Leseprobe Computer und Arbeit 7-8-2017

24.07.2017 Aufrufe

Computer und Arbeit cua | it - mitbestimmung und datenschutz cua - web.de 26. JAHRGANG ISSN 1863 - 8511 D 11680 7 - 8 | 2017 weiterbildung 4.0 Fit für die digitale Arbeitswelt bildschirmarbeit Das neue Arbeitsstättenrecht enthält ganz neue Anforderungen big data Es braucht jetzt strenge und praktikable Regeln im Beschäftigtendatenschutz bildungsnotstand Unsere vernetzte Zivilisation ist durch dunkle Kräfte bedroht

<strong>Computer</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

cua | it - mitbestimmung <strong>und</strong> datenschutz<br />

cua - web.de<br />

26. JAHRGANG<br />

ISSN 1863 - 8511<br />

D 11680<br />

7 - 8 | <strong>2017</strong><br />

weiterbildung 4.0<br />

Fit für die digitale<br />

<strong>Arbeit</strong>swelt<br />

bildschirmarbeit Das neue <strong>Arbeit</strong>sstättenrecht enthält ganz neue Anforderungen<br />

big data Es braucht jetzt strenge <strong>und</strong> praktikable Regeln im Beschäftigtendatenschutz<br />

bildungsnotstand Unsere vernetzte Zivilisation ist durch dunkle Kräfte bedroht


titelthema weiterbildung 4.0 CuA 7- 8 |<strong>2017</strong><br />

Bildungs - Updates für<br />

Beschäftigte<br />

mitbestimmung Die Digitalisierung ist kein Naturphänomen, sondern ein gestaltbarer<br />

Prozess. Und in diesem spielt Weiterbildung eine zentrale Rolle, damit die Beschäftigten<br />

nicht auf der Strecke bleiben. Die Interessenvertretung kann dabei kräftig mitmischen –<br />

bei entsprechender Qualifizierung.<br />

VON KATRIN LOCKER UND ISABEL EDER<br />

8


CuA 7- 8 |<strong>2017</strong><br />

weiterbildung 4.0<br />

titelthema<br />

Digitalisierung bedeutet Veränderungen<br />

in den Betrieben. Veränderungen<br />

gerade im Bereich von Qualiizierungen<br />

<strong>und</strong> Kompetenzen der<br />

Beschäftigten. Auf den Punkt gebracht: Künftig<br />

braucht man zwar möglicherweise nicht<br />

deutlich weniger <strong>Arbeit</strong>nehmerinnen <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>nehmer,<br />

