Komplett - DAS Sauerlandmagazin Ausgabe Mai/Juni 2017
Themen u.a.: Hier wird Familien geholfen - Keine Angst vorm Jugendamt, So geht Karriere - Ausbildung in Industrie und Handwerk, Blaues Blut und eine Vision - Der Schlossherr von Bamenohl
Themen u.a.: Hier wird Familien geholfen - Keine Angst vorm Jugendamt, So geht Karriere - Ausbildung in Industrie und Handwerk, Blaues Blut und eine Vision - Der Schlossherr von Bamenohl
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<strong>DAS</strong> SAUERLANDMAGAZIN<br />
Ein starkes Stück Sauerland<br />
3,80 Euro<br />
<strong>DAS</strong> SAUERLANDMAGAZIN MAI/ JUNI <strong>2017</strong><br />
zwischen Verse und Sorpe<br />
Plettenberg<br />
Sauerland<br />
Finnentrop<br />
Hier wird Familien geholfen<br />
Keine Angst vorm Jugendamt<br />
So geht Karriere<br />
Ausbildung in Industrie und Handwerk<br />
Blaues Blut und eine Vision<br />
Der Schlossherr von Bamenohl<br />
ISSN 2363-6777<br />
www.<strong>Komplett</strong>-magazin.de
VORWORT<br />
<strong>Komplett</strong>. . .<br />
… im Einsatz sind wir für unsere Heimatregion. Mit Geschichten, die wir nicht über, sondern mitten aus<br />
dem starken Stück Sauerland zwischen Verse- und Sorpe erzählen, informieren und unterhalten wir Sie,<br />
liebe Leserin, lieber Leser. Unsere Autorinnen und Autoren zeigen Gesicht, sind eng verbunden mit den<br />
Städten und Gemeinden Herscheid, Plettenberg, Werdohl, Neuenrade, Balve, Finnentrop und Sundern. Mit<br />
aufmerksamem Blick spüren wir Themen auf, die über den Tag hinaus von Interesse und Bedeutung sind.<br />
In dieser KOMPLETT-<strong>Ausgabe</strong> widmen sich Rüdiger Kahlke und Bernhard Schlütter dem Thema Berufsausbildung.<br />
Junge Leute finden in heimischen Unternehmen hervorragende Voraussetzungen für ihre Karriere.<br />
Dafür braucht es nicht zwingend das Abitur, hat KOMPLETT im Gespräch mit Ausbildungsverantwortlichen<br />
z.B. bei der Firma Seissenschmidt in Plettenberg erfahren. Und die betriebliche Ausbildung in der Industrie<br />
oder im Handwerk ist erst der Anfang, vermittelt die IG Metall mit ihrer Plattform „Start smart“.<br />
Vernetzung lautet das Schlagwort für die mittelständischen Unternehmen in Südwestfalen. Gemeinsam<br />
können komplexe Aufgaben gelöst werden. Gemeinsam lässt sich die Wirtschaftsregion Südwestfalen<br />
viel besser nach außen darstellen. Martin Büdenbender nimmt vorhandene Netzwerke unter die Lupe<br />
und stellt fest: Kooperationen und Informationsaustausch werden im Sauerland bevorzugt bei geselligen<br />
Anlässen, z.B. einem Frühstück, angebahnt.<br />
Martin Droste<br />
Pia Kablau<br />
Bernhard Schlütter<br />
Detlef Schlüchtermann<br />
Cristin Schmelcher<br />
Heiko Höfner<br />
Rüdiger Kahlke<br />
Martin Büdenbender<br />
Wolfgang Teipel<br />
Iris Kannenberg<br />
Familienfreundlichkeit ist ein wichtiger Standortfaktor. Das Familienleben ist vor dem Hintergund von berufstätigen<br />
Eltern, Ganztagsunterricht und verändertem Freizeitverhalten ein anderes als noch vor 20 Jahren.<br />
Hilfe in vielen Lebenslagen finden Eltern, Kinder und Jugendliche bei den Jugendämtern. Die sind zwar<br />
immer noch Behörden, haben sich aber mehr und mehr zu Servicestellen für Familien entwickelt, wird am<br />
Beispiel des Plettenberger Jugendamtes deutlich.<br />
Wie gewohnt stellt KOMPLETT Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, auch in dieser <strong>Ausgabe</strong> interessante Menschen<br />
vor. Die Plettenbergerin Katja Krah vernetzt Künstler aus dem gesamten Märkischen Kreis, der Plettenberger<br />
Heribert Lill hat einen alten Silo zum Bauernhofmuseum umgebaut, Dennis Feix aus Werdohl kocht<br />
heute auf Sterne-Niveau in Stuttgart und der Attendorner Joachim Hoberg erforscht das Sauerland unter Tage.<br />
Wir wünschen Ihnen viel Lesevergnügen und vor allem:<br />
Bleiben Sie komplett!<br />
Heiko Höfner, Bernhard Schlütter,<br />
und das komplette Team vom KOMPLETT-Magazin<br />
3
Zukunft gestalten - Jugendamt hilft - 16<br />
Alles drin<br />
Zukunft gestalten<br />
Ütterlingsen wird Schwimm- und Freizeitzentrum.......14<br />
Jugendamt hilft als Familienkrisenmanager.................16<br />
Eröffnung - vier Fachmärkte im neuen P-Center..........18<br />
Lenneschiene - Leader? Ach, Sie singen!................. 22<br />
Radprax: Wir machen das Krankenhaus<br />
Plettenberg besser..................................................... 58<br />
Integration - „Willkommen“ in neun Sprachen........ 64<br />
ASG-Schüler berichten: beklemmender, aber auch<br />
Echte Sauerländer - Bauernhof mal anders - 60<br />
beeindruckender Besuch in Auschwitz..................... 70<br />
Echte Sauerländer<br />
Henning Fausak - Pflanzenversteher.......................... 8<br />
Hanno Freiherr v. Plettenberg - Blaublüter....................10<br />
Dennis Feix - Sternekoch........................................... 48<br />
Tlako Mokgadi - Multitalent...................................... 50<br />
Michael Klute - Mundwerker..................................... 52<br />
Potts Bauernhof - ein bisschen anders..................... 60<br />
Heribert Lill - Hofmuseumskurator............................ 72<br />
<strong>Komplett</strong> lecker - Cristin kocht - 46<br />
<strong>Komplett</strong> lecker und gemütlich<br />
Kulinarischer Ausflug nach Berlin ............................. 45<br />
Cristin kocht ein Küstenmenü am Lennestrand ....... 46<br />
Kultur komplett<br />
Katja Krah - kreativ in Dorf und Region.................... 34<br />
Pauken für das Märkische Jugendorchester............. 44<br />
Kleinstadtartisten mischen Musikszene auf ............. 54<br />
Heiße Acts beim Immecke-Festival.......................... 63<br />
Kultur komplett - Kleinstadtartisten - 54<br />
Benefiz-Musikspektakel Military Metal Night.......... 75
Titelfoto: Martin Büdenbender<br />
<strong>Komplett</strong> erleben<br />
Mein Lieblingsplatz: In 600 Meter Höhe.................... 6<br />
Neues Sporthaus in Langenholthausen...................... 7<br />
Meilerwoche in Hülschotten........................................ 7<br />
<strong>Komplett</strong> erleben - Liebeszeichen im Sauerland - 36<br />
Online-Reiseführer Möhnesee.................................... 7<br />
Liebeszeichen im Sauerland...................................... 36<br />
Musikschul-Orchester eröffnet Kultursommer.......... 38<br />
Meinerzhagener City wird Automeile....................... 40<br />
Veranstaltungskalender: Nichts wie hin! ...........42/43<br />
<strong>Komplett</strong> aktiv<br />
Traum vom Fliegen verbindet Generationen........... 20<br />
Wettbewerbe fordern und fördern Schüler.............. 67<br />
Expeditionen in die Sauerländer Unterwelt............. 76<br />
<strong>Komplett</strong> aktiv - Traum vom Fliegen - 20<br />
<strong>Komplett</strong> beraten<br />
So werden Sie Ihr eigener Stromproduzent............. 15<br />
Plettenbergs erste Fahrschule feiert Geburtstag...... 24<br />
Gesundheitstipp: Wenn die Nase juckt..................... 25<br />
Berufswelt Sauerland<br />
Smarter Einstieg ins Berufsleben .............................. 26<br />
Prädikat Profi im Handwerk...................................... 27<br />
Betriebliche Ausbildung - dann durchstarten........... 28<br />
<strong>Komplett</strong> beraten - Eigener Stromproduzent - 15<br />
Eltern sind Schlüssel zum Facharbeiternachwuchs.. 30<br />
Dura nennt Zahlen zum Stellenabbau...................... 31<br />
Netzwerk knüpfen beim Frühstück........................... 32<br />
Dampf ist viel mehr als heiße Luft........................... 56<br />
<strong>Komplett</strong> in eigener Sache<br />
Hubbi-Krimi ................................................................ 80<br />
Impressum ................................................................. 82<br />
Hankes Döneken ........................................................ 82<br />
<strong>Komplett</strong> im Abonnement ........................................ 83<br />
Berufswelt - Betriebliche Ausbildung- 28
LIEBLINGSPLATZ IN 600 METER HÖHE<br />
Arne Schmidt und die Schönheit des Sauerlandes<br />
Text und Foto Martin Büdenbender<br />
Aber nach und nach ging<br />
es besser. Herz, Kreislauf,<br />
einfach der ganze Körper<br />
funktionierte wieder. Und<br />
dann war auch der Kopf<br />
wieder frei. „Ich habe mehr<br />
und mehr den Blick für die<br />
Schönheit des Sauerlandes<br />
bekommen“, versichert Arne<br />
Schmidt und Gattin Anke<br />
ergänzt: „Wir drehen hier<br />
ganz oft unsere Runden und<br />
haben mit unserer Begeisterung<br />
auch schon ganz viele<br />
Freunde angesteckt.“<br />
„Ist das eine herrliche Aussicht“,<br />
schwärmt Arne Schmidt und lässt<br />
lachend seinen Blick über die sonnenbeschienenen<br />
Höhenzüge und Täler des<br />
Sauerlandes schweifen. Vom rund 600<br />
Meter hoch gelegenen Oberbecken des<br />
Pumpspeicherwerks Rönkhausen ist die<br />
Aussicht wirklich unbeschreiblich.<br />
Vor nicht einmal einem Jahr war Arne<br />
Schmidt nicht zum Lachen zumute.<br />
Plötzlich waren gesundheitliche Probleme<br />
aufgetreten, die im Sommer eine<br />
Herzoperation notwendig machten.<br />
Der Eingriff verlief zum Glück positiv.<br />
Aber physisch und psychisch war Arne<br />
Schmidt erst einmal ganz unten. Der<br />
ärztliche Rat, vorsichtig wieder Sport zu<br />
treiben, führte ihn hinaus in die Natur<br />
zum Wandern und Nordic-Walking. Als<br />
überschaubare Trainingsrunde war der<br />
exakt ein Kilometer lange Wirtschaftsweg<br />
um das Oberbecken auf dem Dahlberg<br />
oberhalb von Rönkhausen-Glinge<br />
ideal. Am Anfang fiel schon eine einzige<br />
Runde schwer.<br />
Liebe Leserin, lieber Leser, haben Sie einen Lieblingsplatz? Schreiben Sie uns am besten mit einem Foto:<br />
<strong>Komplett</strong>-Verlag, Am Galgenhagen 13, 58840 Plettenberg oder per E-<strong>Mai</strong>l an redaktion@komplett-magazin.de.<br />
6
Neues Sporthaus in Langenholthausen<br />
dank großartiger Gemeinschaftsleistung<br />
Mit einer großartigen Gemeinschaftsleistung<br />
hat der TuS Langenholthausen<br />
ein schmuckes und<br />
funktionales Sporthaus am Sportplatz<br />
Düsterloh errichtet. Am 7. <strong>Mai</strong><br />
wird die Einweihung gefeiert.<br />
Rund 40 Helfer aus den Reihen des<br />
Dorfvereins haben seit Februar 2016<br />
das alte Sporthaus saniert und einen<br />
180 qm großen Neubau errichtet.<br />
Etwa 3000 Stunden seien ehrenamtlich<br />
geleistet worden, berichtet<br />
TuS-Vorsitzender Karl-Heinz „Charly“<br />
Grote. Das neue Vereinsdomizil verfügt<br />
über Licht- und Soundtechnik,<br />
eine Akustikdecke, Kühltheke, Kühlraum,<br />
Grill- und Küchenzeile sowie<br />
eine neue WC-Anlage. Im Inneren<br />
Meilerwoche in Hülschotten mit<br />
Highland Games und Treckertreff<br />
Highland Games, Trecker-Treff, Partys<br />
und Konzerte für alle Altersgruppen<br />
gehören zum Programm<br />
der Meilerwoche in Hülschotten<br />
vom 1. bis zum 10. September. Im<br />
Mittelpunkt steht aber natürlich<br />
der Meiler, mit dem Holzkohle aus<br />
Sauerländer Buchenholz hergestellt<br />
wird.<br />
Die komplette 285-köpfige Dorfgemeinschaft<br />
beteiligt sich an der<br />
Organisation und Programmgestaltung<br />
der Meilerwoche. „Das<br />
ist unsere Idee dahinter: eine gemeinsame<br />
Veranstaltung der vier<br />
Dorfvereine“, erklärt Josef-Werner<br />
Schulte, bis vor kurzem Vorsitzender<br />
des Heimat-Schützenvereins.<br />
Mit im Boot sind auch der Kapellenverein,<br />
die Karnevalsfreunde<br />
bietet es 60 Sitz- und 40 Stehplätze;<br />
auf der Terrasse haben etwa<br />
100 Personen Platz. Es wurden auch<br />
zwei zusätzliche Umkleidekabinen<br />
angebaut.<br />
Insgesamt hat der TuS Langenholthausen<br />
mit Unterstützung von<br />
Sponsoren rund 100.000 Euro investiert.<br />
„Der Aufwand hat sich gelohnt“,<br />
meint TuS-Geschäftsführer<br />
Dennis Zöller, der mit Charly Grote,<br />
Thomas Arf, Maxi Schäfer und David<br />
Vorsmann den harten Kern des Bautrupps<br />
bildete. „Der Verein verfügt<br />
jetzt über einen wetterunabhängigen<br />
Treffpunkt für Mitglieder und<br />
Freunde jeden Alters.“ (obs)<br />
und der Sportverein Blau-Weiß.<br />
Zum 625. Dorfjubiläum im Jahr<br />
1995 fand schon einmal eine Meilerwoche<br />
statt. Nach 22 Jahren gibt<br />
es nun die Neuauflage.<br />
Köhler Georg Sasse aus Oberhundem<br />
errichtet den Meiler im Wald<br />
hinter der Vogelstange. Direkt am<br />
Meiler gibt es Verpflegungsstände.<br />
Auf dem Vorplatz der Schützenhalle<br />
wird eine wetterfeste Zeltüberdachung<br />
aufgestellt. Auch die<br />
Schützenhalle wird genutzt. (obs)<br />
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Reiseführer<br />
Möhnesee<br />
Der Frühling lockt an den Möhnesee,<br />
den flächenmäßig größten Stausee<br />
des Sauerlands. Pünktlich zum<br />
Saisonbeginn ist der Reiseführer<br />
Möhnesee gelauncht worden. Der<br />
Online-Reiseführer informiert über<br />
Sehenswürdigkeiten und Freizeitaktivitäten,<br />
Veranstaltungen sowie<br />
das Gastronomieangebot und Unterkünfte.<br />
Für die Konzeption und Erstellung<br />
zeichnet Matthias Koprek verantwortlich,<br />
der seine Freizeit am liebsten<br />
am Möhnesee verbringt. Der gebürtige<br />
Arnsberger lebt seit seiner<br />
Kindheit in Ense, wo er als selbstständiger<br />
Journalist, Marketingexperte<br />
und Webentwickler tätig ist.<br />
www.reisefuehrer-moehnesee.de<br />
7
SIGNALE DER NATUR<br />
BEOBACHTEN UND VERSTEHEN<br />
Hennig Fausak ist ehrenamtlicher Phänologe für den Deutschen Wetterdienst<br />
von Rüdiger Kahlke<br />
Von oben, von Erkelze, aus<br />
verheißt der Blick nach unten,<br />
ins Lennetal, Tristesse.<br />
Kahle Bäume, dunkle Fichten,<br />
braun-graues Laub und matte<br />
Wiesen. Bei näherem Hinsehen<br />
zeigt sich: Die Natur<br />
ist im Aufbruch, der Frühling<br />
im Anmarsch. Einer, der näher<br />
hinsieht und die Signale<br />
der Natur deutet, ist Henning<br />
Fausak (57). Der Plettenberger<br />
Feuerwehrmann ist Phänologe, zu Deutsch: Pflanzenbeobachter.<br />
Für den Deutschen Wetterdienst (DWD)<br />
ist er ehrenamtlich unterwegs, um zu sehen, was sich<br />
in Feld und Wald tut.<br />
„Wenn jetzt die Sonne schiene, wäre hier alles gelb“,<br />
zeigt Henning Fausak auf kleine gelbe Punkte am<br />
Wegesrand. – Huflattich, in rauen Mengen, einer der<br />
ersten Frühblüher. Eigentlich strahlend gelb, dem Löwenzahn<br />
ähnlich, aber jetzt, bei grauem Himmel, kaum<br />
sichtbar. Dabei hatten wir vor unserer Verabredung dem<br />
Wetterbericht vertraut, der Frühlingswetter versprochen<br />
hatte. Die Pflanzen sind präziser als die Meteorologen.<br />
Keine Sonne, da bleiben die Blüten geschlossen.<br />
Bei früher Hasel-Blüte<br />
kommt keine Kälte mehr<br />
Saphira zerrt an der Leine. Irgendetwas hat ihren Jagdinstinkt<br />
ausgelöst. Ihr Herrchen hat anderes im Blick,<br />
steuert auf eine Baumgruppe zu, greift nach einem Haselzweig.<br />
Hennig Fausak schüttelt leicht an den rispenartigen<br />
Blüten: kein Staub. Die Blütezeit ist vorbei. „2015<br />
war die Blüte sehr früh“, weiß der Pflanzenbeobachter.<br />
Den 31. Dezember, Silvester, hatte er als Tag der Blüte<br />
in seine Liste für den DWD eingetragen. Grund war der<br />
milde Winter. Zwei Jahre vorher blühte die Hasel erst im<br />
März. Die Erkenntnis aus fünfjähriger Tätigkeit als Phänologe:<br />
„Wenn die Hasel früh blüht, kommt keine große<br />
Kälte mehr.“<br />
An den Birken daneben zeigen sich kleine, glänzende<br />
braune Knubbel, aus denen bald neue Blätter sprießen.<br />
Ein paar Schritte weiter finden sich Weide, Esche und<br />
Eberesche. Auf einer Länge von 50 Metern stehen an<br />
dem Rundweg etliche Pflanzen und Gehölze, die Hennig<br />
Fausak beobachtet. Wichtig sei es, die gleichen Pflanzen<br />
am gleichen Standort im Blick zu haben, betont er. Nur<br />
dann lassen sich Vergleiche ziehen und Rückschlüsse gewinnen.<br />
Bei den Beobachtungen geht es darum,„wann<br />
etwas aufgeht“, sagt Fausak. Experten sprechen von<br />
Phasen. Das können die Blüten sein oder Blätter, die<br />
sich entfalten.<br />
Manchmal ersetzt Logik die Beobachtung<br />
Hilfestellung bei der Beobachtung liefert ein dicker Ordner,<br />
den der Wetterdienst seinen Mitarbeitern zur Verfügung<br />
stellt. Darin sind die Merkmale der Pflanzen aufgelistet.<br />
Mehr als 150 Kräuter, Blumen, Sträucher und<br />
Bäume stehen auf der Beobachtungsliste. „Bei Schneeglöckchen<br />
gibt es verschiedene Sorten. Es muss schon<br />
die richtige sein“, sagt Henning Fausak. Und die muss<br />
er nur einmal im Blick haben, dann, wenn sie blüht. Andere,<br />
Bäume etwa, tauchen im Jahresverlauf mehrfach<br />
auf der Beobachtungsliste auf. Bei Kastanien zeichnet er<br />
sechs Phasen, also Wachstumsmerkmale, auf. Bei hochstämmigen<br />
Fichten nimmt er auch schon mal das Fernglas<br />
mit, um zu sehen, ob die Zapfen aufgehen und der<br />
Samen im Winde verweht. Ein Apfelbaum, den er auf<br />
seiner Liste hatte, wurde vor zwei Jahren gefällt. Bei der<br />
Suche nach Ersatz war es „wichtig, die Sorte zu wissen“,<br />
um kontinuierlich die Vegetationszeiten vergleichen zu<br />
können. „Zwei- bis dreimal pro Woche sollte man ge-<br />
8
hen“, schildert der Ohler die Vorgaben. Manchmal reicht<br />
das nicht aus. „Die Hundsrose blüht nur einen Tag“, sagt<br />
er. Da hilft Logik, wenn er gerade mal nicht raus kann,<br />
weil er Dienst hat. Steht die Knospe an einem Tag vor<br />
der Blüte und ist am übernächten Tag verwelkt, liegt<br />
der Tag der Blüte dazwischen. Der wird dann in die Liste<br />
eingetragen.<br />
„Man kann nicht alles sehen“, erzählt Hennig Fausak.<br />
Seit 2016 stehe auch die Herbstzeitlose auf der Beobachtungsliste.<br />
„Ich weiß nicht, wo eine wild wächst“, sagt<br />
er. Denn: Kulturpflanzen scheiden weitgehend aus. Ausgenommen<br />
sind Obst und Sträucher. Johannis- und Stachelbeere<br />
hat er selbst im Garten. Da reicht der Blick aus<br />
dem Fenster, um zu sehen, ob Blätter sprießen oder Blüten<br />
sich öffnen. „Bei anderen im Garten gucken, das mögen<br />
die Leute ja auch nicht“, sagt er. Manches sei auch<br />
schwer zu bestimmen. Wann etwa ist eine Hagebutte<br />
richtig reif? Da ist die Erfahrung des Phänologen gefragt.<br />
Augen auf in 250 Metern über NN<br />
Normalerweise dreht Fausak<br />
die Runde von seinem Haus<br />
Auf der Burg in Ohle um den<br />
372 Meter hohen Sundern. 2,5<br />
Kilometer, 45 Minuten Gehzeit.<br />
Pausen für Hündin Saphira und<br />
ein Pläuschchen mit Nachbarn<br />
inklusive. Die Strecke passt ins<br />
Profil, das der Deutsche Wetterdienst<br />
vorgegeben hat. Der<br />
suchte 2011 einen Mitarbeiter<br />
für das Beobachtungsgebiet<br />
Plettenberg-Ohle. Vorgegeben<br />
war zudem die Höhenlage:<br />
250 Meter über NN. Nach<br />
oben und unten kann Fausak<br />
maximal 50 Meter abweichen. Ein paar Meter Höhenunterschied,<br />
eine andere Lage und schon ändern sich die<br />
Ergebnisse. „In Holthausen blühen die Forsythien deutlich<br />
früher“, weiß der Feuerwehrmann, der im kompletten<br />
Stadtgebiet rumkommt.<br />
Die Stelle als Pflanzenbeobachter war auf der Homepage<br />
der Stadt Plettenberg ausgeschrieben. Der Deutsche<br />
Wetterdienst wollte den Bezirk Ohle neu ins Programm<br />
nehmen. „Das schaffe ich“, sagte sich Hennig<br />
Fausak, bewarb sich und bekam die Stelle. Natur liegt<br />
ihm und der Hund muss ohnehin jeden Tag raus. „Jahrelang<br />
hatte ich nichts gemacht. Da gab es schon Probleme<br />
beim Bestimmen der Bäume“, schildert er Anlaufschwierigkeiten.<br />
Da half der Ordner. „Den darf ich jetzt<br />
behalten“, grinst Fausak. Nach fünf Jahren als Phänologe<br />
geht der Ordner in seinen Besitz über. Auch das ist<br />
eben bei der Behörde, die dem Bundesministerium für<br />
Verkehr und digitale Infrastruktur unterstellt ist, geregelt.<br />
Mütze als Wetterbericht für die Nachbarn<br />
Jeweils zum 15. Dezember ist Stichtag. Dann müssen<br />
Hennig Fausak und seine bundesweit rund 1.200 Kolleginnen<br />
und Kollegen ihre Listen einreichen oder sie online<br />
ausgefüllt haben. Unmittelbare Ergebnisse ihrer Arbeit<br />
sehen die Phänologen nicht. Zweimal im Jahr flattert<br />
ihnen das „Phänologie-Journal“ ins Haus. Darin: Bericht<br />
und Beispiele, wofür die Daten gut sind, wie sie ausgewertet<br />
werden und in Klima-Modelle einfließen. Dazu<br />
gibt es eine Aufwandsentschädigung. „Weniger als 20<br />
Euro pro Monat“, sagt Henning Fausak. Für ihn zählen<br />
andere Vorteile. „Ich komme raus“, sagt er, „und ich erkenne<br />
Pflanzen wieder.“ Für ihn sind das Werte, die viele<br />
verloren haben oder nicht zu schätzen wissen. Seit er<br />
ehrenamtlich täglich in Sachen Klima-Forschung draußen<br />
sei, sei er nicht mehr erkältet<br />
gewesen. Und ein bisschen<br />
Wettermann ist er auch: „Wenn<br />
ich eine Mütze aufsetze, ist es<br />
wirklich kalt.“ Das ist sein Wetterbericht<br />
für die Nachbarn, die<br />
ihn dann Auf der Burg sehen.<br />
INFO<br />
Der Begriff „Phänologie“<br />
kommt aus dem Griechischen<br />
und bedeutet „Lehre von den<br />
Erscheinungen“. Er bezieht<br />
sich auf regelmäßig wiederkehrende<br />
Wachstumserscheinungen<br />
in der Natur.<br />
Phänologen (Pflanzenbeobachter) halten fest, wann<br />
bestimmte Wachstumsstufen (Blüte, Blattentfaltung<br />
oder -verfärbung) eintreten. Damit lassen sich Veränderungen<br />
bei der Entwicklung von Pflanzen feststellen.<br />
Zum wissenschaftlichen Nutzen heißt es beim Deutschen<br />
Wetterdienst: „Es zeichnet sich ab, dass phänologische<br />
Daten in Zukunft verstärkt für Trendanalysen<br />
zur Klimadiagnostik herangezogen werden, da<br />
sich die Eintrittsdaten vieler phänologischer Phasen<br />
sehr gut in Beziehung zu Temperatur-Trends setzen<br />
lassen.“<br />
9
HANNO FREIHERR<br />
VON PLETTENBERG,<br />
EIN BLAUBLÜTER<br />
MIT HERZ UND<br />
EINER VISION<br />
Zum Tee beim Schlossherrn<br />
von Bamenohl<br />
Text Iris Kannenberg<br />
Fotos Martin Büdenbender<br />
Ein Schloss. Ein Schlossherr. Im Sauerland. In Bamenohl.<br />
Wir sind verabredet zu einem Interview. Mit niemand<br />
Geringerem als Hanno Freiherr von Plettenberg, einem<br />
echten Blaublüter mit einer lückenlosen Ahnenreihe bis<br />
zurück ins 13. Jahrhundert. Er stammt aus dem weitverzweigten<br />
westfälischen Adelsgeschlecht derer von Plettenberg.<br />
Erwähnung findet diese Familie bereits im 11. Jahrhundert.<br />
Das ist wirklich ganz schön lange her. Zu seiner Familie<br />
gehören so bedeutende Personen wie Wolter von<br />
Plettenberg, der die folgenschwere Entscheidung fällte,<br />
den livländischen Kirchen die Durchführung von Gottesdiensten<br />
nach lutherischem Vorbild zu gewähren. Er ermöglichte<br />
ab 1522 die unblutige Einführung der Reformation<br />
in Livland bei Deutschen, Esten und Letten.<br />
Wolter von Plettenbergs Wirken verdankte Livland eine<br />
fast 60-jährige Friedenszeit, die zu einer günstigen ökonomischen<br />
und demographischen Entwicklung auf dem<br />
Gebiet der heutigen Staaten Estland und Lettland führte.<br />
60 Jahre Frieden, das muss ihm erst einmal jemand<br />
nachmachen. Das ist bisher nur der heutigen EU gelungen.<br />
Oder der Widerstandskämpfer Kurt von Plettenberg.<br />
Kurts Vater Karl von Plettenberg (1852–1938) war Offizier,<br />
zuletzt General der Infanterie, Kommandierender<br />
General des Gardekorps und Generaladjutant Kaiser Wilhelm<br />
des II. Karl musste Ende 1916 nach seiner Kritik<br />
an der Kriegsführung von Erich Ludendorff und Paul von<br />
Hindenburg während des Ersten Weltkriegs zurücktreten.<br />
Auch er war, wie später sein Sohn Kurt, als erstes seinem<br />
Gewissen und seinem Herzen verpflichtet, was bis zum<br />
heutigen Tag einiges aussagt über das Geschlecht derer<br />
von Plettenberg. Kurt Freiherr von Plettenberg starb in<br />
Berlin in einem Gefängnis der Nationalsozialisten auf tragische<br />
Weise noch ganz kurz vor Kriegsende. Er gehörte<br />
zum engeren Kreis des sogenannten „20. Juli 1944“.<br />
Und damit zu den Adeligen, die wegen des missglückten<br />
Attentats auf Hitler als Widerstandskämpfer sterben<br />
mussten. Und die sicher niemals vergessen sind.<br />
Auf dem Weg zu Hanno Freiherr von Plettenberg diskutieren<br />
wir mit diesen Informationen im Hinterkopf darüber,<br />
wie er wohl sein wird, dieser Nachfahre solcher<br />
Männer? Strahlt er das aus? Ist noch etwas sichtbar von<br />
der Größe dieses alten Geschlechtes, das so viel bewegt<br />
hat in Europa? Wir haben keinerlei Vorstellung von der<br />
Person, die uns da erwartet. Der Schlossherr empfängt<br />
uns an der Haustür seines imposanten Gemäuers mit<br />
einem strahlenden Lächeln. Mein erster Gedanke, als<br />
er uns die Hand reicht: Dieser Mann ist würdevoll. Dazu<br />
charismatisch und ganz und gar ungewöhnlich.<br />
Dieser erste Eindruck soll sich bestätigen. Er ist eine Persönlichkeit,<br />
der ich mich nicht entziehen kann. Er hat<br />
eine Ausstrahlung, die das ganze Haus belebt und trägt.<br />
Und ein großes Herz.<br />
Schloss Bamenohl ist durchaus das, was man sich unter<br />
einem Schloss vorstellt. Mit einem mittigen Turm ausgestattet,<br />
zeigt es sich in seinem Inneren als eine Räumlichkeit,<br />
die - mit meterdicken romanischen Mauern<br />
wehrhaft erbaut - der Zeit tapfer die Stirn geboten hat.<br />
Es ist wie eine Brücke zwischen den Welten. Jede Epoche<br />
hat dem alten Gemäuer seinen Stempel aufgedrückt, die<br />
vergangenen Jahrhunderte sind hier immer noch spürund<br />
erlebbar. Hier wird Geschichte lebendig. Wenn man<br />
die Vorhalle betritt, ist ein Hauch von Ewigkeit spürbar,<br />
10
wie man ihn manchmal auch in alten Kirchengebäuden<br />
oder unter uralten Bäumen erahnt. Man wird von diesem<br />
Geist erfasst, ob man es will oder nicht. Und man<br />
ist sofort versucht, sich selbst von seiner besten Seite zu<br />
zeigen, sich bloß nicht danebenzubenehmen.<br />
Der Freiherr lädt uns zum Tee ein, wir dürfen auf einem<br />
chintzbezogenen Sofa sitzen und erst einmal ganz<br />
in Ruhe einfach ankommen. Die Atmosphäre in uns aufnehmen.<br />
Mein Kollege kann es sichtbar kaum erwarten,<br />
mit der Kamera die Umgebung zu erforschen. Drinnen<br />
und draußen gibt es so viel zu sehen, dass dieser Nachmittag<br />
kaum reichen dürfte, um alles zu erkunden, was<br />
das Schloss zu bieten hat.<br />
Der Freiherr sieht dabei auch äußerlich genauso aus, wie<br />
man als jemand auszusehen hat, der auf so eine lange<br />
Ahnenreihe zurückblicken darf. Groß und stattlich, das<br />
Gesicht voller kleiner Lachfältchen,<br />
elegante gepflegte Hände<br />
und vollendete Umgangsformen.<br />
Er hat Klasse. Dann<br />
beginnt er zu erzählen. Davon,<br />
dass er lange in der Pharmaindustrie<br />
tätig war und als vierter<br />
Sohn seiner Familie das Schloss<br />
geerbt hat. Er selbst ist in der<br />
Nähe von Kamen aufgewachsen,<br />
auf dem Stammschloss<br />
der Familie. Er fragt mich mit<br />
einem schelmischen Zwinkern,<br />
ob ich wüsste, wie man<br />
in Adelskreisen früher üblicherweise<br />
sein Vermögen vergrößert<br />
hat. Auf meinen ratlosen<br />
Blick hin, löst er das Rätsel mit<br />
dem Wort „Heirat“ und erklärt mir, dass man früher eben<br />
dafür sorgte, dass die nachwachsenden Adelssprösslinge<br />
sich ordentlich verheirateten. Ordentlich, das hieß, möglichst<br />
jemanden ehelichen, der nicht nur einen Titel, sondern<br />
auch Vermögen mit in die Familie brachte.<br />
FRÜHLINGS-AKTION<br />
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11
Denn auf einem Schloss zu wohnen war auch schon in<br />
früheren Zeiten eine teure Sache. Irgendetwas bröckelt<br />
eben immer vor sich hin und muss erneuert werden. Und<br />
zu all dem musste man auch noch zu allen Zeiten die unverheiratete<br />
Verwandtschaft mit durchfüttern.<br />
Zum Beispiel den sogenannten „ob de Muer“. Das war<br />
derjenige der Söhne, der nichts anderes mehr zu erben<br />
hatte, als eben seinen Titel. Und ansonsten völlig mittellos<br />
war. Der bekam sein Leben lang Kost und Logis frei<br />
auf dem Schloss des älteren Bruders. Und musste niemals<br />
arbeiten. Konnte eben aber auch nicht heiraten,<br />
denn dafür reichte das Taschengeld dann auch wieder<br />
deutschen Ostgebieten mit dem Schloss noch recht respektvoll<br />
umgegangen waren, wurde ein Altenheim ins<br />
Schloss integriert, das alles, was erhaltenswert gewesen<br />
wäre, durch sehr rüde Baumaßnahmen vernichtet. Als<br />
das Altenheim Ende der 1980er Jahre geschlossen wurde,<br />
stand Hanno von Plettenberg vor einer schier unlösbaren<br />
Aufgabe: Wie sollte man das Geld aufbringen, um<br />
dem Haus seinen alten Glanz wiederzugeben? Denn das<br />
war sein Plan. Und seine ganz eigene Vision. Dafür hatte<br />
er sich entschieden. Ohne Wenn und Aber. Und wenn ein<br />
von Plettenberg einen Entschluss gefasst hat, dann setzt<br />
er ihn auch um. Die Entschlossenheit dieses Geschlechtes<br />
wird nämlich nur von der Energie getoppt, mit der<br />
im Schloss haben sich schon viele<br />
Finnentroper Paare das Ja-Wort gegeben<br />
Ein Teil der Räume des Schlosses kann für<br />
Veranstaltungen gemietet werden.<br />
nicht. Ein Brauch, den es so zum Glück nicht mehr gibt.<br />
Denn heute ist es ganz normal, dass jeder einen Beruf<br />
lernt, studiert und heiraten darf, wen immer er heiraten<br />
will. Auch in Adelskreisen. Gott sei Dank. Trotzdem: Das<br />
war ein wirklich interessanter Ausflug in das ehemalige<br />
Adelsleben. Was uns dann wieder zurückführt zu der<br />
Erhaltung dieses wunderschönen, aber nichtsdestotrotz<br />
sehr alten Gemäuers.<br />
1988, so erzählt uns der Freiherr, war von dem ursprünglichen<br />
Schloss nicht mehr viel übrig. Nachdem<br />
die damals zahlreichen Flüchtlinge aus den ehemaligen<br />
man einmal Entschiedenes umsetzt. Ein „Nein“ oder gar<br />
„Unmöglich“ wird nicht akzeptiert.<br />
Freiherr von Plettenberg ist es während unseres Gespräches<br />
noch anzusehen, was das damals für eine Herausforderung<br />
gewesen sein muss. Pläne wurden geschmiedet<br />
und wieder verworfen. Ein Hotel sollte es werden,<br />
ein Kulturzentrum, eine Musikschule. Aber nichts schien<br />
wirklich zu passen. Bis man auf die Idee mit den Wohnungen<br />
kam. Heute ist Schloss Bamenohl eine Wohnanlage,<br />
in der man liebevoll renovierte Wohnungen mieten<br />
12
kann. Auch der Schlossherr selbst und sein Sohn wohnen<br />
dort. Gleichzeitig gibt es großzügige Räumlichkeiten, in<br />
denen man Events durchführen kann. Ein großer Flügel<br />
lädt zum Spielen ein. Bis zu 100 Personen können dort<br />
einem Konzert beiwohnen. In den Räumen dürfen Künstler<br />
ihre Werke ausstellen. Zudem kann man im Schloss<br />
heiraten. Und danach gleich dort die Hochzeit feiern.<br />
Überhaupt ist das Schloss heute eine außergewöhnliche<br />
Möglichkeit für Familienfeiern. Taufen, Hochzeiten, Jubiläen,<br />
aber auch ein Trauerkaffeetrinken sind dort möglich<br />
und gewünscht.<br />
Und das in einem Ambiente, das seinesgleichen sucht.<br />
Hanno von Plettenberg macht uns noch auf das eine<br />
oder andere aufmerksam. Hier soll etwas gestrichen<br />
werden, dort etwas verändert. Man merkt ihm an:<br />
Das Schloss ist sein Lebenswerk. Damit hinterlässt er<br />
nicht nur seinen Kindern, sondern einer ganzen Region<br />
etwas Einzigartiges, das man nicht mehr ganz so oft<br />
findet in Deutschland. Ein Idyll. Und ein lebendiges Geschichtsbuch.<br />
Etwas, das weiterlebt und auf die kommenden<br />
Generationen wartet.<br />
Leider ist der Nachmittag viel zu schnell vergangen. Wir<br />
müssen uns verabschieden. Und versprechen wiederzukommen.<br />
Mit viel mehr Zeit. Im Sommer. Spätestens.<br />
Hanno Freiherr von Plettenberg<br />
bewohnt und verwaltet sein Schloss<br />
Wir schaffen’s weg.<br />
Alles!<br />
Über 100 Jahre alte Ansicht von Haus Bamenohl.<br />
Der Schlossherr zeigt uns noch seine Terrasse, von der<br />
aus man einen einzigartigen Blick auf Auen, Wiesen und<br />
einen Weiher mit Schwänen hat. Ein Turmfalkenpaar brütet<br />
direkt über uns. Im Turm. Wie es sich gehört. Hanno<br />
von Plettenberg liebt Tiere, eigentlich ja alle, nur den<br />
Maulwurf nicht, der gerade den gepflegten Rasen des<br />
Schlosses umgräbt. Aber gut, den muss es eben auch irgendwie<br />
geben. Er fragt mich, warum? Jetzt bin ich ratlos.<br />
Ich mag Maulwürfe und versuche eine Lanze für sie<br />
zu brechen. Wir einigen uns darauf, dass Mäuse irgendwie<br />
netter sind. Und niedlicher sowieso.<br />
Ob Wertstoffe wie Metalle, Altpapier oder Kunststoffe; gemischte<br />
Gewerbeabfälle, verschiedene Bauabfälle, Grünschnitt oder<br />
Holz – wir bringen den passenden Container von 1 bis 36 m 3 .<br />
Und Sie müssen sich um nichts mehr kümmern. Haben Sie Fragen?<br />
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13
14<br />
EIN NEUES HALLENBAD<br />
FÜR WERDOHL<br />
Die Werdohler freuen sich auf das Schwimm- und Freizeitzentrum,<br />
das im Ortsteil Ütterlingsen entsteht. Dort<br />
befinden sich bereits Freibad, Minigolfanlage und Tennisplätze<br />
in direkter Nachbarschaft. Bis voraussichtlich Ende<br />
des Jahres 2019 errichtet der Bäderbetrieb Werdohl dort<br />
ein neues Hallenbad.<br />
Das Schwimmbad am Riesei ist in die Jahre gekommen.<br />
Fast 50 ist es schon. „Der Sanierungsbedarf des alten<br />
Hallenbads wurde mit rund drei Millionen Euro beziffert.<br />
Ein Neubau kostet<br />
zwischen 3,5 und vier Millionen“,<br />
begründet Frank<br />
Schlutow, Geschäftsführer<br />
des Bäderbetriebs und<br />
der Stadtwerke Werdohl,<br />
warum das Vorhaben ins<br />
Auge gefasst worden ist.<br />
Der Standort direkt neben<br />
dem Freibad in Ütterlingsen<br />
bietet sich dafür aus mehreren Gründen an.<br />
„Durch die Konzentration in Ütterlingsen können wir die<br />
Betriebsabläufe effizienter gestalten.“ Frank Schlutow<br />
spricht von einem jährlichen Sparpotenzial von etwa<br />
20.000 Euro. Durch die direkte Nachbarschaft der Bäder<br />
kann außerdem ein steuerlicher Querverbund hergestellt<br />
werden. Dadurch können Gewinne der Stadtwerke, z.B.<br />
aus der Gasversorgung, mit Verlusten aus dem Bäderbetrieb<br />
verrechnet werden. Das hat zur Folge, dass die<br />
Stadtwerke ihre Gewinne nicht mehr versteuern müssen.<br />
Ersparnis: bis zu 200.000 Euro jährlich<br />
Die wirtschaftlich-technische Verpflichtung, die Grundlage<br />
für das Verrechnungsmodell ist, wurde jetzt schon<br />
durch den Bau eines neuen Blockheizkraftwerks (BHKW)<br />
auf dem Freibadgelände hergestellt. Die Heizungsanlage<br />
für das Freibad war sanierungsbedürftig. Die neue<br />
Anlage ist so ausgelegt, dass sie das Hallenbad mitversorgen<br />
wird. Vorausblickende Planung nennt man das.<br />
Freibaderöffnung im <strong>Mai</strong><br />
Das moderne 50-kW-BHKW wurde im April von der Plettenberger<br />
Fachfirma Michael Gräb eingebaut und rechtzeitig<br />
vor Saisonbeginn des Freibads in Betrieb genommen.<br />
An welchem <strong>Mai</strong>tag das Freibad öffnen wird, hängt<br />
wie immer vom Wetter ab. „Ein paar warme Tage brauchen<br />
wir, bevor wir öffnen“, erklärt Frank Schlutow.<br />
In Ütterlingsen entsteht<br />
Schwimm- und Freizeitzentrum<br />
Mit dem Bau des neuen Hallenbads soll voraussichtlich<br />
im Herbst 2018 begonnen werden; die Fertigstellung ist<br />
für Ende 2019 vorgesehen. Gebaut wird das neue Bad<br />
im Bereich der Minigolfanlage. Die jetzige Liegewiese<br />
des Freibads wird dadurch in etwa ein Drittel kleiner.<br />
Das neue Bad soll ein funktionales Sportbad werden,<br />
mit 25-Meter-Becken und Hubboden. „Wir wollen den<br />
Werdohler weiterhin das Schwimmen ermöglichen, dies<br />
Wir machen Träume reisefertig<br />
Traumurlaub gefällig?<br />
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Ihre Reise-Experten vom<br />
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Von Bernhard Schlütter<br />
auch für den Schul- und Vereinssport“, sagt Frank Schlutow.<br />
Der Hallenbadbau wird<br />
aus Mitteln des Bäderbetriebs<br />
erfolgen, der städtische Haushalt<br />
nicht belastet.<br />
Was mit dem alten Hallenbad<br />
am Riesei geschehen wird, ist<br />
noch offen. Fest steht aber,<br />
dass es bis zur Fertigstellung<br />
des neuen Bades in Ütterlingsen<br />
in Betrieb bleiben wird.
