Vom Referenzmodell zum Referenzkonzept - Ministerium für ...
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<strong>Vom</strong> <strong>Referenzmodell</strong> <strong>zum</strong> <strong>Referenzkonzept</strong><br />
Abschlussberichte der beteiligten Institute<br />
2004–2006<br />
Gefördert von:<br />
Spitzenverbände<br />
der Pflegekassen
6<br />
<strong>Vom</strong> <strong>Referenzmodell</strong> <strong>zum</strong> <strong>Referenzkonzept</strong><br />
Abschlussberichte der beteiligten Institute<br />
2004–2006<br />
erstellt vom<br />
Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW)<br />
Verfasser/innen: Klaus Wingenfeld, Dieter Heitmann und Ursula Korte-Pötters<br />
Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt a. M. (ISS)<br />
Verfasser/innen: Brigitte Rehling<br />
unter Mitarbeit von Hildegard Heinrich, Manfred Krohn, René Bernards,<br />
Annegret Zacharias, Marion Menke<br />
Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund (FFG)<br />
Verfasser/innen: Marion Menke, Uta Vogelwiesche, Andrea Kuhlmann, Ingo Kowalski, Eckart Schnabel<br />
unter Mitarbeit von Lena Oesterlen
2 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6
Vorwort<br />
Der vorliegende sechste Band der Veröffentlichungsreihe des Projektes<br />
„<strong>Referenzmodell</strong>e zur Förderung der qualitätsgesicherten Weiterentwicklung<br />
der vollstationären Pflege“ beschreibt den Weg vom<br />
Projekt <strong>zum</strong> Konzept. Das Konzept wurde im Band fünf vorgelegt.<br />
In dieser Veröffentlichung kann man erfahren, wie das Konzept entstanden<br />
ist, also etwas zu den Methoden und den Prozessen. Zur<br />
Herstellung einer größtmöglichen Transparenz haben wir die<br />
Abschlussberichte der mit der Projektdurchführung beauftragten<br />
Institute der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie zeigen auf, was<br />
die Akteure in den Jahren 2004 bis 2006 alles geleistet haben und<br />
lassen erahnen, wie viel persönliches Engagement sie in das Projekt<br />
eingebracht haben.<br />
Da<strong>für</strong> danke ich im Namen des Landespflegeausschusses den Leitungen<br />
und Mitarbeitenden in den Einrichtungen, insbesondere den<br />
Modellbeauftragten, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern<br />
des Instituts <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld und des Instituts<br />
<strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund sowie den Beraterinnen und Beratern<br />
des Instituts <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt a.M. Unser Dank gilt<br />
auch den Vertretern der Kostenträger, der Betroffenenvertretungen und der Leistungserbringer,<br />
die das Projekt beratend in den Gremien begleitet haben. Besonders<br />
danken wir auch dem Bundesministerium <strong>für</strong> Gesundheit, dem <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit,<br />
Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen sowie den Spitzenverbänden<br />
der Pflegekassen, dass sie mit Ihren bewilligten Mitteln, das Projekt überhaupt<br />
erst ermöglicht haben.<br />
Der Landespflegeausschuss wird das Anliegen des Projektes weiter begleiten und Sorge<br />
<strong>für</strong> die Umsetzung der Projektergebnisse tragen. Über die praktische Umsetzung hinaus<br />
wünsche ich mir, dass die Ergebnisse auch als Grundlage der Erforschung weiter<br />
Fragen der Pflegewissenschaft und der Versorgungsforschung genutzt werden.<br />
Pastor Günther Barenhoff<br />
Vorsitzender des Landespflegeausschusses<br />
3
4 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6
Einführung<br />
Der vorliegende Abschlussbericht <strong>zum</strong> Projekt „<strong>Referenzmodell</strong>e zur Förderung der<br />
qualitätsgesicherten Weiterentwicklung der vollstationären Pflege (2004–2006)“<br />
besteht aus mehreren Teilberichten. Dies beruht auf der Tatsache, dass an dem Forschungsprojekt<br />
drei unterschiedliche Institute mit verschiedenen Aufgabenschwerpunkten<br />
beteiligt waren. Das Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld<br />
(IPW) war <strong>für</strong> die Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung zuständig,<br />
das Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt a. M. (ISS) hat die<br />
Organisationsberatung in den 20 Referenzeinrichtung durchgeführt und das Institut<br />
<strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund (FfG) war <strong>für</strong> die Koordination des Projektes<br />
und die Evaluation verantwortlich. Daher liegt nun ein Bericht vor, der die Projektergebnisse<br />
vor dem Hintergrund der jeweiligen Arbeitsschwerpunkte der Institute<br />
darlegt.<br />
In einem ersten Teil werden Zusammenfassungen der Teilberichte dargelegt. In einem<br />
zweiten Teil erfolgt eine ausführliche Beschreibung der Teilergebnisse aus der jeweiligen<br />
Perspektive der beteiligten Institute. Der erste Teilbericht (FfG) beschreibt den<br />
Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens, wobei die Zielsetzungen des Projektes, die<br />
Beteiligten und ihre Aufgaben sowie der Zeitplan vorgestellt werden. Der zweite Teilbericht<br />
(IPW) beschreibt die Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung.<br />
Dieser beinhaltet das methodische Vorgehen bei der Konzeptentwicklung. Darüber<br />
hinaus werden Aufbau und Funktionen der konzeptionellen Kernelemente sowie die<br />
Vorgehensweise bei der Implementationsbegleitung dargelegt. Der dritte Teilbericht<br />
(ISS) beschreibt die Vorgehensweise der Organisationsberatung in den 20 Referenzeinrichtungen<br />
und die Ergebnisse, wobei insbesondere auf die Weiterentwicklung<br />
des Qualitätsmanagements, die Steuerung von Pflegeleistungen und die wichtigsten<br />
Hindernisse und Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung der Konzeptbausteine Bezug<br />
genommen wird. Der vierte Teilbericht (FfG) umfasst das methodische Vorgehen im<br />
Rahmen der Evaluation. Anschließend wird die Ausgangssituation in den Referenzeinrichtungen<br />
beschrieben und es erfolgt eine abschließende Bewertung der Evaluationsergebnisse.<br />
Im nachfolgenden Ausblick wird auf die zukünftigen Möglichkeiten<br />
der Weiterentwicklung der vollstationären Pflege vor dem Hintergrund der Projektergebnisse<br />
hingewiesen.<br />
5
6 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6
Inhalt<br />
Zusammenfassung der Abschlussberichte<br />
Seite<br />
Teilbericht 1:<br />
Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens (FFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11<br />
1. Zielsetzungen des Modellvorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14<br />
2. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15<br />
3. Zeitplan und Ablauf (2004–2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16<br />
Teilbericht 2:<br />
Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung (IPW) . . . . . . . . . . . . . . . .17<br />
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20<br />
2. Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20<br />
3. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21<br />
4. Ergebnisse der Entwicklungsarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22<br />
4.1 Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen<br />
in der vollstationären Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22<br />
4.2 Übergeordnete Qualitätsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22<br />
4.3 Optimierung des Pflegeprozesses und der Versorgungskoordination . . . . . . . . . .24<br />
5. Implementationsbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27<br />
6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28<br />
Teilbericht 3:<br />
Organisationsentwicklung (ISS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29<br />
1. Auftrag und Ziel der Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32<br />
1.1 Konzept und methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33<br />
1.2 Beratungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34<br />
2. Wichtige Entwicklungen und Verbesserungen in den Einrichtungen<br />
– Schwerpunkte der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35<br />
2.1 Entwicklungen im Zusammenhang mit der Zuständigen Pflegefachkraft . . . . . . . .35<br />
2.2 Entwicklungen im Zusammenhang mit den Leistungsbeschreibungen . . . . . . . . . .36<br />
2.3 Entwicklungen im Zusammenhang mit dem pflegerischen Assessment,<br />
der Biografieerfassung und den Empfehlungen zur Pflegeplanung . . . . . . . . . . .37<br />
2.4 Entwicklungen im Zusammenhang mit den Rahmenkonzepten<br />
zur Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38<br />
3. Zusammenfassung: Die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Umsetzungsprozess . . . . . . . . .43<br />
Teilbericht 4:<br />
Bewertung der Evaluationsergebnisse (FFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .45<br />
1. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48<br />
2. Ausgangssituation in den Referenzeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48<br />
3. Abschließende Bewertung der Evaluationsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50<br />
7
Inhalt<br />
Abschlussberichte<br />
8 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Seite<br />
Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens (FfG) . . . . . . . . . . . . . .55<br />
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58<br />
1. Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59<br />
2. Organisation des Modellvorhabens und Aufgaben der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . .60<br />
3. Zeitplan (2004–2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62<br />
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung (IPW) . . . .65<br />
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68<br />
1. Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69<br />
2. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .70<br />
3. Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen in der vollstationären Pflege 72<br />
3.1 Problemhintergrund und Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .72<br />
3.2 Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .73<br />
3.3 Zum Charakter der Leistungsbeschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74<br />
3.4 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .75<br />
3.5 Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .77<br />
3.6 Zentrale Anforderungen an die Versorgungsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .79<br />
3.7 Abschließende Konzeptmodifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82<br />
4. Übergeordnete Qualitätsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84<br />
4.1 Zur Auswahl der Themenfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84<br />
4.2 Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .85<br />
4.3 Funktion und Charakter der Qualitätsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .86<br />
4.4 Qualitätsmaßstab „Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung“ . . . . . .88<br />
4.5 Qualitätsmaßstab „Zusammenarbeit mit Angehörigen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .91<br />
4.6 Qualitätsmaßstab „Nächtliche Versorgung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .94<br />
4.7 Qualitätsmaßstab: „Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen“ . . . . . . . . . . . . . . .98<br />
4.8 Qualitätsmaßstab „Kooperation mit niedergelassenen Ärzten“ . . . . . . . . . . . . .100<br />
4.9 Qualitätsmaßstab „Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten“ . . . . . .103<br />
5. Pflegeprozesssteuerung und Versorgungskoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .107<br />
5.1 Funktion und Aufgaben der „Zuständigen Pflegefachkraft“ (ZPFK) . . . . . . . . . . .107<br />
5.2 Kriterienkatalog „Pflegerisches Assessment“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .111<br />
5.3 Erfassung von Informationen zur Biografie und Lebenssituation . . . . . . . . . . . .114<br />
5.4 Verbesserte Dokumentationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .117<br />
6. Implementationsbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .121<br />
7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .123<br />
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126<br />
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung (ISS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .131<br />
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136<br />
1. Konzept der Organisationsberatung und Vorgehensweisen in den Einrichtungen . . . .137<br />
1.1 Das Beraterteam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137<br />
1.2 Ziele der Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137<br />
1.3 Systemischer Ansatz der Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .138<br />
1.4 Methoden der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .139<br />
1.5 Schwerpunkte der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141
Seite<br />
2. Die Organisationsentwicklung in den Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .142<br />
2.1 Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation: Zielangemessenheit,<br />
Eindeutigkeit und Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .142<br />
2.2 Die „Zuständige Pflegefachkraft“ als Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Pflegeorganisation .143<br />
2.2.1 Vorhandene Probleme der Bezugspflegepraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .143<br />
2.2.2 Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation im Sinne der<br />
Zuständigen Pflegefachkraft – Beispielhafte Lösungswege . . . . . . . . . . .144<br />
2.2.3 Probleme im Umsetzungsprozess und wie sie bewältigt wurden . . . . . . .149<br />
2.2.4 Die Kooperation zwischen Pflege und Sozialem Dienst . . . . . . . . . . . . .150<br />
2.2.5 Strukturelle Hindernisse <strong>für</strong> Zusammenarbeit und die Umsetzung<br />
des <strong>Referenzkonzept</strong>es . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .150<br />
2.2.6 Lösungswege: Optimierte Vernetzung zwischen Pflege und Sozialem Dienst .153<br />
2.2.7 Dezentralisierung des Sozialen Dienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .153<br />
3. Qualitätsmanagement in der stationären Altenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .155<br />
3.1 Gute Pflege und einrichtungsinternes Qualitätsmanagement . . . . . . . . . . . . . . .156<br />
3.2 Leistungsbeschreibungen: das Leistungsprofil der stationären Altenpflege . . . . . .157<br />
3.2.1 Bestandsaufnahme zu den unmittelbar bewohnerbezogenen<br />
Leistungsbeschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .157<br />
3.2.2 Berufsbegleitende fachliche Qualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .159<br />
3.2.3 Bedarfsgerechte Unterstützung bei psychischen und sozialen Problemlagen .161<br />
3.2.4 Bedarfsgerechte Mobilitätserhaltung und -förderung . . . . . . . . . . . . . . .163<br />
3.2.5 Verinnerlichung von Leitorientierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .163<br />
3.3 Pflegerisches Assessment und Biografieerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .164<br />
3.3.1 Entwicklung von Instrumenten bzw. Formularen . . . . . . . . . . . . . . . . . .165<br />
3.3.2 Regelmäßige Aktualisierung des pflegerischen Assessments . . . . . . . . . .165<br />
3.3.3 Zugang zu relevanten Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .166<br />
3.3.4 Fachkompetenz <strong>für</strong> biografieorientierte Pflege und<br />
bedarfsangemessene psychosoziale Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . .166<br />
3.3.5 Schulungen der Mitarbeiter/innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168<br />
3.4 Pflegeplanung und Pflegedokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168<br />
3.4.1 Einführung verbesserter Planungs- und Dokumentationsformen . . . . . . . .169<br />
3.5 Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung in zentralen Arbeitsfeldern<br />
stationärer Pflegeeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .170<br />
3.5.1 Konzepterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .171<br />
3.5.2 Mitarbeiterbeteiligung und mögliche Vorgehensweisen . . . . . . . . . . . . .172<br />
3.5.3 Sinnvermittlung und Ergebnisrückkoppelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .172<br />
3.6 Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .173<br />
3.6.1 Internes Schnittstellenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .174<br />
3.6.2 Begleitung der Eingewöhnungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .174<br />
3.6.3 Das Integrationsgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .175<br />
3.7 Zusammenarbeit mit Angehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .175<br />
3.7.1 Konzepterstellung und Verbesserung von Verfahrensstandards . . . . . . . .176<br />
3.7.2 Entwicklung von Angeboten <strong>für</strong> Angehörige: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .176<br />
3.7.3 Möglichkeiten und Grenzen bei Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .177<br />
3.8 Nächtliche Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178<br />
3.8.1 Verbesserung von Arbeitsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178<br />
3.8.2 Änderung von Dienstzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .179<br />
3.8.3 Kooperation von Tag- und Nachtdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .179<br />
3.8.4 Entwicklung von Angeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .180<br />
9
Inhalt<br />
10 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Seite<br />
3.9 Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .181<br />
3.9.1 Kontinuierliche Begleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .182<br />
3.9.2 Zusammenarbeit mit Hospizdiensten und freiwilligen Helfern/innen . . . .182<br />
3.9.3 Absprachen mit Angehörigen und Ärzten/innen . . . . . . . . . . . . . . . . .182<br />
3.9.4 Schulungen der Mitarbeiter/innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .183<br />
3.10 Kooperation mit niedergelassenen Ärzten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .184<br />
3.10.1 Die Ausgangssituation und damit verbundene Problemlagen . . . . . . . . .185<br />
3.10.2 Kontaktaufnahme und Verhandlungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .186<br />
3.10.3 Kontaktaufnahme und Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .187<br />
3.10.4 Vorbereitung von Arztbesuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .187<br />
3.10.5 Gegenseitige Erreichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188<br />
3.11 Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188<br />
3.11.1 Die Ist-Analyse als Voraussetzung <strong>für</strong> Verbesserungen . . . . . . . . . . . . .189<br />
3.11.2 Ergebnisse der Bestandsaufnahme und damit verbundene Problemlagen 189<br />
3.11.3 Kontaktaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .191<br />
3.11.4 Problemlösungen im Kooperationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .191<br />
4. Steuerung der Pflegeleistung und Mitarbeiterführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .193<br />
4.1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .194<br />
4.2 Verantwortung der Leitungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195<br />
4.3 Regelmäßige und geregelte Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195<br />
4.3.1 Überprüfung der Steuerungsleistung der WBL . . . . . . . . . . . . . . . . . . .196<br />
4.3.2 Wohnbereichsbezogene Audits und Hospitationen . . . . . . . . . . . . . . . .197<br />
4.3.3 Hospitation in den Wohnbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .197<br />
5. Zusammenfassung: Die wichtigsten Hindernisse und Erfolgsfaktoren<br />
im Umsetzungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .200<br />
5.1 Zieleinverständnis zwischen Träger, Einrichtungs- und Pflegedienstleitung . . . . .200<br />
5.2 Zielangemessenheit, Eindeutigkeit und Transparenz der<br />
Aufbau- und Ablauforganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .202<br />
5.3 Verbindliches Qualitätsmanagement und kompetente Mitarbeiterführung . . . . . .203<br />
5.3.1 Personalentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .204<br />
5.4 Kompetenzen der Modellbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .204<br />
6. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .206<br />
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse (FfG) . . . . . . . . . . . . . . . .207<br />
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .210<br />
1. Methodischen Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .210<br />
2. Ausgangssituation in den Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .213<br />
3. Abschließende Bewertung der Evaluationsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .217<br />
4. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .233<br />
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .237<br />
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .238
Zusammenfassung<br />
Teilbericht 1:<br />
Aufbau und Ablauf<br />
des Modellvorhabens<br />
Verfasser/innen:<br />
Marion Menke, Eckart Schnabel, Uta Vogelwiesche<br />
Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund (FFG)<br />
11
Zusammenfassung Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />
12 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6
Inhalt<br />
1. Zielsetzungen des Modellvorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14<br />
2. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15<br />
3. Zeitplan und Ablauf (2004–2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16<br />
13
Zusammenfassung Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />
1. Zielsetzungen des Modellvorhabens<br />
14 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Der Landespflegeausschuss hat im Januar 2002 beschlossen, aufbauend auf den<br />
Untersuchungsergebnissen der Studie „Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären<br />
Pflegeeinrichtungen“ (Wingenfeld & Schnabel, 2002), 1 eine weitere<br />
Verbesserung der Qualität der Pflege in den vollstationären Pflegeeinrichtungen<br />
anzustreben und dazu geeignete Maßnahmen zu fördern. Die damalige Studie hat<br />
erstmals auf einer breiten empirischen Basis verdeutlichen können, wie sich das<br />
gegenwärtige Leistungsgeschehen in der vollstationären Pflege darstellt und welche<br />
Defizite, aber auch welche Verbesserungsmöglichkeiten und Entwicklungspotenziale<br />
sich in der Pflege alter Menschen verorten lassen. Anknüpfend an diese Vorarbeiten<br />
wurde die Durchführung des hier vorgestellten Modellvorhabens beschlossen, dessen<br />
Vorbereitung im Frühjahr 2004 begonnen und das im Sommer 2006 abgeschlossen<br />
wurde. Mit dem Modellvorhaben sollten geeignete Voraussetzungen zur Verbesserung<br />
der Situation pflegebedürftiger Menschen in vollstationären Einrichtungen<br />
geschaffen werden. Die Zielsetzungen des Vorhabens sind nachfolgend aufgeführt:<br />
Primäres Ziel des Projektes war es, vollstationäre Pflegeeinrichtungen bei der<br />
Qualitätsentwicklung in der Pflege und der Weiterentwicklung qualitätsgesicherter<br />
Versorgungsformen zu unterstützen. Das im Rahmen des Modellvorhabens entwickelte<br />
Instrumentarium zur Verbesserung der Qualität sollte auf andere Einrichtungen<br />
übertragbar sein („Anschlussfähigkeit“) und allen an diesem Prozess Beteiligten<br />
eine Orientierungshilfe bei der Einführung pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse,<br />
der Weiterentwicklung der fachlichen Arbeit, der Optimierung von<br />
qualitätsgesicherten Arbeitsabläufen und der hierzu erforderlichen sachlichen und<br />
personellen Ausstattung bieten.<br />
Darüber hinaus sollte das Vorhaben einen Bezugsrahmen <strong>für</strong> den Abschluss von<br />
Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen erarbeiten.<br />
Es wurden außerdem Problemlösungen entwickelt, die auf eine Optimierung der<br />
Ablaufprozesse gerichtet sind und eine zügige sowie unbürokratische Umsetzung<br />
zulassen. Insoweit haben die Referenzeinrichtungen auch Beratung und Unterstützung<br />
zur Prüfung und ggf. Optimierung in den Bereichen Ablauforganisation, Personaleinsatz<br />
und Kooperation mit externen Personen bzw. Institutionen erhalten.<br />
Im Mittelpunkt des Vorhabens standen die Entwicklung, Implementierung und Evaluation<br />
von folgenden konzeptionellen Kernelementen:<br />
Pflegeprozesssteuerung und Versorgungskoordination („Zuständige Pflegefachkraft“);<br />
Anforderungen an das pflegerische Assessment und die Biografieerfassung;<br />
Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen <strong>für</strong> die pflegerische<br />
Versorgung in vollstationären Pflegeeinrichtungen;<br />
1 Wingenfeld, K. & Schnabel, E. (2002). Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Eine Untersuchung im<br />
Auftrag des Landespflegeausschusses. Duisburg: WAZ-Druck.