so auch in einer Studie des Instituts<br />

für <strong>Arbeit</strong>smarkt - <strong>und</strong> Berufsforschung<br />

(IAB) aus 2015 1 nachzulesen, aber sie müssen<br />

aller Voraussicht nach etwas anderes können.<br />

Ein Beispiel aus dem Bankengewerbe<br />

zeigt dies deutlich: Bei Goldman Sachs sind<br />

etwa 9.000 Mitarbeiter, das ergibt ein Drittel<br />

der Gesamtbelegschaft, <strong>Computer</strong>techniker.<br />

Anlässlich der Anfänge der Automatisierung<br />

des Währungsgeschäfts haben sie herausgef<strong>und</strong>en,<br />

dass ein solcher <strong>Computer</strong>fachmann<br />

vier Händler ersetzen kann. Und so leeren sich<br />

jetzt teilweise die Räume des Hauptquartiers<br />

von Mitarbeitern. 2<br />

Wie das in anderen Bereichen sein wird,<br />

lässt sich allerdings nur erahnen. Wirklich viel<br />

mehr wissen wir also nicht. Und klar ist auch,<br />

dass wir nicht alle <strong>Computer</strong>techniker werden<br />

können.<br />

Diese Vision schürt die Angst vor einer<br />

Welt, in der viele Jobs nicht mehr gebraucht<br />

werden, in der der Mensch überlüssig wird.<br />

Aber hier sind Unternehmen, betriebliche Interessenvertretungen,<br />

Gewerkschaften, aber<br />

auch die Gesellschaft gefragt, den Blick dafür<br />

zu weiten, welche neuen Jobs oder Fertigkeiten<br />

denn gebraucht werden. Und das ist je nach<br />

Branche sehr unterschiedlich. Die Frage wäre<br />

also: Wo liegen denn neue Geschäftsmodelle?<br />

Wo können neue Jobs entstehen?<br />

Der Schlüssel liegt darin, im Bereich Bildung<br />

zukünftigen Beschäftigten einen vielfältigeren<br />

Einsatz zu ermöglichen <strong>und</strong> Mut zu<br />

haben, Neues zu wagen.<br />

In Finnland beispielsweise geht Bildung<br />

neue Wege: Vom klassischen Fachunterricht<br />

geht es ergänzend zur normalen Lehre in<br />

Richtung Phänomen - Unterricht. Hier sollen<br />

aktuelle Ereignisse <strong>und</strong> Interessen im Zentrum<br />

stehen. 3 Dabei wird die natürliche Neugier unterstützt<br />

<strong>und</strong> genutzt.<br />

Durch die Digitalisierung benötigen alle<br />

Beschäftigten ein regelmäßiges Bildungs-Update.<br />

Zudem werden methodische, soziale <strong>und</strong><br />

personale Kompetenzen immer wichtiger, um<br />

die komplex vernetzten Systeme zu beherrschen.<br />

Ausbildungsrahmenpläne geben<br />

ausreichend Flexibilität<br />

Die Digitalisierung wird in den Ausbildungsordnungen<br />

durch ihre ofenen Formulierungen<br />

inhaltlich abgedeckt. Das heißt: Durch<br />

die aktuellen Ausbildungsordnungen ist jeder<br />

Betrieb in die Lage versetzt, qualiizierte Fachkräfte<br />

auszubilden <strong>und</strong> damit seinen Fachkräftebedarf<br />

zu sichern.<br />

Die IG BCE, als Mitgliedsgewerkschaft des<br />

DGB, fordert: Es müssen unbedingt Umsetzungshilfen<br />

für die bestehenden Ausbildungsordnungen<br />

erarbeitet werden, um den Ausbildungsbetrieben<br />

speziische Hilfestellungen an<br />

die Hand zu geben. Ziel: Transparenz darüber,<br />

inwieweit für die zukünftigen Anforderungen<br />

die Ausbildungsinhalte im Betrieb anzupassen<br />

sind.<br />

Weiterhin sind nicht alle notwendigen<br />

Kompetenzen inhaltlich ein Thema der beruflichen<br />

Erstausbildung. Lebenslanges Lernen<br />

<strong>und</strong> ein immer hochspezialisierteres Wissen<br />

bedürfen einer besseren Verzahnung der Aus -<br />

<strong>und</strong> Weiterbildung.<br />

Weiterbildung als Aufgabe<br />

der Betriebsparteien<br />

Eine stetige Weiterentwicklung der Qualiikationen<br />

<strong>und</strong> Kompetenzen der <strong>Arbeit</strong>nehmerinnen<br />

<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>nehmer kann helfen, Beschäftigungsfähigkeit<br />

zu erhalten. 4<br />

Im Rahmen der veränderten <strong>Arbeit</strong>splätze<br />

<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sorganisationen sollten Weiterbildung<br />

<strong>und</strong> lernförderliche <strong>Arbeit</strong>sorganisation<br />

arbeitsplatznah sein. Wie umfangreich Weiterbildung<br />

sein muss <strong>und</strong> welche vertieften Kenntnisse<br />

<strong>und</strong> Kompetenzen notwendig sind, ist je<br />

nach Anforderungsproil unterschiedlich. Jede<br />

Beschäftigtengruppe benötigt unterschiedliche<br />

Qualiikationen <strong>und</strong> Qualiizierungsmaßnahmen,<br />

zum Beispiel An - <strong>und</strong> Ungelernte, Frauen,<br />

Ältere <strong>und</strong> jüngere Mitarbeiter. 5<br />

Für alle Beschäftigten gilt aber, dass der Bedarf<br />

an sozialen <strong>und</strong> personalen Kompetenzen<br />

– etwa <strong>Arbeit</strong> im Team oder in wechselnden<br />

Teams – durch den technologischen Wandel<br />

sowie die immer kürzer werdenden Innovationszyklen<br />

weiter zunehmen werden. Weiterbildung<br />

muss die Beschäftigten dazu befähigen,<br />

in den neuen <strong>Arbeit</strong>sformen – beispielsweise<br />

im Umgang mit Augmented Reality - Brillen –<br />

zu arbeiten.<br />

darum geht es<br />

1. Im Zuge des digitalen<br />

Wandels verändern sich<br />

beruliche Tätigkeiten<br />

zum Teil radikal.<br />

2. Routinearbeiten werden<br />

abnehmen <strong>und</strong> die<br />

verbleibenden Aufgaben<br />

erheblich wissensintensiver.<br />

3. Eine neue Aus - <strong>und</strong><br />

Weiterbildungskultur ist<br />

nötig – <strong>und</strong> damit auch<br />

neue Ansätze für die<br />

Mitbestimmung.<br />

1 IAB, Industrie 4.0 <strong>und</strong> die Folgen für <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>und</strong> Wirtschaft,<br />

