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Baustelle_Egli

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ALTBAUSANIERUNGEN UND RENOVATIONEN


ALTBAUSANIERUNGEN UND RENOVATIONEN<br />

BAUSTELLE | BAUBÜRO RUEDI EGLI<br />

Inhalt<br />

Vorwort<br />

Vorwort 2<br />

Zürich, Wehntalerstrasse 3<br />

Die Idylle am See 5<br />

Aufwertung durch Verzicht<br />

und Anpassung 14<br />

«Meh Dräck»: 2004 wurde dieser Ausspruch des<br />

Rockmusikers Chris von Rohr zum Wort des Jahres<br />

in der Schweiz gewählt. Von Rohr machte sich damit<br />

lustig über das künstliche Getue der Kandidatinnen<br />

und Kandidaten der Talentshow «MusicStar». Er<br />

empfahl ihnen mehr Mut, sich mit sich, ihren Stärken<br />

und Schwächen auseinander zu setzen.<br />

«Meh Dräck» darf man auch bei der Renovation<br />

von Häusern fordern. Eine Fassade erhalten kann<br />

fast jeder. Ein Haus mit seiner tragenden Struktur,<br />

seinem Innen- und Aussenleben behutsam erneuern,<br />

so, dass der ursprüngliche Charakter unverfälscht<br />

sichtbar wird: dies lässt sich nicht nur im<br />

sauberen, trauten Büro planen. Es führt oft zu<br />

schmutzigen Händen, es erfordert Auseinandersetzung<br />

mit den Baumaterialien, mit der Umgebung,<br />

in der das Haus steht, mit seiner Geschichte.<br />

Wenn ich ein Haus renoviere, unterlege ich ihm keine<br />

neue Struktur, sondern konserviere und ergänze<br />

die bestehende, damit die Statik wieder stimmt,<br />

ohne dass bauhistorisch wertvolles Material entfernt<br />

wird. Dieses Magazin ist daher keine Hochglanzpublikation<br />

voller schöner Bilder. Im Gegenteil:<br />

Ich will Ihnen zeigen, dass «meh Dräck» die<br />

Grundlage für eine stilvolle, der historischen Struktur<br />

eines Hauses gerechte Renovation darstellt.<br />

2<br />

Ruedi <strong>Egli</strong>


NICHT IMMER IST EIN NEUBAU DAS MASS ALLER DINGE<br />

Zürich, Wehntalerstrasse<br />

Der architektonische Wert eines Gebäudes misst sich nicht am jeweiligen<br />

ästhetischen Zeitgeschmack. Die Wohnbauten der Nachkriegszeit zählen<br />

nicht zu den Favoriten der Gegenwart. Doch sie haben nicht nur einen<br />

historischen, sondern auch einen sozialen Wert – und deshalb auch heute<br />

noch eine Daseinsberechtigung.<br />

Nach dem Krieg ging es aufwärts.<br />

Die Löhne stiegen, Zentralheizungen<br />

wurden zum<br />

Standard, die Toilette im Haus<br />

mit Wasserspülung für alle<br />

erschwinglich, nach und nach<br />

erhielt auch jedes Kind ein eigenes<br />

Zimmer. Die Zimmer in<br />

den Wohnblöcken der 1950erund<br />

60er-Jahre sind zwar aus<br />

heutiger Sicht klein, die sanitären<br />

Einrichtungen konzent-<br />

3


ALTBAUSANIERUNGEN UND RENOVATIONEN<br />

BAUSTELLE | BAUBÜRO RUEDI EGLI<br />

rieren sich auf die Küche und<br />

einen Raum mit Bad und Toilette:<br />

Viel zu wenig, um heute<br />

noch als Traumwohnung zu<br />

gelten. Begehrt sind die Wohnungen<br />

trotzdem, denn die<br />

Mieten sind bezahlbar für Menschen,<br />

die sich nicht jeden<br />

Luxus leisten können.<br />

Kostenbewusstsein<br />

Entsprechend kostenbewusst<br />

muss die Renovation erfolgen.<br />

Bei einem Zyklus von 25 bis 35<br />

Jahren von einer Renovation<br />

zur nächsten stehen in den<br />

kommenden Jahren unzählige<br />