2. Beteiligte<br />
Rahmenkonzepte <strong>für</strong><br />
• den Heimeinzug,<br />
• die Angehörigenarbeit,<br />
• die nächtliche Versorgung,<br />
• die Sterbebegleitung,<br />
• die Kooperation mit niedergelassenen Ärzteninnen sowie<br />
• die Überleitung bei Krankenhausaufenthalten;<br />
Empfehlungen zur verbesserten Pflegeplanung und -dokumentation. 2<br />
Diese Konzeptbausteine des so genannten <strong>Referenzkonzept</strong>s wurden in 20 vollstationären<br />
Pflegeeinrichtungen (Referenzeinrichtungen) in Nordrhein-Westfalen erprobt.<br />
Das Vorhaben wurde von den Spitzenverbänden der Pflegekassen, dem Bundesministerium<br />
<strong>für</strong> Gesundheit (BMG) und dem <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) finanziert. Das Diakonische Werk Westfalen<br />
e.V. war Projektträger. Die Durchführung des komplexen Modellvorhabens<br />
erforderte das Zusammenwirken unterschiedlicher Personen bzw. Institutionen in verschiedenen<br />
Gremien sowie eine organisierte Kommunikationsstruktur, die die effiziente<br />
Zusammenarbeit aller Beteiligten ermöglichte. Im Projekt <strong>Referenzmodell</strong>e wirkten<br />
verschiedene Gremien bzw. Institute mit. Es handelt sich dabei um den Steuerungskreis,<br />
den Begleitausschuss, verschiedene Expertenrunden, die Projektsteuerung<br />
(FfG: Forschungsgesellschaft <strong>für</strong> Gerontologie e.V./Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der<br />
Universität Dortmund), die wissenschaftliche Begleitung (IPW: Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft<br />
an der Universität Bielefeld und FfG), die Organisationsberatung (ISS: Institut<br />
<strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt a. M.) und die Modellbeauftragten<br />
(MB) aus den 20 Referenzeinrichtungen.<br />
2 Vgl. <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, MAGS (Hrsg.) (2007). <strong>Referenzmodell</strong>e – Praxisleitfaden zur Qualitätsentwicklung<br />
in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Teil A. Düsseldorf.<br />
15
Zusammenfassung Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />
3. Zeitplan und Ablauf (2004 –2006)<br />
16 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die Auswahl der Referenzeinrichtungen war im Frühjahr 2004 abgeschlossen. Im Juli<br />
2004 fand das erste Zusammentreffen der Heimleitungen und Modellbeauftragten<br />
aus den Referenzeinrichtungen mit Vertretern/innen der beteiligten Institute statt, um<br />
die gemeinsame Arbeit aufzunehmen. In der ursprünglichen Projektplanung war die<br />
Projektlaufzeit von 24 Monaten in drei Phasen aufgeteilt:<br />
1. Vorbereitungsphase (ca. 6 Monate): Abstimmung der geplanten Maßnahmen,<br />
Schulungsmaßnahmen <strong>für</strong> die Modellbeauftragten und organisatorische Vorbereitungen<br />
in den Einrichtungen.<br />
2. Einführungsphase (ca. 6 Monate): Umsetzung der Maßnahmen, Anleitung des<br />
Einrichtungspersonals, ggf. organisatorische Anpassungen.<br />
3. Erprobungs- und Evaluationsphase (ca. 12 Monate): In dieser Phase sollte überprüft<br />
werden, ob sich die entwickelten Leistungsdefinitionen, Qualitätskriterien<br />
und übergeordnete Qualitätsmaßstäbe im Versorgungsalltag bewähren und inwieweit<br />
sie ggf. modifiziert werden müssen.<br />
Aufgrund der nacheinander zu entwickelnden Konzeptbausteine, die nicht alle<br />
während der ersten sechs Monate vorgelegt werden konnten, haben sich diese Phasen<br />
nicht als drei aufeinander folgende Phasen erwiesen, sondern sie verliefen<br />
schließlich <strong>für</strong> die einzelnen Konzeptbausteine parallel bzw. haben sich überschnitten.<br />
Nachdem die ersten Bausteine entwickelt worden waren, wurden sie in den Einrichtungen<br />
erprobt. Während einzelne Konzeptbausteine bereits erprobt wurden,<br />
konnten andere gerade erst eingeführt werden und wieder andere befanden sich<br />
noch in der Entwicklung. Die Entwicklung der Konzeptbausteine hat sich u.a. deshalb<br />
ausgedehnt, da eine inhaltliche Abstimmung zwischen wissenschaftlicher Begleitung<br />
und den Modellbeauftragten (in den Regionalgruppen) bzw. deren Einrichtungen<br />
erfolgt ist. Darüber hinaus musste der Steuerungskreis zustimmen und der Begleitausschuss<br />
bzw. Expertinnen und Experten waren in die Beratungen eingebunden.
Zusammenfassung<br />
Teilbericht 2:<br />
Konzeptentwicklung<br />
und Implementationsbegleitung<br />
Verfasser/innen:<br />
Klaus Wingenfeld, Dieter Heitmann und Ursula Korte-Pötters<br />
Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW)<br />
17
Zusammenfassung Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
18 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6
Inhalt<br />
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20<br />
2. Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20<br />
3. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21<br />
4. Ergebnisse der Entwicklungsarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22<br />
4.1 Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen<br />
in der vollstationären Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22<br />
4.2 Übergeordnete Qualitätsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22<br />
4.3 Optimierung des Pflegeprozesses und der Versorgungskoordination . . . . . . . . . .24<br />
5. Implementationsbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27<br />
6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28<br />
19
Zusammenfassung Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
1. Einleitung<br />
20 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Im Mittelpunkt des Modellprojekts <strong>Referenzmodell</strong>e zur Förderung der qualitätsgesicherten<br />
Weiterentwicklung der vollstationären Pflege (im Folgenden kurz: „<strong>Referenzmodell</strong>e“)<br />
stand die Entwicklung und Erprobung von transparenten, nachvollziehbaren<br />
und an die Praxis anschlussfähigen Konzepten zur Förderung der Lebens- und Versorgungsqualität.<br />
Die Konzeptentwicklung und fachliche Begleitung der Referenzeinrichtungen<br />
erfolgte durch das Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld<br />
(IPW). Der vorliegende zusammenfassende Abschlussbericht des IPW stellt das Vorgehen<br />
und die Ergebnisse der Konzeptentwicklung zusammenfassend dar. Die Konzepte<br />
selbst werden mit einer gesonderten Publikation der Öffentlichkeit vorgelegt 3 .<br />
2. Aufgabenstellung<br />
Das Modellvorhaben sollte Wege aufzeigen, wie ein nachhaltiger Prozess der Qualitätsentwicklung<br />
in vollstationären Pflegeeinrichtungen initiiert werden kann. Dementsprechend<br />
sollten die Konzepte den Pflegeeinrichtungen ein Instrumentarium zur<br />
Bewältigung aktueller Versorgungsanforderungen zur Verfügung stellen sowie eine<br />
Grundlage <strong>für</strong> den Abschluss von Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen (oder<br />
anderen Vereinbarungen) in Form einer Systematik von Leistungsbeschreibungen und<br />
Qualitätskriterien bereitstellen. Die Konzepte sollten so ausgestaltet sein, dass sie<br />
einerseits fachlichen Standards genügen, andererseits unproblematisch in den Versorgungsalltag<br />
integriert werden können, d. h. anschlussfähig sind, die gegebenen<br />
fachlichen Ressourcen in den Einrichtungen nicht überfordern und eine möglichst<br />
zügige und unbürokratische Umsetzung ermöglichen. Hiervon ausgehend wurden folgende<br />
Konzeptbausteine entwickelt:<br />
1. Eine Leistungssystematik („Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen<br />
in der vollstationären Pflege“), die das Profil des Leistungsangebotes, das<br />
heute in den Pflegeeinrichtungen vorgehalten werden sollte, näher definiert.<br />
2. Ein System zur Bedarfsklassifikation, das Verkürzungen, wie sie der Pflegestufensystematik<br />
nach dem SGB XI vorgehalten werden, vermeidet (die Entwicklung der<br />
Bedarfsklassifikation bleibt im vorliegenden Bericht unberücksichtigt).<br />
3. Sogenannte übergeordnete Qualitätsmaßstäbe, die sich auf die Gestaltung der<br />
Rahmenbedingungen und Verfahrensweisen in ausgewählten, wichtigen Segmenten<br />
des Versorgungsalltags beziehen (z. B. Angehörigenarbeit, nächtliche Versorgung).<br />
4. Konzepte zur Optimierung der Steuerung des individuellen Pflegeprozesses.<br />
Über die Entwicklungsarbeiten hinaus kam dem IPW die Aufgabe zu, die Referenzeinrichtungen<br />
bei der Umsetzung der Konzepte im Rahmen der praktischen Erprobung<br />
fachlich zu begleiten. Diese Implementationsbegleitung sollte Hilfestellungen<br />
geben, um Anpassungen im Versorgungsalltag auf eine Art und Weise durchzuführen,<br />
die den Anforderungen der Konzepte entspricht.<br />
3 Korte-Pötters, U./Wingenfeld, K./Heitmann, D. (2007): Konzepte zur Sicherstellung der Versorgungsqualität in vollstationären Pflegeeinrichtungen.<br />
In: <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW (Hg.): <strong>Referenzmodell</strong>e – Praxisleitfaden zur Qualitätsentwicklung<br />
in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Düsseldorf
3. Methodisches Vorgehen<br />
Das besondere Merkmal des Modellvorhabens bestand in der Zusammenarbeit zwischen<br />
Wissenschaft und Praxis, die sich sowohl auf die Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte<br />
als auch die Implementation dieser Konzepte erstreckte. Darüber<br />
hinaus erfolgte die Konzeptentwicklung in Abstimmung mit verschiedenen Gremien<br />
und Arbeitsgruppen. Alle Akteure, die maßgeblich an der Gestaltung der stationären<br />
pflegerischen Versorgung mitwirken, waren in die Begleitung des Modellvorhabens<br />
eingebunden und erhielten damit Gelegenheit, ihre jeweilige Problemsicht einzubringen.<br />
Die Entwicklungsarbeiten waren dementsprechend eingebettet in eine relativ komplexe<br />
Struktur begleitender Gremien und anderer Arbeitszusammenhänge. Hierzu<br />
gehörten die vier Regionalgruppen, in denen jeweils fünf Modellbeauftragte der<br />
Referenzeinrichtungen und ein Vertreter der beteiligten Institute zusammentrafen (sie<br />
bildeten <strong>für</strong> die Konzeptentwicklung den zentralen Ort der Abstimmung zwischen<br />
Wissenschaft und Praxis), der Steuerungskreis, der Begleitausschuss, der die Konzeptentwürfe<br />
vor Beginn der praktischen Erprobung eingehend diskutierte, sowie Expertenrunden,<br />
die jeweils zur Bearbeitung oder Diskussion ausgewählter Themen einberufen<br />
wurden.<br />
Die Referenzeinrichtungen wurden in den meisten Fällen intensiv in die Entwicklungsarbeiten<br />
einbezogen. Diese folgten im Großen und Ganzen dem gleichen Muster:<br />
1. In einem ersten Schritt entwickelte das IPW auf der Basis verschiedener Vorarbeiten<br />
Konzeptentwürfe.<br />
2. Diese Entwürfe durchliefen umfangreiche Abstimmungsprozesse, in die sowohl<br />
die Referenzeinrichtungen als auch die projektbegleitenden Gremien einbezogen<br />
waren.<br />
3. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Abstimmungsprozesse erfolgte noch einmal<br />
eine inhaltliche und formale Anpassung. Die daraus hervorgegangenen Konzepte<br />
wurden den Einrichtungen zur praktischen Erprobung übergeben.<br />
4. An die Erprobung, d. h. <strong>zum</strong> Ende des Modellvorhabens schloss sich eine gemeinsame<br />
Auswertung der Erprobungserfahrungen mit den Modellbeauftragten an.<br />
Daraus resultierten nochmalige Konzeptmodifikationen. Sie umfassten insgesamt<br />
nur wenige inhaltliche Anpassungen, allerdings viele Ergänzungen bzw. Veränderungen<br />
auf der Ebene von Erläuterungen und Kommentierungen.<br />
Die auf diesem Weg optimierten Konzepte wurden schließlich noch einmal <strong>für</strong> die<br />
Publikation im Rahmen eines umfangreichen Praxisleitfadens aufbereitet.<br />
Die fachliche Implementationsbegleitung zur Unterstützung der Einrichtungen bei der<br />
Konzeptumsetzung erfolgte in unterschiedlichen Formen. Auch in dieser Hinsicht kam<br />
den regelmäßig tagenden Regionalgruppen ein hoher Stellenwert zu. Darüber hinaus<br />
leistete das IPW kontinuierlich eine einrichtungsindividuelle Beratung, teils in<br />
Form längerer, direkter Arbeitsgespräche, teils auf telefonischem Weg. Die Implementationsbegleitung<br />
erwies sich als sehr wichtig, um den Einrichtungen eine Orientierungshilfe<br />
zur Verfügung zu stellen, mit der sie a) Schritte der Qualitätsentwicklung<br />
auf der Basis der Konzepte zielgerichtet einleiten und b) Detailprobleme fachlicher<br />
Art, die erst im Verlauf von Veränderungen im Arbeitsalltag sichtbar werden und die<br />
je nach Einrichtung unterschiedlich ausfallen, bewältigen konnten.<br />
21
Zusammenfassung Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
4. Ergebnisse der Entwicklungsarbeiten<br />
4.1 Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen in der vollstationären<br />
Pflege<br />
22 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die Leistungsbeschreibungen bilden das Profil eines Leistungsangebots ab, mit dem<br />
auf die <strong>für</strong> die heutige Situation typischen Problem- und Bedarfslagen von Heimbewohnern<br />
adäquat reagiert werden kann. Sie fordern u.a.<br />
eine stärkere Gewichtung von Unterstützungsleistungen, die auf psychische Problemlagen<br />
und Bedürfnisse ausgerichtet sind,<br />
eine Akzentuierung ressourcenfördernder bzw. -erhaltender Maßnahmen,<br />
eine konsequent bedarfsorientierte Pflege, die neben akuten Bedarfslagen die<br />
Gesamtsituation des Bewohners und eine vorausschauende Strategie der Hilfe bei<br />
der Bewältigung von Krankheit und Pflegebedürftigkeit in den Mittelpunkt stellt.<br />
Die Leistungsbeschreibungen stellen ein Klassifikationssystem dar, das Leistungen<br />
bzw. Maßnahmen ordnet und definiert, inhaltlich voneinander abgrenzt und in seiner<br />
Gesamtheit ein Leistungsprofil definiert, das den Problem- und Bedarfslagen der<br />
Bewohner vollstationärer Pflegeeinrichtungen gerecht wird. Es ist bewusst übersichtlich<br />
gehalten und soll dadurch die Transparenz von Leistungsangebot und Leistungsgeschehen<br />
fördern. Vor allem in diesem Punkt, aber auch hinsichtlich seiner Funktion<br />
<strong>für</strong> den Versorgungsalltag unterscheidet es sich von anderen Klassifikationssystemen.<br />
Die Leistungsbeschreibungen unterscheiden zwei große Maßnahmenbereiche: Im<br />
