Rückblick1999-2013_HP
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Landshuter Zeitung, 19. Juli 2002<br />
,,Sprache ist wertvollstes Kulturgut"<br />
Neues Bayerisches Wörterbuch bei Versammlung des Cimbernkuratoriums vorgestellt<br />
Dass Cimb:risch und Bayerisch<br />
kraftvolle alte Sprachen sind, wurde<br />
in besonderer Weise bei der kürzlich<br />
stattgefundenen Jahresmitgliederversammlung<br />
des Bayerischen Cimbernkuratoriums<br />
München/Landshut<br />
im Hotel Goldene Sonne deutlich.<br />
Professor Dr. Anthony Rowley<br />
sprach über das „Bayerische Wörterbuch''.<br />
Privatdozent Remigius Geiser<br />
trug Hymnen in cimbrischer Sprache<br />
vor.<br />
Der Vorsitzende des Kuratoriums<br />
Josef Seidl erläuterte in seinem Tätigkeitsbericht,<br />
dass es nach wie vor<br />
Ziel des Cimbernkuratoriums sei, die<br />
in Norditalien in bestimmten Gebieten<br />
immer noch vorhandene cimbrische<br />
Sprache, die ihren Ursprung in<br />
Bayern und Tirol des 10. und 11.<br />
Jahrhunderts habe, als Kulturgut zu<br />
erhalten. Denn die Sprache sei das<br />
wichtigste Kulturgut, betonte der<br />
Vorsitzende.<br />
Partnerschaften von Schulen, Verbänden<br />
und Gemeinden zwischen<br />
dem norditalienischen Raum und<br />
Bayern 'Wtirden das gegenseitige Verständnis<br />
fördern. Daher habe das<br />
Cimbemkuratorium diese bestmöglich<br />
unterstützt, teilweise durch Zuschüsse<br />
anlässlich von Fahrten in die<br />
cimbrischen Gemeinden. In Abstimmung<br />
mit der Vorsitzenden des Cimbern-Freundeskreises,<br />
Therese<br />
Musahl aus Tiefenbach, soll eine<br />
Fahrt vom 4. bis 6. Oktober in das<br />
cimbrische Gebiet stattfinden. Anmeldungen<br />
werden an den Vorsitzenden,<br />
Telefon 0871/42317, erbeten.<br />
Das in Bearbeitung befindliche Wörterbuch<br />
cimbrisch/italienisch/<br />
deutsch soll zügig fertiggestellt werden.<br />
Zugleich sollen die letztjährigen<br />
Aktivitäten des Cimbernkuratoriums<br />
in einer Broschüre „ Cimbernland"<br />
zusammengefasst werden.<br />
Erste Sammlung von 1669<br />
Prof. Dr. Anthony Rowley von der<br />
Kommission Mundartforschung an<br />
der Bayerischen Akademie für Wissenschaften<br />
stellte das in mehreren<br />
Bänden in Entwicklung befindliche<br />
neue „Bayerische Wörterbuch" vor.<br />
Der Vorsitzende des Cimbemkuratoriums München/Landshut Josef Seidl<br />
(Mitte) mit den Vorstandsmitgliedern im Hotel Goldenen Sonne (Foto: cv)<br />
So hätten Mundartwörterbücher in<br />
Bayern eine lange Tradition. Die erste<br />
solche Sammlung überhaupt sei<br />
mit 600 Dialektwörtern vom Regensburger<br />
Bürgermeister Johann Ludwig<br />
Brasch im Jahr 1669 verfasst<br />
worden. Vor 175 Jahren sei der erste<br />
Band des „Bayerischen Wörterbuches"<br />
vor Johann Andreas Schmeller<br />
in München vorgelegt worden. Dieser<br />
sei 1815 vom Kronprinzen mit dem<br />
Projekt des Bayerischen Wörterbuchs<br />
beauftragt worden. Schmeller gelte<br />
auch als Pionier der Cimbernforschung,<br />
betonte der Referent.<br />
Schmellers Bayerisches Wörterbuch<br />
gelte auch heute noch als eine gewinnbringende<br />
Lektüre.<br />
Wortschatz erfasst<br />
Das Bearbeitungsgebiet des neuen<br />
Bayerischen Wörterbuchs umfasse<br />
zunächst die altbayerischen Regierungsbezirke<br />
Oberbayern, Niederbayern<br />
und die Oberpfalz, sowie die<br />
dialektmäßig bairisch-sprachigen<br />
Gebiete der Nachbarbezirke - in<br />
Schwaben um Friedberg und Neuburg,<br />
die Franken, dort wo der Bub<br />