Erneuerungsprojekte an, und<br />

mancher Bauherr fragt sich,<br />

ob er renovieren oder neu bauen<br />

soll. So unterschiedlich wie<br />

die Bedürfnisse und Möglichkeiten<br />

der Bevölkerung sind,<br />

so unterschiedlich sollen auch<br />

die baulichen Konsequenzen<br />

sein. Das Mehrfamilienhaus an<br />

der Wehntalerstrasse 461 in<br />

Zürich, renoviert von Ruedi<br />

<strong>Egli</strong> 1992 – 93, ist ein Beispiel,<br />

dass eine sachgerechte und<br />

kostenbewusste Renovation<br />

nicht nur bauhistorischen Anliegen<br />

entgegen kommt.<br />

Bei einer tragenden Struktur<br />

aus Holz können Zwischenwände<br />

durchaus einmal verschoben<br />

werden, ohne den Charakter<br />

des Hauses zu verleugnen.<br />

Isolation mit Augenmass, zeitgemässe<br />

Fenster und eine<br />

moderne Heizung lassen eine<br />

energetische Sanierung zu,<br />

ohne die Hausstruktur zu verändern.<br />

Der Sachbau wird sanft<br />

weiterentwickelt, was Materialkenntnis<br />

und Improvisationsfähigkeit<br />

erfordert, denn nicht<br />

alles ist so gebaut, wie es sein<br />

sollte – und die ursprünglichen<br />

Pläne sind nicht immer vorhanden.<br />

4<br />

Renovation mit Augenmass:<br />

Die architektonische und soziale<br />

Grundstruktur bleibt erhalten.


VON DER GERBEREI ÜBER DIE SCHLOSSGARAGE ZUM GOURMET-TEMPEL<br />

Die Idylle am See<br />

Die einstige Gerberei am Werdenbergersee, heute meist unter dem Namen<br />

«Schlossgarage» bekannt, ist rund 500 Jahre älter als die in den Jahren<br />

2008 und 2009 angebaute Galerie am See: ein exquisites Restaurant an idyllischer<br />

Lage. Der Anbau ist modern, versucht nicht, sich beim Haus aus dem<br />

15. oder 16. Jahrhundert an zubiedern – und passt dennoch zum stilgerecht<br />

reno vierten Gebäude, das heute zeitgemässen Wohnraum bietet.<br />

5


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BAUSTELLE | BAUBÜRO RUEDI EGLI<br />

6<br />

In einem Urteil des Glarner Ratsherrn Jacob Schuler, Landvogt der Grafschaft<br />

Werdenberg, aus dem Jahr 1565 wird die spätere Schlossgarage Werdenberg<br />

erstmals erwähnt: Im Streit zwischen Gerber Bartholomeus Schmidt und<br />

Müller Hans Forer um das Recht, Wasser aus dem Werdenberger See zu<br />

nutzen, entschied der Landvogt entgegen dem Antrag des Müllers, der<br />

Gerber dürfe Wasser nutzen, wenn genügend dazu vorhanden sei.


Präsenz vor Ort: Bei Renovationen ist der Bauleiter in besonderem Mass gefordert.<br />

Die erstmals im Jahr 1565 erwähnte,<br />

möglicherweise wesentlich<br />

früher gebaute Gerberei<br />

Werdenberg blickt auf<br />

eine wechselvolle Geschichte<br />

zurück. Bis ins 19. Jahrhundert<br />

wurde hier Leder gegerbt.<br />

Die Nutzung des Wassers, eine<br />

unabdingbare Voraussetzung<br />

für die Gerberei, führte zwar<br />

immer wieder zu Konflikten<br />

mit dem Müller, der das Wasser<br />

am anderen Ende des<br />

künstlich angelegten Sees für<br />

den Antrieb seiner Mühleräder<br />

benötigte. Der Glarner Landvogt,<br />

der bis 1798 für die Untertanen<br />

im Städtchen Werdenberg<br />

zuständig war, nutzte<br />

die Konflikte, um dann und<br />

wann Bussgelder von den<br />

7


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Streithähnen ein zu kas sieren.<br />