Bereich der unmittelbar bewohnerbezogenen Maßnahmen, d. h. der Maßnahmen,<br />
die in direktem Kontakt mit Bewohnern durchgeführt werden, werden insgesamt 32<br />
Leistungen unterschieden. Sie umfassen nicht nur die Hilfe bei der Durchführung<br />
körperlicher Verrichtungen, sondern auch Unterstützung bei psychischen und sozialen<br />
Problemlagen der Bewohner. Darüber hinaus werden insgesamt 12 mittelbar<br />
bewohnerbezogene Leistungen definiert, die konkrete Empfehlungen <strong>für</strong> eine qualifikationsorientierte<br />
Arbeitsteilung beinhalten.<br />
Aufgrund der Erprobungserfahrungen sind abschließend einige Modifikationen der<br />
Leistungsbeschreibungen vorgenommen worden. Sie umfassten u.a. die Zusammenfassung<br />
von zwei Leistungen, deren Abgrenzung <strong>für</strong> die Mitarbeiter in den Einrichtungen<br />
schwer nachzuvollziehen war, und die Ausdifferenzierung von zwei neuen<br />
Leistungen (hier wurden Aspekte zusammengeführt, die ursprünglich anderen Leistungen<br />
zugeordnet waren).<br />
Ansonsten beschränkten sich die Modifikationen auf geringfügige inhaltliche Ergänzungen,<br />
sprachliche Überarbeitungen und eine Ausweitung der einführenden Erläuterungen<br />
und Kommentierungen zu den Leistungsbeschreibungen. Diese Ausweitung<br />
erwies sich allerdings als besonders wichtig, um das Verständnis der Leistungsbeschreibungen<br />
bei ihrer Nutzung im Versorgungsalltag sicherzustellen.<br />
4.2 Übergeordnete Qualitätsmaßstäbe<br />
Die übergeordneten Qualitätsmaßstäbe stellen Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung<br />
in zentralen Aufgabenfeldern dar, die jeweils auf bestimmten Qualitätskriterien<br />
beruhen. Mit dem Modellvorhaben wurden insgesamt sechs Qualitätsmaßstäbe erarbeitet<br />
und erprobt. Ihnen kommt eine doppelte Funktion zu:
Sie stellen Anforderungskataloge zur Ausgestaltung der betreffenden Arbeitsfelder<br />
in vollstationären Pflegeeinrichtungen dar, mit denen ein bestimmtes Qualitätsniveau<br />
angestrebt wird. Die verschiedenen Abstimmungen im Verlauf des Modellprojekts<br />
dienten u.a. dazu, einen gewissen Konsens über dieses Qualitätsniveau<br />
herzustellen. Die Qualitätsmaßstäbe sind insofern auch als Ergebnis eines Diskussionsprozesses<br />
zu verstehen, in dem sich die Beteiligten darum bemühten, einen<br />
tragfähigen Kompromiss zwischen dem Wünschenswerten und dem Machbaren<br />
zu finden.<br />
Die Qualitätsmaßstäbe stellen darüber hinaus eine Arbeitshilfe <strong>für</strong> die Einrichtungen<br />
dar. Sie liefern ihnen eine Grundlage zur Überprüfung und Weiterentwicklung<br />
ihrer bisherigen Konzepte bzw. ihrer Praxis.<br />
Auf die Funktion der Qualitätsmaßstäbe als Arbeitshilfe, aber auch auf das Ziel der<br />
Anschlussfähigkeit an die Praxis ist es zurückzuführen, dass sich die Anforderungen<br />
der Maßstäbe <strong>zum</strong> Teil auf unterschiedlichem Abstraktionsniveau bewegen. Zum Teil<br />
finden sich sehr konkrete Formulierungen und differenzierte Vorgaben, und zwar<br />
immer zu Fragen, bei denen es aus der Sicht der beteiligten Einrichtungen oder aufgrund<br />
der Erprobungserfahrungen notwendig erschien, <strong>für</strong> die Praxis größtmögliche<br />
Klarheit zu schaffen.<br />
Aus ähnlichen Gründen wurde davon Abstand genommen, die Unterscheidung zwischen<br />
Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität zu verwenden. Erste Versuche in diese<br />
Richtung zu Beginn der Entwicklungsarbeiten wurden alsbald aufgegeben, da diese<br />
Gliederungsform nicht mit der Handlungslogik im Versorgungsalltag in Einklang zu<br />
bringen ist.<br />
Qualitätsmaßstab „Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung“<br />
Mit diesem Qualitätsmaßstab werden Maßgaben <strong>für</strong> die Gestaltung des Übergangs<br />
von Pflegebedürftigen aus dem häuslichen Umfeld oder aus einem Krankenhaus in eine<br />
stationäre Pflegeeinrichtung definiert. Er formuliert Vorgaben <strong>für</strong> die Organisation des<br />
Heimeinzugs in Verbindung mit Maßnahmen zur Unterstützung des Bewohners.<br />
Qualitätsmaßstab „Zusammenarbeit mit Angehörigen“<br />
Der Qualitätsmaßstab „Zusammenarbeit mit Angehörigen“ zielt darauf ab, eine konzeptgestützte,<br />
bewusste und planvolle Angehörigenarbeit zu fördern. Zentrale Anliegen<br />
sind die Mitwirkung der Angehörigen und die Förderung des Kontakts zwischen<br />
Bewohner und Angehörigen. Angehörigenarbeit soll aber auch dazu beitragen, dass<br />
Bewohner in belastenden Situationen (wie z.B. Heimeinzug oder Krankenhausaufenthalt)<br />
Begleitung durch vertraute, <strong>für</strong> sie besonders wichtige Bezugspersonen erfahren.<br />
Qualitätsmaßstab „Nächtliche Versorgung“<br />
Dieser Qualitätsmaßstab formuliert vor allem Anforderungen an die Kooperation zwischen<br />
den Mitarbeitern, an die Organisation und an die direkte Versorgung und<br />
Betreuung der Bewohner. Die Einrichtungen werden u.a. aufgefordert, mindestens<br />
einmal jährlich zu überprüfen, inwieweit ihr Versorgungsangebot dem am Abend und<br />
in der Nacht anfallenden Bedarf der Bewohner entspricht. Bei fehlender Entsprechung<br />
sollen geeignete Schritte zu konzeptionellen Anpassungen eingeleitet werden.<br />
Qualitätsmaßstab „Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen“<br />
Mit diesem Qualitätsmaßstab werden Wege aufgezeigt, die Begleitung Sterbender<br />
in vollstationären Pflegeeinrichtungen zu verbessern und grundlegende Voraussetzungen<br />
zur Bewältigung dieser Aufgabe herzustellen. Er soll den Mitarbeitern Handlungssicherheit<br />
in einem schwierigen Aufgabenfeld geben, indem ein fachlicher und<br />
organisatorischer Rahmen <strong>für</strong> die Begleitung Sterbender abgesteckt wird. Das Rahmenkonzept<br />
versteht sich als Initiative zur Förderung einer Qualitätsentwicklung,<br />
deren langfristige Ziele weiter reichen sollten als die Ziele, die dem Rahmenkonzept<br />
selbst zugrunde liegen.<br />
23
Zusammenfassung Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
24 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Qualitätsmaßstab „Kooperation mit niedergelassenen Ärzten“<br />
Der Qualitätsmaßstab „Kooperation mit niedergelassenen Ärzten“ soll dazu beitragen,<br />
die Kooperationsbeziehungen auf eine transparente und verlässliche Basis zu<br />
stellen und den Pflegekräften in den Einrichtungen mehr Sicherheit in der Zusammenarbeit<br />
mit Ärzten zu geben. Es geht nicht zuletzt um die Integration pflegerischer und<br />
ärztlicher Maßnahmen mit dem Ziel, den Bewohnern eine ihren Problemlagen entsprechende<br />
und aufeinander abgestimmte medizinische und pflegerische Versorgung<br />
zugänglich zu machen.<br />
Qualitätsmaßstab „Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten“<br />
Ein geregeltes Entlassungsmanagement der Krankenhäuser, wie es der Nationale<br />
Expertenstandard vorsieht, sollte durch entsprechende Bemühungen auf Seiten der<br />
Pflegeeinrichtungen ergänzt werden. Bislang existierten <strong>für</strong> die vollstationäre Pflege<br />
jedoch keine vergleichbaren Handlungsrichtlinien. Der vorliegende Qualitätsmaßstab<br />
soll dazu beitragen, diese Lücke zu schließen, und Versorgungskontinuität fördern.<br />
Er benennt die wichtigsten Anforderungen, die sich bei der Aufnahme von<br />
Bewohnern in ein Krankenhaus, während ihres dortigen Aufenthaltes und bei ihrer<br />
Rückkehr ergeben.<br />
4.3 Optimierung des Pflegeprozesses und der Versorgungskoordination<br />
Die Umsetzung der Leistungsbeschreibungen und Qualitätsmaßstäbe setzt Arbeitsstrukturen<br />
voraus, die sich in der heutigen Praxis nicht durchgängig wiederfinden.<br />
Insofern stellte sich auch den Referenzeinrichtungen die Aufgabe, die notwendigen<br />
Voraussetzungen <strong>für</strong> die Konzeptumsetzung zunächst herzustellen. Zu einigen zentralen<br />
Handlungsfeldern wurden zur Unterstützung dieses Prozesses ebenfalls Konzepte<br />
entwickelt.<br />
Ausgestaltung von Funktion und Aufgaben der „Zuständigen Pflegefachkraft“<br />
(ZPFK)<br />
Die Umsetzung fast aller Konzepte, die im Rahmen des Projekts „<strong>Referenzmodell</strong>e“<br />
entwickelt worden sind, ist auf klare Definitionen und personelle Zuordnungen von<br />
Zuständigkeiten angewiesen. Die Empfehlungen beschreiben das Aufgabenprofil von<br />
Pflegefachkräften, die <strong>für</strong> die zielgerichtete, planvolle Gestaltung des individuellen<br />
Pflegeprozesses und <strong>für</strong> weitergehende Steuerungs- und Koordinationsaufgaben bei<br />
einer bestimmten Anzahl von Bewohnern verantwortlich sind. Für diese Pflegefachkräfte<br />
wurde der eher neutrale Ausdruck „Zuständige Pflegefachkraft“ gewählt, da<br />
andere Begriffe inhaltlich bereits „besetzt“ sind und Missverständnisse vermieden<br />
werden sollten.<br />
Die Empfehlungen gehen davon aus, dass nicht jede Pflegefachkraft über die Kompetenzen<br />
verfügt, die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben erforderlich sind. Zu den<br />
Qualifikationsanforderungen gehören nicht nur Fachwissen und pflegerische Fertigkeiten,<br />
sondern auch Steuerungs-, Koordinations-, Anleitungs-, Beratungs- und Problemlösungskompetenz<br />
und nicht zuletzt sprachliche Kompetenz (angemessene<br />
mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit). Zuständige Pflegefachkräfte müssen,<br />
damit sie ihre Aufgaben wahrnehmen können, von anderen Arbeiten entlastet werden.<br />
Insbesondere bewohnerferne Tätigkeiten, <strong>für</strong> die keine Fachqualifikation erforderlich<br />
ist, sollten so weit wie möglich von anderen Mitarbeitern übernommen werden.<br />
Die Leistungsbeschreibungen zu den mittelbar bewohnerbezogenen Maßnahmen<br />
zeigen hierzu Möglichkeiten auf.
Kriterienkatalog „Pflegerisches Assessment“<br />
Dieser Kriterienkatalog beinhaltet Anforderungen an die Informationserhebung und<br />
Einschätzung der Problem- und Bedarfslagen, sowie der individuellen Ressourcen der<br />
Bewohner. Er umfasst eine Zusammenfassung von Kriterien, die seit langem aus pflegefachlicher<br />
Sicht als notwendig erachtet werden. Er versteht sich als Anforderungsprofil<br />
und Arbeitshilfe, mit der die Einrichtungen im Rahmen eines Soll-Ist-Vergleichs<br />
ihr vorhandenes Assessment auf Vollständigkeit überprüfen und gegebenenfalls<br />
ergänzen bzw. anpassen können. Der Kriterienkatalog umfasst folgende Punkte:<br />
1. Organisatorische Voraussetzungen (Zuständigkeiten, Bereitstellung zeitlicher Ressourcen<br />
<strong>für</strong> die Durchführung des Assessments, Kooperation)<br />
2. Inhalte des Assessments (unter besonderer Berücksichtigung kognitiver Fähigkeiten,<br />
psychischer Problemlagen und individueller Bedürfnisse)<br />
3. Zeitpunkt der Erstellung und Aktualisierung sowie Anlässe der Aktualisierung.<br />
Zu den einzelnen Gliederungspunkten finden sich zusätzliche Erläuterungen. Sie<br />
basieren wesentlich auf den gemeinsamen Diskussionen mit den Modellbeauftragten<br />
und der daraus resultierenden Einschätzung des Bedarfs an Erklärungen und Kommentierungen.<br />
Kriterienkatalog zur Erfassung von Informationen zur Biografie und<br />
Lebenssituation<br />
Die Erfassung biografischer Informationen als Bestandteil des pflegerischen Assessments<br />
ist Voraussetzung <strong>für</strong> eine biografieorientierte Pflege und Versorgung, wie sie<br />
z.B. die Leistungsbeschreibungen vorsehen. Auch die Anforderungen der Qualitätsmaßstäbe<br />
nehmen Bezug auf die Erfassung bzw. die Berücksichtigung biografischer<br />
Kenntnisse in der Versorgung und Begleitung.<br />
Die Grundsätze und Kriterien des Katalogs beschreiben ein Mindestprofil, das die<br />
Verfügbarkeit von Informationen als Grundlage <strong>für</strong> eine biografieorientierte Pflege<br />
sicherstellen soll. Der Katalog umfasst <strong>zum</strong> einen Grundsätze, die sich auf die Bereitstellung<br />
geeigneter Dokumentationsinstrumente, Zeitpunkte der Erfassung, Kennzeichnung<br />
von Informationsquellen, Verfahrensweisen und Verantwortlichkeiten beziehen.<br />
Zum anderen enthält er eine Auflistung der <strong>für</strong> die Biografieerfassung relevanten<br />
Informationen.<br />
Verbesserte Dokumentationsformen<br />
Der Konzeptbaustein „Verbesserte Dokumentationsformen“ zielt darauf ab, die Pflegedokumentation<br />
auf ihre fachliche Funktion zurückzuführen und dabei auf nicht<br />
begründbaren Dokumentationsaufwand zu verzichten. In diesem Sinne wurden im<br />
Projekt „<strong>Referenzmodell</strong>e“ Kriterien und Maßgaben zusammengestellt, die an verbesserte<br />
Dokumentationsformen zu stellen sind. Abweichend von vergleichbaren Initiativen<br />
in anderen Bundesländern wurde auf die Entwicklung einer Musterdokumentation<br />
verzichtet. Vielmehr wurden Grundsätze bzw. Anforderungen und Vorraussetzungen<br />
<strong>für</strong> die Einführung verbesserter Pflegedokumentationsformen erarbeitet, deren<br />
konkrete Ausgestaltung den Einrichtungen überlassen bleiben sollte. Die Grundsätze<br />
beziehen sich insbesondere auf<br />
Rahmenbedingungen und Voraussetzungen (einschl. personeller Zuständigkeiten),<br />
die Identifizierung vorrangiger Problemlagen (Assessment),<br />
die Formulierung von Pflegezielen,<br />
die Erstellung eines Tagesplans (Maßnahmenplanung),<br />
Durchführungs-/Leistungsnachweise.<br />
25
Zusammenfassung Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
26 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Aufwandsreduzierung soll vor allem dadurch erreicht werden, dass sich die Formulierung<br />
von Pflegezielen auf wesentliche Problem- und Bedarfslagen beschränkt, ein<br />
übersichtlicher, individueller Tagesplan <strong>für</strong> jeden Bewohner erstellt wird und statt Einzelnachweisen<br />
<strong>für</strong> erbrachte Leistungen – mit Ausnahme ärztlich verordneter Maßnahmen<br />
– ein Handzeichen je Maßnahmenkomplex ausreichend ist.<br />
Eine zentrale Bedeutung kommt der Erstellung eines individuellen Tagesplans <strong>für</strong> die<br />
Bewohner zu. Dieser Tagesplan soll eine strukturierte Übersicht über alle zu leistenden<br />
Maßnahmen bieten und alle Informationen enthalten, die <strong>für</strong> die Durchführung<br />
einer bedarfs- und bedürfnisgerechten Pflege benötigt werden.