ADVERTORIAL<br />
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Steigende Energiekosten für Strom und Heizung sowie<br />
verbesserte Rahmenbedingungen machen KWK-Systeme<br />
für private Hausbesitzer immer attraktiver!<br />
Ein bewusster Umgang mit Energie steht bei den Deutschen<br />
weit oben auf der Planungsliste für <strong>2017</strong>: Das hat<br />
eine Repräsentativ-Umfrage des Online-Marktforschers<br />
YouGov ergeben. Energie zu sparen, plant laut der Studie<br />
jeder fünfte Bundesbürger (20 Prozent), während nur<br />
acht Prozent mit dem Rauchen aufhören und nur vier<br />
Prozent weniger Auto fahren möchten.<br />
Für Hausbesitzer ist die Heizung eine der wirkungsvollsten<br />
Stellschrauben beim Energieverbrauch. „Durch<br />
moderne Gerätetechnik, auch schon im kleinen Leistungsbereich,<br />
lohnt sich der Einsatz von Anlagen mit<br />
Kraft-Wärme-Kopplung auch für Ein- oder Zweifamilienhäuser<br />
mit niedrigem Wärmebedarf“, berichtet Michael<br />
Gräb, Inhaber des gleichnamigen Plettenberger Handwerksunternehmens<br />
für Heizungs- und Sanitärtechnik.<br />
„Mit einem Mikro-KWK-Heizgerät im Haus erzeugen Sie<br />
neben einem großen Teil des Stroms auch einen Teil der<br />
benötigten Heizwärme und Warmwasserbereitung für<br />
das eigene Haus!“<br />
In einem durchschnittlichen Einfamilienhaus könnten<br />
über das Jahr gesehen mehr als 50 Prozent des erzeugten<br />
Stroms selbst genutzt werden. Wenn man den<br />
Stromverbrauch optimiert – z.B. nicht den Trockner und<br />
die Waschmaschine gleichzeitig laufen lässt, während<br />
der Braten in der Röhre schmort -, kann das auch deutlich<br />
mehr sein! Zwischenzeitlicher Stromüberschuss wird<br />
ins öffentliche Stromnetz eingespeist. Mit dem Betrieb<br />
eines Mikro-KWK-Heizgerätes profitieren Verbraucher<br />
damit gleich mehrfach: Sie reduzieren ihre Stromrechnung<br />
durch Eigenerzeugung, und sind unabhängiger von<br />
Preissteigerungen am Strommarkt. Auch die Förderung<br />
durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle<br />
(BAFA) trägt zur Rentabilität bei. „Nach wenigen Jahren<br />
haben sich in der Regel die Anschaffungskosten gut<br />
ausgelegter Anlagen amortisiert, da hier zu den tatsächlichen<br />
Einsparungen auch Bargeldrückflüsse über Rückerstattung<br />
der Energiesteuer, der Mehrwertsteuer und<br />
Zahlungen für eingespeisten Strom kommen“, nennt<br />
Michael Gräb weitere Gründe, die KWK-Technik<br />
in die Überlegungen für<br />
eine Heizungsmodernisierung<br />
einzubeziehen.<br />
„Mikro-<br />
KWK-Systeme<br />
mit<br />
einer elektrischen<br />
Leistung<br />
ab 1 kW<br />
sind für Einund<br />
Zweifamilienhäuser<br />
völlig aus- reichend“, erklärt<br />
Michael Gräb. „Im besten Fall fahren sie dann noch ein<br />
Elektroauto! Das tankt dann günstig an Ihrer Heizung.“<br />
Als ausgewiesener Fachbetrieb für Heizung, Sanitär und<br />
Lüftung, berät Michael Gräb seine Kunden auch über<br />
die vielfältigen staatlichen Fördermöglichkeiten, auch<br />
für andere Heizsysteme.<br />
Ein Blockheizkraftwerk größeren Ausmaßes hat das<br />
Team der Firma Michael Gräb im Freibad Werdohl installiert.<br />
In der Woche vor Ostern wurden Kessel und<br />
Blockheizkraftwerk ins Technikgebäude des Freibads<br />
eingesetzt. Das 50-kW-BHKW wird den großen Teil des<br />
Strom- und des Wärmebedarfs für das Freibad und demnächst<br />
auch das neue Hallenbad decken. Die Bäderbetriebe<br />
Werdohl GmbH vertrauen dabei auf Spitzentechnologie<br />
vom Fachmann Michael Gräb aus Plettenberg.<br />
Michael Gräb<br />
Im Käsebrink 11a, 58840 Plettenberg<br />
Tel. 0 23 91 - 1 06 95, Fax 0 23 91 - 1 20 82<br />
info@michael-graeb.de, www.michael-graeb.de<br />
15
16<br />
Das Jugendamt<br />
hilft als Familienkrisenmanager<br />
Servicestelle für Eltern, Kinder und Jugendliche<br />
Wenn Eltern ratlos im Kinderzimmer stehen: Die Hausaufgaben<br />
– ewig Theater. Das Aufräumen – ein ständiger<br />
Kampf. Das Fernsehen – ein Dauerstreit. Das Zubettgehen<br />
– ein Drama. Rat und Hilfe bietet das Jugendamt<br />
an. Für viele Eltern stellt der Gang zum Jugendamt aber<br />
immer noch eine enorme Herausforderung dar. Es fällt<br />
schwer, sich einzugestehen, dass man mit der Erziehung<br />
überfordert ist. Oder die Betroffenen haben sogar Angst,<br />
dass ihnen die Kinder weggenommen werden. „Völlig<br />
unbegründet“, sagt Michael Schröder, Leiter des Jugendamts<br />
und Allgemeinen Sozialen Dienstes der Stadt Plettenberg.<br />
„Wir hören zu und beraten – ganz diskret, ganz<br />
vertraulich. Es geht nicht um Bevormundung. Es geht darum,<br />
dass wir Unterstützung geben.“<br />
Um eine Hemmschwelle möglichst gar nicht erst entstehen<br />
zu lassen, führen die Mitarbeiter/-innen des Plettenberger<br />
Jugendamtes seit nunmehr zehn Jahren Willkommensbesuche<br />
bei Familien durch, die Nachwuchs<br />
bekommen haben. „Dafür kündigen wir uns immer an“,<br />
erzählt Sabrina Müller. Sie ist als Bezirkssozialarbeiterin<br />
für die Bereiche Stadtmitte, Sundhelle, Holthausen und<br />
Köbbinghausen zuständig. Die Besuche werden möglichst<br />
in den ersten drei Monaten nach der Geburt des<br />
Kindes durchgeführt. Darüber hinaus werden neu nach<br />
Plettenberg gezogene Familien mit Kindern unter drei<br />
Jahren in die Besuche einbezogen.<br />
Mit Teddy Luca im Gepäck<br />
immer willkommen<br />
Für die Kinder und ihre Eltern gibt als Begrüßungsgeschenk<br />
ein Starter-Kit. Dazu gehören natürlich<br />
Informationen über Angebote für Kinder und junge<br />
Familien in Plettenberg, vor allem aber erobert der<br />
Teddy Luca schnell die Herzen der Babys und Kleinkinder.<br />
„Über die Jahre haben sich diese Besuche<br />
etabliert. Inzwischen erwarten die Eltern<br />
schon unser Ankündigungsschreiben. Wir<br />
fühlen uns eigentlich immer willkommen“,<br />
berichtet Sabrina Müller über<br />
ihre guten Erfahrungen. Das persönliche<br />
Kennenlernen macht auch spätere<br />
Kontaktaufnahmen leichter. „Spätestens<br />
Text Bernhard Schlütter<br />
Fotos Heiko Höfner<br />
bei der Anmeldung<br />
zum Kindergarten<br />
sieht man sich<br />
ja im Jugendamt wieder.“<br />
Einen Hinweis gibt Sabrina Müller jungen Eltern übrigens<br />
immer: „Melden sie ihr Kind frühzeitig im Kindergarten<br />
ihrer Wahl an. Es gibt zwar ausreichend Kindergartenplätze<br />
in Plettenberg, aber nur durch eine frühzeitige<br />
Anmeldung stellen sie sicher, dass ihr Kind einen Platz<br />
möglichst nahe des Wohnorts bekommt.“<br />
Ansprechpartner für Eltern,<br />
Kinder und Jugendliche<br />
Muss nicht, kann aber: Vor Familienkrisen ist niemand<br />
gefeit. Die Gründe, sich Rat und Hilfe zu holen, können<br />
sehr unterschiedlich sein: Kinder, die sich auffällig verhalten,<br />
Beziehungsprobleme, Straffälligkeit von Jugendlichen<br />
oder Trennung und Scheidung der Eltern. Auch bei<br />
Ärger in der Schule oder Problemen mit der Ausbildung<br />
hilft das Jugendamt. „Wer mit lästiger Telefonwerbung<br />
bombardiert wird, geht zur Verbraucherzentrale. Wer mit<br />
seinem Stromanbieter unzufrieden ist, zur Energieberatung.<br />
Und wer Beziehungsprobleme hat, zur Eheberatung.<br />
Genauso selbstverständlich sollte das Jugendamt<br />
die Anlaufstelle bei Problemen in der Familie sein“, findet<br />
Michael Schröder. Es sei eine Servicestelle mit Profis<br />
an Bord für Eltern, Kinder und Jugendliche. Daher sollten<br />
nicht nur Eltern bei Problemen zum Jugendamt gehen.<br />
„Kinder und Jugendliche können sich eigeninitiativ<br />
an uns wenden und finden die richtigen Ansprechpartner“,<br />
betont Michael Schröder.<br />
Wenn Eltern mit Fragen zur Erziehung ins Jugendamt<br />
kämen, dann berichteten sie über<br />
Schlafstörungen ihrer Kinder, Konzentrationsschwächen<br />
oder über psychosomatische Störungen<br />
wie das Einnässen. „Häufig hat das<br />
mit Problemen aus der Erwachsenenwelt zu<br />
tun. Ein Riesenthema ist immer wieder die<br />
Trennung oder die Scheidung.“ Die Beratung<br />
vom Jugendamt gibt einen „Kompass für die<br />
Erziehung“ und hilft, wenn es notwendig ist,<br />
die geeigneten Beratungsstellen zu finden.
„Wir sind keine Super-Nannys<br />
aus dem<br />
Fernsehen mit Patentrezepten<br />
in der Tasche.<br />
Wir gehen direkt in die<br />
Familien und suchen<br />
gemeinsam nach individuellen<br />
Lösungen.“<br />
Nicht<br />
wegsehen<br />
Was aber, wenn Eltern<br />
offensichtlich überfordert<br />
sind? „Wenn ich diesen Eindruck bei meinem Besuch gewänne,<br />
würde ich das offensiv ansprechen“, sagt Sabrina<br />
Müller. „Unser Ziel ist es, zusammen mit den Familien<br />
einen Weg aus Problem- und Krisensituationen zu<br />
finden.“ Dabei sollen Kinder und Jugendliche in ihrer Familie<br />
und ihrem vertrauten Umfeld bleiben können, weshalb<br />
ambulante Unterstützungsangebote wie z.B. eine<br />
verlässliche Familienhilfe vorrangig eingesetzt werden.<br />
Erst wenn es keinen anderen Weg gibt, werden Hilfen<br />
außerhalb der Familie bei Pflegeeltern, in Einrichtungen<br />
oder Wohngruppen gewährt. „Dann aber, um die Kinder<br />
zu schützen und ihnen bessere Chancen zu geben, im Leben<br />
Fuß zu fassen“, betont Michael Schröder.<br />
Tätig wird das Jugendamt auf jeden Fall, wenn es Hinweise<br />
z.B. von Ärzten oder Nachbarn auf mögliche familiäre<br />
Missstände erhält. „Das kommt regelmäßig vor<br />
und wir gehen jedem Hinweis nach“, berichtet Sabrina<br />
Müller. „In diesen Fällen machen wir unangekündigte<br />
Hausbesuche und sehen nach dem Rechten.“ Die Sozialarbeiterin<br />
findet es durchaus richtig, wenn Leute nicht<br />
wegsehen und das Jugendamt benachrichtigen, wenn<br />
sie den Verdacht haben, dass etwas nicht in Ordnung ist.<br />
Solche Informationen würden sensibel und so weit möglich<br />
auch anonym behandelt. Manchmal sei aber auch<br />
eine persönliche Nachfrage und das Angebot von Hilfe<br />
schon eine Lösung.<br />
An wen wende ich mich?<br />
Die Bezirkssozialarbeiter der Stadt Plettenberg im<br />
Überblick:<br />
• Ruth Pommerenke, Böddinghausen/Ohle/Burg, Tel.:<br />
02391/923200, <strong>Mai</strong>l r.pommerenke@plettenberg.de<br />
• Anja Meyer, Eschen/Eiringhausen/Pasel,<br />
Tel.: 02391/923201, <strong>Mai</strong>l a.meyer@plettenberg.de<br />
• Josefine Rademacher, Stadtmitte/Sundhelle/<br />
Holthausen/Köbbinghausen, Tel.: 02391/923216,<br />
<strong>Mai</strong>l j.rademacher@plettenberg.de<br />
• Thomas Bracht, Oestertal/Oesterau/Kückelheim/<br />
Himmelmert/Landemert, Tel.: 02391/923199,<br />
<strong>Mai</strong>l t.bracht@plettenberg.de<br />
• Sigrid Wiese-Bertels, Jugendgerichtshilfe, Tel.:<br />
02391/923195, <strong>Mai</strong>l s.wiese-bertels@plettenberg.de<br />
INFO<br />
Willkommensbesuche gehören im MK zum<br />
guten Ton<br />
• In Werdohl werden seit 2009 alle Eltern von Neugeborenen<br />
zu Hause besucht. Mit diesen Willkommensbesuchen<br />
will der Arbeitskreis Familie Eltern<br />
frühzeitig unterstützen, die mit ihrem Säugling<br />
überfordert sein könnten. Zu dem Arbeitskreis gehören<br />
u.a. Mitarbeiter der Stadt, der Caritas und<br />
eine Hebamme. Bei dem Hausbesuch erhalten die<br />
Eltern ein Willkommensgeschenk und eine Informationsbroschüre.<br />
Die Eltern der Neugeborenen werden<br />
etwa 14 Tage vorher schriftlich über den Besuch<br />
informiert. Kontakt Jugendamt Werdohl: Marco<br />
Malcherek-Schwiderowski, Tel. 02392/917258,<br />
E-<strong>Mai</strong>l m.schwiderowski@werdohl.de<br />
• Für Familien und Kinder aus den Gemeinden<br />
Balve, Halver, Herscheid, Kierspe, Meinerzhagen,<br />
Nachrodt-Wiblingwerde, Neuenrade und Schalksmühle<br />
ist das Jugendamt des Märkischen Kreises<br />
zuständig. Kontakt Jugendamt MK: Leiterin<br />
Iris Beckmann-Klatt, Tel. 02351/9666621, E-<strong>Mai</strong>l<br />
jugend@maerkischer-kreis.de<br />
• Der Soziale Dienst des Märkischen Kreises führt<br />
Willkommensbesuche durch, um in einem Gespräch<br />
persönlichen Fragen zu besprechen, bzw.<br />
die Kontakte zu den zuständigen Ansprechpartnern<br />
herzustellen, Informationen über Elterngeld,<br />
Kindergeld, Betreuungsangebote für Kinder zu geben<br />
sowie Hinweise auf Angebote in Bezug auf<br />
Gesundheit oder Förderung der Kinder sowie Beratung<br />
für Eltern in ihrer Stadt oder Gemeinde.<br />
17
IR<br />
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S<br />
KIN<br />
EYS<br />
EZ<br />
...uvm<br />
Uhr<br />
€ 20,-<br />
-air.de<br />
ckeOpenAir<br />
ERÖFFNUNG P-CENTER<br />
Am 11. <strong>Mai</strong> ist es soweit. An diesem Tag eröffnen die<br />
Geschäfte im neuen Fachmarktzentrum P-Center in Plettenberg.<br />
Lebensmittel, Drogerieartikel, Schuhe<br />
und Mode auf 3950 Quadratmetern<br />
Das Projekt auf der ehemaligen Industriefläche an der<br />
Bahnhofstraße war und ist in Plettenberg umstritten.<br />
Während die Befürworter sich neben der Gestaltung der<br />
hässlichen Industriebrache eine Belebung der Innenstadt<br />
versprechen, befürchten die Gegner genau das Gegenteil,<br />
nämlich eine weitere Ausdünnung der Geschäfte in<br />
der Altstadt durch die zusätzliche Konkurrenz am Rande<br />
des Zentrums. Um genau dies zu vermeiden, wird die<br />
Neugestaltung der Innenstadt im Rahmen des Integrierten<br />
Stadtentwicklungskonzepts (ISEK) nun von der Bahnhofstraße<br />
aus beginnen, um das P-Center an die Innenstadt<br />
und die Fußgängerzone anzubinden.<br />
Der Projektentwickler, die Hanseatische Betreuungs- und<br />
Beteiligungsgesellschaft (HBB) aus Hamburg, bezeichnet<br />
den Mietermix im P-Center als „genau an die Versorgungssituation<br />
vor Ort“ angepasst. Die Verkaufsfläche<br />
von insgesamt rund 3950 qm in zwei Gebäuden teilen<br />
sich vier Fachmärkte, außerdem ein Restaurant/Bistro.<br />
Auf dem Gelände stehen 175 Parkplätze zur Verfügung.<br />
27. IMMECKE<br />
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Betrayers Of Babylon<br />
Immecke Allstars Rafiki<br />
PC Herman & The Destroyers<br />
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SO. 04. <strong>Juni</strong> <strong>2017</strong><br />
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Scotch<br />
Einlass: 13 Uhr<br />
VVK € 20,- AK € 22,-<br />
www.immecke-open-air.de<br />
I - ROCK e.V. Plettenberg präsentiert:<br />
27. IMMECKE<br />
OPEN-AIR<br />
Scotch<br />
Corner<br />
in Plettenberg - Oesterau<br />
Shirley Holmes<br />
Betrayers Of Babylon<br />
Immecke Allstars Rafiki<br />
PC Herman & The Destroyers<br />
WTF Boom Ze Gran Zeft<br />
Plettenberg<br />
Vier-Täler-Stadt<br />
SO. 04. <strong>Juni</strong> <strong>2017</strong><br />
Einlass: 13 Uhr<br />
VVK € 20,- AK € 22,-<br />
www.immecke-open-air.de<br />
18
HIT<br />
Die HIT Handelsgruppe hat ihren Sitz in Siegburg und gehört<br />
zur Dohle-Handelsgruppe, die sich in Familienbesitz<br />
befindet. Das Warenangebot umfasst Lebensmittel und<br />
weitere Produkte des täglichen Bedarfs. Laut Eigenwerbung<br />
arbeitet HIT „Hand in Hand mit lokalen Gemüsebauern<br />
und Landwirten“.<br />
dm Drogerie Markt<br />
dm ist der Marktführer unter den Drogeriemärkten in<br />
Deutschland. Das Unternehmen unterhält in Deutschland<br />
1825 Filialen. Insgesamt sind es in zwölf europäischen<br />
Ländern 3349 dm-Märkte mit rund 56.500 Mitarbeitern.<br />
Zum Sortiment an Drogerie-, Kosmetik- und Haushaltsartikeln<br />
gehören hauptsächlich Eigenmarken.<br />
K+K Schuh-Center<br />
K+K Schuh-Center gehört zur Kienast Unternehmensgruppe,<br />
die vor über 60 Jahren in Hannover ihren Ursprung<br />
nahm und heute einer der größten Schuhfilialisten<br />
Deutschlands ist. Mit unterschiedlichen Vertriebslinien<br />
betreibt das Familienunternehmen derzeit über 370<br />
Filialen in Deutschland, Tschechien, Polen und Ungarn<br />
und beschäftigt etwa 2000 Mitarbeiter. Die K+K ist die<br />
Hallo<br />
Frühling!<br />
Markenlinie für Städte ab 10.000 Einwohnern und versteht<br />
sich als klassischer Fachmarkt für die ganze Familie.<br />
Charles Vögele / Upim<br />
Die Schweizer Modekette Charles Vögele wurde Ende<br />
2016 von dem italienischen Modekonzern OVS übernommen.<br />
In Deutschland wurden zahlreiche der rund 280 Filialen<br />
von Kik und Woolworth übernommen. Die neue<br />
Filiale im P-Center wird unter der OVS-Marke Upim geführt.<br />
Angeboten wird Damen-, Herren- und Kindermode<br />
in unteren bis mittleren Preisbereichen, überwiegend<br />
Eigenmarken des <strong>Mai</strong>länder Modehauses.<br />
Restaurant Das Kunstwerk<br />
Steaks und Burger sind die Spezialitäten des Kunstwerk-<br />
Restaurants. Die Kunstwerk Gastro GmbH betreibt bereits<br />
ein Restaurant mit diesem Konzept in Gummersbach.<br />
Zum Angebot dort gehören ein tägliches Frühstücksbuffet<br />
und Brunch an Sonn- und Feiertagen.<br />
Große Auswahl an<br />
Brautschmuck<br />
und Antragsringen<br />
Vereinigte Sparkasse<br />
im Märkischen Kreis<br />
Die heimische Sparkasse installiert im P-Center einen<br />
Geldausgabeautomat.<br />
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19
DER TRAUM VOM FLIEGEN<br />
VERBINDET GENERATIONEN<br />
Fliegergruppe Plettenberg/Herscheid vor 85 Jahren gegründet<br />
Von Bernhard Schlütter<br />
20<br />
Fliegen zu können, das ist für viele Menschen gleichbedeutend<br />
mit Freiheit. Der Wunsch nach dieser Freiheit<br />
und der damit verbundenen Vorstellung von Unabhängigkeit<br />
führte die Gründungsmitglieder der Fliegergruppe<br />
Plettenberg/Herscheid im <strong>Mai</strong> vor 85 Jahren zusammen.<br />
Tollkühne Männer waren es damals. Heute ist der<br />
Kreis der Flieger weiter geworden, auch dank Vereinen<br />
wie der Fliegergruppe. Frauen steigen ebenso wie Männer<br />
in die sicherer gewordenen fliegenden Kisten. Schon<br />
ab dem Jugendalter ist die Fliegerei jedem zugänglich.<br />
<strong>Komplett</strong>-Autor Bernhard Schlütter traf sich mit Fliegern<br />
aus drei Generationen auf dem Vereinsplatz Habbel in<br />
Herscheid-Hüinghausen.<br />
Lisa Freund (16), Jens Vieregge (41) und Michael Hammer<br />
(66) sitzen vor der in die Jahre gekommenen Kantine<br />
des Flugplatzes in der Sonne. Es ist ein strahlender<br />
Frühlingstag. Beste Segelflugbedingungen. Es herrscht<br />
reger Betrieb am Habbel. „Nur die Thermik ist noch nicht<br />
so gut, die Luft ist noch zu kalt“, sagt Lisa. Trotz ihrer erst<br />
16 Jahre weiß sie, wovon sie spricht, denn sie stieg bereits<br />
mit 14 Jahren erstmals in ein Segelflugzeug und absolvierte<br />
mit 15 ihren ersten Alleinflug. „Ich wollte Pilotin<br />
werden“, erzählt die junge Lüdenscheiderin. „Meine<br />
Mutter hat dann in der Zeitung gelesen, dass hier auch<br />
Jugendliche das Segelfliegen lernen können.“ Lisas Berufswunsch<br />
hat sich geändert - sie studiert jetzt Aviation<br />
Management (Luftverkehrsmanagement) -, der Fliegergruppe<br />
ist sie treu geblieben und strebt jetzt ihren<br />
Segelflugschein an. Den darf man nämlich mit 16 Jahren<br />
machen; aber ab 14 sind schon Platzrunden in Sichtweite<br />
eines Fluglehrers erlaubt.<br />
Erfolgreiche Mitglieder-Werbung<br />
„Mama, fahr mich zum Flugplatz, ich will fliegen“,<br />
scherzt Jens Vieregge. Auch er begann im Alter von<br />
16 Jahren mit dem Segelfliegen. Der Plettenberger ist<br />
nicht nur seit 1998 Segelfluglehrer, sondern war auch<br />
von 2005 bis 2015 Erster Vorsitzender der Fliegergruppe<br />
Plettenberg/Herscheid. Unter seiner Ägide verstärkte die<br />
Fliegergruppe ihre Werbemaßnahmen, um jugendliche<br />
Mitglieder zu gewinnen. So wird seit drei Jahren eine Segelflug-AG<br />
in Zusammenarbeit mit dem Theodor-Heuß-<br />
Gymnasium und dem Bergstadt-Gymnasium in Lüdenscheid<br />
durchgeführt. Fluglehrer vom Habbel gehen in<br />
die Schulen und vermitteln Neuntklässlern die theoretischen<br />
Grundlagen. Höhepunkt des Schuljahres ist dann<br />
der Besuch auf dem Flugplatz, der natürlich mit einem<br />
Schnupperflug verbunden ist.<br />
Auch in Folge dieser Maßnahmen steht die Fliegergruppe<br />
glänzend da. Von insgesamt etwa 130 Mitgliedern<br />
sind 60 Aktive, darunter elf Jugendliche. Sie widmen sich<br />
zu einem großen Teil dem Segelflug, der auch den Ursprung<br />
des Vereins bildet. „Der Motorflug wird parallel<br />
betrieben, schon allein, um die Segler in die Luft zu
schleppen“, erklärt Jens Vieregge. In der jüngeren Vergangenheit<br />
ist der Ultraleichtflug als preisgünstige Variante<br />
dazu gekommen.<br />
Vereinseigene Flugzeuge<br />
und ehrenamtliche Fluglehrer<br />
Stichwort „Kosten“: Der Monatsbeitrag bei der Fliegerguppe<br />
Plettenberg/Herscheid kostet 40 Euro für Jugendliche<br />
und 80 für Erwachsene. Eine Ultraleichtflugstunde<br />
schlägt mit 52 Euro inklusive Treibstoff zu Buche. Die<br />
Fluglehrer arbeiten alle ehrenamtlich. Für die Mitglieder<br />
stehen vereinseigene Segel-, Ultraleicht- und Motorflugzeuge<br />
zur Verfügung. Um z.B. den Segelflugschein<br />
zu erwerben, braucht es zwei bis drei Jahre. In Begleitung<br />
eines Fluglehrers dürfen Jugendliche ab 14 Jahren<br />
ein Segelflugzeug steuern.<br />
„Ich bin immer nur mit Vereinsgerät geflogen“,<br />
erzählt Michael Hammer, Senior<br />
in der Runde. Er ist seit genau 50<br />
Jahren dabei. „Durch Eigenarbeit bei der<br />
Pflege und Wartung der Maschinen und<br />
Rundflüge mit zahlenden Gästen konnte<br />
ich mein Hobby immer kostengünstig<br />
bestreiten.“ 1967 fing „der Lange“,<br />
wie er aus offensichtlichem Grund genannt<br />
wird, mit dem Segelfliegen an,<br />
stieg dann auch wegen seines Körpermaßes<br />
um ins Motorflugzeug. Er weiß,<br />
köstliche Anekdoten aus den 1960er<br />
und 70er Jahren zu erzählen. So hätten<br />
damals manches Mal erst die Kühe von<br />
der Wiese am Habbel gescheucht werden müssen, um<br />
sie als Start- und Landebahn nutzen zu können. „Für den<br />
Start der Segelflugzeuge gab es eine Seilwinde. Nach jedem<br />
Start musste das Seil mit einem Motorrad zurückgeholt<br />
werden.“<br />
Michael Hammer kannte noch das Fliegerheim in Plettenberg<br />
am Dingeringhauser Weg. Nach dessen Verkauf<br />
im Jahr 1966 wurde am Habbel die Kantine als neues<br />
Vereinsdomizil errichtet. Das Gebäude ist sichtlich in<br />
die Jahre gekommen und so plant die Fliegergruppe ihr<br />
nächstes Großprojekt. Das Vorstandsteam um den Ersten<br />
Vorsitzenden Daniel Gärtner wurde beauftragt, die<br />
Planungen für einen Neubau aufzunehmen. Bange sind<br />
sie nämlich nicht, die immer noch tollkühnen Flieger<br />
vom Habbel.<br />
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21
„LEADER? ACH, SIE SINGEN!“<br />
Bilanz nach einem Jahr Förderprogramm LEADER<br />
von Martin Büdenbender<br />
derantrag scheuen, die fürchten, den<br />
Eigenanteil von 35 Prozent nicht leisten<br />
zu können, oder die grundsätzlich<br />
nicht an den Sinn und Zweck des Programms<br />
glauben. Aber Überzeugungsarbeit<br />
gehört ebenso zu den Aufgaben<br />
der beiden Regionalmanagerinnen, wie<br />
die Begleitung der einzelnen Projekte<br />
von der Idee bis zur Umsetzung.<br />
Neubau einer Fabrikhalle der<br />
Firma Berg vor etwa 100 Jahren<br />
historisches Foto aus dem Kreisarchiv vom Messing- und Drahtziehwerk<br />
in Werdohl-Bärenstein<br />
Damit das Lennetal schöner und lebenswerter<br />
wird, haben finanzielle<br />
Zuwendungen aus diversen Förderprogrammen<br />
in den letzten Jahren in<br />
der Region beachtliche Veränderungen<br />
ermöglicht. Fahrradwege wurden<br />
erschlossen, Parkanlagen errichtet,<br />
Altbauten renoviert und mit neuem<br />
Leben erfüllt und die Lenne als Freizeitraum<br />
zugänglich gemacht.<br />
Viel bewirkt hat vor allem das Regionale-Projekt Lenne-<br />
Schiene. Nahezu lückenlos schloss sich nach dessen Ende<br />
vor gut einem Jahr das europäische Förderprogramm LEA-<br />
DER an. Die beiden Regionalmanagerinnen für die LEA-<br />
DER-Region LenneSchiene, Silke Erdmann und Kathrin<br />
Hartwig, ziehen eine erste Bilanz.<br />
Vier Förderprojekte stehen am Start, vier weitere sind bereits<br />
angelaufen. EU-Gelder in Höhe von knapp 160.000<br />
Euro fließen allein in diese ersten acht Projekte der LEA-<br />
DER-Region LenneSchiene. Und viele weitere gute Ideen<br />
zur Verbesserung der Lebensqualität im Lennetal warten<br />
auf ihre Umsetzung. Der Anfang, das darf mit Fug und<br />
Recht gesagt werden, ist gelungen. Zwar ist es immer<br />
noch notwendig, den sperrigen Projektnamen zu erklären.<br />
„Leader? Ach, Sie singen!“- Nein, so völlig missverstanden<br />
wird der Projektname nun doch nicht. LEADER<br />
steht für „Liaison Entre Actions de Développement de<br />
l‘Économie Rurale“ (Verbindung zwischen Aktionen zur<br />
Entwicklung der ländlichen Wirtschaft, mit dem Ziel die<br />
ländlichen Räume zu fördern). Und es gibt auch nach wie<br />
vor Skeptiker, die ihre Bedenken äußern, die den För-<br />
Industriegeschichte wird lebendig<br />
Gleich vier interessante Projekte haben in diesem Frühjahr<br />
grünes Licht erhalten. Vor allem Bürger der Stadt<br />
Werdohl haben die Chancen, die das Förderprogramm<br />
bietet, frühzeitig erkannt und sind an drei der ersten<br />
vier Projekte beteiligt. Neben der Konzeption, Gründung<br />
und Initiierung eines gemeinnützigen Quartiervereins im<br />
Stadtteil Königsburg und der Videodokumentation der<br />
kulturellen und pädagogischen Arbeit der Musikschule<br />
Lennetal, die in Werdohl ihren Hauptsitz hat, sticht vor<br />
allem das Projekt des Heimat- und Geschichtsvereins<br />
Werdohl e.V. ins Auge.<br />
„Werdohler Industriegeschichte im 19. und 20. Jahrhundert<br />
als Beispiel für strukturelle Veränderungen in einem alten<br />
Industriestandort an Lenne und Verse“, lautet der lange<br />
Projekttitel. Die Industrialisierung des Lenne- und Versetals<br />
hat insbesondere in Werdohl ihre Spuren hinterlassen.<br />
Trotz teils gravierender, struktureller Veränderungen trifft<br />
man entlang der Lenne auch heute noch auf viele alte Industriebauten,<br />
auf Wehranlagen und Wasserkraftwerke.<br />
22
Der Bau der Ruhr-Sieg-Bahnstrecke vor gut 150 Jahren<br />
hat der Entwicklung der Industrie im Lennetal entscheidende<br />
Impulse gegeben. Die historische Bedeutung der<br />
alten Gebäude und auch der Eisenbahnlinie ist den Menschen<br />
oft gar nicht mehr bewusst.<br />
Der Heimat- und Geschichtsverein Werdohl unter dem<br />
Vorsitz von Heiner Burkhardt hat es sich daher zur Aufgabe<br />
gemacht, dieses spannende Kapitel der Heimatgeschichte<br />
in den nächsten Monaten fachlich aufzubereiten<br />
und die Ergebnisse im Frühjahr 2018 in einer großen<br />