Die Tatsache, dass beide Gewerbe<br />

während mindestens<br />

vier Jahrhunderten neben einander<br />

Bestand hatten, zeigt<br />

allerdings, dass sie sich gegenseitig<br />

nicht wirklich das<br />

Wasser abgraben konnten.<br />

Ende der Beschaulichkeit<br />

Die Industrialisierung setzte<br />

der Beschaulichkeit am Werdenbergersee<br />

ein Ende. Viele<br />

Gewerbebetriebe wurden aufgegeben,<br />

das Haus an der Ostecke<br />

des Sees wurde mehrfach<br />

umgenutzt. In einem Plan<br />

von 1867 (wiedergegeben auf<br />

S. 12-13) wird es als Haus des<br />

Malers bezeichnet. Von 1876<br />

bis 1915 diente es als Sekundarschulhaus.<br />

Der zunehmende<br />

Durchgangsverkehr legte<br />

später die Nutzung als Autogarage<br />

nahe, bis die Eröffnung<br />

der A13 den Verkehr von der<br />

Hauptstrasse durch Buchs abzog.<br />

Noch heute wird das Gebäude<br />

oft als «Schlossgarage»<br />

bezeichnet.<br />

Weniger Durchgangsverkehr<br />

stellt für eine Garage ein existenzielles<br />

Problem dar, hingegen<br />

hat die Verkehrsverlagerung<br />

den Werdenbergersee als<br />

Ausflugsziel stark auf gewertet.<br />

Eine neue Nutzung drängte<br />

sich daher auf. Die Besitzerfamilie<br />

hat sich entschieden,<br />

in der ehemaligen Schlossgarage<br />

stilvollen Wohnraum zu<br />

schaffen und ein Ausflugsrestaurant<br />

an zubauen.<br />

8<br />

Sorgfalt: Um die mehrere hundert<br />

Jahre alte Holzstruktur zu erhalten,<br />

wird Balken für Balken überprüft<br />

und notfalls repariert.


Die Struktur ist geblieben<br />

So vielfältig auch die Nutzungen<br />

des Hauses waren: Die<br />

Struktur ist dieselbe geblieben.<br />

Balken aus dem 16. Jahrhundert<br />

zeugen noch heute<br />

von der damaligen Baukunst.<br />

Um diese Struktur des alten<br />

Hauses zu bewahren, hat die<br />

Besitzerfamilie mit Ruedi <strong>Egli</strong><br />

einen Architekten engagiert,<br />

der nicht nur den Umgang mit<br />

Holz von der Pike auf gelernt<br />

hat, sondern sich auch mit Leib<br />

und Seele für eine stil gerechte<br />

Sanierung engagiert.<br />

Unwägbarkeiten: Nicht immer<br />

erfüllt das Wetter während des<br />

Baus die Hoffnungen. Oft ist Improvisationskunst<br />

gefordert, um<br />

Wetterschäden zu vermeiden.<br />

9


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BAUSTELLE | BAUBÜRO RUEDI EGLI<br />

Bei der Erneuerung eines mehrhundertjährigen Dachstocks<br />

zeigt sich, wer sich im Holzbau auskennt. Wenn immer möglich<br />

wird die bestehende Konstruktion konserviert.<br />

10


Schicht um Schicht muss freigelegt,<br />

beurteilt und konserviert<br />

werden.<br />

Direkter Blick aufs Schloss<br />

Der Blick durchs Fenster<br />

auf das Schloss ist derselbe<br />

geblieben, doch haust dort<br />

glücklicherweise kein Landvogt<br />

mehr. Vielmehr steht<br />

es heute mit vielfältigen An -<br />

ge boten den einstigen Untertanen<br />

und anderen Gästen<br />

offen.<br />

Link<br />

www.schloss-werdenberg.ch<br />

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Der Werdenberger See in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Der Plan zum Genehmigungsverfahren<br />

des neuen Scheibenstandes. Blau markiert ist der alte Scheibenstand mit einer Schiessdistanz von 150<br />

Metern. Der neue, rot markierte Stand verdoppelte die Schussdistanz auf 300 Meter Distanz zum Schützenhaus<br />