5. Implementationsbegleitung<br />
Dem IPW kam neben der Konzeptentwicklung auch die Aufgabe der wissenschaftlichen<br />
Implementationsbegleitung zu, d. h. die Aufgabe, den Einrichtungen fachliche<br />
Hilfestellung zu leisten, um Anpassungen auf eine Art und Weise durchzuführen, die<br />
den Anforderungen der Konzepte entspricht. Zwar hatten die Einrichtungen die Möglichkeit,<br />
auf eine professionelle Organisationsberatung zurückzugreifen, doch war<br />
von vornherein absehbar, dass eine ergänzende fachliche Beratung erforderlich sein<br />
würde. Die wissenschaftliche Implementationsbegleitung erstreckte sich dabei auf folgende<br />
Punkte:<br />
Prozesssteuerung: Da die Konzeptbausteine in vielfältiger Weise aufeinander<br />
Bezug nehmen, waren die Praxiseinrichtungen in hohem Maße auf Orientierungshilfen<br />
bei der Umsetzung angewiesen, sowohl was die zeitliche Organisation der<br />
einzelnen Umsetzungsschritte angeht als auch im Blick auf inhaltliche Anforderungen.<br />
Ergebnissicherung bei einzelnen Implementationsschritten: Trotz Einbeziehung in<br />
die konzeptionellen Entwicklungsarbeiten bestand ein mitunter ausgeprägtes<br />
Bedürfnis der Praxis, sich zu vergewissern, mit der Konzeptumsetzung auf dem<br />
richtigen Weg zu sein und Anpassungen oder Problemlösungen in Übereinstimmung<br />
mit den Intentionen der Konzepte vorgenommen zu haben.<br />
Kontinuierliche „Übersetzungsarbeit“ in Detailfragen: Eine ebenso wichtige Funktion<br />
der Implementationsbegleitung bestand in fortgesetzten Erläuterungen zu einzelnen<br />
inhaltlichen Aspekten der Konzepte. Dieses Erfordernis ergab sich u.a.<br />
daraus, dass ein in der Praxis handhabbares Konzept nicht alle Einzelheiten kommentieren<br />
und erklären kann, die <strong>für</strong> die Umsetzung von Bedeutung sein können.<br />
Definition von Grenzen <strong>für</strong> kreative Lösungen: Keiner der im Modellvorhaben entwickelten<br />
Konzeptbausteine legte die Referenzeinrichtungen bei der Umsetzung<br />
auf starre Lösungen fest. Gerade deshalb war es <strong>für</strong> sie gelegentlich schwer zu<br />
entscheiden, mit welchen Umsetzungsschritten sie möglicherweise die Grenze der<br />
Übereinstimmung mit den konzeptionellen Vorgaben überschreiten würden.<br />
Legitimation von Handlungsinitiativen der Modellbeauftragten: Die Modellbeauftragten<br />
mussten in ihren Einrichtungen oftmals intensive Überzeugungsarbeit leisten<br />
und ggf. auch Kompromisse aushandeln. In diesem Zusammenhang hatte die<br />
Implementationsbegleitung eine Funktion von eher strategischem Charakter: Sie<br />
unterstützte die Arbeit der Modellbeauftragten, indem sie deren Handeln indirekt<br />
durch ihre konzeptionellen Vorgaben gegenüber anderen Mitarbeitern der Einrichtungen<br />
legitimierte.<br />
Die wissenschaftliche Implementationsbegleitung war insofern eine unerlässliche Voraussetzung<br />
<strong>für</strong> die erfolgreiche Konzeptumsetzung. Sie konnte auch nur durch eine<br />
Instanz geleistet werden, die mit den Zielsetzungen, inhaltlichen Verästelungen und<br />
Interdependenzen der Konzeptbausteine und der Modellkonzeption insgesamt gut<br />
vertraut und fachlich in der Lage war, sich mit der Praxis rasch und sachgerecht zu<br />
verständigen.<br />
27
Zusammenfassung Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
6. Fazit<br />
28 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Im Gesamtbild lässt sich aufgrund der Erprobungserfahrungen festhalten, dass das<br />
Ziel, mit den Konzeptbausteinen eine trotz relativ hoher fachlicher Ansprüche realistische<br />
Strategie der Qualitätsentwicklung zur Verfügung zu stellen, erreicht wurde.<br />
Die notwendigen Anpassungen der Versorgung erwiesen sich als nicht einfach, aber<br />
machbar.<br />
Die im Modellvorhaben gewählte Strategie der Konzeptentwicklung und -abstimmung<br />
hat sich im Großen und Ganzen bewährt. Die Kooperation zwischen Wissenschaft<br />
und Praxis verlief keineswegs spannungsfrei, aber doch reibungsloser als zu Beginn<br />
des Projektes erwartet. Eine produktive und von gegenseitiger Akzeptanz geprägte<br />
Zusammenarbeit setzt nach den Projekterfahrungen voraus, dass sich beide Seiten<br />
am Leitbild einer professionellen Pflege orientieren. Dadurch existiert auf fachlicher<br />
Ebene eine gemeinsame Basis <strong>für</strong> die Entwicklungsarbeiten. Der Praxis müssen<br />
außerdem Freiräume <strong>für</strong> konzeptionelle „Feinarbeiten“ verbleiben, die sicherstellen,<br />
dass die Umsetzung von Konzepten nicht als Störung bewährter interner Abläufe,<br />
sondern als Bereicherung erfahren wird.<br />
Aufgrund der Erprobungserfahrungen wurden alles in allem nur wenige Modifikationen<br />
der Konzepte erforderlich. Auf die moderate Veränderung des Aufbaus der<br />
Leistungsbeschreibungen wurde bereits hingewiesen. Ansonsten lagen Anpassungserfordernisse<br />
vorrangig auf der Ebene der Kommentierung und Erläuterung der konzeptionellen<br />
Vorgaben. Diesen Modifikationen bzw. Erweiterungen und Präzisierungen<br />
kommt allerdings im Hinblick auf die Praxistauglichkeit der Konzepte ein hoher<br />
Stellenwert zu.<br />
Die Konzepte des Modellvorhabens sind <strong>für</strong> andere Einrichtungen im Grundsatz<br />
unmittelbar verwertbar. Ihre praktische Umsetzung stellt allerdings eine nicht zu<br />
unterschätzende Herausforderung dar, zu deren Bewältigung viele Einrichtungen auf<br />
einen geeigneten Rahmen und auf externe Unterstützung angewiesen sein dürften.<br />
Wesentliche Elemente eines solchen Rahmens lassen sich aus der Organisation des<br />
Projekts „<strong>Referenzmodell</strong>e“ ableiten. Dazu gehören u.a. erfahrene Multiplikatoren<br />
(die in den Einrichtungen <strong>für</strong> eine stetige und zielgerichtete Konzeptumsetzung sorgen,<br />
analog zu den Modellbeauftragten der Referenzeinrichtungen), die Einbindung<br />
in einen einrichtungsübergreifenden Arbeitszusammenhang, ggf. Unterstützung bei<br />
der Organisationsentwicklung und nicht zuletzt eine kompetente fachliche Begleitung:<br />
Die <strong>Referenzkonzept</strong>e zielen nicht auf isolierte Schritte zur Verbesserung von<br />
Teilaspekten der Versorgung, sondern auf grundlegende Qualitätsverbesserungen in<br />
Kernbereichen der vollstationären Pflege. Diese Verbesserungen bzw. die Umsetzung<br />
der Konzepte setzen eine Fachlichkeit voraus, deren Herstellung von einem Teil der<br />
Einrichtungen bzw. ihrer Träger erhebliche Anstrengungen verlangt.
Zusammenfassung<br />
Teilbericht 3:<br />
Organisationsentwicklung<br />
Verfasser/innen:<br />
Brigitte Rehling<br />
unter Mitarbeit von Hildegard Heinrich, Manfred Krohn, René Bernards,<br />
Annegret Zacharias, Marion Menke<br />
Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt a. M. (ISS)<br />
29
Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
30 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6
Inhalt<br />
1. Auftrag und Ziel der Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32<br />
1.1 Konzept und methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33<br />
1.2 Beratungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34<br />
2. Wichtige Entwicklungen und Verbesserungen in den Einrichtungen<br />
– Schwerpunkte der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35<br />
2.1 Entwicklungen im Zusammenhang mit der Zuständigen Pflegefachkraft . . . . . . . .35<br />
2.2 Entwicklungen im Zusammenhang mit den Leistungsbeschreibungen . . . . . . . . . .36<br />
2.3 Entwicklungen im Zusammenhang mit dem pflegerischen Assessment,<br />
der Biografieerfassung und den Empfehlungen zur Pflegeplanung . . . . . . . . . . .37<br />
2.4 Entwicklungen im Zusammenhang mit den Rahmenkonzepten zur Qualitätssicherung .38<br />
3. Zusammenfassung: Die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Umsetzungsprozess . . . . . . . . .43<br />
31
Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
1. Auftrag und Ziel der Organisationsberatung<br />
32 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
In Übereinstimmung mit den Modellzielen war die Arbeit der Organisationsberatung<br />
darauf gerichtet, die Referenzeinrichtungen bei der Umsetzung der Konzeptanforderungen<br />
zu unterstützen. Die zentrale Zielsetzung der Organisationsberatung, auf die<br />
Umsetzung der Konzeptbausteine in den Referenzeinrichtungen hinzuwirken, war mit<br />
weiteren Zielen verbunden, die sich aus der konkreten Situation und dem spezifischen<br />
Entwicklungsbedarf der einzelnen Referenzeinrichtungen ableiteten.<br />
Im Unterschied zu anderen Organisationsberatungsprozessen wurden die Entwicklungsanforderungen,<br />
die sich aus der oben beschriebenen Zielstellung des Modellprojektes<br />
ergaben, nicht durch die Einrichtungen selbst sondern durch das Institut <strong>für</strong><br />
Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW) formuliert. Auch wenn dies mit<br />
dialogischer Rückkoppelung zu den 20 Referenzeinrichtungen geschah, so konnte<br />
unter diesen Umständen eine vorbehaltlose Identifikation der Leitungsebenen und<br />
Modellbeauftragten mit bestimmten Zielvorstellungen nicht immer vorausgesetzt werden.<br />
Auch das ISS und seine Organisationsberater/innen wurde nicht direkt von den<br />
Einrichtungen oder Trägern sondern von den Auftraggebern und Geldgebern des<br />
Modellprojekts ausgewählt und beauftragt.<br />
Für die Organisationsberatung beinhaltete diese Ausgangslage eine doppelte Verpflichtung:<br />
Zum einen fühlten sich die Berater/innen von Beginn an den Zielsetzungen<br />
des Modellprojekts verpflichtet, waren also nicht neutral. Auch bei tendenziell<br />
skeptischer Positionierung der Einrichtungen zu einzelnen Anforderungen hatten sie<br />
um ein Zieleinverständnis zu werben und auf die Umsetzung der Konzeptbausteine<br />
hinzuwirken. Zum anderen war ein vertrauensvolles Arbeitsbündnis mit den Einrichtungen<br />
zu etablieren, bei dem sich Modellbeauftragte, Leitungskräfte und Mitarbeiter/innen<br />
der Loyalität der Berater/innen sicher sein konnten.<br />
Gelingen konnte diese Balance, weil sich die ISS-Berater/innen dem Grundprinzip<br />
und Leitziel der Bewohnerorientierung verpflichtet fühlten, welches letztlich auch die<br />
Träger und Leitungskräfte bewogen hatte, sich <strong>für</strong> eine Teilnahme am Modellprojekt<br />
zu entscheiden. In diesem Grundkonsens traf man sich und konnte auch in schwierigen<br />
Situationen produktiv zusammenarbeiten. Mit dem Begriff der Bewohnerorientierung<br />
ist hier gemeint, dass die Pflege von Bewohnern/innen in der stationären Altenpflege<br />
biografieorientiert, ressourcenfördernd und -erhaltend sein soll,<br />
Risiken <strong>für</strong> Gesundheit und Unversehrtheit durch Prophylaxen ausschließt bzw.<br />
mindert,<br />
dem individuellen Unterstützungsbedarf aller Bewohner/innen auch der demenziell<br />
Erkrankten und Immobilen gerecht werden muss,<br />
sich nicht nur auf physische Unterstützung und Versorgung beschränkt sondern<br />
auch psychosoziale Begleitung bietet,<br />
auf der Grundlage einer respektvollen, wertschätzenden Haltung gegenüber<br />
Bewohner/innen und Angehörigen erbracht wird.
1.1 Konzept und methodisches Vorgehen<br />
Grundsätzlich ist Beratung immer eine Dienstleistung, die durch den Auftrag und die<br />
Kooperationsbereitschaft des Gegenübers gesteuert wird. Der Beratungserfolg ist nie<br />
eine nur vom Berater erbrachte Leistung, sondern immer das Ergebnis einer gelungenen<br />
Kooperation: nur wer sich beraten lassen will wird von einem Beratungsprozess<br />
auch profitieren können.<br />
Die Beratung der Einrichtungen erfolgt auf der Grundlage eines systemischen Organisationsverständnisses,<br />
das sich in folgenden Thesen skizzieren lässt:<br />
Die Wirklichkeit der Organisation, ihre Identität, ihr Leistungsniveau, ihre Kultur<br />
wird von allen Organisationsmitgliedern in wechselseitigem Bezug und in wechselseitiger<br />
Abhängigkeit gestaltet. Eine Steuerung ist nur möglich, wenn diese<br />
Komplexität durch klare Aufbaustrukturen und Ablaufregeln reduziert wird. Für<br />
die Beratung bedeutet dies, immer auch die Eindeutigkeit, Transparenz und Angemessenheit<br />
der jeweiligen Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Kulturen der<br />
Einrichtungen in den Blick zu nehmen.<br />
Eine lineare Logik, die davon ausgeht, dass eine bestimmte Intervention eine berechenbare<br />
Wirkung erzielt, wird der wechselwirksamen Interaktion aller Organisationsmitglieder<br />
nicht gerecht. Vielmehr ist es nötig – analog zu einem ökologischen<br />
Blick auf Zusammenhänge in der Natur – mögliche Wechsel- und Rückwirkungen<br />
hypothetisch einzukalkulieren. Auch reicht es nicht aus, sich bei der<br />
Umsetzung von Entwicklungszielen z.B. auf die verhaltenssteuernde Wirkung von<br />
Anweisungen und Regeln zu verlassen. Vielmehr ist es notwendig, dass tatsächliche<br />
Geschehen zu prüfen, Widerstände und unliebsame „Nebenwirkungen“ korrigierend<br />
zu bearbeiten. Für die Beratung folgt daraus, sich immer wieder um den<br />
Blick auf „das Ganze“ zu bemühen und dem Steuerungshandeln der Leitungsebenen<br />
besondere Aufmerksamkeit zu schenken.<br />
Es gibt keinen Standort, von dem aus die Komplexität von Organisationen objektiv<br />
eingeschätzt werden kann. Hierarchischer und informeller Status sowie die<br />
jeweils spezifischen Aufgaben bestimmen die Perspektive der einzelnen Akteure<br />
und lassen sie Unterschiedliches wahrnehmen. Für die Beratung bedeutet dies,<br />
den eigenen externen Blick möglichst durch die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen<br />
Akteuren und damit unterschiedlichen Perspektiven zu vernetzen, um sich<br />
einem vollständigen Bild <strong>zum</strong>indest zu nähern.<br />
Die formelle und informelle Ordnung, die jede Organisation entwickelt, entscheidet<br />
darüber, was wichtig und was weniger wichtig genommen wird, welche Fragestellungen<br />
und Herausforderungen wahrgenommen werden und welche nicht.<br />
Der externe Standort der Organisationsberater/innen macht es möglich, ein<br />
System zur Auseinandersetzung mit Fragestellungen anzuregen, die bisher vernachlässigt<br />
wurden.<br />
Das systemische Prinzip, dass Systeme zwar beeinflussbar, nicht aber „beherrschbar“<br />
sind, gilt auch <strong>für</strong> die Interaktion zwischen Berater und System: Beratungsinterventionen,<br />
die aus Ratschlägen bestehen, dem Gegenüber also Handlungs- und<br />
Verhaltensrezepte offerieren, sind nicht immer der wirksamste Weg <strong>für</strong> eine erfolgreiche<br />
Beratung. Die Akteure in Organisationen, deren Auftrag es ist, Entwicklungen<br />
zu betreiben und zu steuern, werden solche Ratschläge nur dann aufgreifen,<br />
wenn sie mit der eigenen Perspektive und Einschätzung kompatibel sind.<br />
Wenn nicht, werden sie überhört, uminterpretiert oder bekämpft.<br />
Das Prinzip der Ressourcenorientierung bedeutet, von der Hypothese auszugehen,<br />
dass Systeme prinzipiell fähig sind, Lösungen <strong>für</strong> Probleme zu finden, bzw. dass<br />
die erfolgreiche Bearbeitung von Mängeln und Defiziten nur dann nachhaltig<br />
gelingen kann, wenn es sich aus Sicht des Systems um eigene Problemdefinitionen<br />
und Lösungen handelt. Insofern ist jeder Beratungsprozess immer ein Akt der<br />
„Geburtshilfe“, der das implizite Wissen der Organisation über die eigenen Stärken<br />
und Schwächen sowie die grundsätzlich vorhandene Problemlösungskompetenz<br />
zu Tage fördert.<br />
33
Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
1.2 Beratungsmethoden<br />
34 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die schrittweise Einführung der Konzeptbausteine des <strong>Referenzkonzept</strong>s konkretisierte<br />
und präzisierte auch das Konzept der Organisationsberatung. Erst durch den<br />
Abgleich vorhandener Strukturen und gelebter Praxis mit den Konzeptbausteinen<br />
wurden die konkreten Entwicklungsbedarfe in den Einrichtungen deutlich, die dann<br />
<strong>zum</strong> Gegenstand der Beratung wurden.<br />
Um die vorhandene Organisationswirklichkeit einschätzen zu können, eröffneten sich<br />
die Organisationsberater/innen Zugänge aus unterschiedlichen Perspektiven durch<br />
Gespräche mit den Modellbeauftragten, den Einrichtungs- und Pflegedienstleitern/innen,<br />
vielfach auch den Wohnbereichsleitern/innen. Darüber hinaus hospitierten sie bei<br />
Übergaben und Fallbesprechungen und prüften exemplarisch Pflegedokumentationen.<br />
Kennzeichnend <strong>für</strong> die Gespräche mit den Akteuren in den Einrichtungen war es,<br />
dass die Berater/innen deren Einschätzung und Bewertung wichtiger Sachverhalte<br />
durch entsprechende Fragen erhoben. Dies bedeutete gleichzeitig, dass die<br />
Gesprächspartner/innen zu kritischer Reflexion vorhandener Umstände angeregt<br />
wurden und dabei sowohl auf Stärken wie auch auf vorhandene Schwächen und Entwicklungsbedarfe<br />
aufmerksam wurden.<br />
Ob ein vorhandener Mangel erfolgreich bearbeitet werden kann, hängt nicht zuletzt<br />
davon ab, wie klar und eindeutig beschrieben ist, aus welchen Gründen er vorhanden<br />
ist und wie konkret das Ziel benannt ist, zu dem man gelangen will. Zu fragen<br />
ist auch, wie man selbst dazu beigetragen hat, dass dieses Ziel bisher nicht erreicht<br />
wurde. In diesem Sinne regten die Organisationsberater/innen die Modellbeauftragten,<br />
teilweise aber auch die Leitungskräfte in den Einrichtungen dazu an, die hausspezifischen<br />
Entwicklungsziele so exakt wie möglich zu beschreiben und zu begründen,<br />
um dann die Umsetzungsschritte planen zu können. Auch die Frage danach, ob<br />
und wie sich das eigene Handeln verfestigend auf vorhandene Defizite auswirken<br />
könnte, wurde mit wichtigen Partner/innen in den Einrichtungen mehrfach reflektiert.<br />
Beratung ist immer eine Dienstleistung auf Zeit, gerade auch im Rahmen eines klar<br />
befristeten Modellprojekts. Umso wichtiger war es, durch die Technik des Fragens die<br />
Einrichtungen ihre eigenen Antworten und damit auch nachhaltige Problemlösungen<br />
finden zu lassen.<br />
Das Expertenwissen, dass die Berater/innen, in die Entwicklungsprozesse einbrachten,<br />
bezog sich weniger auf pflegefachliche Fragen, sondern auf Schwerpunkte des<br />
Organisationsmanagements. Dazu gehörten unterschiedliche Bereiche, wie etwa Fragen<br />
der Organisationsstruktur und Ablaufregelungen, des Qualitäts- und Projektmanagements,<br />
der Mitarbeiterführung und der Teamentwicklung. Es ging darum, günstige,<br />
absichernde Voraussetzungen und Rahmenbedingungen <strong>für</strong> die erfolgreiche<br />
Umsetzung der fachlichen Anforderungen des <strong>Referenzkonzept</strong>es zu schaffen oder<br />
zu stärken und zu erhalten.
