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2017-3_Frauenpower

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FRAUENPOWER<br />

AM DOURO<br />

von Elisabeth Herrmann<br />

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Der schönste Blick auf<br />

Porto und seine Altstadt<br />

bietet sich von der<br />

Uferpromenade unterhalb<br />

der Portwein-Lagerhäuser<br />

in Vila Nova de Gaja aus.<br />

In Portugal herrschen die Frauen. Wie in kaum einem anderen Weinbauland der Welt<br />

übernehmen sie am Douro, im Dão oder Alentejo schon seit Jahren die Weingüter,<br />

gestalten diese in ihrem ganz eigenen Stil und führen sie zum Erfolg: bemerkenswert<br />

für eine Gesellschaft, deren Bild ansonsten noch fast vollständig von Männerherrschaft<br />

geprägt ist. Für die das Macho-Gehabe eines Cristiano Ronaldo typischer scheint als die<br />

matriarchalischen Züge manch asiatischer oder afrikanischer Gesellschaften.<br />

Elisabeth Herrmann fuhr jetzt für enos ins nördliche Portugal, um diesem scheinbaren<br />

Widerspruch auf den Grund zu gehen. Um das Land der Väter und die Weine der Töchter<br />

kennenzulernen.<br />

Das Gebäude der Rua Visconde das Devesas<br />

von Vila Nova de Gaia ist in die Jahre<br />

gekommen: einst Wohnhaus wohlhabender<br />

Portweinbarone, später umgebaut<br />

zu einem Firmensitz. Im Eingangsbereich<br />

hängt, von den Jahren eingedunkelt, das Portrait<br />

des Gründers, Manoel Domingues Poças Júnior,<br />

eines ernst dreinblickenden Mannes mit gravitätischem<br />

Schnurrbart. 1918 legte der den Grundstein<br />

für die inzwischen bald hundertjährige Firmengeschichte.<br />

Poças Júnior ist eines der letzten<br />

Portweinhäuser in Familienbesitz. Jedoch, die Unscheinbarkeit<br />

täuscht. Eine kleine Tür führt in die<br />

Lagerhallen … und die sind endlos. Hunderte, vielleicht<br />

tausende Fässer stapeln sich hier. In der Luft<br />

liegt der Duft von Holz und Portwein. Kellergeruch.<br />

Es ist früher Morgen. Draußen vor der Tür strahlt<br />

die Sonne am azurblauen Himmel. Hier drinnen<br />

dagegen scheint die Zeit stehengeblieben. Das<br />

sanfte Dämmerlicht erzeugt die Illusion eines ausklingenden<br />

Abends. Maria Manuel Maia führt uns<br />

in einen Raum mit holzgedrechselten Stühlen und<br />

einem Tisch, der aussieht, als hätten an ihm schon<br />

Generationen von Portweinhändlern um Preise gefeilscht.<br />

An den Wänden Regale mit Flaschen, die<br />

Etiketten erzählen von Zeiten, in denen die Kaufleute<br />

und Winzer noch Männer waren.<br />

Das ist heute anders, zumindest seit Maria vor drei<br />

Jahren das Geschäft von ihrem Vater übernommen<br />

hat. Die Fässer in der Lagerhalle und rund hundert<br />

Hektar Reben im Douro. Seither sind nicht nur Herstellung<br />

und Vertrieb, sondern auch die Landwirt-<br />

28 | REPORTAGE<br />

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In den endlosen<br />

Lagerhallen von Poças<br />

Júnior stapeln sich<br />

hunderte, wenn nicht<br />

tausende Fässer.<br />

Maria Manuel Maia und ihr Vater sind ein eingespieltes<br />

Team. Zusammen führen sie die Portweinkellerei Poças<br />

Júnior in Vila Nova.<br />

Man führte die Schweine zur<br />

Schlachtbank, Frauen arbeiteten<br />

im Haus, Männer draußen<br />

schaft Teil des Alltags der jungen Mutter. Die wirkt<br />

ernst, fast ein wenig blass in diesem Kellerlicht.<br />

Erst als die Sprache auf ihre Kindheit kommt, beginnen<br />

die Augen zu leuchten.<br />

Aufgewachsen ist Maria weit weg von Porto<br />

und Vila Nova im Tal des Douro, am<br />

Fluss, wo Menschen seit Jahrhunderten<br />

unter härtesten Bedingungen Weinreben<br />