Forschungsbericht 8/2015, http://doku.iab.de/forschungsbericht<br />

/2015/b0815.pdf<br />

2 Byrnes, <strong>Computer</strong> übernimmt Bankgeschäfte, Technology Review<br />

6/<strong>2017</strong>, 64<br />

3 Schmiester, Wenn Lernen zum Phänomen wird, www.tagesschau.de<br />

vom 20.11.2014<br />

4 Dazu ausführlich, Schwarzbach, Permanenter Lernprozess, in:<br />

CuA 7 - 8/<strong>2017</strong>, 12 f., in diesem Heft<br />

5 Siehe zu verschiedenen Lernmethoden <strong>und</strong> - prozessen auch Konrad<br />

- Klein, Agile Weiterbildung, in: CuA 7 - 8/<strong>2017</strong>, 16 f., in diesem<br />

Heft<br />

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titelthema weiterbildung 4.0 CuA 7- 8 |<strong>2017</strong><br />

Permanenter<br />

Lernprozess<br />

industrie 4.0 Durch Digitalisierung <strong>und</strong> Vernetzung verändern sich<br />

<strong>Arbeit</strong>sfelder. <strong>Arbeit</strong>sabläufe ändern sich radikal. Die Beschäftigten<br />

brauchen Unterstützung, um sich mit diesen Neuerungen vertraut zu<br />

machen. Qualifizierung <strong>und</strong> Zeit zum Lernen sind jetzt gefragt.<br />

VON MARCUS SCHWARZBACH<br />

darum geht es<br />

1. Nur qualiizierte<br />

<strong>Arbeit</strong>nehmer können<br />

künftig in der Industrie<br />

efektiv arbeiten.<br />

2. Einmalige Maßnahmen<br />

werden nicht ausreichen,<br />

Lernen durch Coaching<br />

gewinnt deshalb an Bedeutung.<br />

3. Die betriebliche<br />

Interessenvertretung<br />

kann dabei ihre Mitbestimmungsrechte<br />

nutzen<br />

<strong>und</strong> die Beschäftigten<br />

schützen.<br />

In der Produktionsarbeit der Zukunft<br />

sind die Menschen stärker die Dirigenten<br />

<strong>und</strong> Koordinatoren der Fabrik. Die<br />

harte Muskelarbeit <strong>und</strong> auch einen Teil<br />

der Denkarbeit übernehmen die Maschinen,<br />

schildert Professor Gunther Reinhart, Leiter<br />

des Instituts für Werkzeugmaschinen <strong>und</strong> Betriebswissenschaften<br />