2. Wichtige Entwicklungen und Verbesserungen in den<br />
Einrichtungen – Schwerpunkte der Beratung<br />
Die Bearbeitung jedes einzelnen Konzeptbausteins begann mit einer Soll-Ist-Analyse,<br />
bei der überprüft wurde, welche Anforderungen des jeweiligen Konzepts durch die<br />
Einrichtung bereits erfüllt wurden und welche noch nicht. Die konkreten einrichtungsbezogenen<br />
Entwicklungsziele – und damit gleichzeitig die Beratungsschwerpunkte –<br />
ergaben sich <strong>zum</strong> einen aus den bei diesen Analysen festgestellten Lücken und<br />
Abweichungen und deren Ursachen, <strong>zum</strong> anderen auch aus Hindernissen und<br />
Schwierigkeiten, die sich im weiteren Verlauf der Konzepterprobung und -umsetzung<br />
zeigten.<br />
Viele der Entwicklungsprozesse und erzielten Ergebnisse wurden durch die Bearbeitung<br />
einzelner Konzeptbausteine angestoßen. Deshalb ist es möglich, in den folgenden<br />
Absätzen eine Verbindung zwischen einzelnen Bausteinen und erzielten Verbesserungen<br />
herzustellen. Meist blieben die positiven Wirkungen aber nicht auf diese<br />
Konzeptelemente beschränkt, vielmehr beförderten sie auch die Umsetzung weiterer<br />
Bausteine. In einem weiteren Abschnitt dieses Kapitels soll der Tatsache Rechnung<br />
getragen werden, dass es darüber hinaus auch Entwicklungsergebnisse gab, bei<br />
denen eine solche Zuordnung nicht möglich ist.<br />
2.1 Entwicklungen im Zusammenhang mit der Zuständigen Pflegefachkraft<br />
Die Aufbau- und Ablauforganisation ist gewissermaßen das Gerüst, das den Leistungskräften,<br />
den Mitarbeitern und Bewohner/innen im Alltag Halt geben und planvolles,<br />
zielgerichtetes Handeln auf Dauer sichern soll. Grundsätzlich kann dies nur<br />
ein struktureller Rahmen leisten, der die Kriterien der Zielangemessenheit, der Eindeutigkeit<br />
und der Transparenz erfüllt.<br />
Bei den Soll-Ist-Analysen <strong>zum</strong> Konzeptbaustein der „Zuständigen Pflegefachkraft“<br />
wurden in vielen Referenzeinrichtungen Mängel entdeckt. Vorhandene Regelungen<br />
waren teilweise lückenhaft, teilweise missverständlich. Die Klärung von Zuständigkeiten<br />
und Verantwortlichkeiten, die durch diesen Konzeptbaustein initiiert wurde, hat<br />
sich auch <strong>für</strong> die Umsetzung der Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung als hilfreich<br />
erwiesen. Insbesondere wurde im Zusammenhang mit diesem Konzeptbaustein das<br />
Anforderungsprofil der Bezugspflegefachkräfte geschärft.<br />
Zentrale Verbesserungen, die im Zusammenhang mit diesem Baustein erfolgten,<br />
bezogen sich darauf, den Bezugspflegefachkräften eindeutig die Steuerungsverantwortung<br />
<strong>für</strong> die Pflegeprozesse der ihnen zugeordneten Bewohner/innen zuzuweisen.<br />
Mit der Anpassung der Tätigkeitsprofile war darüber hinaus verbunden, dass<br />
die Vertretungsfrage geregelt wurde: so wurden etwa alle „zuständigen Pflegefachkräfte“<br />
eines Wohnbereichs in ein System wechselseitiger Vertretung eingebunden.<br />
die hierarchische Positionierung der examinierten Zuständigen Pflegefachkräfte<br />
und der nicht examinierten Pflege- und Hilfskräfte zueinander geregelt wurde: die<br />
Steuerungs- und Koordinierungsverantwortung schloss in gewissem Maße auch<br />
Weisungsbefugnisse der Zuständigen Pflegefachkraft und deren direkte Kommunikation<br />
mit Mitarbeitern anderer Dienstbereiche (Sozialer Dienst, Küche, Hauswirtschaft,<br />
Haustechnik) ein. Soweit von solchen Diensten auch unmittelbar bewohnerbezogene<br />
Leistungen erbracht wurden, gehörten diese ebenfalls in die Steuerungsverantwortung<br />
der Zuständigen Pflegefachkraft.<br />
35
Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
36 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
In einzelnen Einrichtungen wurden parallel auch die Tätigkeitsprofile der Wohnbereichsleitungen<br />
in Abgrenzung <strong>zum</strong> Aufgabenkatalog der „Zuständigen Pflegefachkraft“<br />
entsprechend optimiert.<br />
Als Hindernisse im Umsetzungsprozess erwiesen sich u.a. ungünstige Teilzeitverträge<br />
und Dienstzeiten, mangelnde Kompetenz der Pflegefachkräfte <strong>für</strong> die Steuerungsaufgaben<br />
und deren Belastung durch pflegefremde (Hilfs-)Tätigkeiten. Viele Referenzeinrichtungen<br />
investierten deshalb viel Anstrengung und Zeit in Schulungsprogramme<br />
und veränderten – nach eingehenden Gesprächen mit den Wohnbereichsteams und<br />
einzelnen Mitarbeitern/innen – auch Dienstzeiten und die Verteilung des Stellenkontingents.<br />
Als hilfreich, weil mit Zeit- und Ressourcengewinn verbunden, erwies sich<br />
auch die Umsetzung der qualifikationsorientierten Arbeitsteilung, die im Konzeptbaustein<br />
der Leistungsbeschreibungen (hier der „mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen“)<br />
empfohlen wurde.<br />
2.2 Entwicklungen im Zusammenhang mit den Leistungsbeschreibungen<br />
Viele der Leistungen, die im Konzeptbaustein „Leistungsbeschreibungen“ beschrieben<br />
sind, wurden von den Referenzeinrichtungen schon zu Beginn des Modellprojekts<br />
erbracht. Gleichwohl machte die Bestandsaufnahme auf Mängel aufmerksam,<br />
die sich <strong>zum</strong> einen auf einzelne Leistungen (z.B. Einzel- und Gruppenangebote zur<br />
Mobilitätsförderung oder zur biografieorientierten psychosozialen Begleitung) bezogen,<br />
<strong>zum</strong> anderen aber auch auf Mängel in der Bedarfsgerechtigkeit (psychosoziale<br />
Angebote erreichten immobile und demente Bewohner/innen nicht in ausreichendem<br />
Maß) und auf die unzureichende Kooperation und Vernetzung von Pflege und Sozialem<br />
Dienst.<br />
Die im Modellprojekt realisierten Verbesserungen bezogen sich deshalb auf eine<br />
Vielzahl unterschiedlicher Schwerpunkte:<br />
Vorhandene Fortbildungspläne <strong>für</strong> die Pflegekräfte wurden überarbeitet und den<br />
herausgearbeiteten fachlichen Qualifizierungsbedarfen angepasst. Eine besondere<br />
Rolle spielte dabei das Stichwort der biografieorientierten Pflege. Vielfach<br />
wurden dabei vorhandene Kompetenzen einzelner Fachkräfte genutzt, die als<br />
Multiplikatoren eingesetzt wurden.<br />
Die Dienstzeiten des Sozialen Dienstes wurden mancherorts verändert, um psychosoziale<br />
Angebote auch in den Abendstunden oder am Wochenende realisieren<br />
zu können.<br />
In einigen Einrichtungen wurde damit begonnen, die Trennung der Bereiche<br />
„Pflege“ und „Sozialer Dienst“ weitgehend aufzuheben und die Fachkräfte des<br />
Sozialen Dienstes den Wohnbereichen zuzuordnen. In anderen Einrichtungen<br />
wurden auch hier die Zuständigkeitsregelungen geschärft und Ablaufregelungen<br />
<strong>für</strong> den wechselseitigen Austausch von Informationen und Erfahrungen sowie<br />
gemeinsame Fallbesprechungen eingeführt.<br />
Neben der zeitlichen gab es vielfach auch eine inhaltliche Ausdifferenzierung von<br />
Angeboten, um auch die bisher tendenziell vernachlässigten Bewohner/innen zu<br />
erreichen. Die Frage, wer durch das vorhandene Angebotsspektrum erreicht<br />
wurde und wer nicht, wurde in vielen Einrichtungen als eine regelmäßig zu wiederholende<br />
systematische Analyse eingeführt.
2.3 Entwicklungen im Zusammenhang mit dem pflegerischen Assessment, der Biografieerfassung<br />
und den Empfehlungen zur Pflegeplanung<br />
Durch den Konzeptbaustein <strong>zum</strong> pflegerischen Assessment entdeckten einige Referenzeinrichtungen<br />
<strong>zum</strong> einen Lücken im bisherigen Verfahren zur Prüfung von Problemen<br />
und Ressourcen ihrer Bewohner/innen. Durch das Projekt wurde das Verfahren in<br />
einigen Einrichtungen deutlich optimiert und erweitert. Dazu wurden oft ergänzende<br />
Erhebungsinstrumente etwa zur Einschätzung kognitiver Einschränkungen, von Dekubitus-<br />
und Sturzrisiken, Schmerz und des Risikos einer Mangelernährung (z.B. Expertenstandards)<br />
in das veränderte Assessmentverfahren integriert. Beim Auffinden solcher<br />
Instrumente gab es Unterstützung seitens des IPW. Darüber hinaus half hier aber<br />
auch der intensive Austausch der Modellbeauftragten untereinander. Aufgenommen<br />
wurde auch die Anforderung, das Assessment regelmäßig zu wiederholen.<br />
Das Konzeptelement zur Erfassung biografischer Informationen war vielfach Auslöser<br />
<strong>für</strong> eine gründliche Überarbeitung und Erweiterung der bis dahin genutzten „Biografiebögen“.<br />
Auch dies war wiederum verbunden mit entsprechenden Schulungen <strong>für</strong><br />
die Pflegefachkräfte. Als hilfreich <strong>für</strong> Verbesserungen erwiesen sich auch hier die<br />
bereits angestoßenen Regelungen zur Vernetzung von Pflege und Sozialem Dienst.<br />
So wurde etwa da<strong>für</strong> gesorgt, dass die biografischen Informationen, die von Pflegekräften<br />
und Fachkräften des Sozialen Dienstes erhoben wurden, tatsächlich zusammengeführt<br />
wurden und in die Pflegeplanung einfließen konnten.<br />
Bezogen auf die Anforderung einer biografieorientierten Pflege sind in vielen den<br />
Referenzeinrichtungen Schulungen zu diesem Schwerpunkt durchgeführt worden.<br />
Besonders nachhaltig wirkten dabei solche Schulungen, die sich nicht auf Vorträge<br />
und kognitive Wissensvermittlung beschränkten, sondern die Bedeutung der Biografieorientierung<br />
über unmittelbares Erleben vermittelten. Exemplarisch da<strong>für</strong> waren Maßnahmen<br />
in einer Einrichtung, wo die Pflegekräfte aufgefordert wurden, den überarbeiteten<br />
Biografiebogen selbst auszufüllen und darüber zu diskutieren, welche Wünsche<br />
und Erwartungen sie selbst an eine biografieorientierte Pflege knüpfen würden.<br />
Zusätzlich zu diesen Schulungen dienten die in vielen Einrichtungen neu etablierten<br />
Fallbesprechungen von Pflege- und Sozialdienstmitarbeiter/innen dazu, die Fortschreibung<br />
biografischer Informationen und deren angemessene Berücksichtigung in<br />
der Pflegeplanung und -praxis zu sichern.<br />
Die Auseinandersetzung mit der vorhandenen Qualität von Pflegeplanung und Pflegedokumentation<br />
hat in vielen Referenzeinrichtungen beträchtlichen Raum eingenommen.<br />
Dabei spielten Fragen, die sich auf die Reduzierung des Dokumentationsaufwandes<br />
bezogen, eine geringere Rolle. Im Vordergrund stand vielmehr die Tauglichkeit<br />
der Ziel- und Maßnahmeplanung <strong>für</strong> die Steuerung des Pflegeprozesses. Dazu<br />
gehörten u.a. Schulungen der Pflegefachkräfte zur Verbesserung der Bedarfsangemessenheit<br />
und des logischen Zusammenhangs von Problemen, Ressourcen,<br />
Zielen und Maßnahmen, sowie die Einführung von Tagesablaufplänen. Verbessert<br />
wurde vielfach auch die Erstellung von Tagesberichten: Maßgabe war hier, nicht nur<br />
Ereignisse oder gar die Durchführung geplanter Maßnahmen festzuhalten, sondern<br />
solche Besonderheiten, die <strong>für</strong> die nachfolgende Schicht wichtige Hinweise <strong>für</strong> die<br />
Pflege und die Pflegeprozesssteuerung hergaben.<br />
37
Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
2.4 Entwicklungen im Zusammenhang mit den Rahmenkonzepten zur Qualitätssicherung<br />
38 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die „Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung in zentralen Arbeitsfeldern“ umfassen<br />
– wie bereits erwähnt – sechs Einzelkonzepte zu den Schwerpunkten:<br />
Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung,<br />
Zusammenarbeit mit Angehörigen,<br />
Nächtliche Versorgung,<br />
Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen,<br />
Kooperation mit niedergelassenen Ärzten/innen,<br />
Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten<br />
Die Anforderungen der Konzeptbausteine beziehen sich auf die Gestaltung eindeutiger<br />
Rahmenbedingungen und Zuständigkeitsregelungen und auf die inhaltliche<br />
Gestaltung bestimmter Schritte in diesen Prozessabläufen. Sie sind durchaus als Rahmenkonzepte<br />
<strong>für</strong> die Abfassung von QM-Handbuchkapitel zu „Schlüsselprozessen“<br />
in jeder stationären Altenpflegeeinrichtung anzusehen. Die Referenzeinrichtungen<br />
mit einem bereits recht weit entwickelten Qualitätsmanagement verfügten deshalb<br />
schon zu Beginn des Projekts über entsprechende Kapitel und Abschnitte in ihren<br />
QM-Handbüchern. Andere Einrichtungen profitierten davon, die Einzelkonzepte zu<br />
erstellen und so das noch unvollständige Qualitätsmanagement zu erweitern und zu<br />
qualifizieren.<br />
Die zahlreichen Entwicklungen und Verbesserungen, die durch die Rahmenkonzepte<br />
zur Qualitätssicherung angestoßen wurden, können in den folgenden Abschnitten<br />
nur bezogen auf die wichtigsten Aspekte skizziert werden.<br />
Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung<br />
Die wichtigsten Veränderungen, die bezogen auf dieses Konzeptelement in Referenzeinrichtungen<br />
realisiert wurden, richteten sich auf ein verbessertes Schnittstellenmanagement<br />
und auf die intensivere und sorgfältigere Begleitung und Auswertung der<br />
Integrationsphase.<br />
Was das Schnittstellenmanagement betraf, so ging es – neben der auch hier wieder<br />
notwendigen Kooperation zwischen Sozialem Dienst und Pflege – um das koordinierte<br />
Zusammenwirken dieser Bereiche auch mit Verwaltung und Hauswirtschaft.<br />
Von vielen Einrichtungen wurden <strong>für</strong> die Begleitung der Eingewöhnungsphase Prozessstandards<br />
definiert, durch die gesichert wurde, dass mit neuen Bewohner/innen<br />
regelmäßig über ihrer Befindlichkeit in der ungewohnten Umgebung und ihre Wünsche<br />
gesprochen wurde.<br />
Manche Einrichtungen haben sich darauf verständigt, dass in Übergaben und bei<br />
Fallgesprächen neue Bewohner/innen immer besonders zu berücksichtigen sind.<br />
Man tauschte sich z.B. darüber aus,<br />
ob es Äußerungen oder Hinweise darauf gibt, dass ein/e neue/r Bewohner/in<br />
sich wohl fühlt oder nicht, bzw. ob die Angehörigen zufrieden sind und wie diese<br />
in der Begleitung genutzt bzw. abgestellt werden können,<br />
ob Be<strong>für</strong>chtungen, Ängste, Beschwerden formuliert werden und wie darauf zu reagieren<br />
ist,<br />
ob es Themen, Interessen, Formen der Kontaktaufnahme o.ä. gibt, die dem/der<br />
Bewohner/in besonders wichtig sind,<br />
welche Verhaltensweisen der/die Bewohner/in an den Tag legt und wie diese zu<br />
verstehen sind,<br />
welche biografischen Informationen <strong>für</strong> die ressourcenorientierte und psychosoziale<br />
Unterstützung und Begleitung des(der) Bewohner/in relevant sein könnten.
