br />

dem benachbarten Roban-Roana. So lautet „schön" in den Sieben Gemeinden „schöön", in<br />

1 Giazza „schuan" und in Lusern nasaliert „scha 0 "; ,,Fleisch" heißt in Giazza „fljaisch" und in<br />

Lusern „vlaisch" und in Mezzaselva in den Sieben Gemeinden „bloasch". Maria und Herbert<br />

RÜTH konnten in einer Kneipe zu ihrer Überraschung miterleben, wie junge Leute sich auf<br />

Cimbrisch miteinander unterhielten. Wie selbstverständlich gebrauchen sie cimbrisch als<br />

Umgangssprache. ,,Reeda bar asbla blar", reden wir wie wir, meint man in Lusern und als<br />

,,Appetithäppchen" sei eine weitere Sprachprobe eingefügt: ,,As man bil gebinen de pult,<br />

möchte man firnen tzo pükha en rukn" (Wenn man die Polenta= Speise gewinnen will, muss man<br />

lernen, den Rücken zu beugen). Mit Fremden unterhalten sie sich in italienisch oder auch im<br />

Trienter oder deutsch-tiroler Dialekt. Dass im Vergleich zu den Sieben und Dreizehn Gemeinden<br />

der frühmittelhochdeutsch-baierische Dialekt in Lusern sich länger hält, wird vielleicht neben<br />

seiner isolierten Lage auch damit zu begründen sein, dass Lusern und das gesamte Umland<br />

bis i 918 zur Habsburger Donau-Monarchie gehörte. Das Cimbrische war dort einst lebendiger<br />

als Latein im Vatikan. Im i 1. Jahrhundert (1053-i 063) kamen während einer Hungersnot in<br />

Bayern auch dorthin viele Familien aus dem Einzugsgebiet des Klosters Benediktbeuern,<br />

aus dem Gebiet von Würm und Amper nach Oberitalien. Wobei das Hauptkontigent der<br />

Zuwanderer, Bayern und Schwaben, im 12. und i 3. Jahrhundert anzusetzen sein wird. Die<br />

ersten Ansiedler sollen Schäfer aus Lafraun (Lavarone) gewesen sein. Der Luserner Dialekt,<br />

der im Faschismus verboten war, ist als Umgangssprache heute zwar noch sehr gut erhalten,<br />

es werden aber doch immer weniger, die diese Mundart sprechen. Viele Bewohner haben in<br />

den letzten Jahren wegen fehlender Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten Lusern verlassen.<br />

i 975 zählte die Gemeinde noch 560 Einwohner. So ist zu befürchten, dass auch dem Luserner<br />

Dialekt das gleiche Schicksal wie den Sette und Tredici Comuni widerfahren und in ein paar<br />

Jahrzehnten das Totenglöcklein läuten wird.<br />

Bürgermeister Luigi NICOLUSSI-CASTELLAN spricht neben Cimbrisch ausgezeichnet<br />

Hochdeutsch; er war i 2 Jahre als Betreuer der Katholischen Arbeiterbewegung für italienische<br />

Gastarbeiter in München. ,,Wir haben keine pangermanistischen Tendenzen, wir wollen nur<br />

unsere Sprache und Identität erhalten", erklärt er und beklagt dann: ,,Die deutschsprechende<br />

Minderheit wird im Trentino nicht so anerkannt, während die Deutschstämmigen in Südtirol<br />

ausreichend geschützt sind ( ... ). Wir haben es Bayern und hier besonders dem Bayerischen<br />

Cimbern-Kuratorium zu verdanken, dass die cimbrische Sprache und Kultur nicht vergessen<br />

worden ist." Es sei sich bewusst, dass die Luserner Mundart gefährdet ist. Daher sucht er zu<br />

verhindern, dass aus Lusern ein normales italienisches Dorf wird. In Lusern ist der Sitz des im<br />

Rahmen der Zusammmenarbeit der kleinen Sprachgemeinschaften im Jahr 2001 gegründeten<br />

„Komitee der historischen Deutschen Sprachinseln in Italien." Vor mehreren Jahren schon<br />

wurde der „Kulturverein Lusern" gegründet, um die altdeutsche Sprache der Luserner zu<br />

pflegen und sie vor dem Verklingen zu bewahren. ,,Es wäre eine Schande, wenn heute, wo<br />

überall auf der Welt Kräfte am Werke sind, die alten Kulturgüter zu retten und ein solches<br />

Kulturgut ist auch der mittelalterliche Dialekt der Luserner, aus Trägheit verklingen würde. Alln<br />

in sein bo das helvan, köbar en a herzliches ,vorgelt's gott!" (Allen denen, die uns helfen, ein<br />

herzliches „Vergelt's Gott!).<br />

Cimbernland 35/<strong>2013</strong>

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