(iwb) der Technischen<br />

Universität München, seine Sicht zur Rolle des<br />

Menschen bei der Produktionssteuerung der<br />

Zukunft. 1 Lernen sollte betrieblicher Alltag<br />

sein. Dabei wird berücksichtigt, welche Vorkenntnisse<br />

jemand mitbringt, welche Beschäftigten<br />

zu Personengruppen zusammengefasst<br />

werden können, welche Rahmenbedingungen<br />

gegeben sind. Es empiehlt sich, dies in einer<br />

betrieblichen Vereinbarung sicherzustellen,<br />

beispielsweise so:<br />

»Vor Einsatz der neuen Technik vermitteln<br />

Schulungsmaßnahmen den <strong>Arbeit</strong>nehmern einen<br />

Überblick über den Aufbau <strong>und</strong> die Funktionsweise<br />

des Programms. Die betrofenen<br />

Mitarbeiter werden durch angemessene Einarbeitungszeiten<br />

an die neue Technik herangeführt.<br />

Die Maßnahmen werden von didaktisch<br />

<strong>und</strong> inhaltlich geschulten Personen durchgeführt,<br />

die auch als Ansprechpartner während<br />

der Einführungsphase der Software zur Verfügung<br />

stehen.«<br />

Ein Nachschulungsrecht nimmt Beschäftigten<br />

eventuell vorhandene Ängste. Darüber<br />

hinaus fördert eine solche Absicherung auch<br />

die Akzeptanz in der Belegschaft:<br />

»Stellt sich innerhalb von sechs Monaten<br />

heraus, dass die Maßnahme nicht ausreichend<br />

war, hat der <strong>Arbeit</strong>nehmer Anspruch auf eine<br />

zusätzliche Qualiizierungsmaßnahme«.<br />

Mitbestimmungsrechte nutzen<br />

Auf Regelungen zur Qualiizierung sollte die<br />

betriebliche Interessenvertretung achten,<br />

wenn sie Betriebsvereinbarungen nach § 87<br />

Abs. 1 Nr. 6 BetrVG abschließt. Auch die Beteiligungsrechte<br />

nach § 97 Abs. 2 BetrVG<br />

ermöglichen ein Eingreifen. Während das<br />

Mitbestimmungsrecht nach § 98 BetrVG nur<br />

Anwendung indet, wenn der <strong>Arbeit</strong>geber<br />

Schulungen plant, bestehen hier erweiterte<br />

Eingrifsmöglichkeiten: Hat er Maßnahmen<br />

geplant oder durchgeführt, …<br />

· durch die sich die Tätigkeiten des Beschäftigten<br />

ändern<br />

· <strong>und</strong> seine Kenntnisse nicht mehr ausreichen,<br />

um die neuen <strong>Arbeit</strong>saufgaben erfüllen<br />

zu können,<br />

… dann hat der Betriebsrat nach § 97 Abs. 2<br />

BetrVG bei der Einführung von Qualiizierungsmaßnahmen<br />

mitzubestimmen, die dann<br />

als Anpassungsqualiizierung bezeichnet werden<br />

kann. Durch die Anpassungsqualiizierung<br />

sollen veränderte Anforderungen im eigenen<br />

Aufgabengebiet erfüllbar werden. Gerade<br />

bei Industrie - 4.0 - Planungen wird diese Regelung<br />

greifen.<br />

Vor Durchführung der Maßnahme hat eine<br />

Abstimmung zwischen den Betriebsparteien<br />

zu erfolgen. Die Weiterbildungsmaßnahmen<br />

1 Siehe Fraunhofer IAO, Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie<br />

4.0, Studie, 48, www.produktionsarbeit.de/content/dam/produkti<br />

onsarbeit/de/documents/Fraunhofer - IAO - Studie_Produktions<br />

arbeit_der_Zukunft - Industrie_4_0.pdf<br />

12


CuA 7- 8 |<strong>2017</strong><br />

weiterbildung 4.0<br />

titelthema<br />

sind zeitlich <strong>und</strong> inhaltlich zu beschreiben, ein<br />

Schulungsplan sollte Bestandteil der Vereinbarung<br />

sein:<br />

· Wann soll was wie lange vermittelt werden?<br />

· Welche überprüfbaren Lernziele sollen erreicht<br />

werden? Beispielsweise die Erfassung<br />

<strong>und</strong> Weiterverarbeitung von Daten anhand<br />

bestimmter Bildschirmmasken der neuen<br />

Software, an der in der Praxis geübt werden<br />

kann.<br />

· Welche Methoden inden Anwendung?<br />

»Nicht zu vergessen<br />

ist, dass ein<br />

wichtiger Aspekt<br />

der Industrie 4.0<br />

die ganzheitliche<br />

Gestaltung der<br />

<strong>Arbeit</strong> sein soll –<br />

inklusive Qualität<br />

<strong>und</strong> Technik.«<br />

marcus schwarzbach<br />

Gesetzlich sind keine bestimmten Methoden<br />

für den Ablauf von Schulungsmaßnahmen vorgeschrieben.<br />

Es kann deshalb auch Folgendes<br />

Anwendung inden:<br />

· arbeitsplatznahes Lernen,<br />

· erfahrungsorientiertes Lernen, bei dem erfahrene<br />

Mitarbeiter als Multiplikatoren eingesetzt<br />

werden oder<br />

· kooperatives, kollektives Lernen in <strong>Arbeit</strong>sgruppen.<br />

Die Qualiikationsanforderungen können sich<br />

ergeben aus:<br />

· fachlichem Wissen, also Fachkenntnissen,<br />

· methodischen Kompetenzen, etwa Moderationstechniken,<br />

um neue Formen der Gruppenarbeit<br />

umsetzen zu können.<br />

Lernbedarf ermitteln<br />

Nach § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat die Belegschaftsvertretung<br />

