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BC_Jahrbuch_2016

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Inhalt<br />

Mitarbeiter ............................................................................................................ 4<br />

Jahresbrief des Stiftungsvorstandes .................................................................................... 6<br />

„GUT GERÜSTET FÜR DIE UMBRÜCHE EINER DIGITALEN WELT“<br />

Wolfgang Hofer und Thomas Zimpfer über den Zusammenhang von Disruption und Innovation ....................... 8<br />

Ernennung von Mariella Schurz zur Generalsekretärin der B&C Privatstiftung ....................................... 12<br />

ERICH HAMPEL<br />

Vorsitzender des Stiftungsvorstandes<br />

das B&C-<strong>Jahrbuch</strong> <strong>2016</strong> beschäftigt sich mit dem breit<br />

gefächerten Themenkreis „Unternehmertum und Innovation“.<br />

Wir stellen Ihnen darin die vielfältigen Aktivitäten<br />

der gesamten B&C-Gruppe – B&C Privatstiftung, B&C<br />

Industrieholding GmbH und B&C Innovation Investments<br />

GmbH – vor und geben zusätzlich einen Überblick über die<br />

Ergebnisse und das Marktumfeld unserer Mehrheitsbeteiligungen<br />

AMAG, Lenzing AG und Semperit AG Holding.<br />

In diesem Buch erfahren Sie, wie die B&C Privatstiftung<br />

die heimische Industrie und den Forschungsstandort<br />

Österreich fördert, was die B&C Industrieholding an ihren<br />

Beteiligungen besonders schätzt und welche erste Schritte<br />

die B&C Innovation Investments gesetzt hat, um durch<br />

Beteiligungen an Start-up-Unternehmen Innovationen in<br />

der Wirtschaft zu unterstützen.<br />

Wir freuen uns, dass wir Ihnen in diesem B&C-<strong>Jahrbuch</strong><br />

auch dieses Jahr wieder mehrere spannende Kommentare<br />

und Gastbeiträge von international anerkannten Expertinnen<br />

und Experten präsentieren können. Der frühere<br />

BMW- und Magna-Vorstand Burkhard Göschel, Regina<br />

Prehofer, die in Aufsichtsgremien unterschiedlicher Unternehmen<br />

fungiert, sowie Andreas J. Ludwig, der Sprecher<br />

des Vorstandes der weltweit tätigen Umdasch Group,<br />

sind in diesem Buch ebenso als Gastautoren tätig wie die<br />

Uni-Professoren und Top-Juristen Susanne Kalss und<br />

Ulrich Torggler, die in ihrem Beitrag rechtliche Aspekte<br />

der immer umfassender werdenden Aufsichtsratstätigkeit<br />

betrachten.<br />

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und freuen<br />

uns auf einen Gedankenaustausch mit Ihnen!<br />

B&C PRIVATSTIFTUNG<br />

Erhalt der Forschung<br />

und Entwicklung in Österreich<br />

B&C INDUSTRIEHOLDING<br />

Unternehmenswerte kontinuierlich steigern<br />

und langfristig entwickeln<br />

AMAG<br />

Anteilshöhe 52,7 %<br />

LENZING<br />

Anteilshöhe 62,6 % 1<br />

SEMPERIT<br />

Anteilshöhe 54,2 %<br />

B&C INNOVATION INVESTMENTS<br />

SCHNITTSTELLE ZWISCHEN UNIVERSITÄTEN UND WIRTSCHAFT – DER HOUSKAPREIS .......................... 14<br />

„ÖSTERREICH BRAUCHT EINEN DIGITALISIERUNGSSPRUNG.“<br />

Burkhard Göschel über Emotionalität und Markenführung in Zusammenhang mit Innovation und Digitalisierung .... 16<br />

„MEHR WIRTSCHAFT, WENIGER GEOGRAFIE.“<br />

Heribert Pröbstl, AHS-Lehrer und Juror für den Bildungspreis der B&C Privatstiftung ............................... 20<br />

BIG DATA – FLUCH ODER SEGEN?<br />

Susanne Kalss und Ulrich Torggler im Gespräch anlässlich des fünften Wiener Unternehmensrechtstags ............. 22<br />

Bericht der Geschäftsführung......................................................................................... 24<br />

„DIGITALISIERUNG IST EIN STRATEGIETHEMA, KEIN IT-PROBLEM“<br />

Die Geschäftsführer der B&C Industrieholding Felix Strohbichler und Patrick F. Prügger im Gespräch ................ 26<br />

„OHNE FEHLERKULTUR WERDEN KEINE INNOVATIONEN GESCHAFFEN.“<br />

Andreas J. Ludwig, Sprecher des Vorstandes der Umdasch Group, im Interview mit Hans-Peter Siebenhaar .......... 30<br />

SCHNEIDERWERKSTATT B&C<br />

Hanno M. Bästlein zu maßgeschneiderten Lernprozessen und Lösungsansätzen im Wirtschaftsleben ................. 35<br />

DER BLICK ÜBER DEN TELLERRAND<br />

Regina Prehofer über den Beitrag der Aufsichtsräte zum Unternehmenserfolg ........................................ 38<br />

B&C weltweit ......................................................................................................... 40<br />

Was wir an der AMAG schätzen. Die Entwicklung des Unternehmens aus Sicht der B&C ............................. 42<br />

Facts & Figures ....................................................................................................... 46<br />

UNGEAHNTE MÖGLICHKEITEN<br />

Peter Uggowitzer und Helmut Antrekowitsch zur Zukunft des Werkstoffs Aluminium und der AMAG ................ 48<br />

Was wir an der Lenzing AG schätzen. Die Entwicklung des Unternehmens aus Sicht der B&C ........................ 52<br />

Facts & Figures ....................................................................................................... 56<br />

INTELLIGENTE KLEIDUNG – DIE FASER FÜR EXTREME ANFORDERUNGEN<br />

Lenzing setzt wegweisende Impulse in der Fasertechnologie .......................................................... 58<br />

Was wir an der Semperit AG Holding schätzen. Die Entwicklung des Unternehmens aus Sicht der B&C ............... 62<br />

Facts & Figures ....................................................................................................... 66<br />

„SCHNELLER, SICHERER, LEICHTER, LEISER“<br />

Robert H. Schuster über die Zukunftsaussichten von Gummi als industriellem Werkstoff ............................. 68<br />

Die Organe der B&C Industrieholding, Portfolio der Gesellschaft, Kennzahlen ........................................ 72<br />

WIR INVESTIEREN IN TECHNISCHE UND INDUSTRIELLE INNOVATIONEN<br />

Thomas Zimpfer, Geschäftsführer der B&C Innovation Investments .................................................. 74<br />

1) ab Mai 2017 50,0 % + 2 Aktien Impressum ........................................................................................................... 76


Wir sind die B&C.<br />

nicht im Bild: Brigitte Trebos<br />

Silvia Wieselmayer<br />

Edina Németh-Kóczán<br />

Hannah Hanfstingl<br />

Sonja Reichinger<br />

Johannes Stefan<br />

Bernd Schlegl<br />

Michael Glock<br />

Andreas Schmidradner<br />

Alexander<br />

Moser- Parapatits<br />

Sigrid Engleitner<br />

Alexander Steffel<br />

Felix Strohbichler<br />

Thomas Zimpfer<br />

Patrick F. Prügger<br />

Nora Dvorak<br />

Petra Preining<br />

Mariella Schurz


Die Industrie in der postfaktischen Gesellschaft ist ein<br />

Thema, das uns natürlich beschäftigt, auch wenn das<br />

Generalthema dieses <strong>Jahrbuch</strong>es „Unternehmertum und<br />

Innovation“ lautet. Tatsächlich haben wir jetzt nach<br />

vielen Jahren der heftigen, unvorhersehbaren oder nicht<br />

vorhergesehenen Volatilitäten an den Finanz- und Weltmärkten<br />

in nahezu allen wesentlichen Marktregionen<br />

wirtschaftliches Wachstum zu verzeichnen. Die politischen<br />

Spannungen und die von dort ausgehenden oder<br />

latenten Störungen sind es jedoch, die global tätige Unternehmen<br />

– so auch die Mehrheitsbeteiligungen der B&C-<br />

Gruppe – herausfordern und ein ständiges Ausbalancieren<br />

zwischen Umsetzung der langfristigen Unternehmensstrategie<br />

und kurzfristiger Opportunität erfordern.<br />

So „postfaktisch“ uns Ereignisse wie Brexit oder die Wahl<br />

von Donald Trump zum Präsidenten der USA erscheinen<br />

mögen, als Unternehmenseigner haben wir solche<br />

Ereignisse und deren Folgen als Marktbedingungen zur<br />

Kenntnis zu nehmen.<br />

Wir wissen um die Verflechtung zwischen gesellschaftlichen<br />

Entwicklungen und Wirtschaftspolitik und sind<br />

daher gut beraten, uns auf beginnende Re-Nationalisierungstendenzen,<br />

Protektionismus und Abschottung von<br />

Märkten einzustellen. Das Pendel schwingt nach vielen<br />

Jahren der zunehmenden Globalisierung wieder einmal<br />

zurück. Im Verbund mit den Auswirkungen der Digitalisierung<br />

auf die Medienindustrie und dem Siegeszug der<br />

sogenannten sozialen Medien wirken Überforderung,<br />

Alarmismus und Ängste stark auf die Gesellschaft und die<br />

verantwortlichen Politiker und bedrängen Vernunft und<br />

Zuversicht. Die ganz klar dokumentierte Erkenntnis, dass<br />

der Freihandel und die Globalisierung der Wirtschaft<br />

mehr Wohlstand in die Welt und insbesondere nach Europa<br />

gebracht haben, ist heute nur schwer vermittelbar. Welch<br />

Phänomen!<br />

Tatsächlich gibt es auch Globalisierungsverlierer: Menschen<br />

zum Beispiel, die als Folge der Veränderung abrupt aus<br />

ihren langfristigen Lebensplänen gerissen werden und es<br />

schwer haben, mit einer veralteten Ausbildungsrüstung<br />

in neuen beruflichen Herausforderungen zu bestehen, die<br />

ihnen die Bewahrung ihres Status sichern. Hier ist es die<br />

Aufgabe der binnenstaatlichen Solidargemeinschaft, nicht<br />

nur kurzfristig und nicht nur mit Transferzahlungen,<br />

sondern langfristig sinnvolle und sinnstiftende Abhilfe zu<br />

schaffen.<br />

Was kann getan werden, um die europäischen Gesellschaften<br />

auf den steten Wandel vorzubereiten? Es ist nach<br />

unserer Meinung die ureigene staatliche Infrastruktur-<br />

Jahresbrief<br />

des Stiftungsvorstandes<br />

aufgabe, zeitgemäße Bildungs- und Ausbildungsangebote<br />

zu entwickeln, die für die ganze Bevölkerung – auch für<br />

Zuwanderer – Chance, aber auch Verpflichtung sind.<br />

Zeitgemäße Bildung umfasst nicht nur berufs- und fachspezifische<br />

Informationen und Fertigkeiten, sondern auch<br />

Allgemeinbildung, die dazu beiträgt, die Zeit, in der wir<br />

leben, in Grundzügen zu verstehen. Verständnis benötigen<br />

wir in erster Linie für wirtschaftliche Zusammenhänge, die<br />

Organisation des Staates und die Verteilung der Rechte<br />

und Pflichten innerhalb der Gemeinwesen sowie für die<br />

unterschiedlichen Formen der internationalen Zusammenarbeit.<br />

Je weniger das Wissen um komplexe Zusammenhänge<br />

gepflegt wird, umso mehr werden „einfache“<br />

Lösungen verführerisch wirken. Diese gefährden jedoch<br />

schnell unsere Wettbewerbsfähigkeit und unseren<br />

Wohlstand. Populismus und Re-Nationalismus sind keine<br />

tragfähigen Gegenkonzepte für das staaten- und erdteilübergreifend<br />

vielfältig verflochtene System, das wir zur<br />

Gewährleistung unser aller Sicherheit und Wohlstand<br />

für möglichst viele entwickelt haben.<br />

Die Grenzen dieser Globalisierung liegen offensichtlich<br />

in der Aufnahme- und Verarbeitungskapazität von uns<br />

Individuen, und die Filterung aller möglichen Informationen,<br />

deren Flut uns überfordert, muss wohl erst gelernt<br />

werden. Sonst werden zu viele Inhalte relevant, deren<br />

Einordnung in unser Orientierungssystem nicht mehr<br />

möglich ist. Dies ist wohl eine mögliche Miterklärung der<br />

Tendenz zu vom Volk selbst gewählten Spitzenpolitikern<br />

mit populistischen und totalitären Anwandlungen – nicht<br />

nur in Übersee, sondern auch in unserer unmittelbaren<br />

Nachbarschaft. Die überforderte postfaktische manipulierte<br />

Gesellschaft delegiert möglichst viele Pflichten, aber<br />

auch Rechte an heilsbringende nationale Überväter!<br />

Angesichts dieser Entwicklungen sehen wir es als Aufgabe<br />

von Führungskräften, mit Mut, Zuversicht und Weltoffenheit<br />

ihre Unternehmen zu führen und konsequent weiter<br />

zu entwickeln, um Veränderungen – auch disruptive –<br />

möglichst frühzeitig erkennen und nützen, vielleicht<br />

sogar mitgestalten zu können. Diese Haltung prägt unsere<br />

Arbeit für die Mehrheitsbeteiligungen unserer Gruppe.<br />

In diesem Sinne freuen wir uns über Entwicklungen in<br />

unserer Gruppe, z. B. die Eröffnung des neuen Kaltwalzwerkes<br />

der AMAG in Ranshofen. Mit einem Volumen<br />

von mehr als 550 Millionen Euro zählt das Investitionsprogramm<br />

der AMAG zu den allergrößten, die in den<br />

vergangenen Jahren an einem österreichischen Industriestandort<br />

verwirklicht wurden. Die neuen Walzkapazitäten<br />

müssen in den kommenden 40 Jahren profitabel ausgelastet<br />

werden, und das zeigt das Vertrauen, das wir in die<br />

Wachstumsperspektiven der AMAG, aber vor allem auch<br />

in das Team haben, das die Entwicklung des Unternehmens<br />

vorantreibt und für die Zukunft prägt.<br />

Lenzing hat nach schwierigen Jahren, die vor allem durch<br />

massive Verschiebungen am Weltfasermarkt verursacht<br />

waren, wieder festen Tritt gefasst und ist auf gutem<br />

Wachstumskurs. Diese Wendung ist nicht zuletzt der<br />

neuen Strategie geschuldet, die auf umfassende Nachhaltigkeit<br />

als Werttreiber für den Absatz hochwertiger Fasern<br />

setzt, aber wie bei jedem Erfolg war auch das Momentum<br />

des günstigen Zeitpunkts ausschlaggebend. Es ist das<br />

Kennzeichen der tüchtigen Unternehmensführer, dass sie<br />

damit auch richtig umgehen können.<br />

Bei Semperit bieten sich nun das Erfordernis und die Chance,<br />

eine neue strategische Positionierung zu entwickeln. So<br />

erfreulich sich das Industriegeschäft in Europa bereits entwickelt<br />

hat, so sehr bietet es auch Potenzial für die Überseemärkte,<br />

während das Segment Sempermed selbstkritisch<br />

reflektiert werden muss. Der Aufsichtsrat hat zuletzt rasch<br />

und konsequent die Weichen gestellt, damit die Unternehmensgruppe<br />

von der Spitze her erneuert werden kann.<br />

Die B&C-Gruppe kann auf 16 Jahre erfolgreicher Steigerung<br />

ihrer industriellen Substanz zurückblicken. Auch<br />

in den kommenden Jahren wird der Fokus auf der nachhaltigen<br />

Entwicklung der Werthaltigkeit und der Ertragskraft<br />

unserer Beteiligungen liegen. Die von der B&C<br />

entsandten Aufsichtsräte haben die Aufgabe, gemeinsam<br />

mit den Vorständen, die klug und umsichtig auszuwählen<br />

sind, die Unternehmen in ihrer Entwicklung zu begleiten.<br />

Um den intensiven Dialog mit den Vorständen auch in<br />

den technischen Fachbereichen auf Augenhöhe führen zu<br />

können, wird in der B&C Industrieholding ein technisches<br />

Kompetenzzentrum unter Führung eines international<br />

erfahrenen Technologen und Managers eingerichtet werden.<br />

Die B&C-Gruppe als eine junge muss eine lernende<br />

Organisation bleiben! Das gilt nicht nur für die B&C<br />

Innovation Investments GmbH, die die Aufgabe hat, aus<br />

der schier unendlichen Zahl von Start-up-Unternehmen<br />

jene zu identifizieren und zu fördern, die nachhaltig<br />

industrierelevant sind. Wir sind davon überzeugt, dass die<br />

gegenseitige Befruchtung zwischen etablierten Industrieunternehmen<br />

und jungen kreativen Unternehmern jene<br />

Innovationen generieren kann, die künftige Wertschöpfung<br />

und das Bestehen von Industrieunternehmen in der<br />

Zukunft ermöglichen.<br />

Wir wollen uns bei den vielen Menschen bedanken, die<br />

unseren anspruchsvollen Weg begleiten und ihren Beitrag<br />

zu unserem Erfolg leisten. Aus der Zusammenarbeit in<br />

gegenseitigem Respekt schöpfen wir Zuversicht für die<br />

Bewältigung aller weiter auf uns zukommenden Herausforderungen.<br />

WOLFGANG HOFER<br />

Mitglied des Stiftungsvorstandes<br />

6<br />

7


WOLFGANG HOFER<br />

Stiftungsvorstand<br />

„Gut gerüstet<br />

für die Umbrüche<br />

THOMAS ZIMPFER<br />

Geschäftsführer<br />

einer digitalen Welt“<br />

Wie Disruption und Innovation zusammenhängen, was Europa von<br />

den USA lernen kann und weshalb die B&C Innovation Investments<br />

GmbH für Gründer von Technologie-Unternehmen ein attraktiver<br />

Partner ist: Wolfgang Hofer und Thomas Zimpfer im Gespräch.<br />

Alles spricht von Disruption. Künftig<br />

scheint kein Stein auf dem anderen<br />

zu bleiben. Haben wir Grund zur<br />

Furcht oder zur Eile?<br />

WOLFGANG HOFER: Nicht alles, was<br />

als Disruption bezeichnet wird, ist<br />

wirklich disruptiv. Eine echte Disruption<br />

geschieht unvorhergesehen und<br />

ungeplant. Sie reißt Märkte, bisherige<br />

Anbieter von ähnlichen Produkten<br />

und Konsumenten aus ihren eingefahrenen,<br />

gewohnten Bahnen. Ein<br />

Beispiel dafür ist das mittlerweile<br />

überholte Format SMS. Dieses Kurznachrichtensystem<br />

wurde ursprünglich<br />

für andere Zwecke eingerichtet.<br />

Völlig unbeabsichtigt ist daraus ein<br />

Weltschlager geworden, der nicht nur<br />

die klassische Postkarte und das Telegramm<br />

obsolet gemacht hat. Das SMS<br />

hat die Kommunikation überhaupt<br />

verändert, eigene Sprachstile haben<br />

sich entwickelt, die Gesellschaft<br />

interagiert anders als zuvor.<br />

THOMAS ZIMPFER: Mit dem Internet<br />

und der Digitalisierung leben wir in<br />

einem völlig neuen Universum, in dem<br />

der Mensch das Internet nicht mehr<br />

als Bei-Produkt nützt, sondern selbst<br />

ein Teil davon ist und es – gefühlt –<br />

„braucht“. Das empfinde ich als große<br />

Veränderung. Denken Sie an Amazon:<br />

In Deutschland kaufen schon heute<br />

44 von 60 Millionen Internetnutzern<br />

bei Amazon ein – das zu Lasten des<br />

stationären Ladengeschäfts. Im Konsumentenfokus<br />

stehen Angebotsbreite<br />

und „Convenience“ über der Kombination<br />

Verfügbarkeit/Schnelligkeit/<br />

Preistransparenz. Diese Logik verändert<br />

viele Industrien. In New York<br />

haben im Tourismus rund 3.000 Hotelangestellte<br />

ihren Job verloren, seit es<br />

Airbnb gibt. Im Automobilgeschäft<br />

stellen sich die Premium-Hersteller<br />

auf eine Neuordnung der Umsätze ein,<br />

wobei digitale Services an Bedeutung<br />

gewinnen und den Anteil des reinen<br />

Produktverkaufes relativieren. Bei<br />

Letzterem wird Eigentum (Stichwort:<br />

„Sharing“) durch die digitalen<br />

Möglichkeiten keine ausschließliche<br />

Konstante mehr sein. Die digitale Welt<br />

bringt also große Änderungen.<br />

Werden digitale Plattformen zur<br />

Basis für das Geschäft der Zukunft?<br />

HOFER: Die Digitalisierung wird<br />

überall Einzug halten, weil dadurch<br />

Prozesse effizienter und umfassender<br />

gestaltet werden können. Größere<br />

Aufgaben können besser und rascher<br />

bewältigt werden. Mit den Möglichkeiten<br />

zur Auswertung von Big Data<br />

entstehen neue Geschäftsmodelle, die<br />

wiederum disruptive Auswirkungen<br />

haben können. Schauen wir uns nur<br />

an, wie Big Data im US-Wahlkampf<br />

und bei der Brexit-Abstimmung <strong>2016</strong><br />

genutzt wurden: Die Stimmberechtigten<br />

konnten durch ihre Datenspuren,<br />

die sie im Internet hinterlassen,<br />

genau nach ihren Interessen, Vorlieben<br />

und Einstellungen gescreent und<br />

in klar differenzierte Gruppen unterteilt<br />

werden. Über individualisierte<br />

Facebook-Postings, E-Mails und SMS<br />

konnten sie ganz gezielt angesprochen<br />

werden, was zu einem – wie wir alle<br />

wissen – äußerst überraschenden<br />

Wahl- bzw. Abstimmungsergebnis<br />

geführt hat. Da haben wir die Disruption<br />

durch Digitalisierung sogar im<br />

politischen System. Dieses Beispiel<br />

zeigt global auch die Gefahrenseite<br />

auf. Gemeint ist Manipulation von<br />

digitalem Content. Mahnbeispiele<br />

gibt es im Wirtschaftsleben ebenso<br />

wie in grundlegenden Gesellschaftsfragen.<br />

Sehen Sie in disruptiven<br />

Auswirkungen auch Chancen?<br />

HOFER: Jede Veränderung in der<br />

Menschheitsgeschichte hat tendenziell<br />

zu einer Verbesserung und<br />

Weiterentwicklung geführt. Ich kenne<br />

niemanden, der heute lieber noch<br />

im Mittelalter leben wollte oder in<br />

den 1950er Jahren unmittelbar nach<br />

zwei verheerenden Weltkriegen. Es<br />

gibt natürlich so eine Art von Retro-<br />

Insignien – die sind auch ganz lustig,<br />

aber der Mensch strebt grundsätzlich<br />

immer nach vorne und möchte sich<br />

sein Leben erleichtern, einfacher,<br />

besser gestalten. Dazu bedient er sich<br />

der Technik und der Innovationen,<br />

die die Menschheit hervorbringt.<br />

Innovationen sind aber nur dann<br />

erfolgreich, wenn es auch jemanden<br />

gibt, der an sie glaubt, und dann<br />

Leute, die sie auch brauchen können.<br />

ZIMPFER: Und der mit der Geschwindigkeit,<br />

mit welcher Innovationen<br />

mittlerweile in unser Leben kommen,<br />

mithalten kann. Ich wurde 1983 geboren.<br />

Führe ich mir die Umbrüche vor<br />

Augen, die ich bisher erleben durfte,<br />

bin ich von der Geschwindigkeit, in<br />

der diese durch andere Technologien<br />

erneut ersetzt wurden, beeindruckt.<br />

Tendenziell geht es also schneller,<br />

als man es erwartet. Wer kauft sich<br />

zum Beispiel heute noch einen<br />

iPod, der vor nicht allzu langer Zeit<br />

bahnbrechend war? Heute ist der<br />

Musik-Player in jedem Smartphone<br />

integriert. Von diesen gibt es weltweit<br />

rund 1,5 Milliarden Stück, und<br />

sie sind in unserem Leben dominant.<br />

Man beobachte beispielsweise, ob<br />

sich Menschen beim Abendessen<br />

gegenseitig ansehen oder doch ihr<br />

Smartphone. Und weil Sie vorhin<br />

davon gesprochen haben, dass man<br />

an eine Innovation glauben muss:<br />

Es überrascht mich immer wieder<br />

zu hören, dass dies oder das „nie<br />

kommen wird“ oder es zumindest<br />

„ewig dauern wird, bis es kommt“.<br />

Tesla ist es gelungen, 370.000 Autos<br />

des neuen Modells „3“ zu verkaufen,<br />

das es noch nicht einmal gibt und<br />

8<br />

9


für das Menschen bereit sind, 3.000<br />

US-Dollar Anzahlung zu leisten.<br />

Der Hunger nach Neuem und die<br />

Wechselbereitschaft sind groß. Ich<br />

verweise nochmals auf den raschen<br />

Umstieg von konventionellen Handys<br />

auf Smartphones.<br />

Was muss Europa tun,<br />

um den Vorsprung, der den USA<br />

zugeschrieben wird, einzuholen?<br />

HOFER: Es ist kein Zufall, dass<br />

radikale Innovationen aus den USA<br />

kommen oder in den USA weiterentwickelt<br />

werden. Die technischen<br />

Grundlagen werden oft dort zwar<br />

nicht erfunden, aber deren Anwendung<br />

wird dort entschlossen und mit<br />

Fokus auf Tempo weiterentwickelt.<br />

Im Unterschied zu Europa herrscht<br />

in den USA ein besonders innovationsfreundliches<br />

Klima. Erinnern Sie<br />

sich an den New-Economy-Boom<br />

rund um die Jahrtausendwende.<br />

Da gab es zwar die große Internetblase,<br />

die mit lautem Knall geplatzt<br />

ist, doch nach zwei, drei weiteren<br />

Versuchen haben viele Unternehmen<br />

etwas sehr Vernünftiges zustande<br />

gebracht. Wohl auch deshalb, weil in<br />

den USA das Scheitern dazugehört und<br />

es fast schon ein Gütesiegel in jeder<br />

unternehmerischen Karriere ist. So<br />

wird sich auch der momentane Hype<br />

rund um Tesla zuerst einmal als Blase<br />

erweisen. Tesla ist eigentlich „retro“.<br />

Da wurde aus etwas technisch bereits<br />

Vorhandenem etwas „Stylisches“<br />

zusammengebastelt und ein großer<br />

Auftritt rundherum inszeniert.<br />

DR. WOLFGANG HOFER<br />

ist Vorstandsmitglied der B&C<br />

Privatstiftung, Vorsitzender des<br />

Aufsichtsrats der B&C Industrieholding<br />

GmbH und Partner bei<br />

Grohs Hofer Rechtsanwälte.<br />

ZIMPFER: In meinen Augen geht<br />

Tesla geschickt vor, indem das Unternehmen<br />

als Vorreiter mit einem Level<br />

2-3 Autopilot in Serie Nutzerdaten<br />

der Kunden sammelt. Das Innovative<br />

liegt für mich nicht im Design oder<br />

im Antriebskonzept, sondern in der<br />

Denkweise und Haltung von Tesla.<br />

Mit den Nutzerdaten, die Tesla heute<br />

wie kein anderer Hersteller sammelt,<br />

wird die Bestrebung verfolgt, einen<br />

nicht einfach aufholbaren Vorsprung<br />

gegenüber etablierten Autoproduzenten<br />

zu finden. Selbiges gilt für das<br />

Google-Projekt „Waymo“ – mit den vollautonomen<br />

Autos, die sich im Straßenverkehr<br />

bewegen, wurden bereits rund<br />

2 Millionen Meilen zurückgelegt. Der<br />

Wert liegt in den künftigen Services<br />

auf Basis der gewonnenen Daten.<br />

HOFER: Okay, autonomes Fahren<br />

braucht riesige Datenmengen. So<br />

gesehen ist das Konzept von Tesla<br />

bahnbrechend ...<br />

ZIMPFER: ... genauso wie das Drohnenprojekt<br />

von Amazon. In Europa lacht<br />

man darüber und kann sich nicht<br />

vorstellen, dass Pakete künftig von<br />

Drohnen zugestellt werden. Führt<br />

man sich insbesondere im ländlichen<br />

Bereich die Zustellung kleiner Postsendungen<br />

über weite Distanzen vor<br />

Augen, wird die Ratio erkennbar.<br />

Fragt man die Leute in den USA, hört<br />

man: „Na sicher kommt das! Bei uns<br />

arbeiten hervorragende Ingenieure<br />

an dem Projekt, und die Realisierung<br />

steht kurz bevor!“ Das ist ein völlig<br />

anderer Zugang. In Europa wird tendenziell<br />

zuerst erklärt, warum etwas<br />

nicht geht ...<br />

HOFER: ... natürlich! Man muss<br />

schließlich die Grenzen mitdenken!<br />

ZIMPFER: Aber genau da ist der<br />

Unterschied! Bei uns wird diskutiert,<br />

welche Straße man absperren könnte,<br />

um autonomes Fahren zu testen.<br />

In den USA ist im Handumdrehen<br />

gleich eine ganze Stadt (Mountain<br />

View, Kalifornien) dafür freigegeben.<br />

Aus meiner Sicht ist, wenn wir über<br />

Innovation und Disruption sprechen,<br />

außerdem das bereits von Dr. Hofer<br />

thematisierte Vorhandensein einer<br />

„Kultur des Scheiterns“ essenziell.<br />

Während man bei uns bisweilen das<br />

Gefühl hat, dass insgeheim auf das<br />

Scheitern eines Projektes gewartet<br />

wird, werden in den USA gerade jene<br />

Gründer von den Investoren ernst<br />

genommen, die bereits Misserfolge<br />

erfahren haben.<br />

HOFER: Scheitern ist eine wichtige<br />

Erfahrung, aber sie darf kein Dauerzustand<br />

werden. Mir gefällt der USamerikanische<br />

Zugang dazu: „Fail,<br />

but fail fast.“ Im Übrigen halte ich<br />

das europäische Modell so, wie es<br />

die letzten 50 bis 70 Jahre funktioniert<br />

hat, für eine Erfolgsgeschichte.<br />

Es gibt natürlich bei Weitem keine<br />

Garantie dafür, dass es so weitergeht.<br />

Aber müssen wir uns immer mit<br />

anderen vergleichen und mit anderen<br />

messen? Ich kann mich noch gut an<br />

den Japan-Hype erinnern. Heute ist<br />

einiges davon in den Unternehmen<br />

selbstverständlich, und kein Mensch<br />

redet mehr davon, dass es japanisch<br />

ist. Die Europäer können schon stolz<br />

auf das sein, was sie nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg erreicht und aufgebaut<br />