,,Bou" heißt, als etwa das Sechsämterland<br />
um Wunsiedel. Zunächst<br />
werde der Wortschatz der Dialekte<br />
systematisch durch gezielte Erhebungen<br />
erfasst, dabei bediene man<br />
sich zahlreicher Persönlichkeiten, die<br />
bereit sind, den gegendüblichen<br />
Wortschatz mitzuteilen.<br />
Es habe sich der Status des Dialekts<br />
in Bayei-n seit 1912 stark gewandelt,<br />
stellte Dr, Rowley fest. So<br />
seien zum Beispiel aus dem Landkreis<br />
Landshut zehn Sprachsammler<br />
geworben worden. Zu Hilfe sei auch<br />
die volkskundliche Fachliteratur und<br />
die Dialektliteratur von Ludwig Thoma,<br />
Georg Query, Lena Christ und<br />
andere genommen worden. Mit zahlreichen<br />
Beispielen, Sprichwörtern<br />
und Redewendungen wartete der Referent<br />
auf und erläuterte dabei die<br />
feinen Unterschiede zwischen den<br />
einzelnen Regionen und Dörfern.<br />
Ein Dialektwörterbuch, wie das<br />
Bayerische Wörterbuch, sei immer<br />
ein Abbild der Gesellschaft. Im Dialekt<br />
-·zeige sich die soziale Struktur,<br />
auch die Struktur der Umwelt. Fast<br />
die gesamte Geschichte einer Landschaft<br />
widerspiegle sich im Dialekt<br />
der Bewohner, erläuterte der Referent.<br />
Der Professor erläuterte auch<br />
die „Kulturlehnwörter", die man so<br />
nennt, weil sie sich auf ganz bestimmte<br />
kulturelle Bereiche beschränken,<br />
vor allem auf religiöse<br />
Bereiche. Sie seien auch Zeugnis dafür,<br />
dass die erste Christianisierung<br />
in Bayern durch Goten erfolgt sei,<br />
und nicht durch Franken.<br />
Die irische Mission<br />
Der Referent ging ferner auf die<br />
,,irische Mission" ein. Denn Iren hätten<br />
eine besondere Rolle beim Aufbau<br />
des Klosterwesens und des religiösen<br />
Lebens in Bayern gespielt. So sei<br />
auch das Schriftwesen in Bayern<br />
irisch geprägt worden. Dr. Rowley<br />
wies auch darauf hin, dass die größte<br />
Anzahl an Lehnwörtern im Baierischen<br />
nicht aus dem Italienischen,<br />
sondern aus dem Französischen<br />
kommt.<br />
Diese gehen in die Zeit zurück, als<br />
das Französische die Sprache der<br />
deutschen Aristokratie war, in eine<br />
Zeit, als das Französische die Prestigesprache<br />
schlechtin war. Sie seien<br />
erst nach und nach dem Dialekt zugeordnet<br />
worden. Abschließend stellte<br />
der Referent dar, dass ein zehn- bis<br />
zwölfbändiges Werk entstehen soll,<br />
das voraussichtlich 2065 abgeschlossen<br />
sein wird. Die ersten Ausgaben<br />
seien jedoch in den Buchhandlungen<br />
bereits erhältlich.<br />
Von der Weiterentwicklung länderübergreifender<br />
Partnerschaften<br />
berichteten bei der Versammlung<br />
verschiedene Bürgermeister: Georg<br />
Schmerbeck sprach über die Partnerschaft<br />
Tiefenbachs mit der Gemeinde<br />
Lusern und Hans Tiefenbeck von der<br />
Partnerschaft der Gemeinde Wurmsham<br />
mit der Gemeinde Tregnago.<br />
Zweiter Bürgermeister Jakob Oßner<br />
aus Velden stellte die langjährigen<br />
Kontakte mit der Gemeinde Roana<br />
vor. Bartolo Omizzolo von der Gemeinde<br />
Neufahrn hob die 25-jährige<br />
Freundschaft mit der Gemeinde Fozza<br />
hervor. Altbürgermeister Karl<br />
Tremmer aus der Gemeinde Blaibach<br />
wies auf die gute Partnerschaft mit<br />
der Gemeinde Palu del Persina/Palae<br />
en Bersntol hin. Privatdozent Remigius<br />
Geiser trug unter großem Beifall<br />
der Besucher einen in Cimbrisch gesprochenen<br />
Hymnus auf die Cimbemgemeinden<br />
vor.<br />
Cimbernland 14/<strong>2013</strong>