KURT 08/2017
KURT ist das Stadt-, Kultur- und Szenemagazin für die Region Gifhorn
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blaulicht & blitzlicht<br />
sowieso jeder einmal veralbert. Nur Engländer<br />
hätten es eventuell etwas schwerer.<br />
Denn Schotten und Engländer – das ist eine<br />
schwierige und lange Geschichte.<br />
Und am Ende eines sehr unterhaltsamen<br />
und lehrreichen Abends hat man mindestens<br />
drei neue Freunde gewonnen, die einem am<br />
nächsten Tag gern und bereitwillig die besten<br />
Seiten Dumfries’ zeigen.<br />
Meine Stadtführer sind Ian Mitchel – der<br />
Dart-Spieler – sowie Enid und John Welch,<br />
alle drei vom „Gifhorn Friend’s Club“. In<br />
diesem Club finden diejenigen zusammen,<br />
denen die Partnerschaft mit Gifhorn ein besonderes<br />
Anliegen ist, und das sind in Dumfries<br />
eine ganze Menge Menschen. Und mit<br />
Ian Mitchell, einem ehemaligen Feuerwehrmann,<br />
ist jemand als „Convenor“ am Ruder,<br />
der weiß, wie man organisiert, Geld locker<br />
macht und die Menschen zusammenbringt.<br />
Die Folge: Der Austausch zwischen Dumfries<br />
und Gifhorn funktioniert ziemlich gut.<br />
Zum Thema Brexit hat er – wie ausnahmslos<br />
alle Schotten, die ich darauf anspreche<br />
– eine eindeutige Meinung: Er hält ihn<br />
für dumm und schädlich. „Wir schaden uns<br />
selbst, wenn wir die EU verlassen. Schottland<br />
hat klar für einen Verbleib gestimmt. Jetzt<br />
sollen wir mit einer Entscheidung leben, die<br />
wir nicht gewollt haben, und sind noch nicht<br />
einmal bei den Verhandlungen dabei.“<br />
Treffpunkt Devorgilla Bridge. Die jetzige<br />
Fußgänger-Brücke ist eines der Wahrzeichen<br />
der Stadt und wurde um 1430 erbaut, eine<br />
hölzerne Vorgänger-Brücke stand dort seit<br />
1260. An einem Ende: das älteste Haus der<br />
Stadt, bis in die 60er Jahre des vergangenen<br />
Jahrhunderts bewohnt, jetzt ein kleines, feines,<br />
kostenloses Museum. Hier kann besichtigt<br />
werden, wie das häusliche Leben in früheren<br />
Jahrhunderten aussah.<br />
Und wenn wir schon bei den Museen sind,<br />
können wir auch ein Paar Schritte am Ufer des<br />
River Nith weiter das nächste gleich mitnehmen:<br />
das Robert Burns Centre. Robert Burns,<br />
das ist ein besonderer Name in ganz Schottland.<br />
Immer als Nationaldichter beschrieben,<br />
ist er vor allem eines: volkstümlich. Jeder<br />
Schotte kennt ein paar seiner Lieder und Gedichte.<br />
Bei uns ist vor allem „Auld lang syne“<br />
als Lagerfeuer- und Wandergitarren-Klassiker<br />
bekannt. Er hat einen prallen und tragischen<br />
Lebenslauf: ärmliche Herkunft, ständige<br />
Geldsorgen, verheiratet, Vater von neun Kindern,<br />
heftiger Trinker, diverse außereheliche<br />
Verhältnisse, früher Tod mit 37.<br />
Die letzten Jahres seines Lebens verbrachte<br />
Robert Burns in Dumfries – weswegen<br />
er einem dort an fast jeder Ecke begegnet.<br />
Vor allem in besagtem Centre, wo in einer<br />
kleinen, gut gemachten Ausstellung sein Lebensweg<br />
präsentiert wird.<br />
„It‘s madness, bloody madness“: Kerr Little, Inhaber<br />
der Little Bakery vor den Toren Dumfries, schimpft<br />
in einer 20-minütigen Wutrede über den Brexit.<br />
Jetzt ist es aber erst mal genug mit Kultur<br />
und Besichtigungen – wir haben Hunger.<br />
Und weil das hier Schottland ist, gibt es eine<br />
Pflichtübung: Haggis. Das ist von den Zutaten<br />
her eher abschreckend, aber was besagt<br />
das. Ian Mitchell, der Mann für alle Gelegenheiten,<br />
hat auch hier den richtigen Tipp: „The<br />
Little Bakery“, etwas außerhalb von Dumfries<br />
in einem Gewerbegebiet gelegen. Das ist<br />
ein besserer Verschlag, angegliedert an eine<br />
Großbäckerei. Hier hat Inhaber Kerr Little eine<br />
Art Imbiss aufgemacht, in dem seine Backwaren<br />
als Burger und Pies aufbereitet werden.<br />
Und weil Mr. Little ein geschäftstüchtiger<br />
Mann ist, achtet er auf Qualität zu einem<br />
vernünftigen Preis. Für seinen Haggis-Burger<br />
nehmen die Dumfrieser Anfahrtszeiten und<br />
Anstehen in Kauf. Mr. Little hat neben guter<br />
Ware auch gutes Entertainment zu bieten:<br />
Der Mann ist ein Show-Talent und kann seine<br />
Kundschaft bestens unterhalten.<br />
Als ich ihn ganz harmlos frage, was er<br />
vom kommenden Brexit hält, lässt er eine<br />
20-minütige Wutrede vom Stapel, die ich<br />
im Detail nicht verstehe, aber vor allem aus<br />
wüsten Beschimpfungen besteht. „It’s madness,<br />
bloody madness“, wiederholt er immer<br />
wieder. Am Ende löst sich alles mit ein paar<br />
Engländer-Witzen in Gelächter auf. Und der<br />
Burger ist natürlich Weltklasse.<br />
Nächste Station: Friar‘s Vennei. Das ist der<br />
Name einer Straße, die vom Robert-Burns-<br />
Denkmal weg zum Flussufer führt. Hier haben<br />
noch kleine traditionsreiche Geschäfte<br />
überlebt. D.M. Millan zum Beispiel, der alles<br />
anbietet, was man zum Angeln braucht.<br />
Oder die Fleischerei Mogerleys. Oder das Café<br />
Pumpernickel, das allein schon wegen seines<br />
Namens einen Kurzbesuch wert ist. Hier ist<br />
gute schottische Tradition zu Hause.<br />
Also: Setzt Euch ins Auto oder bucht einen<br />
Billig-Flug. Achtet nicht aufs Wetter. Es lohnt<br />
sich immer. Nichts ist für eine Partnerschaft<br />
besser als gegenseitige Besuche. Und nichts<br />
macht mehr Spaß. Ihr werdet‘s erleben...