haben.<br />

ZIMPFER: Aus europäischer Perspektive<br />

frage ich mich nur: Bereiten wir<br />

uns – insbesondere ausbildungsseitig<br />

– auf das, was bevorsteht, richtig vor?<br />

Oder verkennen wir etwa die Tragweite<br />

der Umbrüche einer digitalen<br />

Welt? Ich bin ohne Krieg in einer<br />

absoluten Wohlstandsgeneration<br />

aufgewachsen, in einer Situation mit<br />

hohem Pro-Kopf-Einkommen und<br />

nahezu Vollbeschäftigung. Das könnte<br />

in gewisser Weise durch das, was jetzt<br />

auf uns zukommt, bedroht werden.<br />

Zur Ausbildung: In Schweden wird<br />

Programmieren in den Lehrplan<br />

von Schulen aufgenommen. Das ist<br />

aus meiner Sicht nicht als Luxus zu<br />

werten, sondern als Notwendigkeit,<br />

der vorausschauend begegnet wird.<br />

HOFER: Wenn man Entwicklung, die<br />

in der Menschheitsgeschichte immer<br />

schon da war und es weiterhin geben<br />

wird, schon an sich fürchtet, dann<br />

deshalb, weil man nicht darauf eingestellt<br />

ist. Man muss den Menschen<br />

beibringen, mit Veränderung umzugehen.<br />

Das war bisher immer die<br />

Leistung Europas – die Anpassung<br />

an veränderte Gegebenheiten. Und<br />

Innovation ist in diesem Gefüge nur<br />

eine Bedrohung für jene, die nicht<br />

bereit sind, mit der Veränderung<br />

mitzugehen.<br />

ZIMPFER: Damit sind wir bei einem<br />

der Beweggründe, warum die B&C<br />

das Projekt „Innovation Investments“<br />

(<strong>BC</strong>II) gestartet hat. Wir wollen<br />

über unsere Start-up-Investments<br />

technisch affine und vorausschauende<br />

Gründer nicht nur finanziell<br />

unterstützen, sondern diese an<br />

Unternehmen heranführen und ihnen<br />

eine Schnittstelle zu etablierten<br />

Unternehmen bieten. Zielsetzung<br />

ist, einen Mehrwert für alle Parteien<br />

zu erschließen: Im Idealfall erhalten<br />

Start-ups über den Investor <strong>BC</strong>II<br />

nebst Kapital wertvolle Vertriebskontakte<br />

– und etablierte Unternehmen,<br />

an die wir Start-ups heranführen,<br />

im Umkehrschluss den Zugang zu<br />

„Innovationsmotoren“.<br />

Wie sieht Ihre Vision für die B&C<br />

Innovation Investments aus?<br />

ZIMPFER: Wir wollen als Investor an<br />

der Schnittstelle zwischen Old und<br />

New Economy agieren. In unserem<br />

Fokus stehen erfolgshungrige<br />

technisch-/softwareseitig versierte<br />

Gründer, die einen langfristig orientierten<br />

Risikokapitalgeber suchen,<br />

um soliden Aufbau zu betreiben.<br />

HOFER: Risikokapital muss man aber<br />

vorher erst einmal verdient haben,<br />

um es einsetzen zu können. Das darf<br />

nicht vergessen werden.<br />

MAG. THOMAS ZIMPFER<br />

ist Geschäftsführer der B&C<br />

Innovation Investments GmbH<br />

und Beteiligungsmanager bei<br />

der B&C Industrieholding GmbH.<br />

Wie gehen Sie denn mit dem Thema<br />

Gründer-Finanzierung um?<br />

HOFER: Gründer sollten sich zunächst<br />

einmal mit ihrem Geschäftsmodell<br />

beschäftigen und nicht nur mit<br />

der Finanzierung. Es ist Aufgabe der<br />

B&C-Gruppe, das Geld, das wir durch<br />

klassisches Wirtschaften im Rahmen<br />

der Old Economy erarbeiten, auch ins<br />

Risiko zu stellen und innovative Investments,<br />

von denen niemand vorher<br />

weiß, ob sie wirklich je den Ertrag<br />

bringen, den sie möglicherweise<br />

versprechen, zu unterstützen. Dabei<br />

geht die B&C Privatstiftung selbstverständlich<br />

mit Bedacht vor. Wir ziehen<br />

nicht mit dem Sesterzenkübel durchs<br />

Land und werfen den am Wegrand<br />

lagernden Gründern Brosamen zu.<br />

Wir arbeiten und wirtschaften nach<br />

unseren Überzeugungen und haben<br />

einen Qualitätsanspruch. Bisher sind<br />

wir damit sehr gut gefahren.<br />

ZIMPFER: Um einen nennenswerten<br />

Beitrag zur Entwicklung von Start-ups<br />

zu leisten, greift es zu kurz, wenn ein<br />

Investor lediglich Kapital bereitstellt.<br />

Aus unserer Sicht sind zwei Gesichtspunkte<br />

relevant: Bei uns steht Flexibilität<br />

an erster Stelle. Gründer sollen<br />

nicht schon beim Einstieg unter dem<br />

Exit-Zwang stehen – also dem Gedanken,<br />

etwas realisieren zu müssen, was<br />

es im Wert noch gar nicht gibt. Dazu<br />

begleiten wir den Gründer längerfristig,<br />

soweit erforderlich, und wirtschaftlich<br />

sinnvoll, auch über mehrere<br />

Finanzierungsrunden und sehen einen<br />

wesentlichen Wert in der Tatsache,<br />

dass wir in keinem „Fonds-Korsett“<br />

stecken. Als Partner wollen wir mit<br />

den Gründern das „Mittelständler-<br />

Plus“ aufbauen. Die Dimension des<br />

Plus liegt in der Fantasie des Einzelnen.<br />

Aufgrund dieser Haltung können<br />

wir uns auch vorstellen, investiert zu<br />

bleiben. Zweitens ist es unser Ziel,<br />

Gründer wie dargestellt insbesondere<br />

auf der Vertriebsseite mit einem attraktiven<br />

Ökosystem zu vernetzen. Die<br />

B&C hat aufgrund ihres Kerngeschäfts<br />

ein Umfeld, das dabei äußerst hilfreich<br />

ist. Das sind die beiden Werthebel, die<br />

wir umlegen.<br />

Gibt es bestimmte Kriterien für eine<br />

Beteiligung durch die B&C?<br />

ZIMPFER: Es müssen zwei Fragen<br />

klar mit „ja“ beantwortet werden<br />

können: „Löst die Geschäftsidee ein<br />

brisantes Problem so, dass vorstellbar<br />

ist, dass das angestrebte Geschäft<br />

Potenzial für profitables Wachstum<br />

hat?“ und „Trauen wir es den handelnden<br />

Personen zu, dass sie diese<br />

große Herausforderung erfolgreich<br />

umsetzen können?“ Die oft gestellte<br />

Frage, ob das Start-up schon heute<br />

Umsatz macht, ordnen wir den eben<br />

genannten Punkten unter.<br />

HOFER: Was uns grundsätzlich<br />

motiviert hat, uns der Start-up- und<br />

Early-Stage-Szene zuzuwenden, ist<br />

der unprätentiöse unternehmerische<br />

Zugang der Gründer. Diese Leute<br />

sind bescheiden und sparsam, weil<br />

sie um ihr eigenes Geld laufen und<br />

sehen, dass jeder Euro von irgendwo<br />

herkommen muss.<br />

ZIMPFER: Wir versuchen auch,<br />

unseren Respekt den Gründern gegenüber<br />

zum Ausdruck zu bringen. Auch<br />

wenn es selbstverständlich anmutet:<br />

Jeder, der an uns herantritt, erhält Aufmerksamkeit<br />

und offenes Feedback.<br />

Dieses wird von Gründern geschätzt,<br />

auch wenn es kritisch ausfällt.<br />

Fortsetzung auf Seite 13<br />

10<br />

11


MARIELLA SCHURZ<br />

Generalsekretärin B&C Privatstiftung<br />

Mariella Schurz –<br />

Verstärkung für die B&C Förderaktivitäten<br />

Die B&C Privatstiftung ist seit vielen Jahren<br />

im Bereich der wirtschaftsnahen Forschungsförderung<br />

in Österreich aktiv. Dazu zählt insbesondere<br />

der „Houskapreis“, einer der größten<br />

privaten Forschungspreise des Landes. Die B&C<br />

förderte zuletzt auch Projekte zur Forschungsvermittlung<br />

an österreichischen Schulen mit dem<br />

eigenen „Bildungspreis“ sowie laufend Studien,<br />

Publikationen und Fachveranstaltungen.<br />

Zur weiteren Umsetzung und Fortentwicklung<br />

solcher Projekte hat die B&C Privatstiftung mit<br />

1. Mai 2017 ein Generalsekretariat eingerichtet<br />

und Dr. Mariella Schurz mit dessen Leitung<br />

betraut. Ziel ist, damit die Grundlagen für den<br />

weiteren Ausbau der Stiftungsaktivitäten zu<br />

verstärken.<br />

ERICH HAMPEL<br />

Vorsitzender des Stiftungsvorstandes<br />

Mariella Schurz, bereits seit 2012 für die B&C<br />

Industrieholding als Prokuristin tätig, hat<br />

schon bisher als verantwortliche Organisatorin<br />

des Houskapreises wesentliche Beiträge zu<br />

den Förderaktivitäten der B&C Privatstiftung<br />

geleistet.<br />

Als Generalsekretärin vertritt sie die B&C<br />

Privatstiftung nach außen gegenüber öffentlichen<br />

Einrichtungen, Institutionen und Medien und<br />

ist in Abstimmung mit dem Stiftungsvorstand<br />

für die strategische Weiterentwicklung der<br />

Förderaktivitäten verantwortlich.<br />

Fortsetzung von Seite 11<br />

Gründer sind typischerweise sehr<br />

selbstkritische und wissbegierige<br />

Menschen, die in der Regel mit zwei<br />

Engpässen zu kämpfen haben: Zum<br />

einen ist das der Kapitalbedarf, zum<br />

anderen ist es die Herausforderung,<br />

die eigene Zeit richtig zu investieren,<br />

die richtigen Leute und den richtigen<br />

„Use Case“ zu finden, der sich skalieren<br />

lässt. Die Form, wie Gründer<br />

priorisieren, beeindruckt mich regelmäßig.<br />

Daran kann man sich ein<br />

Beispiel nehmen. Als Investor agieren<br />

wir übrigens nicht mit ausgefahrenen<br />

Ellenbogen in Bezug auf andere Investoren<br />

und Partner. Jeder weitere Investor,<br />

der die Erfolgsaussichten für<br />

den Gründer heben kann, ist uns ein<br />

willkommener Partner. Idealerweise<br />

ist dieser vom Fach, also aus dem<br />

technisch-industriellen Bereich, und<br />

steuert einen klaren Mehrwert bei.<br />

Wie ist das Verhältnis zwischen<br />

Start-up-Szene und etablierten<br />

Unternehmen?<br />

HOFER: Start-ups machen, was in<br />

etablierten Unternehmen schon fast<br />

an Untreue grenzen würde: Eine<br />

Gruppe von Menschen in einem nichthierarchischen<br />

Umfeld hat die Möglichkeit,<br />

ohne vorgegebenes Erfolgsziel<br />

und ohne Erfolgskontrolle aktiv<br />

zu werden und einmal zu schauen,<br />

was daraus wird. Solche Strukturen<br />

in etablierten Unternehmen zu installieren<br />

und Risikokapital im eigenen<br />

Unternehmen bereitzustellen ist ein<br />

schwieriges Unterfangen. Einfacher<br />

ist es, das Benötigte zuzukaufen –<br />

nach dem Motto „Innovation durch<br />

Akquisition“. Natürlich verändern<br />

sich auch etablierte Unternehmen,<br />

eine ständige evolutionäre Innovation<br />

ist ja notwendig, um Unternehmen<br />

am Markt zu halten.<br />

WAS BEDEUTET EIGENTLICH ...?<br />

DISRUPTION: Darunter ist eine Innovation zu verstehen, die ein<br />

bestehendes Produkt, eine bestehende Technologie, ein bestehendes<br />

Produktionslayout oder eine bestehende Dienstleistung stark schwächt<br />

bzw. vollständig vom Markt verdrängt.<br />

INNOVATION: Sie definiert sich als ein gezielter Veränderungsprozess<br />

hin zu etwas Erstmaligem, Neuem, das erfolgreich Anwendung findet<br />

und den Markt durchdringt (Diffusion).<br />

DISRUPTIVE INNOVATION: Eine solche spricht neue Märkte oder<br />

neue Kundengruppen durch eine radikale Änderung der Produkte bzw.<br />

Leistungen an.<br />

START-UP: Darunter ist ein junges Unternehmen mit einer innovativen<br />

Geschäftsidee und dem Ziel zu verstehen, stark zu wachsen und einen<br />

hohen Unternehmenswert zu erreichen.<br />

Gibt es Synergien zwischen Ihrer Welt<br />

und jener Ihrer Kernbeteiligungen?<br />

ZIMPFER: Die B&C Innovation<br />

Investments darf man nicht so verstehen<br />

oder gar derart beschränken,<br />

dass es eine Scouting-Plattform für<br />

die Kernbeteiligungen der B&C wäre.<br />

Sie ist eine Plattform, die Technologie-Gründer<br />

als Investor unterstützt<br />

und mit der etablierten Industrie<br />

vernetzt. Wenn eine Vernetzung<br />

möglich ist, weil sie inhaltlich sinnvoll<br />

erscheint, dann bieten wir diese<br />

an. Es obliegt aber den Vorständen<br />

und Verantwortlichen der Kernbeteiligungen,<br />

zu beurteilen, ob sie möglichen<br />

Projekten Potenzial beimessen.<br />

Welche sind Ihre Ziele für die B&C<br />

Innovation Investments?<br />

ZIMPFER: Entscheidend ist, den<br />

bestehenden Qualitätsfokus beizubehalten.<br />

Das bedeutet, dass Investments<br />

nur getätigt werden, wenn wir<br />

vom Geschäftscharakter und dem<br />

Gründerteam vollumfänglich überzeugt<br />

sind. Nur mit diesem Anspruch<br />

können wir unsere finanziellen wie<br />

personellen Ressourcen nach bester<br />

Überzeugung einsetzen. Außerdem<br />

möchte ich unter Beweis stellen, dass<br />

Flexibilität und Mehrwert durch die<br />

industrielle Vernetzung der B&C-<br />

Gruppe die Erfolgswahrscheinlichkeit<br />

von Start-ups deutlich anheben kann.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

12<br />

13


B&C Privatstiftung: Erhalt der Forschung und Entwicklung in Österreich<br />

Schnittstelle zwischen<br />

Universitäten und Wirtschaft<br />

Dem Forscherteam rund um Stefan Pogatscher ist es<br />

gelungen, die atomaren Vorgänge in der Frühphase der<br />

Aushärtung von Aluminiumlegierungen grundlegend<br />

zu beschreiben und daraus ein neues Legierungsdesign<br />

abzuleiten. So konnte eine neue Methode zur maßgeblichen<br />

Verkürzung der Wärmebehandlungszeit und<br />

Verbesserung der Materialeigenschaften erarbeitet und<br />

in die betriebliche Praxis umgesetzt werden. „Wir freuen<br />

uns sehr über den Gewinn des Houskapreises und die<br />

öffentliche Anerkennung unserer Forschungsleistungen.<br />

Montanuniversität Leoben<br />

gewinnt mit einem Projekt<br />

zu Aluminiumlegierungen<br />

Kategorie „Universitäre Forschung“<br />

UNIV.-ASS. PROF. STEFAN POGATSCHER, Montanuniversität Leoben<br />

Mit unserem Projekt zeigen wir, dass die Kooperation<br />

von wissenschaftlicher Forschung mit Partnern aus der<br />

Wirtschaft zu praxisrelevanten Ergebnissen führt“, freut<br />

sich Stefan Pogatscher über den Hauptpreis in Höhe von<br />

150.000 Euro.<br />

VIDEO<br />

MANIPULATION DER HÄRTUNGSKINETIK<br />

VON ALUMINIUM<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C PRIVATSTIFTUNG<br />

Houskapreis-Gala <strong>2016</strong>:<br />

Professor Burkhard Göschel,<br />

Brigitte Trebos (B&C),<br />

Moderatorin Nina Ruge,<br />

Mariella Schurz (B&C)<br />

Der Houskapreis der B&C Privatstiftung zählt zu den größten privaten<br />

Forschungspreisen in Österreich.<br />

Im Jahr 2005 wurde der Forschungspreis der<br />

B&C Privatstiftung mit der Intention ins Leben<br />

gerufen, die finanziellen Grundlagen für Innovation<br />

und Forschung in Österreich zu verbessern.<br />

Darüber hinaus wollte man damit den Wirtschaftsstandort<br />

Österreich nachhaltig stärken.<br />

Mit einer Dotierung von 400.000 Euro ist der<br />

Houskapreis einer der größten privat vergebenen<br />

Forschungspreise Österreichs. Prämiert werden<br />

herausragende Projekte in der universitären<br />

Forschung, seit <strong>2016</strong> in einer zusätzlichen Kategorie<br />

auch Forschung und Entwicklung in KMU.<br />

Hier werden Forschungsprojekte ausgezeichnet,<br />

die sich aufgrund radikaler Innovation nachhaltig<br />

positiv auf das Unternehmen auswirken.<br />

AUSGEZEICHNETE FORSCHUNG<br />

AUF SPITZENNIVEAU<br />

Seit seinem Bestehen hat der Houskapreis über<br />

3 Millionen Euro an Fördergeldern ausgeschüttet,<br />

rund 340 Forschungsprojekte wurden bislang<br />

eingereicht. Die Bewertung der Projekte und<br />

die Ermittlung der Sieger erfolgen zweistufig<br />

durch eine international anerkannte Fachjury<br />

und zwei renommiert besetzte Fachbeiräte. Im<br />

Jahr <strong>2016</strong> wurden 34 Projekte aus der Kategorie<br />

„Universitäre Forschung“ eingereicht, in der<br />

neuen Kategorie „Forschung & Entwicklung<br />

in KMU“ gingen insgesamt 28 Forscherteams<br />

um die begehrte Auszeichnung ins Rennen.<br />

Mittlerweile wohnen über 300 Top-Entscheidungsträger<br />

aus Wirtschaft und Forschung der<br />

feierlichen Preisverleihung im Frühjahr bei, der<br />

Houskapreis hat sich in den vergangenen elf<br />

Jahren zu einer Art österreichischem „Forschungs-<br />

Oscar“ entwickelt.<br />

HOUSKAPREIS-GALA <strong>2016</strong><br />

In der <strong>2016</strong> neu geschaffenen Kategorie für KMU konnte<br />

sich das Wiener Unternehmen Marinomed gegen starke<br />

Konkurrenz durchsetzen. Dem Biotechnologieunternehmen<br />

gelang es, eine wirksame Therapie gegen Schnupfen<br />

und grippale Infekte zu entwickeln. Der innovative<br />

Inhaltsstoff aus Rotalgen wirkt dabei gezielt gegen Viren,<br />

die die Atemwege infizieren. Eva Prieschl-Grassauer von<br />

Marinomed zeigt sich von der Anerkennung begeistert:<br />

„Wir sind überglücklich, diese wichtige Auszeichnung als<br />

allererstes Unternehmen erhalten zu haben, denn sie ist<br />

Marinomed gewinnt als erstes KMU mit<br />

einer Therapie gegen grippale Infekte<br />

Kategorie „Forschung und Entwicklung in KMU“<br />

DR. EVA PRIESCHL-GRASSAUER, Marinomed Biotechnologie GmbH<br />

eine Wertschätzung für unser Engagement. Wir freuen<br />

uns, dass die B&C Privatstiftung mit der neuen Kategorie<br />

nun auch die außeruniversitäre Forschungsarbeit von<br />

KMU anerkennt.“ Marinomed konnte den Forschungspreis<br />

in Höhe von 150.000 Euro entgegennehmen.<br />

VIDEO<br />

THERAPIE GEGEN SCHNUPFEN<br />

UND GRIPPALE INFEKTE<br />

DIE NOMINIERTEN FÜR DEN HOUSKAPREIS <strong>2016</strong> IN DEN KATEGORIEN UNIVERSITÄRE FORSCHUNG<br />

SOWIE FORSCHUNG & ENTWICKLUNG IN KMU FINDEN SIE HIER.<br />

14<br />

15


„Österreich braucht<br />

einen Digitalisierungssprung.“<br />

Sein Name steht für technologischen Fortschritt in der Automobilbranche<br />

und Exzellenz in der Führung von zukunftsorientierten<br />

Industriekonzernen: Professor Burkhard Göschel über die Bedeutung<br />

von Emotionalität und Markenführung in Zusammenhang mit Innovation<br />

und Digitalisierung.<br />

Ich wurde kürzlich zu einem Interview eingeladen<br />

und sollte – ganz nach „Ratgeber-Manier“ –<br />

auf Fragen antworten wie „Wodurch zeichnet<br />

sich eine innovative Marke aus?“ oder „Wie<br />

kann man Innovationen strategisch aus der<br />

Marke heraus fördern?“ Schön wär’s, wenn die<br />

Welt so einfach wäre und sich unternehmerische<br />

Innovation nach Kochrezept produzieren ließe.<br />

Innovationen gibt es nicht auf Bestellung, sie<br />

fallen nicht vom Himmel und sie sind nicht –<br />

auch wenn das eingefleischte Ingenieure nicht<br />

hören wollen – bloßes Ergebnis von technischem<br />

Genie, das ohne Kooperation mit Partnern<br />

auskommt.<br />

INNOVATION IST EINE FRAGE DER HALTUNG<br />

Damit Innovation stattfinden kann, braucht es<br />

zuallererst einmal eines: die richtige Kultur<br />

und Haltung innerhalb des Unternehmens.<br />

Innovation ist ein Prozess, der in den Köpfen<br />

der Menschen beginnt. Und er braucht Vorstellungskraft.<br />

Innovativ erfolgreiche Unternehmen<br />

sind in der Lage, eingefahrene Grundmuster<br />

zu verlassen und neu zu denken. Sie können<br />

sich heute schon vorstellen, was ihre künftigen<br />

Kunden wollen und brauchen, was sie begeistern<br />

und überraschen könnte – freilich immer<br />

mit dem Risiko, mit dieser Einschätzung auch<br />

einmal daneben zu liegen. Das ist die erste<br />

Voraussetzung, unter der Innovation sinnvoll<br />

stattfinden kann.<br />

Die zweite Voraussetzung: Innovativ erfolgreiche<br />

Unternehmen wissen genau, wofür sie<br />

stehen und sorgen dafür, dass auch ihre Kunden<br />

dies jederzeit wissen. An diesem Punkt kommt<br />

das Thema Markenführung ins Spiel. Wenn<br />

Produkte immer vergleichbarer werden oder<br />

die technische Differenzierung zunehmend<br />

schwierig wird, ist Markenführung unter<br />

Fokussierung auf Emotionalität immer stärker<br />

gefragt. Nehmen wir die Automobilindustrie<br />

als Beispiel: Ein Auto verkauft sich nicht mehr<br />

über die Rationalität technischer Features oder<br />

darüber, dass es bestimmte Abgaswerte gesetzeskonform<br />

einhält. Heute verkauft sich ein Auto<br />

über Emotionalität.<br />

STEIGEN SIE EINMAL IN EINEN TESLA EIN!<br />

Elon Musk macht uns das mit seinem Tesla<br />

richtig gut vor. Ihm ist es als erstem Autobauer<br />

gelungen, das Elektroauto als emotionales<br />

Objekt darzustellen und damit die Innovation<br />

an der Marke auszurichten. Die Frage nach dem<br />

Nutzen für den Kunden findet eine unmittelbar<br />

erlebbare Antwort. In diesem Auto passt die<br />

Architektur, der Innenraum ist freigeräumt,<br />

man hat Platz, der Wagen ist leise und sanft, hat<br />

aber trotzdem Power und schiebt. Die Marke<br />

Tesla repräsentiert, was die Emotionalität, das<br />

Wertegefüge der Interessenten widerspiegelt<br />

und deshalb das Produkt absolut begehrenswert<br />

macht.<br />

BURKHARD GÖSCHEL<br />

Innovationsexperte<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C PRIVATSTIFTUNG: ERHALT DER FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG IN ÖSTERREICH<br />

16<br />

17


PROFESSOR DR. BURKHARD GÖSCHEL<br />

ist Maschinenbauer von der TU München. Promoviert hat er<br />

an der Universität Stuttgart. Seine Industrielaufbahn begann<br />

er als Ingenieur im Bereich Motorenentwicklung der Daimler-<br />

Benz AG. Nach seinem Wechsel zu BMW arbeitete er unter<br />

anderem maßgeblich an der Entwicklung des ersten BMW-<br />

Dieselmotors und des V12-Motors. Ab 1993 entstanden unter<br />

seiner Führung das Sondermodell Z3 Coupé, das Forschungsfahrzeug<br />

Z13, der BMW X5, der Supersportwagen Z8, der Range<br />

Rover und der Mini. Von 2000 bis 2006 zeichnete Professor<br />

Göschel bei BMW als Vorstandsmitglied für die Bereiche Entwicklung<br />

und Einkauf verantwortlich. In diese Zeit fiel auch die<br />

Verantwortung für das BMW-Formel-1-Programm. Bei Magna<br />

International bekleidete er ab September<br />

2007 die Position des Chief Technology<br />

Officers und setzte sich vor allem für<br />

die Entwicklung von Elektroautos ein.<br />

Dr. Göschel ist Honorarprofessor an<br />

der TU Graz, Ehrendoktor und Ehrensenator<br />

der TU München und Mitglied<br />

der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften.<br />

Er ist bei der<br />

FIA Präsident der Kommission<br />

für alternative Antriebsformen<br />

im Motorsport und<br />

hat die Formula E ins Leben<br />

gerufen.<br />

Gleichzeitig muss Tesla, wie alle anderen<br />

Hersteller auch, schon heute antizipieren, was<br />

seine Kunden im Jahr 2035 wollen und wie<br />

deren Empfindungen in Zukunft sein werden.<br />

Das Umfeld wird zu diesem Zeitpunkt ein<br />

anderes sein, Lebensgewohnheiten werden<br />

sich bis dahin verändert haben. Das Thema<br />

Megacities, der Trend zum autonomen Fahren<br />

werden ihre Auswirkungen zeigen. Da muss<br />

bereits heute überlegt werden, wie die Marke in<br />

diese Zukunft mitgenommen werden kann bzw.<br />

inwieweit sie dann überhaupt noch am Produkt<br />

selbst festgemacht werden kann oder schon an<br />

der Dienstleistung, die das Produkt erbringt –<br />

Transport von A nach B unter Berücksichtigung<br />

individuell unterschiedlicher Bedürfnisse –,<br />

auszurichten ist.<br />

IMMER FÜR ÜBERRASCHUNGEN GUT<br />

Emotional aufgeladene Marken funktionieren<br />

übrigens auch in Industrien, die nicht direkt für<br />

den Endkunden produzieren. Nehmen wir als<br />

Beispiel ein Aluminiumunternehmen, das vom<br />

aktuellen Trend zu Alu-Verbundwerkstoffen<br />

profitieren möchte. Dieses Unternehmen<br />

transportiert über seine Marke idealerweise die<br />

Botschaft, dass sie „diejenigen sind, die immer<br />

schon für Problemlösungen gut waren und mit<br />

Innovationen überrascht haben“. Warum ist der<br />

„Aha-Moment“ wichtig? Kunden überraschen<br />

und deren künftige Bedürfnisse antizipieren<br />

zu können spielt vor allem im Hinblick auf die<br />

Digitalisierung der industriellen Wertschöpfungsketten<br />

eine entscheidende Rolle.<br />

Durch die Digitalisierung werden Entscheidungsprozesse<br />

ganz allgemein und Innovationsprozesse<br />

im Besonderen ungemein beschleunigt.<br />

Die Unternehmen müssen sich an deutlich<br />

kürzere Industriezyklen anpassen und ihre<br />

Flexibilität dramatisch hochfahren, um die<br />

Intelligenz ihrer Dienstleistung auch in Zukunft<br />

aufrechterhalten zu können. Dies geschieht<br />

freilich wieder auf der Basis gut abgesicherter<br />

Markenwerte und setzt – wie bei Innovation<br />

– den „richtigen“ Mindset im Unternehmen<br />

voraus. Dieser findet sich zuallererst in der<br />

Führungsetage. Wird das Thema Digitalisierung<br />

nicht von ganz oben aktiv und vor allem mit<br />

Überzeugung vorangetrieben, muss jeder<br />

Digitalisierungsprozess unweigerlich scheitern.<br />

NÜTZT EUER POTENZIAL!<br />

Wenn Sie mich nun fragen, ob die österreichische<br />

Industrie aus meiner Sicht einen Digitalisierungssprung<br />

braucht, so lautet meine<br />

Antwort ganz klar: „Ja! Und zwar dringend!“<br />

Es geht bei diesem Sprung nicht darum, zu<br />

Deutschland, das immer wieder als Vorreiter<br />

und europäisches Zugpferd zitiert wird, aufzuschließen.<br />

Es geht darum, einen eigenen Weg<br />

über den Vergleichsmaßstab Deutschland<br />

hinaus zu finden. Das muss das Ziel sein!<br />

Wie kann es erreicht werden? Die Industrie<br />

muss sich maßgeblich an der universitären<br />

Forschung beteiligen und in ihren eigenen<br />

Unternehmen die Begeisterung wecken, für die<br />

Kunden der Zukunft etwas Überraschendes tun<br />

zu wollen. Das Potenzial dazu hat Österreich!<br />

Nützt es bitte!<br />

„Wissen Sie, warum das<br />

iPhone so erfolgreich war?<br />

Apple hat Sie gezwungen,<br />

Ihr Gerät zu streicheln.<br />

Damit hat man über die<br />

Berührung unbewusst<br />

eine Beziehung zu diesem<br />

Gegenstand entwickelt.<br />

Deshalb vertraut man<br />

diesem Produkt und will<br />

es nicht missen.“<br />

BURKHARD GÖSCHEL<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C PRIVATSTIFTUNG: ERHALT DER FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG IN ÖSTERREICH<br />