kultivieren. Damals, als Maria noch ein Kind<br />

war, und die Welten von Männern und Frauen strikt<br />

getrennt, dauerte die Reise von Porto in die Douroregion<br />

einen ganzen Tag. In Marias Erinnerung ist<br />

das Douro ein in Hitze und Staub glühendes Land<br />

mit archaischen Ritualen. Man führte die Schweine<br />

selbst zur Schlachtbank, die Frauen wirtschafteten<br />

im Haus, die Männer draußen in den Weinbergen.<br />

Dreißig Jahre später dauert die<br />

Fahrt in das Flusstal keine zwei<br />

Stunden mehr. Und Maria ist eine<br />

der renommiertesten unabhängigen<br />

Portweinproduzentinnen. Die Entscheidung,<br />

das Unternehmen des<br />

Vaters zu übernehmen, fiel ihr nicht schwer. Auch<br />

wenn der, wie sie mit einem kleinen Lachen gesteht,<br />

„sie den Löwen vorgeworfen hatte“. Der Sprung ins<br />

kalte Wasser, direkt von der Universität hinein in<br />

die Weinberge und die gewaltigen Kellergewölbe,<br />

war nicht einfach. Landwirtschaft ist in Portugal<br />

eine Männerdomäne. Nur die „Tochter von“ zu sein,<br />

reicht nicht aus. „Wir sind jung und hervorragend<br />

ausgebildet. Aber eines kann man dir nicht beibringen:<br />

Dass die Menschen dir vertrauen.“<br />

Maria Manuel Maia trägt zwei Seelen in ihrer Brust.<br />

Sie ist in Fontelas am Meer geboren, also keine<br />

Einheimische vom Douro, dem wilden grünen<br />

Tal mit seinen sanft geschwungenen Weinbergen<br />

und dunklen Wäldern, obwohl sie dort die endlosen<br />

Sommer ihrer Kindheit verbrachte. Sie ist ein<br />

„Stadtmädchen“, und gleichzeitig fällt es ihr leicht,<br />

den „fato de macaco“ anzuziehen, den unförmigen<br />

Arbeitsoverall der Landarbeiter, die sie mittlerweile<br />

vollständig akzeptieren: mit Sicherheit auch der<br />

Verdienst ihres Vaters Paulo, der ihr die Türen öffnete<br />

und nicht ohne Stolz bemerkt: „Aber durchgehen<br />

musste sie alleine.“<br />

Zwar ist immer noch die Mehrheit der portugiesischen<br />

Weinproduzenten männlich. Aber nicht nur<br />

Maria hat festgestellt: „Es bewegt sich etwas.“ Immer<br />

mehr Frauen studieren Önologie, im Bereich<br />

Vertrieb und Marketing ist das Verhältnis fast<br />

schon ausgeglichen. Dass sich ausgerechnet am<br />

Douro, in diesem einstmals hinterwäldlerischen<br />

Landstrich, eine sanfte Revolution zuträgt, hat viel<br />

mit der UTAD von Vila Real zu tun, der Universidade<br />

de Trás-os-Montes e Alto Douro. Seit 1987 kann<br />

man hier studieren; eine Zeitenwende für die Region,<br />

aus der die jungen Menschen bis dahin in die<br />

Städte geflüchtet waren.<br />

E<br />

twa zum Zeitpunkt der Gründung der noch<br />

jungen Hochschule wurde Sónia Pereira in<br />

einem kleinen Dorf in der Nähe von Pinhão<br />

geboren. Bis heute sieht die Hügellandschaft,<br />

durch die sich der Fluss grub, hier aus, als<br />

hätte ein Riese mit seinem Kamm die Terrassen<br />

gezogen. Bis in eine Höhe von 800 Metern wächst<br />

Rebe an Rebe. Doch nur wenige Familien konnten<br />

sich eine Quinta, ein Herrenhaus in den Weinbergen,<br />

leisten. Diesen Glücklichen gehört bis heute<br />

ein großer Teil der Weinberge. Zwar besitzt fast<br />

jeder, der hier lebt, ein Stück Land. Doch das ist<br />

aufgeteilt unter rund 21.000 Bauern, und nur ein<br />

Zehntel von ihnen hat mehr als acht Hektar.<br />

Auch Sónia Pereira kann sich noch an die bittere<br />

Armut ihrer Kindheit erinnern, an die Zeiten ohne<br />

Elektrizität und fließendem Wasser. Und an den Exodus<br />

der jungen Leute. Was sollte die Jungen auch<br />

30 | REPORTAGE REPORTAGE<br />

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