ponate hofft man auf Hilfe aus der Bevölkerung und die<br />
Unterstützung heimischer Firmen. Neue Wege will man<br />
bei Recherche, Darstellung und Dokumentation gehen.<br />
Archive werden durchstöbert und Zeitzeugen sollen interviewt<br />
werden. Zeitgemäß werden sämtliche Ergebnisse<br />
des Projektes nicht nur in Form einer Ausstellung<br />
(Eröffnung am 11. März nächsten Jahres im Kulturbahnhof)<br />
und eines Begleitbandes, sondern auch digitalisiert<br />
zugänglich gemacht. So hofft man eine möglichst breite<br />
Öffentlichkeit zu erreichen.<br />
Dr. Oliver Schulz (links)<br />
wird dem Arbeitskreis<br />
fachkundig zur Seite<br />
stehen (rechts Heiner<br />
Burkhardt)<br />
Arbeitskreis-Vorsitzender Manfred Wolf<br />
Ausstellung zu präsentieren. Ohne die Fördergelder –<br />
LEADER unterstützt das Projekt mit 21.285 Euro – wäre<br />
dieses Vorhaben nicht umzusetzen.<br />
Zur Seite steht der Arbeitsgruppe um den Vorsitzenden<br />
Manfred Wolf mit Dr. Oliver Schulz ein renommierter Historiker.<br />
Aber auch Schülerinnen und Schüler der Albert-<br />
Einstein-Gesamtschule und der Realschule sollen mit in<br />
das Projekt eingebunden werden. Im Blick auf die Ex-<br />
Info:<br />
LEADER-Projekt Werdohler Industriegeschichte im<br />
19. und 20. Jahrhundert<br />
Projektträger: Heimat- und Geschichtsverein<br />
Werdohl e.V.<br />
LEADER-Förderung: 21.285,00 Euro (65%)<br />
Abstimmungsergebnisse der LAG: 9 Fürstimmen,<br />
keine Gegenstimmen, keine Enthaltung<br />
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23
PLETTENBERGS ERSTE FAHRSCHULE<br />
FEIERT 90. GEBURTSTAG UND SCHLÄGT<br />
NEUES KAPITEL AUF<br />
Petra Midderhoff-Pingel übergibt Fahrschule Midderhoff an Marco Berghold<br />
Umzug an den „Eiringhauser Pudding“<br />
Die Fahrschule Midderhoff war die erste Fahrschule in<br />
Plettenberg. Generationen von Fahrschülern haben hier<br />
ihren Führerschein erworben. Im April konnte Inhaberin<br />
Petra Midderhoff-Pingel den 90. Geburtstag des Unternehmens<br />
feiern. Zu Anfang <strong>Juni</strong> übergibt sie die Fahrschule<br />
an den neuen Inhaber Marco Berghold.<br />
Am 27. April 1927 erhielt Wilhelm Abt die Konzession zum<br />
Betrieb einer Fahrschule. Das war die Geburtsstunde der<br />
Fahrschule Midderhoff & Abt. Dabei gehen die Anfänge<br />
noch weiter zurück bis ins Jahr 1910, als Franz Midderhoff,<br />
der Urgroßvater der heutigen Inhaberin Petra Midderhoff-Pingel,<br />
an der Reichsstraße in Eiringhausen eine<br />
Schlosserwerkstatt eröffnete. Franz’ Sohn Willy Midderhoff<br />
und dessen Kumpel Wilhelm Abt bauten den Familienbetrieb<br />
zur KFZ-Reparaturwerkstatt aus, die schließlich<br />
um den Geschäftszweig einer Fahrschule erweitert wurde.<br />
Die Fahrschule führte Willi Midderhoff bis zu seinem Tod<br />
im Jahr 1984. Im August 1982 hatte seine Tochter Petra<br />
ihre Prüfung zur Fahrlehrerin bestanden und war seitdem<br />
im Familienbetrieb als Angestellte ihres Vaters beschäftigt.<br />
Nach dessen Tod wurde sie Geschäftsführerin.<br />
1988 erwarb Petra Midderhoff-Pingel die Fahrschule aus<br />
dem Firmenverbund und führte sie als Alleininhaberin<br />
nun unter dem Namen Fahrschule Midderhoff. Unmittelbar<br />
nach dem 75. Jubiläum erfolgte im Januar 2003 der<br />
Umzug der Fahrschule von der Reichsstraße 36 zur Reichsstraße<br />
56f, an den sog. „Eiringhauser Pudding“.<br />
Neuer Inhaber - selber Name<br />
Jetzt, kurz nach dem 90. Geburtstag, wird ein neues Kapitel<br />
in der Geschichte der ersten Plettenberger Fahrschule<br />
aufgeschlagen. Anfang <strong>Juni</strong> übergibt Petra Midderhoff-<br />
Pingel die Fahrschule an Marco Berghold. Der 40-Jährige<br />
arbeitet seit 13 Jahren als Fahrlehrer, zunächst in Werdohl<br />
und seit elf Jahren in Plettenberg. Jetzt macht er<br />
den Schritt in die Selbstständigkeit. Marco Berghold hat<br />
die Fahrlehrerlizenzen für alle PKW-Klassen und Motorräder.<br />
Neben der Ausbildung der Fahrschüler möchte Marco<br />
Berghold auch geführte Motorradtouren für die Fahrschüler<br />
anbieten.<br />
Schwere Jahre nach Unfalltod des Mitgründers<br />
Willy Midderhoff verunglückte am 4. <strong>Juni</strong> 1932 tödlich.<br />
Fortan führten Wilhelm Abt und Willys Frau Grethe die Geschäfte.<br />
Eine schwere Zeit für Grethe, die als allein erziehende<br />
Mutter gleichermaßen Verantwortung für den Betrieb<br />
wie für ihre sieben Kinder zu tragen hatte.<br />
Ende 1956 schied Wilhelm Abt aus Altersgründen aus<br />
der Firma aus. Spätestens als Grethe Midderhoffs ältester<br />
Sohn, der KFZ-Meister Willi Midderhoff, gemeinsam mit<br />
seinem Bruder Franz im Februar 1957 die Geschäfte übernahm,<br />
drehte sich in der Familie alles ums Thema Kraftfahrzeug.<br />
Zu KFZ-Werkstatt und Fahrschule waren inzwischen<br />
die Geschäftszweige Fiat-/Audi-/NSU-Vertretung,<br />
Spedition, Tankstelle und Taxidienst gekommen.<br />
Fahrschule Midderhoff<br />
(ab Anfang <strong>Juni</strong>: Inhaber Marco Berghold)<br />
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Tel. 02391/53543<br />
Fax 02391/950605<br />
E-<strong>Mai</strong>l email@midderhoff.info<br />
www.midderhoff.info<br />
24
Wenn die Nase juckt und<br />
die Augen tränen<br />
Heilpraktikerin Petra Hammecke gibt<br />
für <strong>Komplett</strong> Gesundheitstipps.<br />
Der Frühling ist da und alle<br />
freuen sich auf die erwachende<br />
Natur, wären da<br />
nicht Niesreiz, geschwollene<br />
Nase, Juckreiz, tränende<br />
Augen oder Atemwegsbeschwerden,<br />
die Pollenallergikern<br />
jetzt das Leben<br />
schwer machen.<br />
Noch vor 50 Jahren galt eine Allergie als Rarität. Heute<br />
ist bereits jeder Dritte in Deutschland von einer Allergie<br />
betroffen. Verdoppelt hat sich in den letzten zehn<br />
Jahren auch die Zahl der Lebensmittelallergien. Tendenz<br />
steigend. Kinder allergiebelasteter Eltern sind dabei besonders<br />
gefährdet.<br />
Bei einer Allergie kommt es zu einer „überschießenden“<br />
Reaktion des Immunsystems durch eindringende Fremdstoffe.<br />
Der Körper reagiert mit Entzündungszeichen und<br />
bildet Antikörper gegen das Allergen. Als bekanntester<br />
Botenstoff wird Histamin freigesetzt und bewirkt an der<br />
Haut oder an den Schleimhäuten die allergische Reaktion.<br />
Als beeinflussende Faktoren werden eine genetische<br />
Disposition, belastete Nahrungsmittel, Schadstoff-<br />
und Umweltbelastung, übertriebene Hygiene, erhöhte<br />
Stressbelastung und eine gestörte Barrierefunktion der<br />
Schleimhäute diskutiert. Die Frage, warum manche Menschen<br />
ein Leben lang immun gegenüber Allergieauslösern<br />
sind und andere zunehmend an Allergien leiden,<br />
ist bis heute nicht geklärt.<br />
Laut der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergolie<br />
und klinische Immunologie sind Antihistaminika Mittel<br />
der ersten Wahl. Auch die Einnahme von Kortisonpräparaten<br />
bessert zwar schnell die Symptome, aber das<br />
Krankheitsbild der Allergie bleibt bestehen. Viele Betroffene<br />
klagen außerdem nach der Einnahme dieser Medikamente<br />
unter Müdigkeit oder Mundtrockenheit. Droht<br />
bei einer Allergie ein sogenannter Etagenwechsel auf<br />
die unteren Atemwege, so kann auch eine Hyposensibilisierung<br />
in Betracht gezogen werden. Hierfür muss allerding<br />
das Allergen bekannt sein.<br />
Symptome nicht zu unterdrücken, sondern die Selbstheilungskräfte<br />
zu aktivieren, damit das Immunsystem wieder<br />
ins Gleichgewicht kommen kann.<br />
Da das Allergen für eine naturheilkundliche Behandlung<br />
nicht zwingend bekannt sein muss, bietet sich hier eine<br />
regulierende Behandlung mit homöopatischen Komplexmitteln,<br />
Eigenblut, Darmsanierung und Akkupunktur an.<br />
Auch eine Kombination dieser Behandlungsformen kann<br />
sinnvoll sein. Was viele nicht wissen: 80 Prozent aller immunkompetenten<br />
Zellen sitzen im Darm und so spielt<br />
eine intakte Darmschleimhaut eine besondere Rolle bei<br />
der Abwehr von Allergenen.<br />
Auch wenn der Pollenallergiker oftmals erst in die Praxis<br />
kommt, wenn die Allergie schon in vollem Gange ist,<br />
kann sowohl eine symptombezogene als auch eine immunmodulierende<br />
Therapie begonnen werden.<br />
Auf Ernährung achten<br />
Wie der Nahrungsmittelallergiker, der notwendigerweise<br />
auf das betreffende Lebensmittel verzichten muss, hat<br />
auch der Pollenallergiker während der Pollenzeit oft Probleme<br />
mit bestimmten Nahrungsmitteln, die nicht nur<br />
die Kreuzallergene betreffen. Der Betroffene sollte auf<br />
eine allergiefreundliche Ernährungsweise achten, d.h.<br />
natürlich der Verzicht auf die Kreuzallergene, histaminhaltige<br />
und histaminfreisetzende Lebensmittel wie z.B.<br />
Tomaten, Erdbeeren, Aromen, Schokolade… Dafür vitaminreich<br />
(insbesondere Vitamin C) und enzymreich essen<br />
und viel Wasser trinken.<br />
Tipp:<br />
Kreuzallergien<br />
beachten!<br />
Birkenpollenallergiker<br />
reagieren<br />
auch auf Äpfel<br />
und Haselnüsse.<br />
Selbstheilungskräfte aktivieren<br />
Welche Optionen hält nun aber die Naturheilkunde bereit?<br />
Ziel einer homöopatischen Behandlung ist es, die<br />
25
26<br />
AUSBILDUNGSENDE IST ERST<br />
DER ANFANG – JUNGE LEUTE<br />
AUFSTIEGSORIENTIERT<br />
„Start smart“: Mit Workshop bietet IG Metall Hilfe an Schnittstelle<br />
zum Einstieg ins Arbeitsleben<br />
Ausbildung beendet.<br />
Oder ist das Ende ein<br />
neuer Anfang? Karina<br />
Schültke denkt schon<br />
weiter, plant ihre Zukunft.<br />
„Was man nach der Ausbildung<br />
machen kann“,<br />
ist für die Technische<br />
Produktdesignerin Motivation,<br />
bei „Start smart“<br />
aufzukreuzen. Workshops und Erfahrungsaustausch sind<br />
Inhalte der Konferenz für junge Leute zwischen Ausbildung<br />
oder Studienabschluss und Einstieg ins Arbeitsleben.<br />
Für Karina Schültke und viele andere gehört eine weitere<br />
Qualifikationsrunde dazu.<br />
Mit „Start smart“ hatte die IG Metall für den Märkischen<br />
Kreis und die Region um Hagen im März eine Plattform<br />
geboten, auf der junge Leute sich informieren konnten.<br />
Mit organisiert hat die Konferenz Fabian Ferber, Jugendsekretär<br />
der IG Metall im Märkischen Kreis. Das Interesse ist<br />
groß. Rund 120 Teilnehmer kommen nach Feierabend in<br />
die Stadthalle in Hagen. Viele stehen am Ende ihrer Ausbildung<br />
in Betrieben in Plettenberg, Werdohl oder Umgebung.<br />
Andere haben ein duales Studium begonnen oder<br />
tragen sich mit dem Gedanken, „irgendwie weiter zu machen“.<br />
Oder wie Kevin Schmitz, Jugendsekretär der IG Metall<br />
Hagen, es zusammenfasst: „In allen Köpfen ist drin,<br />
nichts mehr wert zu sein, wenn sie nichts tun.“<br />
Auszubildende fühlen sich<br />
ausgebremst<br />
Die jungen Leute um die 20 sehen die Zwänge. Eine Umfrage<br />
im Saal ergibt:<br />
• Etwa 50 Prozent haben noch keine Übernahmegarantie<br />
für die Zeit nach der Ausbildung.<br />
• Etwa jeder Fünfte hat schon Erfahrungen mit Zeit- oder<br />
Leiharbeit gemacht.<br />
• Etwa ein Drittel hat sich bereits für eine Weiterbildung<br />
entschieden.<br />
Wie kann das sein angesichts der ständigen Klagen über<br />
den Fachkräftemangel? Die Zahl der Studierenden ist rasant<br />
gestiegen. 2014 kamen<br />
mehr als eine halbe<br />
Millionen Studienanfänger<br />
an die Hochschulen<br />
– 150.000 mehr als noch<br />
zehn Jahre zuvor. Auszubildende<br />
fühlen sich ausgebremst<br />
oder spüren<br />
den Konkurrenzdruck,<br />
wenn es um Aufstiegschancen<br />
geht. Fabian Ferber: „Nach der Ausbildung erweist<br />
sich Weiterbildung schon als notwendig.“ Die Unsicherheit<br />
ist groß. Deswegen hat die IG Metall Aus- und<br />
Weiterbildungsexperten der Südwestfälischen Industrie-<br />
und Handelskammer und Talent-Scouts der Ruhr-Uni Bochum<br />
mit ins Boot geholt. Sie stellen Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
vor. Experten für Arbeits- und Tarifrecht<br />
aus den Gewerkschaften informieren über Rechte und<br />
Verdienstmöglichkeiten.<br />
Als „sehr interessiert und engagiert“ beschreibt Martin<br />
Kohlert, Leiter des Bereichs Aus- und Weiterbildung der<br />
Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK),<br />
den Start-Smart-Teilnehmerkreis. Kosten, Dauer der Weiterbildung,<br />
Zugangsvoraussetzungen seien Kernfragen<br />
gewesen. Die SIHK-Mitarbeiter konnten Wege aufzeigen<br />
und Tipps geben. „Abends eine Weiterbildung zu<br />
machen, hat bei den Unternehmen mehr Akzeptanz“,<br />
weiß Kohlert aus Erfahrung. Entscheiden und Ziele setzen<br />
müssten die jungen Leute selbst. „Berufe, die wir<br />
anbieten sind zukunftsfest“, sagte der SIHK-Berater und<br />
macht Mut, nach Abschluss der Ausbildung nicht stehen<br />
zu bleiben.<br />
von Rüdiger Kahlke<br />
Talent-Scouts bieten Orientierungshilfe<br />
Junge Leute begleiten, teilweise von der Schule bis durchs<br />
Studium, ist auch Ziel der Talent-Scouts. „Wir wollen keine<br />
Eliten“, betont Serhat Demir, Talent-Scout der Ruhr-Uni Bochum.<br />
Talent hätten nicht nur die, „die gute Noten haben.“<br />
Oft seien dafür nur Lebenszusammenhänge entscheidend.<br />
Die Talent-Scouts helfen bei der Berufs- und Studienwahl,<br />
zeigen Möglichkeiten und Alternativen auf, „auch aufgrund
unserer eigenen Lebenserfahrung“, sagt Demir.<br />
Mit der Aktion, die eine Fortsetzung finden soll, will die<br />
IG Metall „junge Leute in einer entscheidenden Lebensphase<br />
begleiten“, sagt Fabian Ferber. Beruf soll nicht nur<br />
Spaß machen, er soll auch ein angemessenes Leben ermöglichen.<br />
„Keiner redet über Geld. Wir schon“, betont<br />
der Gewerkschafter. Entsprechend groß war das Interesse<br />
an dem Workshop „Ohne Moos nix los“. Anke Zaar<br />
vom IG-Metall-Landesbezirk informierte, worauf bei der<br />
Eingruppierung nach der Ausbildung zu achten ist. Was<br />
kann ich fordern oder erwarten, seien zentrale Fragen<br />
gewesen. Sie hat viel mit Hochschulabsolventen zu tun,<br />
die „oft keine Ahnung haben“, welches Einkommen sie<br />
erwarten können.<br />
Gute Ausbildung hat einen Wert – für den Ausgebildeten,<br />
aber auch für das Unternehmen. Auch das ist ein Thema<br />
zwischen Ausbildung und Beruf.<br />
Firma Schawag ausgezeichnet mit<br />
Prädikat „Profi im Handwerk“<br />
Die Firma Schawag Technik und Service ist zum<br />
vierten Mal in Folge mit dem TÜV-Siegel „Profi im<br />
Handwerk“ ausgezeichnet worden.<br />
Seit 2009 nimmt Dipl.-Ing. Ralf Schawag mit seiner<br />
Firma an dieser bundesweiten Qualitätsoffensive<br />
für Handwerksunternehmen teil. Ziel sind „Bestleistungen<br />
im Handwerk“. Das Konzept wurde in Kooperation<br />
mit der Universität Bremen entwickelt und<br />
verbindet praktische Erfahrungen mit wissenschaftlicher<br />
Forschung. Am Qualifizierungsprozess beteiligt<br />
sind alle Mitarbeiter: vom Chef über Projekt- und<br />
Kundendienstleiter bis zum Gesellen, Auszubildenden<br />
und den Büromitarbeitern. Das Ergebnis sind<br />
hochwertige Leistungen, eine professionelle Organisation<br />
mit reibungslosen Abläufen und nicht zuletzt<br />
eine außergewöhnliche Ausbildungsqualität. Am<br />
Ende der intensiven zweijährigen Qualifizierungsphase<br />
steht die Prüfung durch den TÜV. Das TÜV-Siegel ist<br />
zwei Jahre lang gültig.<br />
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27
„ICH WILL NICHT<br />
Text Bernhard Schlütter<br />
Fotos Martin Büdenbender<br />
AN DER KARRE VERSAUERN“<br />
Für Christian Dirszka und Robin Benfer beginnt nach der Ausbildung bei<br />
SEISSENSCHMIDT die Karriere erst richtig<br />
Betriebe aus Industrie und Handwerk im Märkischen<br />
Kreis sowie die Agentur für Arbeit Iserlohn werben aktiv<br />
um Auszubildende. Der Bedarf an Fachkräftenachwuchs<br />
in den heimischen Unternehmen ist groß. Viele<br />
Jugendliche entscheiden sich nach dem ersten Schulabschluss<br />
für weitere schulische Bildungsgänge oder<br />
ein Studium. Dabei wäre eine betriebliche Ausbildung<br />
für manchen jungen Menschen der bessere Weg. „Eine<br />
Ausbildung vor einem Studium ist empfehlenswert“,<br />
sagt Kathrin Groos, Ausbildungsleiterin bei der SEISSEN-<br />
SCHMIDT GmbH in Plettenberg. „Die praktische Grundlage<br />
wird immer wichtiger.“ Und sie bricht auch eine Lanze<br />
für den Hauptschulabschluss: „Gerade die Zeppelinschule<br />
mit dem Kompetenzzentrum Berufsorientierung Plettenberg<br />
macht einen sehr guten Job.“<br />
Das bestätigen Christian Dirszka (23) und Robin Benfer<br />
(22), die ihren Hauptschulabschluss an der Zeppelinschule<br />
bzw. der Hauptschule Böddinghauser Feld gemacht<br />
haben. Die beiden Schulen wurden im Jahr 2012<br />
zusammengelegt und es entstand die Zeppelinschule<br />
mit dem KBOP. Christian Dirszka absolvierte bei SEISSEN-<br />
SCHMIDT die Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik,<br />
Robin Benfer zum Maschinen- und Anlagenführer.<br />
Ihre Laufbahnen zeigen beispielhaft auf, dass der<br />
Hauptschulabschluss eine gute Basis für das berufliche<br />
Fortkommen sein kann.<br />
Entscheidung für die Hauptschule<br />
nicht bereut<br />
Christian Dirszka ging von der Grundschule zunächst auf<br />
die Realschule, wechselte zur 6. Klasse auf die Hauptschule.<br />
„Das war gut für mich“, weiß er rückblickend.<br />
Nach einem halben Jahr wurde er hochgestuft in Klasse<br />
7. „Die Lehrer auf der Zeppelinschule haben sich gut um<br />
die Schüler gekümmert. Wir wurden über verschiedene<br />
berufliche Möglichkeiten informiert, haben Betriebsbesichtigungen<br />
und Praktika gemacht.“ Für Christian<br />
Dirszka stand fest: „Ich möchte nicht an eine Maschine<br />
und keine Metallteile produzieren.“ Er machte nach<br />
der Hauptschule auch noch den Realschulabschluss am<br />
Berufskolleg Technik (BKT) in Lüdenscheid, dann folgte<br />
die Ausbildung zum Elektroniker bei SEISSENSCHMIDT.<br />
„Ich war immer gut in Mathe.“ Das kam ihm zugute und<br />
er konnte die Ausbildung von dreieinhalb auf drei Jahre<br />
verkürzen.<br />
Robin Benfer fand die Möglichkeit sehr gut, während<br />
28
der Hauptschulzeit mehrere Berufspraktika machen zu<br />
können. „Ich habe ein Praktikum in einem Handwerksbetrieb<br />
gemacht. Das war nichts für mich. Nach einem<br />
weiteren Praktikum in der Industrie wollte ich dann<br />
Schlosser werden.“ Robin wurde erst mal Maschinen-<br />
und Anlagenführer, ein sogenannter Metallnebenberuf<br />
mit zweijähriger Ausbildungszeit. Das Ziel Schlosser hat<br />
er nicht aus den Augen verloren, durch Teilnahme an<br />
Weiterbildungen kann er es erreichen. „Ich will nicht<br />
an der Karre versauern“, hat er sich fest vorgenommen,<br />
beruflich weiter voran zu kommen. Die „Karre“, damit<br />
meint er die Maschine, an der er derzeit noch arbeitet.<br />
„Auf der betrieblichen Ausbildung aufbauend sind Abschlüsse<br />
als Meister, Techniker und höhere Schulabschlüsse<br />
bis hin zum Studium möglich“, erklärt Kathrin<br />
Groos. Zudem biete SEISSENSCHMIDT mit der „Kompetenzschmiede“<br />
ein internes Fortbildungsprogramm an.<br />
Zur beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung<br />
trägt auch das Projekt „Erfahrungswelt“ bei. Auszubildende<br />
und Mitarbeiter im Ruhestand treffen sich regelmäßig,<br />
tauschen Erfahrungen aus oder unternehmen<br />
einfach gemeinsam etwas. „Davon profitieren alle Beteiligten“,<br />
berichtet Thomas Winkler, verantwortlich für<br />
das Diversity Management bei SEISSENSCHMIDT.<br />
„Wir brauchen Leute,<br />
die Bock auf den Beruf haben“<br />
Sowohl Kathrin Groos als auch Thomas Winkler betonen,<br />
dass das Unternehmen SEISSENSCHMIDT sehr gute Erfahrungen<br />
mit den Absolventen der Zeppelinschule und des<br />
KBOP mache. „Die Hauptschüler sind besser aufs Berufsleben<br />
vorbereitet als die meisten anderen Schüler“, berichtet<br />
Kathrin Groos. Thomas Winkler gehört für SEIS-<br />
SENSCHMIDT dem KBOP-Beirat an. „Das Plettenberger<br />
Konzept ist einmalig in Nordrhein-Westfalen. In den Profilklassen<br />
Industrie/Handwerk, Handel/Wirtschaft und<br />
Soziales/Gesundheit werden Weichen gestellt. Das KBOP<br />
ist wertvoll für die Jugendlichen, für unsere Stadt und für<br />
die Unternehmen hier“, wirbt er für das Plettenberger<br />
Hauptschulmodell.<br />
Und Schulnoten seien eben längst nicht alles, betont Kathrin<br />
Groos: „Wir brauchen Leute, die Bock auf den Beruf<br />
haben. Unser Ziel ist, dass die Leute bei uns bleiben.<br />
Dafür bilden wir aus.“ Thomas Winkler ergänzt: „Für uns<br />
stellt sich nicht die Frage, wer der Beste ist, sondern wen<br />
können wir am besten gebrauchen.“ Da spielten soziale<br />
Kompetenzen wie Lernwilligkeit und Teamfähigkeit<br />
eine ganz große Rolle.<br />
Und was rät Robin Benfer den Jugendlichen? Was müssen<br />
sie mitbringen, um eine Ausbildungsstelle zu bekommen?<br />
„Lust“, antwortet er wie aus der Pistole geschossen.<br />
Zahlreiche Ausbildungsplätze sind frei<br />
Die Chancen von Jugendlichen, einen Ausbildungsplatz<br />
im Märkischen Kreis zu bekommen, sind zurzeit sehr gut.<br />
Die Agentur für Arbeit Iserlohn meldete im März, dass<br />
rechnerisch auf jeden noch unversorgten Jugendlichen<br />
ein freier Ausbildungsplatz käme. Und gerade in zahlreichen<br />
Industrie- und Handwerksberufen übersteigt die<br />
Zahl der für das im Sommer beginnende Ausbildungsjahr<br />
noch freien Stellen die der Bewerber.<br />
Bei SEISSENSCHMIDT wird jetzt schon für den Ausbildungsbeginn<br />
2018 geplant, aber in vielen anderen Industrie-<br />
und Handwerksunternehmen in der Region sind<br />
auch noch Ausbildungsplätze für dieses Jahr zu vergeben.<br />
Informationen erhalten Bewerber/-innen bei der Agentur<br />
für Arbeit. Die Berufsberatung ist kostenlos erreichbar<br />
unter der Telefonnummer 0800/4 5555 00.<br />
Ausbildungsbetriebe erreichen den gemeinsamen<br />
Arbeitgeberservice von Agentur für Arbeit Iserlohn<br />
und Jobcenter Märkischer Kreis kostenlos unter<br />
Telefon 0800/4 5555 20.<br />
Kathrin Groos<br />
Christian Dirszka<br />
Robin Benfer<br />
Thomas Winkler<br />
29
30<br />
BERUFSWAHL: UNTERNEHMEN SEHEN<br />
ELTERN IN SCHLÜSSELFUNKTION<br />
Kreis und Wirtschaft werben mit „Elterndays“ für<br />
betriebliche Ausbildung<br />
Auf „750 bis 1000“<br />
schätzt Sven Haarhaus die<br />
jährliche Zahl der Bewerbungen<br />
für die 20 Ausbildungsbildungsplätze<br />
bei<br />
VDM Metals in Werdohl.<br />
Trotz der hohen Zahl sei<br />
der Anteil der passenden<br />
Bewerber rückläufig, bilanziert<br />
der Personalreferent<br />
des renommierten<br />
Unternehmens. Ein Grund: die Tendenz weg von der<br />
klassischen dualen Ausbildung im Betrieb hin zum Studium.<br />
Mit den „Elterndays“ wollen der Märkische Kreis<br />
und zwölf renommierte Unternehmen für die betriebliche<br />
Ausbildung werben. Ihre Zielgruppe: die Eltern.<br />
Sie gelten als „die wichtigsten Ratgeber im Berufswahlprozess<br />
von Jugendlichen“, heißt es dazu in einem Flyer<br />
des Regionalen Bildungsbüros im Märkischen Kreis.<br />
Michael Herget betreut hier das Projekt, bei dem Eltern<br />
zwischen Ende April und Mitte <strong>Juni</strong> ein Dutzend Ausbildungsbetriebe<br />
kennenlernen und sich informieren können.<br />
Sein Ansatz ist es, „Eltern fitter zu machen, wie Ausbildung<br />
und Arbeitsplätze heute aussehen“. Zudem will<br />
der Kreis mit dem Programm „Kein Abschluss ohne Anschluss“<br />
die betriebliche Ausbildung attraktiver machen<br />
und zeigen, welche Chancen sie bietet. Eltern, so Herget,<br />
knüpften an eigene Erfahrungen an und „haben wenig<br />
im Blick, was sich da getan hat.“ Die Elterndays bieten<br />
sozusagen Nachhilfe vor Ort.<br />
Das Projekt ist 2013 gestartet. „Anfangs galt es noch Unternehmen<br />
zu finden, die mitmachen“, so Herget. Inzwischen<br />
drängen Firmen sich dabei zu sein. Herget geht<br />
die Tendenz in eine Richtung, „wo man verstärkt um junge<br />
Leute ringen will.“<br />
Facharbeiter-Prüfung keine Sackgasse<br />
„Wir machen das nicht zum Spaß“, verweist Sven Haarhaus<br />
auf die vielfältigen VDM-Aktivitäten. Neben Patenschaften<br />
mit Schulen, Hilfestellung im Technik-Unterricht<br />
oder auf Ausbildungsbörsen ist VDM auch bei den Elterndays<br />
dabei. Viele schlagen „Wege ein, die für sie falsch<br />
sind“, meint der VDM-Personaler und verweist darauf,<br />
dass viele auf verantwortlichen Positionen im Unternehmen<br />
zuvor eine betriebliche Ausbildung durchlaufen haben.<br />
„Wir brauchen diese Fachkräfte“, sagt er. Mit der<br />
Facharbeiter-Prüfung sei der Weg nicht zu Ende. Eltern<br />
sieht er in einer Schlüsselfunktion bei der Berufswahl der<br />
Kinder. Sie stellen auch die Fragen, weiß Haarhaus aus<br />
Erfahrung. Antworten zur Ausbildung, Aufstiegsmöglichkeiten,<br />
zu veränderten Berufsbildern, auch solchen, die<br />
es zu der Zeit, als die Eltern ihren Beruf wählten, noch<br />
nicht gab, Hinweise zur Bewerbung und Tipps, was Schüler<br />
noch tun können, um ihre Chancen zu verbessern,<br />
gibt es bei den Elterndays. Bei VDM Metall am 1. <strong>Juni</strong>,<br />
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STELLENABBAU: DURA NENNT ZAHLEN<br />
Betriebsrat schließt Kündigungen ohne Sozialplan aus<br />
240 Arbeitsplätze will der Plettenberger<br />
Automobilzulieferer<br />
Dura noch in diesem Jahr<br />
streichen. Damit hatte die Geschäftsleitung<br />
Ende März erstmals<br />
nach mehr als 15 Monaten<br />
die Pläne zum Stellenabbau<br />
konkretisiert. Zudem signalisierte<br />
die Geschäftsleitung<br />
Eile. DURA-Geschäftsführer David<br />
Pettyes war im März ohne<br />
Vorankündigung zur Betriebsversammlung<br />
gekommen, um<br />
diese Botschaft zu übermitteln,<br />
so berichtete die IG Metall. Den<br />
Abbau von Arbeitsplätzen habe<br />
der Arbeitgeber mit dem Auftragsrückgang<br />
für den Bereich<br />
Leisten und Blenden begründet.<br />
Mit der Ankündigung, die<br />
240 Stellen zu streichen, sei<br />
klar, dass es sich um eine Betriebsänderung<br />
handelt, stellt<br />
Faruk Ikinci, Vorsitzender des<br />
Dura-Betriebsrates, fest. Für<br />
ihn ist auch klar, dass es ohne<br />
Sozialplan keine Kündigungen<br />
geben kann. Der Betriebsrat<br />
werde sich nicht unter Druck<br />
setzen lassen, so Ikinci.<br />
Kündigungsfristen hängen<br />
vom Alter der Beschäftigten<br />
und der Dauer der Betriebszugehörigkeit<br />
ab. Sie können<br />
bei älteren Mitarbeitern, die<br />
zudem schon lange im Betrieb<br />
sind, bis zu einem Jahr<br />
betragen. (rk)<br />
Das Ziel: Bis Ende April sollten<br />