Eine weitere Lücke in den vorhandenen QM-Handbüchern bzw. In der Pflegepraxis<br />
betraf das vom Rahmenkonzept geforderte Integrationsgespräch, das innerhalb der<br />
ersten sechs Wochen nach Einzug eines(einer) neuen Bewohners/in durchzuführen<br />
ist. Umgesetzt wurde diese Anforderung in vielen Referenzeinrichtungen durch die<br />
Verbindung dieses Integrationsgesprächs mit der ersten Pflegevisite bzw. Pflegeevaluation.<br />
Zusammenarbeit mit Angehörigen<br />
Das Rahmenkonzept zur Zusammenarbeit mit Angehörigen beinhaltet Anforderungen,<br />
die deutlich machen, dass zwar an erster Stelle die Bewohner/innen selbst, darüber<br />
hinaus aber auch die Angehörigen als Leistungsadressaten und in gewisser<br />
Weise auch als Mitwirkende am Leistungsgeschehen betrachtet werden.<br />
Schon vor Projektbeginn wurde in allen Referenzeinrichtungen gut mit den meisten<br />
Angehörigen von Bewohnern/innen zusammengearbeitet. Abweichungen von den<br />
Anforderungen des Rahmenkonzepts bezogen sich vor allem auf die folgenden<br />
Punkte:<br />
Eine überwiegend konzeptkonforme gelebte Praxis war nicht durch Verfahrensanweisungen<br />
bzw. QM-Handbuchkapitel standardisiert und somit nicht hinreichend<br />
verlässlich.<br />
Die Dokumentation relevanter Gesprächinhalte nach Kontakten mit Angehörigen<br />
fand vielfach nicht statt.<br />
Die Einbeziehung von Angehörigen in die Pflegeplanung, vor allem aber in die<br />
Pflegepraxis war in einem Teil der Einrichtungen entwicklungsbedürftig. Ersteres<br />
beschränkte sich vielfach auf Gespräche im Rahmen der Pflegevisite, der zweite<br />
Punkt wurde allzu zufällig realisiert und war z.B. abhängig von Fragen des Zeitdrucks<br />
<strong>für</strong> die Pflegekräfte in bestimmten Pflegephasen oder auch von dem jeweils<br />
individuellen Bezug einzelner Pflegekräfte zu einzelnen Angehörigen.<br />
In einigen Häusern fühlten sich die Pflegekräfte nicht kompetent genug, um auch<br />
schwierige und konfliktträchtige Kontakte mit Angehörigen zu meistern.<br />
Zur Behebung dieser Mängel haben viele der Referenzeinrichtungen ihre Verfahrensstandards<br />
<strong>für</strong> den Umgang mit Angehörigen und <strong>für</strong> ein kundenorientiertes Beschwerdemanagement<br />
entsprechend der Vorgaben überarbeitet und konkretisiert. Um den<br />
Kontakt zwischen Pflegekräften und Angehörigen zu intensivieren, wurden darüber<br />
hinaus in vielen Einrichtungen bestehende zentrale Angebote (z.B. zentrale<br />
Angehörigenabende) zugunsten wohnbereichsbezogener Treffen abgeschafft oder<br />
minimiert. Diese wohnbereichsbezogenen Angebote führten oft zu einer merklichen<br />
Klimaverbesserung zwischen Pflegekräften und Angehörigen und beugten möglichen<br />
Konflikten vor.<br />
Nächtliche Versorgung<br />
Das Rahmenkonzept zur nächtlichen Versorgung wurde relativ spät im Projektverlauf<br />
vorgelegt. In dieser Zeit waren die Referenzeinrichtungen damit beschäftigt, die vorher<br />
eingebrachten Konzeptbausteine einzuführen und zu erproben. Deshalb ist es<br />
nicht allen Einrichtungen schon während der Modelllaufzeit gelungen, ein schriftliches<br />
Konzept zu diesem Baustein zu erarbeiten und umzusetzen.<br />
Allerdings hat die Auseinandersetzung, die in den meisten Einrichtungen <strong>zum</strong> Thema<br />
Nachtdienst stattgefunden hat, an verschiedenen Stellen <strong>für</strong> Verbesserungen gesorgt.<br />
Die Mitarbeiter/innen wurden da<strong>für</strong> sensibilisiert, sich so zu verhalten, dass sie die<br />
Nachtruhe von Bewohner/innen – etwa durch quietschendes Schuhwerk oder zu<br />
helle Lampen u.a. – nicht störten. Vielfach wurden die Arbeitsabläufe genauer analysiert<br />
und optimiert. Manche mittelbar bewohnerbezogenen Tätigkeiten – wie das<br />
Stellen der Medikamente oder das Herauslegen von Kleidungsstücken <strong>für</strong> das Ankleiden<br />
am Morgen u.ä. – konnte in den vorausgehenden bzw. folgenden Dienst verla-<br />
39
Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
40 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
gert werden. Dadurch gewannen die Nachtdienstmitarbeiter/innen Zeit <strong>für</strong> persönliche<br />
Gespräche und Kontakte mit Bewohner/innen, insbesondere mit solchen, deren<br />
Tag-Nacht-Rhythmus verändert war und die sich über eine persönliche Kontaktaufnahme<br />
freuten.<br />
Gleichzeitig waren die Nachtdienstmitarbeiter/innen angehalten, genau auf das Verhalten<br />
von Bewohner/innen während der Nacht zu achten und Besonderheiten in<br />
den Tagesberichten zu dokumentieren. Für Bewohner/innen, die in der Nacht wach<br />
und aktiv waren, wurde auf den Wohnbereichen die Möglichkeit geschaffen, sich mit<br />
Getränken und einem Imbiss zu versorgen. Wo dies durch die Architektur möglich<br />
war, wurden auch separate Sitzecken oder Räume <strong>für</strong> ein spätes Zusammensitzen<br />
oder Fernsehen eingerichtet.<br />
Einige Referenzeinrichtungen veränderten die Dienstzeiten von Spät-, Früh- und<br />
Nachtdienst. Durch eine Verlängerung des Spätdienstes oder den früheren Arbeitsbeginn<br />
am Morgen wurde die Voraussetzung da<strong>für</strong> geschaffen, dass die<br />
Bewohner/innen in stärkerem Maße selbst bestimmen konnten, wann sie zu Bett<br />
gehen oder aufstehen wollten.<br />
Einige Einrichtungen haben wechselseitige Hospitationen von Tag- und Nachtdienst<br />
eingeführt. Teilweise waren dies nicht nur Ausnahmeregelungen. Vielmehr waren die<br />
Pflegekräfte die tagsüber bzw. in der Nacht arbeiteten, gefordert, in jedem Jahr<br />
einen definierten Zeitraum in der jeweils anderen Schicht Dienst zu tun. Zur Verbesserung<br />
der Kommunikation zwischen Nacht- und Tagdienst trug auch die Regelung<br />
bei, dass in den Teamsitzungen der Wohnbereiche künftig ein/e Nachtdienstmitarbeiter/in<br />
einbezogen sein sollte.<br />
In manchen Referenzeinrichtungen war der Konzeptbaustein zur nächtlichen Versorgung<br />
Auslöser oder Ansporn <strong>für</strong> weit reichende Veränderungen bzw. Planungen.<br />
Diese bezogen sich auf das Konzept der „24-Stunden-Pflege“: Mittelfristig soll<br />
erreicht werden, dass alle Pflegekräfte alle Dienstzeiten abdecken und es keine<br />
eigene Mitarbeitergruppe <strong>für</strong> den Nachtdienst mehr gibt. Die 24-Stunden-Pflege wird<br />
durch das Konzeptelement nicht eingefordert, allerdings erleichtert sie die Umsetzung<br />
einiger inhaltlicher Anforderungen.<br />
Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen<br />
Aus der Sicht der Modellbeauftragten und Einrichtungen bestanden Schwierigkeiten<br />
vor allem in Bezug auf die Anforderung einer kontinuierlichen Begleitung eines(einer)<br />
sterbenden Bewohners/in. Aus Sicht der Organisationsberatung gab es darüber hinaus<br />
auch Unterschiede in Bezug auf die Kompetenz der Pflegekräfte, dem(der)<br />
Bewohner/in in dieser schwierigen Phase beizustehen.<br />
Für die angemessene Begleitung eines sterbenden Menschen und seiner Angehörigen<br />
mussten entsprechende Rahmenbedingungen in den Einrichtungen geschaffen<br />
werden. Festgelegt wurde z.B., dass die Sterbebegleitung Vorrang vor anderen<br />
Tätigkeiten erhalten sollte. Kündigte sich das Versterben eines/einer Bewohners/in<br />
an, musste eine unverzügliche Anpassung der individuellen Versorgung erfolgen.<br />
Um die Begleitung sterbender Bewohner aber auch die Sensibilisierung und Qualifizierung<br />
der Pflegekräfte zu sichern, kooperierten einige der Referenzeinrichtungen<br />
mit Hospizdiensten und freiwilligen Helfern/innen. Teil solcher Kooperationen war<br />
manchmal auch die systematische Fortbildung einiger Multiplikatoren/innen – in einigen<br />
Einrichtungen auch aller Mitarbeiter/innen.
Kooperation mit niedergelassenen Ärzten und Überleitungsverfahren<br />
bei Krankenhausaufenthalten<br />
Im Unterschied zu den anderen Rahmenkonzepten des <strong>Referenzmodell</strong>s ging es hier<br />
nicht nur um die Entwicklung solcher Qualitätsstandards, die in der alleinigen Verantwortung<br />
der Einrichtungen lagen. Vielmehr setzte die Umsetzung der Anforderungen<br />
eine grundlegende Kooperationsbereitschaft der externen Partner voraus. Diese zu<br />
erreichen war insbesondere bezogen auf die Ärzte schwierig und nicht immer erfolgreich.<br />
Das zentrale Ergebnis der Bearbeitung dieser Konzeptbausteine bestand in der intensiven<br />
Auseinandersetzung mit hausinternen Mängeln und Schwächen, die zu Kooperationsproblemen<br />
beitrugen. Solche Ergebnisse waren aus zwei Gründen wichtig.<br />
Zum Einen zeigten sie Handlungsspielräume <strong>für</strong> eigene, selbst zu gestaltende Verbesserungen<br />
auf und entkräfteten die manchmal wahrzunehmende Haltung, die Verantwortung<br />
<strong>für</strong> vorhandene Schwierigkeiten einseitig den externen Kooperationspartnern<br />
zuzuschieben.<br />
Zum Anderen boten sie die Basis <strong>für</strong> eine kompetente Verhandlungsführung mit dem<br />
jeweiligen Gegenüber. Indem man die Bearbeitung und Eliminierung der in der eigenen<br />
Institution vorhandenen Mängel ankündigte oder bereits vollzogen hatte, formulierte<br />
man nicht nur Wünsche, sondern konnte auch Angebote unterbreiten, die <strong>für</strong><br />
die Bewohner/innen, aber auch <strong>für</strong> Ärzte und Krankenhäuser von Nutzen waren.<br />
Umgesetzte Verbesserungen in der Kooperation mit niedergelassenen Ärzten bezogen<br />
sich im Einzelnen auf die<br />
bessere inhaltliche und personelle Vorbereitung und Koordination von Arztbesuchen<br />
in der Einrichtung,<br />
Sicherung gegenseitiger Erreichbarkeit im Notfall.<br />
Realisierte Verbesserungen in der Überleitung bei Krankenhausaufenthalten bezogen<br />
sich im Einzelnen auf<br />
die gemeinsame Überarbeitung der Überleitungsbögen,<br />
eine qualitative Verbesserung beim Ausfüllen der Überleitungsbögen (dies beinhaltete<br />
auch eine größere Sensibilisierung der Mitarbeiter/innen und eine verstärkte<br />
Kontrolle durch die Wohnbereichsleitungen),<br />
ein einheitliches Fax-Formular <strong>für</strong> die Kontakte zwischen Pflegeeinrichtungen und<br />
Krankenhäusern,<br />
die Bereitstellung von Notfalltaschen und Erstellung entsprechender Checklisten,<br />
sowie die Versorgung der Bewohner/innen im Krankenhaus mit Wäsche etc.,<br />
die Aufrechterhaltung von Kontakten zu Bewohner/innen in Krankenhäusern,<br />
den laufenden Informationsaustausch durch die Benennung fester Ansprechpartner/innen<br />
<strong>für</strong> die Krankenhäuser in den Altenpflegeeinrichtungen. Meist war dies<br />
die Pflegedienstleitung,<br />
umgehende gegenseitige Kontaktaufnahme bei dem Verdacht von pflegerischen<br />
Problemen,<br />
eine umgehende Anpassung der Pflegeplanung nach der Krankenhausentlassung.<br />
41
Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
2.5 Übergreifende Aspekte der Organisationsentwicklung<br />
42 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Jeder Organisationsentwicklungsprozess braucht entsprechende Rahmenbedingungen.<br />
Die entstehenden Anforderungen sind im Rahmen gegebener Aufbaustrukturen<br />
und Ablaufregelungen nicht zu bewältigen. Deshalb war die erste Phase des Modellprojekts<br />
dadurch gekennzeichnet, viele der Referenzeinrichtungen zu einem angemessenen<br />
Projektmanagement zu befähigen. Nicht alle brachten aus früheren Prozessen<br />
entsprechende Kompetenzen bereits mit. Aufgabe der Berater/innen war es,<br />
gemeinsam mit den Modellbeauftragten die Projektinstanzen (Steuerungsgruppe,<br />
hausinterne Projektleitung, operative Projektgruppen mit Mitarbeiterbeteiligung) zu<br />
installieren und teilweise auch zu qualifizieren. Diese Strukturen und der erzielte<br />
Kompetenzgewinn haben nicht nur die erzielten Entwicklungsergebnisse ermöglicht,<br />
sie erleichtern es den Referenzeinrichtungen auch, noch nicht abgeschlossene Entwicklungen<br />
weiter zu verfolgen.<br />
In den Prozessen der Erprobung und Umsetzung der Konzeptbausteine wurde deutlich,<br />
dass die Steuerung der Leistungsprozesse im Sinne eines fachlichen Controllings<br />
in einigen Punkten verbesserungsbedürftig war. Im Projekt wurde deshalb darauf hingewirkt,<br />
die Nachhaltigkeit der Konzeptumsetzung im Rahmen eines verbindlichen<br />
Qualitätsmanagements zu sichern. Um dies zu erreichen wurden in mehreren Referenzeinrichtungen<br />
klare Vorgaben <strong>für</strong> die Vollständigkeits- und Plausibilitätsprüfung<br />
von Pflegeplanungen, die Evaluation der Pflegeplanung und die Pflegevisite, aber<br />
auch <strong>für</strong> die alltägliche Leistungskontrolle und Mitarbeiterführung erarbeitet. In den<br />
Einrichtungen, die schon zuvor über ein weit entwickeltes Qualitätsmanagement verfügten,<br />
wurden die Veränderungen in das bestehende Steuerungsreglement integriert.<br />
In solchen Einrichtungen, in denen sich das Qualitätsmanagement noch im<br />
Aufbau befand oder vorhandene Regelungen noch nicht verbindlich genug eingehalten<br />
und überprüft wurden, konnten entsprechende Verfahren eingeführt oder reaktiviert<br />
werden.