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www.facebook.com/Bildungspreis<br />

www.twitter.com/<strong>BC</strong>Stiftung<br />

„Mehr Wirtschaft,<br />

weniger Geografie.“<br />

Anlässlich des 15-jährigen Bestehens der Stiftung<br />

wurde <strong>2016</strong> der Bildungspreis der B&C Privatstiftung<br />

zur Förderung der Forschungsvermittlung an österreichischen<br />

Schulen und Bildungseinrichtungen<br />

vergeben. Wie wichtig solche Initiativen für das<br />

Lernen von Kindern und Jugendlichen sind, skizziert<br />

AHS-Lehrer und Juror Mag. Heribert Pröbstl.<br />

Welche Relevanz haben Forschungsprojekte<br />

für das Lernen in der Schule?<br />

HERIBERT PRÖBSTL: Grundsätzlich<br />

halte ich jedes Projekt, das Wissen<br />

mit praktischem Tun, Erfahrung-Sammeln<br />

und sozialem Lernen verknüpft,<br />

für sehr sinnvoll. Praktisch lässt sich<br />

das leider nicht so einfach umsetzen.<br />

Es müssen Lehrpläne eingehalten,<br />

Lehr- und Lernziele erreicht und ein<br />

bestimmtes Pensum an fachlichem<br />

Wissen muss vermittelt werden.<br />

Dem steht oft der vergleichsweise<br />

große Zeitaufwand für Projekte entgegen.<br />

Außerdem erfordert Projektarbeit<br />

viel zusätzliches Engagement<br />

von Lehrerinnen und Lehrern. Da<br />

wägt man natürlich ab, welche Prioritäten<br />

man setzt.<br />

Lernen Schülerinnen und Schüler<br />

mit Projekten besser?<br />

PRÖBSTL: Die Verbindung von<br />

Praktischem und Theoretischem ist<br />

gut und hilfreich. Projekte dürfen<br />

aber nicht bloß der Bespaßung dienen.<br />

Das kognitive Lernen, also der<br />

Erwerb von grundlegendem Wissen,<br />

muss weiterhin im Vordergrund<br />

stehen. Was nützt ein lustiges, tolles<br />

Projekt, wenn es den Schülerinnen<br />

und Schülern an Basiswissen mangelt<br />

und sie die Möglichkeiten des Projekts<br />

deshalb gar nicht ausschöpfen<br />

oder für sich nützen können?<br />

Was gehört für Sie zum Basiswissen?<br />

Ist das ein unveränderlicher<br />

Bildungskanon oder darf es da<br />

schon einmal Anpassungen geben?<br />

PRÖBSTL: Aus meiner langjährigen<br />

Erfahrung als Lehrer für Geografie<br />

und Wirtschaftskunde:<br />

Es ist notwendig, wesentliche Grundkenntnisse<br />

der physischen Geografie<br />

und der Topografie zu besitzen,<br />

daneben sollen auch bevölkerungsgeografische<br />

Entwicklungen und<br />

Auswirkungen verstanden werden.<br />

Es ist aber für das zukünftige Leben<br />

der Schülerinnen und Schüler enorm<br />

wichtig, wirtschaftliche Zusammenhänge<br />

und Entwicklungen in der<br />

Volks- und Betriebswirtschaftslehre<br />

zu verstehen und erklären zu können.<br />

Daher glaube ich, dass die wirtschaftlichen<br />

Aspekte noch mehr in den<br />

Vordergrund rücken sollten.<br />

„Gamification“, also das Integrieren<br />

von spielerischen Elementen zur<br />

Motivationssteigerung, ist ein neuer<br />

Trend in der Lernwelt. Ihre Meinung<br />

dazu?<br />

PRÖBSTL: Es kommt weniger auf<br />

aktuelle Trends als auf einen klugen<br />

Methodenmix an. Das Einbeziehen<br />

von spielerischen Elementen an sich<br />

ist nichts Neues. Jedes Baby und<br />

Kleinkind lernt spielerisch. Neu ist<br />

jetzt das Einbeziehen von elektronischen<br />

Geräten wie Smartphones.<br />

Wenn ich in meiner Klasse aber<br />

immer nur auf digitale Präsentationsund<br />

Arbeitsmedien setze, finden das<br />

meine Schülerinnen und Schüler<br />

bald langweilig. Da wird dann zum<br />

Beispiel ein alter Diaprojektor wieder<br />

unglaublich interessant. Was lernen<br />

wir daraus? Auf einen ausgewogenen,<br />

vielfältigen Methodenmix kommt es<br />

an – nicht auf das Hinterherlaufen<br />

irgendwelcher Trends.<br />

Wären Sie für die Gestaltung von<br />

Lehrplänen zuständig: Worauf würden<br />

Sie am meisten achten?<br />

PRÖBSTL: Für mich ist die fächerübergreifende<br />

Komponente sehr<br />

wichtig. Diese würde ich forcieren<br />

und die Lehrpläne entsprechend<br />

noch stärker als bisher aufeinander<br />

abstimmen. Außerdem würde ich<br />

die Lehrpläne von Lehrerinnen und<br />

Lehrern machen lassen, die aktiv in<br />

den Klassen unterrichten. Sie kennen<br />

die Gegebenheiten und Bedürfnisse<br />

in den verschiedenen Schultypen und<br />

Altersstufen am besten – sie sind ja<br />

täglich unmittelbar „dran“. Ich würde<br />

auch verstärkt auf Projektarbeit setzen,<br />

denn das ist eine hervorragende<br />

Möglichkeit für die Schülerinnen und<br />

Schüler, ihre Stärken und Schwächen<br />

herauszufinden und danach ihre<br />

weitere Schul- und Berufswahl zu<br />

treffen.<br />

MAG. HERIBERT PRÖBSTL<br />

ist Lehrer für Geografie und Wirtschaftskunde<br />

am Haydngymnasium<br />

in Wien 5, Reinprechtsdorfer<br />

Straße. Der Didaktiker verfügt<br />

über mehr als 39 Jahre Berufserfahrung<br />

als AHS-Lehrer, hat während<br />

seiner Laufbahn innovative<br />

Medienpakete für den Einsatz im<br />

Unterricht entwickelt und war in<br />

der Lehrerfortbildung engagiert.<br />

Im Rahmen des Bildungspreises<br />

der B&C Privatstiftung zeichnete<br />

Mag. Pröbstl als Juror für<br />

die Auswahl der Siegerprojekte<br />

mitverantwortlich.<br />

JETZT KONZEPTE UND PROJEKTE EINREICHEN:<br />

BILDUNGSPREIS<br />

DER B&C PRIVATSTIFTUNG<br />

150.000 EURO<br />

FÜR FORSCHUNGS-<br />

VERMITTLUNG<br />

IN BILDUNGS-<br />

EINRICHTUNGEN<br />

www.bcprivatstiftung.at<br />

JUNG, ZUKUNFTSORIENTIERT UND HOCH DOTIERT: Das ist der Bildungspreis<br />

der B&C Privatstiftung, der <strong>2016</strong> anlässlich des 15-jährigen Bestehens der<br />

Stiftung für innovative Projekte und Lehrmethoden zur Forschungsvermittlung<br />

an österreichischen Bildungseinrichtungen ausgeschrieben wurde.<br />

Jung, zukunftsorientiert und hoch erfreut waren die Gewinnerinnen und<br />

Gewinner auf den ersten drei Plätzen, die aus insgesamt 113 Einreichungen<br />

ausgewählt wurden und sich im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung<br />

Mitte Oktober <strong>2016</strong> über ein Preisgeld von 30.000 Euro freuen durften. Die<br />

restlichen 120.000 Euro stellt die B&C Privatstiftung für die Umsetzung der 20<br />

besten Projekte zur Verfügung.<br />

PLATZ 1<br />

ORGANISATION: School of Education/Universität Salzburg<br />

PROJEKTZIEL: Kindern und Jugendlichen zwischen elf und 15 Jahren soll die<br />

Bedeutung von Bienen für den Erhalt unserer Lebenswelt nahegebracht werden.<br />

PLATZ 2<br />

ORGANISATION: Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt/Wien<br />

PROJEKTZIEL: Schülerinnen und Schüler ab sechs Jahren bereiten naturwissenschaftliche<br />

Inhalte interessant und attraktiv auf und stellen das Ergebnis<br />

als Video auf YouTube.<br />

PLATZ 3<br />

Projekt „Bee a Scientist“<br />

Der B&C<br />

Bildungspreis<br />

zum 15-jährigen<br />

Bestehen<br />

Projekt „Kinder und Jugendliche forschen auf YouTube“<br />

Projekt „Kinder in der Technik“<br />

ORGANISATION: Kooperation HTL Mössingerstraße mit Kindergärten/<br />

Klagenfurt<br />

PROJEKTZIEL: Unter der Anleitung von Jugendlichen bauen Kindergartenkinder<br />

ein Luftkissenfahrzeug oder ein Spielzeugtier. Dabei stehen das eigenständige<br />

Lernen, das Organisieren in der Klasse und die Eigenverantwortung<br />

der Jugendlichen im Vordergrund.<br />

WEITERE INFORMATIONEN<br />

ZUM B&C BILDUNGSPREIS FINDEN SIE HIER.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C PRIVATSTIFTUNG: ERHALT DER FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG IN ÖSTERREICH<br />

20<br />

21


Big Data –<br />

Fluch oder Segen?<br />

Unternehmen bewegen sich in einem<br />

wachsenden Spannungsfeld zwischen<br />

Informationstransparenz und<br />

Datenschutz. Was das für die Auskunftsund<br />

Verschwiegenheitspflichten<br />

von Vorständen und Aufsichtsräten<br />

in der Praxis bedeutet, wurde beim<br />

fünften Wiener Unternehmensrechtstag<br />

rege diskutiert.<br />

Dank moderner Technologien können Unternehmen in<br />

kürzester Zeit große Datenmengen sammeln, analysieren,<br />

verwerten und auf Knopfdruck bestimmten Empfängerkreisen<br />

zugänglich machen. Dies ermöglicht und erleichtert<br />

die Entscheidungsfindung und das Informieren relevanter<br />

Anspruchsgruppen im unternehmerischen Alltag.<br />

Gleichzeitig muss mit vertraulichen Daten absolut rechtskonform<br />

und verantwortungsvoll umgegangen werden –<br />

sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens.<br />

Zu diesem Themenkomplex – Big Data und die gesellschaftsrechtlichen<br />

Auskunfts- und Verschwiegenheitspflichten<br />

– diskutierten rund 140 namhafte Rechts- und<br />

Wirtschaftsexperten aus ganz Österreich im Rahmen des<br />

Wiener Unternehmensrechtstages. Die Tagungsreihe<br />

geht auf eine Initiative der B&C Privatstiftung zurück<br />

und fand im Oktober <strong>2016</strong> bereits zum fünften Mal unter<br />

der fachlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss<br />

und Univ.-Prof. Dr. Ulrich Torggler statt. Antworten der<br />

beiden Experten auf vier Kernfragen der Tagung sind im<br />

nachstehenden Doppelinterview zusammengefasst.<br />

UNIV.-PROF. DR. ULRICH TORGGLER, LL.M.<br />

ist seit 2011 Professor am Institut für Unternehmens-<br />

und Wirtschaftsrecht an der Universität<br />

Wien. Davor sammelte er praktische Erfahrungen<br />

in einer großen Wiener Wirtschaftskanzlei und<br />

wechselte später auf einen Lehrstuhl für „Privates<br />

Recht der Wirtschaft“ an der Universität Innsbruck.<br />

Torggler ist Träger des Walther-Kastner-Preises<br />

sowie des Kardinal-Innitzer-Förderungspreises<br />

und unter anderem Herausgeber eines Standardwerkes<br />

zum GmbH-Gesetz.<br />

Durch die fortschreitende Digitalisierung gelangen Unternehmen<br />

an immer mehr Daten – Stichwort Big Data.<br />

Damit vergrößert sich das Spannungsfeld zwischen Transparenz<br />

und Schutz von vertraulichen Daten. Sind da Konflikte<br />

zwischen den Interessengruppen vorprogrammiert?<br />

ULRICH TORGGLER: Mit dem Umfang zugänglicher<br />

Informationen steigt nicht nur die Bedeutung von Sonderwissen,<br />

sondern naturgemäß auch das Geheimhaltungsinteresse<br />

daran. Das erzeugt Konflikte, insbesondere<br />

wenn Gesellschafter ein Interesse an einer vertraulichen<br />

Information haben, über die die Gesellschaft verfügt.<br />

Besonders häufig stellt sich das Problem im Konzern:<br />

Konzernobergesellschaften sind bei ihrer Konzernleitung<br />

auf Informationen aus den Tochtergesellschaften angewiesen.<br />

Einen Auskunftsanspruch gewährt ihnen der<br />

Gesetzeswortlaut bei Aktiengesellschaften aber nur in<br />

Bezug auf solche Informationen, die zur Konsolidierung<br />

erforderlich sind (vgl. § 247 Abs. 3 UGB).<br />

Für die Vertrauensbildung zwischen Unternehmen und<br />

Anspruchsgruppen ist die Weitergabe von Informationen<br />

essenziell. Ist über den Gesetzeswortlaut hinausgehender<br />

Wissenstransfer nötig?<br />

SUSANNE KALSS: Grundsätzlich ist es nicht sehr vertrauensbildend,<br />

wenn nur dann informiert wird, wenn<br />

man dazu verpflichtet ist. Information muss freiwillig und<br />

UNIV.-PROF. DR. SUSANNE KALSS, LL.M.<br />

ERICH HAMPEL<br />

Vorsitzender des B&C-Stiftungsvorstandes<br />

ist seit 2003 Professorin am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien.<br />

Davor war sie Professorin für Privatrecht an der Universität Klagenfurt. Kalss ist darüber hinaus Veranstalterin<br />

des Österreichischen Aufsichtsratstages und des Familienunternehmertages sowie Herausgeberin der Fachzeitschrift<br />

„Der Gesellschafter (GesRZ)“, Herausgeberin des Buches „Handbuch für den Aufsichtsrat“, des Buches<br />

„Handbuch für den Vorstand“ und Autorin mehrerer Standardwerke im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht.<br />

über das vorgegebene Mindestmaß hinausreichend gegeben<br />

werden, um vertrauensbildend wirken zu können.<br />

Mit dieser Frage bewegen wir uns allerdings nicht mehr<br />

nur auf der sachlich-inhaltlichen Ebene von Information,<br />

sondern auch auf der Beziehungsebene zwischen den<br />

Anspruchsgruppen. Entscheidend ist hier die individuelle<br />

Betrachtungsweise von Information: Wird Information<br />

als etwas Einseitiges gesehen, als eine zum Beispiel vom<br />

Vorstand zum Aufsichtsrat gerichtete Einbahn, oder wird<br />

sie als Teil von Kommunikation gesehen? Dann wird aus<br />

dem einseitigen Wissenstransfer ein Austausch. Ob dieser<br />

Austausch möglich ist und Erfolg haben kann, hängt –<br />

neben den gesetzlichen Zulässigkeiten – vom Beziehungsverhältnis<br />

zwischen den Anspruchsgruppen ab.<br />

Inwieweit ist die Politik gefordert, einen fairen rechtlichen<br />

Rahmen zu entwickeln, der den Unternehmen Rechtssicherheit<br />

durch klare Regeln im Umgang mit Big Data<br />

gewährleistet?<br />

TORGGLER: Die Entwicklung interessengerechter und<br />

möglichst einfach handhabbarer Regelungen ist in erster<br />

Linie Aufgabe des Gesetzgebers. Gerade im gegebenen<br />

Zusammenhang sind oft Interessensabwägungen im<br />

Einzelfall erforderlich. Das erfordert Regeln, die einen<br />

gewissen Spielraum lassen und durch die Rechtsprechung<br />

konkretisiert werden müssen. Darunter leidet die Rechtssicherheit.<br />

Auch lehrt das Bank- und Kapitalmarktrecht,<br />

dass sehr detailreiche Regelungswerke zwar die Rechtssicherheit<br />

fördern mögen, aber einerseits doch nicht alle<br />

Zweifelsfragen beseitigen können und andererseits zu einer<br />

Unübersichtlichkeit der Rechtslage und einem hohen<br />

Compliance-Aufwand führen – Stichwort Normenflut.<br />

Bei börsenotierten Aktiengesellschaften lässt sich<br />

feststellen, dass institutionelle Investoren zunehmend<br />

das Gespräch mit dem Aufsichtsrat suchen. Wie verhält<br />

sich ein Mitglied des Kontrollorgans in einem solchen<br />

Fall, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu<br />

müssen?<br />

KALSS: Es gibt in der Tat eine neue Entwicklung, die da<br />

heißt: „Let’s talk“ oder „Die Hauptversammlung ist tot,<br />

es lebe der Investorendialog!“ Institutionelle Investoren<br />

möchten nicht mehr nur mit dem Vorstand, sondern auch<br />

mit dem Aufsichtsrat ins Gespräch kommen. In Deutschland<br />

ist dazu bereits eine breite gesellschaftsrechtliche<br />

Diskussion im Gange. Grundsätzlich ist die Zulässigkeit<br />

dafür gegeben, dass ein Aufsichtsrat mit Aktionären ins<br />

Gespräch geht, allerdings darf dies nur unter Wahrung<br />

der Kompetenzregelungen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat<br />

und unter Wahrung der in der Geschäftsordnung<br />

vereinbarten Geheimhaltung erfolgen. So darf ein Aufsichtsrat<br />

zum Beispiel nicht mit einem Investor über die<br />

Geschäftspolitik des Unternehmens sprechen bzw. nur<br />

nach vorheriger Abstimmung mit dem Vorstand.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C PRIVATSTIFTUNG: ERHALT DER FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG IN ÖSTERREICH<br />

22<br />

23


B&C Industrieholding: Unternehmenswerte kontinuierlich steigern und langfristig entwickeln<br />

Im Geschäftsjahr <strong>2016</strong> wurde der Anteil der<br />

B&C-Gruppe an der Lenzing AG mit dem Verkauf<br />

eines Aktienpakets an institutionelle Investoren<br />

in einem ersten Schritt von 67,6 auf 62,6 Prozent<br />

leicht reduziert, im Mai 2017 erfolgte dann eine<br />

weitere Absenkung der Beteiligungsquote auf<br />

50 Prozent + 2 Aktien. Dadurch wurden der<br />

Freefloat und die Liquidität der Lenzing-Aktie<br />

wesentlich erhöht. Mit dem Mittelzufluss aus<br />

dieser Transaktion sowie aus Dividendeneinnahmen<br />

konnten die Liquiditätsreserve der<br />

B&C-Gruppe deutlich ausgebaut und der Handlungsspielraum<br />

für die Zukunft erweitert werden.<br />

Soferne sich eine attraktive, dem Stiftungszweck<br />

der B&C Privatstiftung entsprechende<br />

Investitionsmöglichkeit ergeben sollte, ist die<br />

B&C-Gruppe für die Akquisition einer etwaigen<br />

vierten Kernbeteiligung vorbereitet.<br />

Mit einem Investment in das auf Luftfahrt-<br />

Software spezialisierte österreichische Start-up<br />

Flightkeys setzte die für die Betreuung der Startup-Aktivitäten<br />

der B&C-Gruppe zuständige<br />

B&C Innovation Investments GmbH (<strong>BC</strong>II)<br />

<strong>2016</strong> einen ersten aktiven Schritt. Die <strong>BC</strong>II<br />

investiert in innovative Start-ups mit technologischem<br />

Hintergrund, die für die Industrie<br />

relevant sind. Im Fokus stehen engagierte<br />

Gründerteams, die die <strong>BC</strong>II als Investor und<br />

aktiver Gesellschafter begleitet.<br />

Bei den Kernbeteiligungsunternehmen haben wir<br />

unsere wachstumsorientierte Strategiearbeit<br />

fortgesetzt. Bei Lenzing wurde am bestehenden<br />

Standort in Mobile/Alabama (USA) mit der<br />

Errichtung einer hochmodernen Anlage mit<br />

einer Produktionskapazität von 90.000 Tonnen<br />

begonnen. Sie stellt das bislang größte<br />

TENCEL®-Faserwerk der Welt mit einem Investitionsvolumen<br />

von rund 275 Millionen Euro dar.<br />

In diese Anlage, die im ersten Quartal 2019 den<br />

Betrieb aufnehmen soll, werden die neuesten<br />

technologischen Erkenntnisse integriert.<br />

Bei Semperit wurde <strong>2016</strong> die Beendigung der<br />

gemeinsamen Handschuhproduktion mit der<br />

thailändischen Sri Trang-Gruppe vorangetrieben<br />

und Anfang 2017 zu einem für uns guten<br />

Abschluss gebracht. Für Semperit ergab sich<br />

Bericht<br />

der Geschäftsführung<br />

daraus ein Liquiditätszufluss von rund 200<br />

Millionen Euro, wodurch eine solide Grundlage<br />

für eine Reorganisation und die notwendige<br />

strategische Weiterentwicklung gegeben ist. Bei<br />

der AMAG ist das Standorterweiterungsprojekt<br />

„AMAG 2020“ vollumfänglich im vorgesehenen<br />

Budget- und Zeitplan und wird konsequent<br />

umgesetzt. Derzeit werden für die Entwicklung<br />

des Werkes in Ranshofen zum modernsten<br />

Standort der europäischen Aluminiumindustrie<br />

insgesamt rund 500 Millionen Euro investiert.<br />

Personell ist es <strong>2016</strong> zu einigen Veränderungen in<br />

den Kernbeteiligungsunternehmen gekommen:<br />

Nach einer umfassenden Rochade im Vorstand<br />

setzt sich das Führungsgremium von Semperit<br />

nun aus Martin Füllenbach, Frank Gumbinger<br />

und Michele Melchiorre zusammen. Damit<br />

ist das Unternehmen für künftige Aufgaben<br />

bestens aufgestellt und kann mit einer starken<br />

Mannschaft in die Zukunft schreiten. Im<br />

Semperit-Aufsichtsrat sind der promovierte<br />

Maschinen- und Kunststofftechniker Klaus F.<br />

Erkes und die Betriebswirtin Petra Preining als<br />

Controlling-Spezialistin eingezogen.<br />

Mit Heiko Arnold ist bei Lenzing seit Mai 2017<br />

zusätzlich ein Technik-Vorstand mit an Bord,<br />

der mit seinem umfassenden Know-how über<br />

den asiatischen Markt und den Bereich Anlagenerrichtung<br />

einen wesentlichen Beitrag zur<br />

weiteren Entwicklung des Unternehmens leisten<br />

wird. Er komplettiert das Führungsgremium, für<br />

das der Aufsichtsrat im März <strong>2016</strong> mit Thomas<br />

Obendrauf bereits einen kompetenten und<br />

erfahrenen Finanzvorstand gewinnen konnte.<br />

Im Einklang mit den Wachstumsplänen der<br />

B&C-Gruppe ist <strong>2016</strong> die personelle Verstärkung<br />

unseres eigenen Teams erfolgt. Insgesamt<br />

wurden vier neue Beteiligungsmanager mit zum<br />

Teil starkem technischen Background an Bord<br />

geholt.<br />

FELIX STROHBICHLER<br />

Geschäftsführer<br />

B&C Industrieholding<br />

Um der weiteren Professionalisierung der<br />

Aufsichtsratstätigkeit Rechnung zu tragen, die<br />

die zunehmende Globalisierung, Digitalisierung<br />

und Komplexität der Wirtschaft sowie neue<br />

rechtliche Regelungen erfordern, und um die<br />

Attraktivität von Aufsichtsratsmandaten im<br />

internationalen Vergleich zu erhöhen, haben<br />

wir die Tantiemen bei Lenzing und AMAG<br />

erhöht. Wir sind der Ansicht, dass ein angemessenes<br />

Vergütungsniveau nur dann gegeben ist,<br />

wenn der gesamte Aufsichtsrat in etwa so viel<br />

verdient, wie ein einfaches Vorstandsmitglied<br />

kostet.<br />

Für das Jahr 2017 und darüber hinaus sind wir<br />

zuversichtlich. Unsere Kernbeteiligungen sind<br />

solide aufgestellt und international wettbewerbsfähig.<br />

Wir bedanken uns bei unseren Mitarbeitern für<br />

ihre Leistungen, ihren unermüdlichen Einsatz<br />

und ihre hohe Motivation. Ebenso danken wir<br />

den Vorständen und Aufsichtsräten unserer<br />

Beteiligungsunternehmen für ihre gute Arbeit<br />

und das gemeinsame Festhalten an langfristigen<br />

Zielen. Unser Dank für ihre Unterstützung und<br />

ihr Vertrauen gilt außerdem unserem Aufsichtsrat<br />

und dem Vorstand der B&C Privatstiftung.<br />

PATRICK F. PRÜGGER<br />

Geschäftsführer<br />

B&C Industrieholding<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C INDUSTRIEHOLDING<br />

24<br />

25


Nichts ist so beständig wie die<br />

Veränderung. Was hat sich aus Ihrer<br />

Sicht in den vergangenen Jahren für<br />

Aufsichtsräte verändert?<br />

FELIX STROHBICHLER<br />

„Digitalisierung<br />

Geschäftsführer<br />

ist eine strategische Aufgabe,<br />

kein IT-Thema.“<br />

Die beiden Geschäftsführer der B&C Industrieholding im Gespräch über neue<br />

Kompetenzanforderungen in Aufsichtsräten, das Reizwort „Regulierung“ und den<br />

Weg zu einem „1,5-Tier-System“.<br />

PATRICK F. PRÜGGER: Das ist<br />

ganz klar der Anspruch an die altersund<br />

gendermäßige Zusammensetzung<br />

sowie an die fachlichen und<br />

die persönlichen Kompetenzen im<br />

Aufsichtsrat. Für die Zukunft braucht<br />

es eine noch breitere funktionale Aufstellung<br />

nach den Fachbereichen Finanzen,<br />

Technik, Strategie (inklusive<br />

Digitalisierung) sowie Personal- und<br />

Organisationsentwicklung. Ein innovationsorientiertes<br />

Unternehmen<br />

aus der Industriebranche sollte im<br />

Aufsichtsrat jedenfalls einen international<br />

erfahrenen Techniker sitzen<br />

haben – auch wir müssen uns hier<br />

noch weiterentwickeln! Dieses Mehr<br />

an Kompetenzbreite bedeutet mehr<br />

Arbeit, mehr Aufwand und mehr<br />

Spezialisierung für jedes einzelne<br />

Aufsichtsratsmitglied sowie mehr<br />

Kommunikation und Abstimmung<br />

untereinander.<br />

FELIX STROHBICHLER: Aufsichtsräte<br />

sind mittlerweile viel näher am<br />

Unternehmen dran als früher und<br />

setzen sich deutlich stärker mit der<br />

Zukunftsfähigkeit von Geschäftsmodellen<br />

auseinander. Durch Globalisierung,<br />

Digitalisierung, Erhöhung der<br />

Komplexität wirtschaftlicher Prozesse<br />

und rechtlicher Rahmenbedingungen,<br />

aber auch durch geopolitische<br />

Veränderungen nehmen Chancen<br />

und Risiken der Geschäftstätigkeit zu.<br />

Dadurch ist die Art des Arbeitens im<br />

Aufsichtsrat anders geworden, es sind<br />

eine entsprechende Eindringtiefe und<br />

ein hoher zeitlicher Einsatz nötig.<br />

PATRICK F. PRÜGGER<br />

Geschäftsführer<br />

Wie einfach ist es, adäquate Kompetenzträger<br />

für den Aufsichtsrat zu<br />

finden, oder – provokant gefragt –<br />

wer tut sich das in Österreich noch<br />

freiwillig an, zumal die Aufsichtsratsvergütungen<br />

im österreichischen<br />

Durchschnitt weit vom internationalen<br />

Standard entfernt liegen?<br />

STROHBICHLER: Es ist eine Herausforderung,<br />

mit dem aktuellen Vergütungsniveau<br />

einen fachlich kompetenten,<br />

international erfahrenen Aufsichtsrat<br />

zu finden. Noch schwieriger<br />

wird es, wenn man einen Aufsichtsrat<br />

sucht, der noch aktiv in seiner beruflichen<br />

Karriere als Vorstand tätig ist.<br />

Eine anspruchsvolle, professionell ausgeführte<br />

Aufsichtsratstätigkeit ist für<br />

die meisten aktiven Manager zeitlich<br />

schwer mit ihrer Vorstandsaufgabe<br />

vereinbar und dann auch noch finanziell<br />

wenig attraktiv. Um entsprechende<br />

Kandidaten zu finden, arbeiten<br />

wir mit renommierten und international<br />

erfahrenen Personalberatern<br />

zusammen.<br />

Stichwort Zeit und Sorgfalt: Haben<br />

B&C-Aufsichtsräte Unterstützung<br />

bei der Vorbereitung von Sitzungen?<br />

STROHBICHLER: Wir bieten den<br />

externen Aufsichtsratsmitgliedern<br />

die B&C als Aufsichtsrats-Backoffice<br />

an und unterstützen dadurch bei<br />

der Vorbereitung von Aufsichtsratssitzungen,<br />

was auch gerne angenommen<br />

wird.<br />

Sind B&C-Aufsichtsräte dadurch<br />

besser informiert?<br />

PRÜGGER: Grundsätzlich muss die<br />

Devise der „gleichen Information für<br />

alle“ gelten. Aufsichtsräte, die für<br />

unsere Kernbeteiligungen arbeiten,<br />

haben durch den Backoffice-Support<br />

sicherlich einen umfassenderen<br />

Zugang zu relevanten Markt- und<br />

Wettbewerbsanalysen als so mancher<br />

ihrer Standeskollegen ohne diese<br />

Unterstützung durch die B&C. Unser<br />

äußerst leistungsstarkes Backoffice<br />

ermöglicht es den Aufsichtsräten,<br />

sich ein erweitertes Bild der Lage zu<br />

machen bzw. eine zusätzliche Sicht<br />

des Unternehmens zu entwickeln und<br />

damit in eine konstruktive Diskussion<br />

mit dem Vorstand zu gehen.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C INDUSTRIEHOLDING: UNTERNEHMENSWERTE KONTINUIERLICH STEIGERN UND LANGFRISTIG ENTWICKELN<br />