ein besonderes Initiativrecht:<br />

Der <strong>Arbeit</strong>geber hat den Lernbedarf zu<br />

ermitteln. Diese Verplichtung des Betriebs besteht<br />

nur, wenn der Betriebsrat sein Verlangen<br />

geäußert hat. Der Lernbedarf lässt sich dann<br />

leicht durch folgende Schritte ermitteln:<br />

· Orientiert an einer Aulistung der fachlichen<br />

Anforderungen wird das Qualiikationsproil<br />

des jeweiligen <strong>Arbeit</strong>sbereichs erstellt <strong>und</strong><br />

· ein Abgleich von Ist - Stand <strong>und</strong> Soll - Zustand<br />

vorgenommen.<br />

Aus der Diferenz ergibt sich dann der Lernbedarf<br />

des jeweiligen <strong>Arbeit</strong>sbereichs. Die<br />

Qualiikationsanforderungen an die einzelnen<br />

Beschäftigten sind aus der Projektplanung zu<br />

Industrie 4.0 <strong>und</strong> der dazugehörigen Personalplanung<br />

ableitbar. Es sind die Qualiikationsanforderungen<br />

festzustellen, die zur Erreichung<br />

der Ziele in der Smart Factory erforderlich<br />

sind. Dabei ist eine Aulistung der Anforderungen<br />

zu erstellen <strong>und</strong> auf Abteilung oder Teams<br />

herunterzubrechen, um den Soll - Qualiikationsbedarf<br />

ermitteln zu können.<br />

Nicht zu vergessen ist, dass ein wichtiger<br />

Aspekt der Industrie 4.0 die ganzheitliche<br />

Gestaltung der <strong>Arbeit</strong> sein soll. Aufgaben der<br />

Qualitätssicherung <strong>und</strong> Technikbetreuung<br />

sollen nicht mehr von separaten Abteilungen,<br />

In der Industrie 4.0 verschwimmen<br />

zunehmend<br />

die Grenzen zwischen<br />

<strong>Arbeit</strong>en <strong>und</strong> Lernen.<br />

13


datenschutz Wenn Big Data aus dem Ruder läuft CuA 7- 8 |<strong>2017</strong><br />

Wenn Big Data aus<br />

dem Ruder läuft<br />

big data Für die Digitalisierung gibt es kein Halten mehr – <strong>und</strong> für<br />

einen drohenden Datenmissbrauch. Für die riesigen personenbezogenen<br />

Datenmengen, die gesammelt <strong>und</strong> ausgewertet werden, braucht es<br />