3. Zusammenfassung:<br />
Die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Umsetzungsprozess<br />
Die Referenzeinrichtungen starteten mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in<br />
das Modellprojekt. Es lag nahe zu vermuten, dass in solchen Einrichtungen, in denen<br />
vorab bereits viele Anforderungen der Konzeptbausteine erfüllt waren, die Umsetzung<br />
der Elemente, die noch zu verändern waren, reibungsloser vor sich gehen würde.<br />
Überwiegend bestätigte sich dies, aber in Einzelfällen wurde auch deutlich, dass<br />
einige Einrichtungen mit ungünstigerer Ausgangssituation die Anforderungen schneller<br />
und erfolgreicher bearbeiten konnten als solche, die bessere Voraussetzungen<br />
hatten. Auch bei Einrichtungen mit weitgehend ähnlicher Ausgangssituation zeigten<br />
sich deutliche Unterschiede im Prozess der Erprobung und Umsetzung. Manche Referenzeinrichtungen<br />
legten in der Projektlaufzeit einen bemerkenswert weiten Entwicklungsweg<br />
zurück, in anderen vollzogen sich die Prozesse deutlich langsamer und hatten<br />
mehr Hindernisse zu bewältigen.<br />
Die in den folgenden Abschnitten beschriebenen Merkmale waren in den Referenzeinrichtungen<br />
in vielen unterschiedlichen Kombinationen vorhanden. Es gab praktisch<br />
keine Einrichtung, in der alle Merkmale nur in positiver oder nur in negativer<br />
Ausprägung vorhanden waren. Mehrfach war beobachtbar, dass ein paar der eher<br />
hinderlichen Faktoren durch das Vorhandensein positiver Merkmale in ihrer Wirkung<br />
abgeschwächt wurden – und umgekehrt.<br />
Aus Sicht der Organisationsberatung waren es die folgenden Merkmale, die <strong>für</strong> den<br />
zügigen Entwicklungsfortschritt besonders bedeutsam waren:<br />
Ein nicht nur oberflächliches, sondern konkret entwickeltes Zieleinverständnis zwischen<br />
Träger, Einrichtungs- und Pflegedienstleitung sorgte in den Referenzeinrichtungen<br />
<strong>für</strong> Handlungsfähigkeit und <strong>für</strong> beschleunigte Prozesse der Abstimmung<br />
und Entscheidung.<br />
Mangelnde Eindeutigkeit, Zielangemessenheit und Transparenz der Aufbau- und<br />
Ablauforganisation sorgte in manchen Einrichtungen <strong>für</strong> Verzögerungen der<br />
Umsetzungsprozesse. Günstige Voraussetzungen hatten hier die Referenzeinrichtungen,<br />
• bei denen Zuständigkeiten und Kompetenzen eindeutig geklärt waren, mit<br />
besonderem Augenmerk auf den Schnittstellen zwischen Pflege, Sozialem Dienst<br />
und Hauswirtschaft,<br />
• die eine enge Zusammenarbeit zwischen Sozialem Dienst und Pflege bereits vor<br />
Beginn des Modellprojekts verwirklicht hatten,<br />
• die bereits vor dem Projekt mit einem Bezugspflegesystem arbeiteten, das auch<br />
bei Ausfällen und Störungen eingehalten wurde.<br />
In einigen Einrichtungen gab es zwar sinnvolle Ablaufregelungen <strong>für</strong> wichtige Prozesse<br />
im Sinne des Qualitätsmanagements, es wurde aber kaum auf die Einhaltung<br />
dieses Reglements geachtet. Hilfreich war dagegen, wenn das vorhandene<br />
Qualitätsmanagement im Alltag tatsächlich handlungsleitende Funktion hatte.<br />
Als ein positiver Einflussfaktor ist eine gute Mitarbeiterführung zu betrachten.<br />
Kompetentes Führungshandeln, wie es in vielen der Referenzeinrichtungen zu<br />
beobachten war, zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass<br />
• Vorhandene Regelungen verbindlich eingehalten und ihre Einhaltung von den<br />
Mitarbeiter/innen auch unmissverständlich eingefordert wurde,<br />
• den Mitarbeiter/innen grundsätzlich wertschätzend begegnet wurde,<br />
• die Beteiligung der Mitarbeiter/innen am Prozess der Organisationsentwicklung<br />
gesichert und Ergebnisse solcher Beteiligung ernst genommen wurde,<br />
• Leistungsmängel frühzeitig und angemessen thematisiert und bearbeitet wurden.<br />
43
Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
44 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Zu den förderlichen Faktoren gehörte schließlich auch die Personalentwicklung. In<br />
den Referenzeinrichtungen, die durch ein umfassenderes Verständnis von Personalentwicklung<br />
gekennzeichnet waren, war beobachtbar, dass<br />
• die Personalauswahl mit großer Sorgfalt betrieben wurde,<br />
• systematische Fortbildungspläne erstellt wurden, an deren Inhalten die Mitarbeiter/innen<br />
beteiligt waren,<br />
• die kompetente Pflegeprozesssteuerung regelmäßig durch die Leitungskräfte<br />
überprüft und bei Mängeln nachgeschult wurde,<br />
• interne Multiplikatoren/innen systematisch aufgebaut und eingesetzt wurden,<br />
• Anstrengungen zur Erweiterung fachlicher Kompetenz einher gingen mit der<br />
Bearbeitung von Haltungsfragen (Bewohnerorientierung, Biografieorientierung,<br />
Ressourcenorientierung)<br />
• Ehrenamtliche Unterstützung systematisch eingeworben und begleitet wurde.<br />
Von Bedeutung waren schließlich auch Kompetenz und Status der Modellbeauftragten.<br />
Hier hatten es diejenigen leichter, die aus der zuvor ausgeübten Funktion<br />
als Qualitätsbeauftragte oder als Leitungskräfte bereits Übung und Erfahrung mit<br />
vergleichbaren Aufgabenstellungen mitbrachten. Auch wenn nicht jeder mit solchen<br />
Voraussetzungen startete, so haben alle einen enormen Entwicklungsprozess<br />
gemeistert, der auch die Entwicklung eigener fachlicher Kompetenzen und „soft<br />
skills“ einschloss. Ohne die Modellbeauftragten wäre es nicht möglich gewesen,<br />
die anspruchsvollen Ziele des Modellprojekts zu verwirklichen. Sie waren die<br />
„change agents“ in den Einrichtungen.
Zusammenfassung<br />
Teilbericht 4:<br />
Bewertung der<br />
Evaluationsergebnisse<br />
Verfasser/innen:<br />
Marion Menke, Uta Vogelwiesche, Andrea Kuhlmann, Ingo Kowalski,<br />
Eckart Schnabel unter Mitarbeit von Lena Oesterlen<br />
Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund (FFG)<br />
45
Zusammenfassung Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
46 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6
Inhalt<br />
1. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48<br />
2. Ausgangssituation in den Referenzeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48<br />
3. Abschließende Bewertung der Evaluationsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50<br />
47
Zusammenfassung Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
1. Methodisches Vorgehen<br />
48 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Um die Implementierung und Umsetzung der konzeptionellen Kernelemente in den<br />
20 Referenzeinrichtungen analysieren zu können, wurde ein umfassendes Evaluationskonzept<br />
umgesetzt. Folgende Aspekte wurden dabei berücksichtigt: formative<br />
und summative Evaluation, Messwiederholungsdesign, Erhebung und Auswertung<br />
qualitativer und quantitativer Daten, Befragung unterschiedlicher Quellen (Mitarbeiter/innen,<br />
Bewohner/innen, Angehörige, freiwillige Helfer/innen, Leitungskräfte,<br />
Modellbeauftragte); Einsatz verschiedener Datenerhebungsmethoden (schriftliche<br />
Befragung, mündliche Befragung, Verlaufsprotokolle, Dokumentenanalyse).<br />
2. Ausgangssituation in den Referenzeinrichtungen<br />
Wie sind die Einrichtungsstrukturen zu beschreiben?<br />
Für die Durchführung des Modellprojektes wurden in Nordrhein-Westfalen 20 Einrichtungen<br />
der vollstationären Altenpflege ausgewählt. Die Größe der Einrichtungen,<br />
gemessen an der Zahl der verfügbaren Plätze, lag zwischen 60 und 206 Plätzen, im<br />
Mittel bei 110. In den Modellheimen wurden im Durchschnitt 108 Pflegebedürftige<br />
betreut. Erwartungsgemäß überwog in den Einrichtungen mit durchschnittlich 82,4%<br />
der Anteil der Bewohnerinnen. Des Weiteren war Hochaltrigkeit kennzeichnend <strong>für</strong><br />
die Bewohnerschaft: das Alter der Bewohner/innen lag im Durchschnitt bei 83,2 Jahren<br />
4 . Die gegenwärtige durchschnittliche Verweildauer betrug nach eigenen Berechnungen<br />
der Heime 42 Monate 5 . In den Referenzeinrichtungen überwog die Pflegestufe<br />
II mit im Mittel 42%, gefolgt von den Pflegestufen I (29%) und III (21%), die Pflegestufe<br />
0 war mit ca. 7% eher selten. In fünf Einrichtungen waren Bewohner/innen<br />
in Pflegestufe III (Härtefallregelung); ihr Anteil fiel im Durchschnitt mit 2,8% sehr<br />
gering aus. Die Verteilung der Pflegebedürftigen nach Pflegestufen in den zwanzig<br />
Modelleinrichtungen stimmte mit geringfügigen Abweichungen mit der landesdurchschnittlichen<br />
Pflegestufenverteilung der Pflegebedürftigen in Pflegeheimen in Nordrhein-Westfalen<br />
(Statistisches Bundesamt, 2005) überein.<br />
Für die Beschreibung der Mitarbeiterstruktur in den Referenzeinrichtungen werden<br />
die Qualifikation und das Beschäftigungsverhältnis, die Fachkraftquote, die gemäß<br />
Heimpersonalverordnung mindestens 50% betragen muss, und die Betreuungsrelation<br />
dargestellt. Zum Projektbeginn überwogen in der Gruppe der Pflegefachkräfte<br />
die Altenpfleger/innen mit einem Anteil von 40% am gesamten betreuenden Personal.<br />
Auf Krankenpfleger/innen entfielen 10%. Bei den Hilfskräften stellten die angelernten<br />
Mitarbeiter/innen den größten Anteil (31%), gefolgt von einjährig qualifizierten<br />
Hilfskräften (Alten- und Krankenpflegehelfer/innen) (8%). Betrachtet man die Mitarbeiter/innen<br />
6 der beteiligten Einrichtungen nach Beschäftigungsverhältnis, fällt auf,<br />
dass die meisten Fachkräfte über ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis verfügten oder<br />
mit mehr als 50% Beschäftigungsumfang einer Teilzeitbeschäftigung nachgingen. Bei<br />
4 Die Einrichtungen wurden gebeten, nach eigenen Berechnungen Angaben <strong>zum</strong> durchschnittlichen Alter der Bewohnerschaft zu machen;<br />
hier liegen Angaben von 19 Einrichtungen vor. Eine Ausnahme stellt eine Einrichtung mit einem Angebotsschwerpunkt <strong>für</strong> junge Pflegebedürftige<br />
dar: hier beträgt das Alter der Bewohnerschaft durchschnittlich 72,8 Jahre.<br />
5 Hier lagen Angaben von 15 Einrichtungen vor.<br />
6 Die Berechnung schließt hier Mitarbeiter/innen der Arbeitsbereiche Pflege und der Sozialen Betreuung ein.
den Hilfskräften entfielen hingegen auf Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse<br />
(50% und weniger Beschäftigungsumfang) sowie geringfügig Beschäftigte<br />
jeweils etwas mehr als 20%.<br />
Die Fachkraftquote, d. h. der Anteil der Pflegefachkräfte am gesamten pflegerischen<br />
Personal lag <strong>zum</strong> Projektbeginn im Mittel bei 54,9 %. Neben der Fachkraftquote<br />
kommt dem Personalschlüssel – also der Gewichtung des Personalbestandes an der<br />
Zahl der betreuten Bewohner/innen – Bedeutung zu. Die Betreuungsrelation gibt an,<br />
wie viele Heimbewohner/innen (X) durchschnittlich von einer (1) Vollkraft (in der<br />
Pflege und Betreuung tätiges Personal, ohne Zivildienstleistende) betreut werden. In<br />
den Referenzeinrichtungen ergab sich im Durchschnitt eine Betreuungsrelation von<br />
1 : 2,5 Pflegebedürftigen (Pflegestufe 0– III) je Betreuungskraft (umgerechnet auf Vollzeitstellen,<br />
ohne Zivildienstleistende 7 ). Die Spannweite lag zwischen 1 : 1,9 und<br />
1 : 3,3.<br />
Es ist weitgehend – mit Ausnahme der Einrichtungsgröße – gelungen, die Referenzeinrichtungen<br />
so auszuwählen, dass sie als repräsentativ <strong>für</strong> alle Einrichtungen der<br />
stationären Altenpflege in Nordrhein-Westfalen angesehen werden können.<br />
Wie stellte sich die Situation in den Einrichtungen aus Sicht der Bewohner/innen<br />
und Mitarbeiter/innen dar?<br />
Die Bewohner/innen waren mit ihrer Lebenssituation im Heim zwar insgesamt zufrieden,<br />
äußerten im Detail jedoch Kritik in verschiedenen Bereichen, so dass aus ihrer<br />
Sicht Handlungsbedarf <strong>für</strong> eine Verbesserung der Strukturen und Prozesse bestand.<br />
Am häufigsten kritisierten die Bewohner/innen Mängel im Bereich des Umgangs der<br />
Mitarbeiter/innen mit den Bewohnern/innen sowie im Hinblick auf ihre sozialen<br />
Kontakte und die Mahlzeiten.<br />
Auch die Sicht der Mitarbeiter/innen war generell positiv: so beschrieben sie<br />
mäßige Arbeitsbelastungen, ein gutes Arbeitsklima und eine hohe Arbeitszufriedenheit.<br />
Als stark belastend wurde lediglich der Zeitdruck eingeschätzt. Besonderen<br />
Handlungsbedarf im Hinblick auf die Verbesserung der Bewohnersituation sahen die<br />
Mitarbeiter/innen bei der Betreuung und Versorgung demenziell erkrankter Bewohner/innen.<br />
Die interne Organisation und Kommunikation, verschiedene Qualitätssicherungsinstrumente<br />
sowie Angebote der Einrichtung <strong>für</strong> die Mitarbeiter/innen wurden<br />
ebenfalls gut bewertet – lediglich ein Supervisionsangebot wurde in der Regel<br />
nicht vorgehalten.<br />
Wie sind die konzeptionellen Grundlagen hinsichtlich der Projektbausteine<br />
in den Einrichtungen zu bewerten?<br />
In allen Modelleinrichtungen waren konzeptionelle Grundlagen vorhanden, auf welche<br />
im späteren Projektverlauf aufgebaut werden konnte. Anpassungen mussten allerdings<br />
in allen Einrichtungen erfolgen. Es gab dabei sowohl Häuser, die unter günstigen<br />
Ausgangsbedingungen in das Modellprojekt starteten und bereits viele der<br />
Anforderungen erfüllten, aber auch solche, die durch das Projekt mit einer Vielzahl<br />
neuer Anforderungen konfrontiert wurden. Und es gab Einrichtungen, bei denen<br />
bezogen auf einzelne Konzeptbausteine das eine, bezogen auf andere Bausteine<br />
aber auch das andere zutraf.<br />
7 Schüler/innen/Auszubildende, Teilnehmer/innen des Freiwilligen Sozialen Jahres sowie Praktikant/innen wurden nicht in die Berechnung<br />
einbezogen.<br />
49
Zusammenfassung Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
3. Abschließende Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
50 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Grundsätzlich sei dokumentiert, dass die Projektlaufzeit mit einer Dauer von ca. zwei<br />
Jahren sehr kurz erscheint, wenn man bedenkt, dass in dem Zeitraum die vielschichtigen<br />
Konzeptbausteine zunächst entwickelt und abgestimmt werden mussten, bevor<br />
sie in der Pflegepraxis erprobt werden konnten. Vor diesem Hintergrund soll<br />
grundsätzlich festgehalten werden, dass die Erprobung der Bausteine und die Veränderungen<br />
der Arbeitsorganisation mit Unterstützung der Organisationsberatung in<br />
einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum stattgefunden haben und die Einrichtungen<br />
insgesamt vielfältige Umsetzungsschritte geleistet haben. Der Stand der Umsetzung<br />
war in den Einrichtungen <strong>zum</strong> Ende der Projektlaufzeit unterschiedlich: Einige konnten<br />
bestimmte Konzeptbausteine vollständig umsetzen, waren da<strong>für</strong> bei der Umsetzung<br />
anderer Bausteine noch nicht so weit vorangeschritten, andere konnten aufgrund<br />
einer guten Ausgangslage die meisten Bausteine umsetzen, wieder andere<br />
haben zahlreiche Anforderungen aus allen Bausteinen umsetzen können, da<strong>für</strong> aber<br />
Bausteine mit empfehlendem Charakter zurückgestellt.<br />
Wie sind die strukturellen Rahmenbedingungen in den stationären<br />
Pflegeeinrichtungen zu bewerten und welche Schlussfolgerungen<br />
ergeben sich daraus <strong>für</strong> eine erfolgreiche Umsetzung der Konzeptbausteine?<br />
In den meisten Bereichen der Strukturdaten (z.B. Heimentgelte, Auslastung, Pflegestufenverteilung,<br />
Personalstruktur) waren am Projektende im Vergleich <strong>zum</strong> Projektbeginn<br />
nur geringfügige Veränderungen zu verzeichnen. So gab es lediglich deutliche<br />
Veränderungen hinsichtlich der Beschäftigungsverhältnisse: bei den Pflegefachkräften<br />
zeichnete sich ein Trend zu mehr Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen mit höherem<br />