26<br />

27


Redet der Aufsichtsrat<br />

bei der Strategieentwicklung mit?<br />

STROHBICHLER: Klarerweise sind die<br />

Strategieausschüsse der Aufsichtsräte<br />

eng in die Strategieentwicklung<br />

eingebunden. Die Aufsichtsratsmitglieder<br />

können dort ihre Sichtweisen<br />

und Erfahrungen einbringen. Insbesondere<br />

bei der Strategiearbeit zeigt<br />

sich, dass eine entsprechende Diversität<br />

im Aufsichtsgremium und eine<br />

Zusammensetzung mit unterschiedlichen<br />

fachlichen Kompetenzen einen<br />

erheblichen Mehrwert bieten, da<br />

verschiedene Perspektiven von außen<br />

die Innensicht des operativ tätigen<br />

Vorstandes bereichern und erweitern.<br />

Die Umsetzung der erarbeiteten Strategie<br />

erfolgt dann selbstverständlich<br />

durch den Vorstand.<br />

Stichwort Regularien: Hier wird neuerdings<br />

durch das Abschlussprüfungsrechts-Änderungsgesetz,<br />

kurz APRÄG,<br />

noch mehr Einsatz des Aufsichtsrats –<br />

konkret im Prüfungsausschuss –<br />

gefordert als bisher. Wird „Regulierung“<br />

damit für Sie zum Reizwort?<br />

PRÜGGER: Bei diesem Thema schlagen<br />

zwei Herzen in meiner Brust.<br />

Zum einen ist ein klarer regulatorischer<br />

Rahmen für den Prüfungsausschuss<br />

eine zu begrüßende Entwicklung,<br />

weil damit eine gesetzliche<br />

Grundlage geschaffen wird, die<br />

Orientierung gibt und den Aufsichtsrat<br />

legitimiert – aber auch verpflichtet!<br />

–, das zu tun, was im Sinne einer<br />

aktiven Aufsichtsratstätigkeit zur<br />

Wertentwicklung des Unternehmens<br />

beiträgt. Das bedeutet aber nicht,<br />

dass wir bei der B&C aufgrund dieser<br />

gesetzlichen Weiterentwicklungen<br />

jetzt plötzlich mehr Aufgaben wahrnehmen<br />

oder vieles anders machen<br />

müssen als vorher. Wir haben schon<br />

bisher inhaltlich gemacht, was jetzt<br />

durch das Gesetz formal vorgeschrieben<br />

ist. Aufgrund unserer langfristig<br />

orientierten wirtschaftlichen Denkweise<br />

war dieses „Mehr“ immer<br />

schon ein wesentlicher und selbstverständlicher<br />

Grundsatz bei der B&C.<br />

FELIX STROHBICHLER<br />

ist seit Mai 2015 Geschäftsführer<br />

der B&C Industrieholding.<br />

Der gelernte Jurist begann seine<br />

berufliche Karriere als Rechtsanwaltsanwärter<br />

in Salzburg,<br />

bevor er im Jahr 2000 die Leitung<br />

der Rechtsabteilung der börsennotierten<br />

Palfinger AG übernahm.<br />

Bald avancierte er in das operative<br />

Geschäft und war schließlich als<br />

General Manager für die Absatzerfolge<br />

des Weltmarktführers für<br />

Ladekräne und andere Hebe-,<br />

Lade- und Handlingsysteme in<br />

Europa, Afrika und Naher Osten<br />

verantwortlich. Strohbichler ist<br />

Aufsichtsrat bei Lenzing und<br />

Semperit.<br />

Was ist für einen Aufsichtsrat<br />

„selbstverständlich“?<br />

PRÜGGER: Als Aufsichtsrat muss man<br />

in die Tiefe gehen und mit großer Sorgfalt<br />

und im Detail hinterfragen und<br />

arbeiten. Eine oberflächliche Prüfung<br />

und Beurteilung eines Jahresabschlusses,<br />

in dessen Rahmen beispielsweise<br />

ja auch die Effektivität von IKS- und<br />

Risikomanagement-Systemen zu<br />

bewerten ist, ist selbst bei bester und<br />

besonders langjähriger praktischer<br />

Erfahrung nicht ausreichend.<br />

Wofür schlägt Ihr zweites Herz beim<br />

Thema Regulierung?<br />

PRÜGGER: In Österreich fehlen nach<br />

wie vor die geeigneten Rahmenbedingungen<br />

für eine professionelle<br />

Aufsichtsratstätigkeit. Eine zentrale<br />

Frage ist die angemessene Vergütung.<br />

Und ich halte es für müßig, immer<br />

noch darüber diskutieren bzw. sich<br />

als quasi Berufsaufsichtsrat dafür<br />

rechtfertigen zu müssen. Wir reden<br />

hier von einer Größenordnung, bei der<br />

es bloß darum geht, dass das gesamte<br />

Aufsichtsratsgremium das verdienen<br />

soll, was ein einziges, einfaches Vorstandsmitglied<br />

verdient. Für die breite<br />

Öffentlichkeit klingt das nach viel,<br />

in Wahrheit ist es – verglichen mit<br />

internationalen Aufsichtsräten – im<br />

Kontext der gegebenen Verantwortung<br />

viel zu wenig.<br />

STROHBICHLER: Man hat hierzulande<br />

leider immer noch häufig das Bild vom<br />

Aufsichtsrat, der „nicht wirklich etwas<br />

tut“, viermal im Jahr zur Aufsichtsratssitzung<br />

kommt und dafür kräftig<br />

abkassiert. Viele Menschen wissen<br />

einfach nicht, was die Anforderungen<br />

an einen Aufsichtsrat sind, und auch<br />

qualifizierte Beobachter haben bedauerlicherweise<br />

nur ein eingeschränktes<br />

Verständnis dafür.<br />

Dann unternehmen wir doch einmal<br />

mehr den Versuch, Aufklärung zu betreiben:<br />

Was sind die Anforderungen<br />

an einen Aufsichtsrat, insbesondere<br />

im Prüfungsausschuss, und wo liegt<br />

derzeit das konkrete Problem damit?<br />

PRÜGGER: Laut APRÄG muss der<br />

Prüfungsausschuss nun in seiner<br />

Gesamtheit mit allen Aspekten des<br />

Unternehmens vertraut sein. Selbstverständlich!<br />

In der Praxis bedeutet<br />

das jedoch, dass es für den Prüfungsausschuss<br />

eine neue gesetzliche<br />

Regelung gibt, die deutlich mehr<br />

Arbeitsaufwand und Know-how-<br />

Einsatz für ihn bedeutet. Wie soll<br />

sichergestellt werden, dass sich der<br />

Prüfungsausschuss tatsächlich bis ins<br />

kleinste Detail „mit allen Aspekten<br />

des Unternehmens“ auskennt und das<br />

sowohl in einer ex ante- als auch einer<br />

ex post-Betrachtung angemessen<br />

dokumentiert ist? Müssen künftig<br />

Fit & Proper-Tests abgelegt werden,<br />

wie man das aus dem Bankenbereich<br />

kennt? Oder lädt sich die Aufsichtsbehörde<br />

als Gast in den Prüfungsausschuss<br />

ein, wie mir unlängst ein<br />

Berufskollege aus Holland erzählt<br />

hat? Ich frage mich ernsthaft: Wer tut<br />

sich in Zukunft noch die Tätigkeit im<br />

Prüfungsausschuss oder als Aufsichtsrat<br />

an, wenn die Rahmenbedingungen<br />

nicht passen? Da muss sich<br />

noch einiges ändern – ich könnte und<br />

würde diese Verantwortung ohne<br />

Unterstützung durch die B&C in dieser<br />

Form nicht wahrnehmen wollen.<br />

Könnte die Einführung eines<br />

One-Tier-Board-Systems<br />

die Lösung sein?<br />

STROHBICHLER: Diese Perspektive<br />

klingt zunächst einmal verlockend,<br />

denn in einem solchen System sind<br />

Aufsichtsräte näher am Geschäft dran<br />

und haben direkteren Zugang zu Informationen.<br />

Das ist eine eindeutige<br />

Stärke des One-Tier-Board-Systems.<br />

Allerdings überwacht sich in einer<br />

solchen Konstruktion das Board selbst,<br />

da es keine klare Trennung von<br />

Geschäftsführung und Kontrolle gibt.<br />

PRÜGGER: Ich denke, dass One- und<br />

Two-Tier-System in der gelebten<br />

Praxis im Rahmen der gesetzlichen<br />

Möglichkeiten zusammenwachsen<br />

werden – zu einer Art „1,5-Tier-<br />

System“, mit einer angemessenen<br />

Mischung aus Voll- und Teilzeitaufsichtsräten.<br />

Fragt sich halt nur, wer<br />

die Vollzeitaufsichtsräte angemessen<br />

entlohnt.<br />

PATRICK F. PRÜGGER<br />

ist seit Jänner 2011 Geschäftsführer<br />

der B&C Industrieholding<br />

und in erster Linie für<br />

die Finanzen der Gruppe verantwortlich.<br />

Er studierte Handelswissenschaften<br />

in Linz und<br />

erwarb bei KPMG eine Zulassung<br />

als Wirtschaftsprüfer in den<br />

USA. Für GE Medical Systems<br />

leitete er das Finanz- und Rechnungswesen,<br />

bevor er im Jahr<br />

2004 zuerst zum Finanzvorstand<br />

der Cross Beteiligungsgruppe<br />

und dann zum Finanzvorstand<br />

der KTM Power Sports AG<br />

berufen wurde. Prügger ist<br />

Aufsichtsrat bei AMAG, Lenzing<br />

und Semperit.<br />

Unabhängig vom System: Die voranschreitende<br />

Digitalisierung ist ein<br />

Megatrend, der alle Unternehmen<br />

betrifft. Besteht als Anforderung an<br />

künftige Aufsichtsräte, auch einen<br />

„Digitalisierungsexperten“ in ihrem<br />

Gremium zu haben?<br />

PRÜGGER: Digitalisierung ist für<br />

mich insbesondere auch ein Überbegriff<br />

für die Entstehung und<br />

Entwicklung neuer, möglicherweise<br />

auch disruptiver Geschäftsmodelle,<br />

das ist weit mehr als ein „IT-Trend“.<br />

Damit sind wir aber wiederum mitten<br />

in der Strategiediskussion. Die steht<br />

natürlich in der originären Verantwortung<br />

des Vorstandes, ist zentraler<br />

Bestandteil einer Unternehmens- und<br />

Führungskultur und als solche vom<br />

gesamten Aufsichtsrat zu begleiten<br />

und mitzudenken.<br />

STROHBICHLER: In vielen derzeit<br />

bestehenden Aufsichtsratsgremien<br />

wird dieses Thema vielleicht noch<br />

nicht von allen Mitgliedern mitgedacht<br />

bzw. fehlen hinsichtlich Alter<br />

und Diversität die Kompetenz oder<br />

Affinität, um diesen Aspekt und eine<br />

Sichtweise dazu einbringen zu können<br />

und die nötigen Impulse zu geben.<br />

PRÜGGER: Digitalisierung erfordert<br />

eine Weiterentwicklung der herkömmlichen<br />

Denkweisen. Ein Beispiel:<br />

Im Aufsichtsrat und Vorstand eines<br />

Automobilzulieferers sollte nicht nur<br />

diskutiert werden, wie viel Komponenten<br />

im Jahr X für den Kunden Y<br />

planmäßig zu erzeugen sind. Vielmehr<br />

sollte auch diskutiert werden,<br />

wie sich die Nutzergewohnheiten<br />

der Menschen im Jahr X verändert<br />

haben werden und wie viele Autos<br />

es dann überhaupt noch brauchen<br />

wird, wenn sich der Trend zu Carsharing<br />

– insbesondere auch im<br />

Kontext autonomer Mobilitätskonzepte<br />

– im urbanen Bereich<br />

verstärkt. Damit diese Diskussionen<br />

in Gang kommen, braucht es eine<br />

deutliche Weiterentwicklung des<br />

Mindsets von Vorständen und –<br />

mehr noch – von Aufsichtsräten,<br />

die diese Diskussion gegebenenfalls<br />

einfordern müssen.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C INDUSTRIEHOLDING: UNTERNEHMENSWERTE KONTINUIERLICH STEIGERN UND LANGFRISTIG ENTWICKELN<br />

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29


„Ohne Fehlerkultur werden<br />

keine Innovationen geschaffen.“<br />

Dr. Andreas J. Ludwig, Sprecher des Vorstandes der Umdasch Group,<br />

im Gespräch mit Hans-Peter Siebenhaar über den richtigen Weg,<br />

wie Österreich wieder zur Spitze in Europa aufschließen kann.<br />

Herr Ludwig, der österreichische Psychotherapeut<br />

Alfred Adler sagte einst: „Die größte<br />

Gefahr im Leben ist, dass man zu vorsichtig<br />

wird.“ Ist Österreich in den vergangenen Jahren<br />

viel zu vorsichtig geworden?<br />

ANDREAS J. LUDWIG: Ein eindeutiges Ja. Wir<br />

verharren in zu großer Vorsicht. In der vergangenen<br />

Dekade hat uns der Mut etwas verlassen.<br />

Welchen Mut meinen Sie?<br />

LUDWIG: Den Mut, auf neue Herausforderungen<br />

proaktiv zu reagieren. Als Unternehmer beobachte<br />

ich, dass unser Land nur reagiert und<br />

zu wenig agiert. Als Konzernlenker habe ich<br />

gelernt, Herausforderungen anzunehmen und<br />

schnelle sowie richtige Antworten zu finden.<br />

Genau das fehlt aber derzeit in der österreichischen<br />

Gesellschaft.<br />

Sie sagten als Chef der Umdasch Group<br />

einmal: „Höchste Zeit, Altbewährtes auf den<br />

Prüfstand zu stellen, Systeme zu hinterfragen<br />

und Rollen neu zu definieren.“ Was für Ihr<br />

Unternehmen gilt, ist das auch für Österreich<br />

gültig?<br />

LUDWIG: Wir haben die besten Voraussetzungen<br />

in Österreich – geografisch, kulturell<br />

und historisch –, um beispielsweise von der<br />

Multikulturalität am Schnittpunkt zwischen<br />

West- und Osteuropa zu profitieren. Das hatten<br />

Sie ja auch in Ihrem Buch „Österreich – die<br />

zerrissene Republik“ dargestellt. Leider haben<br />

wir aber eine Passivität entwickelt, die wir uns<br />

angesichts des verschärften Wettbewerbs nicht<br />

leisten können. Wir müssen diese Passivität<br />

schleunigst überwinden.<br />

Was ist denn der größte Hemmschuh, damit<br />

Österreich das Mittelmaß verlässt und wieder<br />

an die Spitze in Europa kommt?<br />

LUDWIG: Wir haben Strukturen im öffentlichen<br />

Leben geschaffen, die sich selbst verwalten und<br />

auch selbst beschützen.<br />

Spielen Sie auf die Sozialpartnerschaft an?<br />

LUDWIG: Die Sozialpartnerschaft war früher<br />

ein sinnvolles Modell, um in Österreich soziale<br />

Sicherheit und Wohlstand zu fördern. Wir erleben<br />

aber gerade, dass sich die Partner mehr mit<br />

sich selbst beschäftigen, als ihrem eigentlichen<br />

Zweck zu dienen.<br />

Die misslungene Reform der Gewerbeordnung<br />

ist dafür ein Beispiel …<br />

LUDWIG: … in der Tat. Statt die Gewerbeordnung<br />

zu entrümpeln, werden am Ende noch<br />

mehr Gewerbe geschützt.<br />

Das Handwerk des Hufschmiedes wurde beispielsweise<br />

neu aufgenommen …<br />

LUDWIG: … ehrlich gesagt, man fühlt sich bei<br />

solchen Ergebnissen als Bürger und Unternehmer<br />

veräppelt. Wenn dann noch als Begründung<br />

kommt, die Wirtschaftskammer müsse schließlich<br />

auch von etwas leben, dann wird der<br />

Beweis geliefert, dass sie sich längst verselbständigt<br />

hat. Sie hat ihren ursprünglich guten<br />

Zweck vergessen, nämlich die Interessen der<br />

Wirtschaft zu vertreten.<br />

ANDREAS J. LUDWIG<br />

Sprecher des Vorstandes der Umdasch Group<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C INDUSTRIEHOLDING: UNTERNEHMENSWERTE KONTINUIERLICH STEIGERN UND LANGFRISTIG ENTWICKELN<br />

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31


DR. HANS-PETER SIEBENHAAR<br />

ist deutscher Journalist und<br />

Buchautor. Er studierte in<br />

Erlangen, Kalamazoo (USA) und<br />

Madrid Politikwissenschaft,<br />

Theater- und Kommunikationswissenschaft,<br />

Soziologie sowie<br />

Neuere Geschichte. Nach beruflichen<br />

Stationen bei verschiedenen<br />

Medien wechselte Siebenhaar<br />

2000 zu Deutschlands<br />

führender Wirtschaftszeitung<br />

Handelsblatt, seit 2013 ist er<br />

dort Korrespondent für Österreich<br />

und Südosteuropa in Wien.<br />

Kürzlich veröffentlichte Siebenhaar<br />

das Buch „Österreich – Die<br />

zerrissene Republik“.<br />

Gibt es in Österreich zu häufig einen fatalen<br />

Konsens statt eines konstruktiven Dissens?<br />

LUDWIG: Der Versuch, immer einen Konsens<br />

finden zu wollen, führt zu einem Stillstand.<br />

Unsere Konsenskultur verhindert dringend<br />

notwendige Veränderungen. Der Status quo<br />

wird nur verwaltet. Im Unternehmen hingegen<br />

bin ich als CEO den kontroversen Austausch<br />

gewohnt. Dort kämpfen wir schließlich um die<br />

bestmögliche Lösung.<br />

Der österreichische Kabarettist Josef Hader<br />

mit seinem feinen Gespür für die hiesigen<br />

Verhältnisse sagt: „Große Ideen der einen,<br />

gepaart mit großen Ideen der anderen, zeugen<br />

Tatenlosigkeit.“ Wird diese Tatenlosigkeit nun<br />

allmählich überwunden?<br />

LUDWIG: Das Schlimme ist: Diese Tatenlosigkeit<br />

ist als Problemquelle längst erkannt und<br />

trotzdem passiert nichts. Wir sind wie Gefangene.<br />

Bislang hat die Politik noch keinen Weg<br />

gefunden, um uns aus dieser prekären Situation<br />

zu befreien.<br />

Fehlt in Österreich der politischen Elite der<br />

unternehmerische Mut?<br />

LUDWIG: Es gibt in der Politik keine Fehlerkultur.<br />

In der Wirtschaft und im Unternehmen<br />

ist Trial and Error hingegen unverzichtbar.<br />

Jeder Manager ist gefordert, Mut zu Entscheidungen<br />

aufzubringen, die nicht immer richtig<br />

sein müssen. Dann werden sie eben korrigiert.<br />

Ohne eine Fehlerkultur werden keine Innovationen<br />

geschaffen. Start-ups gäbe es übrigens<br />

auch nicht. In der Politik wird allerdings immer<br />

noch mit den Methoden des 20. Jahrhunderts<br />

ans Werk gegangen.<br />

Was muss denn geschehen, damit Österreich<br />

in einer globalisierten Welt wieder wettbewerbsfähiger<br />

wird?<br />

LUDWIG: Der größte Hebel, um die Wettbewerbsfähigkeit<br />

zu steigern, liegt in der Aus- und<br />

Weiterbildung. Das Thema Bildung ist unsere<br />

größte Herausforderung. Wir müssen künftig<br />

verstärkt unternehmerisches Denken und den<br />

Mut zu Neuem lernen. Umso früher das<br />

geschieht, umso besser. Viele Lerninhalte passen<br />

besser zum Traumberuf „Beamter“; wir sollten<br />

unsere Jugend motivieren und ertüchtigen, sich<br />

dem Wettbewerb der besten Ideen zu stellen.<br />

Zur Ökonomisierung der Gesellschaft gehört<br />

zweifellos die Bildung, aber auch die Sensibilisierung<br />

durch die Medien. Was mich als außen<br />

stehender Beobachter verblüfft, ist, dass<br />

beispielsweise die ORF-Nachrichten praktisch<br />

ohne Börsenberichterstattung auskommen.<br />

Das ist schon ziemlich einmalig in Europa.<br />

LUDWIG: Es wird häufig ein falsches Bild der<br />

Wirtschaft vermittelt. Oft wird der Eindruck<br />

erweckt, da bereichern sich ein paar Wenige.<br />

Es fehlen oft Grundkenntnisse über ökonomische<br />

Zusammenhänge. Dabei ist klar: Nur<br />

Unternehmen schaffen Arbeitsplätze und nicht<br />

Politik oder Verwaltung. In Österreich wird mit<br />

der Börse stets der Spekulant in Verbindung<br />

gebracht. Dabei hat es nichts mit Spekulation zu<br />

tun, wenn ich mir beispielsweise die Aktie eines<br />

tollen österreichischen Unternehmens gerade<br />

in der anhaltenden Niedrigzinsphase kaufe.<br />

Doch es gibt auch Ansätze, Österreich wieder<br />

als innovativen Wirtschaftsstandort nach vorne<br />

zu bringen. Die Regierung hat beschlossen, die<br />

Forschungsprämie ab 2018 zu erhöhen. Ist das<br />

nicht ein positives Signal?<br />

LUDWIG: Jede Art von Forschungsförderung ist<br />

gut. Da gibt es keinen Zweifel. Forschung und<br />

Entwicklung ist aus meiner Sicht der zweite<br />

Hebel – neben der Bildung –, um Österreich fit<br />

für die Zukunft zu machen. Die Förderung von<br />

Innovationen muss auf vielen Ebenen geschehen,<br />

um im Wettbewerb um den besten Standort in<br />

Europa nach vorne zu kommen. Auch der Staat<br />

selbst muss beispielsweise verstärkt in Grundlagenforschung<br />

investieren. Denn das können<br />

die Unternehmen nicht leisten.<br />

Welchen Beitrag können vor allem kleinere<br />

und mittlere Unternehmen leisten, damit<br />

Österreich aus der wirtschaftlichen Mittelmäßigkeit<br />

heraus kommt?<br />

DR. ANDREAS J. LUDWIG<br />

LUDWIG: Wir haben in Österreich exzellente,<br />

hoch motivierte Mitarbeiter und Manager. Das<br />

ist gerade in kleinen und mittleren Betrieben<br />

der Fall. Nun geht es darum, dass der Staat die<br />

Unternehmen entfesselt. Weniger Bürokratie<br />

und weniger Steuern werden unsere Unternehmen<br />

beflügeln. Und man muss dem Staat die<br />

üppigen Finanzmittel entziehen, damit er lernt,<br />

in Zukunft rationeller und effektiver zu arbeiten.<br />

Die Entbürokratisierung wird nur dann gelingen,<br />

wenn man das Geld für die Verwaltung kürzt.<br />

Das gilt auch für die Sozialpartner.<br />

promovierte in Rechtswissenschaften<br />

an der Uni Wien und<br />

trat 1986 in den Swarovski-<br />

Konzern ein. 15 Jahre war er in<br />

unterschiedlichen Funktionen an<br />

verschiedenen Konzernstandorten<br />

für das österreichische<br />

Unternehmen tätig. Anschließend<br />

wechselte er zur Investmentbank<br />

UBS Warburg und wurde später<br />

Vorstandsvorsitzender der börsenotierten<br />

Zumtobel AG. 2010<br />

übernahm Ludwig den Vorstandsvorsitz<br />

in der Umdasch Group AG.<br />

Der Konzern im Familienbesitz<br />

mit der Unternehmenszentrale im<br />

niederösterreichischen Amstetten<br />

ist weltweit führend in der Schalungstechnik<br />

sowie im Ladenbau.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C INDUSTRIEHOLDING: UNTERNEHMENSWERTE KONTINUIERLICH STEIGERN UND LANGFRISTIG ENTWICKELN<br />

32<br />

33


Ist der Schmerz in Österreich noch nicht groß<br />

genug, um die Reset-Taste zu drücken?<br />

LUDWIG: Offenbar ist der Leidensdruck noch<br />

nicht groß genug. Als Unternehmer weiß ich<br />

allerdings, wenn erst die Not zu radikalen Veränderungen<br />

führt, ist es oft schon zu spät. Die<br />

politischen Kräfte sollten sich jetzt gemeinsam<br />

anstrengen, um mit grundlegenden Reformen<br />

das Land zu modernisieren. Wir als Unternehmer<br />

müssen daher den Druck auf die Regierung<br />

weiter erhöhen, damit die Verantwortlichen<br />

endlich zur Tat schreiten.<br />

„Wir dürfen nicht nur<br />

jammern, sondern müssen<br />

aktiv die Menschen im Land<br />

motivieren und Orientierung<br />

in der derzeitigen industriellen<br />

Revolution geben.“<br />

Erfolgreiche Volkswirtschaften weltweit<br />

zeichnen sich in meiner Wahrnehmung<br />

dadurch aus, dass es zwischen ökonomischer<br />

und politischer Elite einen engen und kontinuierlichen<br />

Informations- und Meinungsaustausch<br />

gibt. Die Schweiz, aber auch Deutschland<br />

sind dafür Beispiele. Wie steht es darum<br />

in Österreich?<br />

LUDWIG: Der Dialog unter dem früheren<br />

Bundeskanzler Werner Faymann war extrem<br />

schwach. Unter seinem Nachfolger Christian<br />

Kern gibt es zumindest den Versuch, die<br />

Sprachlosigkeit aufzuheben. Das ist ein Fortschritt.<br />

Trotzdem sind wir noch weit von<br />

einem in ten siven Austausch zwischen Politik<br />

und Wirtschaft entfernt.<br />

Was ist dann das Problem?<br />

LUDWIG: Am Ende passiert nichts. Die Untätigkeit<br />

ist das Problem in Österreich. Es liegen<br />

genügend kluge Konzepte auf dem Tisch. Jetzt<br />

muss die Politik die Erkenntnisse endlich auch<br />

umsetzen und anwenden.<br />

Österreich ist quasi umzingelt von Ländern<br />

mit hohem Wirtschaftswachstum: Tschechien,<br />

die Slowakei, selbst Slowenien und Ungarn.<br />

Die deutsche Konjunkturlokomotive steht<br />

unter Volldampf. Beflügelt die Nachbarschaft<br />

auch die Wirtschaftsdynamik im Alpenland?<br />

LUDWIG: Die konjunkturelle Entwicklung<br />

im Jahr 2017 ist ermutigend. Wir spüren den<br />

Schwung aus Deutschland und anderen Nachbarländern<br />

für Österreich. Doch die Stimmung in<br />

der hiesigen Wirtschaft wird nicht besser, weil<br />

das Beharrungsvermögen des Staates so groß<br />

ist. Zudem wächst die Sorge der Bürger über<br />

ihre Zukunft. Manche reagieren auf die Herausforderungen<br />

wie Digitalisierung und Globalisierung<br />

damit, dass sie Populisten wählen.<br />

Ein solches Wahlverhalten gibt Anlass zu<br />

tiefer Sorge.<br />

Müssen nicht auch die Unternehmen sehr<br />

viel mehr aufklären, dass Digitalisierung und<br />

Globalisierung nicht nur eine Bedrohung sind,<br />

sondern eine riesige Chance für einen hoch<br />

entwickelten Wirtschaftsstandort wie Österreich?<br />

LUDWIG: Es gibt schon viele Initiativen. Doch<br />

es könnten freilich noch mehr werden, um für<br />

eine positive Aufbruchsstimmung zu sorgen.<br />

Wir dürfen nicht nur jammern und schimpfen,<br />

sondern müssen aktiv die Menschen im Land<br />

motivieren und Antworten sowie Orientierung<br />

in der derzeitigen industriellen Revolution geben.<br />

Wenn wir in zehn Jahren wieder über Österreich<br />

diskutieren, wo steht das Land dann?<br />

Wie sieht Ihre Vision aus?<br />

LUDWIG: Wir verfügen über eine exzellente<br />

geografische Position, über eine hohe kulturelle<br />

Flexibilität und eine wettbewerbsfähige Industrie.<br />

Es geht nun darum, unsere enormen Kräfte zu<br />

entfesseln. Ich bin Optimist. Daher glaube ich,<br />

bevor es zu einem Crash kommt, werden die<br />

notwendigen Reformen passieren, damit Österreich<br />

wieder zu Europa aufschließt.<br />

„Alles, woran man glaubt, beginnt zu existieren“,<br />

sagte einmal die österreichische Autorin Ilse<br />

Aichinger. In diesem Sinne herzlichen Dank für<br />

das Gespräch.<br />

HANNO M. BÄSTLEIN<br />

Mitglied des Aufsichtsrates<br />

Schneiderwerkstatt B&C<br />

Politische Institutionen zeigen sich zunehmend überfordert in ihren<br />

Antworten auf Digitalisierung, Globalisierung und breite gesellschaftliche<br />

Veränderungen. Unabhängige Institutionen wie die B&C-Gruppe<br />

können hingegen im Wirtschaftsleben zu maßgeschneiderten Lernprozessen<br />

und Lösungsansätzen beitragen, meint Hanno M. Bästlein,<br />

Mitglied des Aufsichtsrates der B&C Industrieholding GmbH.<br />

Goethe schrieb bereits, dass jede Lösung eines<br />

Problems zumindest ein neues verursacht.<br />

Innovationen schaffen die Voraussetzungen für<br />

Bevölkerungswachstum, und daraus entstehen<br />

wiederum andere und neue Herausforderungen,<br />

die es zu bewältigen gilt. Allein die technischen<br />

Innovationen des letzten Jahrhunderts<br />

haben zu einer regelrechten Bevölkerungsexplosion<br />

geführt. Lebten um 1900 zum ersten<br />

Mal in der Geschichte mehr als eine Milliarde<br />

Menschen gleichzeitig auf der Erde, so sind es<br />

heute, kaum mehr als 100 Jahre später, rund<br />

siebeneinhalb Milliarden Menschen. Das wirkt<br />

sich nicht nur auf die Umwelt gravierend aus,<br />

sondern gleichzeitig auf die Art und Weise, wie<br />

Menschen kommunizieren und in Gesellschaften<br />

miteinander leben.<br />

Industrie 4.0 ist in aller Munde und wird oft mit<br />

der vierten industriellen Revolution, der Kommunikation<br />

zwischen Maschinen – auch „Internet<br />

der Dinge“ – gleichgesetzt. Erst nach und<br />

nach erkennen breite Bevölkerungsschichten,<br />

dass bei Weitem nicht nur die Industrie von der<br />

Digitalisierung betroffen ist, sondern nahezu jeder<br />

Lebensbereich Veränderungen aufgrund der<br />

Datenvernetzung zwischen Mensch, Maschine,<br />

Produkt und Dienstleistung ausgesetzt ist. Auch<br />

jenen, die sich bislang als weniger betroffen<br />

wahrgenommen haben, dämmert zunehmend,<br />

dass die Veränderungen schneller als angenommen<br />

eintreten und nicht annähernd abzusehen<br />

ist, welches Ausmaß sie annehmen werden.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C INDUSTRIEHOLDING: UNTERNEHMENSWERTE KONTINUIERLICH STEIGERN UND LANGFRISTIG ENTWICKELN<br />