ein Interessenausgleich und<br />
ein Sozialplan stehen. Bei Redaktionsschluss<br />
war ein Ergebnis<br />
noch nicht absehbar. Die IG Metall rügte, dass der<br />
Arbeitsgeber in den vergangenen Monaten „nichts gemacht“<br />
habe, um den absehbaren Auftragsrückgang<br />
entgegenzuwirken.<br />
Während in Plettenberg Aufträge fehlen, sei bei einem<br />
Dura-Mitbewerber in Wuppertal Mehrarbeit angesagt,<br />
machte Fabian Ferber, Sprecher der IG-Metall-Verwaltungsstelle<br />
auf die Misere aufmerksam. Und Torsten Kasukbe,<br />
2. Bevollmächtigter der IG Metall im Märkischen<br />
Kreis, monierte schon im März: „Seit Jahren hat sich die<br />
amerikanische Geschäftsführung nicht um neue Aufträge<br />
für Plettenberg bemüht.“<br />
Schnell Klarheit?<br />
Aus dem Unternehmen verlautete derweil, man wünsche<br />
sich, zügig zu einer vernünftigen Lösung zu kommen.<br />
Dr. F.-Oliver Denzler, Werksleiter von Dura Leisten<br />
& Blenden, wird mit den Worten zitiert: „Wir möchten<br />
für unsere Mitarbeiter und Kunden so schnell wie möglich<br />
Klarheit, auch im Interesse des Betriebsrats“. Diese<br />
Klarheit hatten Betriebsrat und IG Metall seit Monaten<br />
gefordert.<br />
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31
INDUSTRIE IN SÜDWESTFALEN<br />
Erfolg durch Innovation und Kooperation<br />
von Martin Büdenbender<br />
Das industrielle Herz Nordrhein-Westfalens schlägt in<br />
Südwestfalen. Was den Anteil der Beschäftigten im<br />
produzierenden Gewerbe angeht, zählt die ländliche<br />
Region zwischen Ruhr und Sieg bundesweit zur<br />
Spitzengruppe. Gründe dafür gibt es viele, etwa das<br />
hohe Innovationspotenzial der oft familiengeführten<br />
Unternehmen - und man kennt sich untereinander,<br />
redet miteinander, tauscht Erfahrungen und Ideen aus,<br />
vernetzt sich und kooperiert.<br />
Beispiel Expertise Sauerland<br />
Bestes Beispiel hierfür ist die Expertise Sauerland,<br />
ein Firmenverbund, der aus acht mittelständischen<br />
Unternehmen zwischen Neuenrade und Halver besteht,<br />
die ihr Produkt- und Technologieportfolio unter einer<br />
Dachmarke anbieten. Ziel diese Kooperation ist es, das<br />
Know-How branchenübergreifend aus den Bereichen<br />
Kunststoff- und Metallverarbeitung, Stanz-, Umform- und<br />
Biegetechnik, Dreh- und Frästechnik sowie Werkzeugbau<br />
zu bündeln. Daraus ergibt sich, dass<br />
Kundenwünsche und Produkte, in die unterschiedliche<br />
Fertigungskompetenzen hineinfließen müssen,<br />
innerhalb des Netzwerks angeboten werden. Komplexe<br />
Baugruppen sind so aus einer Hand realisierbar.<br />
Beispiel Werdohler Wirtschaftsfrühstück<br />
Viele Unternehmen haben erkannt, dass es heute<br />
mehr denn je wichtig ist, miteinander ins Gespräch<br />
zu kommen. Ein weiteres Beispiel: Das Werdohler<br />
Wirtschaftsfrühstück ist 2011 mit der Zielvorgabe einer<br />
lokalen und regionalen Kontakt- und Netzwerkpflege<br />
an den Start gegangen. Die Veranstaltung versteht sich<br />
als eine Plattform für den kommunikativen Austausch<br />
von Inhabern und Führungskräften Werdohler Betriebe.<br />
Auch die 5. Auflage des Werdohler Wirtschaftsfrühstücks,<br />
die kürzlich in den Räumen der Rötelmann GmbH<br />
stattfand, verbuchten die beiden Veranstalter, die<br />
Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer<br />
zu Hagen (SIHK) und Werdohl-Marketing, als Erfolg.<br />
32
Im interessanten Ambiente der Rötelmann‘schen<br />
Fabrikhalle, die vorübergehend zu einem Bistro und<br />
Vortragsraum umfunktioniert worden war, fühlten sich<br />
die Teilnehmer sichtlich wohl und kamen schnell ins<br />
Gespräch miteinander. Wie schon bei allen früheren<br />
Veranstaltungen gewährte der Gastgeber auch diesmal<br />
aufschlussreiche Einblicke in sein Unternehmen.<br />
Geschäftsführer Ludwig Kirchhoff-Stewens stellte in<br />
seinem Vortrag die über 100jährige Firmengeschichte<br />
vor und rückte dabei immer den Menschen in den<br />
Mittelpunkt: „Die Mitarbeiter sind das größte Kapital<br />
einer Firma.“<br />
Beispiel Balver Wirtschaftsgespräche<br />
Eine dem Wirtschaftsfrühstück ähnliche Veranstaltung<br />
organisiert das Stadtmarketing Balve mit den bereits<br />
seit 2006 durchgeführten Wirtschaftsgesprächen. In<br />
den Räumen des Schlosses lassen sich mittelständische<br />
Unternehmer durch brisante politische Themen<br />
sowie spannende Podiumsdiskussionen inspirieren<br />
und werden zum Meinungsaustausch angeregt.<br />
Angeknüpft an das größte Balver Sportereignis, das<br />
Reitsportturnier Balve Optimum, standen in den ersten<br />
Jahren sportwirtschaftliche Themen im Vordergrund,<br />
etwa „Sportevents und der Fiskus“ oder „Sportevents<br />
– Perspektiven für den Mittelstand“. Großen Zuspruch<br />
fanden aber auch in den folgenden Jahren die<br />
meist mit prominenten Referenten aufgewerteten<br />
Gesprächsrunden, etwa das Wirtschaftsgespräch 2012<br />
zum Thema „Deutschland im demografischen Wandel“<br />
mit der damaligen Bundesarbeitsministerin Ursula von<br />
der Leyen, 2013 „Europa im Wandel“ mit Wolfgang<br />
Kubicki (Mitglied im Bundesvorstand der FDP und<br />
Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag Schleswig<br />
Holstein) oder 2015 das Thema „Energiewende in<br />
Deutschland – Bedrohung für den Mittelstand?“ mit<br />
Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie,<br />
Mittelstand und Handwerk des Landes NRW.<br />
Auch in den anderen Kommunen der Region hat man<br />
die Bedeutung derartiger Aktivitäten erkannt. Etwa in<br />
Plettenberg, wo man Idee des Wirtschaftsfrühstücks<br />
gerne aufgreifen möchte. Diese Idee, bestätigt Steffen<br />
Reeder vom Stadtmarketing Plettenberg, „ist tatsächlich<br />
gerade erst im Rahmen der AG Arbeit und Wirtschaft im<br />
Stadtmarketingverein geboren worden.“<br />
33
34<br />
„DER WELT ZEIGEN, WIE<br />
KREATIV WIR HIER SIND“<br />
Katja Krah vernetzt auf Internetplattform Künstler in der Region<br />
Es gibt im Sauerland so viel mehr, als man gemeinhin<br />
denkt. Dazu gehören auch Kulturschaffende wie die<br />
Plettenbergerin Katja Krah, die mit ihrer Künstlerinitiative<br />
„Künstler im Märkischen Kreis & Freunde“ Kreativen<br />
die Möglichkeit gibt, sich miteinander zu vernetzen.<br />
Und ihr Können zu präsentieren. Ob es sich dabei<br />
um Fotografien handelt, Malereien, Skulpturen oder<br />
Musik - auf Katjas Facebook-Seite ist kreativer Output<br />
ausdrücklich willkommen. Hier werden auch besonders<br />
interessante Events gepostet oder Jobangebote, die sich<br />
an Künstler richten. Oder Vernissagen und Presseberichte<br />
über das Kunstgeschehen in und um den Märkischen<br />
Kreis herum.<br />
Katja Krah ist 1964 in Plettenberg geboren und bewegte<br />
sich Zeit ihres Lebens in den Städten und Dörfern des<br />
Märkischen Kreises. Sie kennt hier jeden und alles und<br />
weiß genau, wo etwas los ist, wer wo Kunst macht oder<br />
welche Trends in der Kunst gerade angesagt sind. Aber<br />
das reicht ihr eben nicht. Sie will die hier lebenden<br />
Künstler zusammenbringen, will sie aus dem stillen<br />
Kämmerlein hervorholen, Selbstbewusstsein stärken und<br />
ihnen die Möglichkeit geben, von der Welt gesehen und<br />
gehört zu werden. Ohne dazu in die nächste Großstadt<br />
ziehen zu müssen.<br />
Katja ist eigentlich gelernte KFZ-Mechanikerin. Ein Beruf,<br />
der ihr Spaß gemacht hat, in dem es aber vor 30 Jahren<br />
keine Möglichkeit gab, als junge Frau zu arbeiten. So<br />
stellte sie ihr Wissen erst einmal eine Zeitlang einem<br />
großen Automobilzulieferer zur Verfügung, heiratete<br />
und bekam zwei Kinder. Und fühlte sich auf die Dauer<br />
irgendwie nicht wirklich richtig gefordert. Kinder werden<br />
von Iris Kannenberg<br />
größer, sie kommen in die Schule und so<br />
ein Powerpaket wie Katja sucht dann eben<br />
nach neuen Möglichkeiten. Ganz klar. Da<br />
kam es ihr gerade recht, dass ihre Schwester<br />
einen Kreativladen in Attendorn eröffnete<br />
und sie einfach mit hineinnahm. Die<br />
beiden Schwestern begannen, Kreativkurse<br />
anzubieten. Katja entdeckte ihre Liebe zur<br />
Malerei und begann, sich in diesem Bereich<br />
gezielt weiterzubilden.<br />
Seit 2005 arbeitet sie zudem als OGS-<br />
Betreuerin in der Grundschule Herscheid-<br />
Hüinghausen, richtete dort für die Kinder<br />
eine Atelierwerkstatt ein, in der auch die ganz Kleinen<br />
schon zeigen können, was sie im Bereich Kreativität<br />
begeistert.<br />
Katja Krah arbeitet aber eben auch weit darüber<br />
hinaus aktiv mit, Kunst und Künstler im Sauerland zu<br />
unterstützen und zu fördern. So bei den Treffen der<br />
Kulturschaffenden der Leader-Region Lenneschiene.<br />
Auch dort leistet sie aktiv Unterstützung und Hilfe bei<br />
Fragen, die sich für Kulturschaffende und Künstler auftun.<br />
Interview<br />
„Alles ist da, wir müssen es nur<br />
nutzen“<br />
Katja, wie kam es bei Deinem eh schon hohen<br />
Arbeitspensum dazu, dass Du auch noch diese<br />
Künstlerinitiative auf Facebook gegründet hast?<br />
Das hat sich folgerichtig für mich ergeben. Ich arbeite<br />
seit langem mit einer Gruppe von Künstlern zusammen,<br />
die sich die „Querdenker“ nennt. Wir haben uns in<br />
der VHS bei diversen Malkursen kennengelernt und<br />
begonnen, gemeinsam auszustellen und an kulturellen<br />
Events teilzunehmen. Haben zusammen Galerien<br />
besucht, Fahrten in Museen organisiert und auch an<br />
Wettbewerben teilgenommen. Ich habe so sogar 2014<br />
den Hobbit-Kunstpreis in Altena gewonnen. Mit meinem<br />
Bild „Roter Stier“. Durch die Gruppe der „Querdenker“<br />
habe ich viele neue Impulse bekommen, mich<br />
weiterentwickelt, aber auch immer Zuspruch erfahren.<br />
Ohne die Gruppe hätte ich mich vieles nicht getraut. Vor<br />
einiger Zeit habe ich dann angefangen, auch mit den<br />
neuen Medien zu arbeiten, Social Media zu nutzen und
dachte: „Was im Kleinen geht und analog, müsste doch<br />
auch im Großen und digital funktionieren.“<br />
War das gleich erfolgreich?<br />
Ja, das wird gut angenommen. Es spricht sich herum,<br />
dass man sich hier vernetzen kann, es immer wieder<br />
interessante Austauschmöglichkeiten gibt und man<br />
andere kennenlernt. Die Gruppe, die dort allmählich<br />
zusammenwächst, macht sich untereinander Mut, die<br />
Künstler treffen sich, empfehlen sich gegenseitig für Jobs<br />
und sind ganz allgemein besser informiert, was in der<br />
Kunst hier im MK gerade so angesagt ist.<br />
Was willst Du damit bewegen?<br />
Ich möchte die vielen Künstler, die wir hier im<br />
Märkischen Kreis haben, herauslocken, sichtbar machen.<br />
Der Welt zeigen, wie kreativ wir hier sind. Es gibt hier so<br />
viele begabte Menschen, aber etliche trauen sich nicht<br />
an die Öffentlichkeit oder kennen einfach niemanden,<br />
an den sie sich wenden können. So eine Gemeinschaft<br />
soll auch sagen: Leute, ihr seid nicht alleine. Traut euch,<br />
trefft euch, macht mit, wenn etwas geboten wird. Zeigt<br />
der Welt, wer ihr seid und was ihr drauf habt.<br />
Und es gibt viele weitere Möglichkeiten, die Plattform<br />
zu nutzen. Silke Erdmann vom Leadermanagement hat<br />
in der Gruppe eine Liste hinterlegt mit dem Ziel, eine<br />
Übersicht zu erstellen, von dem, was es an kreativem<br />
Potenzial so alles gibt bei uns. Und das ist gewaltig.<br />
Jeder unserer vielen Künstler hier, der Lust dazu hat,<br />
kann sich in diese Liste eintragen und wird dann z.B.<br />
eingeladen zu den Treffen und Aktionen, die wir planen.<br />
Natürlich kann man auch einfach mal schauen, wer<br />
etwas Ähnliches macht wie man selbst und vielleicht<br />
gemeinsam etwas auf die Beine stellen.<br />
Du bist ja da auch ganz rege. Und Du hast das Dorf<br />
Pasel, in dem Du schon sehr lange lebst, ganz vorbildlich<br />
und nach dem Motto „Geht doch“ in ein Kulturzentrum<br />
verwandelt...<br />
Ich natürlich nicht alleine. Das haben wir dort alle<br />
zusammen erreicht. Wir haben ein Bürgerhaus in unserer<br />
alten Dorfschule gegründet, das nutzen wir aktiv für<br />
Kreativkurse, Ausstellungen, Konzerte und Feste. Das<br />
bringt Leben in die Dorfgemeinschaft, schafft Synergien<br />
und macht einfach Spaß.<br />
Was mir eben auch sehr am Herzen liegt: Die jungen<br />
Menschen so früh es geht mit hineinzunehmen in die<br />
kreativen Schaffungsprozesse. Sie sollen den Mut haben<br />
zu malen, Musik zu machen, zu fotografieren oder zu<br />
schauspielern und dabei volle Unterstützung<br />
erfahren durch die Älteren und Erfahreneren. Uns<br />
war es von Beginn an wichtig, unsere Kinder und<br />
Jugendlichen im Dorf fest mit einzubinden in die<br />
kreativen Schaffungsprozesse der Erwachsenen. Sie<br />
sollen mittendrin sein, Freude an Kunst haben und<br />
nicht entmutigt aufgeben müssen, nur weil niemand<br />
ihr Potenzial erkennt.<br />
Ich glaube fest daran, dass wir so schon früh Begabungen<br />
fördern können und dies unseren Städten im<br />
Sauerland zu neuer Lebendigkeit verhilft. Alles ist da,<br />
wir müssen es nur nutzen, herauslocken, unterstützen.<br />
Dann wird man gerade in den kommenden Jahren auch<br />
außerhalb von Lenne und Volme wahrnehmen, wie viel<br />
hier bei uns los ist und was wir alles drauf haben. Unsere<br />
Region hat gerade im kreativen Bereich so viel zu<br />
bieten. Ich möchte dabei mithelfen, dafür ein Bewusstsein<br />
zu wecken. Denn: Es macht Spaß, hier zu leben<br />
und dieses Leben aktiv mitzugestalten. Mehr denn je.<br />
Wer bei Katjas Künstlerinitiative mitmachen möchte,<br />
findet die Gruppe unter „Künstler im Märkischen Kreis<br />
& Freunde“ bei Facebook.<br />
Wo GESCHÄFTSSINN & LEIDENSCHAFT<br />
zusammen kommen entsteht<br />
Ihr FIRMENERFOLG<br />
Ihr Partner für Sportmanagement<br />
www.jssport.de<br />
35
LIEBESZEICHEN<br />
IM SAUERLAND<br />
Eingravierte Initialen<br />
für die Ewigkeit<br />
von Martin Büdenbender<br />
Wer frisch verliebt ist, möchte sein Glück für alle Zeiten<br />
festhalten. Das ist wohl der Grund, weswegen sich so<br />
viele Liebespaare mit ihren Initialen verewigen.<br />
Auf die Zeichen solcher Liebesbekundungen trifft man<br />
auf einem Wanderweg oberhalb des Plettenberger<br />
Schlosses Brüninghausen. Unverhofft steht man vor einer<br />
Felswand, die überquillt von mühsam in den harten<br />
Stein geritzten und gekratzten Initialen und Herzchen.<br />
Das Besondere ist das Alter dieser Inschriften. Viele Pärchen<br />
haben die Jahreszahl ihres Glücks eingraviert. Aus<br />
dem Jahr 1834 scheint die älteste Inschrift zu stammen.<br />
Auch einer der Vorfahren des Schlossbesitzers Freiherr<br />
von Wrede hat hier sein Zeichen hinterlassen. C.v.W. und<br />
E.v.W., geb. v.H. ist ebenso deutlich zu lesen wie die Jahreszahl<br />
1853. Umrahmt sind die Kürzel durch fünf Rosen,<br />
wie sie auch im Wappen derer von Wrede vorkommen.<br />
Es kann sich nur um Carl von Wrede und seine Gattin Eleonore<br />
handeln.<br />
Ein anderer romantischer Ort für Liebespaare war viele<br />
Jahre die Funkenburg in Werdohl. Auf dem abfallenden<br />
Gelände des Lennesteins hatte ein gewisser Joh. Peter<br />
Funke aus Hagen sein Wohnhaus und ein Wirtschaftsgebäude<br />
mit Wohnung für Gärtner und Knecht sowie<br />
Stallungen für Pferde und zwei Kühe errichtet und die<br />
Anlage samt Park mit einer burgartigen Ummauerung<br />
gesichert, daher der Name Funkenburg. Diese steht allerdings<br />
schon lange nicht mehr. Geblieben ist eine verfallene<br />
Parklandschaft mit vielen mächtigen Buchen, in<br />
deren Stämmen Liebespaare ihre Zeichen hinterlassen<br />
haben. Die ein oder andere erkennbare Jahreszahl zeigt,<br />
dass der Park an der Funkenburg besonders in den 30er<br />
und 40er Jahren beliebt gewesen ist. Zum Teil kann man<br />
heute die Schnitzarbeiten aus Herzchen und Namensinitialen<br />
hoch oben auf dicken Ästen der alten Buchen<br />
sehen. Größtenteils entdeckt man die Liebesbekenntnisse<br />
aber als unkenntliche Vernarbungen am Stamm<br />
der Buchen. Es müssen sich hier zahllose Pärchen verewigt<br />
haben.<br />
Jede Zeit setzt ihre Zeichen. Heute bekunden Liebespaare<br />
ihr Glück mit Vorhängeschlössern, die besonders gerne<br />
an Brücken montiert werden. Im mittleren Lennetal<br />
sind dafür aber offensichtlich die Brückengeländer nicht<br />
geeignet. Anders sieht das lenneabwärts in Letmathe<br />
aus. Dort hat man dem Brückengeländer sogar ein<br />
Gitter vormontiert, an dem problemlos Schlösser<br />
aufgehängt werden können.<br />
36
37
LANGSTRECKENLAUF<br />
ZU „MAX UND MORITZ“<br />
Jugendsinfonieorchester der Musikschule Lennetal beweist<br />
Ausdauer bei Probenarbeit - Openrevue wird am 9. Juli aufgeführt<br />
Text Wolfgang Teipel<br />
Fotos Wolfgang Teipel<br />
und Martin Büdenbender<br />
Da steckt Musik drin und jede Menge Humor. Zum Auftakt<br />
des Plettenberger Kultursommers <strong>2017</strong> führt das Jugendsinfonieorchester<br />
der Musikschule Lennetal zusammen<br />
mit der Kleinen Oper Bad Homburg die Opernrevue<br />
„Max und Moritz“ auf. Das Publikum kann die Späße<br />
der bösen Buben, erdacht und gezeichnet von Wilhelm<br />
Busch, am 9. Juli ab 12 Uhr in der Aula des Schulzentrums<br />
Böddinghausen erleben.<br />
Orchesterarbeit ist wie ein Langstreckenlauf. Etappe für<br />
Etappe arbeiten sich die jungen Musiker zusammen mit<br />
ihrem Dirigenten Andreas Regeling durch die Hits der<br />
Opernliteratur. Wolfgang Amadeus Mozart, Giacomo Rossini,<br />
Johann Strauss oder Carl Maria von Weber. Jeden<br />
Mittwoch greifen sie im großen Saal unterm Dach der<br />
Musikschule an der Brüderstraße in Werdohl zu ihren Instrumenten.<br />
Zunächst getrennt nach Registern. Danach<br />
zusammen im Orchester.<br />
Manches klingt schon ganz flott. Anderes noch ein wenig<br />
holprig. Aber Dirigent Andreas Regeling besitzt die<br />
Ausdauer eines Langstreckenläufers. Die Orchestermitglieder,<br />
im Schnitt 20 Jahre alt, haben ein klares Ziel vor<br />
Augen. Auch die Jüngsten. Sie sind gerade 13 und 14<br />
Jahre alt. Die Nesthäkchen und alle anderen in der Truppe<br />
wollen am 9. Juli zusammen mit den Profis von der<br />
Kleinen Oper Bad Homburg das Publikum überzeugen.<br />
Dafür geben die jungen Musiker alles.<br />
„Ich bin von der Konzentration begeistert, mit der alle zu<br />
Werke gehen“, macht Andreas Regeling den Instrumentalisten<br />
ein dickes Kompliment. Mehr als zwei Stunden<br />
Proben nach einem anstrengenden Schultag: „Da muss<br />
man mit dem Herzen dabei sein.“ Wenn der Dirigent<br />
zwischenzeitlich mal ein wenig missvergnügt murrt: „Ihr<br />
sollt mit Gefühl und nicht nach Gefühl spielen“, grinsen<br />
Streicher, Bläser und Perkussionisten. Dann schauen sie<br />
konzentriert in ihre Noten und weiter geht’s. Da passt<br />
das nächste Stück: „Auf in den Kampf“ aus der Oper<br />
„Carmen“ nach Georges Bizet. Die nächste Etappe auf<br />
der Langstrecke zu „Max und Moritz“.<br />
Andreas Regeling hat die Leitung des im Jahr 1993 gegründeten<br />
Jugendsinfonieorchester im Oktober 2015<br />
übernommen. Seine Marschrichtung ist klar: „Wir müssen<br />
zum Ziel kommen und dabei den Spaß an der Musik<br />
behalten.“ Andreas Regeling ist Posaunist. Die Musik<br />
im Radio langweilt ihn. Er stellt sich seine Playlists lieber<br />
selbst zusammen. Das Hauptkriterium: „Die Musik muss<br />
gut gemacht sein. Dann darf’s auch schon mal Heavy<br />
Metal sein.“ Ansonsten greift er beim Projekt „Trombe e<br />
Tromboni“, im Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr Ennest<br />
und in anderen Besetzungen wie beim „Down Town<br />
Blues Revival“ in Attendorn zur Posaune.<br />
Dafür braucht er jede Menge Puste und einen langen<br />
Atem. Den hat er. Das spürt das Orchester bei jeder Probe<br />
und es zieht mit. Schließlich haben alle beim Langzeitprojekt<br />
„Max und Moritz“ ein gemeinsames Ziel. Um<br />
im Läufer-Jargon zu bleiben: Alle wollen am 9. Juli zusammen<br />
mit den Profis der Kleinen Oper Bad Homburg<br />
bei der Aufführung im Albert-Schweitzer-Gymnasium erfolgreich<br />
als Finisher durchs Ziel kommen.<br />
38
Das Projekt: Die Streiche der Lausbuben Max und Moritz<br />
eignen sich vortrefflich, um das Hauptanliegen der<br />
Kleinen Oper Bad Homburg zu transportieren: Bildung<br />
durch Unterhaltung.<br />
Das geschieht auf hohem Niveau und höchst kurzweilig.<br />
Die Kleine Oper Homburg führt ihr junges Publikum<br />
lustvoll an klassische (Opern-) Musik heran. Kindergerecht<br />
verpackt wird klassische Musik<br />
von Wolfgang Amadeus Mozart<br />
bis Georges Bizet serviert.<br />
Die „Malerei“ von Wilhelm Busch<br />
wird in Bewegung und Musik umgesetzt.<br />
Gezeigt wird die originale<br />
Bilderfolge von Max und Moritz<br />
in originalen Kostümen in einem<br />
ansprechenden Bühnenbild, das<br />
in weiten Teilen genau den Originalzeichnungen<br />
von W. Busch entspricht.<br />
Das grausame Ende der<br />
beiden „Bösewichter“ aus dem Bilderbuch<br />
ist jedoch gestrichen. Im<br />
Musical gibt es ein Happy End.<br />
Das Orchester: Im Jahr 1993 wurde das Jugendsinfonieorchester<br />
für Jugendliche (ab zwölf Jahren) und Erwachsene<br />
vom damaligen Musikschulleiter Stefan Köhler sowie<br />
Instrumentallehrer Sebastian Hoffmann gegründet.<br />
Es entwickelte sich über die Jahre zu einer festen Größe<br />
im Musikschulleben.<br />
Mittlerweile musizieren ca. 60 Jugendliche und junge Erwachsene<br />
in dem Ensemble, das als Herzstück der Musikschule<br />
betrachtet werden<br />
kann. Dirigiert werden die<br />
jungen Musikerinnen und<br />
Musiker von Andreas Regeling.<br />
Als Satzprobenleiter<br />
stehen ihm Michael Baasner<br />
(Bläser/Schlagzeug),<br />
Andrea Bergfeld (hohe<br />
Streicher) und Sebastian<br />
Hoffmann (tiefe Streicher)<br />
zur Seite.<br />
Mit kontinuierlicher Probenarbeit,<br />
zukunftsweisender<br />
Literaturauswahl und<br />
dem Mut zu ungewöhnlichen<br />
Projekten hat sich das<br />
Orchester zum festen Bestandteil<br />
der Musikkultur im<br />
Lennetal entwickelt.<br />
Plettenberger Kultursommer <strong>2017</strong><br />
9. Juli: „Opernrevue „Max und Moritz“ mit der „Kleinen<br />
Oper“ Bad Homburg und dem Jugendsinfonieorchester<br />
der Musikschule Lennetal, Schulzentrum Böddinghausen<br />
16. Juli: Irische Musik und heimische Chöre, Alter Markt;<br />
ab 16 Uhr Kinderprogramm an der Christuskirche<br />
21. Juli: Bürgerschoppen ab 18 Uhr, Alter Markt<br />
10. August: N.N.-Theater, Köln, „Ich fürchte nichts“ – aus<br />
dem Leben des Reformators Martin Luther, 19.30 Uhr,<br />
Alter Markt.<br />
Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei. Ausnahme<br />
Max und Moritz“ am 9. Juli. Karten zum Preis von acht<br />
Euro (Erwachsen) und vier Euro (Kinder) sind ab sofort in<br />
der Stadtbücherei und an der Rathaus-Info zu erhalten.<br />
23. Juli: Coverband „Diversion“ aus Iserlohn und Kindertheater,<br />
Alter Markt<br />
30. Juli: Polnische Folklore, Musik von den „Schluchtenkrachern“<br />
und Pantominetheater mit dem Quartett<br />
„Dekru“, Alter Markt<br />
6. August: „It’s Showtime“ mit Marie Giroux (Operettenund<br />
Musical-Melodien), Musik- und Jongliertheater „Duo<br />
Farfalle“, geplant: „Wolkenfabrik“, ein interaktives Kindermusikprogramm<br />
39
HAUPTSTRASSE WIRD ZUR<br />
AUTOMEILE<br />
Am 14. <strong>Mai</strong> Familiensonntag und Autoschau in der Meinerzhagener City<br />
Gute Zeiten für die Autobranche. Im März sind die Zulassungszahlen<br />
kräftig gestiegen. „Viele Kunden fragen nach<br />
SUVs“, sagt Elmar Weber vom Meinerzhagener Autohaus.<br />
Aber es gibt auch Schattenseiten. Die Diskussion um Dieselmotoren<br />
verunsichert die Kunden. Hat das E-Auto eine<br />
Zukunft? Und auch über die neuesten Modelle können<br />
sich Besucher und die Vertreter der Autohäuser beim Autofrühling<br />
am 14. <strong>Mai</strong> prima unterhalten.<br />
danach ein buntes Unterhaltungsprogramm. Mit von der<br />
Partie: Das Duo „Ich und Du“, bestehend aus Klaus Sonnabend<br />
und Christian Breddermann, der Young-Kampen-<br />
Posaunenchor, der Chor Mixt(o)ur und der Fanfarenzug<br />
Meinerzhagen. Die Meinerzhagener Schützenzüge servieren<br />
Speisen und Getränke, dazu kommt ein weiterer Imbisswagen.<br />
Am Mega-Markt wird zu Aktionen für Kinder<br />
eingeladen.<br />
Beste Voraussetzungen also für einen Familiensonntag mit<br />
buntem Programm in der Meinerzhagener City. „Das Konzept<br />
hat sich seit vielen Jahren bewährt“, sagt Marc Kostewitz,<br />
Marketingleiter der Volksbank. Das Institut ist seit<br />
vielen Jahren federführend bei der Veranstaltung, an der<br />
sich die fünf Automarken-Vertreter aus der Volmestadt<br />
und der Einzelhandel mit dem verkaufsoffenen Sonntag<br />
beteiligen. Der Familiensonntag bietet der Volksbank zudem<br />
einen Rahmen, ihren 100. Geburtstag auf besondere<br />
Art und Weise mit ihren Meinerzhagener Mitgliedern<br />
und Kunden zu feiern.<br />
Neben den Fahrzeugen an der Hauptstraße hat der Familiensonntag<br />
noch mehr zu bieten. Zur offiziellen Eröffnung<br />
schlägt Bürgermeister Jan Nesselrath vor der Bank<br />
ein Fass Bier an. Auf der Bühne am Pollmanns Eck läuft<br />
Einige Info-Stände runden das Programm ab. Unter anderem<br />
nutzt das Naturerlebnisgebiet Bigge/Lister die<br />
Chance für eine Präsentation: Vertreter des Zusammenschlusses<br />
kommen mit dem Info-Truck nach Meinerzhagen.<br />
Zudem werden die Figuren Jo, Naya und Ludwig aus<br />
der Kika-Serie „JoNaLu“ in der gesamten City unterwegs<br />
sein. „So wird der gesamte Bereich vom Mega-Markt bis<br />
zur Hauptstraße belebt“, freut sich Marc Kostewitz.<br />
Und auch der eine oder andere Einkauf lässt sich am 14.<br />
<strong>Mai</strong> erledigen oder noch schnell ein Geschenk zum Muttertag<br />
erstehen. Die Geschäfte haben an diesem Sonntag<br />
von 12 bis 17 Uhr geöffnet. Nicht selbstverständlich. „Angesichts<br />
der landesweiten Diskussionen um verkaufsoffene<br />
Sonntage sind wir froh, dass die Stadt mitgezogen<br />
hat“, sagt Jan Lienenkämper, Sprecher der Meinerzhagener<br />
Einzelhändler.<br />
(wt)<br />
40
17<br />
,<br />
Volksbank-FamilienTag<br />
14. <strong>Mai</strong> <strong>2017</strong><br />
12.00 - 17.00 UHR<br />
AUTOS, AUTOS, AUTOS...<br />
BUNTES KINDERPROGRAMM<br />
MUSIK UND GESANG<br />
SÜSSES UND DEFTIGES<br />
FLANIEREN UND SHOPPEN<br />
viele Aktionen von<br />
Meinerzhagener<br />
Vereinen<br />
Veranstalter:<br />
Volksbank im Märkischen Kreis eG, Veranstaltergemeinschaft Autoschau,<br />
in Kooperation Stadtmarketing Meinerzhagen e.V.