strenge, aber auch praktikable Regeln im Beschäftigtendatenschutz.<br />

VON HEIKE ROZEK<br />

Vor einigen Jahren war der Begrif<br />

Big Data in aller M<strong>und</strong>e. Einfache,<br />

große Datensammlungen Big Data<br />

zu nennen, war dabei maßgeblich<br />

ein Ausdruck des Zeitgeistes <strong>und</strong> des Wunsches,<br />

Teil einer technologischen Avantgarde<br />

zu sein. 1 Heutzutage versteht man darunter<br />

Datenmengen, die zu groß, zu komplex, zu<br />

schnelllebig oder zu schwach strukturiert sind,<br />

um sie mit manuellen <strong>und</strong> herkömmlichen Methoden<br />

der Datenverarbeitung auszuwerten. 2<br />

Durch die zunehmende Vernetzung von<br />

Menschen <strong>und</strong> Maschinen ist es möglich, Standortdaten,<br />

Kommunikationsdaten <strong>und</strong> mehr zu<br />

erfassen, zu speichern <strong>und</strong> zu analysieren.<br />

Zu Beginn dieser Entwicklung versprachen<br />

Unternehmen, dass man mit einer großen<br />

Menge an Daten über Menschen, deren Vorlieben,<br />

Interessen <strong>und</strong> Verhalten Vorhersagen<br />

machen kann, wie sich Gesellschaft <strong>und</strong> Wirtschaft<br />

bei gleichbleibenden Bedingungen weiter<br />

entwickeln werden. Folglich wurden Analyseverfahren<br />

für extrem große <strong>und</strong> heterogene<br />

Datenmengen entwickelt, die in der Lage sein<br />

sollten, diese Daten zu nutzen.<br />

Dieser Hype ist inzwischen abgelaut.<br />

Gründe hierfür sind zum einen, dass diese<br />

Tools inzwischen ein Teil der Normalität geworden<br />

sind. So analysieren beispielsweise<br />

Verkaufsplattformen das Kaufverhalten <strong>und</strong><br />

schlagen Produkte vor <strong>und</strong> beruliche Netzwerke<br />

werten die Informationen aus <strong>und</strong> ma-<br />

1 Geuter, Big Data – eine Zustandsbeschreibung, bpb.de, 7.4.<strong>2017</strong><br />

2 Christl, Kommerzielle digitale Überwachung im Alltag, crackedlabs.<br />

org, 11/2014, 12<br />

38


CuA 7- 8 |<strong>2017</strong><br />

Wenn Big Data aus dem Ruder läuft<br />

datenschutz<br />

chen Vorschläge zum Wechsel des <strong>Arbeit</strong>splatzes.<br />

Zum anderen wurde deutlich, dass alleine<br />

das Sammeln von unstrukturierten Datenmengen<br />

keine exakten Ergebnisse liefern kann. Je<br />

nach Beschafenheit der Daten werden keine<br />

Vorhersagen gemacht, sondern Eintrittswahrscheinlichkeiten<br />

errechnet.<br />

Überwachungsfreie Bereiche schafen<br />

Die Daten sind nicht wirklich anonym. Anhand<br />

anderer Merkmale wie Telefonnummer,<br />

Adresse oder <strong>Arbeit</strong>sort <strong>und</strong> Geschlecht sind<br />

konkrete Personen auch ohne Angabe des<br />

Namens erkennbar. Und das Auswerten von<br />

»Zielloses Datensammeln<br />

bringt<br />

keinen Erfolg!«<br />

heike rozek<br />

großen Datenmengen ohne eine vorherige genaue<br />

Zieldeinition liefert zwar Diagramme<br />

<strong>und</strong> Zahlen, bringt den Erfolg einer Firma aber<br />

nicht unbedingt weiter. 3<br />

Ziele, die Unternehmen mit dem Einsatz<br />

von Big Data innerhalb des Betriebs verfolgen,<br />

sind das Schafen von Entscheidungsgr<strong>und</strong>lagen,<br />

das Optimieren von Geschäftsprozessen,<br />

die Kalkulation von Risiken, das Verbessern<br />

der Büroorganisation oder das Steigern der<br />

Proitabilität. Anwendungen, die hierzu eingesetzt<br />

werden, sind zum Beispiel Kommunikationssoftwarepakete<br />

wie MS Oice 365. Die<br />

gesamten Kommunikationsdaten wie etwa<br />

Telefonie, E - Mails, Messages, Skype4B sind in<br />

einer Datenbank gespeichert <strong>und</strong> zielgerichtet<br />

auswertbar. Die neue Unternehmenssoftware<br />

SAP HANA ermöglicht es sogar, sämtliche Geschäftsprozesse<br />

in Echtzeit zu analysieren. 4<br />

Sicherheitsinformations - <strong>und</strong> Ereignismanagementsysteme<br />

erstellen aufgr<strong>und</strong> des Nutzerverhaltens<br />

Proile von Beschäftigten <strong>und</strong><br />

liefern dem <strong>Arbeit</strong>geber Informationen, damit<br />

dieser schnell auf Sicherheitsrisiken oder<br />

Compliance - Verstöße reagieren kann.<br />

Über die Funktion »Standort« in Smartphones<br />

<strong>und</strong> Autos sammeln <strong>Arbeit</strong>geber, Automobilhersteller<br />