34<br />

35


Der vielleicht bedeutendste Soziologe<br />

des letzten Jahrhunderts, Niklas<br />

Luhmann, hat sich mit diesen Fragen<br />

beschäftigt. Er stellte unter anderem<br />

fest, dass mit der Erfindung der<br />

Sprache Stammesgesellschaften<br />

entstanden. Parallel zur Entwicklung<br />

der Schrift entwickelten sich Feudalgesellschaften,<br />

und zeitnah mit der<br />

DR. HANNO M. BÄSTLEIN<br />

ist seit 2015 Mitglied des Aufsichtsrates der B&C<br />

Industrieholding GmbH. Der Wirtschaftswissenschafter<br />

bekleidete ab 1994 zahlreiche Vorstandsfunktionen<br />

in deutschen und österreichischen<br />

Industrieunternehmen, unter anderem war er<br />

Finanzvorstand der Austria Metall GmbH, der<br />

heutigen AMAG Austria Metall AG, deren stellvertretender<br />

Vorsitzender des Aufsichtsrates<br />

er zurzeit ist. Weitere Aufsichtsratsmandate:<br />

Lenzing AG (Vorsitzender), VA Intertrading<br />

(Vorsitzender).<br />

Erfindung des Buchdrucks durch<br />

Gutenberg trat der Kapitalismus auf<br />

die Weltbühne. Drei augenscheinliche<br />

Merkmale können daraus abgeleitet<br />

werden: Zum einen hat jeweils<br />

eine Innovation im kommunikativen<br />

Bereich zeitgleich zu einer grundlegenden<br />

Veränderung der Gesellschaftsordnung<br />

geführt.<br />

1875 1900 1925<br />

DIE ENTWICKLUNG DER KOMMUNIKATIONSMEDIEN<br />

Zum anderen schrumpften die zeitlichen<br />

Abstände dieser innovationsgetriebenen<br />

gesellschaftlichen Umwälzungen<br />

exponentiell. Während die<br />

Entstehung von Sprache und Stammesgesellschaften<br />

zigtausende Jahre<br />

lang dauerte, sind Schrift im weiteren<br />

Sinne sowie die damit verbundenen<br />

Feudalgesellschaften noch keine<br />

zehntausend Jahre bekannt. Buchdruck<br />

und mit ihm einhergehend<br />

der Kapitalismus existieren in dieser<br />

Form erst seit wenigen Jahrhunderten.<br />

Unterstellt man die Richtigkeit<br />

von Luhmanns Beobachtung und<br />

Theorie, ergeben sich daraus zwei<br />

weitere, sich bedingende Fragestellungen.<br />

Einerseits werden wir<br />

uns damit auseinandersetzen müssen,<br />

wie sich globale und mobile Kommunikation<br />

auf unser Miteinander und<br />

damit auf die Gesellschaftsformen<br />

auswirken werden. Andererseits bleibt<br />

abzuwarten, ob sich die Zyklen der<br />

kommunikativen Innovationssprünge<br />

und die damit zu vermutenden gesellschaftlichen<br />

Entwicklungen weiter<br />

verkürzen.<br />

Sehr vieles deutet darauf hin, dass<br />

Luhmanns Beobachtungen nicht nur<br />

richtig sind, sondern für die Zukunft<br />

weiter an Bedeutung gewinnen<br />

werden. Nach kaum 500 Jahren<br />

befinden wir uns bereits mitten im<br />

nächsten Innovationszyklus, jenem<br />

der globalen mobilen Kommunikation.<br />

Wie lange hat es gedauert,<br />

500 Millionen Menschen über neue<br />

Kommunikationsmedien miteinander<br />

zu verbinden? Waren es beim<br />

terrestrischen Telefon seit dessen<br />

Erfindung im Jahre 1862 noch zirka<br />

130 Jahre, etwa bis in den Zeitraum<br />

zwischen 1985 und 1995, so benötigte<br />

es seit den ersten E-Mails 1972 nur<br />

noch rund 28 Jahre, bis mehr als 500<br />

Millionen Internet-Anschlüsse im<br />

Jahr 2000 verzeichnet wurden. Die<br />

Verbreitung von Mobiltelefonen, die<br />

Anfang der 1980er Jahre begann, bis<br />

auf 500 Millionen wird auf knapp<br />

17 Jahre geschätzt. Und schließlich<br />

registrierte das erst im Jahr 2004<br />

gegründete soziale Netzwerk Facebook<br />

bereits nach 6,5 Jahren im Jahr<br />

2010 seinen 500-millionsten Teilnehmer.<br />

Diese Entwicklung verdeutlicht<br />

die zunehmende Beschleunigung.<br />

Wissen wird zeitnah und nahezu<br />

überall verfügbar.<br />

Damit einhergehend verändert sich<br />

die Form unseres (wirtschaftlichen)<br />

Zusammenlebens, was uns Finanzkrise,<br />

Arabischer Frühling, Flüchtlingsströme,<br />

Brexit und aufkommender<br />

Populismus deutlich vor Augen<br />

führen. Scheinbar Undenkbares wird<br />

möglich. Gerade die innovativen<br />

Kommunikationstechniken haben<br />

die Globalisierung der Wirtschaft<br />

im heutigen Umfang erst möglich<br />

gemacht. Neben den Finanzinstituten<br />

nutzt die Industrie die neuen Möglichkeiten<br />

zunehmend. Während sich<br />

die Lebenserwartung der Menschen<br />

in den letzten 50 Jahren weltweit um<br />

mehr als 20 Jahre erhöhte, ist jene<br />

der im S&P 500 gelisteten Firmen im<br />

gleichen Zeitraum von 67 Jahren auf<br />

nur noch 15 Jahre gesunken. In einem<br />

permanenten Wandel entstehen<br />

Geschäftsmodelle, um kurz darauf<br />

wieder an Bedeutung zu verlieren.<br />

Die politischen Institutionen zeigen<br />

sich überfordert. Bislang fehlen Antworten,<br />

wie die Gesellschaft auf die<br />

gravierenden Umwälzungen reagieren<br />

will. Viele Menschen fühlen sich<br />

verloren. National limitierte Legislativen<br />

können auf die Anforderungen der<br />

Globalisierung kaum wirksame Antworten<br />

formulieren, zumindest nicht<br />

zeitnah. Eine föderalistische Staatengemeinschaft<br />

wie die Europäische<br />

Union, die als zukunftsorientiertes<br />

Modell für Europa konzipiert wurde,<br />

sieht sich schon wenige Jahrzehnte<br />

nach ihrer Gründung von dieser<br />

Entwicklung massiv herausgefordert.<br />

Schon wird offen diskutiert, ob die<br />

Weiterentwicklung des ordnungspolitischen<br />

Rahmens nicht wesentlich<br />

konzertiertere Ansätze erfordert<br />

– gleichzeitig offerieren Populisten<br />

scheinbar einfache Lösungen und<br />

fördern damit nationalistische Bewegungen<br />

gegen die Globalisierung.<br />

Unternehmer, Eigentümer und Führungskräfte<br />

können heute nicht mehr<br />

auf die Lösungen der Politik warten.<br />

Sie müssen Perspektiven für die Zukunft<br />

in einem Kräftefeld selbst entwickeln.<br />

In diesem Kräftefeld wirken<br />

Digitalisierung und Globalisierung<br />

gleichermaßen wie zunehmender<br />

Protektionismus, Nationalismen und<br />

andere gesellschaftliche Veränderungen,<br />

die auf die Leistungsbereitschaft<br />

der Menschen Einfluss haben. Eigentümer<br />

und Führungskräfte müssen<br />

1950 1975 2000<br />

500 Mio.<br />

Terrestrische Telefone<br />

<br />

500 Mio.<br />

Internetanschlüsse<br />

500 Mio.<br />

stärker gemeinsam langfristige<br />

Unternehmensstrategien entwickeln<br />

und gleichzeitig auf Veränderungen<br />

des Marktes mit kurzfristigen Adaptionen<br />

der Geschäftsmodelle reagieren.<br />

Scheinbar Widersprüchliches<br />

verbindet sich, permanent sich wandelnde<br />

Geschäftsmodelle benötigen<br />

gleichzeitig die Verlässlichkeit von<br />

bestehenden, tragenden (Eigentümer-)<br />

Strukturen.<br />

Insbesondere unabhängige Institutionen<br />

wie die B&C-Gruppe, die<br />

als Kernaktionär von global tätigen<br />

Industrieunternehmen dem oben<br />

beschriebenen Spannungsfeld ausgesetzt<br />

ist, können wertvolle Beiträge<br />

zu Lernprozessen und übergreifenden<br />

Ansätzen auf verschiedenen Ebenen<br />

fördern und leisten und bieten<br />

dies auch anderen Unternehmern an.<br />

George Bernard Shaw hat einmal<br />

gesagt: „Der einzige Mensch, der sich<br />

vernünftig benimmt, ist mein Schneider.<br />

Er nimmt jedes Mal Maß, wenn<br />

er mich trifft, während alle anderen<br />

Menschen immer die alten Maßstäbe<br />

anlegen, in der Meinung, sie passten<br />

noch.“<br />

In diesem Sinne kann und sollte die<br />

B&C als lernende Organisation das<br />

„Schneiderhandwerk“ weiter ausüben<br />

und fördern.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C INDUSTRIEHOLDING: UNTERNEHMENSWERTE KONTINUIERLICH STEIGERN UND LANGFRISTIG ENTWICKELN<br />

Während es beim terrestrischen Telefon noch zirka 130 Jahre dauerte, um 500 Millionen Menschen miteinander zu<br />

verbinden, benötigte das Internet nur noch rund 28 Jahre, und im sozialen Netzwerk Facebook kommunizierte eine<br />

halbe Milliarde Menschen bereits nach 6,5 Jahren.<br />

Mobiltelefone<br />

500 Mio.<br />

Facebook-Nutzer<br />

36<br />

37


Tellerrand<br />

Der Blick über den<br />

VON REGINA PREHOFER<br />

Aufsichtsräte können mit ihrer Arbeit wesentlich<br />

zum Erfolg von Unternehmen beitragen. Entscheidend<br />

ist dabei, wie sie ihre Rolle wahrnehmen<br />

und in welcher Art von Unternehmen sie tätig<br />

sind. Große Industriekonzerne stellen gänzlich<br />

andere Anforderungen als Start-ups. Hier einige<br />

Gedanken aus der Praxis.<br />

„Oh, Sie sind Aufsichtsrätin in einem<br />

Start-up? Das finde ich ja spannend“,<br />

merkte kürzlich der Geschäftsführer<br />

eines mittelständischen Industriebetriebes<br />

nach einer Podiumsdiskussion<br />

an. „Wie ist denn das so im Vergleich zu<br />

großen Konzernen? Da gibt es doch<br />

sicher Unterschiede?“ In der Tat – die<br />

gibt es. Sie beginnen bei den gesetzlichen<br />

Vorschriften und Regularien<br />

und enden bei der Art und Weise, wie<br />

man miteinander kommuniziert. Dazwischen<br />

liegen eine Menge Themen,<br />

die aufgrund des Mindsets in einem<br />

Start-up, der geringen Strukturtiefe und<br />

der strategischen Zielrichtung ganz<br />

anders gehandhabt werden müssen.<br />

COACH, HELFER<br />

UND SPARRINGPARTNER<br />

So ist der Investor/Aufsichtsrat eines<br />

Start-ups in erster Linie ein Coach<br />

und Helfer, der Kontakte vermittelt,<br />

als Sparringpartner beim gemeinsamen<br />

Nachdenken unterstützt und der<br />

intensiv – aber natürlich nicht operativ<br />

– in die Arbeit des Unternehmens<br />

involviert ist. Dieses Involviertsein ist<br />

ein sehr persönliches, auch emotionales,<br />

das allein schon in einer anderen<br />

Form der Kommunikation zum Ausdruck<br />

kommt. Mit den Vorständen in<br />

großen Unternehmen bin ich per Sie,<br />

mit den GründerInnen in Start-ups<br />

per Du. Meetings und Besprechungen<br />

mit Start-ups folgen durchaus einer<br />

Struktur, die jedoch nach Bedarf sehr<br />

flexibel angepasst wird.<br />

Zur eigentlichen Umsetzung der<br />

Unternehmensidee kann der Investor<br />

eines Start-ups vergleichsweise wenig<br />

beitragen. Dafür sorgen die Gründer-<br />

Innen selbst, denn sie leben und<br />

„brennen“ für ihre Idee, mit der sie<br />

sich in einer ganz eigenen Szene mit<br />

eigenen Netzwerken bewegen. Allerdings<br />

kann er die Idee mit seinem Blick<br />

von außen hinterfragen und andere<br />

Betrachtungsweisen einbringen. Das<br />

ist vor allem dann relevant, wenn es<br />

um Fragen der Budgetierung, Finanzierung,<br />

um Förderungen und das<br />

Auffinden geeigneter Investoren geht.<br />

LIEBER MEHR<br />

ALS WENIGER FRAGEN<br />

Das Wichtigste für einen Aufsichtsrat<br />

ist jedoch, sich auf das Unternehmen<br />

einzulassen – und zwar unabhängig<br />

davon, ob es sich um ein Start-up oder<br />

einen Konzern handelt. Als Aufsichtsrat<br />

sollte man lieber mehr als weniger<br />

fragen und sich sehr offen zeigen – insbesondere<br />

im Hinblick auf neue Entwicklungen.<br />

Oft sind es völlig branchenfremde<br />

Ereignisse, die in einem<br />

Unternehmen zu einer Veränderung, zu<br />

einer neuen Entwicklung oder einer<br />

potenziellen Störung führen können.<br />

DDR. REGINA PREHOFER<br />

ist promovierte Juristin und<br />

Handelswissenschafterin. Die<br />

gebürtige Oberösterreicherin verfügt<br />

über langjährige Erfahrung<br />

als Vorstandsmitglied der Bank<br />

Austria und der BAWAG P.S.K.<br />

Als Aufsichtsrätin war sie bereits<br />

in zahlreichen namhaften österreichischen<br />

Unternehmen tätig.<br />

Von 2011 bis 2015 verantwortete<br />

sie als Vizerektorin der Wirtschaftsuniversität<br />

Wien die Bereiche<br />

Finanzen und Infrastruktur.<br />

Derzeit ist Regina Prehofer<br />

Aufsichtsratsvorsitzende beim<br />

börsenotierten Ziegelhersteller<br />

Wienerberger, zweite stellvertretende<br />

Aufsichtsratsvorsitzende<br />

des High-Tech-Unternehmens<br />

AT&S sowie Investorin in den beiden<br />

Start-ups Seinfeld Professionals<br />

und Klaiton Advisory GmbH.<br />

Dafür muss man als Aufsichtsrat das<br />

richtige Feeling haben und immer wieder<br />

über solche möglichen Faktoren<br />

nachdenken und sie ansprechen. Da<br />

kommen mittlerweile auch Themen<br />

aufs Tapet, die früher unter „ferner<br />

liefen“ gelistet waren. So muss man<br />

sich jetzt zum Beispiel auch Gedanken<br />

über Wahlausgänge in demokratischen<br />

Ländern der westlichen Welt oder die<br />

Folgen des EU-Austritts eines europäischen<br />

Staates für die Wirtschaft machen.<br />

PROFESSIONALISIERUNG DES<br />

AUFSICHTSRATS<br />

Insgesamt hat sich die Tätigkeit eines<br />

Aufsichtsrats während der vergangenen<br />

zehn Jahre sehr intensiviert. Es<br />

sind deutlich mehr Aufgaben zu erledigen,<br />

insbesondere im Hinblick auf<br />

den Prüfungsausschuss. Neue EU-<br />

Regularien haben in diesem Punkt einiges<br />

verstärkt und verschärft. Auch<br />

die Finanz- und Wirtschaftskrise hat<br />

dazu beigetragen, dass das Bewusstsein<br />

von Aufsichtsräten geschärft<br />

wurde und eine Professionalisierung<br />

in diesem Gremium stattgefunden hat.<br />

Idealerweise setzt sich heute ein<br />

Aufsichtsrat aus Personen zusammen,<br />

die entsprechendes juristisches,<br />

finanzielles und Management-Knowhow<br />

mitbringen und die Branche des<br />

Unternehmens, das sie beaufsichtigen,<br />

sehr gut verstehen. Besonders<br />

nützlich ist auch, wenn Mitglieder<br />

im Aufsichtsrat selbst einmal in einer<br />

aktiven Führungsrolle tätig waren<br />

oder sind und die Zusammenarbeit<br />

mit Vorstand und Aufsichtsräten aus<br />

eigener Erfahrung kennen.<br />

ES GEHT NICHT NUR<br />

UM DIE EIGENTÜMER<br />

Vorstand und Aufsichtsrat sitzen<br />

gewissermaßen in einem Boot bzw.<br />

sollten am gleichen Strang ziehen.<br />

Beide wollen, dass sich das Unternehmen<br />

gut entwickelt, wobei mit<br />

„Unternehmen“ nicht nur die Eigentümer<br />

gemeint sind, sondern sämtliche<br />

Stakeholder, die zum Erfolg des<br />

Unternehmens beitragen und davon<br />

profitieren – allen voran die MitarbeiterInnen,<br />

die KundInnen und die<br />

Gesellschaft als Ganzes. Ein professioneller<br />

Aufsichtsrat muss dieses<br />

gesamte Spektrum berücksichtigen<br />

und jederzeit im Auge behalten, was<br />

sich jenseits des Tellerrandes tut.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C INDUSTRIEHOLDING: UNTERNEHMENSWERTE KONTINUIERLICH STEIGERN UND LANGFRISTIG ENTWICKELN<br />

39


B&C weltweit<br />

AMAG LENZING SEMPERIT<br />

L<br />

S<br />

S<br />

S<br />

S<br />

S<br />

A<br />

L<br />

S<br />

S<br />

L<br />

S<br />

L<br />

S<br />

S<br />

S<br />

Grimsby, Großbritannien<br />

Argenteuil, Frankreich<br />

Hückelhoven, Deutschland<br />

Dalheim, Deutschland<br />

Allershausen, Deutschland<br />

Deggendorf, Deutschland<br />

Ranshofen, Österreich<br />

Lenzing, Österreich<br />

Odry, Tschechische Republik<br />

Belchatów, Polen<br />

Paskow, Tschechische Republik<br />

Wien, Österreich<br />

Heiligenkreuz, Österreich<br />

Sopron, Ungarn<br />

Wimpassing, Österreich<br />

Rovigo, Italien<br />

Fair Lawn, USA<br />

Sept-Îles, Kanada<br />

Mobile, USA<br />

S<br />

A<br />

L<br />

S<br />

S<br />

L<br />

S<br />

S<br />

S<br />

S<br />

L<br />

Shandong, China<br />

Shanghai, China<br />

Nanjing, China<br />

Roha, Indien<br />

Hatyai, Thailand<br />

Kamunting, Malaysia<br />

Nilai, Malaysia<br />

Purwakarta, Indonesien<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C INDUSTRIEHOLDING: UNTERNEHMENSWERTE KONTINUIERLICH STEIGERN UND LANGFRISTIG ENTWICKELN<br />

40<br />

41


WAS WIR<br />

AN DER<br />

AMAG<br />

SCHÄTZEN.<br />

Aluminium sieht von außen immer gleich aus:<br />

Ob Dosenblech oder Außenhaut eines Jets –<br />

das Material ist silberglänzend, ansonsten unscheinbar.<br />

Aluminium ist jedoch nicht gleich Aluminium<br />

– je nach Legierung und angewandter<br />

Verarbeitungstechnik unterscheidet sich das<br />

Material in seinen Eigenschaften deutlich.<br />

Bei sogenannten aushärtbaren Blechen – der<br />

„Königsdisziplin“ – kann man zu Recht von<br />

Hightech-Produkten sprechen. Die AMAG legt<br />

hierauf einen Schwerpunkt. Ihre Erzeugnisse<br />

finden sich in Automobilen ebenso wieder wie<br />

de facto in jedem Passagierflugzeug.<br />

Im Automobilbereich nimmt der Leichtbau und<br />

damit der Einsatz von Aluminium weiter zu, er<br />

erreicht jetzt auch die Mittelklasse bei Pkw. Dieser<br />

Trend wird auch vom Regulator mitgeprägt, der<br />

über die vergangenen Jahre sowohl in den USA<br />

als auch in Europa die Effizienzvorgaben verschärft<br />

hat. Dadurch entsteht ein Nachfrageüberhang.<br />

Die AMAG ist zuversichtlich, diesen durch<br />

den frühzeitig angestoßenen Ausbau des Gießereiund<br />

Walzbetriebes in Ranshofen (AMAG-Projekte<br />

„2014“ und „2020“) nützen zu können.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | AMAG<br />

Besonders an Aluminium ist auch, dass das<br />

Material quasi „unendlich“ wiederverwertbar<br />

ist – es kann beliebig oft rezykliert werden,<br />

ohne nennenswerte Qualitätseinbußen. Gleichzeitig<br />

ist Aluminium „lernfähig“. Über die Wärmebehandlung<br />

und die chemische Zusammensetzung<br />

der unterschiedlichen „aushärtbaren“<br />

Legierungen können die Experten dem Metall<br />

Eigenschaften einprogrammieren – beispielsweise,<br />

wie lange es im weichen Zustand bearbeitbar<br />

bleibt bzw. wann es aushärten soll.<br />

THOMAS ZIMPFER<br />

Beteiligungsmanager<br />

ALEXANDER MOSER- PARAPATITS<br />

Beteiligungsmanager<br />

Das frühzeitige Erkennen der globalen Marktchancen für den Werkstoff<br />

Aluminium und die daraus resultierende Expansionsstrategie der AMAG sowie<br />

Innovation und technologische Exzellenz legen die Basis für nachhaltiges<br />

Wachstum, analysieren die Beteiligungsmanager Thomas Zimpfer und Alexander<br />

Moser-Parapatits.<br />

Die AMAG sucht im Downstream-Bereich<br />

(Alu-Verarbeitung zu Halbfertigerzeugnissen)<br />

ihre Differenzierung über diese Expertise und<br />

ist mit ihrem Know-how zunehmend weltweit<br />

erfolgreich – und das von Ranshofen im<br />

Innviertel aus. „Wir wachsen“ steht als schnörkelloser<br />

Kommentar am Cover des jüngsten<br />

Geschäftsberichts. Was Wachstum heißt, untermauern<br />

die Zahlen: Zum sechsten Mal in Folge<br />

verzeichnete das Unternehmen einen Rekordabsatz.<br />

Das Wachstum beschränkt sich nicht<br />

auf einen Treiber, aber der Stellenwert der<br />

Transportindustrie ist groß. In Zahlen ausgedrückt<br />

kletterte der AMAG Absatz im Vergleich<br />

<strong>2016</strong>/2015 um sechs Prozent auf ein All-Time-<br />

High von 405.900 Tonnen. Das Ergebnis nach<br />

Ertragsteuern verbesserte sich im Vorjahresvergleich<br />

um 14 Prozent (von 40,5 Millionen<br />

Euro auf 46,3 Millionen Euro). Die hohe Eigenkapitalquote<br />

von 50 Prozent und die EBITDA-<br />

Marge von 16 Prozent unterstreichen die Solidität<br />

des Unternehmens.<br />

STANDORTEXPANSION<br />

Um die Potenziale der verstärkten Nachfrage zu<br />

nützen, verfolgt die AMAG eine Expansion des<br />

Downstream-Bereichs; schließlich wird erwartet,<br />

dass sich die Dynamik fortsetzt:<br />

STANDORT RANSHOFEN: NEUER EBITDA-REKORD<br />

Erfolgreicher Hochlauf<br />

führt zu Ergebnisanstieg.<br />

EBITDA im Segment Walzen<br />

[in Mio EUR]<br />

In der Luftfahrtindustrie nimmt zwar der<br />

Einsatz von Verbundwerkstoffen im Bereich der<br />

Langstreckenjets zu, die steigende Zahl der produzierten<br />

Verkehrsflugzeuge (es wird rund eine<br />

Verdoppelung der Produktion innerhalb der<br />

kommenden 14 Jahre erwartet) wird aber, so die<br />

Branchenerwartungen, diesen technologischen<br />

Trend mehr als kompensieren und den Absatz<br />

von Aluminium weiter erhöhen. Auch dieses<br />

Industriesegment steht im Fokus der AMAG-<br />

Expansion am Standort Ranshofen.<br />

Langfristige Lieferverträge mit namhaften Großkunden<br />

aus der Luftfahrt, der Automobil- und<br />

der Verpackungsindustrie sollen die Umsetzung<br />

der Wachstumsstrategie absichern und lassen<br />

ein Ansteigen des Absatzes deutlich über dem<br />

Marktwachstum erwarten.<br />

42<br />

43


B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | AMAG<br />

VORSPRUNG DURCH DIGITALISIERUNG<br />

Industrie 4.0 gewinnt in der AMAG zunehmend an Stellenwert und manifestiert sich bereits<br />

in den unterschiedlichsten Bereichen. So wird beispielsweise die Produktentwicklung mittels<br />

Simulation entlang der gesamten Prozesskette unterstützt. Deutliche Produktivitätsvorteile<br />

werden durch automatisierte Anlagen generiert, aber auch autonomer Warentransport und<br />

vollautomatische Schrottsortierung sind ein Ergebnis der Digitalisierung.<br />

LEISTUNGEN DES MANAGEMENT-TEAMS<br />

Es ist eine besondere Leistung des Managements,<br />

dass diese Marktchancen frühzeitig<br />

erkannt und in der Expansionsstrategie adressiert<br />

wurden. Letztendlich resultiert hieraus die<br />

dargestellte Absatz- und Ertragssteigerung, die<br />

auch zukünftig angestrebt wird. Die Präzision<br />

in der Marktanalyse, die Weiterentwicklung<br />

der technologischen Fertigkeiten in Ranshofen,<br />

der Aufbau und die Pflege von hochqualitativen<br />

Kundenbeziehungen zu den ersten Adressen in<br />

den leistungsfähigsten und wettbewerbsintensivsten<br />

Industriesegmenten dieser Welt über<br />

nahezu ein Jahrzehnt hinweg und nicht zuletzt<br />

die innovationsorientierte Kooperation mit<br />

Forschungseinrichtungen können als Gründe<br />

dafür gelten, dass die AMAG beispielsweise zu<br />

einer Handvoll Lieferanten zählt, die kritische<br />

Aluminiumteile für die Luftfahrt produziert.<br />

Der Mut und die Weitsicht des Management-<br />

Teams haben zu dieser Positionierung wesentlich<br />

beigetragen.<br />

DIGITALISIERUNG IN VOLLEM GANGE<br />

Auch hinsichtlich der Potenziale digital gesteuerter<br />

Prozesse verfolgt die AMAG das Ziel, eine<br />

Vorreiterrolle einzunehmen. Seit Jahren wird<br />

gemeinsam mit Forschungspartnern daran gearbeitet,<br />

einen „Digitalen Zwilling“ parallel zum<br />

Produktionsprozess zu entwickeln. In Computersimulationen<br />

werden Werkstoff- und Prozessoptimierungen<br />

nachgestellt, um deren Effekt<br />

auf das Endprodukt zu erforschen. Grundsätzlich<br />

zeichnet sich außerdem die Produktion,<br />

insbesondere auch die Walzwerke, durch einen<br />

hohen Automatisierungsgrad aus und wird<br />

elektronisch gesteuert.<br />

Die Digitalisierung bietet der AMAG entscheidende<br />

Vorteile auch bei der Dokumentation.<br />

Die Flugzeugbranche ist führend bei der Dokumentation<br />

sämtlicher eingesetzter Produktionsmittel<br />

und -prozesse. Die AMAG kann für jedes<br />

Blech einen „Stammbaum“ vorlegen. Abgesehen<br />

von der Dokumentation der Entstehungsgeschichte<br />

jedes Werkstücks ist die Konnektivität<br />

mit den Kundensystemen eine Herausforderung,<br />

die im selbst auferlegten Anspruch der<br />

AMAG an sich einen hohen Stellenwert hat.<br />

Die Digitalisierung als globaler Megatrend<br />

beeinflusst das Unternehmen allerdings auch<br />

nachfrageseitig. So wird beispielsweise durch<br />

den Siegeszug der LED das Halogenlicht<br />

weitgehend verdrängt. Ein Umstand, der dazu<br />

führte, dass der Marktanteil von Reflektoren<br />

aus Aluminiumblech, die das Licht der Scheinwerfer<br />

bündelten, innerhalb von nur fünf Jahren<br />

deutlich zurückging. Diese Entwicklung trifft<br />

auch die AMAG. Ein anderes Beispiel liegt im<br />

„Sharing“, das als neuer gesellschaftlicher Trend<br />

speziell im urbanen Raum dazu führen kann,<br />

dass langfristig die Zahl der produzierten Pkw<br />

zurückgeht.<br />

WETTBEWERBSVORTEILE<br />

Der hoch integrierte Standort Ranshofen stellt<br />

einen Wettbewerbsvorteil dar, weil er technologische<br />

Spitzenleistungen ermöglicht. Viele<br />

Spezialisten auf kleinem Raum ermöglichen<br />

neue Lösungen, die zügig in Markterfolge<br />

umgesetzt werden können. Hervorzuheben ist<br />

die enge Zusammenarbeit in einem Forschungsnetzwerk<br />

mit namhaften nationalen und internationalen<br />

Universitäten wie beispielweise der<br />

Montanuniversität Leoben. Dies verstärkt die<br />

Innovationskraft der AMAG.<br />

Ein Alleinstellungsmerkmal der AMAG ist die<br />

hohe Recyclingquote im Herstellungsprozess.<br />

Rund 70 Prozent der Halbfertigerzeugnisse am<br />

Standort Ranshofen basieren auf sogenanntem<br />

„Sekundär-Aluminium“. Diese Quote ist führend<br />

im weltweiten Wettbewerbsvergleich. Die Expertise<br />

in der Aufbereitung und Sortierung sowie<br />

in der Lagerung, aber auch die durchdachte<br />

Konfiguration des Werks bergen jede Menge<br />

Know-how. Dies offenbart die Hightech-Gießerei,<br />

wo Legierungen für die unterschiedlichsten<br />

Einsatzzwecke erzeugt werden, die die Basis für<br />

Exzellenz bilden.<br />

Die AMAG hat sich in den vergangenen zehn<br />

Jahren substanziell gewandelt, ist zuerst<br />

zeitgemäß geworden und ist jetzt in bewusst<br />

gewählten Bereichen Spitzenreiter. Bisher sieht<br />

die unternehmerische Reise vielversprechend<br />

aus, und die Grenzen des Wachstums im Aluminiumgeschäft<br />

scheinen noch in weiter Ferne zu<br />

liegen.<br />

ERFAHREN SIE MEHR ÜBER DIE<br />

AMAG AUSTRIA METALL AG.<br />

44<br />

45


Kennzahlen <strong>2016</strong><br />

EBITDA 143,0 Mio EUR<br />

Eigenkapitalquote 45,4<br />

Verschuldungsgrad 35,8<br />

%<br />

%<br />

906,2 Mio EUR Umsatz<br />

Umsatz nach Segmenten<br />

68 % Segment Walzen<br />

21 % Segment Metall<br />

11 % Segment Gießen<br />

Umsatz nach Regionen<br />

42 % Westeuropa (ohne Österreich)<br />

15 % Österreich<br />

11 % Übriges Europa<br />

27 % Nordamerika<br />

1 % Segment Service 4 % Asien, Ozeanien, Sonstige<br />

405.900<br />

Absatz in Tonnen<br />

Standorte<br />

OPERATIVE GESELLSCHAFTEN:<br />

Ranshofen/Österreich,<br />

Sept-Îles/Kanada<br />

VERTRIEBSTÖCHTER<br />

UND HANDELSVERTRETUNGEN:<br />

Niederlande, Großbritannien, Italien,<br />

Deutschland, Türkei, Polen,<br />

Frankreich, Tschechien, Schweden,<br />

Spanien, Bulgarien, Schweiz, Israel,<br />

Taiwan, Südkorea, Indien, Japan,<br />

China, USA, Mexiko, Brasilien<br />

Forschung und Entwicklung<br />

in Mio EUR<br />

8,0 9,6 11,5 10,8<br />

2013 2014 2015 <strong>2016</strong><br />

Kurschart Börsegang 2011 bis Dezember <strong>2016</strong><br />

(EUR pro Aktie)<br />

Neuerliche Absatzsteigerung um 6,5 %<br />

300.000 Tonnen<br />

Schrotteinsatz am Standort Ranshofen führen zu mehr Energieund<br />

Ressourcenschonung in der Produktion.<br />

12.809<br />

Verbesserungsvorschläge wurden von Mitarbeitern eingebracht und damit<br />

ein Rekordwert erreicht.<br />

+ 250 Arbeitsplätze<br />

werden am Standort Ranshofen im neuen Kaltwalzwerk geschaffen.<br />

52,7 %<br />

2.200 Lehrlinge<br />

wurden in den letzten Jahrzehnten<br />

bei der AMAG ausgebildet.<br />

75 %<br />

konnte die<br />

AMAG-Aktie<br />

seit dem erfolgreichen Börsegang im April 2011<br />

zulegen. Gesamtaktionärsvergütung: 101,8 %<br />

Anteil der B&C Industrieholding<br />

am Grundkapital der AMAG.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | AMAG<br />