Tipp des Monats<br />
Fr., 19.5., ab 20 Uhr<br />
Vier-Täler-Rock, Livemusik mit<br />
Finest Fathers und Bronkobeat,<br />
Dahlmann-Saal, Lüdenscheid,<br />
Vvk (8 Euro): u.a. Buchhandlung<br />
Plettendorff, Umlauf 14,<br />
Plettenberg<br />
www.gaststaette-dahlmann.de<br />
<strong>Mai</strong> <strong>2017</strong><br />
1 Mo<br />
2 Di<br />
3 Mi<br />
18<br />
Fr., 5.5., 15.30 Uhr<br />
Fest zur Einweihung des Brüninghaus-Platzes<br />
und der Stadtspange in Werdohl<br />
www.werdohl.de<br />
4<br />
5<br />
6<br />
Do<br />
Fr<br />
Sa<br />
7<br />
So<br />
5.5. - 4.6.<br />
Musicalaufführungen „Der kleine Horrorladen“<br />
in der Balver Höhle<br />
Festspiele Balver Höhle<br />
www.balve.de<br />
Sa., 6.5., 14 Uhr<br />
2. Herscheider Familienfest „erst für die Kleinen,<br />
dann für die Großen“ u.a. mit Kinderliedermacher<br />
Herr H. und der Partyband Flashlight<br />
Veranstalter: Spiekus rockt<br />
www.herscheid.de<br />
So., 7.5., 11 - 18 Uhr<br />
Saisoneröffnung Luisenhütte in Balve, „Natur<br />
trifft Technik“, Familienfest u.a. mit Jagdhundevorführungen,<br />
Greifvogelschau, Frauenchor<br />
Garbeck<br />
www.balve.de<br />
Do., 11.5., 15 Uhr<br />
Eröffnung der Lennepromenade in Plbg.-Eiringhausen<br />
u.a. mit MGV Holthausen, Theaterspiel der Kita<br />
St. Johannes Bapt., Luftballonaktion Jugendzentrum,<br />
ab 18 Uhr Livemusik mit der Vier-Täler-Band<br />
www.plettenberg.de<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
12<br />
13<br />
14<br />
15<br />
16<br />
17<br />
18<br />
19<br />
20<br />
21<br />
22<br />
Mo<br />
Di<br />
Mi<br />
Do<br />
Fr<br />
Sa<br />
So<br />
Mo<br />
Di<br />
Mi<br />
Do<br />
Fr<br />
Sa<br />
So<br />
Mo<br />
19<br />
20<br />
21<br />
VERANSTALTUNGEN ### NICHTS WIE HIN!<br />
19. - 21.5.<br />
Schützenfest Landemert<br />
26. - 28.5.<br />
Schützenfest Oestertal<br />
23<br />
24<br />
25<br />
Di<br />
Mi<br />
Do<br />
Sa., 20.5., 15 Uhr<br />
17. Brückenbürger-Weinfest mit Winzern<br />
aus verschiedenen Regionen auf der<br />
Fußgängerbrücke Versevörde<br />
Veranstalter: Bürgerstammtisch Werdohl<br />
www.werdohl.de<br />
26<br />
27<br />
28<br />
29<br />
Fr<br />
Sa<br />
So<br />
Mo<br />
22<br />
So., 21.5., 10 Uhr<br />
Oldtimer-Frühschoppen der MSF Plettenberg<br />
am bzw. im Clubheim an der Wiesenstraße<br />
www.plettenberg.de<br />
30<br />
31<br />
Di<br />
Mi
<strong>Juni</strong> <strong>2017</strong><br />
Schützenfeste<br />
2. - 4.6. Hülschotten, 9. - 11.6. Lichtringhausen,<br />
17. - 19.6. Eisborn, 23. - 25.6. Küntrop,<br />
23. - 26.6. Plettenberger Schützengesellschaft,<br />
30.6. - 3.7. Werdohl<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
Do<br />
Fr<br />
Sa<br />
So<br />
Mo<br />
Di<br />
Mi<br />
23<br />
Sa., 3.6., ab 12 Uhr<br />
Werdohler Stadtfest mit Livemusik,<br />
Tanz und kulinarischen Genüssen in<br />
der Innenstadt<br />
www.werdohl.de<br />
So., 4.6., 13 Uhr<br />
Immecke-Rockfestival mit neun Bands und<br />
Stilmix von Punk bis Reggae, von Ska bis Metal<br />
auf dem Sägewerksgelände im Oestertal<br />
www.immecke-open-air.de<br />
8<br />
Do<br />
9<br />
10<br />
11<br />
Fr<br />
Sa<br />
So<br />
Fr., 9.6., 18 Uhr<br />
Benefizkonzert der Coverband<br />
Entspannungsminister in und<br />
zugunsten der Balver Höhle<br />
www.balve.de<br />
12<br />
13<br />
14<br />
15<br />
Mo<br />
Di<br />
Mi<br />
Do<br />
24<br />
Fr., 9.6., 8 - 16 Uhr<br />
11. Plettenberger Ausbildungsbörse in<br />
der Schützenhalle mit rd. 50 Ausstellern<br />
aus Plettenberg und Umgebung<br />
www.stadtmarketing-plettenberg.de<br />
16<br />
17<br />
18<br />
Fr<br />
Sa<br />
So<br />
So., 11.6., 17 Uhr<br />
Martin Luther: Hier steh‘ ich -<br />
500 Jahre Reformation, mit Hans Ballmann<br />
als Luther und Gerhard Strub an der Orgel<br />
Christuskirche Plettenberg<br />
19<br />
20<br />
21<br />
22<br />
Mo<br />
Di<br />
Mi<br />
Do<br />
25<br />
Mi., 14.6., 15 Uhr<br />
Seniorenspaß plus Sicherheit, u.a.<br />
mit dem Schlagerduo Judith und Mel,<br />
Seniorenveranstaltung von Stadt und Polizei<br />
Plettenberg<br />
Schützenhalle Plettenberg<br />
23<br />
24<br />
25<br />
26<br />
Fr<br />
Sa<br />
So<br />
Mo<br />
26<br />
Sa., 17.6., 20 Uhr<br />
Comedian Jörg Knör, Filou!<br />
Mit Show durchs Leben<br />
Rammberghalle Hüinghausen<br />
www.herscheid.de<br />
27<br />
Di<br />
Tipp des Monats<br />
28<br />
29<br />
30<br />
31<br />
Mi<br />
Do<br />
Fr<br />
18<br />
8.6. und 29.6., jew. 18 - 24 Uhr<br />
Donnerstags an der Lenne, Plettenberg goes<br />
Waterkant, auf der neuen Lennepromenade<br />
8.6. 80er/90er Party mit DJ Pierre<br />
29.6. Beachparty mit DJ Marc Kiss,<br />
Cocktails und Feuerwerk<br />
Bewirtung durch TuS Plettenberg und den<br />
Schützenverein Eiringhausen<br />
www.plettenberg.de
PAUKEN FÜR <strong>DAS</strong> MJO<br />
Durch Crowdfunding soll Schlagwerk des Jugendorchesters komplettiert werden<br />
Foto: Igor Karacic/Märkischer Kreis<br />
Eine gute Orchesterpauke kann bis zu 4000 Euro kosten<br />
und gut 100 Kilogramm wiegen. Das kann keiner alleine<br />
stemmen, weder finanziell noch kräftemäßig. Das<br />
Märkische Jugendsinfonieorchester (MJO) braucht gleich<br />
vier dieser Instrumente. Zwei sind schon vorhanden. Mit<br />
zwei zusätzlichen wäre das Schlagwerk komplett. Deshalb<br />
hat sich der Förderverein des Orchesters (Pro MJO)<br />
entschlossen, die Crowdfunding-Plattform der Volksbank<br />
im Märkischen Kreis zu nutzen.<br />
„Was einer nicht schafft, schaffen viele“, sagt Karl-Michael<br />
Dommes, Vorstandssprecher des märkischen Geldhauses.<br />
Der genossenschaftliche Ansatz funktioniert.<br />
Schon vor über 150 Jahren in den ersten Unterstützungsvereinen.<br />
Heute eben im Internet. Der Beweis: Bislang<br />
haben Vereine und Einrichtungen in der Region drei Projekte<br />
mit Hilfe der Volksbank erfolgreich abgeschlossen.<br />
Und auch das Projekt „Pauken für das MJO“ ist auf einem<br />
guten Weg. Die Finanzierungsphase ist angelaufen.<br />
Wenige Tage nach dem Start waren schon über 20<br />
Prozent des benötigten Betrags von 7300 Euro auf dem<br />
Projektkonto aufgelaufen. Bis zum 22. <strong>Juni</strong> können Spender<br />
noch ihren Beitrag leisten. Und die Volksbank hilft.<br />
Wer fünf Euro oder mehr gibt, löst automatisch eine zusätzliche<br />
Spende der Volksbank aus. Sie steuert dann<br />
zehn Euro dabei. „Schließlich wollen wir uns ja nicht<br />
aus der Unterstützung heimischer Vereine, Organisationen<br />
und Einrichtungen zurückziehen“, versichert Karl-<br />
Michael Dommes.<br />
Er steht voll hinter dem Projekt des Fördervereins und<br />
der jungen Musiker um Chefdirigent Thomas Grote und<br />
hofft, dass möglichst viele Förderer aktiv werden.<br />
„Sobald Pauken in einer Sinfoniebesetzung vorgesehen<br />
sind, werden mindestens vier benötigt“, erläutert Michelle<br />
Wolzenburg von Pro MJO. Bislang habe sich das<br />
Orchester die fehlenden zwei Schlagwerke von den<br />
Musik schulen im Kreis geliehen. „Es wäre ein ziemlicher<br />
Gewinn für das gesamte Orchester und das Dozententeam<br />
um Dirigent Thomas Grote, könnte der Kauf der<br />
Pauken durch Crowdfunding realisiert werden“, heißt es<br />
auf der Projektseite im Internet (viele-schaffen-mehr.de)<br />
Neue Pauken bedeuten für das MJO einen noch besseren<br />
Klang bei den regelmäßig stattfindenden Konzerten, somit<br />
hat jeder Unterstützer auch etwas von diesem Projekt.<br />
Zudem erhält er die Möglichkeit, vor dem Konzert<br />
des Orchesters am 2. September in Lüdenscheid an der<br />
Generalprobe teilzunehmen. Dann kann der Spender seine<br />
Pauken zum ersten Mal in Aktion erleben.<br />
Der Arbeitsaufwand für das Projekt halte sich „in Grenzen“,<br />
berichtet Michelle Wolzenburg. Der tägliche Blick<br />
auf die Seite bereite ihr immer wieder Freude. „Es ist<br />
schön zu sehen, dass immer wieder Unterstützer hinzukommen“,<br />
sagt sie. Volksbank-Chef Karl-Michael Dommes<br />
schmunzelt: „Was einer nicht schafft, das schaffen<br />
eben viele . . .“<br />
(wt)<br />
Ihr Bestatter aus der Vier-Täler-Stadt<br />
mit der historischen Kutsche<br />
Am Untertor 3 · 58840 Plettenberg<br />
Tel.: 02391 – 10109 · Mobil: 0172 – 2714860<br />
www.ralf-koenig-bestattungen.de<br />
44
<strong>Komplett</strong> lecker. Autor Detlef Schlüchtermann<br />
STUNDENLANGES ANSTEHEN<br />
FÜR EINEN DÖNER<br />
Fast 550 Kilometer trennen das <strong>Komplett</strong>-Gebiet von der<br />
Hauptstadt. Für einen spontanen Kurztrip etwas weit,<br />
aber mit günstigen Bahntickets (ab 19 Euro pro Strecke)<br />
ist auch der Sauerländer mit dem ICE über Hagen schon<br />
in knapp dreieinhalb Stunden in einer City, die kulinarisch<br />
derweil alle Grenzen sprengt. Von einfacher Hausmannskost<br />
bis zu erlesener Sternegastronomie mit viel Schnickschnack,<br />
von Schwaben über Georgien bis ins Laotische<br />
Hinterland - alle Küchen dieser Welt sind mittlerweile<br />
mit eigenen Restaurants vertreten. Eine kaum zu bewältigende<br />
Auswahl und Vielfalt. Mehr Wahl als Qual.<br />
Und das Schöne: Auch beim günstigen „Fast Food“,<br />
dem schnellen Imbiss auf die Hand, gibt’s immer bessere<br />
Qualität für kleines Geld. Ich hatte jetzt die Gelegenheit,<br />
einige Wochen in Berlin verbringen zu dürfen.<br />
Nach dem Burger-Hype im vergangenen Jahr, der ewig<br />
aktuellen Currywurst, die an der Spree von Herta Heuver<br />
1949 im Ortsteil Charlottenburg erfunden worden sein<br />
soll und zu deren Pilgerstätte Konnopkes Stand an der<br />
Eberswalder Straße unter den Gleisen der U2 avancierte,<br />
habe ich mich in den letzten Wochen mal mit einem<br />
Schnellgericht beschäftigt, das, man glaubt’s eigentlich<br />
kaum, auch in Berlin seinen Ursprung hat: Es ist der Döner,<br />
dessen Entstehung man eher am Bosporus wähnte.<br />
Klar, das drehende Grillfleisch wurde in der Türkei schon<br />
in grauer Vorzeit zubereitet, aber die Variante mit Salat<br />
und Saucen im Fladenbrot auf die Hand soll Anfang der<br />
70er Jahre erstmals in Berlin gereicht worden sein.<br />
Nun gut – „So‘n Döner ist doch nichts Besonderes“, mögen<br />
Sie vielleicht einwenden. „Den kriegste doch auch<br />
bei uns an jeder Ecke. Mit scharf und ohne.“ Auch das<br />
ist richtig. Wer sich allerdings in der Döner-Hauptstadt,<br />
wo es über 1000 Anbieter gibt, umschaut, ist überrascht<br />
vom Variationsreichtum.<br />
Da gibt es den Drehspieß mit Hammel- oder Lammfleisch<br />
(ursprüngliche Variante), mit Kalbfleisch (häufigste Form,<br />
aber dennoch mit sehr unterschiedlichen Qualitäten), als<br />
Hackfleisch-Döner, ausschließlich mit Geflügel, aber auch<br />
komplett mit Rindfleisch. Letzterer wird bei Imren am<br />
Neuköllner Rathaus, wo die Rind-Variante mit Lammfett<br />
überpinselt wird, gereicht. Der Laden, der mittlerweile<br />
einige Ableger aufweist, ist immer rappelvoll bis nachts<br />
um drei. Geschmacklich ein Döner der etwas anderen<br />
Art, etwas säuerlich, aber sehr pikant.<br />
Currywurst für Altkanzler Schröder<br />
Ausgesuchtes Kalbfleisch im Döner findet der Genießer<br />
bei Pamfilya am Leopoldplatz. Und weil hier die Qualität<br />
im Vordergrund steht, muss der Kunde auch 4,30 Euro<br />
berappen. Im Schnitt geht das Brot mit Fleischstückchen<br />
für drei Euro über die Berliner Theken. Auch für Döner<br />
in Bio-Qualität muss der Hungrige ein paar Cent mehr<br />
hinblättern. Es lohnt sich.<br />
Das Kurioseste, was die Hauptstadt in dieser Hinsicht zu<br />
bieten hat, ist ein kleiner Bauwagen am Mehringdamm.<br />
Mustafa hat es mit ihm mittlerweile geschafft, in fast jedem<br />
Reiseführer Erwähnung zu finden. So ist der Gemüsedönerstand<br />
für viele Touristen ein absolutes Muss. Mustafa<br />
verkauft lediglich Hähnchenfleisch und viel gebackenes<br />
Gemüse. Dazu gibt es als Krönung noch etwas salzigen<br />
Käse und einen Spritzer frische Zitrone oben drauf. Außerdem<br />
enthält Mustafas Döner noch eine geheime Zutat, die<br />
nicht verraten wird. Für Dönerpuristen mag das zwar nicht<br />
das Original sein, kommt aber beim Publikum umso besser<br />
an. Definitiv ein Döner der anderen Art. Und weil das<br />
so ist, bilden sich schon vormittags lange Schlangen, die<br />
zum frühen Abend oft Ausmaße annehmen, bei denen<br />
man Hungrigen dringend vom Besuch abraten möchte.<br />
„Sind fast 2 Stunden angestanden. Irre! Aber soooo gut.<br />
Obwohl ich eher zu Fleisch tendiere, habe ich das Vegetarische<br />
Kebab genommen. Es gibt leider nirgendwo etwas<br />
Vergleichbares“, schwärmt im Netz einer der Geduldigen.<br />
Hier wird Schlangestehen zum Kult. Selbst mittags sind<br />
90 Minuten Wartezeit keine Ausnahme. Wer nur ne halbe<br />
Stunde Mittagszeit hat, muss sich halt nebenan mit<br />
einer Currywurst begnügen. Da lockt das Curry 36, wo<br />
schon Altkanzler Schröder einen würdigen Ersatz für die<br />
Tofufrikadellen seiner Hillu gefunden hat, mit kürzeren<br />
Wartezeiten . . .<br />
Wohl bekomm‘s!<br />
45
Text Wolfgang Teipel<br />
CRISTIN KOCHT EIN<br />
Fotos Martin Büdenbender<br />
KÜSTENMENÜ AM LENNESTRAND<br />
<strong>Komplett</strong>-Dinner nach Rezepten aus der „Weissen Düne“ auf Norderney<br />
46<br />
Ein Menü ist eine Mahlzeit aus mehreren Speisen, die<br />
nacheinander gegessen werden. Das klingt sehr nüchtern.<br />
Muss aber nicht sein. Das <strong>Komplett</strong>-Dinner bei<br />
Cristin war ein Erlebnis - und das nicht nur für den Geschmackssinn.<br />
Es passte einfach alles.<br />
Wir treffen uns an einem Dienstagabend in Cristins schön<br />
eingerichteter Wohnung in Plettenberg. Der Tisch ist<br />
schon gedeckt. Das sieht nach viel Arbeit aus. Und so ist<br />
es auch. Die Gastgeberin wirbelt durch ihre Küche. Trotz<br />
sorgfältiger Vorbereitung ist noch jede Menge zu tun.<br />
Es duftet und die Oliventapenade aus Oliven, Knoblauch<br />
und getrockneten Tomaten lockt. Wir lassen die Gastgeberin<br />
einen Moment zur Ruhe kommen. Schließlich beschäftigt<br />
sie sich schon seit zwei Tagen mit ihrer „Küstenküche<br />
à la Norderney“. Sechs schmackhafte Gänge<br />
sollen wir genießen.<br />
Die Serviettenringe aus Papier zeigen, wer ihre Leidenschaft<br />
für die feine Küche geweckt hat. „Weisse Düne<br />
Norderney“ – in dem Strandrestaurant und Feinschmeckerlokal<br />
hat sie mal ausgeholfen und kehrt immer wieder<br />
gern auf diese ostfriesische Insel zurück. „Dort habe<br />
ich Freunde gefunden“, sagt die 38-Jährige. Und die<br />
Freude am eleganten Gaumenkitzel. Stolz zeigt sie das<br />
Koch-Bilder-Buch der „Weissen Düne“. Aus diesem Buch<br />
stammen die Gerichte, mit denen sie für einen Abend<br />
die Küstenküche an den Lennestrand holt.<br />
Gar-Kontrolle via App<br />
So. Die Oliventapenade ist verputzt. Jetzt wird die<br />
Möhren-Ingwersuppe mit Meersalzschinken-Chips aufgetischt.<br />
Ein Gedicht. Das fruchtige Süppchen mit der<br />
herzhaften Einlage. Die ist nicht ohne. Cristin berichtet<br />
von den Vorbereitungen: „Die Chips müssen sechs<br />
Stunden lang bei 70 Grad im Backofen garen.“ Wer hat<br />
so viel Zeit? Sie auf jeden Fall nicht. Die Köchin hat neben<br />
ihrem Beruf als Kunst- und Politiklehrerin immer<br />
noch jede Menge zu tun und so wurde der Garprozess<br />
mit einer Videokamera überwacht. Sie konnte das<br />
Schauspiel in ihrem Backofen jederzeit und von jedem<br />
Ort aus per Smartphone beobachten. So gelingen perfekte<br />
Gerichte sogar aus der Ferne.<br />
Was gibt’s noch? Surfersalad mit gebratenem Putensteak<br />
in Mandelpanade an Ananas-Chilli-Dressing. Da muss die<br />
Gastgeberin live die Pfanne schwingen. Immer dezent<br />
im Hintergrund. Perfekter Service darf eben nicht aufdringlich<br />
sein. Das passt zu der 38-Jährigen. Sie liebt es,<br />
mit Menschen ins Gespräch zu kommen. „Nur in der Küche<br />
stehen: Das wäre nicht mein Traumjob“, sagt sie.<br />
Leidenschaft für Kochen und Bewirten<br />
Der unmittelbare Kontakt zu den Gästen ist ihr wichtig.<br />
Und deshalb hat sie in der Vergangenheit ab und an zur<br />
Aushilfe gekellnert. Die Leidenschaft fürs Kochen und<br />
Bewirten ist geblieben. Ein Glück für alle, die von der<br />
Plettenberger Hobbyköchin mal privat zum Essen eingeladen<br />
werden.
Rezept: Spaghetti<br />
Nordernara<br />
Jetzt aber wieder an den Herd. Die Spaghetti für den<br />
nächsten Gang müssen ins Kochwasser. „Spaghetti Nordernara<br />
mit Speck, Krabben und frischem Schnittlauch“<br />
stehen auf der Menüfolge. Wie so oft bei der kreativen<br />
Frau wird das Originalrezept etwas verfeinert. Sie mischt<br />
Zucchini-Spiralen unter die Nudeln. „Dann ist es nicht so<br />
mächtig.“ Stimmt.<br />
Ich verputze gleich zwei Portionen. Bei meinen Tafelgenossen<br />
breitet sich langsam ein wohliges Völlegefühl<br />
aus. Aber halt! Zum Dessert gibt’s ja noch Vanilleeis mit<br />
steirischem Kürbiskernöl und Kürbiskrokant. Ein Gaumenschmeichler<br />
par excellence. Warum eigentlich steirisches<br />
Öl in der Küstenküche? „Der Koch aus der Weissen Düne<br />
sagt: Es ist das beste“, berichtet die Gastgeberin. Für das<br />
<strong>Komplett</strong>-Dinner scheint das Beste gerade gut genug.<br />
Jetzt wartet nur noch „Großmutters Gedeck“. Der Eierlikör<br />
schimmert verführerisch im Glas. Wenig später steigt<br />
auch ein aromatischer Duft aus den Espresso-Tassen auf.<br />
Auch Großmutter wusste schon, was gut ist. Und Cristin<br />
weiß es eben auch. Dass die Gastgeberin zwischen den<br />
Gängen den Abwasch erledigt und dabei viermal das<br />
Spülwasser gewechselt hat, das hat keiner bemerkt. Gutes<br />
Essen fesselt eben alle Sinne.<br />
Quelle: Küstenküche, Weisse Düne Norderney,<br />
erschienen 2009 im Küstenküche Verlag, Bremen<br />
Für alle, die mal Küstenküche à la „Weisse Düne“<br />
nachkochen wollen, hier das Rezept für die „Spaghetti<br />
Nordernara mit Speck, Krabben und frischem<br />
Schnittlauch:<br />
Zutaten: 500 Gramm Spaghetti, Salz, 100 Gramm<br />
Kochschinken, 100 Gramm gewürfelter Schinkenspeck,<br />
Sonnenblumenöl, 400 ml Sahne, 150 Gramm<br />
frische Nordseekrabben, vier Eigelb, grob gemahlener<br />
Pfeffer und frischer Schnittlauch.<br />
Zubereitung: Die Spaghetti nach Verpackungsangabe<br />
in Salzwasser al dente kochen. Den Kochschinken<br />
würfen. Diesen mit dem Schinkenspeck in wenig<br />
Sonnenblumenöl anschwitzen und mit der Sahne<br />
ablöschen. Danach die Krabben zugeben. Eiweiß und<br />
Eigelb trennen. Jetzt die Spaghetti mit Eigelb abbinden.<br />
Da Speck und Krabben schon Salz mitbringen,<br />
erst jetzt mit Pfeffer und Salz abschmecken. Das Gericht<br />
auf tiefen Tellern anrichten und mit gewaschenem,<br />
fein geschnittenem Schnittlauch bestreuen. Je<br />
eine Dillrispe einstecken. Schon fertig.<br />
Tipp: Sie können das Gericht nach Belieben mit weiteren<br />
frischen Kräutern verfeinern.<br />
47
STERNEKOCH DENIS FEIX<br />
Ein Werdohler erobert die Gourmet-Welt<br />
von Martin Büdenbender<br />
Noch einen Vorteil hat die neue Wirkungsstätte: 630 Kilometer<br />
waren es von Werdohl bis Bad Griesbach, nach<br />
Stuttgart sind es nur 400 Kilometer. Familienbesuche im<br />
Sauerland sind jetzt weniger aufwändig. Hier, im kleinen<br />
Werdohl, hat er sich eigentlich immer wohl gefühlt.<br />
„Man lebt mitten in der Natur, hat alles, was man<br />
braucht“, erinnert er sich an eine schöne Kindheit. Aufgewachsen<br />
ist er mit zwei Geschwistern. Zusammen mit<br />
Freunden wurde nach der Schule gekickt. Tischtennis und<br />
Tennis waren seine Hobbys. Besonders an die Urlaube<br />
mit seiner Familie denkt er gerne zurück. „Freunde meiner<br />
Eltern besaßen ein Hotel an der Nordsee, die haben<br />
wir jedes Jahr besucht.“<br />
Kennen Sie Denis Feix? Na sicher, werden die Werdohler<br />
sagen, der ist doch hier aufgewachsen. Aber klar, erinnern<br />
sich viele Neuenrader gerne, der hat doch im Kaisergarten<br />
seine Ausbildung zum Koch gemacht.<br />
Das ist nun alles schon ein paar Jahre her, ziemlich genau<br />
zwei Jahrzehnte. Als knapp 20-Jährigen zog es Denis Feix<br />
1995 nach seinen Lehrjahren in die weite Welt der internationalen<br />
Kochkünste. Ein Jungkoch, der aufbrach Karriere<br />
zu machen. Das ist dem gebürtigen Werdohler mehr<br />
als gut gelungen. Mit zwei Michelin-Sternen war das Il<br />
Giardino im Columbia Hotels & Resorts in Bad Griesbach<br />
ausgezeichnet, in dem er bis 2016 zehn Jahre lang gewirkt<br />
hatte. Aktuell gibt es in Deutschland gerade einmal<br />
zehn Restaurants mit drei und 38 mit zwei Sternen.<br />
Küchenchef in der Zirbelstube in Stuttgart<br />
Wer Denis Feix´ Kochkünste genießen möchte, muss seit<br />
diesem Jahr nach Stuttgart fahren. Im Januar wurde er im<br />
Althoff Hotel am Schlossgarten als neuer Küchendirektor<br />
begrüßt und leitet dort eines der schönsten Stuttgarter<br />
Restaurants, die Zirbelstube. Die ist aktuell im Michelin<br />
mit einem Stern ausgezeichnet. Die beiden Sterne, die<br />
Denis Feix in Bad Griesbach erarbeitet hatte, durfte er<br />
nicht mit nach Stuttgart nehmen. „Sterne, Punkte, Pfannen,<br />
Mützen - diese Auszeichnungen gehören immer<br />
zum Restaurant und nicht zum Koch. Von daher müssen<br />
wir auch in Stuttgart unser Bestes geben. Die Auszeichnungen<br />
werden in jedem Jahr, in jedem Restaurant neu<br />
vergeben“, erklärt er zuversichtlich. Keine Frage, Denis<br />
Feix stellt sich der neuen Aufgabe gerne und nimmt die<br />
Herausforderung an.<br />
Schon als Jugendlicher<br />
von Gastronomie fasziniert<br />
Aber mehr als Sonne, Sand und Strand hat den Werdohler<br />
Jungen damals der Hotelbetrieb interessiert. Dieses<br />
emsige Treiben, das Ein und Aus von Gästen, das Stimmengewirr<br />
an der Rezeption, das Geklapper von Geschirr,<br />
der Geruch von gutem Essen, all das faszinierte<br />
ihn und ließ den Wunsch aufkommen, dort selbst mitzumischen.<br />
Der kleine Denis durfte: „Zuerst habe ich im Service ausgeholfen,<br />
es war immerhin im Sommer Hochsaison. Aber<br />
bald durfte ich auch in der Küche helfen. Diese frühen<br />
Erlebnisse haben mich geprägt und darin bestärkt, den<br />
Beruf des Kochs zu ergreifen. Mein Stiefvater fuhr zudem<br />
immer mit einem gewissen roten Buch im Auto spazieren.<br />
Es war nicht immer die aktuellste <strong>Ausgabe</strong>, doch<br />
wir reisten sehr häufig nach den Empfehlungen des Buches.<br />
Von daher war mir klar, dass ich auch gerne in einem<br />
Sterne-Restaurant kochen wollte.“<br />
Das rote Buch, gemeint ist der Guide Michelin, von vielen<br />
als ultimativer Reiseführer durch die besten Küchen<br />
Europas betrachtet, erscheint seit 1900 in Frankreich und<br />
seit 1910 als deutschsprachige <strong>Ausgabe</strong> für Deutschland<br />
und die Schweiz. Wer zu den Auserwählten zählen will,<br />
die in der Gourmet-Bibel nachzuschlagen sind, muss sich<br />
anspruchsvollen Prüfungen unterziehen. 85 Kritiker besuchen<br />
im Auftrag des Guide Michelin europaweit fast<br />
4000 Restaurants und 5000 Hotels, und das in regelmäßigen<br />
Abständen von maximal 18 Monaten. Bewertungskriterien<br />
für die Michelin-Sterne sind die gleichbleibende<br />
Qualität der Zutaten und deren Frische, ihre<br />
48
fachgerechte Zubereitung, die Harmonie der geschmacklichen<br />
Verbindung sowie die Innovation und Einzigartigkeit<br />
der Gerichte, die sich in Kreativität und persönlicher<br />
Note widerspiegelt. Da gibt es keinen Spielraum, in Qualität<br />
und Anspruch nachzulassen.<br />
Mit Fleiß allein hätte es der Werdohler nicht so weit gebracht.<br />
Was ist sein Erfolgsrezept?<br />
• Eine gutes Stück Beharrlichkeit: Denis Feix beschreibt<br />
sich selbst als einen Menschen, „der zweimal überlegt,<br />
bevor er sich entscheidet“, der aber, wenn er<br />
sich einmal entschieden hat, beharrlich seinen<br />
Weg geht. „Auch wenn etwas nicht<br />
gleich funktioniert, gebe ich nicht sofort<br />
auf.“<br />
• Eine ordentliche Portion Glück, das<br />
„Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort<br />
zu sein“ und auf die richtigen Förderer und<br />
Weggefährten zu treffen. „Alle Stationen und<br />
Personen auf meinem Weg haben mich geprägt. Angefangen<br />
von der Schule über die sehr fundierte Ausbildung<br />
zum Koch im „Kaisergarten“ in Neuenrade, bis<br />
hin zu den Stationen bei Dieter Müller, Joachim Wissler,<br />
Christian Bau, Thomas Bühner und Berthold Büh-<br />
Michelin-Stern ist Auszeichnung<br />
und Belastung<br />
So ehrenvoll die Vergabe eines Michelin-Sterns auch<br />
ist, viele Meisterköche empfinden ihn nicht nur als Auszeichnung,<br />
sondern auch als Belastung. Starkoch Christian<br />
Rach schloss 2011 sein Tafelhaus und gab seinen<br />
Stern zurück. Er wollte „keine 80 Stunden die Woche arbeiten“<br />
und widmete sich lieber seiner TV-Karriere. Spitzenkoch<br />
Jörg Müller verzichtet auf den Stern, den sein<br />
Restaurant auf Sylt mehr als 25 Jahre tragen durfte, weil<br />
ihm die Belastung zu viel wurde. Marcel Schiefer, 2012<br />
mit 25 Jahren Deutschlands jüngster Sternekoch, hat seinen<br />
Stern zurückgegeben, um mehr Zeit seiner Familie<br />
widmen zu können.<br />
Nicht so Denis Feix. Vom Gault Millau wurde er 2007 als<br />
Entdeckung des Jahres gefeiert und im gleichen Jahr erhielt<br />
das Il Giardino seinen ersten Michelin-Stern. Für Denis<br />
Feix war das ein zusätzlicher Ansporn. Und der wurde<br />
belohnt. 2013 gab es den zweiten Stern.<br />
In den Schoß sind ihm die Sterne nicht gefallen. Ohne<br />
Fleiß keinen Preis. Das weiß er nur zu gut: „Man sollte<br />
schon eine gute Portion Ehrgeiz und Disziplin mitbringen,<br />
wenn man etwas erreichen möchte. Das ist in allen<br />
Branchen so.“ Für Denis Feix galt das nicht immer.<br />
„In der Schule war ich so lala“, gesteht er. Das änderte<br />
sich erst in der weiterführenden Schule und in der Ausbildungszeit.<br />
Denis Feix‘ Erfolgsrezept<br />
ler.“<br />
• Eine Prise Talent: „Ob ich Talent habe, weiß ich nicht,<br />
wie kann man das messen? Manchmal hat man sofort<br />
eine gute Idee und ein anderes Mal dauert es einfach<br />
länger mit der Kreativität.“<br />
• Eine Ehefrau, die mitzieht: „Ich muss immer wieder<br />
feststellen, dass Partnerschaften in der Gastronomie,<br />
auch nur unter Gastronomen funktionieren. Das gilt<br />
vom Wirtshaus bis zum Gourmetrestaurant. Vor allem<br />
die Arbeitszeiten und die Flexibilität und Bereitschaft<br />
für Mehrarbeit stellt die Partnerschaft auf eine harte<br />
Probe. Wenn der Partner dann kein Verständnis dafür<br />
zeigt, wird es schwierig.“ Kathrin Feix war als Sommelière<br />
und Restaurantleiterin ein fester Bestandteil des<br />
Il Giardino und 2016 sogar zur „Oberkellnerin des Jahres<br />
2016“ gewählt worden. Sie ist selbstverständlich<br />
mit nach Stuttgart gewechselt. Sie ist als Chefsommelière<br />
tätig, sowohl für die Zirbelstube als auch für die<br />
geplante Neukonzeptionierung in der Vinothek des Luxushotels<br />
direkt am Bahnhof in Stuttgart.<br />
49
„MUSIK GIBT MIR DIE KRAFT,<br />
DIE ICH BRAUCHE“<br />
Im Gespräch mit Tlako Mokgadi -<br />
Lehrer, Musiker und Komödiant<br />
von Iris Kannenberg<br />
Ja, sie waren nicht nur Bauingenieur<br />
und Wirtschaftswissenschaftlerin,<br />
sondern auch mit<br />
Leib und Seele Musiker. Meine<br />
Mutter war Sängerin und mein<br />
Vater Percussionist. Immer zusammen<br />
als Duo oder in Bands.<br />
Das hat ihnen Kraft gegeben und<br />
Lebensfreude.<br />
50<br />
Tlako Mokgadi ist ein Multitalent. Er ist Musiker, Lehrer,<br />
Schauspieler, Komödiant, Texter, Komponist und Philosoph.<br />
Dazu hat er Sozialpädagogik studiert. Er lebt mit<br />
seiner Lebensgefährtin Ulrike Wagner und ihrem gemeinsamen<br />
Sohn in Altena, ist aber im ganzen Sauerland<br />
und darüber hinaus bekannt. Und ständig unterwegs.<br />
Ich nenne ihn im Stillen und manchmal auch laut<br />
„das Herz auf zwei Beinen“. Ihn nicht zu mögen, ist eigentlich<br />
unmöglich. Man möchte ihm irgendwie gleich<br />
sein ganzes Leben erzählen. Viele tun das auch. Er hat<br />
etwas Väterliches, Tröstendes an sich und ganz viel von<br />
dieser besonderen Herzenswärme, die die Welt so dringend<br />
braucht.<br />
Tlako, wie kommt jemand, der aussieht wie frisch aus<br />
Jamaika importiert dazu, im Sauerland seine Zelte aufzuschlagen?<br />
Meine Eltern stammen ursprünglich aus Südafrika und<br />
mussten unter dem Apartheidsystem nach der Gefangennahme<br />
von Nelson Mandela 1962 nach Deutschland<br />
emigrieren. Hier haben sie dann geheiratet. Ich selbst<br />
wurde in München geboren. Die beiden waren Akademiker,<br />
die es aber hier als Migranten sehr schwer hatten,<br />
Arbeit zu finden. Sie sind deswegen oft umgezogen,<br />
quasi einmal quer durch Westdeutschland. Wir haben<br />
erst in München, dann in Heidelberg und sechs Jahre in<br />
Aachen gewohnt, wo ich meine Grundschulzeit verbrachte.<br />
Dann zogen wir nach Dortmund, wo ich 25 Jahre meines<br />
Lebens verbracht habe. Von Dortmund ins Sauerland<br />
ist dann ja nur noch ein Katzensprung.<br />
Haben Deine Eltern Dich sehr geprägt?<br />
Die sie anscheinend an Dich<br />
weitergegeben haben…<br />
Ja, das ist richtig. Mein Bruder<br />
und ich sind mit Musik aufgewachsen. Da wir wenig<br />
Geld hatten und uns teuren Musikunterricht nicht leisten<br />
konnten, haben wir uns Gitarre spielen selbst beigebracht.<br />
Meine erste Gitarre hatten meine Eltern bei einer<br />
Tombola gewonnen. Schon als Kinder haben wir uns<br />
aus Waschmitteltonnen Trommeln gebastelt und um die<br />
Wette getrommelt. Meine Eltern gründeten mit uns dann<br />
eine richtige Band und wir spielten bald quer durch die<br />
Republik überall, wo man uns hören wollte. Ich war 16<br />
Jahre, als diese Band-Zeit begann. Wir haben oft die Ferien<br />
genutzt, auch für Auslandsauftritte.<br />
Du hast Abitur gemacht und später studiert?<br />
Ja, das habe ich. Sozialpädagogik. Ich mag halt Menschen,<br />
sie haben mich immer interessiert. Sozialpädagogik<br />
lässt sich sehr gut mit Musik verbinden. So kommt<br />
es, dass ich bis heute immer auch als Lehrer tätig bin.<br />
Ich habe die Möglichkeit, Musik zu machen, aber auch<br />
ganz normal mein Geld zu verdienen. Durch meine erste<br />
richtige Stelle nach meinem Studium, nämlich in einer<br />
Suchtklinik, bin ich übrigens nach Altena gekommen.<br />
Schon damals als Musikpädagoge, der mit suchtkranken<br />
Menschen arbeitete und ihnen durch die Musik zu<br />
einem neuen, besseren Selbstbild verhelfen durfte. Die<br />
Arbeit in der Suchtklinik war erfolgreich, mein Angebot<br />
an die Patienten wurde gern und begeistert angenommen.<br />
Und hat mir gezeigt, dass meine Entscheidung, in<br />
meiner Ausbildung zweigleisig zu fahren, richtig war.<br />
Gleichzeitig bin ich so nach und nach in die Kinder– und<br />
Jugendarbeit hineingerutscht. Es sprach sich in Altena<br />
herum, dass ich ein engagierter Musiklehrer bin. Und so
kam eines zum anderen. Mittlerweile arbeite ich als Musikpädagoge<br />
an der Plettenberger Zeppelinschule und im<br />
zugehörigen Berufsorientierungszentrum KBOP. Daneben<br />
bin ich Musiklehrer in Lüdenscheid und bei der Musikschule<br />
Cofidatio in Plettenberg, habe eine eigene Musikschule<br />
in Altena und veranstalte regelmäßig Workshops<br />
in Werdohl. Also der volle MK-Rundumschlag. (lacht)<br />
Mir macht die Arbeit mit den Jugendlichen und Kindern<br />
einfach riesigen Spaß. Zu sehen, wie sie sich zu eigenständigen<br />
Persönlichkeiten entwickeln und teilweise<br />
richtig gute Musiker werden, das ist schon ein besonderes<br />
Geschenk für mich.<br />
Du trittst ja auch ständig als Musiker auf und produzierst<br />
parallel dazu immer mal wieder eine eigene CD.<br />
Ja, ich trete sehr gern auf. Musik machen gibt mir große<br />
Energie, lässt mich innerlich gesund und ausgeglichen<br />
sein. Musik zu machen, ist für mich nie wirklich anstrengend,<br />
sondern gibt mir Kraft und Stärke da zurück, wo<br />
ein manchmal anstrengender Alltag sie verbraucht. Ich<br />