12


auf der Wuhr (braun markiert). Rechts unten hat Ingenieur F. Oppikofer handschriftlich vermerkt: «Copie<br />

der Beilage zum Expertenbericht an das Justizdepartement vom 10. Januar 1867.» Die ehemalige Gerberei<br />

unten am See, zwischen Viehmarkt und Landstrasse nach Rorschach, ist mit «Maler» beschriftet.<br />

13


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ZEITGEMÄSSES WOHNEN IN HISTORISCHER BAUSUBSTANZ<br />

Aufwertung durch Verzicht<br />

und Anpassung<br />

Nicht alles Bestehende an einem Haus ist schützenswert. Die Baugeschichte<br />

eines Hauses, das seit Jahrhunderten besteht, ist immer komplex. Jede<br />

Generation hat Änderungen vorgenommen, sei es, weil das Geld für mehr<br />

gereicht hat, sei es, weil die Not zu Anpassungen zwang, sei es, weil sich die<br />

wirtschaftlichen Strukturen geändert haben. Bei einer stilgerechten Renovation<br />

kann auch eine unsachgemäss veränderte Grundstruktur wiederhergestellt<br />

werden.<br />

14


Ein Beispiel für eine Aufwertung<br />

durch Verzicht auf unpassende,<br />

später angefügte<br />

Elemente ist die Liegenschaft<br />

an der Hochdorferstrasse 25<br />

in Abtwil AG. Das frühneuzeitlichen<br />

Haus, dessen Entstehungszeit<br />

nicht dokumentiert<br />

ist, trägt die Signatur ABT914<br />

im Inventar der Aargauer Denkmalpflege.<br />

Ruedi <strong>Egli</strong> hat dem<br />

reinen Schindelbau anlässlich<br />

der Renovation von 1993 – 94<br />

den alten Glanz wieder verliehen.<br />

Wandel der Bedürfnisse<br />

Verzichtet wurde bei der<br />

Renovation auf die angebaute<br />

Schweinemästerei. Die Struktur<br />

des Wohnhauses wurde<br />

wiederhergestellt. Denn die<br />

Bedürfnisse haben sich gewandelt:<br />

Landwirtschaftliche<br />

Nebenerwerbsbetriebe haben<br />

ihren Platz in der Schweizer<br />

Landwirtschaftspolitik verloren.<br />

Kleine Mastställe und Nebenräume<br />

sind überflüssig geworden.<br />

Gleichzeitig wachsen die<br />

Komfortbedürfnisse der Bevölkerung.<br />

Dieser Wandel eröffnet<br />

die Chance zu aufwendigen<br />

stilgerechten Renovationen.<br />

mit aktuellen Bedürfnissen. Da<br />

zu gehört auch die konstruktive<br />

Anlehnung neuer Nebengebäude<br />

– etwa der Garage – an<br />

das renovierte Gebäude. Ohne<br />

Anpassung an heutige Bedürfnisse<br />

könnten wertvolle Gebäude<br />

wie das Bauernhaus in Abtwil<br />

trotz Aufnahme im Inventar<br />

der Denkmalpflege kaum erhalten<br />

werden.<br />

Stilgerechte Nebenbauten<br />

Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<br />

Bedürfnisse<br />

definieren die Anforderungen<br />

an jede Bautätigkeit. Die Baukunst<br />

liegt in der Kombination<br />

ursprünglicher Baustrukturen<br />

Richtschnur für die stilgerechte<br />

Sanierung ist nicht der persönliche<br />

Geschmack des Architekten, sondern<br />

die ursprüngliche Struktur<br />

des Hauses.<br />

15


Impressum<br />

Auftraggeber und Bestelladresse:<br />

Baubüro Ruedi <strong>Egli</strong> GmbH, Fuessmättli 3,<br />

8913 Ottenbach, Tel: 044 760 03 63,<br />

info@baubueroegli.ch, www.baubueroegli.ch<br />

Gestaltung: Erika Schmid und Livia Wiesendanger<br />

Text: Bernhard Schneider<br />

Produktion: Schneider Communications AG<br />

Ausgabe: Oktober 2012

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