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Bayernkurier, 18. März 2004<br />
NEUES BAYERISCHES WÖRTERBUCH<br />
Bild, dpa<br />
Ein Brite nimmt sich des baierischen<br />
Dialekts wissenschaftlich<br />
an. Er leitet die Arbeit am „Bayerischen<br />
Wörterbuch".<br />
Anthony Rowley stam!)lt aus<br />
. dem nordenglischen Yorkshire,<br />
wo man keineswegs ein reines Oxford-Englisch<br />
spricht, und ist daher<br />
mit dem . Phänomen der Dialekte<br />
von jeher vertraut. Deutsch mit bayerischem<br />
Akzent sprach der Gennanist<br />
und Sprachgeschichtler schon,<br />
als er·Mitglied der Bayerischen Akademie<br />
der Wissenschaften<br />
wurde und den Posten des<br />
Leiters des ,,Bayerischen<br />
Wörterbuchs" übernahm.<br />
Dieses Projekt nennt sich<br />
nach seinem Ziel, nämlich<br />
ein bayerisches Wörterbuch<br />
zu erstellen. Ursprünglich<br />
wurde die Sache<br />
zusammen mit Öster<br />
reich in Angriff genommen,<br />
dann aber gingen<br />
die Wege auseinander - die Österreicher<br />
machen ihr Wörterbuch, die<br />
Bayern ihr eigenes. Rowley, der sich<br />
an der Universität Bayreuth habilitiert<br />
und an der Uni Regensburg gearbeitet<br />
hatte, wurde zum Leiter<br />
des bayerischen Projekts ernannt.<br />
Das Vorhaben des SI-jährigen<br />
Wissenschaftlers und seiner Mitarbeiter<br />
muss sich an einem großen<br />
Vorbild messen lassen. In der ersten<br />
Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
Anthony Rowley<br />
veröffentlichte der Bibliothekar<br />
der Bayerischen Staatsbiliothek<br />
und Münchner Professor Johann<br />
Andreas Sehmeiler sein Hauptwerk<br />
,,Die Mundarten Bayerns, grammatikalisch<br />
dargestellt", das zum<br />
Klassiker nicht nur der bayerischen<br />
Sprachforschung wurde. ,,Der<br />
Sehmeiler", wie das Werk kurz genannt<br />
wird, bildete die Grundlage<br />
für· das orthographische Wörterbuch<br />
des Konrad Duden. Ein Bild<br />
Sehmeilers hängt in Rowleys Büro.<br />
Heute kann ein Einzelner ein<br />
umfassendes Werk dieser Art nicht<br />
mehr verfassen. Rowley stützt sich<br />
in der ,,Kommission für Mundartforschung",<br />
die an die Bayerische<br />
Akademie der Wissenschaft<br />
angeschlossen ist,<br />
auf drei akademische<br />
Mitarbeiter. Darüber hinaus<br />
arbeiten ihm rund<br />
500 freiwillige Helfer zu,<br />
vorn Studenten bis zur<br />
!' betagten Bäuerin. Doch<br />
bei allem Eifer rechnen<br />
' die Autoren nicht damit,<br />
das Werk persönlich zu<br />
vollenden. Bis 2050, so<br />
schätzt man, wird es dauern, bis<br />
das Lexikon mit dem „Z" schließt,<br />
bis· jetzt ist man beim „B" angelangt.<br />
Rowley empfiehlt den Dialekt<br />
nicht nur aus dem Blickwinkel des<br />
Sprachhistorikers. Mundart, so<br />
meint er, sei auch für das Selbstwertgefühl<br />
und die Gruppenidentifikation<br />
wichtig. Außerdem haben<br />
Schulkinder, die ihren Dialekt beherrschen,<br />
im Schnitt bessere<br />
Deutsch-Noten als andere. Auch<br />
Friedrich Schiller hat ein Leben<br />
lang geschwäbelt.<br />
Florian Stumfall<br />
Cimbernland 21/<strong>2013</strong>