bin mit Leib und Seele Musiker. So mache ich mit meiner<br />
Band „Tlakomania“ schwerpunktmäßig Reggae, spiele<br />
eigene Stücke gemischt mit Covermusik. In meiner<br />
Band „Funcascade“ trete ich gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin<br />
Ulrike auf, die Sängerin und Erzieherin ist.<br />
Zudem toure ich mit den „Black & White Showbrothers“<br />
durchs Land, einer Show, in der ich mich als Funk&Soul-<br />
Musiker mit meinem Rock&Pop-Bruder auf sehr witzige<br />
Art battle. Und zwar einmal quer durch die jüngere<br />
Musikgeschichte. Damit sind wir im Moment wirklich<br />
erfolgreich unterwegs. Ich nenne das, was wir da dem<br />
Zuschauer bieten „Unterhaltung mit Haltung“. Als Comedians<br />
holen wir die Menschen aus dem Stress des Alltags<br />
heraus und haben die Möglichkeit, die aktuellen politischen<br />
Themen zu platzieren, ohne dass es zu platt wirkt.<br />
Ein Spaß, der zum Nachdenken anregt.<br />
Du bietest in Werdohl seit März Workshops an, die<br />
in dieser Art neu sind. Was ist das Besondere daran?<br />
Wenn man von einem Ort zum anderen will und ein<br />
Berg liegt dazwischen, hat man meistens genau zwei<br />
Möglichkeiten: Man nimmt den langen beschwerlichen<br />
Weg über den Berg. An dem wird man vielleicht sogar<br />
scheitern und nie ans Ziel kommen. Oder man geht geradewegs<br />
durch den Tunnel durch den Berg hindurch.<br />
Wählt also den kurzen, schnellen Weg. Und hat noch jede<br />
Menge Puste auf der anderen Seite. Das ist bildlich gesprochen<br />
das Prinzip, das ich Menschen beibringe, die<br />
ein Instrument erlernen wollen. Der lange Weg ist der<br />
über den Berg: Musikschule, Lehrer, üben, üben, üben<br />
und am Schluss vielleicht nie wieder ein Instrument in<br />
die Hand nehmen, weil man trotz des vielen Übens wenig<br />
Erfolg hat. Ich biete meinen Schülern den Tunnel an:<br />
Ich habe eine Methode entwickelt, mit der man bereits<br />
nach zwei Tagen in der Lage ist, ein Instrument zu spielen.<br />
Weil man das Prinzip dahinter verstanden hat. Das<br />
klingt jetzt ungewöhnlich, vielleicht sogar unwahrscheinlich,<br />
aber es funktioniert. Ich habe ungefähr zehn Jahre<br />
gebraucht, um dieses Konzept auszuarbeiten und hiebund<br />
stichfest zu machen. Wenn man es einmal verstanden<br />
hat, kann man sehr schnell Erfolge erzielen. Das Instrument<br />
wird zum Freund statt zum Feind, mit dem man<br />
kämpfen muss. Meine Workshops finden im Restaurant<br />
Culo del Mondo in Werdohl statt. Hier bekommt man an<br />
nur einem Wochenende das Grundlagenwissen, um mit<br />
dem Gitarre spielen sofort zu starten oder bereits bestehende<br />
Kenntnis innerhalb kürzester Zeit um ein Vielfaches<br />
zu erweitern.<br />
Hast Du eigentlich einen Schwerpunkt in Deiner Arbeit?<br />
Bist Du eher Musik-Lehrer oder eher Live-Musiker<br />
oder vielleicht doch als Erstes Comedian?<br />
Alle diese Aspekte meines Lebens als Künstler und Lehrer<br />
sind ausgewogen. Lehren ist in erster Linie Beziehungsarbeit.<br />
Herauszufinden, was der einzelne Schüler<br />
braucht, damit er im Leben weiter kommt, macht<br />
mir Spaß und lässt mich diese Arbeit wertschätzen. Aber<br />
man muss dabei viel geben, laugt manchmal aus, muss<br />
sich seine Energie, die man gibt, auch wieder holen.<br />
Dazu ist die Musik für mich da, die Bühne, die Auftritte<br />
vor Publikum. Das gibt mir die Kraft, die ich brauche, um<br />
dann wieder etwas geben zu können. Ich führe ein ausgewogenes,<br />
gutes Leben. Und wertschätze beides, Lehrer<br />
zu sein UND Künstler auf der Bühne.<br />
Info über die Gitarrenkurse von Tlako Mokgadi:<br />
www.up2do.de<br />
51
VON EINEM,<br />
DER AUSZOG,<br />
<strong>DAS</strong>S LEBEN<br />
ZU LERNEN<br />
Michael Klute - kein Sauerländer,<br />
wie er im Buche steht<br />
von Martin Büdenbender<br />
52<br />
Der Sauerländer an und für sich sei, so sagt man, bodenständig,<br />
traditionsverbunden und zudem nicht gerade<br />
redselig. Michael Klute, vor einem halben Jahrhundert<br />
in Sundern-Allendorf geboren, aufgewachsen<br />
mit sieben Geschwistern auf dem elterlichen Hof, ist<br />
so gesehen aus der Art geschlagen. Der Geschichtenerzähler<br />
und Musikant ist jahrelang durch ganz Europa<br />
gereist.<br />
Die spannendste Geschichte, die er erzählen kann, ist<br />
die seines eigenen Lebens. Dabei ist es nicht nur die<br />
Art und Weise, wie er sie erzählt - der Mundwerker,<br />
wie er sich selber nennt, versteht sein Handwerk -,<br />
sondern vor allem, was er erzählt. Auf seiner langen<br />
Reise - man kann auch sagen, auf seiner ganz persönlichen<br />
Walz - hat er sich von allem gelöst, was den<br />
Menschen schlechthin Halt und Sicherheit bedeutet,<br />
hat sich und sein Leben auf das wirklich Existenzielle<br />
beschränkt, um so schließlich zu sich selbst zu finden.<br />
Wenn er von seinen Erlebnissen und Erfahrungen<br />
erzählt, die er auf dieser langen Reise gemacht<br />
hat, dann werden bei den Zuhörern Bilder und Träume<br />
geweckt, dann stellt man Vergleiche mit seinem<br />
eigenen Leben an, bedauert vielleicht, es nicht genauso<br />
getan zu haben, oder fühlt sich bestätigt, davon<br />
geträumt, es aber besser nicht getan zu haben.<br />
Schon mit 25 Jahren hat es Michael Klute in die weite<br />
Welt getrieben. „Schon“ ist das falsche Wort, besser<br />
sollte man sagen: „Erst“. Denn geträumt hatte<br />
er davon schon lange. Wie wohl die meisten heranwachsenden<br />
Menschen verspürte er ein heftiges<br />
Verlangen, eine Sehnsucht nach Freiheit und Ungebundenheit,<br />
weg von dem, was ein geregeltes Leben<br />
darstellt, weg von starren Vorgaben, Verpflichtungen,<br />
Regeln und Gesetzen.<br />
Doch „zunächst nahm auch bei mir alles seinen geregelten<br />
Verlauf“, erzählt Michael Klute. Schule, Ausbildung,<br />
dann der Beruf, eben so, wie es die Eltern von<br />
ihm erwarteten. „Doch immer wieder habe ich mich<br />
in diesen Jahren gefragt: Das kann doch nicht alles<br />
sein, was das Leben für dich bereit hält? Alles ist so<br />
eingefahren und vorgegeben.“ Mit Anfang 20 schien<br />
sein Leben schon verplant. Seinen Beruf als physikalisch-technischer<br />
Assistent konnte er da kaum noch<br />
ertragen. Er suchte nach einer Alternative, die ihm<br />
mehr Sinn versprach. Goldschmied vielleicht, „weil<br />
ich dachte, das ist kreativer“, oder Medizintechniker,<br />
„weil ich dachte, da tut man etwas Gutes“, oder noch<br />
besser Umweltschutztechniker. Dazu ließ er sich dann<br />
ausbilden, stellte aber schnell fest, „dass man damit<br />
nicht automatisch ein Greenpeace-Aktivist ist“.<br />
Damals fiel ihm ein Zeitungsausschnitt in die Hände,<br />
der über einen jungen Mann berichtete, der nach Spanien<br />
aufbrach und dort zu Fuß durchs Land ziehend<br />
sein Glück suchte und fand. „Der Bericht hat mich berührt<br />
und ich habe mir gesagt: Wenn du so lebst, gibst<br />
du dem lieben Gott eine Chance, Schicksal zu spielen.“<br />
Reise ins Ungewisse<br />
Mit Mitte Zwanzig brach Michael Klute mit seinem bisherigen<br />
Leben und startete nur mit einem Rucksack<br />
auf den Schultern auf in Richtung Süden. „Selbst das<br />
wenige, was ich dabei hatte, erschien mir noch zu<br />
viel. Als ich meine letzten Groschen für eine Pizza aus-
gegeben hatte, empfand ich das wie eine Befreiung.“<br />
Es war eine Reise ins Ungewisse, ein Weg um zu sich<br />
selbst zu finden, an dessen Anfang „ich zwar ziemlich<br />
genau wusste, was ich nicht wollte, aber noch keine<br />
Vorstellung hatte, was ich wollte“.<br />
Jahrelang lebte der Allendorfer von der Hand in den<br />
Mund, frei von allen Zwängen, aber nicht frei von der<br />
Sorge um das tägliche Brot. „Mit Betteln habe ich es<br />
daher versucht.“ Er geriet dabei an die falschen Leute,<br />
machte die Erfahrung, dass auch Bettler ihre eigenen<br />
Regeln haben und oft Gewalt und Brutalität die<br />
Gesetze schreiben. „Doch ich wollte mir keine Regeln<br />
aufzwingen lassen und zog von nun alleine, nur begleitet<br />
von meinen beiden Hunden, als Landstreicher<br />
durch die Lande.“<br />
Allein mit sich und der Natur, Zeit für meditative Momente<br />
und immer wieder Begegnungen mit Menschen,<br />
die es gut mit ihm meinten. Dieser Lebensabschnitt<br />
hat Michael Klute besonders geprägt. „Ich<br />
habe in den Dörfern um Essen und Trinken gefragt und<br />
meine Arbeitskraft angeboten. Und wenn man feststellte,<br />
der ist ja gar nicht betrunken, sondern fröhlich,<br />
ehrlich und packt auch an, dann kam ich schnell<br />
ins Geschäft.“ Nicht immer hatte er das Glück, Obdach<br />
und etwas zu Essen zu erhalten. „Es gab auch kalte,<br />
nasse Nächte, in denen ich fürchterlich gefroren und<br />
gehungert und mit meinem Schicksal gehadert habe.“<br />
Trotzdem, die schönen Seiten des Lebens in Gottvertrauen<br />
überwogen. Am Ende eines Tages hat er sich<br />
oft ein kleines Feuer gemacht, Tee gekocht und dann<br />
auf seiner Flöte gespielt. „Die Dorfkinder waren davon<br />
begeistert. Ich kam mir manchmal vor, wie der<br />
Rattenfänger von Hameln.“ Aber nicht nur die Herzen<br />
seiner jungen Zuhörer hat er mit seiner Musik berührt.<br />
„Dabei waren es nicht einmal richtige Lieder, sonder<br />
ganze einfache Melodien, die mir so in den Sinn kamen.“<br />
Musik als Herzensöffner. „Wo man singt, da<br />
lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine<br />
Lieder“, zitiert Klute den deutschen Dichter Johann<br />
Gottfried Seume.<br />
Fortan hat er sein Talent bewusst eingesetzt. Als Straßenmusiker<br />
die Menschen glücklich machen, das war<br />
sein Ding. Und Geschichten erzählen, so spannend<br />
und lebendig, dass ihm seine Zuhörer gebannt an den<br />
Lippen hängen, das konnte und wollte er. Jetzt bekam<br />
alles einen Sinn: „Die ganzen Dinge, die vielen schönen<br />
aber auch die leidvollen, hätte ich sie nicht erlebt,<br />
was hätte ich zu erzählen gehabt?“<br />
„Mundwerker“ und „SchuhputzHerr“<br />
Im Laufe seiner Wanderschaft hat es ihn irgendwann<br />
ins bayerische Eging verschlagen. Dort, so hatte man<br />
ihm nach einem seiner Auftritte mit auf dem Weg gegeben,<br />
wartet man auf jemanden wie dich. Eging am<br />
See ist bekannt für seinen Freizeitpark „Pullman City“.<br />
„Eine Westernstadt mitten im Grünen gelegen, da<br />
passte ich tatsächlich hin“, erinnert sich Klute schmunzelnd.<br />
Mit Rauschebart und Schlapphut, seinen Hunden<br />
und einem Muli an<br />
seiner Seite, mit denen<br />
er zu dieser Zeit durchs<br />
Land zog, sah er aus<br />
wie ein Goldgräber. Er<br />
lebte bereits das, was<br />
die Akteure in Pullman<br />
City nur spielten. Dort<br />
bekam man schnell<br />
mit, dass der seltsame<br />
Kauz nicht nur<br />
zum Stall ausmisten<br />
taugt, sondern<br />
viel mehr auf dem<br />
Kasten hat. Aus einem<br />
kurzen Vorbeischauen<br />
wurde<br />
ein längerer Aufenthalt<br />
und Michael Klute<br />
nach und nach<br />
immer mehr Bestandteil<br />
der Shows.<br />
Mit Unterbrechungen ist<br />
Michael Klute seitdem<br />
Jahr für Jahr in den Sommermonaten<br />
in Pullman<br />
City zu erleben. Daneben<br />
hat er sich ein zweites<br />
Standbein als „Mundwerker“ aufgebaut. Vor allem<br />
in den Wintermonaten tritt er unter diesen Namen im<br />
Sauerland auf. Wer auf seiner Homepage (www.michael-klute.de)<br />
nachliest, erfährt dort, dass es neben<br />
dem Mundwerker Michael Klute aber auch den „Tanzpuppenbauer“<br />
und den „SchuhputzHerr“ gibt. Schuhe<br />
putzen als Kunst oder Event, auf diese Idee muss<br />
man erst mal kommen ...<br />
53
von Bernhard Schlütter<br />
KLEINSTADTARTISTEN MISCHEN<br />
DIE KNEIPENMUSIKSZENE AUF<br />
Band aus Neuenrade spielt Covermusik 2.0 - Idee: ein Festival nur mit lokalen Bands<br />
54<br />
Mit Discorock und Partypunk mischen fünf Musiker<br />
aus Neuenrade, Altena, Wiblingwerde und Arnsberg<br />
seit einiger Zeit die (Kneipen-) Musikszene der Sauerländer<br />
Kleinstädte auf. Folgerichtig haben sich Andreas<br />
Reinecke alias Don Reini, Markus Weigel, Rouven<br />
Himmen, Patrick Hain und Kevin Gosmann den Bandnamen<br />
„Kleinstadtartisten“ gegeben. Erst seit Ende<br />
2015 gemeinsam musikalisch unterwegs, haben sie<br />
sich bereits eine beachtliche Fanbase erspielt. Zuletzt<br />
sorgten sie beim Kneipenfestival Altena By Night für<br />
ein volles Haus im Hardy’s.<br />
„Wir spielen Covermusik von Wirtz über Blur bis hin<br />
zu den Sportfreunden Stiller“, sagt Don Reini, Sänger<br />
und mit 38 Jahren der Senior der Kleinstadtartisten.<br />
Er, die beiden Gitarristen Markus (24) und Kevin (23),<br />
Bassist Patrick (27) und Drummer Kevin (23) haben<br />
über das Internet zueinander gefunden. Zuvor haben<br />
die Jungs in verschiedenen Schülerbands erste Erfahrungen<br />
gesammelt. Don Reini sang in der Plettenberger<br />
Band Servant Quarters.<br />
Ihr Repertoire haben die fünf Männer in „einem hochbürokratischen<br />
Verfahren“ zusammengestellt. „Jeder<br />
hat Vorschläge aufgeschrieben. Dann haben wir abgestimmt“,<br />
erzählt Patrick. Mit einem Secret Gig im<br />
Proberaum und einem Guerilla-Konzert vor dem Neuenrader<br />
Hagebaumarkt starteten die Kleinstadtartisten<br />
ihre Bandkarriere. Inzwischen haben sie dreimal bei<br />
Altena By Night gespielt und sind am 13. Juli zu Gast<br />
im Soundgarten im Sauerlandpark in Hemer.<br />
Und sie haben schon eine beachtliche Fangemeinde,<br />
„weil wir das richtige Set haben“, sind sie überzeugt.<br />
„Wir spielen Festivalmusik, gerne auch B-Seiten<br />
und holen die Leute auch mit unserer Action auf
der Bühne ab. Was wir machen, ist Cover 2.0“, behauptet<br />
Don Reini.<br />
Ein etwa zweistündiges Programm hat die Band zurzeit<br />
auf der Pfanne und arbeitet an weiteren Stücken.<br />
„Wenn wir die ersten 25 Stücke richtig stehen haben,<br />
wollen wir vielleicht auch mal was Eigenes machen“,<br />
überlegen die Artisten.<br />
Die Kleinstadtartisten haben ihren Proberaum in Neuenrade.<br />
Ein öffentliches Heimspiel ist ihnen aber noch<br />
nicht gelungen. „Wir kriegen’s irgendwie nicht hin“,<br />
meint Don Reini und bedauert: „Es mangelt nicht nur<br />
in Neuenrade, sondern in der kompletten Region an<br />
Auftrittsmöglichkeiten.“ Und wenn mal Angebote<br />
kommen, sei die finanzielle Vorstellung weltfremd.<br />
„Für 200 Euro einen Abend lang spielen, das geht<br />
auch nicht.“ So zehn bis zwölf Auftritte pro Jahr - „gerne<br />
auch auf privaten Partys“ - wären das Wunschziel.<br />
Eine Möglichkeit sieht Don Reini in Eigeninitiativen<br />
von Bands. „Es gibt ja einige gute Bands in Plettenberg,<br />
Werdohl, Neuenrade, Altena und Umgebung.<br />
Wenn die was zusammen machen würden, wäre das<br />
Risiko eigentlich gering.“ Don Reini hat in der Zeit zwischen<br />
1996 und 2000 mit einigen Freunden als Mamba-Team<br />
größere Partys in Plettenberg veranstaltet.<br />
Aus dieser Erfahrung heraus könnte er sich vorstellen,<br />
eine Veranstaltung mit Livemusik von lokalen Bands<br />
zu organisieren. Das wäre sicher eine gute Ergänzung<br />
zu bestehenden Festivals wie Immecke Open Air in<br />
Plettenberg und Rumotripot in Küntrop.<br />
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Plaudern und Musik hören<br />
im Sound-Garten<br />
In den Sommermonaten ist donnerstags Soundgarten-Zeit<br />
im Sauerlandpark Hemer. Vom 11. <strong>Mai</strong> bis<br />
zum 31. August treffen sich Freunde, Verwandte,<br />
Familien, Kumpels, Musikliebhaber, Sonnenanbeter,<br />
Männer, Frauen, Kinder im größten Biergarten<br />
der Region. Das Konzept ist einfach: hingehen, hinsetzen,<br />
plaudern und Musik hören. Nicht mehr und<br />
nicht weniger wird den Besuchern nach einer harten<br />
Arbeitswoche abverlangt. Mit dem Soundgarten<br />
hat der Sauerlandpark abseits seiner XXL-Veranstaltungen<br />
ein Konzept geschaffen, das auch in diesem<br />
Jahr viele tolle Stimmen, herausragende Musiker<br />
und teils einzigartige Stile auf der Kaja-Bühne vereint.<br />
Los geht’s immer donnerstags um 19.30 Uhr<br />
im Biergarten am Restaurant ZwanzigZehn.<br />
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55
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DAMPF IST<br />
VIEL MEHR<br />
ALS HEISSE LUFT:<br />
WÄRMETRÄGER UND<br />
ENERGIESPARER<br />
Mit der Entwicklung der Dampfmaschine nahm<br />
die industrielle Revolution so richtig Fahrt auf.<br />
Die Energie des in Dampfkesseln erzeugten<br />
Wasserdampfes wurde als Antriebskraft für<br />
Maschinen genutzt. Vor diesem Hintergrund<br />
gründete Heinrich Achenbach im Jahr 1890<br />
eine Kesselschmiede in Ohle. Seit nunmehr<br />
über 125 Jahren steht der Name Achenbach<br />
für Dampfkessel-Kompetenz.<br />
Bis 1987 wurden bei Achenbach & Sohn<br />
Dampfkessel gefertigt. Höchste Qualität in<br />
der Dampfkessel-Produktion lautete die<br />
Maxime im Familienunternehmen. „Hiervon<br />
zeugen etliche Achenbach-Dampfkessel, die<br />
noch heute mit hohen Wirkungsgraden in<br />
Betrieb sind“, berichtet Diplom-Wirtschaftsingenieur<br />
Hein Achenbach. Der Urenkel des Firmengründers rief<br />
1987 die Achenbach GmbH ins Leben. Im Firmensitz<br />
am Stübel in Ohle konzentriert sich ein hoch<br />
spezialisiertes Team aus Technikern und Ingenieuren<br />
auf die Konstruktionen von Dampfkesseln und die<br />
damit verbundene Anlagentechnik, wie zum Beispiel<br />
die Wasseraufbereitung. „Entwicklung, Lieferung,<br />
Installation, Optimierung und Wartung, das alles<br />
bieten wir aus einer Hand“, erklärt Marco Neubauer,<br />
zusammen mit Hein Achenbach Geschäftsführer der<br />
Achenbach GmbH. Mit ihrem Engineering-Team wollen<br />
sie im Segment Energieanlagen und Umwelttechnik<br />
mit innovativer Dampfkessel-, Abhitzekessel- und<br />
Wasseraufbereitungs-Technologie Vorbild sein.<br />
Vereinfacht erklärt, wird in einem Dampfkessel<br />
Wasserdampf unter erhöhtem Druck erzeugt. So<br />
entstehen Temperaturen deutlich oberhalb des<br />
Siedegrads von 100 Grad Celsius. Dieses Prinzip macht<br />
sich auch der Schnellkochtopf zunutze, den wir aus<br />
unserem Alltag kennen.<br />
Während in einem Schnellkochtopf üblicherweise etwa<br />
Text Iris Kannenberg<br />
Fotos Isabel Siliakus<br />
Achenbach GmbH in Ohle entwickelt<br />
Dampfkesselanlagen nach Maß -<br />
Kompetenz seit mehr als 125 Jahren<br />
0,8 bar Überdruck herrschen, womit die Siedetemperatur<br />
auf etwa 116 Grad Celsius erhöht wird, erreichen die<br />
Großwasserraumkessel, die Achenbachs Kernkompetenz<br />
sind, bis zu 30 bar Überdruck korrespondierend mit<br />
Siedetemperaturen von bis zu 235 Grad Celsius und<br />
Verdampfung bis 30.000 Liter je Stunde (entspricht<br />
20.000 kW).<br />
In der Industrie wird Dampf heute vor allem als<br />
Wärmeträger und zur Einsparung von Energie<br />
genutzt. Dies geschieht bei modernen Kesselanlagen<br />
durch die Nutzung von Abwärme, die bei vielen<br />
industriellen Prozessen entsteht, oder aus Biogas nach<br />
Blockheizkraftwerken und Schadstoffverbrennungen. Im<br />
Abhitzekessel wird die Prozesswärme wieder ins System<br />
zurückgeführt und werden somit Primärenergieträger<br />
wie Gas, Öl oder Strom eingespart. „Solche Anlagen<br />
rechnen sich manchmal bereits innerhalb weniger<br />
Monate“, sagt Marco Neubauer.<br />
Achenbach entwickelt vornehmlich Industriekessel<br />
der Bauart Großwasserraumkessel, die wegen des<br />
enthaltenen Flammrohrs auch Flammrohrkessel genannt<br />
werden. Anders als beim Wasserrohrkessel wird dabei<br />
Rauchgas in Rohren geführt.<br />
56
perfekte Lösung: Mietkessel. „Unsere<br />
erfahrenen Monteure installieren bei<br />
Ihnen für Übergangszeiten neue oder<br />
gebrauchte Dampfkessel gemäß Ihrem<br />
Bedarf und stehen Ihnen mit Rat und<br />
Tat zur Seite, wenn es um TÜV-Zulassungen<br />
oder andere Fragestellungen<br />
rund um Dampfkessel-Anlagen geht“,<br />
verspricht Marco Neubauer.<br />
Achenbach GmbH<br />
Am Stübel 26, 58840 Plettenberg<br />
Tel 02391 9591-0<br />
service@achenbach-dampf.de<br />
www.achenbach-dampf.de<br />
Eine weitere energiesparende und umweltschonende<br />
Lösung können Hybridkessel darstellen.<br />
Diese Dampfkessel eignen sich zur stetigen<br />
Dampferzeugung aus Prozesswärme, wenn diese<br />
nicht kontinuierlich verfügbar ist. Fällt der Abgasstrom<br />
aus oder reicht bei Spitzenlast nicht aus,<br />
übernimmt automatisch der durch Öl oder Gas<br />
befeuerte Teil die Dampferzeugung bzw. steuert<br />
die Spitzenlast zu. Dadurch wird ein zweiter<br />
Kessel als Reserve nicht benötigt, die Anlage<br />
ist preisgünstiger und hat eine längere Lebensdauer.<br />
Der Dampfspezialist aus Ohle liefert komplette<br />
Systeme für Kesselhäuser von der Wasseraufbereitung<br />
über den mit Gas oder Öl befeuerten<br />
Dampfkessel bis zum Economiser. Die<br />
Wasseraufbereitung ist notwendig. Damit werden<br />
Kesselsteinbeläge vermieden, damit der<br />
Wärmedurchgang optimal ist und der maximale<br />
Wirkungsgrad der Dampf- und Abhitzekessel-<br />
Technik erreicht wird. Und auch der Economiser<br />
hat wichtige Funktion: Er ist der Speisewasseraufbereitung<br />
nachgeschaltet und ermöglicht die<br />
zusätzliche Verwertung der Abwärme. Erst der<br />
Economiser macht die Restwärme nutzbar und<br />
erhöht den Wirkungsgrad nochmals erheblich.<br />
Abgastemperaturen knapp oberhalb der Kondensation<br />
werden erreicht.<br />
Falls kein Kesselhaus vorhanden sein sollte, ist<br />
eine Containerbauweise möglich. Und auch für<br />
einen kurzfristigen Bedarf hat Achenbach die<br />
57
58<br />
„DIE MEDIZIN WIRD BESSER<br />
UND <strong>DAS</strong> ESSEN AUCH“<br />
Geschäftsführer Andreas Martin erläutert Zukunftspläne für das Plettenberger<br />
Krankenhaus - Verkauf an Radprax soll im Sommer über die Bühne gehen<br />
Die Wuppertaler Radprax Gruppe<br />
wird das Krankenhaus Plettenberg<br />
mit an 100 Prozent grenzender<br />
Wahrscheinlichkeit übernehmen.<br />
Die Weichen dafür sind gestellt,<br />
denn zum einen hat die zur Radprax<br />
gehörende Die Med GmbH<br />
im Dezember 2016 die Anteile der<br />
Mendritzki Holding erworben, zum<br />
anderen hat der Rat der Stadt Plettenberg<br />
im März die Absicht bekräftigt,<br />
die städtischen Anteile<br />
am Krankenhaus an Radprax veräußern<br />
zu wollen. Am 15. Dezember<br />
2016 hat Radprax-Gesellschafter<br />
Andreas Martin zusammen mit<br />
Barbara Teichmann, ebenfalls aus<br />
dem Hause Radprax, die Geschäftsführung<br />
übernommen. Das zeitigt<br />
schon nach kurzer Zeit erste Erfolge.<br />
Es herrsche eine positive Aufbruchstimmung,<br />
lässt die Belegschaft<br />
des Krankenhauses verlauten.<br />
Im Gespräch mit dem <strong>Komplett</strong>-Magazin<br />
beschreibt Andreas Martin die<br />
Zukunftspläne für das Plettenberger<br />
Krankenhaus.<br />
Wann wird das<br />
Krankenhaus verkauft?<br />
Vor der Veräußerung des Krankenhauses<br />
müssen noch formale Auflagen<br />
der Kommunalaufsicht<br />
abgearbeitet werden.<br />
Derzeit wird<br />
von zwei unabhängigen<br />
Wirtschaftsprüfern<br />
die Bilanz<br />
2016 des Krankenhauses<br />
geprüft.<br />
Im Anschluss daran<br />
wird ein weiterer<br />
Wirtschaftsprüfer damit beauftragt,<br />
ein Verkehrswertgutachten zu<br />
erstellen. Das Gutachten soll voraussichtlich<br />
Mitte <strong>Juni</strong> vorliegen. Daher<br />
rechnet Andreas Martin damit, dass<br />
im Sommer der Handel perfekt gemacht<br />
wird.<br />
Warum kauft die Radprax<br />
Gruppe ein Krankenhaus?<br />
von Bernhard Schlütter<br />
Das hat rechtliche Gründe. Radprax<br />
ist ein Medizinisches Versorgungszentrum<br />
(MVZ) und darf als<br />
solches nur an andere niedergelassene<br />
Ärzte oder an Krankenhäuser<br />
bzw. Krankenhausgruppen veräußert<br />
werden. „Wir sind als eines<br />
der größten MVZ im radiologischen<br />
Bereich in Deutschland praktisch<br />
nicht mehr veräußerbar an junge<br />
Kollegen“, stellt Andreas Martin<br />
fest. Durch die Verknüpfung des<br />
MVZ mit einem Krankenhaus können<br />
in Zukunft auch Nichtmediziner<br />
als Gesellschafter eintreten. Darüber<br />
hinaus möchte Radprax auf Dauer<br />
mit den Krankenkassen Modellprojekte<br />
im ambulant-stationären Bereich<br />
machen, die dann auch in anderen<br />
Bereichen der Radprax-MVZ<br />
genutzt werden können. „Wir wollen<br />
hier im Krankenhaus gute Medizin<br />
machen, um dann auch unseren<br />
MVZ neue Impulse geben zu können.<br />
Die MVZ bleiben unser Wachstumsbereich.“<br />
Auf jeden Fall meint<br />
es Radprax ernst mit dem Erhalt<br />
des Krankenhauses. „Wir hängen<br />
uns mit Gedeih und Verderb an das<br />
Krankenhaus, denn das MVZ wird<br />
Tochtergesellschaft. Wenn das Krankenhaus<br />
den Bach runtergehen sollte,<br />
können wir auch das MVZ nicht<br />
mehr halten.“<br />
Warum Plettenberg?<br />
Radprax hat eine Reihe von Krankenhäusern<br />
ins Kalkül gezogen.<br />
Für Plettenberg sprechen vor allem<br />
drei Gründe: „1. Das Krankenhaus<br />
hat ein sehr gutes Personal, in<br />
dem viel Potenzial steckt und das<br />
offen für Neuerungen ist. 2. Wir haben<br />
für dieses Haus und diese Region<br />
die richtigen Fachspezialisierungen,<br />
die wir brauchen. 3. Ich<br />
kenne keine Stadt in Deutschland,<br />
in der ein Krankenhaus eine derartige<br />
Verankerung in der Bevölkerung<br />
hat wie in Plettenberg. Dass<br />
der größte Verein von Plettenberg<br />
der Krankenhaus-Förderverein ist<br />
mit rund 1700 Mitgliedern, das ist<br />
gigantisch. Man kann wirklich von<br />
einem Bürger-Krankenhaus sprechen.<br />
Das heißt: Wir haben hier ein<br />
inhaltlich gut orientiertes, mit sehr<br />
gutem fachlichen Personal versehenes<br />
Krankenhaus, das alle Potenziale<br />
hat, sich zu entwickeln.“<br />
Was wird Radprax im<br />
Krankenhaus verändern?<br />
Die kompletten Abläufe werden neu<br />
geordnet. Diese seien bisher „katas-
trophal“ gewesen, hat Andreas Martin<br />
festgestellt. „Die Prozesse greifen<br />
nicht ineinander. Es wird gute<br />
Medizin gemacht, aber es mangelt<br />
an Kommunikation.“ Genau diese<br />
Mängel geben Radprax aber die<br />
Gewissheit, dass Luft nach oben ist.<br />
„Wenn hier alles optimal liefe und<br />
dennoch rote Zahlen geschrieben<br />
würden, hätten wir ja keine Chance.“<br />
So aber geht Andreas Martin<br />
die Sache selbstbewusst und zuversichtlich<br />
an: „Unsere Absicht ist, mit<br />
demselben Personal so viele Patienten<br />
zu behandeln, dass wir in drei<br />
Jahren die Wende schaffen und mit<br />
schwarzen Zahlen arbeiten.“ Dafür<br />
wird auch die Zusammenarbeit mit<br />
den niedergelassenen Ärzten intensiviert.<br />
„Wir können das. Unser Tagesgeschäft<br />
im MVZ ist es, auf Ärzte<br />
zuzugehen, damit die uns Patienten<br />
schicken. Im Krankenhaus ist das<br />
genauso. Wir Radiologen haben immer<br />
mit allen Fachrichtungen reden<br />
müssen. Wir sind in der Kommunikation<br />
geübt und tun uns leicht, mit<br />
anderen Ärzten zu reden.“<br />
Was werden die<br />
Patienten bemerken?<br />
„Die Medizin läuft flüssiger und wird<br />
auch noch besser durch die verbesserten<br />
Abläufe.“ Dass es nach der<br />
stationären Aufnahme zwei bis drei<br />
Tage dauert, ehe die Behandlung<br />
richtig in Gang kommt, soll nicht<br />
mehr vorkommen. Und: Das Essen<br />
wird besser. „Im nächsten Jahr werden<br />
wir eine neue Küche haben“,<br />
kündigt Andreas Martin an. Dort<br />
wird dann auch das Essen für die<br />
Bewohner des Seniorenzentrums<br />
zubereitet. Ebenso sei die Belieferung<br />
von Kindergärten und anderen<br />
Einrichtungen möglich.<br />
und einer Zuversicht gewichen, die<br />
aus der engen und vertrauensvollen<br />
Zusammenarbeit der Geschäftsführung<br />
mit allen Mitarbeitern und<br />
Abteilungen in Pflege und ärztlichem<br />
Dienst resultieren“, bilanzierten<br />
Vertreter/-innen der Belegschaft<br />
die ersten 100 Tage der<br />
neuen Geschäftsführung. Der offene<br />
und transparente Umgang miteinander<br />
motiviere zu zusätzlicher Leistung<br />
und noch mehr Engagement<br />
und wecke Zuversicht auf eine positive<br />
wirtschaftliche Entwicklung. Für<br />
die Mitarbeiter sei wichtig, „dass<br />
der persönliche und familiäre Charakter<br />
des Krankenhauses mit dem<br />
hervorragenden medizinischen Angebot<br />
und bester Pflege nicht nur<br />
erhalten bleibt, sondern mit Hilfe<br />
von Radprax die Option erhält, sich<br />
zu erweitern und auszubauen“.<br />
Was passiert mit dem<br />
Förderverein?<br />
Bis zum Ende dieses Jahres hat die<br />
Gemeinnützige GmbH Bestand und<br />
kann damit der Förderverein sein<br />
Engagement fortsetzen. „Unser Bestreben<br />
ist, die Gemeinnützigkeit<br />
für bestimmte Aufgabenbereiche<br />
zu erhalten“, sagt Andreas Martin.<br />
Dazu könnte die Küche gehören<br />
oder die niederschwellige nachstationäre<br />
Pflege. So könnten der<br />
Förderverein, aber auch die Mendritzki-<br />
und die Friedrich-Wilhelm-<br />
Berges-Stiftung weiter eingebunden<br />
werden.<br />
Andreas Martin (68) ist Facharzt<br />
für Radiologie. Den Grundstein<br />
zur Radprax Gruppe legte er 1987<br />
zusammen mit Dr. Heiner Steffens<br />
(65), ebenfalls Facharzt für<br />
Radiologie. Aus zwei Einzelpraxen<br />
wurde die Radprax Gruppe. Heute<br />
ist sie ein Verbund von MVZ und<br />
Praxen für Radiologie, Kardiologie,<br />
Strahlentherapie und Nuklearmedizin.<br />
Info: www.radprax.de<br />
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Was sagen die Mitarbeiter?<br />
„Die anfängliche Unsicherheit ist<br />
mittlerweile einem Optimismus<br />
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59
DIE TÜR ZUM ABENTEUER<br />
ÖFFNET SICH IN HÜTTEBRÜCHEN<br />
Auf Potts Bauernhof ist alles ein bisschen anders<br />
Von Martin Büdenbender<br />
Paris hat den Eiffelturm, Athen die Akropolis, Dresden<br />
die Semperoper, Köln den Dom und Sundern hat ein „Am<br />
Vieh Theater“.<br />
Das kennen Sie nicht? Zugegeben, es liegt ein bisschen<br />
abseits, irgendwo zwischen Plettenberg und Sundern,<br />
eingebettet zwischen Kuhwiesen und Wäldern. Wenn<br />
man dem Wegweiser auf Potts Bauernhof trauen darf,<br />
liegt es ziemlich genau im Wegekreuz zwischen Linsengericht,<br />
Himmelreich, Faulebutter, Hölle und Sorgenlos.<br />
Um die Angelegenheit aufzuklären: Mit dem „Am Vieh<br />
Theater“ ist Potts Kuh-und Pferdestall in Sundern-Hüttebrüchen<br />
gemeint und der ist mit dem Wohnhaus,<br />
der großen Reithalle sowie diversen anderen Stallungen,<br />
Silos, Hütten,Wiesen und Weiden der Lebensmittelpunkt<br />
für einen Vier-Generationen-Haushalt. Jonas Müskens<br />
stellt die Großfamilie vor: „Da sind zunächst einmal<br />
Großonkel und Großtante Anton und Gerlinde Freiburg-<br />
Pott (aha, daher Name des Hofs), dann meinen Eltern<br />
Hans-Günter und Ingrid Müskens, meine Frau Leonie und<br />
schließlich unser Töchterchen Mila Carlotta.“<br />
Der kreative Kopf des landwirtschaftlichen Unternehmens<br />
ist übrigens Ingrid Müskens. Der Name „Am Vieh<br />
Theater“ ist, um im ländlichen Sprachbild zu bleiben,<br />
ebenso auf ihrem Mist gewachsen, wie die „Tür zum<br />
Abenteuer“, die am Hof-Eingang auf die Besucher wartet<br />
(alternativ darf man aber auch den etwas komfortableren<br />
„Langweilerweg“ nehmen), die Stiefmütterchen<br />
in der alten Kuchenform, das Windspiel aus Omas altem<br />
Essbesteck und die gekonnt auf die Außenwand des Stalles<br />
gemalte Hühneridylle.<br />
Ein Wohnmobil für die Hühner<br />
Überhaupt, auf Hühner trifft man auf Potts Bauernhof<br />
fast überall: Hühner aus Beton auf der Terrasse, Hühner<br />
aus Holz im Regal, als Serviettenhalter im großen<br />
Fest- und Veranstaltungsraum, als Tonfigur vor der Veranda<br />
und natürlich „ganz in echt“ auf der grünen Wiese.<br />
Ja, Sie haben richtig gehört, nicht im Stall, sondern<br />
auf der Wiese. Denn bei Potts haben die Hühner Ausgang<br />
und laufen, wie andernorts die Kühe oder Schafe,<br />