<strong>und</strong> Softwareunternehmen<br />

Daten, um Proile von den Nutzern zu erstellen<br />

<strong>und</strong> sie für eigene Zwecke zu nutzen. Dies<br />

führt dazu, dass das Privatleben von <strong>Arbeit</strong>nehmern,<br />

die zum Beispiel ein Smartphone<br />

oder einen Dienstwagen gestellt bekommen,<br />

für das Unternehmen sichtbarer wird.<br />

Im Bereich »<strong>Arbeit</strong> 4.0« bedeutet die Digitalisierung<br />

von <strong>Arbeit</strong>splätzen, dass das IT - System<br />

Daten sammelt, um die nächsten Produktionsschritte<br />

vorzubereiten. Damit werden<br />

auch Beschäftigtendaten gespeichert. Dies hat<br />

zur Folge, dass es für <strong>Arbeit</strong>nehmer nur noch<br />

wenige Bereiche im Unternehmen gibt, in denen<br />

sie nicht überwacht werden.<br />

Die Möglichkeit, große Datenmengen<br />

in den Serverparks von Cloud - Anbietern zu<br />

speichern <strong>und</strong> dort auszuwerten, macht die<br />

Nutzung von Big Data - Anwendungen günstiger<br />

<strong>und</strong> die Ergebnisse sind darüber hinaus<br />

ortsunabhängig abruf - <strong>und</strong> nutzbar.<br />

Angesichts dieser Anwendungen, die so<br />

viele personenbezogene oder personenbeziehbare<br />

Daten sammeln, stellt sich die Frage, ob<br />

Datenschutz überhaupt noch zeitgemäß ist.<br />

Andererseits ist es keine neue Erkenntnis, dass<br />

ständige Überwachung ges<strong>und</strong>heitliche Folgen<br />

haben kann. 5 Für Betriebs - <strong>und</strong> Personalräte<br />

bedeutet das, dass sie mit den ihnen zur Verfügung<br />

stehenden Möglichkeiten Bereiche<br />

schafen müssen, in denen Mitarbeiter nicht<br />

überwacht werden.<br />

Vorbeugen hat Vorteile<br />

Nach dem noch geltenden B<strong>und</strong>esdatenschutzgesetz<br />

(BDSG) gibt es einen Gr<strong>und</strong>satz<br />

der Zweckbindung, der sicherstellen<br />

soll, dass <strong>Arbeit</strong>geber nur die Beschäftigtendaten<br />

nutzen dürfen, die sie zur Durchführung<br />

des <strong>Arbeit</strong>sprozesses brauchen. Sie<br />

sollen Daten, wenn möglich anonymisiert<br />

oder pseudonymisiert verwenden. Außerdem<br />

sind Daten nach dem Gebrauch im Produktionsprozess<br />

zu löschen oder zu sperren.<br />

Liegen die Beschäftigtendaten in der Cloud,<br />

sind zu deren Schutz der Weg zu diesen Servern<br />

<strong>und</strong> die Hardware selbst vor unbefugtem<br />

Zugrif zu sichern.<br />

Mit Betriebs - <strong>und</strong> Dienstvereinbarungen<br />

können die gesetzlichen Interessenvertretungen<br />

regeln, wie diese Tools im Betrieb verwendet<br />

werden sollen, um die Rechte der Beschäftigten<br />

zu sichern.<br />

darum geht es<br />

1. Unternehmen häufen<br />

Datenberge an <strong>und</strong><br />

leistungsfähige Software<br />

ist in der Lage, diese<br />

auszuwerten.<br />

2. Die Risiken für die Beschäftigtendaten<br />

werden<br />

dabei immer größer <strong>und</strong><br />

schwerer kontrollierbar.<br />

3. Betriebs - <strong>und</strong> Personalräte<br />

brauchen ein<br />

Gr<strong>und</strong>verständnis von Big<br />

Data, um die anstehenden<br />

Herausforderungen<br />

erfolgreich zu meistern.<br />

3 Oliver Schonschek, Auf dem Weg zu Less Data <strong>und</strong> Right Time,<br />

auf bigdata - insider.de, 02.03.<strong>2017</strong><br />

4 Just, Die SAP - (R)Evolution, in: CuA 3/<strong>2017</strong>, 24 f.<br />

5 Schweizer, Großer Lauchangrif im Call - Center, in:<br />

Gute <strong>Arbeit</strong> 10/2010, 25 f.<br />

39


IT <strong>und</strong> Datenschutz. Mitbestimmen.<br />

<strong>Computer</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong><br />

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§<br />

Ihr gutes Recht:<br />

§<br />

»<strong>Computer</strong> <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>« ist erforderliches <strong>Arbeit</strong>smittel<br />

gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG bzw. § 44 Abs. 2 BPersVG<br />

sowie den entsprechenden Vorschriften der LPersVG.<br />

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