46<br />

47


Ungeahnte<br />

Möglichkeiten<br />

des Beirats im Jahr 2008 sind etwa<br />

zwei Dutzend Doktorierende durch<br />

diese ‚AMAG-Schule’ gegangen. Der<br />

Beirat hat aber auch die Aufgabe, das<br />

F&E-Team der AMAG bei jeglichen<br />

wissenschaftlich-technologischen<br />

Fragen zu unterstützen.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | AMAG<br />

Peter Uggowitzer, Vorsitzender des wissenschaftlichtechnologischen<br />

Beirats der AMAG, und Helmut<br />

Antrekowitsch, stellvertretender Vorsitzender, geben<br />

Antworten auf Fragen zur Zukunft des Werkstoffs<br />

Aluminium und der AMAG Austria Metall AG.<br />

Sie sind beide Mitglieder des<br />

wissenschaftlich-technologischen<br />

Beirats der AMAG. Was für eine<br />

Institution ist das?<br />

PETER UGGOWITZER: Der Beirat<br />

ist ein Gremium, das sich aus sechs<br />

akademischen Forschern zusammensetzt.<br />

Es sind dies Professoren, die an<br />

in- und ausländischen Universitäten<br />

tätig sind und auf verschiedenen, für<br />

die F&E der AMAG relevanten Gebieten<br />

über Expertenwissen verfügen.<br />

Der Beirat hat unterschiedliche Aufgaben<br />

zu erfüllen. Zum einen soll er<br />

gemeinsam mit dem F&E-Team jene<br />

Forschungsthemen identifizieren,<br />

die für die AMAG besonders relevant<br />

sind und Produktoptimierungen<br />

sowie neue Produkte ermöglichen.<br />

Zum anderen wird erwartet, dass er,<br />

ausgehend von der kommunizierten<br />

Gesamtstrategie der Konzernleitung,<br />

dem AMAG-Management regelmäßig<br />

Empfehlungen zur strategischen Ausrichtung<br />

der F&E-Aktivitäten vorlegt.<br />

HELMUT ANTREKOWITSCH: Die<br />

Forschungsthemen werden in der<br />

Regel in Form von Doktorarbeiten<br />

behandelt. Die Mitglieder des Beirats<br />

sind dann fest in die Betreuung dieser<br />

Forschungsprojekte eingebunden. Bei<br />

den Sitzungen des Beirats referieren<br />

die Doktorandinnen und Doktoranden<br />

über ihre Fortschritte und<br />

erhalten vom Beirat konstruktive<br />

Anregungen. Seit der Etablierung<br />

Welchen neuen Herausforderungen<br />

wird sich die Aluminium-Industrie<br />

in den nächsten Jahren zu stellen<br />

haben?<br />

UGGOWITZER: Wie bei anderen<br />

Industriezweigen auch werden vor<br />

allem zwei globale Megatrends die<br />

weitere Entwicklung der Aluminiumindustrie<br />

stark beeinflussen: der Klimawandel<br />

und die Rohstoffknappheit.<br />

Daraus ergeben sich beispielsweise<br />

Fragen nach der Mobilität der Zukunft<br />

oder nach den Produktionsrouten der<br />

Zukunft. Aus diesen Zielen, d. h. der<br />

Reduktion des Energiebedarfs und der<br />

CO 2 -Emissionen sowie der Ressourcenschonung,<br />

leiten sich zwei für die<br />

Aluminium-Industrie und speziell für<br />

die AMAG wichtige Entwicklungen<br />

ab – forcierter Leichtbau und forciertes<br />

Recycling. Der verstärkte Trend<br />

zu Leichtbau ist heute schon verantwortlich<br />

für das beachtliche Mengenwachstum<br />

bei Aluminiumlegierungen<br />

und wird es auch in Zukunft bleiben.<br />

So gesehen ist die Frage nach der<br />

„Herausforderung“ positiv zu werten,<br />

da es vor allem gilt, der steigenden<br />

Nachfrage nach Aluminiumlegierungen<br />

höchster Qualität gerecht werden zu<br />

können. Und ein forciertes Recycling<br />

ist schon lange ein zentrales Merkmal<br />

der AMAG-Philosophie.<br />

Sie haben den Klimawandel angesprochen.<br />

Um die Klimaziele zu<br />

erreichen, werden drastische Maßnahmen<br />

notwendig werden, beispielsweise<br />

ein Verbot oder eine signifikante<br />

Reduktion von Verbrennungsmotoren.<br />

Wie wird sich das auf den<br />

Aluminiumverbrauch auswirken, wo<br />

doch heute Motoren- und Getriebegehäuse<br />

vorwiegend aus Aluminium<br />

gefertigt werden?<br />

UGGOWITZER: Die Diskussion über<br />

alternative Antriebskonzepte ist<br />

allgegenwärtig. Betrachtet werden<br />

gesteigerte Elektromobilität mit<br />

Batterie oder Brennstoffzelle und<br />

die Hybrid-Technologie. Allen ist<br />

gemeinsam, dass intensivierter<br />

Leichtbau betrieben werden muss,<br />

um Erfolg zu haben. Das wird zu<br />

einer Steigerung des durchschnittlichen<br />

Einsatzes von Aluminium in<br />

Form von Walz- und Gussprodukten<br />

in Automobilen führen. Bis 2025 wird<br />

zudem der prozentuelle Rückgang an<br />

Fahrzeugen mit reiner Verbrennungsmotortechnologie<br />

durch das absolute<br />

Wachstum der jährlichen Fahrzeugproduktion<br />

kompensiert werden.<br />

AMAG-GUSSPRODUKTE<br />

sind das Vormaterial von Aluminiumformgussteilen, z. B. für die Automobilindustrie,<br />

und werden mit einem Recyclinganteil von über 90 Prozent hergestellt.<br />

Werden Knetlegierungen mitberücksichtigt, liegt der Recyclinganteil<br />

mit 75 bis 80 Prozent weit über dem Branchendurchschnitt.<br />

Wenn man konkret den Einsatz von<br />

Gussprodukten betrachtet, muss man<br />

zuerst einmal festhalten, dass auch<br />

Hybridantriebe und reine Elektroantriebe<br />

Gussteile benötigen. Bei den<br />

Legierungen mag es wohl Verschiebungen<br />

geben, da ergänzend zum<br />

Guss im Antriebsstrang der steigende<br />

Anteil an dünnwandigem Strukturguss<br />

für Fahrwerks- und Karosserieanwendungen<br />

duktilere Werkstoffe<br />

verlangt. Wenn dann parallel dazu<br />

auch der Anteil an Recyclingmaterial<br />

zunehmen soll, wird dies besondere<br />

Anstrengungen bei der Legierungsgestaltung<br />

erforderlich machen.<br />

Für die AMAG ist offensichtlich Recycling<br />

von entscheidender Bedeutung.<br />

Was wird die Zukunft dahingehend<br />

bringen?<br />

ANTREKOWITSCH: Die hoch<br />

entwickelte europäische Industrie<br />

hängt besonders stark von der Verfügbarkeit<br />

von Ressourcen ab. Im<br />

Vergleich zu anderen Kontinenten<br />

besitzt Europa nur begrenzt Primärrohstoffe,<br />

sodass dem Recycling eine<br />

immer größere Bedeutung zukommt,<br />

insbesondere jenem von Aluminium.<br />

In den letzten Jahren hat die Wiederverwertung<br />

von Aluminium stark<br />

zugenommen, was einerseits in der<br />

größeren verfügbaren Menge an<br />

sekundären Materialien und andererseits<br />

in den ökologischen und ökonomischen<br />

Vorteilen der Sekundärmetallurgie<br />

gegenüber der Primärproduktion<br />

begründet ist. Vor allem<br />

der sehr geringe Energiebedarf,<br />

welcher in Abhängigkeit von den<br />

eingesetzten Schrotten nur 5 bis 10<br />

Prozent im Vergleich zur primären<br />

Erzeugung beträgt, begründet die<br />

Notwendigkeit der Wiederverwertung<br />

dieses Metalls. Mit einem Recyclinganteil<br />

von 75 bis 80 Prozent in den in<br />

Ranshofen hergestellten Produkten<br />

liegt die AMAG weit über Branchendurchschnitt.<br />

Dieser Spitzenwert soll<br />

auch bei dem für die nächsten Jahre<br />

geplanten Wachstum an Walzprodukten<br />

erhalten bleiben.<br />

48<br />

49


Gibt es für Aluminium Grenzen des<br />

Wachstums? Ist die Verfügbarkeit<br />

der Vormaterialien auf längere Sicht<br />

gewährleistet?<br />

ANTREKOWITSCH: Die Rohstofflagerstätten<br />

bei Aluminium sind auch bei<br />

stark steigenden Produktionsmengen<br />

weltweit betrachtet als unerschöpflich<br />

anzusehen. Aluminium stellt nach<br />

Sauerstoff und Silizium das dritthäufigs<br />

te Elemente in der Erdkruste dar,<br />

und die Abbaugebiete sind weltweit verteilt<br />

und entsprechen erdgeschichtlich<br />

betrachtet den Tropengebieten, da die<br />

Erze Verwitterungsprodukte sind. Ob in<br />

Australien, Südamerika, Afrika, Asien,<br />

Nordamerika und auch Europa, überall<br />

können Aluminiumerze abgebaut<br />

und zu Aluminium verarbeitet werden.<br />

Im Bereich der Primärmetallurgie ist<br />

demzufolge das Vormaterial immer<br />

gesichert. Auch wenn noch einmal zu<br />

erwähnen ist, dass für die Gewinnung<br />

aus Erzen der 10- bis 20-fache Energiebedarf<br />

im Vergleich zum Recycling<br />

notwendig ist, muss doch deutlich<br />

festgehalten werden, dass globales<br />

Wachstum bei Aluminiumanwendungen<br />

nur über die Zufuhr neuen Materials<br />

aus Elektrolysen möglich ist!<br />

Bei den sekundären Rohstoffen<br />

wird zeitverschoben zur steigenden<br />

Aluminiumproduktion die Menge an<br />

Schrotten und Al-haltigen Reststoffen<br />

stark ansteigen. Hierbei sind allerdings<br />

mehrere Herausforderungen zu bewältigen.<br />

Zum einen ist zu erwarten,<br />

dass die regionale Verfügbarkeit aufgrund<br />

zunehmender Recyclingaktivitäten<br />

zukünftig stärker eingeschränkt<br />

sein wird. Zum anderen wird es<br />

notwendig sein, innovative Prozessschritte<br />

bei der Sammlung, Aufbereitung<br />

und Schmelzmetallurgie<br />

anzuwenden, um auch minderwertige<br />

Vorstoffe verwerten zu können. Um<br />

eine größere Sekundärrohstoffpalette<br />

nutzbar zu machen, sind aber Verfahrensoptimierungen<br />

dringend<br />

erforderlich. Gerade auf diesem<br />

Gebiet weist die AMAG bereits sehr<br />

gute Voraussetzungen auf, welche es<br />

zukünftig auszubauen gilt. Unter<br />

PROF. DI. DR. PETER UGGOWITZER<br />

lehrte und forschte als Universitätsprofessor für Metallkunde am Departement<br />

Materialwissenschaft der ETH Zürich von 1996 bis zu seiner Emeritierung<br />

im Jahr 2015. Er ist dort nach wie vor in Teilzeit als Dozent aktiv.<br />

Seit 2017 ist er auch als Gastprofessor an der Montanuniversität Leoben<br />

(MUL) tätig. Der gebürtige Kärntner studierte Werkstoffwissenschaften<br />

und an der Montanuniversität Leoben, promovierte an der MUL 1981 und<br />

habilitierte 1993 an der ETH im Fachgebiet Metallkunde.<br />

Peter Uggowitzer ist Autor von über 200 referierten<br />

wissenschaftlichen Publikationen und Erfinder bzw.<br />

Miterfinder von mehr als 20 Patenten. Neben seiner<br />

wissenschaftlichen Laufbahn wirkt Professor Uggowitzer<br />

u. a. als Berater des Leichtmetall-Kompetenzzentrums<br />

in Ranshofen, der Audi AG in Neckarsulm<br />

und der Biotronik AG in Bülach. Bis 2015 war Professor<br />

Uggowitzer im Aufsichtsrat der AMAG AG tätig.<br />

Er ist Vorsitzender des wissenschaftlichtechnologischen<br />

Beirats der AMAG.<br />

UNIV.-PROF. DI. DR. HELMUT ANTREKOWITSCH<br />

ist seit September 2010 als Universitätsprofessor für Nichteisenmetallurgie<br />

an der Montanuniversität Leoben tätig. Nach Abschluss der Fachrichtung<br />

Hüttenwesen/Metallurgie und Graduierung zum Diplomingenieur<br />

1994 promovierte Antrekowitsch vier Jahre später zum<br />

Doktor der montanistischen Wissenschaften. 2003<br />

habilitierte er für das Fach Metallurgie der Nichteisenmetalle<br />

und leitete ab diesem Zeitpunkt den Lehrstuhl<br />

für Nichteisenmetallurgie. Von 2002 bis 2009 war er<br />

auch Leiter des Christian-Doppler-Labors für Sekundärmetallurgie<br />

der Nichteisenmetalle in Leoben. Helmut<br />

Antrekowitsch ist als Spezialist für Recycling Autor<br />

zahlreicher Fachpublikationen. Er ist stellvertretender<br />

Vorsitzender des wissenschaftlichtechnologischen<br />

Beirats der AMAG.<br />

Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen<br />

ist die Verfügbarkeit der<br />

sekundären Vormaterialien, ähnlich<br />

wie bei der primären Seite, auf längere<br />

Sicht ebenfalls gewährleistet.<br />

Die AMAG spielt auf technischer Ebene,<br />

das heißt mit der Qualität ihrer<br />

Produkte, in der höchsten Aluminium-Liga.<br />

Welche Merkmale sind<br />

entscheidend für diese Position?<br />

UGGOWITZER: Zur Entwicklung und<br />

Herstellung eines Qualitätsprodukts<br />

braucht es mit Sicherheit ein Qualitätsteam.<br />

Es ist also wohl die Befähigung<br />

der AMAG-Belegschaft – vom<br />

Management bis zur Fachperson an<br />

den technischen Anlagen –, die maßgebend<br />

zum Spiel in der 1. Liga beiträgt.<br />

Um den hohen Anforderungen<br />

gerecht werden zu können, braucht es<br />

hervorragend ausgebildete und besonders<br />

motivierte Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter. Im vergangenen Jahrzehnt<br />

hat sich in dieser Hinsicht sehr<br />

viel positiv verändert. Das F&E-Team<br />

gehört heute zu den besten der Aluminiumcommunity<br />

weltweit. Aber auch<br />

die technischen Anlagen der AMAG<br />

erfüllen die höchsten Standards und<br />

werden dies, auch aufgrund der tollen<br />

neuen Investitionen, weiterhin in<br />

hohem Maße tun. Das technische<br />

Personal und das F&E-Team werden<br />

kontinuierlich weitergebildet, beispielsweise<br />

in speziellen Schulungen<br />

durch Mitglieder des wissenschaftlich-technologischen<br />

Beirats. Alle<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

erhalten das Angebot zur Weiterbildung,<br />

z. B. in der neu geschaffenen<br />

„Alu-Akademie“ der AMAG. Besonders<br />

wichtig ist aber das außergewöhnlich<br />

kreative Klima in der AMAG-Belegschaft,<br />

das sich in vielen Aktionen<br />

manifestiert, beispielsweise in den<br />

angeregten niveauvollen Diskussionen<br />

bei den regelmäßigen Sitzungen mit<br />

dem technisch-wissenschaftlichen<br />

Beirat und den AMAG-Doktoranden,<br />

oder bei den AMAG-internen Projektreviews,<br />

sicher aber auch bei den<br />

überaus wichtigen Gesprächen mit<br />

den Kunden. Am deutlichsten zeigt<br />

sich das innovative Klima jedoch in<br />

der Zahl der Vorschläge zum kontinuierlichen<br />

Verbesserungsprozess: Im<br />

Jahr <strong>2016</strong> waren dies etwa 13.000 (!),<br />

also 30 bis 40 umgesetzte Verbesserungen<br />

täglich. Das sind Rekordzahlen<br />

– Chapeau!<br />

ANTREKOWITSCH: Ein kreatives<br />

Klima entsteht aber nicht ohne<br />

äußere Einwirkung. Das Management<br />

der AMAG hat über das letzte<br />

Jahrzehnt ein enormes Engagement<br />

in Richtung kontinuierliche Weiterbildung<br />

gezeigt und sehr stark den<br />

Blick für neue Denkweisen geöffnet.<br />

Den internen F&E-Aktivitäten wurde<br />

die notwendige Bedeutung beigemessen<br />

und externe Kooperationen<br />

mit Partnern aus Universitäten und<br />

Forschungseinrichtungen wurden<br />

etabliert. Mit dieser Symbiose ist es<br />

gelungen, die anwendungsorientierte<br />

F&E mit Grundlagenforschung zu<br />

bereichern. Alleine in den letzten<br />

neun Jahren, seit der Etablierung des<br />

wissenschaftlich-technologischen<br />

Beirats, sind wie schon erwähnt über<br />

zwei Dutzend Doktorarbeiten mit<br />

Unterstützung und Mitbetreuung<br />

durch die AMAG entstanden. Deren<br />

Bedeutung zeigt sich im angesprochenen<br />

„Spiel in der höchsten Liga“<br />

und deren Qualität in der Fülle von<br />

erlangten Forschungspreisen, beispielsweise<br />

dem DGM-Nachwuchspreis,<br />

dem Acta Materialia Student<br />

Award, dem Georg Sachs Preis der<br />

DGM, dem Aluminium Alloy Award<br />

der TMS/USA, dem Materials Science<br />

Sapphire Award der ACS/USA und<br />

dem Houskapreis <strong>2016</strong> für universitäre<br />

Forschung. Mit der Etablierung<br />

einer Stiftungsprofessur für Werkstofftechnik<br />

von Aluminium an der<br />

Montanuniversität Leoben wurde die<br />

fruchtbare Forschungspartnerschaft<br />

im Besonderen besiegelt.<br />

Die Themen „Industrie 4.0“ und „Additive<br />

Fertigung“ sind aktuell äußerst<br />

populär. Sind sie auch für die AMAG<br />

von besonderer Bedeutung?<br />

UGGOWITZER: Industrie 4.0 und<br />

Additive Fertigung sind in der Tat die<br />

Hype-Themen dieser Tage. In meiner<br />

langjährigen Karriere als Werkstoffingenieur<br />

und akademischer<br />

Forscher habe ich schon eine Reihe<br />

solcher Hypes erlebt; Beispiele sind<br />

Intermetallics, Nano, Bio oder die<br />

Metallischen Gläser. In jedem Fall hat<br />

sich deren Amplitude aber mit der<br />

Zeit auf ein rationales Maß reduziert.<br />

Das Management der AMAG soll solche<br />

Themeneruptionen aufmerksam<br />

beobachten, sich aber bei den strategischen<br />

Entscheidungen nur mit viel<br />

Bedacht davon beeinflussen lassen.<br />

Gerne möchte ich zu Industrie 4.0<br />

und Additive Fertigung ein paar<br />

konkrete Bemerkungen machen. Im<br />

AMAG AluReport 02.<strong>2016</strong> beschreibt<br />

COO Helmut Kaufmann, dass Industrie<br />

4.0 für die AMAG vor allem durch<br />

die Verbesserung von Produkten und<br />

Prozessen mit Hilfe der Methoden<br />

der IT relevant ist. Er nimmt dabei<br />

Bezug auf die komplexen Zusammenhänge<br />

zwischen Legierung, Prozess,<br />

Mikrostruktur und Eigenschaften, die<br />

nur mit Computersimulation erfassbar<br />

sind. In der Tat ist es heute so, dass<br />

wir die Strukturveränderungen bei<br />

jedem Prozessschritt bis auf die<br />

atomare Ebene hinunter verstehen<br />

wollen. Erst das umfassende physikalische<br />

Verständnis der Mechanismen<br />

erlaubt die Beschreibung des Geschehens<br />

mit physikalischen Modellen,<br />

welche dann mit Computeralgorithmen<br />

abgebildet werden können. Mit<br />

der verknüpften Prozess-, Strukturund<br />

Eigenschaftssimulation ist man<br />

dann in der Lage, die optimale Legierung<br />

und die optimalen Prozessparameter<br />

zu finden, aber auch die kritischen,<br />

besonders qualitätsrelevanten<br />

Prozessschritte zu identifizieren.<br />

Neben dem realen Produktionspfad<br />

erstellen wir also einen IT-Pfad, von<br />

Helmut Kaufmann „digitaler Zwilling“<br />

genannt, der maßgeblich die Qualitätssicherheit<br />

und die Prozessstabilität<br />

mitbestimmt.<br />

Die Additive Fertigung von Bauteilen<br />

und Komponenten wird das Hauptgeschäft<br />

der AMAG auch langfristig<br />

nicht tangieren. Dafür gibt es eine<br />

Reihe guter Gründe, die letztlich alle<br />

kostenspezifisch sind. Für die fernere<br />

Zukunft könnte sich jedoch ein<br />

Zusatzgeschäft ergeben. Die AMAG<br />

und ihre F&E-Partner verfügen ja<br />

über ein außerordentlich hohes<br />

Know-how bei der Gestaltung und<br />

Optimierung von Legierungen.<br />

Da es für die Additive Fertigung maßgeschneiderte<br />

Legierungen brauchen<br />

wird, kann sich die AMAG mit ihrer<br />

Kompetenz beim Design spezifischer<br />

Legierungen einbringen und dafür<br />

patentrechtliche Sicherstellungen<br />

anstreben. Die ersten Schritte in<br />

diese Richtung sind schon erfolgt.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | AMAG<br />

50<br />

51


WAS WIR<br />

AN DER<br />

LENZING AG<br />

SCHÄTZEN.<br />

JOHANNES STEFAN<br />

Beteiligungsmanager<br />

MICHAEL GLOCK<br />

Beteiligungsmanager<br />

Den Erfolg der Lenzing Aktiengesellschaft führen die Beteiligungsmanager<br />

Johannes Stefan und Michael Glock vor allem darauf zurück, dass Lenzing sich<br />

dank unternehmerischer Weitsicht als Vorreiter in der Industrie etabliert hat<br />

und in der Lage ist, den Fasermarkt aktiv mitzugestalten.<br />

Das Absatzvolumen des globalen Fasermarktes<br />

hat im Jahr <strong>2016</strong> mit 101,4 Millionen Tonnen,<br />

einer Menge, die rund 400 Milliarden T-Shirts<br />

oder rund 150 Milliarden Paar Jeans entspricht,<br />

einen neuen Höchststand erreicht. Begünstigt<br />

durch die wachsende Weltbevölkerung und einen<br />

Anstieg der Kaufkraft ist kein Ende dieses Wachstums<br />

in Sicht. Holzbasierte Cellulosefasern nehmen<br />

in diesem Markt eine besondere Rolle ein:<br />

Während die Anbaufläche von anderen Naturfasern<br />

aufgrund profitablerer alternativer Pflanzen<br />

aus dem Nahrungsmittelbereich seit Jahren stagniert<br />

bzw. rückläufig ist und synthetische Fasern<br />

aufgrund der Faserbeschaffenheit nicht in allen<br />

Anwendungen eingesetzt werden können, weisen<br />

holzbasierte Cellulosefasern ein überdurchschnittliches<br />

Nachfragewachstum auf. Dank der hohen<br />

Verfügbarkeit des Rohstoffes Holz und der vielfältigen<br />

Einsatzgebiete gewinnen sie im Textilund<br />

Vliesstoffmarkt immer weiter an Bedeutung.<br />

Der weltweite Bekleidungsmarkt, welcher der<br />

größte Einsatzbereich für Fasern ist, befindet<br />

sich in einem umfassenden Wandel. Dominierten<br />

noch vor wenigen Jahren die traditionellen<br />

Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterkollektionen<br />

den Modekalender, so findet man in den<br />

großen Modehäusern dieser Welt heute innerhalb<br />

weniger Wochen ein völlig neues Sortiment<br />

vor. Hat man ein passendes Kleidungsstück<br />

gefunden, so muss die Kaufentscheidung rasch<br />

gefällt werden, denn immer schneller werden<br />

Produkte durch neue Designs ersetzt. Gleichzeitig<br />

fordern Konsumenten zunehmend eine<br />

ökologisch und sozial nachhaltige Produktion<br />

von Bekleidungsstücken. Auch im Bereich der<br />

Vliesstoffe, die vor allem in Hygieneprodukten<br />

eingesetzt werden, sehen sich die Anbieter<br />

zunehmend dem prüfenden Blick von Konsumenten,<br />

Umweltorganisationen und Gesetzgebern<br />

gegenüber.<br />

Trends wie diese stellen große Händler und<br />

Marken vor neue Herausforderungen, die nur<br />

mithilfe der Unternehmen in den vorgelagerten<br />

Wertschöpfungsschritten bewältigt werden<br />

können. Schnelle Reaktion auf Kundenwünsche,<br />

kurze Lieferketten, verlässliche Qualität, nachhaltige<br />

Produktion und hohe Innovationskraft<br />

sind nur einige der Anforderungen, die an diese<br />

Unternehmen gestellt werden. Lenzing hat dies<br />

früh erkannt und konnte sich dank unternehmerischer<br />

Weitsicht und unermüdlichem Einsatz der<br />

Mitarbeiter in den vergangenen Jahren erfolgreich<br />

als Vorreiter in der Industrie etablieren.<br />

Mit großer Freude sehen wir, dass Lenzing als<br />

traditionsreiches Unternehmen mit starker<br />

lokaler Verankerung nicht nur auf diese Trends<br />

vorbereitet ist, sondern diese aktiv mitgestaltet.<br />

MIT QUALITÄT UND INNOVATIONSKRAFT<br />

setzt Lenzing Standards auf dem Gebiet der Cellulosefasern<br />

und vereint alle drei Faser-Generationen unter einem Dach.<br />

STRATEGISCHE NEUAUSRICHTUNG<br />

VOLL IM GANGE<br />

Nach einigen turbulenten Jahren, die von<br />

Veränderungen im Marktumfeld und internen<br />

Herausforderungen geprägt waren, befindet<br />

sich Lenzing heute wieder ganz auf Wachstumskurs.<br />

Die Transformation des Unternehmens<br />

von einem B2B-Hersteller von Standardfasern<br />

hin zu einem Anbieter von nachhaltig<br />

produzierten und hoch-funktionalen Spezialfasern<br />

mit starkem Fokus auf den Endkonsumenten<br />

ist in vollem Gange. Die Marke Lenzing<br />

und die damit verbundenen Werte und Fasereigenschaften<br />

werden zunehmend vom Endkunden<br />

wahrgenommen. Steht bei Kleidungsstücken<br />

zwar immer noch das Design im<br />

Vordergrund, gewinnen heute Tragekomfort,<br />

physiologische Eigenschaften, Hautfreundlichkeit<br />

und umweltschonende Herstellung der im<br />

Kleidungsstück eingesetzten Fasern zunehmend<br />

an Bedeutung. Das Management-Team<br />

und die Mitarbeiter haben in den vergangenen<br />

Jahren großen Mut zur Weiterentwicklung und<br />

Umsetzungsstärke bewiesen.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | LENZING<br />