auf der grünen Wiese herum. Einen weiten Weg in<br />
den Stall hat das liebe Federvieh dennoch nicht zurück<br />
zu legen. Ihr komfortables Nachtlager haben Potts Hühner<br />
immer gleich dabei. Es dürfte weit und breit der einzige<br />
mobile Hühnerstall sein. Haben die Hühner einem<br />
Wiesenstück mit ihrem emsigen Gepicke genug zugesetzt,<br />
zieht die Karawane nebst ihrem Zuhause einfach<br />
ein paar hundert Meter weiter. „So ermöglichen wir nicht<br />
nur den Hühnern immer frisches Gras, sondern schonen<br />
auch den Boden vor Überdüngung und Krankheitserregern“,<br />
erklärt Leonie Müskens.<br />
Praktisch ist so ein Wohnmobil fürs Federvieh.<br />
60
Würdevoller Umgang<br />
mit den Tieren<br />
Das <strong>Komplett</strong>-Magazin durfte den mobilen Hühnerstall<br />
genauer in Augenschein nehmen, was in Anbetracht von<br />
250 lauthals gackernden Legehennen gar nicht so einfach<br />
ist. Ein ewiges Rein und Raus ist das jedenfalls in,<br />
unter dem und rund um das Hühnermobil. Draußen nach<br />
Herzenslust herumpicken und nach Futter suchen,<br />
zwischendurch gerne auch ein Sonnenbad,<br />
und drinnen dann ein Nickerchen oder ab<br />
und an laut gackernd ein Ei gelegt, so lässt es<br />
sich leben. „Ich wollt ich wär‘ ein Huhn, dann<br />
braucht ich nichts zu tun, ich legte jeden Tag<br />
ein Ei und sonntags auch mal zwei.“ „Das ist<br />
etwas übertrieben“, lacht Jonas Müskens. „Unsere<br />
250 Hühner legen pro Tag 200 bis 210<br />
Eier.“<br />
Die frisch gelegten Eier vertreiben die Müskens<br />
direkt. Ein Teil geht an ausgewählte Einzelhändler<br />
und an die Offene Ganztagsschule<br />
im nahe gelegenen Allendorf, ein weiteres<br />
Kontingent wird zu Eiernudeln verarbeitet. Der<br />
weitaus größte Teil der Eier steht in der kleinen<br />
Selbstbedienungshütte neben der Hofeinfahrt<br />
für Selbstabholer bereit. Auch ein Teil<br />
der Wurst- und Fleischwaren wird so an den<br />
Mann und die Frau gebracht. Auf Potts Bauernhof<br />
hat nämlich neben der Mutterkuh-Haltung<br />
eine kleine Rindermast Platz gefunden.<br />
Bei einem Metzger in der Nachbarschaft wird<br />
alle vier bis sechs Wochen geschlachtet, das<br />
Fleisch in Pakete verpackt und verkauft. Da ist<br />
dann alles drin, was so ein Rind hergibt. Wer<br />
jedoch nur das Feinste haben will, ist bei Potts<br />
nicht an der richtigen Adresse. „Ein Rind besteht<br />
schließlich nicht nur aus Filet“, erklärt Jonas<br />
Müskens.<br />
Er und seine junge Frau haben sich<br />
viele Gedanken über die Haltung der<br />
Nutztiere gemacht. Sie betonen, wie<br />
wichtig ihnen ein würdevoller Umgang<br />
mit den Tieren ist. Die artgerechte<br />
Haltung entspricht ihrer Auffassung<br />
von umweltfreundlicher<br />
Landwirtschaft, eine Auffassung, an<br />
der sie Besucher des Hofes gerne Anteil<br />
nehmen lassen. Vor allem den<br />
kleinen Gästen wollen sie das Leben<br />
mit und von den Tieren auf einem<br />
Bauernhof nahebringen. Mit der Ausrichtung<br />
von Kindergeburtstagen, mit Ferienprogramm-<br />
Angeboten, und Aktionen für Schulklassen oder Kindergärten<br />
hat sich Potts Bauernhof ebenso einen Namen<br />
gemacht, wie mit dem Reitunterricht in der 2004 erbauten<br />
Reithalle.<br />
61
Speziell das Angebot für die vielen kleinen Pferdeliebhaber<br />
möchte Leonie Müskens erweitern. Die gelernte<br />
Erzieherin lässt sich gerade zur Reitpädagogin und Fachkraft<br />
für tiergestützte Intervention weiterbilden. Damit<br />
ist keine alternativmedizinische Therapie mit Hilfe von<br />
Tieren gemeint, obwohl allein der Umgang mit Tieren<br />
therapeutische Wirkung haben kann. Im Mittelpunkt der<br />
Arbeit der tiergestützten Intervention steht vielmehr die<br />
Mensch-Tier-Beziehung mit ihren positiven Auswirkungen<br />
vor allem für junge Menschen. Eine Ponyschule für<br />
die Jüngsten (von 3 bis 9 Jahre) hat Leonie Müskens gerade<br />
ins Leben gerufen. Die knuffigen Reittiere sind die<br />
Lieblinge der vielen Kinder, die auf Potts Bauernhof gerne<br />
gesehene Gäste sind. Im Moment haben ihnen aber<br />
die Ziegen den Rang abgelaufen. Da hat es gerade Nachwuchs<br />
gegeben. Beim Anblick der drei kleinen Zicklein<br />
schmelzen nicht nur die Kinderherzen dahin.<br />
Unter pottsbauernhof.de im Internet kann man sich anschauen,<br />
was Familie Müskens auf ihrem Hof so alles<br />
treibt und bereit hält. Illustriert ist die Homepage mit<br />
vielen schönen Bildern.<br />
137 Buslinien für 2.300 Haltestellen<br />
62<br />
AZ Image 2x_168x124_4c_iO.indd 2 08.02.16 15:16
Heiße Acts beim Immecke-Festival <strong>2017</strong><br />
Open-Air-Kult-Event am 4. <strong>Juni</strong> in Plettenberg<br />
Nach einer zünftigen Schneeballschlacht und Eiseskälte<br />
beim letzten Festival, hoffen alle Immecke-Fans in<br />
diesem Jahr auf gutes Wetter. Das sollte möglich sein,<br />
denn das größte Independent-Open-Air Südwestfalens<br />
findet <strong>2017</strong> spät im Jahr, genau gesagt am 4. <strong>Juni</strong> statt.<br />
Und sollten die Außentemperaturen auch nicht ganz so<br />
mitspielen wie gewünscht, verspricht das 27. Immecke-<br />
Festival in Plettenberg zumindest ganz heiße Bühnenacts<br />
mit einem gewohnt schrillen Stilmix von Punk bis<br />
Reggae, von Ska bis Metal. Einlass ist am Pfingstsonntag<br />
Ska, Pogo und gute Laune sind angesagt, wenn „Rafiki“<br />
(Nürnberg) die Bühne betreten und „PC Herman & the<br />
destroyers“ mit Immecke-Urgestein Frank the tank an<br />
der Gitarre grooven mit Funk und Rhythm’n’Blues um<br />
den Sägeschuppen.<br />
Zwei Damen an den Saiteninstrumenten und ein<br />
Schlagzeuger, der nicht langsam spielen kann – „Shirley<br />
Holmes“ ist eine Punk- und Rock’n’Roll-Granate. Aktuell<br />
arbeiten die Berliner an einem neuen Album, u.a. mit<br />
Produzenten von „Extrabreit“, „Jennifer Rostock“ und<br />
um 13 Uhr. Tickets kosten im Vor- verkauf 20, an<br />
der Tageskasse<br />
22 Euro. Vorbestellbar<br />
sind<br />
„Käptn Peng“.<br />
Ab <strong>Mai</strong> geht es damit auf Tournee und natürlich macht<br />
das Kracher-Trio mit ihrem Dampfhammer-Sound,<br />
die Karten<br />
im Internet<br />
unter www.<br />
immeckeopen-air.de.<br />
Neun Bands aus ganz Deutschland, Frankreich, Schottland<br />
und Holland und dazu einige hoch interessante<br />
Singer Songwriter versprechen ein knallbuntes Gute-<br />
Laune-Programm. Das Immecke-Open-Air ist nicht nur<br />
bekannt für seine grandios friedvolle Atmosphäre, sondern<br />
auch für eine schier grenzenlose Offenheit von<br />
Musikstilen. Größtmögliche Abwechslung bietet der<br />
veranstaltende I-Rock e.V. auch <strong>2017</strong>, u.a. mit Punkrock<br />
aus Berlin, Blues und Funk aus Hessen und Heavy Metal<br />
aus Tilburg/Holland.<br />
Über eine gute Reggae-Band freut sich das Immecke-<br />
Publikum auch immer. Die „Betrayers of Babylon“ bringen<br />
den entspannten und sonnigen Jamaika-Sound<br />
zum Festival. Eine rasante Mixtur aus HipHop und New<br />
Metal hingegen verspricht „Ze Gan Zeft“ aus Marseille.<br />
der wie eine Mischung aus „Dover“, „Kraftclub“ und<br />
„Ideal“ klingt, Station in der Immecke. Als Top-Act.<br />
Mit dabei sind beim 27. Immecke-Open-Air natürlich<br />
auch die „Immecke Allstars“, daneben die frischen<br />
Alternative-Newcomer „What the fuck Boom“ und die<br />
holländische Metalband „Order of the emperor“. Auf<br />
der Akustikbühne „Scotch Corner“ werden u.a. Singer<br />
Songwriter aus Schottland, Holland und Frankreich auftreten.<br />
Immecke-Stammgast Andrew Burton aus Edinburgh<br />
hat fest zugesagt.<br />
Mit einem gültigen Festivalticket ist das Campen auf<br />
den Wiesen am Sägewerk auch <strong>2017</strong> wieder kostenlos<br />
und erlaubt ab Samstag, den 3. <strong>Juni</strong>.<br />
(St.L.)<br />
63
„WILLKOMMEN“ IN NEUN<br />
SPRACHEN<br />
Werdohler Realschüler diskutieren<br />
und praktizieren Integration von Martin Büdenbender<br />
64<br />
„Willkommen“ steht in neun verschiedenen Sprachen<br />
mit bunter Kreide kunstvoll auf die große Wandtafel geschrieben.<br />
Eine „internationale“ Begrüßung ist bei Gülcan<br />
Kiraz, Lehr- und Integrationskraft der Städtischen<br />
Realschule Werdohl, üblich. Sie unterrichtet das Fach<br />
„soziales Lernen“ und führt regelmäßig Integrationsprojekte<br />
zur Förderung von Sozialkompetenzen und zur<br />
Sensibilisierung der kulturellen Vielfalt durch. Bei ihr<br />
ist heute die Klasse 8b von Ulrike Schulte-Schürholz zu<br />
Gast. Der Unterricht läuft daher ein wenig anders ab als<br />
üblich.<br />
Der süße Duft von Cay zieht durch das Klassenzimmer.<br />
Kerzenlicht flackert auf den Tischen, an denen Schülerinnen<br />
und Schüler aus neun verschiedenen Nationen<br />
sitzen und offen über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten<br />
von Kulturen und Religionen, über Migration<br />
und Integration reden. Dabei gehen sie auffallend respektvoll<br />
miteinander um. Sie<br />
lassen sich ausreden und fallen<br />
sich nicht gegenseitig ins Wort,<br />
wie viele prominente Teilnehmer<br />
so mancher im Fernsehen<br />
präsentierter Talkrunde.<br />
Angeregt unterhalten sich die<br />
Schülerinnen und Schüler über<br />
ein Kapitel aus Nazan Eckes<br />
Buch „Guten Morgen Abendland“.<br />
Dazu trinken sie heißen,<br />
türkischen Tee. In dem Buch geht es um Gastarbeiter,<br />
um Zuwanderung und Integration von Menschen mit<br />
Migrationshintergrund. Gülcan Kiraz lässt ihre eigenen<br />
Erlebnisse einfließen und fordert die Schüler auf, über<br />
ihre Erfahrungen, Gefühle und Gedanken zu sprechen.<br />
Sie moderiert die Veranstaltung mehr, als dass sie diese<br />
leitet. Man spürt, die 13- und 14-Jährigen fühlen sich<br />
ernst genommen und nehmen daher auch das Thema<br />
ernst. Sie haben viel zu erzählen. Denn die meisten haben<br />
selbst einen Migrationshintergrund. Oft genug fühlen<br />
auch sie sich hin- und hergerissen zwischen den Kulturen,<br />
spüren, dass es Vorbehalte und Vorurteile gibt,<br />
erkennen aber auch, wie einfach es sein kann, den anderen<br />
zu verstehen, wenn man aufeinander zugeht und<br />
miteinander redet. Zwei Schulstunden in entspannter<br />
Atmosphäre vergehen wie im Fluge. Gülcan Kiraz macht<br />
zum Abschluss Mut: „Es ist egal, ob ihr Aserbaidschaner,<br />
Pole, Italiener,<br />
Türke oder<br />
Deutscher<br />
seid<br />
oder ob eure Eltern<br />
aus Serbien,<br />
Griechenland,<br />
dem Kosovo oder<br />
England<br />
kommen,<br />
ihr alle seid<br />
Deutschlands Zukunft.“
„INTEGRATIONSARBEIT IST<br />
HEUTE WICHTIGER DENN JE!“<br />
„Integration ist keine Einbahnstraße, es ist ein Geben<br />
und Nehmen. Wir respektieren und tolerieren alle Unterschiede<br />
in den Religionen und lernen voneinander,<br />
indem wir nicht übereinander, sondern miteinander<br />
freundschaftlich reden“, erklärt Gülcan Kiraz. Integrationsarbeit<br />
ist ihr seit vielen Jahren eine Herzensangelegenheit.<br />
Migration und in der Folge Integration<br />
ist überall ein großes Thema. Eine Fachkraft mit dem<br />
Aufgabenschwerpunkt Integration gibt es in der Region<br />
zwischen Verse und Sorpe aber nur in Werdohl. „Die<br />
aktuell angespannte politische Situation zwischen der<br />
Türkei und Deutschland erschwert definitiv die Arbeit<br />
der Menschen, die sich für die Integration einsetzen“,<br />
bedauert Gülcan Kiraz und betont „aber umso wichtiger<br />
ist diese Arbeit gerade jetzt.“<br />
Frau Kiraz, sie sind in der Türkei geboren und<br />
in Deutschland aufgewachsen. Wie erlebten<br />
Sie ihre Kindheit?<br />
Als „Gastarbeiterkind“ bin ich mit drei Jahren, gemeinsam<br />
mit meiner Mutter und meinem vierjährigen Bruder<br />
nach Deutschland eingereist. Geboren wurde ich in<br />
SarIkaya-Yozgat in der Türkei. Ohne Deutschkenntnisse<br />
wurde ich eingeschult und wuchs in einem „schwäbisch-katholischen<br />
Viertel“ auf. Mein Vater war in seiner<br />
Heimat ein Gelehrter und erzog uns religiös, aber<br />
liberal. Einen Kopftuchzwang gab es bei uns nicht. Er<br />
vermittelte uns Kindern einen friedlichen, ungezwungenen<br />
Islam, die Liebe zu Allah, zu unserem Propheten<br />
Muhammed, zur Heimat und Familie, zur Muttersprache<br />
und zu Mustafa Kemal Atatürk.<br />
Wo fühlen Sie sich zu Hause, was ist für sie<br />
Heimat?<br />
Heimat ist dort, wo man sich wohl fühlt! Daher sind das<br />
Sauerland und Werdohl für mich auch Heimat. Mir persönlich<br />
ist es natürlich ebenso wichtig, die eigene Identität<br />
nicht zu verleugnen. Wir Türkischstämmigen sind<br />
sehr mit unserer ersten Heimat verbunden. Dort leben<br />
unsere Familienangehörigen und mindestens einmal im<br />
Jahr sind wir im Urlaub in der Türkei.<br />
Welche Grundwerte haben Ihnen Ihre Eltern<br />
vermittelt?<br />
Ein Grundwert war meinen Eltern ganz besonders<br />
wichtig, nämlich, Mitmenschen, völlig egal, welcher<br />
Abstammung, Rasse, Religion oder Kultur, so zu akzeptieren<br />
und zu respektieren, wie sie sind. Ein weiterer<br />
Grundwert in meinem Elternhaus war die Bildung: Bildung<br />
war das A und O, das galt nicht nur für meine Brüder,<br />
sondern auch für mich als Mädchen. Als mein Vater<br />
im Alter von 51 im Sterbebett lag, habe ich ihm versprochen,<br />
mindestens eine Ausbildung zu absolvieren.<br />
Ich habe meinen ersten Beruf als Bekleidungsschneiderin<br />
in der einzigen deutschen Textilfirma „Trigema“ im<br />
Schwabenland erlernt.<br />
Wie definieren Sie Integration?<br />
Interview mit Gülcan Kiraz<br />
Integration ist unterschiedlich definierbar. Für mich bedeutet<br />
Integration ganz einfach ein Geben und Nehmen.<br />
Wir lernen voneinander, indem wir miteinander<br />
über die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten reden.<br />
Wir respektieren und akzeptieren uns gegenseitig, so<br />
wie wir sind. Lasst uns nach Gemeinsamkeiten schauen,<br />
denn nur so können wir das ‚Wir-Gefühl‘ stärken.<br />
Wie kamen Sie zu Ihrem heutigen Beruf als<br />
Integrationsbeauftragte?<br />
Als junge Familie sind wir, mein Mann, meine Tochter<br />
und ich, 1998 aus beruflichen Gründen nach Werdohl<br />
gezogen. Nach der Einschulung meiner Tochter<br />
bemerkte ich die Schwierigkeiten, die viele ihrer<br />
Mitschülerinnen mit der deutschen Sprache hatten.<br />
Krank?!... Durch Schimmel?!<br />
Mögliche Symptome: Hautreizungen, Asthma, Bronchitis,<br />
brennende Augen, Kurzatmigkeit, Schalfl osigkeit.<br />
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Plettenberg<br />
65
zu einem unbefristeten Arbeitsvertrag beim Land NRW.<br />
Ich bin seitdem als Lehr- und Integrationskraft tätig. Es<br />
war eine unglaubliche Erfahrung, als „Türkin“ in der<br />
deutschen Gesellschaft etwas erreicht zu haben. Denn<br />
die „Türken“ oder „Muslime“ müssen sich leider zehnfach<br />
mehr beweisen als die Europäer. Nach der Schließung<br />
der Hauptschule wechselte ich im letzten Schuljahr<br />
zur Realschule.<br />
Warum ist das so?, habe ich mich damals oft gefragt.<br />
Schließlich waren unsere Kinder schon die dritte Generation<br />
in Deutschland und diese Generation hatte viel<br />
bessere Voraussetzungen als wir damals. Für mich war<br />
klar, dass die Integration leider verschlafen wurde, und<br />
das sowohl vom türkischen als auch vom deutschen<br />
Staat.<br />
Nun hatten wir das Glück, in der Grundschule auf eine<br />
aufgeschlossene Schulleiterin und Klassenlehrerin zu<br />
treffen. Das betone ich bewusst, denn Aufgeschlossenheit<br />
auf beiden Seiten ist die Voraussetzung dafür,<br />
dass Integration gelingt. Diese positive Erfahrung motivierte<br />
mich, selber aktiv für Integration einzutreten.<br />
Durch mein ehrenamtliches Engagement brachte mich<br />
die damalige Grundschulleiterin auf die Idee, im pädagogischen<br />
Bereich zu studieren. Sie meinte, ich hätte<br />
eine soziale Ader und Geschick im Umgang mit Kindern<br />
und Erwachsenen. Mit 30 Jahren entschied ich mich daher<br />
für diesen Ausbildungsweg. Mein Mann<br />
stand ganz stark hinter mir und hat das alles<br />
mitgetragen.<br />
2007 absolvierte ich ein Semesterpraktikum<br />
an der Hauptschule in Werdohl. Dank<br />
der Initiative der damaligen Schulleiterin,<br />
Frau Neubeck, bekam ich zunächst befristete<br />
Arbeitsverträge bei der Stadt und beim<br />
Land NRW. Bei einen bundesweiten Integrationsschulwettbewerb<br />
unter dem Motto<br />
„Alle Kids sind VIPs“ im Jahre 2009, den<br />
ich geleitet habe, gewann unsere Schule<br />
einen Preis. Dieser Erfolg führte dann 2010<br />
Welche Werte möchten Sie den Schülern mit<br />
auf ihren Lebensweg geben?<br />
Im Rahmen des sozialen Lernens versuche ich meinen<br />
Schülern vor allem zu vermitteln, „menschlich“ miteinander<br />
umzugehen und Menschen nicht pauschal in eine<br />
Schublade zu stecken. Auch Empathie, Dankbarkeit, Geduld<br />
und Respekt sind wichtige Werte. Als Minderheit<br />
in der Mehrheitsgesellschaft erfahren viele von ihnen<br />
Diskriminierung. Damit gewaltfrei umzugehen, möchte<br />
ich ihnen ebenfalls vermitteln.<br />
Worin besteht Ihre Integrationsarbeit?<br />
Im Fach soziales Lernen steht die Darstellung der Vielfalt<br />
der unterschiedlichen Sprachen, Kulturen und Religionen<br />
im Vordergrund. Wir schauen über den Tellerrand<br />
und erweitern unsern Horizont, ohne jemanden<br />
aufgrund seiner Herkunft, Religion oder Sprache auszuschließen.<br />
Gemeinsam mit den Religionslehrern organisiere<br />
ich Exkursionen in eine Moschee und eine<br />
Kirche. Hier geht ebenfalls um die Gemeinsamkeiten in<br />
beiden Religionen. Die Zuwanderungsgeschichte ist ein<br />
weiterer wichtiger Bestandteil der Integrationsarbeit.<br />
Darüber hinaus unterrichte ich gemeinsam mit einer erfahrenen<br />
Lehrerin das Fach Deutsch für Flüchtlinge aus<br />
Syrien und Schüler aus europäischen Ländern (Polen,<br />
Bulgarien, Griechenland, Armenien), die ohne Deutschkenntnisse<br />
zu uns nach Deutschland kommen.<br />
66
PAPIERBRÜCKEN UND FLOTTE<br />
LEGO-FLITZER ERÖFFNEN<br />
SCHÜLERN NEUE PERSPEKTIVEN<br />
Wettbewerbe fördern Kreativität und Teamwork<br />
Langsam steigt die Belastung auf dem Prüfstand. Dann,<br />
bei 16,8 Kilogramm, gibt die Konstruktion nach. Sieg! Mit<br />
ihrer Papierbrücke hatte eine Schülergruppe des Gymnasiums<br />
Plettenberg im Februar den Brückenbau-Wettbewerb<br />
der Uni Siegen gewonnen. Die nur 152 Gramm<br />
schwere Konstruktion aus Papier und Klebstoff hatte das<br />
110-fache ihres Eigengewichts getragen. Die Uni Siegen<br />
hatte den Wettbewerb zum 14. Mal ausgetragen. Schüler<br />
und Schulen können sich auf vielen Feldern messen.<br />
Die Zahl der Schul-Wettbewerbe ist kaum überschaubar.<br />
„Jugend forscht“, 1965 vom damaligen Stern-Chefredakteur<br />
Henri Nannen ins Leben gerufen, ist einer der ältesten<br />
und renommiertesten. Mal geht es um Geschichte,<br />
etwa beim Wettbewerb des Bundespräsidenten, mal<br />
um Design oder Literatur, mal auch um regionale Besonderheiten<br />
wie das beste Rezept für „Grüne Soße“,<br />
einen Klassiker der hessischen Küche. Oft geht es aber<br />
um Naturwissenschaften und Technik, die MINT-Fächer.<br />
Mit ihrem Brückenbau-Wettbewerb will die Uni Siegen<br />
Jugendlichen „auf spielerische Weise einen ersten Einblick<br />
in die Fragestellungen der Bauingenieure“ vermitteln,<br />
heißt es in der Einladung zu dem Schüler-Wettbewerb<br />
„Papierbrücken“.<br />
Teil des Schulprogramms<br />
Gymnasiums (ASG) war die Teilnahme an dem Wettbewerb<br />
keine Einmal-Aktion. Mit der benachbarten Firma<br />
Novelis haben sie selbst ein Prüfgerät konstruiert, um<br />
die Brücken vorab testen zu können. Nebenan im Physikraum<br />
haben Mitschüler eine Startrampe für Wasserraketen<br />
aufgebaut. Sie suchen die optimale Lösung für<br />
lange Flugzeiten – und stellen sich damit der Konkurrenz<br />
anderer Schul-Teams. Auf der anderen Seite des Flures,<br />
im naturwissenschaftlichen Trakt, tüftelt die Roboter AG<br />
an einem Parcours. Ein Fahrzeug, aus Lego-Elementen<br />
gebaut, muss, einmal programmiert, verschiedene Aufträge<br />
abarbeiten. Eine komplexe Aufgabe.<br />
von Rüdiger Kahlke<br />
Die Schüler trainieren im Team für den nächsten Wettbewerb,<br />
die „First® Lego® League“ (FLL). Das Förderprogramm<br />
möchte „Kinder und Jugendliche in einer sportlichen<br />
Atmosphäre an Wissenschaft und Technologie heran<br />
führen (…) und ihnen den Zugang zu naturwissenschaftlichen<br />
Fächern zu erleichtern und sie frühzeitig für einen<br />
Ingenieurs- oder IT-Beruf zu motivieren“, heißt es dazu<br />
im Schulprogramm. Unter Punkt 5 „Wettbewerbe und<br />
Zertifikate“ sind darin elf Wettbewerbe aus den Bereichen<br />
Sprachen, Mathematik, Biologie, Chemie und Technik<br />
aufgelistet, an denen die Schüler teilnehmen können.<br />
Was motiviert Schüler,<br />
an Wettbewerben teilzunehmen?<br />
Für die Schüler des Plettenberger Albert-Schweitzer-<br />
Am Anfang steht für Veli (16) das Interesse. Man bekomme<br />
Einblick in schwierigere Aufgaben und zusätzli-<br />
67
che Bereiche, über den Unterricht hinaus. „Experimente<br />
durchführen und Statistiken auswerten. Man kann sich<br />
Sachen selbst beibringen“, lässt auch Florian (16) Forschergeist<br />
erkennen. Andere sehen die Verbindung von<br />
Theorie und Praxis. Da wird auch gerne Freizeit investiert,<br />
etwa um das Prüfgerät für die Papierbrücken mit<br />
Technikern zu bauen, betont Julian (18). Er mag den<br />
ganzheitlichen Ansatz: planen, bauen, anwenden , aber<br />
auch „mit anderen zusammenarbeiten.“ Gerade beim<br />
Brückenbau waren auch praktische Fähigkeiten gefragt,<br />
was manchen entgegenkomme.<br />
Was bringt es?<br />
Für Julian bringt die Wettbewerbs-Teilnahme neue Erfahrungen<br />
und Bestätigung. „Wenn man lange darauf hingearbeitet<br />
hat, ist es umso schöner“, meint er mit Blick<br />
auf den Sieg beim Brückenbau. Die Zusammenarbeit mit<br />
Novelis habe ihm zudem Einblicke ins Unternehmen gebracht,<br />
wie dort kooperiert werde. Für Veli, der in der Roboter-AG<br />
mitmacht, klären sich die Berufsziele. Ein MINT-<br />
Fach als Studium, ja, aber Biologie hat er durch die Arbeit<br />
für den Roboter-Wettbewerb bereits ausgeschlossen. Ein<br />
Workshop bei Bayer hat für ihn die Chemie in den Fokus<br />
gerückt. Auch Florian sieht neben dem Spaß am Entdecken<br />
die pragmatische Seite, „schneller studieren zu<br />
können. Man kann den NC verbessern, wenn man an<br />
Wettbewerben teilgenommen hat“, sagt er.<br />
Was bringt es für den Unterricht?<br />
Versuche und Experimente, die oft mit Wettbewerben<br />
verbunden sind, sind gut „für Schüler, die gerne praktisch<br />
arbeiten“, sagt Bastian Rinke, MINT-Beauftragter<br />
am Plettenberger ASG. Wenn sich das Thema mit den<br />
Interessen decke, freuten sich die Schüler auf die Herausforderung.<br />
„Das gilt auch für Lehrer“, weiß Rinke und<br />
sieht darin auch einen Motivations-Kick für die Pädagogen,<br />
„wenn man merkt, es geht gut vorwärts.“ Erfolge,<br />
es müsse nicht immer der erste Platz sein, weckten auch<br />
Interesse bei jüngeren Jahrgängen. „Es macht Spaß, mit<br />
interessierten Schülern zu arbeiten“ und es sei schön zu<br />
sehen, wenn sich etwas entwickelt und das soweit als<br />
möglich in den Unterricht zu integrieren. „Es macht den<br />
Unterricht angenehmer“, betont Bastian Rinke.<br />
Für Elisabeth Minner, Leiterin des Albert-Schweitzer-Gymnasiums,<br />
gibt es eine Reihe von Gründen, an Wettbewerben<br />
teilzunehmen. Die Schule müsse Schüler an Herausforderungen<br />
heranführen, sie bekannt machen mit<br />
außerschulischen Feldern, ihre Kreativität fördern. Zudem<br />
seien die Wettbewerbe „eine gute Möglichkeit, im<br />
Team zu lernen und mit Praktikern in Kontakt zu kommen.“<br />
Schule solle aber auch Orientierung bieten und<br />
als „Türöffner dienen, um Schüler auf andere Dinge aufmerksam<br />
zu machen.“<br />
Wettbewerbe entfalteten auch eine Sogwirkung. „Man<br />
möchte gerne dabei sein“, sagt sie und verweist auf<br />
die Resonanz auf den Mathematik-Känguru-Wettbewerb.<br />
Von den 800 Schülern am ASG nähmen jährlich etwa 500<br />
am Wettbewerb teil, davon über 300 freiwillig. Zudem<br />
könnten Lehrkräfte und Eltern bei den Wettbewerben die<br />
Schüler auch in anderen Rollen erleben.<br />
Wie profitiert die Schule?<br />
Wettbewerbe helfen der Schule sich zu profilieren. Das<br />
hilft beim Werben um Schüler und bei der Rekrutierung<br />
von Lehrkräften. „Planstellen zu besetzen ist kein Problem“,<br />
sagt Elisabeth Minner und sieht einen Grund dafür<br />
auch im guten Standing und den guten Arbeitsmöglichkeiten<br />
in der Schule. Sie verweist auf die starke Unterstützung<br />
durch den Förderverein. Gute Leistungen pushen auch die<br />
Spendenbereitschaft, sieht sie durchaus einen Zusammenhang<br />
mit dem guten Abschneiden bei Wettbewerben.<br />
INFO<br />
„Schülerwettbewerbe gehören zu einem festen<br />
Bestandteil des nordrhein-westfälischen Konzeptes<br />
zur Förderung interessierter und begabter<br />
Schülerinnen und Schüler. Es werden Fragestellungen<br />
angesprochen und Erkenntnisse gewonnen,<br />
die verstärkt in die schulische Arbeit einbezogen<br />
werden können.“ (Quelle: Bildungsportal NRW)<br />
Link: www.schulministerium.nrw.de<br />
Informationen über Schülerwettbewerbe und Qualitätsstandards<br />
liefert die Arbeitsgemeinschaft bundesweiter<br />
Schülerwettbewerbe. Sie hat auch eine Checkliste<br />
für die „Kriterien guter Schülerwettbewerbe“<br />
herausgegeben. Link: www.bundeswettbewerbe.de<br />
Warum macht die Schule mit?<br />
68
3<br />
Schulministerin<br />
Fragen<br />
Ist Schule so langweilig, dass externe Wettbewerbe als<br />
Sylvia Löhrmann<br />
zur Funktion von Wettbewerben in Schulen.<br />
Anreize notwendig sind?<br />
Sylvia Löhrmann: Nein, ganz im Gegenteil. Es gibt Wettbewerbe<br />
für Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und für<br />
die ganze Schule, gerade weil die Begeisterung für das<br />
Lernen niemals langweilig ist. Gute Schule und Wettbewerbe<br />
bilden keinen Gegensatz.<br />
Welchen Nutzen / Sinn haben die Wettbewerbe für<br />
die verschiedenen Akteure (für Schüler, Lehrkräfte, die<br />
Schulen selbst)?<br />
Wettbewerbe schaffen eine veränderte Lernsituation:<br />
Das Lernen erfolgt nicht allein mit Blick auf ein einzelnes<br />
Fach, sondern teils fächerübergreifend und projektorientiert.<br />
Das erleben sowohl Schülerinnen und Schüler<br />
als auch Lehrkräfte als abwechslungsreiche und damit<br />
auch bereichernde Erfahrung.<br />
Sind Auswirkungen feststellbar / messbar, wenn Schulen<br />
oder Schüler intensiv an Wettbewerben teilnehmen?<br />
Das wäre schwer zu messen. Das Ziel von Wettbewerben<br />
sind auch nicht permanente Leistungssteigerungen,<br />
aber das Lernen ist wohl nachhaltiger und stärker selbstgesteuert.<br />
Worum es geht, und was ganz sicher positiv<br />
wirkt, sind neue Impulse für die eigene Entwicklung und<br />
die Lust, sich engagiert mit anderen zu messen. So gewinnen<br />
Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte, auch<br />
wenn am Ende nicht Platz Eins herausspringt.<br />
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69
BEWEGENDES GESPRÄCH MIT<br />
HOLOCAUST-ÜBERLEBENDEM<br />
ASG-Schüler schildern Eindrücke aus Auschwitz und Krakau<br />
Der Leistungskurs Geschichte des<br />
aktuellen Abiturjahrgangs am Albert-Schweitzer-Gymnasium<br />
in Plettenberg<br />
hat sich intensiv mit dem<br />
Thema Holocaust auseinandergesetzt.<br />
Die Schülerinnen und Schüler<br />
des von Dr. Peter Schmidtsiefer geleiteten<br />
Leistungskurses gestalteten<br />
mit ihrer Aufführung von Ausschnitten<br />
des Dramas „Ermittlungen“ von<br />
Peter Weiss den Auschwitz-Gedenktag<br />
in Plettenberg am 27. Januar mit.<br />
Einen nachhaltigen Eindruck von den<br />
Verbrechen der Nationalsozialisten<br />
erhielten die Gymnasiasten bei einer<br />
5-tägigen Reise nach Krakau, die<br />
dank Unterstützung der Konrad-Adenauer-<br />
und der Bethe-Stiftung sowie<br />
durch den Förderverein des ASG<br />
durchgeführt werden konnte. Die Jugendlichen<br />
besuchten das jüdische<br />
Viertel, das während des Krieges geschaffene<br />
Krakauer Ghetto und die<br />
ehemalige Fabrik Oscar Schindlers.<br />
Vor allem standen jedoch die zweitägige<br />
Besichtigung des ehemaligen<br />
Konzentrations- und Vernichtungslagers<br />
Auschwitz/Birkenau und ein<br />
Zeitzeugengespräch mit einem Überlebenden<br />
des Lagers im Mittelpunkt.<br />
Für das <strong>Komplett</strong>-Magazin schildern<br />
die Schülerinnen und Schüler ihre<br />
Eindrücke.<br />
Völlig neues Bild<br />
der Vergangenheit<br />
„Trotz der vorherigen Auseinandersetzung<br />
mit dem Holocaust im Unterricht<br />
und der Mitgestaltung des<br />
Auschwitz-Gedenktages mussten wir<br />
während und nach der Besichtigung<br />
der beiden Lager Auschwitz und Birkenau<br />
und vor allem nach dem Zeitzeugengespräch<br />
einen Tag später<br />
feststellen, dass diese Erfahrungen<br />
nochmals ein völlig neues Bild der<br />
Vergangenheit ergaben.<br />
Natürlich war die Besichtigung der<br />
Gedenkstätten sehr beeindruckend<br />
und auch bedrückend, doch besonders<br />
bewegt waren wir durch das<br />
Gespräch mit dem Zeitzeugen Karol<br />
Tendera, der es geschafft hatte, vier<br />
Jahre in diesen unvorstellbar grausamen<br />
Lagern zu überleben, und uns<br />
seine Erlebnisse aus dieser Zeit näher<br />
brachte. Dreieinhalb Stunden<br />
hörten wir einer unglaublichen Geschichte<br />
zu, von einer zweimaligen<br />
Flucht aus der Zwangsarbeit, von seiner<br />
Verhaftung und der Inhaftierung<br />
im sogenannten Stammlager Auschwitz,<br />
von unerträglichem Leid und<br />
vier Jahre anhaltender Todesangst,<br />
von schwerster physischer und psychischer<br />
Belastung und von waghalsigen<br />
Versuchen, dem Tod zu entgehen,<br />
oder in Worten des Zeitzeugen,<br />
‚der Hölle’ zu entgehen. Eine Geschichte,<br />
die gut und gerne einen<br />
spannenden Hollywood-Film füllen<br />
könnte – tatsächlich jedoch die wahre<br />
Geschichte des Mannes ist, der sie<br />
uns erzählte.<br />
Die persönlichen Erfahrungsberichte<br />
des 95-Jährigen riefen nochmals<br />
ein neues und anderes Bild in unseren<br />
Köpfen hervor, als es uns schon<br />
Von Bernhard Schlütter<br />
an den beiden Tagen zuvor während<br />
der Lagerbesichtigung vermittelt<br />
wurde. Denn auch ohne diesen<br />
persönlichen Bericht ist eine Besichtigung<br />
der Lager als beeindruckend,<br />
beklemmend und schockierend zu<br />
bezeichnen; sei es die berüchtigte<br />
Eingangsüberschrift des Stammlagers<br />
‚Arbeit macht frei’, die alten<br />
sanitären Anlagen und Schlafräume<br />
oder der Gang durch den berüchtigten<br />
Block 11, in welchem sich die<br />
Hunger- und Dunkelzellen des Lagers<br />
befinden – Orte, von denen wir<br />
bei der Gestaltung des Auschwitz-Gedenktages<br />
noch gelesen und sie uns<br />
vorgestellt hatten, die in der Realität<br />
jedoch noch weit andere Gefühle<br />
und Eindrücke vermitteln, als es in<br />
der Vorstellung möglich ist.<br />
Beeindruckend,<br />
bedrückend, beklemmend<br />
und unvorstellbar<br />
Unvorstellbar sind auch im Vorfeld<br />
die Dimensionen des Holocausts<br />
und die Dimensionen der Vernichtungsmaschinerie<br />
in den Konzentrationslagern,<br />
denn auch wenn viele<br />
Baracken und Anlagen des Vernichtungslagers<br />
Birkenau heute verfallen<br />
sind oder von den Nazis zerstört<br />
wurden, beeindruckt das Lager alleine<br />
durch seine unglaubliche Größe<br />
und Fläche. Das Wissen um die<br />
hier geschehenen Gräueltaten und<br />
das menschliche Leid sorgten für beklemmende<br />
Gefühle und Vorstellungen<br />
während des Gangs durch das<br />
Lager, hinzu kamen die Berichte unserer<br />
Begleiterin, welche es schaffte,<br />
mit den Erzählungen über individuelle<br />
Schicksale und Begebenheiten<br />
eine traurige und düstere Stimmung<br />
70
hervorzurufen.<br />
Besonders bewegend und schockierend<br />
waren die heute im Stammlager<br />
ausgestellten Überreste und Besitztümer<br />
der Opfer der Vergasungen<br />
in Birkenau, worunter ungefähr eine<br />
Million Juden waren. Auch hier ist zu<br />
sagen, dass wir alle vorbereitet und<br />
schon informiert waren, was man als<br />
Besucher der Gedenkstätte zu sehen<br />
bekommen würde, aber auch hier<br />
ist im Nachhinein festzustellen, dass<br />
der reale Anblick der Ausstellung in<br />
seinen unglaublichen Dimensionen,<br />
was die Menge an Schuhen, Kleidung<br />
und Alltagsgegenstände betrifft,<br />
nicht vorstellbar war.<br />
In diesen Momenten, in denen man<br />
diesen vielen privaten und persönlichen<br />
Gebrauchsgegenständen,<br />
aber vor allem auch der Masse an<br />
menschlichen Haaren gegenübersteht,<br />
wird einem das Ausmaß des<br />
Holocausts und der Taten der Nazis<br />
ein weiteres Mal völlig neu bewusst.<br />
Diese vielen Eindrücke und der bewegende<br />
Bericht des Zeitzeugen<br />
Karol Tendera später ließen nur erahnen,<br />
welches Leid die Opfer ertragen<br />
mussten. Umso überraschter und<br />
bewegter waren wir, wie es diesem<br />
Menschen heute möglich ist, über<br />
die schrecklichen Erlebnisse zu berichten,<br />
und wie er es schaffte, diese<br />
zu verarbeiten.<br />
Insgesamt lassen sich die Eindrücke<br />
mit sehr beeindruckend, bedrückend,<br />
beklemmend und unvorstellbar bezeichnen,<br />
mit Sicherheit ist auch der<br />
Begriff der Fassungslosigkeit über<br />
diese Vergangenheit zutreffend.<br />
Zeitzeugen-Gespräch eine<br />
Ehre und Bereicherung<br />
Des Weiteren empfanden wir es als<br />
eine Ehre und Bereicherung, in unserer<br />
Generation noch die Möglichkeit<br />
zu erhalten, mit einem Zeitzeugen<br />
über dessen Erlebnisse und Erfahrungen<br />
zu sprechen. Ein solches Gespräch<br />
birgt mit Sicherheit noch einige<br />
Aspekte, Informationen und<br />
Anstöße, über welche man meistens<br />
zuerst nicht nachdenkt, wenn<br />
an den Holocaust und die NS-Zeit erinnert<br />
wird. Somit kann als Fazit der<br />
Fahrt festgehalten werden, dass es<br />
sich empfiehlt, diesen Ort einmal<br />
persönlich zu besuchen und sich mit<br />
der Vergangenheit neu auseinanderzusetzen.<br />
Besonders für uns Deutsche<br />
sollte dies ein wichtiges Anliegen<br />
sein, ist doch die Vergangenheit<br />
bis heute von prägender Bedeutung<br />
in unserem Alltag und sollte dies<br />
auch in Zukunft bleiben.“<br />
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71
Text und Fotos Cristin Schmelcher<br />
200 JAHRE<br />
HOFGESCHICHTE<br />
IN EINEM<br />
SILO-MUSEUM<br />
Heribert Lill nimmt Besucher mit auf Reise in die Vergangenheit<br />
Schon als ich die Einfahrt zum Wohnhaus von Renate und<br />
Heribert Lill in Plettenberg-Himmelmert entlang fahre,<br />
fällt mein Blick nach links auf die alten Grünfuttersilos,<br />
die wie vier Türme aus einem Märchen inmitten des<br />
Hofgeländes empor ragen und Geschichten aus vergangenen<br />
Zeiten erzählen. Als der Hausherr mich in Empfang<br />
nimmt, deuten im und um das Wohnhaus herum<br />
bereits einige Gegenstände auf die Sammelleidenschaft<br />
der Bewohner hin. Im Esszimmer des Wohnhauses werde<br />
ich herzlich mit Kaffee auf einem Teewagen mit antiker<br />
Zuckerdose empfangen und lasse mich beim munteren<br />
Gezwitscher des Kanarienvogels von den beiden<br />
Tierliebhabern in die Vergangenheit des „Haasenhofes“<br />
entführen, der seit 1854 von Generation zu Generation<br />
unter den wechselnden Namen Gester – Haase – Lill –<br />
Jeschke weiter geführt wurde. In alten Aufzeichnungen<br />
wird das Anwesen am Ausgang des Achmecketals erstmals<br />
im 16. Jahrhundert erwähnt, später ist vom „Erlenhof“<br />
die Rede. Die Struktur des Bauernhauses lässt eine<br />
Erbauung um 1300 erkennen.<br />
Die Scheune als Schatzkammer<br />
antiker Gegenstände<br />
Als Mitte der 50er Jahre der letzte Rundsilo für Grünfutter<br />
von zehn Metern Höhe und 100 Kubikmeter Fassungsvolumen<br />
erbaut wurde, ahnte niemand, dass dessen Nutzung<br />
20 Jahre später beendet sein würde. 1976 endete<br />
die Bewirtschaftung als Grünlandbetrieb mit Milcherzeugung<br />
im Vollerwerb aufgrund schnell fortschreitender<br />
technischer und struktureller Entwicklungen innerhalb<br />
der Landwirtschaft. Daraufhin wurde im Nebenerwerb<br />
zunächst Lammfleisch und später Fleisch vom Damwild<br />
produziert. Auch heute grasen noch 40 Damtiere auf den<br />
ehemaligen Kuhweiden hinter dem Hof. Einige Wiesenund<br />
Ackerflächen sind verpachtet. Für die drei kleineren<br />
Hochsilos fanden sich ebenfalls schnell andere Nutzungsmöglichkeiten.<br />
Der von den Lills liebevoll getaufte „Spatzenturm“, der<br />
seinen Namen den im Efeu nistenden Spatzenschwärmen<br />
verdankt, musste bis 2007 warten, bis Heribert Lill<br />
den Plan fasste, ihn als Ausstellungsturm umzubauen.<br />
Anlass dazu gaben zahlreiche noch auf dem Hof vorhandene<br />
alte Maschinen, Handwerkzeuge, Kleidungsstücke<br />
und Abbildungen, da die Großmutter des heute 81-Jährigen<br />
sich kaum von etwas trennen konnte und stets zu<br />
sagen pflegte: „Daut es in de Schüe“. Mit großer Unterstützung<br />
seines leider mittlerweile verstorbenen Mieters<br />
Heinz Gerken entstanden Bauskizzen, und ab 2008 begann<br />
der Umbau des Turms. Durch das Anpflanzen von<br />
wildem Wein könnte man in Zukunft auch die Spatzenschwärme<br />
wieder begünstigen.<br />
Heute findet man auf drei Ebenen, die durch raumsparende<br />
Treppen zu erreichen sind, zahlreiche Relikte aus<br />
der bäuerlichen Welt aus etwa 200 Jahren Hofgeschichte<br />
mit zusätzlichen Informationen aus dem Stadtarchiv,<br />
die nach Arbeitsfeldern geordnet sind. Sie vermitteln den<br />
Besuchern Eindrücke vor allem aus der Arbeitswelt unserer<br />
Vorfahren. Fast alle Gegenstände stammen von dem<br />
eigenen Hof, der weitgehend mit anderen Höfen dieser<br />
Größenordnung im Märkischen Sauerland vergleich-<br />
72
ar ist. Unter dem Titel „Ich bin ein Kind vom Haasenhof“<br />
hat Lills Bruder Siegfried ein Buch veröffentlicht,<br />
das das Leben und Aufwachsen auf einem solchen Hof<br />
widerspiegelt.<br />
„Mein Mann ist das Museum!“<br />
Im Erdgeschoss des kleinen Museums erzählt Heribert<br />
Lill mir alles über die alte Hof- und Dorfschmiede am<br />
Achmeckebach und erklärt mir anschaulich mit den entsprechenden<br />
Gegenständen wie das Lohschälen und die<br />
Köhlerei in der Waldwirtschaft funktionierte. Zu den Besonderheiten<br />
zählen hier Ochseneisen, Reißhaken und<br />
Schällöffel. Noch 1947 lieferte der Haasenhof Eichenlohe<br />
an die Lohmühle in Plettenberg, die dort zum Gerben<br />
von Leder benötigt wurde. Eine Etage höher erläutert<br />
mir der Landwirt und pensionierte Lehrer Stellmacherarbeiten<br />
auf dem Hof und zeigt mir Geräte und Handwerkzeuge<br />
für verschiedene Arbeiten im Jahresablauf.<br />
Ebenfalls vorzufinden sind hier Informationen über die<br />
Imkerei auf dem Bauernhof, die das Ehepaar auch heute<br />
noch betreibt.<br />
„Mein Mann ist das Museum“, schmunzelt Renate Lill<br />
über die vielen Geschichten, die ihr Mann über das frühere<br />
Hofleben zu berichten weiß. Im einladenden hellen<br />
Obergeschoss des ehemaligen Futtermittelsilos bittet<br />
mich die 79-Jährige an einen Tisch und weiß ebenfalls so<br />
einiges zu erzählen, besonders über die bäuerliche Hauswirtschaft.<br />
Sie erklärt mir u.a. die einzelnen Gerätschaften,<br />
mit denen ein „Kaffee Muckefuck“, der aus geröstetem<br />
Roggen und Zichorien besteht, zubereitet wurde.<br />
Hier befinden sich ebenfalls Modelle von Fleischwölfen<br />
aus verschiedenen Jahrzehnten und persönliche Gegenstände,<br />
wie die „Sauerlandtracht“ der Urgroßeltern, die<br />
über die Jahre gut im sogenannten Leinenschrank erhalten<br />
geblieben ist.<br />
Heute befindet sich der Hof mit einer Fläche von 44<br />
Hektar inklusive Wald im Besitz der nächsten Generation.<br />
Dazu gehören fünf Fischteiche und ein eigens nachkonstruiertes<br />
Wasserrad aus Eiche. Mit dem alten, heute<br />
nicht mehr vorhandenen eisernen Wasserrad wurden<br />
bis 1962 die Drehmaschine, Häckselmaschine, die Mühle<br />
und die Kreissäge angetrieben. Die Uferzone entlang<br />
der naturbelassenen Achmecke bietet zudem seltenen<br />
Tierarten wie Eisvogel und Wasseramsel ein ungestörtes<br />
Refugium.<br />
Besichtigungstermine auf Anfrage<br />
Besichtigungen des kleinen, aber feinen Hofmuseums<br />
können telefonisch abgestimmt werden unter<br />
02391/6060406. In der Zeit vom 1. <strong>Mai</strong> bis 31. Oktober<br />
freut sich das Ehepaar über viele interessierte Besucher,<br />
im Winter ist es zu kalt im Silo. „So lernen auch wir im-<br />
73
mer wieder neue interessante Menschen kennen“, erzählen<br />
die Beiden im Gespräch mit dem <strong>Komplett</strong>-Magazin.<br />
Im Rundsilo haben bis zehn Personen Platz, bei größeren<br />
Gruppen findet die Führung in zwei Gruppen statt:<br />
Während Heribert Lill der einen Hälfte der Gruppe die<br />
Relikte im Silo erklärt, erzählt Renate Lill dann der anderen<br />
Hälfte so einige Geschichten über das frühere Leben<br />
in Himmelmert.<br />
Der Eintritt ist kostenfrei, stattdessen werfen die meisten<br />
Besucher nach der Museumsführung ein wenig Geld<br />
in eine bereitstehende Unicef-Spardose.<br />
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74
BUNDESWEHRORCHESTER UND<br />
HEAVY-METALBAND U.D.O. SPIELEN<br />
FÜRS HOSPIZ ST. ELISABETH<br />
Benefiz-Musikspektakel Military Metal Night 2018 in Elspe<br />
nach war uns allen sofort klar: Das darf nicht einmalig<br />
bleiben“, erzählt Oberstleutnant Christoph Scheibling,<br />
Dirigent des Musikkorps‘. Und so kommt es im nächsten<br />
Jahr zum freudigen Wiedersehen zwischen den Militärmusikern<br />
und der Rockband um Metal-Urgestein Udo<br />
Dirkschneider. Zwei Konzerte sind vorgesehen: in Elspe<br />
und einen Tag später in Bonn.<br />
„In Wacken haben wir ein 90-minütiges Programm gehabt.<br />
Für Elspe wird das um noch einmal eine Stunde erweitert“,<br />
kündigt Oberstleutnant Scheibling an. Dazu gehören<br />
U.D.O.-Stücke und Stücke aus der alten Accept-Zeit,<br />
die in Spezialarrangements mit großem symphonischen<br />
Blasorchester, Solisten und Backgroundchor dem Publikum<br />
präsentiert werden. Darüber hinaus kommt das Musikkorps<br />
der Bundeswehr, als eines der weltbesten symphonischen<br />
Blasorchester mit eigener, neuer Musik nach<br />
Elspe. Die Trailermusik „Two Steps from Hell“ ist ebenso<br />
angesagt wie eine artistische Trommelshow.<br />
Der Erlös des Konzertes kommt dem St.-Elisabeth-Hospiz<br />
in Lennestadt-Altenhundem zugute. Dafür spielt nicht nur<br />
das Bundeswehrorchester traditionell ohne Gage, sondern<br />
auch U.D.O. verzichtet auf einen Teil des Honorars.<br />
„Die Military Metal Night ist eine sehr gute Möglichkeit,<br />
auch junge Menschen zu erreichen“, versteht Martin<br />
Schäfer, Geschäftsführer des St.-Elisabeth-Hospiz‘, diese<br />
Veranstaltung als wirksame Öffentlichkeitsarbeit für<br />
das Hospiz. „Die Themen Tod und Sterben gehen nicht<br />
nur über 70-Jährige an.“<br />
Vorverkauf (Karten ab 36,90 Euro): elspe.de oder unter<br />
Tel. 02721/94440<br />
(obs)<br />
Ein ganz besonderes Musikspektakel präsentiert das St.-<br />
Elisabeth-Hospiz zusammen mit Elspe Festival am 8. <strong>Juni</strong><br />
2018. Das Musikkorps der Bundeswehr aus Siegburg und<br />
die Heavy-Metal-Band U.D.O. treten gemeinsam in der<br />
Military Metal Night auf der Naturbühne Elspe auf. Der<br />
Vorverkauf hat begonnen. Rund 4300 Zuschauerplätze<br />
stehen zur Verfügung.<br />
Das 60-köpfige Bundeswehrorchester und die Metal-<br />
Band begeisterten im Jahr 2015 die rund 75.000 Fans<br />
beim weltgrößten Heavy-Metal-Festival in Wacken. „Da-<br />
75
Text Martin Droste<br />
Fotos Karsten Binczyk/Joachim Hoberg<br />
SPANNENDE EXPEDITIONEN IN DIE<br />
SAUERLÄNDER UNTERWELT<br />
Karsten Binczyk und Joachim Hoberg erkunden Höhlen und alte Bergwerksstollen<br />
76<br />
„Die anderen blicken in den Nachthimmel, wir haben<br />
ein Firmament aus Stein“, schmunzelt Karsten Binczyk.<br />
Der 49-Jährige aus Lüdenscheid steigt zusammen mit<br />
seinem Freund Joachim Hoberg (63) aus Attendorn regelmäßig<br />
in die Unterwelt ab und erkundet alte Stollen,<br />
Gruben und Bergwerke, Bunker oder Tunnel.<br />
„Der Märkische Kreis ist wie ein riesengroßer Flickenteppich.<br />
Es gibt kaum eine Gemarkung, wo nicht ein<br />
Grubenfeld drauf ist“, berichtet der inzwischen in Valbert<br />
wohnende Binczyk. Abgebaut wurden hier vor vielen<br />
Jahren Kupfer, Bleierz, Eisen, Zink, Schwerspat oder<br />
Schwefelkies. Mit „Hartnäckigkeit und Detektivarbeit“<br />
macht sich der für eine Hausverwaltung in Lüdenscheid<br />
arbeitende Techniker mit dem Gardemaß von 2,03 Meter<br />
in seiner Freizeit auf Spurensuche.<br />
Die beiden Heimatforscher sind ein eingespieltes Team.<br />
Das zeigt das Beispiel der Kieselschiefer-Grube am Dumberg<br />
bei Heggen. Hoberg hatte seinen Kumpel Binczyk<br />
informiert, dass es hier ein dicht verzweigtes Stollensystem<br />
von sieben Kilometer Länge gibt. Abgebaut wurde<br />
das Gestein zwischen 1939 und 1973. Karsten Binczyk<br />
war sofort Feuer und Flamme, suchte Augenzeugen,<br />
alte Unterlagen und hatte Glück. Durch den Tipp eines<br />
ehemaligen Steigers aus Brilon entdeckte er in einem<br />
alten, festverschlossenen Firmenschrank Pläne. Wenig<br />
später stieß der Lüdenscheider auf 56 historische Fotos.<br />
Für solche Augenblicke lebt er seine Leidenschaft.<br />
Unter Tage funktioniert kein Handy<br />
Als sich Karsten Binczyk und Joachim Hoberg um 1990<br />
zum ersten Mal begegneten, natürlich unter Tage, lief<br />
der Lüdenscheider noch im Blaumann durch die Stollen.<br />
Der Höhlenforscher aus Attendorn mit geologischem<br />
Interesse war da schon wesentlich professioneller unterwegs<br />
und hat seinem Freund in Sachen Ausrüstung<br />
viel beigebracht. Längst gehören Sauerstoff- und CO2-<br />
Messgeräte, Lampen, Helme, Seile, Gummistiefel, Thermo-Schutzdecken,<br />
ein Erste-Hilfe-Koffer und genügend<br />
Proviant zur Grundausstattung, wenn die Beiden in die<br />
Tiefe absteigen.<br />
Da unten kann es ganz schön kalt werden. „Man bewegt<br />
sich ja nicht so viel“, erzählt Joachim Hoberg. Oft<br />
geht es im schwierigen Gelände nur kriechend oder<br />
auf dem Bauch rutschend zentimeterweise weiter. Für<br />
Menschen mit Platzangst ist das nichts.<br />
Zehn bis zwölf Stunden sind Binczyk und Hoberg in der<br />
dunklen Unterwelt unterwegs, zum Teil übernachten sie<br />
sogar dort. „Man verliert jegliches Zeitgefühl“, sagt Joachim<br />
Hoberg. „Ein Handy funktioniert hier unten nicht“,<br />
verrät der gelernte Industriemeister, der seit einigen<br />
Monaten Rentner ist. Deshalb geben der Bergbauexperte<br />
und der Höhlenforscher, die aus Sicherheitsgründen<br />
nie allein in einen Stollen oder eine Höhle einfahren,<br />
vorher immer genau Bescheid, wo und wann sie in die
Unterwelt abtauchen.<br />
Passiert ist den beiden „Profis“, wie sie sich selber<br />
bezeichnen, dank der guten Vorbereitung<br />
und Ausrüstung noch nichts. „Für Abenteurer und<br />
Touristen ist es genau das falsche Hobby“, betont<br />
Karsten Binczyk. Deshalb schaut sich er sich bei<br />
seinen Exkursionen über der Erde auch genau die<br />
Teilnehmer an und entscheidet dann, wer geeignet<br />
für einen Ausflug in die Unterwelt ist.<br />
„Höhlen sind viel sicherer als Bergwerke“,<br />
erklärt Joachim Hoberg und nennt den Grund:<br />
„Beim Anlegen von Stollen wird auch schon einmal<br />
gegen den Berg gearbeitet.“ Auch das müssen<br />
die beiden Experten berücksichtigen, wenn<br />
sie unter Tage einfahren.<br />
Eine eigene Höhle im Garten<br />
Der Attendorner Hoberg hat zu Hause das,<br />
von dem wohl viele Kinder träumen: eine eigene<br />
Höhle. Die „Noackenhöhle“ wurde 1949<br />
beim Bau des Elternhauses freigelegt. Schon<br />
als kleiner Junge ist Joachim Hoberg durch die<br />
verwinkelte und an einigen Stellen sehr enge<br />
Horizontalhöhle gekrochen und geklettert. 2013<br />
ließ sich der stellvertretende Bürgermeister Uli<br />
Selter vom Hausherrn die Dolomitkammer, den<br />
Abstieg in die Teufelsgrube und die größere Eierhalle<br />
zeigen. Sogar Stalaktiten gibt es zu bestaunen.<br />
Alles festgehalten in einem Videofilm.<br />
Die Höhlenforschung hat Joachim Hoberg nicht mehr<br />
losgelassen. In der Kalksenke zwischen Attendorn und<br />
Elspe gibt es über 100 Höhlen. Die allermeisten hat<br />
der heute 63-Jährige erkundet. Seit vielen Jahren interessieren<br />
den Hansestädter aber auch die Spuren des<br />
heimischen Bergbaus. „Das war richtige Knochenarbeit.<br />
Die Bergleute haben am Tag zum Teil nur 20 Zentimeter<br />
Strecke geschafft. Mich fasziniert, wie dort früher gearbeitet<br />
worden ist“, ist der Hansestädter längst nicht<br />
mehr nur Höhlenforscher.<br />
Karsten Binczyk hat schon mit sechs Jahren in Sachen<br />
Bergbau Blut geleckt. Mit Otto Kaule von der Naturwissenschaftlichen<br />
Vereinigung Lüdenscheid zählte Binczyk<br />
junior in der Grube „Olga“ bei Herscheid Fledermäuse<br />
und Salamander. „Das war für mich etwas Neues und<br />
ganz anders, als auf Bäume zu klettern und im Sandkasten<br />
zu spielen“, blickt der Lüdenscheider zurück. „Wo<br />
gehen die Stollen hin und wo hören sie auf? Wie sah<br />
der technische Ausbau aus? Wofür haben die Menschen<br />
früher Blei und Eisen gebraucht?“ Fragen über Fragen,<br />
die sich der junge Mann gestellt hat und die ihn heute<br />
noch immer interessieren.<br />
Karsten Binczyk suchte den Kontakt mit Fachleuten<br />
und Ämtern, ließ sich trotz seines jungen<br />
Alters bei den Amtsgerichten in Lüdenscheid<br />
bzw. Plettenberg nicht abwimmeln,<br />
wo damals die Bergbau-Grundbücher aufbewahrt<br />
wurden. Die Übersicht des Plettenbergers<br />
Fritz Bertram über die Bergwerke im südlichen<br />
Märkischen Kreis wurde sein Leitfaden.<br />
„Andere haben Micky Maus gelesen, ich Fritz<br />
Bertram“, lacht der Lüdenscheider, der eng<br />
77
die Gruben „Olga“ bei Herscheid und „Bertha“ bei Werdohl<br />
sowie der Dortmunder Goldschmiedefamilie Carl<br />
Tewes auf sich hat.<br />
In Sachen Heimatforschung haben Joachim Hoberg und<br />
Karsten Binczyk eine Vielzahl von Vorträgen gehalten,<br />
Fachbeiträge verfasst, Fotos gemacht, Videos gedreht.<br />
Auch der WDR hat über das Duo aus Lüdenscheid und<br />
Attendorn berichtet. Mit ihren Vorträgen und Veröffentlichungen<br />
wollen die Beiden den Sauerländern<br />
ein Stück Heimatgeschichte und Industriekultur vor der<br />
Haustür zeigen.<br />
mit Biologen, Geologen und anderen Bergbaufachleuten<br />
zusammenarbeitet.<br />
Mit dem Fahrrad, später mit dem Mofa, suchte der<br />
Schüler verschollene und verschüttete Standorte von<br />
ehemaligen Gruben und Bergwerken, besorgte sich alte<br />
Pläne und Fotos und buddelte zum Teil wochenlang. In<br />
der Hölmecke bei Herscheid grub Karsten Binczyk mit<br />
unendlicher Geduld einen Stollen der Grube „Amandus“<br />
aus. In einem Garten bei Heedfeld stieß der Hobbyforscher<br />
in sechs Meter Tiefe auf Teile der alten Eisengrube<br />
„Superintendent“, benannt nach dem Hülscheider<br />
Pfarrer Karl Stöter, der hier und an anderer Stelle schürfen<br />
ließ. Mit Genehmigung der Hausbesitzer, die vier<br />
Wochen in Ägypten Urlaub machten, durfte Binczyk im<br />
Garten graben.<br />
Längst sind Joachim Hoberg und Karsten Binczyk in<br />
ganz Deutschland unterwegs und haben unterirdische<br />
Geheimnisse im Erzgebirge oder in Thüringen gesucht<br />
und gefunden. „Mein tiefster Punkt waren 1750 Meter<br />
in einem Uran-Bergwerk bei Aue.“ – „Ich bin im Kohlebergwerk<br />
Ibbenbüren schon auf 1545 Meter gewesen“,<br />
versuchen sich die beiden Freunde in Sachen Tiefenrekord<br />
zu übertrumpfen.<br />
Spektakuläre Fotos und Videos<br />
Ernst wird Binczyk, wenn er auf seine Besuche in riesigen<br />
Untertage-Fabriken aus der Nazi-Zeit zu sprechen<br />
kommt, wo Tausende von Zwangsarbeitern unter unmenschlichen<br />
Bedingungen schuften mussten und viele<br />
regelrecht krepiert sind. Festgehalten hat der Heimatforscher<br />
auch diese düsteren Ausflüge in die Unterwelt<br />
in spektakulären Fotos und mittlerweile bereits sieben<br />
Videofilmen.<br />
Die Fotoausrüstung ist im Laufe der Jahre immer professioneller<br />
geworden. Seine Videos schneidet Karsten<br />
Binczyk selbst. Wer mehr erfahren will, sollte unter<br />
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DIE MARMELADENKÖNIGIN<br />
EIN HUBBI-KURZKRIMI Von Pia Mester<br />
„Dann kannst du ja auch eben reinschauen und sie dir<br />
ansehen“, sagte Lotte in einem flehentlichen Ton, bei<br />
dem Hubbi immer weich wurde.<br />
„Ok, aber nur ganz kurz“, seufzte sie. An diesem Morgen<br />
wollte sie zum Getränkehändler, um wie fast jeden<br />
Monat einen Zahlungsaufschub herauszuhandeln. Ihre<br />
Kneipe, die Nuckelpinne in Affeln, würde irgendwann<br />
schon richtig anlaufen, davon war sie überzeugt. Noch<br />
war es allerdings nicht so weit.<br />
Sie setzte ihren Rauhaardackel Meter auf den Beifahrersitz<br />
ihres Caddys und fuhr zu dem Häuschen von Lottes<br />
Tante Brunhilde Mazer. Seit einem Jahr führte Brunhilde<br />
ein kleines Marmeladen-Unternehmen, das Monat für<br />
Monat wuchs. Über die paar Gläser, die sie anfangs auf<br />
Bauern- und Wochenmärkten verkauft hatte, konnte<br />
sie heute nur staunen. Mittlerweile rissen die Leute ihr<br />
ihre Marmeladen-Kreationen aus den Händen und sie<br />
hatte expandiert. Nun beschäftigte sie mehrere Mitarbeiter,<br />
die im ausgebauten Keller ihres Hauses Tag für<br />
Tag nach Brunhildes Rezepten kochten und die Ergebnisse<br />
verpackten und verschickten. Lotte half ihrer Tante<br />
gelegentlich, wenn es besonders hoch her ging, beim<br />
Versand. Jetzt, im <strong>Juni</strong>, brummte das Geschäft und Lotte<br />
war fast täglich bei Brunhilde.<br />
Hubbi parkte vor Brunhildes Haus, stieg aus und ging<br />
zur Tür. Die wurde aufgerissen, noch ehe sie auf den<br />
Klingeknopf drücken konnte. „Da bist du ja endlich!“,<br />
rief Lotte und umarmte ihre Freundin. Sie strahlte über<br />
das ganze Gesicht. Hubbi musste schmunzeln.<br />
„Dann zeig das gute Stück mal her“, sagte sie. Lotte<br />
eilte voran in das Büro der Marmeladenkönigin, wie<br />
Brunhilde im Dorf heimlich genannt wurde.<br />
„Hallo Hubbi, wie geht´s?“, fragte Brunhilde und verwickelte<br />
Hubbi in einen freundlichen Plausch über den<br />
Gesundheitszustand ihrer Eltern und das Wetter. Lotte<br />
schaute dem Ganzen ungeduldig zu, doch irgendwann<br />
unterbrach sie die beiden. „Hier, jetzt guck doch“, sagte<br />
sie und streckte Hubbi eine silberglänzende Handtasche<br />
entgegen. Hubbi musste blinzeln, so stark reflektierte<br />
die Tasche das Licht.<br />
„Ist sie nicht wunderschön?“, fragte Lotte und schaute<br />
die Tasche dabei so liebevoll an, als handele es sich<br />
dabei um ihr Baby.<br />
„Wirklich hübsch“, sagte Hubbi und Lotte grinste. Hubbi<br />
wusste, dass ihre Freundin sich die Tasche regelrecht<br />
vom Mund abgespart hatte. Am Tag zuvor hatte sie sie<br />
dann endlich gekauft und musste sie Hubbi natürlich<br />
sofort vorführen.<br />
„Nicht wahr?“, sie streichelte die Tasche zärtlich. Hubbi<br />
war so amüsiert über dieses Schauspiel, dass sie erst<br />
mitbekam, dass Brunhilde telefonierte, als diese einen<br />
spitzen Schrei ausstieß.<br />
„Das können Sie doch nicht machen!“, rief sie, kreidebleich<br />
im Gesicht. Sie sah, dass Lotte und Hubbi zu ihr<br />
herüberstarrten und drückte auf den Lautsprecherknopf.<br />
„… Hundertausend in bar, oder ich poste es auf Facebook“,<br />
hörte Hubbi eine Stimme, die wie von einem<br />
Computer zu stammen schien.<br />
„So viel habe ich aber nicht“, protestierte Brunhilde.<br />
Ein raues Lachen erklang in der Leitung. „Lügen Sie<br />
mich doch nicht an.“<br />
Brunhilde legte die Stirn in Falten.„Und wie soll ich Ihnen<br />
das Geld geben?<br />
„Ihre Nichte soll das Geld in ihrer schicken Glitzerhandtasche<br />
mit sich herumtragen. Ich hole es mir dann irgendwann<br />
schon“, antwortete die Stimme und legte<br />
auf.<br />
„Was war das denn?“, wollte Lotte wissen?<br />
„Ein Erpresser“, sagte Brunhilde. „Er sagt, dass fünf<br />
Marmeladengläser vergiftet sind. Wenn ich ihm nicht<br />
hundertausend Euro gebe, will er damit an die Öffentlichkeit<br />
gehen.“<br />
Geschockt starrten Brunhilde und Lotte sich an. Nur<br />
Hubbi guckte nachdenklich an die Decke. Ihr detektivischer<br />
Verstand arbeitete bereits auf Hochtouren. Der Erpresser<br />
konnte nur jemand sein, der wusste, dass Lotte<br />
diese Handtasche besaß.<br />
„Wer war heute schon alles hier?“, fragte sie.<br />
Brunhilde blinzelte irritiert. „Wir beide, Ingo, mein Koch,<br />
er ist unten in der Küche. Und Louisa...“ Bei den letzten<br />
Worten schaute sie zu Boden.<br />
„Louisa hat sich ihr Arbeitszeugnis abgeholt“, erklärte<br />
Lotte. „Brunhilde musste sie letzte Woche kündigen, sie<br />
hat ständig gegen die Hygienevorschriften verstoßen.<br />
Ihr Freund hat sie begleitet.“<br />
„Und Wendelin, mein Nachbar“, fügte Brunhilde noch<br />
hinzu.<br />
„Hattet ihr nicht mal Ärger wegen der Gerüche aus dem<br />
Keller?“, fragte Lotte.<br />
Brunhilde nickte. „Ja. Er wollte sein Haus verkaufen<br />
und meinte, die Küchendüfte würden den Verkaufswert<br />
mindern. Aber das haben wir aus der Welt geschafft.“<br />
80
Hubbi zog ein einseitig bedrucktes Werbeschreiben aus<br />
Lottes Papierkorb und notierte sich die Namen auf der<br />
Rückseite.<br />
„Was machen wir denn jetzt?“, fragte Brunhilde.<br />
Lotte schaute Hubbi fragend an.<br />
„Ich hab da eine Idee.“<br />
Am Abend drückte Hubbi ihrer Cousine Fritzi eine Colaflasche<br />
und eine Laugenbretzel in die Hand und schaute<br />
sie streng an. „Nicht einschlafen, verstanden?“<br />
Fritzi nickte artig, was Hubbi von der aufmüpfigen<br />
16-Jährigen so gar nicht kannte. Doch die Belohnung<br />
dafür, dass sie die ganze Nacht in Hubbis Caddy vor Lottes<br />
Haus saß und auf Einbrecher achtete, schien sie zu<br />
motivieren. Hubbi hatte ihr und ihren drei Freundinnen,<br />
die zeitgleich die Häuser der Verdächtigen bewachten,<br />
eine Stange Zigaretten versprochen.<br />
„Wie kannst du den Kindern bloß das Rauchen ermöglichen?!“,<br />
hatte Lotte entsetzt gefragt.<br />
„Sie werden es ausprobieren und bald merken, dass<br />
man als Raucher immer ausgeschlossen und auf die<br />
Straße gesetzt wird, da wird es ihnen schon wieder vergehen“,<br />
sagte Hubbi leichthin. So war es ihr zumindest<br />
ergangen und sie war ihrer Cousine mit 16 ziemlich<br />
ähnlich gewesen.<br />
Hubbi schlief in Lottes Wohnzimmer. Lottes Mann war<br />
auf Geschäftsreise in Schweden, aber als er hörte, dass<br />
Hubbi auf seine Frau aufpasste, war er beruhigt gewesen.<br />
Brunhilde hatte Hubbis Plan, Lotte heimlich beschatten<br />
zu lassen, um so den Erpresser auf frischer Tat<br />
zu ertappen, erst angezweifelt. Sie hatte sogar ihren<br />
Mann dazu geholt, und der konnte die Marmeladenunternehmerin<br />
davon überzeugen, dass Hubbis Idee gar<br />
nicht so schlecht war.<br />
Nun hoffte Hubbi, dass der Erpresser bald zuschlagen<br />
würde. Sie starrrte an Lottes Wohnzimmerdecke und<br />
lauschte dem tiefen Atmen ihrer Freundin, bis sie irgendwann<br />
wegnickte.<br />
„Du hast nichts mitbekommen?!“ Hubbi musste sich<br />
zwingen, nicht zu schreien. Fritzi rieb sich die Augen.<br />
Als sie am Morgen erwacht waren, hatte Lottes Schlafzimmerfenster<br />
offen gestanden. Die silberne Handtasche<br />
mit den hundertausend Euro war weg und auf<br />
ihrem Nachttisch lag ein Zettel mit den genauen Angaben,<br />
welches Glas vergiftet worden war. Lotte hatte den<br />
Einbruch verschlafen, worüber sie alle froh waren.<br />
Weniger froh war Hubbi darüber, dass auch Fritzi eingeschlafen<br />
war.<br />
„Ich war wirklich hellwach, aber dann kam Brunhildes<br />
Mann und brachte<br />
mir eine heiße<br />
Schokolade.“<br />
Hubbis Augen<br />
weiteten sich. Sie rief Fritzis Freundinnen an, die nicht<br />
eingeschlafen waren, und erfuhr, dass die anderen Verdächtigen<br />
die Nacht über zuhause gewesen waren.<br />
„Mist“, murmelte sie.<br />
Lotte schaute sie fragend an.<br />
„Am besten sagst du es deiner Tante“, sagte Hubbi zerknirscht.<br />
„Was soll ich ihr sagen?“<br />
„Dass ihr eigener Mann sie erpresst hat.“<br />
Lotte schnappte nach Luft. „Wie kommst du denn darauf?“<br />
„Er war der Einzige außer uns beiden und Brunhilde selber,<br />
der von Fritzi im Gartenhaus wusste.“<br />
Jetzt blieb Lotte der Mund offen stehen. „Vielleicht kauft<br />
dir Brunhilde zum Dank für die Gefahr, in die du dich gebracht<br />
hast, ja eine neue Handtasche“, sagte Hubbi und<br />
beide mussten lächeln.<br />
Hubbi ermittelt auch in voller Roman-Länge:<br />
„Kassensturz - Hubbis erster Fall“ und „Fingerspitzengefühl<br />
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81
WUNDERSAME SCHARFSICHTIGKEIT<br />
Um meine halbjährliche Augenuntersuchung<br />
durchführen<br />
zu lassen, sitze ich schon, aber<br />
noch alleine, im Behandlungszimmer<br />
meiner Augenarztpraxis<br />
in der Nachbarstadt.<br />
Mir fällt auf, dass jemand das<br />
Licht in der Zahlentafel angelassen<br />
hat. Im gleichen Moment bekomme ich die Idee,<br />
näher an diese Tafel heranzugehen, um mir von den<br />
fünf Zahlenreihen die zwei untersten, also die mit den<br />
kleinsten Zahlen, mit einem Filzschreiber, der dort liegt,<br />
in die linke Handfläche zu schreiben.<br />
Als die nette Assistentin kommt, um mit der Vorbehandlung<br />
zu beginnen, sitze ich längst wieder brav auf<br />
meinem Stuhl. Sie studiert meine Unterlagen und beginnt<br />
dann die übliche Zeremonie mit dem Vorlesen der<br />
Buchstaben an der Zahlentafel, von der ich bisher immer<br />
nur die ersten drei Zahlenreihen erkennen konnte.<br />
Als ich aber diesmal anstelle der üblichen drei Zeilen<br />
alle fünf super sicher, schnell und flüssig vorlese, kommt<br />
sie doch sehr ins Grübeln. Hatte sie doch nicht gemerkt,<br />
dass ich die letzten Zahlenreihen aus meiner Hand vorlese.<br />
Erstaunt verlangt sie von mir eine Wiederholung,<br />
bei der ich wieder ohne Probleme jede einzelne Zahl<br />
lesen kann. Daraufhin beginnt sie intensiv, meine Datei<br />
zu studieren, misst meine Brillengläser nach, fragt per<br />
Sprechanlage, ob von mir neue Daten vorlägen und ist<br />
sichtlich irritiert. Als dann auch noch der Augenarzt dazu<br />
kommt und verständlicherweise auch keine Erklärung<br />
findet, bekomme ich langsam, aber sicher ein schlechtes<br />
Gewissen.<br />
Von<br />
Horst Hanke<br />
Irgendwann entdeckt der Herr Doktor mein unschuldiges<br />
Lächeln und da dämmert es ihm. Unter Androhung, unsere<br />
Freundschaft zu kündigen, sagt er: „Komm sag’ es<br />
schon, was ist los, was hast du gemacht?“ Ich versuche<br />
es zunächst mit Ausreden: Das Licht in der Tafel wäre<br />
das erste Mal an gewesen, der Stuhl wäre viel näher an<br />
der Tafel als sonst, ich hätte vorher die Brille geputzt, bis<br />
zur Behauptung, ich wäre heute halt gut drauf. Leider<br />
sieht er, je dümmer meine Erklärungen klingen, immer<br />
skeptischer drein. Bis ich einsehe, dass es keinen Zweck<br />
mehr hat weiter zu gaukeln. Ich kapituliere und zeige<br />
ihm die linke Handfläche mit den zwei Zahlenreihen.<br />
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es Weinen oder Lachen<br />
ist, was ich ernte. Schließlich aber wird mir verziehen<br />
und ich darf in einem halben Jahr wiederkommen.<br />
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15. Oktober, 15. Dezember<br />
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