52<br />

53


B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | LENZING<br />

WALD<br />

HOLZ<br />

FASERZELLSTOFF<br />

FASER<br />

GARN<br />

STOFF<br />

HOLZBASIERTE CELLULOSEFASERN<br />

werden seit über hundert Jahren hergestellt. Die Lenzing Gruppe ist dank laufender Technologie-<br />

Weiterentwicklungen heute weltweit der einzige Produzent, der alle drei Generationen von<br />

holzbasierten Cellulosefasern, Viscose, Modal und die Lyocellfaser TENCEL®, global anbietet.<br />

KONSEQUENTER NACHHALTIGKEITSFOKUS<br />

IN DER GESAMTEN PRODUKTION<br />

Das tief in der Unternehmenskultur verankerte<br />

Streben nach Nachhaltigkeit ist einer der wichtigsten<br />

Innovationstreiber bei Lenzing. Im Jahr<br />

<strong>2016</strong> wurde nach intensiver Entwicklungszeit<br />

etwa die Lyocell-basierte „Refibra“ Faser mit<br />

großem Erfolg am Markt präsentiert. Die<br />

aus wiederverwerteten Baumwollzuschnittsabfällen<br />

produzierte Faser bietet eine einzigartige<br />

Lösung für die zunehmende Problematik<br />

steigender Mengen an Textilabfällen, welche<br />

ihr Ende bislang vorwiegend auf Mülldeponien<br />

finden. Lenzing zeigt damit wiederum, dass<br />

„Nachhaltigkeit“ für das Unternehmen kein viel<br />

beanspruchter Modebegriff ist, sondern leistet<br />

mit der Refibra Faser einen maßgeblichen<br />

Beitrag zur Verbesserung der Ressourceneffizienz<br />

in der Textilbranche.<br />

WEGWEISENDE FORSCHUNGS-<br />

UND ENTWICKLUNGSAKTIVITÄTEN<br />

UND KUNDENNAHE INNOVATION<br />

Dank des Know-hows der Mitarbeiter im<br />

Forschungszentrum am Standort Lenzing ist<br />

das Unternehmen in der Lage, nicht nur inkrementelle<br />

Prozessverbesserungen zu erarbeiten,<br />

sondern wegweisende Impulse in der Fasertechnologie<br />

zu setzen. Lenzing ergänzt das an<br />

den österreichischen Standorten vorhandene<br />

Expertenwissen mit zwei neuen Kompetenzzentren<br />

für Produktinnovationen in Indonesien<br />

und Hongkong. Die Innovationskraft Lenzings<br />

und die Fähigkeit, rasch auf die Anforderungen<br />

globaler Absatzmärkte reagieren zu können,<br />

sind Leistungen, auf die das Unternehmen stolz<br />

sein kann.<br />

STÄRKUNG DER WELTOFFENEN<br />

UNTERNEHMENSKULTUR<br />

Eine der größten Veränderungen der vergangenen<br />

Jahre ist die Entwicklung des Unternehmens,<br />

basierend auf seiner tiefen Verwurzelung<br />

in Österreich, zu einer global agierenden<br />

Gruppe mit einem geografisch und kulturell<br />

diversifizierten Footprint. Die Textilbranche<br />

ist eine weltweit umfassend vernetzte Industrie,<br />

die von regional stark unterschiedlichen<br />

Konsumentenpräferenzen und Marktstrukturen<br />

sowie stark verzweigten internationalen<br />

Lieferketten geprägt ist. Eine Unternehmenskultur,<br />

die den interkulturellen Austausch über<br />

alle Hierarchieebenen ermöglicht, ist dabei<br />

einer der Schlüssel für nachhaltiges Wachstum<br />

und Erfolg. Mit der Schaffung einer Matrixorganisation<br />

und der Förderung der Mobilität innerhalb<br />

des Unternehmens hat Lenzing in den<br />

vergangenen Jahren wichtige Schritte gesetzt,<br />

um die kulturelle Diversität zu erhöhen. Dieser<br />

Wandel hat die Mitarbeiter des Unternehmens<br />

auch vor neue Herausforderungen gestellt, die<br />

bravourös gemeistert wurden.<br />

ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN<br />

Das am Markt für holzbasierte Cellulosefasern<br />

einzigartige Standortprofil mit hocheffizienten<br />

Faserwerken in Nordamerika, Europa und Asien<br />

und eigener Zellstofferzeugung ermöglicht es<br />

Lenzing nicht nur, rasch auf veränderte Marktbedingungen<br />

zu reagieren, sondern auch, als<br />

Vorreiter neue Trends zu setzen. Das engagierte<br />

Lenzing-Team zeichnet sich durch seine hohe<br />

Innovationskraft aus, die zu zunehmender<br />

Markenbekanntheit führt. Gepaart mit der engen<br />

regionalen Zusammenarbeit mit Partnern in der<br />

Anwendungsentwicklung, dem Fokus auf nachhaltige<br />

Produktion mit kontinuierlichen Prozessverbesserungen<br />

und einer soliden Bilanzstruktur<br />

sind wir zuversichtlich, dass Lenzing den eingeschlagenen,<br />

erfolgreichen Wachstumskurs<br />

konsequent weiter fortsetzen wird.<br />

ERFAHREN SIE MEHR<br />

ÜBER DIE LENZING AG.<br />

54<br />

55


Kennzahlen <strong>2016</strong><br />

EBITDA 428,3 Mio EUR<br />

Eigenkapitalquote<br />

(bereinigt) 53,0<br />

%<br />

ROCE15,1 %<br />

2.134,1 Mio EUR Umsatz<br />

296.313.000 EUR<br />

Refibra TM<br />

heißt eine neue Fasergeneration<br />

der Lenzing Gruppe auf Basis der sehr umweltfreundlichen Lyocelltechnologie.<br />

Es ist die erste Cellulosefaser, die neben Holz als Rohstoff in der Zellstoffproduktion<br />

Zuschnittabfälle aus der Produktion von Baumwollbekleidung verwendet.<br />

Forschung und Entwicklung<br />

in Mio EUR<br />

Betriebsergebnis<br />

Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 96,1 %<br />

+ 65 %<br />

hat sich der Aktienkurs<br />

der Lenzing AG<br />

im Berichtsjahr erhöht.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | LENZING<br />

Anteil der Spezialfasern<br />

am Konzernumsatz<br />

Faserumsatz<br />

nach Kernmärkten<br />

31,1 20,6 29,8 46,4<br />

Rund 1.140<br />

Patente und Patentanmeldungen hält Lenzing in 50 Ländern weltweit.<br />

Standorte<br />

42 % Spezialfasern<br />

47 % Standardfasern<br />

11 % Sonstige Geschäftsfelder<br />

37,3 % North Asia<br />

36,4 % AMEA<br />

(Asien, Naher Osten, Afrika)<br />

26,3 % Europe & Americas<br />

PRODUKTION VON TENCEL ® FASERN:<br />

Lenzing und Heiligenkreuz/Österreich,<br />

Mobile, Alabama/USA,<br />

Grimsby/Großbritannien<br />

PRODUKTION VON<br />

LENZING VISCOSE ® FASERN:<br />

Lenzing/Österreich, Nanjing/China,<br />

Purwakarta/Indonesien<br />

PRODUKTION VON<br />

LENZING MODAL ® FASERN:<br />

Lenzing/Österreich<br />

PRODUKTION VON ZELLSTOFF:<br />

Lenzing/Österreich,<br />

Paskov/Tschechien<br />

VERTRIEBS- UND<br />

MARKETINGBÜROS:<br />

New York/USA, Coimbatore/Indien,<br />

Shanghai und Hongkong/China,<br />

Jakarta/Indonesien, Seoul/Korea,<br />

Singapur<br />

2013 2014 2015 <strong>2016</strong><br />

Kurschart Jänner <strong>2016</strong> bis Mai 2017 (EUR pro Aktie)<br />

107,2 Millionen Euro<br />

wurden in das Anlagevermögen investiert.<br />

62,6 % 1<br />

Anteil der B&C Industrieholding<br />

am Grundkapital der Lenzing;<br />

damit größter Aktionär des Unternehmens.<br />

1) ab Mai 2017 50,0 % + 2 Aktien<br />

56<br />

57


Intelligente Kleidung<br />

Ein Pyjama, der den Blutdruck misst, ein Baby-Strampler, der bei plötzlich aussetzender<br />

Atmung Alarm schlägt, und vieles mehr: Das Potenzial für smarte Fasern<br />

und Textilien ist enorm.<br />

Marlene Dietrich hätte das posthum für sie entworfene<br />

Kleid auf Anhieb geliebt oder gehasst. Eine Bewertung<br />

dazwischen hätte es für die kompromisslose Stilikone wohl<br />

nicht gegeben. Aktuell sorgt die anlässlich des 25. Todesjahres<br />

der Leinwandlegende geschaffene Kreation des<br />

Designerlabels ElektroCouture bei Fashion-Ausstellungen<br />

für Aufsehen: ein Traum aus feinsten Stoffen mit LED-<br />

Applikationen, die das Kleid zum Leuchten bringen.<br />

Das Marlene-Kleid steht stellvertretend für eine Reihe –<br />

zum Teil sehr futuristisch anmutender – Versuche, Mode,<br />

Technologie und Funktionalität zu sogenannten Smart<br />

Wearables im textilen Bereich zu vereinen. Diese sollen<br />

künftig durchaus wichtige Aufgaben erfüllen können.<br />

„Es steckt ungemein hohes Potenzial in solchen Textilien.<br />

Allein im Pflege- und Medizinbereich könnten sie zum<br />

Beispiel zur besseren Überwachung von Babies, Kleinkindern,<br />

kranken und pflegebedürftigen Menschen eingesetzt<br />

werden. Oder auch im Sportbereich bietet sich mit<br />

speziellen Signalübertragungsfasern ein breites Anwendungsfeld“,<br />

so Gert Kroner, Leiter des Bereichs Global<br />

Research & Development bei Lenzing. Im Rahmen des<br />

Projekts iTextil arbeitete Lenzing gemeinsam mit weiteren<br />

österreichischen Partnern an der Weiterentwicklung<br />

dieser Möglichkeiten.<br />

NEUE WERTSCHÖPFUNGSKETTEN<br />

Bis jedoch die smarten Fasern und Textilien den Weg zur<br />

Marktreife schaffen, muss noch viel experimentiert und an<br />

der Zusammenarbeit zwischen Textilwirtschaft, Informations-<br />

und Kommunikationstechnologie, Medizintechnik,<br />

Sport und wissenschaftlichen Einrichtungen gefeilt werden.<br />

„Mit Wearables werden neue Wertschöpfungsketten entstehen,<br />

die von der Idee bis zum finalen Produkt komplett untereinander<br />

vernetzt sind und bei denen die elektronischen<br />

Komponenten zum Beispiel als leitendes Garn direkt in das<br />

Wearable integriert sind“, ist Kroner überzeugt.<br />

Um solche Funktionalitäten herstellen zu können, wird<br />

es künftig vermehrt zum Einsatz von Fasermischungen,<br />

sogenannten blended fibres, kommen. Kroner: „Die Fasern<br />

und die daraus erzeugten Textilien müssen ganz Unterschiedliches<br />

leisten, gleichzeitig muss der Tragekomfort<br />

gewährleistet bleiben. Es darf nichts kratzen, jucken,<br />

plötzlich zu schwer werden oder die Bewegungsfreiheit<br />

„MARLENES KLEID“<br />

VOM FASHIONTECH-LABEL ELEKTROCOUTURE<br />

„So kann ich nach Belieben erstrahlen und die<br />

Lichter auch wieder löschen“ (Zitat aus einem Brief<br />

Marlene Dietrichs an ihren Designer Jean Louis,<br />

der in den 1950er Jahren ein leuchtendes Kleid für<br />

sie entwerfen sollte.)<br />

einschränken. Smarte Textilien müssen waschbar und für<br />

den Konsumenten genauso praktisch zu handhaben sein<br />

wie herkömmliche Textilien. Da sind wir als Faserspezialisten<br />

gefragt, die optimalen Mischungen zu testen."<br />

Die textile Wertschöpfungskette<br />

der Zukunft<br />

Sie ist ein Paradebeispiel für die „Produktion 4.0“, in einigen Bereichen noch Vision,<br />

in anderen bereits Realität: Alles ist mit allem vernetzt, Lieferanten sind über<br />

digitale Plattformen ebenso in den Design- und Produktionsprozess eingebunden<br />

wie Kunden und Vertriebspartner. Gekauft wird am Ende nicht das Stück Textil,<br />

sondern ein Service, die Einlösung eines Funktions- und Erlebnisversprechens.<br />

Versorgung<br />

und Beschaffung<br />

Holz, Zellstoff,<br />

biobasierte Chemikalien<br />

Zellstoff- und<br />

Faserproduktion<br />

Eigenproduktion Zellstoff,<br />

Faserproduktion:<br />

Viscose ® , Modal ® , TENCEL ® ,<br />

Refibra<br />

Über integrierte Sensoren in der Produktion, Mikrochips<br />

und Signalübertragungsfasern im Endprodukt werden<br />

an allen Schnittstellen der Wertschöpfungskette Daten<br />

gesammelt. Sie geben wertvolle Hinweise für künftige<br />

Faserentwicklungen, Kundennutzung und Kundenbedarfe<br />

sowie mögliche Umwelteinflüsse. Die Produktionskette<br />

ist nicht nur horizontal und vertikal vernetzt, sondern<br />

auch als Kreislaufsystem konzipiert, das nach dem<br />

Prinzip der Ökoeffektivität – „from cradle to cradle“ –<br />

funktioniert und sämtliche Potenziale zur Ressourcenschonung<br />

nützt.<br />

Weiterverarbeitung<br />

der Faser<br />

Textilien,<br />

Vliesmaterialien<br />

Vertrieb und<br />

Nutzungsphase<br />

Retail: Bekleidung,<br />

Heim- und Sporttextilien<br />

Medizin: Hygieneprodukte<br />

Automotive: Filtertextilien,<br />

Sitzbezüge, verstärkende<br />

Textilien<br />

Ende des<br />

Lebenszyklus<br />

Kooperation mit Downstream-Partnern<br />

Spinner | Weber/Stricker | Färber/Ausrüster | Konfektionär | Einzelhandel | Konsument<br />

Baumwollzuschnittabfälle<br />

Kompostierung,<br />

Forstwirtschaft<br />

KEINE INNOVATION OHNE NACHHALTIGKEIT<br />

Ganz besonderes Augenmerk wird bei der textilen Wertschöpfungskette<br />

auf die noch stärkere Verknüpfung von<br />

Nachhaltigkeit und Innovation gelegt. Bei Lenzing gibt es<br />

schon heute keinen fasertechnologischen Entwicklungsschritt<br />

mehr, ohne dass nicht auch gleich Maßnahmen<br />

zur weiteren Erhöhung der Nachhaltigkeit mitgedacht<br />

werden. Das gilt nicht nur für die hauseigene Produktion,<br />

sondern vor allem auch für die nachfolgenden Schritte in<br />

der gesamten Verarbeitungskette.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | LENZING<br />

58<br />

59


Die Faser<br />

für extreme Anforderungen<br />

Produkte aus Lyocellfasern der Marke TENCEL® von Lenzing sind besonders<br />

leicht, funktionstechnisch perfekt gestaltet und werden von den Topathleten des<br />

Kletterverbandes Österreich seit 2010 getragen.<br />

Es begann im Jahr 2009. „Eines<br />

Tages hat uns die Österreichische<br />

Sporthilfe angerufen und gefragt, ob<br />

wir Interesse an einem einjährigen<br />

Sponsorenprojekt hätten“, erinnert<br />

sich Michael Schöpf, Sports Manager<br />

des Kletterverbandes Österreich.<br />

Sponsoringpartner war der Faserhersteller<br />

Lenzing, der seine Spezialfaser<br />

TENCEL® einem Praxistest durch<br />

Extremkletterer unterziehen wollte.<br />

Angela Eiter, eine der Weltbesten in<br />

den Disziplinen Vorstieg und Bouldern,<br />

machte die Probe aufs Exempel<br />

und war begeistert.<br />

„The Fiber Year 2017“<br />

World Survey on Textiles & Nonwovens – ausgewählte Kennzahlen<br />

<strong>2016</strong> betrug das Absatzvolumen des weltweiten Fasermarktes<br />

101,4 MILLIONEN TONNEN FASERN. Das sind um 1,4 Prozent<br />

mehr als 2015. Man-made Fasern legten um 2,0 Prozent zu.<br />

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr rund 71,2 MILLIONEN<br />

TONNEN MAN-MADE FASERN hergestellt, im Jahr 1980 waren<br />

es erst 14,3 Millionen Tonnen gewesen.<br />

Der Verbrauch von BAUMWOLLE im Jahr <strong>2016</strong> stagnierte bei<br />

24,0 MILLIONEN TONNEN.<br />

WELTWEIT RÜCKLÄUFIGER EINSATZ<br />

VON BAUMWOLLE (Angaben in %,<br />

Anteil Verwendung von Baumwollfasern)<br />

ENTWICKLUNG DES GLOBALEN<br />

FASERMARKTES SEIT 1970<br />

(Verbrauch in Tonnen)<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | LENZING<br />

„Im Gegensatz zu Baumwollshirts<br />

sind Produkte aus TENCEL® Fasern<br />

deutlich leichter, bewegungsflexibler,<br />

leiten Feuchtigkeit und Wärme besser<br />

ab, kleben nicht auf der Haut und<br />

hinterlassen keine unschönen Schweißränder“,<br />

so Schöpf. „Diese Aspekte<br />

sind für Sportler nicht nur für den<br />

Bewegungsablauf, sondern auch<br />

mental extrem wichtig. Sie machen<br />

genau diese ein bis zwei Prozent aus,<br />

die siegentscheidend sein können.“<br />

AUSGESCHLAFEN<br />

ZU HÖCHSTLEISTUNGEN<br />

Wesentlich für eine Topleistung der<br />

Athleten ist auch guter Schlaf auf der<br />

richtigen Unterlage. Schöpf: „Das<br />

Schlimmste, was einem Sportler<br />

passieren kann, ist eine zu harte oder<br />

zu weiche Matratze. Viele unserer<br />

Athleten reisen deshalb mit eigenen<br />

Ruhematten zu den Bewerben. Die<br />

TENCEL® Fasern in diesen Matten unterstützen<br />

die Regeneration im Schlaf.“<br />

Mittlerweile klettert das gesamte<br />

österreichische Nationalteam in<br />

TENCEL® Fasern. Ein entsprechender<br />

Kooperationsvertrag läuft vorerst<br />

bis 2020 – also bis zum ultimativen<br />

Highlight im internationalen Sportgeschehen,<br />

den Olympischen Sommerspielen<br />

in Tokio.<br />

DER KLETTERVERBAND<br />

ÖSTERREICH<br />

wurde im Jahr 2005 gegründet.<br />

2006 erfolgte die Aufnahme in<br />

die Österreichische Bundessportorganisation<br />

und 2010 die<br />

Voll-Anerkennung durch das<br />

Internationale Olympische Komitee.<br />

Im Kletterverband sind rund<br />

180 Vereine mit mehr als 60.000<br />

Mitgliedern vertreten. Sie sind in<br />

den fünf Wettbewerbskategorien<br />

Vorstieg, Bouldern, Speed,<br />

Kombination und Paraclimbing<br />

aktiv. Weitere Informationen:<br />

www.austriaclimbing.com<br />

45 %<br />

40 %<br />

35 %<br />

30 %<br />

25 %<br />

20 %<br />

1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 <strong>2016</strong><br />

TOP-EXPORTEURE UND -IMPORTEURE VON TEXTILIEN UND BEKLEIDUNG WELTWEIT<br />

(Angaben in Mrd. USD)<br />

EXPORTEURE <strong>2016</strong> IMPORTEURE <strong>2016</strong><br />

VR China 267,2 EU (28) 1 121,8<br />

EU (28) 1 49,5 USA 104,7<br />

Indien 35,4 Japan 34,9<br />

Bangladesh 29,1 VR China 23,3<br />

Vietnam 28,5 Hongkong 19,9<br />

Türkei 26,2 Vietnam 18,3<br />

1) extra EU-Handel<br />

70.000<br />

60.000<br />

50.000<br />

40.000<br />

30.000<br />

20.000<br />

10.000<br />

0<br />

1970<br />

<strong>2016</strong><br />

30.158<br />

6.452<br />

64.750<br />

Naturfasern Cellulosefasern Kunstfasern<br />

60<br />

61


WAS WIR<br />

AN DER<br />

SEMPERIT AG<br />

HOLDING<br />

SCHÄTZEN.<br />

Die Semperit Gruppe ist mit ihren Produkten<br />

und Dienstleistungen ein erfolgreicher Nischenplayer<br />

mit führender Marktposition sowohl<br />

in Europa als auch global. Die vier Bereiche<br />

Sempermed (medizinische Untersuchungs- und<br />

Operationshandschuhe), Semperflex (Hydraulikund<br />

Industrieschläuche), Sempertrans (Fördergurte)<br />

und Semperform (Profile, Formteile<br />

und Dichtungen) behaupten sich auf ihren<br />

Märkten mit einer hohen Kundenorientierung<br />

und Kundennähe und beweisen damit, dass<br />

Wettbewerbsfähigkeit nicht nur eine Frage der<br />

Unternehmensgröße ist.<br />

Die 2012 getroffene Entscheidung, eine Handschuhfabrik<br />

in Südostasien zu übernehmen,<br />

war strategisch absolut richtig und notwendig,<br />

um das Handschuhgeschäft nach dem erfolgten<br />

Ausstieg aus dem Handschuh-Joint-Venture<br />

erfolgreich betreiben zu können. Im Werk<br />

Latexx Partners in Malaysia wird derzeit eine<br />

technologisch führende Handschuhproduktion<br />

in Betrieb genommen und dadurch die Kapazität<br />

schrittweise erhöht.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | SEMPERIT<br />

Der Wert der vier Geschäftsbereiche unter<br />

einem Dach besteht nicht nur in der breiten<br />

Verwendung des speziellen technischen Knowhows<br />

der Semperit Gruppe, sondern auch in<br />

der unterschiedlichen Zyklizität der Märkte, in<br />

denen die Segmente tätig sind. Das Handschuhgeschäft<br />

ist kontinuierlich wachsend, allerdings<br />

von hohem Kostendruck geprägt, und hat eine<br />

globale Kundenbasis. Schlauch und Fördergurt<br />

sind zyklische Geschäfte, die aufgrund der<br />

primär in Europa angesiedelten Kunden vor<br />

allem von der europäischen Industriekonjunktur<br />

abhängig sind. Fensterdichtungen als wichtigstes<br />

Produkt des Segments Semperform und die<br />

übrigen Business Units der Semperform sind<br />

wiederum von der Baukonjunktur abhängig.<br />

Die weitere Internationalisierung der Industriesegmente<br />

wird vorangetrieben, um das strategische<br />

Ziel einer regional ausbalancierten Verteilung<br />

der Erlöse in den drei großen Wirtschaftsräumen<br />

Asien, den Amerikas und Europa zu<br />

erreichen.<br />

DAS FORSCHUNGS- & ENTWICKLUNGSZENTRUM<br />

WIMPASSING<br />

Vom weltweiten F&E-Zentrum der<br />

Semperit Gruppe in Wimpassing aus<br />

wird der Wissens- und Erfahrungsaustausch<br />

aller Werke koordiniert.<br />

BERND SCHLEGL<br />

Beteiligungsmanager<br />

ANDREAS SCHMIDRADNER<br />

Beteiligungsmanager<br />

Nach dem Ausstieg aus einem thailändischen Joint Venture wurden bei der<br />

Semperit AG Holding die Weichen für eine Neuorientierung gestellt. Die Beteiligungsmanager<br />

Andreas Schmidradner und Bernd Schlegl sehen dies als große<br />

Chance, die Ertragskraft der weltweit tätigen Unternehmensgruppe langfristig<br />

zu stärken.<br />

NEUPOSITIONIERUNG ALS CHANCE<br />

Der nun beendete Konflikt um das thailändische<br />

Joint Venture im Handschuhbereich schafft die<br />

Möglichkeit, sämtliche Ressourcen – vor allem<br />

auch die aus der Aufteilung des Joint Ventures<br />

an Semperit zufließenden Mittel – zukunftsorientiert<br />

einzusetzen. Das neue Vorstandsteam<br />

wird eine Neuorientierung der Unternehmensgruppe<br />

vornehmen, mit dem Ziel, die Ertragskraft<br />

des Unternehmens langfristig zu stärken.<br />

Semperit hat im Segment Untersuchungs- und<br />

Schutzhandschuhe eine führende Weltmarktposition<br />

inne. Rund die Hälfte der produzierten<br />

Handschuhe werden erfolgreich unter der<br />

Marke Sempermed vertrieben. Semperit produziert<br />

in der Fertigung in Wimpassing seit 1920<br />

Schutzhandschuhe und ist heute der einzige<br />

Produzent von hochqualitativen, sterilen Operationshandschuhen<br />

in Europa.<br />

Die Kunden im Handschuhbereich erwarten<br />

von ihren Lieferanten nicht nur Kundennähe,<br />

hohe Produktqualität und marktgerechte Preise,<br />

sondern auch eine entsprechende technische<br />

Kompetenz als Voraussetzung, um neue Produkte<br />

und Entwicklungen in ihr Portfolio integrieren<br />

zu können. Mit Innovationen aus dem F&E-<br />

Zentrum Wimpassing kann Sempermed am Welt-<br />

62<br />

63


markt punkten: Semperit hatte beispielsweise<br />

im Jahr <strong>2016</strong> den ersten anti-allergenen<br />

Operationshandschuh entwickelt und dafür<br />

den europäischen Innovationspreis EARTO<br />

verliehen bekommen. Ausschlaggebend für die<br />

gegen 35 Mitbewerber errungene Auszeichnung<br />

waren die innovative Produktionstechnologie,<br />

die einzigartigen Produkteigenschaften und der<br />

energieeffiziente Herstellungsprozess.<br />

Möglichkeiten zur nachhaltigen<br />

Geschäftsausweitung<br />

sind für jedes Segment<br />

der Semperit Gruppe gegeben,<br />

vor allem in den Märkten<br />

außerhalb Europas.<br />

REZEPTBUCH UND PRODUKTIONSNAHE<br />

FORSCHUNG ALS WETTBEWERBSVORTEILE<br />

Mit Ausnahme von Fördergurten werden Produkte<br />

aller Segmente der Unternehmensgruppe<br />

auch im niederösterreichischen Wimpassing<br />

hergestellt. Dies ermöglicht es der dort angesiedelten<br />

zentralen Forschungs- und Entwicklungsabteilung,<br />

in unmittelbarer Nähe der Mischanlagen,<br />

Pressen und Extrusionsanlagen zielorientiert<br />

sowohl Gummimischungen als auch<br />

Fertigungstechnologien zu entwickeln.<br />

Sobald in Wimpassing ein neues Produkt serienreif<br />

oder eine neue Technologie im Fertigungsprozess<br />

erprobt ist, erfolgt die konzernweite<br />

Ausrollung in die Werke der Semperit.<br />

Als besonders wertvolles und zentrales Knowhow<br />

„gehütet“ wird die Sammlung von rund<br />

1.800 Gummirezepturen. Das Besondere an<br />

Gummimischungen ist, dass sie, einmal in<br />

Endprodukte verarbeitet, nicht mehr exakt auf<br />

ihre Bestandteile hin analysiert werden können.<br />

Semperit ist dank dieses Wissens in der Lage,<br />

maßgeschneiderte Lösungen für Kundenanforderungen<br />

anzubieten.<br />

UNTERNEHMENSKULTUR UNTERSTÜTZT<br />

DAS WACHSTUM<br />

Dies war erforderlich geworden, um die Basis<br />

für die Zusammenarbeit zwischen den 22<br />

Produktionsstandorten und dem in über 100<br />

Ländern aktiven Vertrieb zu schaffen und ein<br />

einheitliches Verständnis aller Mitarbeiter über<br />

die Unternehmensziele zu erreichen.<br />

Der Erfolg der Integration der Leeser-Werke<br />

in Deutschland – eines Herstellers von Dichtungsprofilen<br />

– ist ein gutes Beispiel für diese neue<br />

Kultur der Zusammenarbeit. Durch die umsichtige<br />

„Post-Merger-Integration“ ist es nicht nur<br />

gelungen, die übernommenen Mitarbeiter zu<br />

halten, sondern auch das Know-how der beiden<br />

traditionsreichen Unternehmen zu verknüpfen<br />

und somit zu erreichen, dass aus 1 + 1 mehr als<br />

2 wurde.<br />

ABSEHBARE WACHSTUMSPOTENZIALE<br />

AUSSERHALB EUROPAS<br />

Möglichkeiten zur nachhaltigen Geschäftsausweitung<br />

sind für jedes Segment der Semperit<br />

gegeben. Die meisten regionalen Marktpotenziale<br />

liegen außerhalb Europas, wo Semperit<br />

bereits beachtliche Marktpositionen innehat.<br />

Dies gilt für das Handschuhgeschäft insbesondere<br />

in Asien, wo der Pro-Kopf-Verbrauch noch<br />

weit unter dem US-amerikanischen und europäischen<br />

Niveau liegt. Im Dichtungsbereich<br />

konnte vor Kurzem durch Erlangung eines relevanten<br />

Referenzauftrags in den USA Fuß gefasst<br />

werden. Dieser Referenzauftrag hat bereits zu<br />

Folgeaufträgen geführt, womit die grundsätzlichen<br />

Voraussetzungen für eine eigene Dichtungsfertigung<br />

in den USA geschaffen wurden.<br />

Die USA sind auch ein potenzieller Markt für<br />

extrem robuste Fördergurte, die im Minengeschäft<br />

sowie in Stahl- und anderen Kraftwerken<br />

Verwendung finden. Der Markteintritt der<br />

Sempertrans erfolgt im ersten Schritt über eine<br />

eigene Vertriebsgesellschaft. Auch für das konstant<br />

wachsende und margenstarke Schlauchgeschäft<br />

ist Nordamerika ein interessanter<br />

Absatzmarkt. Semperflex hat mit der Positionierung<br />

als global größter „hose only“-Anbieter<br />

eine ertragreiche Nische gefunden und kann im<br />

Wettbewerb mit den großen Herstellern von<br />

Gesamt-Hydrauliksystemen bestens reüssieren.<br />

DIE VIER PRODUKTIONSSEGMENTE<br />

Semperit ist in zwei klar definierten Sektoren tätig: im Sektor<br />

Industrie mit den Segmenten Semperflex, Semperform und<br />

Sempertrans sowie im Sektor Medizin mit Sempermed.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | SEMPERIT<br />

In den vergangenen Jahren wurden ein Wertekatalog<br />

für die Unternehmensgruppe und eine<br />

neue Kultur der Zusammenarbeit entwickelt.<br />

ERFAHREN SIE MEHR<br />

ÜBER DIE<br />

SEMPERIT AG HOLDING.<br />

64<br />

65


Kennzahlen <strong>2016</strong><br />

82,6 Mio EUR<br />

EBITDA (bereinigt<br />

um Sondereffekte)<br />

65.072.000 EUR<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | SEMPERIT<br />

49,0 Mio EUR<br />

EBIT (bereinigt<br />

um Sondereffekte)<br />

wurden in das Anlagevermögen und damit in die Zukunft<br />

des Unternehmens investiert<br />

Eigenkapitalquote 31,8<br />

%<br />

Forschung und Entwicklung<br />

>190 Jahre<br />

852,4 Mio EUR Umsatz<br />

Umsatz nach Segmenten<br />

Umsatz nach Regionen<br />

RUND<br />

250 MITARBEITER<br />

RUND<br />

13 MIO<br />

EUR<br />

FÜR F&E<br />

reicht die Geschichte des Unternehmens zurück, in der Generationen<br />

von Ingenieuren, Chemikern, Physikern, Technikern und Forschern<br />

den Grundstein zum heutigen Erfolg legten.<br />

betreibt<br />

die Semperit Gruppe<br />

weltweit in 12 Ländern<br />

22Produktionswerke<br />

auf drei Kontinenten.<br />

35 % beträgt der Frauenanteil in der Semperit<br />

Talent Academy, in der zukünftige Führungskräfte und Experten<br />

auf die Aufgaben von morgen vorbereitet werden.<br />

41 % Sempermed<br />

24 % Semperflex<br />

17 % Sempertrans<br />

18 % Semperform<br />

MEDIZIN<br />

INDUSTRIE<br />

68 % Europa<br />

12 % Asien, Afrika<br />

und andere Länder<br />

20 % Nord- und Südamerika<br />

Standorte<br />

ZENTRALE: Wien/Österreich<br />

SEMPERMED:<br />

Österreich, Ungarn, Deutschland,<br />

Italien, Türkei, China, Malaysia,<br />

Singapur, USA, Chile<br />

SEMPERFORM:<br />

Österreich, Ungarn, Deutschland,<br />

Frankreich, Großbritannien, China,<br />

Singapur, USA<br />

SEMPERTRANS:<br />

Österreich, Deutschland, Polen,<br />

Frankreich, Indien, Italien, China,<br />

Indonesien, Australien, Kanada,<br />

Mexiko, Chile, USA<br />

SEMPERFLEX:<br />

Österreich, Tschechien, Italien,<br />

Deutschland, China, Thailand,<br />

Singapur, Indien, USA<br />

RUND<br />

50 PATENT-<br />

FAMILIEN<br />

Kurschart Jänner <strong>2016</strong> bis Mai 2017 (EUR pro Aktie)<br />

Alle 6.974 Mitarbeiter<br />

sind in das neu eingeführte „World Class Manufacturing“-Programm<br />

zur kontinuierlichen Verbesserung auf allen Ebenen eingebunden.<br />

360 °Feedback<br />

dient als objektives Beurteilungsinstrument<br />

für Management, Führungskräfte und Teamleiter.<br />

54,2 %<br />

Anteil der B&C Industrieholding am Grundkapital<br />

der Semperit; damit größter Aktionär des Unternehmens.<br />

66<br />

67


„Schneller,<br />

sicherer,<br />

leichter,<br />

leiser“<br />

lichkeit haben und chemisch weitmaschig<br />

vernetzt sind. Diese Bedingungen<br />

werden heute von einer<br />

beachtlichen Anzahl von Polymeren<br />

und Vernetzungssystemen erfüllt.<br />

So können über die Chemie neben<br />

Elastizität auch Dämpfung, Haftung,<br />

Alterungs- und Medienbeständigkeit<br />

eingestellt werden. Durch verstärkende<br />

Füllstoffe erlangt Gummi die<br />

vom Markt geforderte Festigkeit,<br />

Abriebwiderstand und Lebensdauer.<br />

Diese Wettbewerbsvorteile zeichnen<br />

Gummi aus. Sie garantieren Sicherheit<br />

und Komfort in unserer mobilen<br />

Gesellschaft.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | SEMPERIT<br />

Robert H. Schuster, emeritierter Vorstand des<br />

Deutschen Instituts für Kautschuktechnologie, über<br />

die Zukunftsaussichten von Gummi als industriellem<br />

Werkstoff beziehungsweise die Perspektiven, die die<br />

hochentwickelte Kautschuktechnologie für Anwendungen<br />

im Transport von Gütern und Medien, in der<br />

Mobilität (öffentlicher Verkehr/Eisenbahn) oder im<br />

Schutz der menschlichen Gesundheit eröffnet.<br />

Welche „Wettbewerbsvorteile“ hat<br />

Gummi als Werkstoff gegenüber<br />

anderen Materialien?<br />

ROBERT H. SCHUSTER: Der Werkstoff<br />

Gummi hat Eigenschaften, die<br />

ihn von allen anderen Werkstoffen<br />

grundlegend unterscheiden. Das<br />

Alleinstellungsmerkmal von Gummi<br />

kann vereinfacht durch vier Grundeigenschaften<br />

beschrieben werden,<br />

die der Werkstoff simultan erfüllt.<br />

Der Werkstoff ist hochelastisch, weich,<br />

formstabil und zeigt nach wiederholter<br />

statischer und dynamischer<br />

Belastung eine geringe bleibende<br />

Verformung. Diese Kombination an<br />

Eigenschaften trifft man bei keiner<br />

anderen Werkstoffgruppe an. Sie<br />

basiert auf dem Materialkonzept der<br />

Entropie- oder Gummielastizität.<br />

Dafür ist es notwendig, dass die zur<br />

Herstellung von Gummi eingesetzten<br />

Polymere eine hohe Kettenbeweg-<br />

In welchen Anwendungsbereichen ist<br />

Gummi durch nichts ersetzbar?<br />

SCHUSTER: In der Wahrnehmung<br />

der Gesellschaft erfreut sich Gummi<br />

nicht der Wertschätzung, die er tatsächlich<br />

verdient. An die Reifen als<br />

Sicherheitsfaktor denkt man genau<br />

so wenig wie an die Beständigkeit<br />

kleiner Dichtungen und Schläuche.<br />

Gummihandschuhe tragen zum<br />

Erfolg stundenlanger Operationen<br />

bei, wo es auf feinste Handgriffe des<br />

Chirurgen ankommt. Kurz, das Leistungsspektrum<br />

moderner Elastomere<br />

ist extrem breit gefächert.<br />

Da alle Elastomerbauteile auf vernetzten<br />

Kautschuken basieren, die<br />

deren Elastizität gewährleisten, wird<br />

Gummi auch in Zukunft einen hohen<br />

Stellenwert haben. Ein Ersatz durch<br />

Kunststoffe, die die oben genannten<br />

physikalischen Bedingungen nicht<br />

erfüllen, ist unwahrscheinlich, solange<br />

Elastizität ein Kriterium für die<br />

Anwendung darstellt. Ob nun der<br />

Bauteil bei tiefen und hohen Temperaturen,<br />

unter statischer oder dynamischer<br />

Langzeitbelastung, in Ölen<br />

und aggressiven Medien eingesetzt<br />

wird – er muss elastisch sein. Voraussetzung<br />

dafür ist, dass die Polymerketten<br />

sich schnell und ohne innere<br />

Reibung bewegen können. Das mag<br />

abstrakt klingen, aber es ist die<br />

„conditio sine qua non“ für die Elastizität,<br />

die den Gummi ausmacht.<br />

UNBEGRENZTE MÖGLICHKEITEN<br />

In Zukunft ist kein Ende der Anwendung des Industriewerkstoffs<br />

Gummi abzusehen. Die weltweit führenden Kompetenzzentren in<br />

Europa entwickeln neue elastische Polymere, die dazu beitragen,<br />

die Herausforderungen zum Beispiel in den Bereichen IT oder<br />

Elektromobilität zu meistern. Fördergurte dieser Art transportieren<br />

beispielsweise Kohle oder Erze über eine Distanz von mehr<br />

als 100 Kilometern.<br />

68<br />

69


PROF. DR. ROBERT H. SCHUSTER<br />

Die chemischen Wege, um flexible<br />

Polymere herzustellen, wie auch die<br />

Quellen, aus denen zukünftig – nach<br />

dem „Ölzeitalter“ – Monomere dafür<br />

gewonnen werden, stehen auf einem<br />

anderen Blatt. Ausschlaggebend sind<br />

nicht die Art der Rohstoffe und deren<br />

Provenienz, sondern die Elastizität,<br />

die den Gummi zu einem strategisch<br />

wichtigen und nicht zu ersetzenden<br />

Werkstoff macht.<br />

war von 1991 bis zum Erreichen des gesetzlichen<br />

Pensionsalters im Jahr 2010 als Leiter des Deutschen<br />

Instituts für Kautschuktechnologie e. V. (DIK)<br />

tätig und beendete seine Institutsaktivitäten im<br />

Jahr 2013. Das einmalige Konzept des Instituts<br />

ist es, die verschiedensten naturwissenschaftlichen<br />

und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen<br />

im Bereich Kautschuk und polymere Werkstoffe<br />

unter einem Dach vereint zu haben.<br />

Der Diplomchemiker ist der Branche bis<br />

jetzt als Berater verbunden geblieben.<br />

Welche Entwicklungsperspektiven der<br />

Kautschuktechnologie sind für die<br />

Industrie, aber auch für Anwender<br />

besonders interessant?<br />

SCHUSTER: Jede Herausforderung,<br />

deren Bewältigung mit „schneller,<br />

sicherer, leichter, leiser“ gemeistert<br />

werden kann, ist ein potenzielles<br />

Geschäftsfeld für Gummi. Das von<br />

Kautschukprodukten abgedeckte<br />

Leistungsspektrum ist historisch<br />

gewachsen. Dazu haben der Trend<br />

zur globalen Mobilität, das Bestreben,<br />

Vibrationen und Schwingungen aller<br />

Art zu dämpfen, die Notwendigkeit,<br />

aggressive Medien zu transportieren<br />

und zu isolieren und nicht zuletzt<br />

medizinische Anwendungen beigetragen.<br />

Heute nutzen wir in vielen<br />

Bereichen Hochleistungselastomere.<br />

Der weitere Weg hängt von den<br />

Anforderungen des Marktes ab.<br />

Wer mit der Zeit geht, wird optimale<br />

Lösungen für die Herausforderungen<br />

dieses Jahrhunderts finden, die sich<br />

durch die Informationstechnologie,<br />

Umweltaspekte oder Elektromobilität<br />

ergeben, um nur einige Richtungen<br />

zu nennen.. Man wird mehr auf<br />

Leichtbau setzen und Funktionalitäten<br />

nach Beispielen aus der Natur<br />

einbringen. Dabei sind Phantasie<br />

und Flexibilität bei den Materialentwicklern<br />

wie auch den Verfahrensingenieuren<br />

gefragt, was wiederum<br />

eine interdisziplinäre Ausbildung<br />

voraussetzt. Es wird unerlässlich<br />

werden, die Wirkungsmechanismen<br />

des Werkstoffs Gummi besser zu verstehen.<br />

Dazu muss man die Empirie<br />

durch motivierte Voraussagen ersetzen,<br />

Nanotechnologie zur Steigerung<br />

der Produktleistung implementieren<br />

und energiesparende Verarbeitungsprozesse<br />

einführen.<br />

Welche Rolle spielt die produktionsnahe<br />

Forschung (wie zum Beispiel<br />

bei Semperit in Wimpassing)?<br />

SCHUSTER: Für ein modernes<br />

Unternehmen ist die anwendungsorientierte<br />

Forschung seit mindestens<br />

zwei Jahrzehnten unerlässlich.<br />

Es gilt einerseits Produktionsabläufe<br />

effizienter zu machen, den Materialausschuss<br />

zu minimieren und Kosten<br />

zu senken; andererseits wird die Wettbewerbsfähigkeit<br />

durch neue Produkte<br />

gestärkt. Meines Erachtens kann<br />

Innovation nicht verordnet werden,<br />

auch wenn Betriebswirtschaftler<br />

das manchmal glauben. Innovation<br />

wird über verstandene Wirkungsmechanismen<br />

im Compound und im<br />

Bauteil erst denkbar. Ein „alter Hase“<br />

gab mir einen Spruch mit auf den<br />

Weg, als ich im Deutschen Institut<br />

für Kautschuktechnologie anfing:<br />

„Mehr denken, weniger kochen.“ Mit<br />

anderen Worten: mehr Forschung,<br />

weniger Empirie. So kann Innovation<br />

neue Geschäftsbereiche öffnen und<br />

zur Rentabilität beitragen.<br />

Die Voraussetzungen sind ein technologiefreundliches<br />

Management, ein<br />

gut ausgebildetes und neugieriges<br />

Team mit Bodenhaftung sowie eine<br />

progressive und flexible Verfahrenstechnik.<br />

Ein weiteres Kriterium,<br />

DAS DEUTSCHE INSTITUT FÜR KAUTSCHUKTECHNOLOGIE (DIK)<br />

in Hannover ist eines der weltweit führenden Forschungs- und Entwicklungszentren<br />

für Kautschuk. Das DIK ist eine selbstständige Forschungseinrichtung<br />

mit enger Kooperation zur Leibniz Universität Hannover und<br />

zur Industrie. Die Hauptaufgaben des DIK sind:<br />

Untersuchungen an Hochleistungselastomeren<br />

technologische Entwicklung bei Mischung und Verarbeitung<br />

physikalische und chemische Charakterisierung von Gummiund<br />

Kunststoff-Verbundwerkstoffen<br />

Verbesserung der Einsatzzeiten von Gummiprodukten<br />

und Verbundwerkstoffen<br />

Umwelt- und Spurenanalyse<br />

unterstützende Dienstleistungen für die Industrie<br />

Die breit gefächerte, interdisziplinäre Organisation des Instituts ist ein<br />

entscheidender Faktor für seine Einzigartigkeit. Ein Team von Ingenieuren,<br />

Physikern, Chemikern und gut ausgebildeten Technikern ist imstande,<br />

maßgeschneiderte Lösungen für die auf dem Gebiet der Kautschuktechnologie<br />

auftretenden Probleme auszuarbeiten. Das DIK bietet<br />

intensive Weiterbildung im Bereich Kautschuk auf wissenschaftlicher<br />

und technologischer Ebene. Ein Kooperationsvertrag mit der Leibniz-<br />

Universität Hannover und Partnerschaften mit Instituten auf der ganzen<br />

Welt erhöhen das innovative Potenzial.<br />

das zum Erfolg beiträgt, ist die<br />

Zusammenarbeit mit Instituten für<br />

angewandte Grundlagenforschung.<br />

Das spart einerseits Geräteinvestitionen,<br />

erfordert jedoch die effiziente<br />

Umsetzung der Forschungsergebnisse<br />

in ein Verfahren oder ein neues<br />

Produkt. Von Semperit kenne ich die<br />

erfolgreichen Ergebnisse der Zusammenarbeit<br />

mit der Montanuniversität<br />

Leoben im Bereich der Verfahrenstechnik<br />

oder mit dem Polymer Competence<br />

Center Leoben, die weltweit<br />

erstmalig zu allergenfreien Handschuhen<br />

aus synthetischem Kautschuk<br />

führten.<br />

Wie ist das Know-how der Kautschuktechnologie<br />

in der Welt verteilt?<br />

Gibt es in Europa ähnlich viel Wissen<br />

wie in Asien oder in Amerika?<br />

SCHUSTER: Die Antwort ergibt sich,<br />

wenn man das Niveau der Technologiekultur<br />

in den Regionen der Welt<br />

betrachtet. Dazu haben historische<br />

und wirtschaftspolitische Gegebenheiten,<br />

aber auch Ausbildung und<br />

Forschung maßgeblich beigetragen.<br />

Ich würde behaupten, dass sich in<br />

Zentraleuropa, gefolgt von Japan, die<br />

führenden Kompetenzzentren der<br />

Kautschuktechnologie befinden. In<br />

anderen Kontinenten ist der früher<br />

vorhandene Vorsprung geschrumpft.<br />

Die im Aufschwung befindliche<br />

Gummiindustrie in China hat großen<br />

Nachholbedarf.<br />

Welche Nachhaltigkeitsaspekte<br />

in Zusammenhang mit Kautschuk<br />

beziehungsweise Gummi sind<br />

erwähnenswert?<br />

SCHUSTER: Dieses Thema hat viele<br />

Facetten. Ein wichtiger Aspekt ist im<br />

Naturkautschuk begründet. Neben<br />

seiner Unverzichtbarkeit für LKWund<br />

Flugzeugreifen, Motorlager,<br />

Fördergurte und andere Produkte<br />

könnte man in einer erdölarmen<br />

Zukunft eine diversifizierte Palette<br />

von Kautschukspezialitäten synthetisieren.<br />

Er ist nicht nur ein nachwachsendes<br />

Biopolymer und für viele<br />

Anwendungen unerlässlich, sondern<br />

auch ein effizienter CO 2 -Fänger und<br />

bietet vielen Menschen im „Kautschukgürtel“<br />

eine Lebensgrundlage.<br />

Zum Thema Nachhaltigkeit sind aber<br />

auch die Bestrebungen zur effizienteren<br />

Nutzung sämtlicher Ressourcen,<br />

zur Verschlankung von Rezepturen,<br />

Vermeidung von redundanten Rezepturkomponenten,<br />

Minimierung des<br />

Materialeinsatzes etc. zu zählen.<br />

In diesem Zusammenhang ist das<br />

Nachhaltigkeitsprogramm, das sich<br />

Semperit langfristig auferlegt hat, als<br />

vorbildlich zu nennen. Semperit wird<br />

dieses ehrgeizige Ziel auch erreichen.<br />

Die Kooperation mit österreichischen<br />

und europäischen Instituten wird zur<br />

Leistungssteigerung und zur Entwicklung<br />

neuer Produkte beitragen. Als<br />

letzten Aspekt möchte ich noch den<br />

Fokus auf biobasierte Rohstoffe und<br />

die Implementierung von Nanofüllstoffen<br />

nennen, die ihren Beitrag<br />

zum nachhaltigen Fortschritt leisten<br />

werden.<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | SEMPERIT<br />

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71


Die Organe der B&C Industrieholding<br />

GESCHÄFTSFÜHRUNG<br />

Felix Strohbichler<br />

Patrick F. Prügger<br />

AUFSICHTSRAT UND BEIRAT<br />

Wolfgang Hofer<br />

Georg Bauthen<br />

Hanno Bästlein<br />

Josef Krenner<br />

Josef Schuch<br />

Geschäftsführer<br />

Geschäftsführer<br />

Portfolio der Gesellschaft<br />

(per 31. Dezember <strong>2016</strong>)<br />

AMAG<br />

Austria Metall AG<br />

52,7 %<br />

Lenzing<br />

Aktiengesellschaft<br />

62,6 % 1<br />

Semperit AG<br />

Holding<br />

54,2 %<br />

Vorsitzender des Aufsichtsrats<br />

Stellvertreter des Aufsichtsratsvorsitzenden<br />

Mitglied des Aufsichtsrats<br />

Mitglied des Aufsichtsrats<br />

Beiratsmitglied<br />

KERNBETEILIGUNGEN<br />

WEITERE BETEILIGUNGEN<br />

Vamed AG<br />

10,0 %<br />

Kennzahlen der drei Kernbeteiligungen der B&C Industrieholding<br />

(aggregierte Darstellung unter Erfassung der IFRS-Konzernabschlüsse der Kernbeteiligungen zu 100 %)<br />

BESCHÄFTIGTE <strong>2016</strong> (im Jahresdurchschnitt)<br />

Gesamt: 14.909 Davon in Österreich: 5.213<br />

Angestellte gesamt<br />

4.136<br />

UMSATZENTWICKLUNG KERNBETEILIGUNGEN (Mio EUR)<br />

AMAG Lenzing Semperit<br />

INVESTITIONEN 2013 – <strong>2016</strong><br />

In Österreich<br />

910,0<br />

Mio EUR<br />

Arbeiter gesamt<br />

10.773<br />

Gesamt<br />

1.338,2<br />

Mio EUR<br />

Frauen gesamt<br />

2.389 = 16 %<br />

INVESTITIONEN IN FORSCHUNG<br />

UND ENTWICKLUNG <strong>2016</strong><br />

Gesamt<br />

53,9<br />

Mio EUR<br />

Lehrlinge<br />

in Österreich<br />

264 = 5 % 1<br />

In Österreich<br />

48,0<br />

Mio EUR<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C INDUSTRIEHOLDING: UNTERNEHMENSWERTE KONTINUIERLICH STEIGERN UND LANGFRISTIG ENTWICKELN<br />

1) ab Mai 2017: 50,0 % + 2 Aktien<br />

1) bezogen auf Beschäftigte in Österreich<br />

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73


B&C Innovation Investments:<br />

Wir investieren in technische und industrielle Innovationen<br />

„Gründern in Österreich fehlen Investoren,<br />

die als langfristige Partner einen Beitrag dazu leisten,<br />

Start-ups zu Unternehmen zu entwickeln und dauerhaft<br />

am Markt zu etablieren. Gemeinsam soll das Ziel<br />

verfolgt werden, den ‚Mittelständler +‘ aufzubauen,<br />

der durch Erfolg Unabhängigkeit genießt.“<br />

Die B&C Innovation Investments GmbH (<strong>BC</strong>II) investiert seit <strong>2016</strong> in Start-ups,<br />

deren Geschäft auf technischen bzw. industriellen Innovationen basiert. <strong>BC</strong>II sucht<br />

die Schnittstelle Old und New Economy mit dem Ziel, diese unterschiedlichen<br />

Sphären wertsteigernd miteinander zu vernetzen. Im Fokus stehen ambitionierte<br />

und umsetzungsstarke Gründerteams, die mit B2B-relevanten Technologien einen<br />

klaren Mehrwert für ihre Kunden schaffen. Nur für einen solchen besteht schließlich<br />

Preiszahlungsbereitschaft. Mehrwert ist der Schlüssel, um sich als Start-up im<br />

Markt etablieren zu können. Dafür sind aus Sicht von <strong>BC</strong>II auch auf Investorenseite<br />

Weitblick und Flexibilität notwendig. Neben der Unterstützung durch Kapital ist<br />

insbesondere auch ein nichtmonetärer Wertbeitrag, vielfach unter „Smart Money“<br />

subsumiert, entscheidend. Diesen als Investor anzukündigen, ist einfach, ihn tatsächlich<br />

beizubringen, sehr anspruchsvoll. <strong>BC</strong>II sieht darin, wie auch in der Flexibilität<br />

mangels Fonds-Struktur (kein Exit-Druck), ihre Differenzierung.<br />

Die international rasante, mitunter überhitzte Start-up-<br />

Welt hat in den letzten Jahren auch in Österreich an<br />

Dynamik gewonnen. Das Spektrum an Hervorgebrachtem<br />

reicht von bahnbrechenden Geschäftsideen (sogenannten<br />

„Unicorns“) bis hin zu Flops (die klar in der Mehrheit stehen<br />

und auf die in der öffentlichen Auseinandersetzung<br />

meist nicht eingegangen wird). Als <strong>BC</strong>II beobachten wir<br />

THOMAS ZIMPFER<br />

Geschäftsführer<br />

neben dem gesteigerten Interesse von Wirtschaft, Medien<br />

und Politik eine stark wachsende Zahl von Gründern in<br />

Österreich. Diese suchen die Selbstständigkeit, um ihren<br />

vielfältigen Geschäftsideen eine Realisierungschance zu<br />

geben. Für <strong>BC</strong>II waren es in Zahlen übersetzt knapp 150<br />

Gespräche mit Start-ups alleine seit der offiziellen Vorstellung<br />

im Juni <strong>2016</strong>.<br />

Dabei stellen wir fest, dass<br />

heimischen Start-ups zunächst<br />

durch das öffentliche<br />

Förderwesen sehr hilfreiche<br />

Anschubfinanzierungen<br />

geboten werden. Die zuständigen<br />

öffentlichen Stellen,<br />

mit denen wir die Zusammenarbeit<br />

suchen, leisten<br />

professionell einen notwendigen<br />

Entwicklungsbeitrag.<br />

Geht es jedoch darum,<br />

Gründern die hinreichende<br />

Liquidität zur Entwicklung<br />

ihres Geschäftsmodells bzw.<br />

zur angestrebten Skalierung<br />

zu bieten, zeigt sich ein kritischer<br />

Engpass auf der Investorenseite.<br />

Als <strong>BC</strong>II verfolgen wir das Ziel, an dieser Stelle<br />

anzusetzen. Zum einen tätigen wir Start-up-Investments<br />

mit der nötigen Flexibilität, also (dank nicht vorhandener<br />

Fonds-Konstruktion) ohne vorab definierte Exit-Absicht<br />

und mit Fokus auf Wertsteigerung. Hierunter fällt die<br />

Investition künftig anfallender Gewinne in Expansion<br />

ebenso wie das langfristige Eingehen von dividendenfähigen<br />

Beteiligungen; oder eben ein Verkauf des Unternehmens,<br />

sofern dieser den Gründern und Gesellschaftern<br />

SUCCESS STORY: FLIGHTKEYS GMBH<br />

Flightkeys ist ein 2015 gegründetes Start-up aus<br />

Wien, das eine Spezialsoftware für die hochkomplexe<br />

Optimierung von Flugrouten in der Luftfahrtindustrie<br />

entwickelt. B&C Innovation Investments stieg bereits<br />

in einer sehr frühen Phase der Unternehmensentwicklung<br />

ein und verlieh den Gründern damit zusätzlichen<br />

Schub für den erfolgreichen Markteintritt.<br />

Flightkeys verfügt mittlerweile über Kunden und<br />

erwartet den breit angelegten kommerziellen Einsatz<br />

ihres Produkts ab 2018.<br />

C. PRINZ, GESCHÄFTSFÜHRENDER GESELLSCHAFTER:<br />

„Wir freuen uns, mit B&C Innovation Investments<br />

einen Partner gefunden zu haben, der uns mit seiner<br />

langfristigen Investmentphilosophie dabei begleitet,<br />

Flightkeys zum künftig führenden ‚Flightplanning‘-<br />

Anbieter zu entwickeln. Wir verfolgen das Ziel, den<br />

globalen Luftverkehr in Zukunft effizienter und damit<br />

auch umweltfreundlicher mitzugestalten.“<br />

INVESTITIONSKRITERIEN<br />

Start-ups, deren Geschäftsmodell technischen bzw.<br />

innovativen Charakter hat und für bestehende Industrieunternehmen<br />

(„Old Economy“) Relevanz besitzt<br />

Reifegrad: Produktentwicklung fortgeschritten, Markteintritt<br />

unmittelbar bevorstehend, bereits vollzogen<br />

bzw. Expansion anstehend; klares Verständnis der<br />

Gründer vom skalierbaren Mehrwert und Umsatzmodell<br />

ihres Projekts<br />

Kapitalbedarf (Größenordnung):<br />

300.000 Euro bis 3,0 Millionen Euro<br />

bestgeeignet erscheint und angestrebt<br />

wird. Zum anderen bieten<br />

wir Gründern einen nichtmonetären<br />

Mehrwert.<br />

Unter dem Dach der B&C-Gruppe<br />

stellen wir unser Netzwerk in<br />

Industrie und Wirtschaft zur<br />

Verfügung, um den angestrebten<br />

Skalierungsweg zu unterstützen.<br />

Einfach ausgedrückt verfolgen<br />

wir das Ziel, dort Türen zu<br />

öffnen, wo Gründer potenziellen<br />

Kunden ihren Mehrwert beweisen<br />

wollen.<br />

Mit diesen Ansprüchen geht eine<br />

selektive Investmentstrategie<br />

einher: In unserem Fokus steht<br />

der zentrale Anspruch nach einem vom Start-up gebotenen<br />

klaren Mehrwert. Diesen zu finden und zu entwickeln ist<br />

typischerweise eine Funktion aus Begeisterungsfähigkeit,<br />

Kompetenz und Wille der Gründer. An dieser Stelle sei<br />

herausgestrichen: Vor eben diesen haben wir großen<br />

Respekt. Sie beeindrucken uns täglich durch Einsatz,<br />

Bescheidenheit, Überzeugung und durch die Fähigkeit,<br />

im ständigen Engpass zu priorisieren.<br />

Umsetzungsstarke Gründerteams, die längerfristigen<br />

Partner und hinreichende Kapitalausstattung suchen<br />

Investments können mit Flexibilität getätigt werden –<br />

z. B. Teilnahme an mehreren Investitionsrunden<br />

vorstellbar (sofern wertsteigernd), kein Exit-Zwang<br />

B&C | JAHRBUCH <strong>2016</strong> | B&C INNOVATION INVESTMENTS<br />

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B&C INDUSTRIEHOLDING GMBH<br />

Universitätsring 14<br />

1010 Wien, Österreich<br />

T + 43 1 531 01 - 0<br />

F + 43 1 531 01 - 102<br />

E office@bcholding.at<br />

Fotos<br />

Christina Anzenberger-Fink, AMAG Austria Metall AG, Lenzing AG, Semperit Holding AG,<br />

Faruk Pinjo (S. 58), KVÖ/Heiko Wilhelm (S. 60), shutterstock<br />

Illustration<br />

KUF (Peter Kufner)<br />

Grafische Gestaltung<br />

Harald Ströbel, www.derstroebel.at<br />

Konzept und Umsetzung<br />

Scholdan & Company<br />

Redaktionsschluss: 31. Mai 2017<br />

Der kostenpflichtige Bericht „The Fiber Year 2017 – World Survey on Textiles & Nonwovens“,<br />

aus dem sich Auszüge auf Seite 61 dieses <strong>Jahrbuch</strong>s finden, kann direkt von The Fiber Year GmbH/Schweiz,<br />

www.thefiberyear.com bezogen werden.<br />

Hinweis im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes<br />

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in diesem <strong>Jahrbuch</strong> die geschlechtsspezifische Differenzierung,<br />

wie z. B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nicht durchgehend berücksichtigt. Entsprechende Begriffe gelten<br />

im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.<br />

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