Beschäftigungsumfang ab (mehr als 50% der regulären wöchentlichen Arbeitszeit).<br />
Darüber hinaus planten einzelne Heime, zukünftig aufbauorganisatorische Veränderungen<br />
und Anpassungen von Dienstzeiten der Beschäftigten im Arbeitsbereich<br />
Pflege (insbesondere Anpassung der Spät- und Nachtdienste) und <strong>für</strong><br />
Mitarbeiter/innen des Sozialen Dienstes (z.B. Einführung von Abend-/Wochenenddiensten)<br />
vorzunehmen. Da derartige strukturelle Anpassungen langfristige Vorbereitungen<br />
erfordern, konnten diese innerhalb der Projektlaufzeit nicht (mehr) in den Einrichtungen<br />
realisiert werden.<br />
Im Bereich der Qualitätsentwicklung/-sicherung berichteten alle Einrichtungen über<br />
positive Veränderungen; ungeachtet der jeweiligen Ausgangssituation und der z.T.<br />
aufwändigen Abstimmungsprozesse, z.B. mit übergeordneten Stellen der Träger,<br />
wurden die Projektanforderungen mehrheitlich als anschlussfähig bezeichnet. Aus<br />
Sicht der Einrichtungsleitungen wurde einerseits der Aufwand <strong>für</strong> die Einführung und<br />
Umsetzung der Konzeptbausteine als sehr hoch bis hoch bewertet; andererseits<br />
wurde der damit verbundene Nutzen jedoch überwiegend positiv gesehen.<br />
Eine Korrelation zwischen einzelnen strkuturellen Merkmalen und einer erfolgreichen<br />
Umsetzung der Konzeptbausteine lag nicht vor. Weder die Einrichtungsgröße, noch<br />
die Personal- oder Bewohnerstruktur sowie die Personalfluktuation erwiesen sich als<br />
Prädiktoren des Projekterfolgs. Vielmehr waren folgende Faktoren förderlich <strong>für</strong> die<br />
Konzeptumsetzung:<br />
eine gute Kooperation verschiedener Arbeitsbereiche (z.B. Pflege und Sozialer<br />
Dienst bzw. Hauswirtschaft),<br />
eine frühzeitige Beteiligung der Belegschaft an der Konzepterstellung,<br />
eine frühzeitige Beteiligung der Angehörigen und externen Kooperationspartner<br />
(z.B. Vertreter von Krankenhäusern, niedergelassene Ärzte),<br />
die Einbindung von Angehörigen und freiwilligen Helfern/innen,<br />
eine etablierte Besprechungsstruktur (z.B. Qualitätszirkel, Arbeitsgruppen),
ein „gelebtes“ Qualitätsmanagement (z.B. Bewusstsein der Mitarbeiter/innen <strong>für</strong><br />
die Qualitätsentwicklung, Controlling) und<br />
der Einsatz von Multiplikatoren (ausgewählte Mitarbeiter/innen, die an den Schulungen<br />
teilgenommen haben und weiterhin andere schulen bzw. Ansprechpartner<br />
waren).<br />
Die Erprobung der Bausteine hat gezeigt, dass Einrichtungen mit unterschiedlichen<br />
Voraussetzungen und unterschiedlicher personeller Ausstattung die Umsetzung der<br />
fachlichen Anforderungen bewältigt haben, wobei eine deutliche Qualitätsentwicklung<br />
erreicht wurde. Einige Einrichtungen mit vergleichsweise ungünstigen Voraussetzungen<br />
haben sogar sehr deutliche Fortschritte machen können und den Stand der<br />
Qualitätsentwicklung in anderen Einrichtungen überholt.<br />
Wie bewerten die Mitarbeiter/innen und Modellbeauftragten die veränderten<br />
Anforderungen?<br />
Am Projektende wurden die Mitarbeiter/innen und Modellbeauftragten zur Bewertung<br />
der verschiedenen Bausteine aufgefordert:<br />
Empfehlungen zur Zuständigen Pflegefachkraft (ZPFK)<br />
Die Anforderungen an die „Zuständige Pflegefachkraft“ wurden von der Belegschaft<br />
überwiegend positiv aufgenommen und in die Praxis umgesetzt. Allerdings gab es<br />
auch Konflikte bezüglich der zu klärenden Zuständigkeiten und der Frage danach,<br />
welche Pflegefachkräfte auch als Zuständige Pflegefachkräfte eingesetzt werden.<br />
Während des Projektzeitraums konnten die Aufgaben und Zuständigkeiten geklärt<br />
und die Arbeitsweise hinsichtlich der Funktion der Zuständigen Pflegefachkräfte<br />
erprobt werden. Schließlich fiel die Bewertung der Mitarbeiter/innen <strong>zum</strong> Projektende<br />
sehr positiv aus: Die Hälfte der befragten Mitarbeiter/innen in der Pflege,<br />
wobei sich an der Befragung Fach- und Hilfskräfte beteiligten, waren selbst Zuständige<br />
Pflegefachkräfte. Diese Zuständigen Pflegefachkräfte gaben an, dass sich die<br />
Versorgung der Bewohner/innen durch die Umsetzung dieses Konzeptbausteins<br />
bereits verbessert habe.<br />
Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen<br />
Die Mitarbeiter/innen reagierten auf die Einführung der Leistungsbeschreibungen<br />
innerhalb einer Einrichtung aber auch im Vergleich der Referenzeinrichtungen untereinander<br />
unterschiedlich. Trotz Verunsicherung und Angst vor Überforderung waren<br />
größtenteils positive Reaktionen zu verzeichnen. Die Schulungen haben gezeigt,<br />
dass die Leistungsbeschreibungen zu mehr Klarheit und Transparenz hinsichtlich des<br />
Leistungsprofils insgesamt und einzelner Maßnahmen geführt haben. Im Verlauf der<br />
Erprobung wurde deutlich, dass angesichts der qualifikationsorientierten Arbeitsteilung<br />
bei den mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen auch eine gewisse Konfliktfreudigkeit<br />
aufkam, da die Arbeitsteilung teilweise angepasst werden musste. Nach<br />
der Erprobung bewerteten die Mitarbeiter/innen die Leistungsbeschreibungen positiv:<br />
Die Mehrheit der Mitarbeiter/innen gab an, dass die Nutzung der Leistungsbeschreibungen<br />
<strong>für</strong> sie eine Verbesserung im Vergleich zur vorherigen Arbeitsweise<br />
darstellen. Bis <strong>zum</strong> Ende der Projektlaufzeit hat etwa ein Viertel der Einrichtungen<br />
die Anforderungen an eine qualifikationsorientierte Arbeitsteilung erfüllen<br />
können, etwa zwei Drittel der Einrichtungen stimmten überwiegend mit der qualifikationsorientierten<br />
Arbeitsteilung bei den mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen<br />
überein. Die Leistungsbeschreibungen haben zu einer reflektierten und zusammenhängenden<br />
Arbeits- und Pflegeplanung sowie zu einem größeren Bewusstsein <strong>für</strong> die<br />
Bedeutung der psychosozialen Betreuung der Bewohner/innen geführt. Darüber hinaus<br />
wurde eine bessere Kooperation zwischen den Hierarchieebenen bzw. den Mitarbeitern/innen<br />
der Pflege und des Sozialen Dienstes befördert. Die Angebote <strong>für</strong><br />
die Bewohner/innen wurden geprüft, die Schulungen der Mitarbeiter/innen führten<br />
zu einer vermehrten Durchführung von Prophylaxen, es konnte eine Qualitätssteigerung<br />
bei der Pflegedokumentation erreicht werden, die Bewohner/innen werden stärker<br />
ressourcenorientiert versorgt, und die Leistungen werden gerechter verteilt.<br />
51
Zusammenfassung Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
52 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Pflegerisches Assessment<br />
Auch die Reaktionen der Mitarbeiter/innen auf die Anforderungen an das pflegerische<br />
Assessment waren weitgehend positiv. Zum Projektende war den zuständigen<br />
Mitarbeitern/innen der Erhebungsbogen bekannt, wobei mehr als ein Drittel angab,<br />
dass sich die Qualität des Assessments durch die Anforderungen verbessert habe.<br />
Nahezu alle Einrichtungen konnten die Anforderungen an das pflegerische Assessment<br />
während der Projektlaufzeit umsetzen. Mehrere Modellbeauftragte gaben an,<br />
dass sich seit der Erprobung des angepassten Assessments das Risikomanagement<br />
deutlich verbessert hat. Insgesamt wurde der Nutzen von den Modellbeauftragten als<br />
ausgesprochen hoch bewertet. Die Anforderungen an das pflegerische Assessment<br />
legen „klare Richtlinien <strong>für</strong> Mitarbeiter“ fest, und die „Individualität der Bewohner tritt<br />
stärker in den Vordergrund“. Ein „sehr hoher Nutzen“ wurde seitens der Modellbeauftragten<br />
auch darin gesehen, „dass ein umfangreiches Assessment dauerhaft eine<br />
präventive und prophylaktische Pflege sichert“ und somit “bei kontinuierlicher Erhebung<br />
der Daten eine zeitnahe und qualitätsgesicherte Versorgung möglich ist“. 8<br />
Kriterienkatalog zur Erfassung biografischer Informationen<br />
Die Reaktionen auf den Kriterienkatalog zur Erfassung biografischer Informationen<br />
waren dagegen zunächst unterschiedlich. Einige Mitarbeiter/innen sahen die biografische<br />
Arbeit eher als zusätzliche Pflicht und Belastung an, wobei auch Überforderungen<br />
bei der Durchführung biografischer Gespräche deutlich wurden. Zum<br />
Abschluss erlebte die weit überwiegende Mehrheit das Wissen um biografische Informationen<br />
als hilfreich <strong>für</strong> den Umgang mit den Bewohnern/innen und mehrheitlich<br />
wurde eine Verbesserung der Biografiebögen benannt. Die weit überwiegende Mehrheit<br />
der Einrichtungen gibt <strong>zum</strong> Abschluss der Projektlaufzeit an, dass sie vollständig<br />
mit den Kriterienkatalog weiter arbeiten bzw. die noch fehlenden Anforderungen<br />
künftig umsetzen werden.<br />
Verbesserte Dokumentationsformen<br />
Die Empfehlungen <strong>für</strong> verbesserte Dokumentationsformen galten im Projekt nicht als<br />
verpflichtend hinsichtlich der Anwendung. Angesichts der Vielzahl der anderen Konzeptbausteine<br />
hatte sich daher die Hälfte der Einrichtungen entschlossen, diese Empfehlungen<br />
nicht umzusetzen. Die Mitarbeiter/innen der Einrichtungen, die ihre Dokumentationsformen<br />
entsprechend verändert haben, waren mehrheitlich der Ansicht,<br />
dass sich sowohl der Umfang der Pflegeplanung reduziert hat und die Tagesablaufpläne<br />
<strong>für</strong> die Versorgung der Bewohner/innen hilfreich waren als auch weniger Zeit<br />
<strong>für</strong> die Dokumentation benötigt wurde. Auch die Ergebnisse der Leistungserfassungen<br />
zeigen, dass der Aufwand <strong>für</strong> die Pflegedokumentation <strong>zum</strong>indest leicht rückläufig<br />
war. Die Modellbeauftragten gaben ebenfalls an, die Pflegedokumentation sei insgesamt<br />
übersichtlicher, transparenter und individueller geworden.<br />
Qualitätsmaßstäbe bzw. Rahmenkonzepte<br />
Alle Rahmenkonzepte wurden von den Mitarbeitern/innen überwiegend positiv<br />
bewertet und in der täglichen Arbeit umgesetzt, obwohl zunächst meist eine gewisse<br />
Skepsis beobachtbar war, dass diese eine zusätzliche Arbeitsbelastung darstellen.<br />
Dennoch wurde im Detail an einzelnen Anforderungen Kritik geübt:<br />
Hinsichtlich des Qualitätsmaßstabs <strong>zum</strong> Einzug in eine Pflegeeinrichtung erwies sich<br />
die Erstellung der Pflegeplanung auf der Basis des pflegerischen Assessments innerhalb<br />
von maximal zwei Wochen nach dem Heimeinzug als problematisch.<br />
Die Auseinandersetzung mit dem Qualitätsmaßstab zur Zusammenarbeit mit<br />
Angehörigen verdeutlichte gelegentlich mangelnde Gesprächsführungskompetenzen,<br />
die künftig im Rahmen der Qualifizierung von Mitarbeiter/innen stärker berücksichtigt<br />
werden sollten.<br />
8 Die hier zitierten Sätze entstammen der Abschlussbefragung der Modellbeauftragten.
Die Reaktionen der Mitarbeiter/innen auf den Qualitätsmaßstab zur nächtlichen Versorgung<br />
waren sehr unterschiedlich, da sie meistenteils mit einer Veränderung von<br />
Dienstzeiten einherging. Einige Einrichtungen haben Zwischendienste eingeführt und<br />
die Dienstzeiten bzw. das Schichtsystem verändert. Da derartige Umstrukturierungen<br />
eine längere Vorbereitungszeit benötigen, konnten die Anforderungen meist noch<br />
nicht in der gewünschten Form umgesetzt werden. Dennoch konnten in einem Viertel<br />
der Einrichtungen z.B. Angebote in den Abendstunden entwickelt und auch die Flexibilisierung<br />
der Zeiten des Aufstehens bzw. Zubettgehens durch die Einführung von<br />
Zwischendiensten oder veränderten Schichtdiensten erreicht werden.<br />
Der Qualitätsmaßstab zur Sterbebegleitung hatte aus Sicht der Modellbeauftragten<br />
eine verbesserte Einbindung von Angehörigen und freiwilligen Helfern/innen und<br />
damit eine Entlastung der Mitarbeiter/innen zur Folge.<br />
Trotz des Qualitätsmaßstabs zur Kooperation mit niedergelassenen Ärzten/innen<br />
erlebten die Mitarbeiter/innen weiterhin, dass sie bei fehlender Einhaltung von<br />
Absprachen (z.B. Arztbesuche, die während der Morgen- oder Abendpflege bzw.<br />
Übergaben stattfanden) die Leidtragenden waren. Zum Abschluss der Projektlaufzeit<br />
wurden im Vergleich zu den anderen Konzeptbausteinen am wenigsten Anforderungen<br />
umgesetzt. Dies mag <strong>zum</strong> einen darauf zurückzuführen sein, dass dieser Qualitätsmaßstab<br />
später eingeführt wurde und <strong>zum</strong> anderen darauf, dass die Terminabsprachen<br />
mit den Ärzten/innen besonders aufwändig waren.<br />
Während der Erprobung des Qualitätsmaßstabs zu Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten<br />
beurteilten die Leitungskräfte und die Mitarbeiter/innen die<br />
Kooperation mit den Krankenhäusern zunehmend besser. Die stärkere Einbindung<br />
von Angehörigen wurde als Entlastung erlebt, die mangelnde Auskunftsbereitschaft<br />
einiger Krankenhäuser dagegen als problematisch. Nach der Entlassung aus dem<br />
Krankenhaus wurden die Bewohner/innen häufig intensiver begleitet als früher und<br />
auch die Pflegeplanung konnte häufiger zeitnah angepasst werden.<br />
Welche Auswirkungen konnten durch die Interventionen auf die<br />
Pflege- und Lebensqualität der Bewohner/innen festgestellt werden?<br />
Ein zentrales Ziel des Forschungsprojektes bestand darin, eine Verbesserung der Versorgung<br />
der Bewohner/innen zu erreichen. Es sei vorweggenommen, dass die<br />
Ergebnisqualität nicht im Sinne teilnehmender Beobachtung und Begutachtung<br />
geprüft wurde; dennoch lassen sich angesichts der schriftlichen und mündlichen<br />
Befragungen der Bewohner/innen und Mitarbeiter/innen sowie der Leistungserfassungen<br />
während der Projektlaufzeit <strong>zum</strong>indest Tendenzen aufzeigen, die Verbesserungen<br />
der Pflege- und Lebensqualität andeuten.<br />
Eine verbesserte Betreuung von demenzkranken bzw. kognitiv beeinträchtigten<br />
Bewohnern/innen konnte dahingehend erzielt werden, dass psychosoziale Leistungen<br />
gerechter auf die Bewohnergruppen mit unterschiedlichen Einschränkungsgraden<br />
verteilt wurden. Außerdem lassen sich eine stärkere Mobilisierung der<br />
Bewohner/innen sowie eine Ausweitung von Freizeitangeboten bzw. Angeboten im<br />
Bereich der psychosozialen Betreuung und eine tendenziell vermehrte Ressourcenorientierung<br />
erkennen.<br />
Eine stärkere Biografieorientierung hat laut Angaben der meisten Modellbeauftragten<br />
zu einer individuelleren Planung von Maßnahmen und einer stärkeren Berücksichtigung<br />
von Aktivitäten und Gewohnheiten geführt. Die Einrichtungen haben zunehmend<br />
Biografiebögen eingeführt und auch biografische Informationen in den Pflegedokumentationen<br />
berücksichtigt. Die Befragungsergebnisse haben aber auch<br />
gezeigt, wie bedeutsam ein sensibler Umgang bei der Erfassung und Nutzung biografischer<br />
Informationen ist, da Bewohner/innen sich nicht nur über ein gesteigertes<br />
Interessen an ihrer Person freuen, sondern es auch Bedenken und Zurückhaltung<br />
(„der gläserne Bewohner“) gibt, die akzeptiert werden wollen.<br />
53
Zusammenfassung Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
54 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
In der Tendenz haben die Anforderungen an die Zuständigen Pflegefachkräfte durch<br />
deren Steuerungsfunktion in der Pflegeprozess- und Versorgungskoordination zu<br />
einer verbesserten Planung der Pflege und Kontinuität des Pflegeprozesses geführt.<br />
Dies hat sich beispielsweise in den zugeteilten Zuständigkeiten der Fachkräfte <strong>für</strong><br />
bestimmte Bewohnergruppen gezeigt und sich darüber hinaus positiv auf die Versorgung<br />
im Rahmen von Krankenhausaufenthalten oder durch niedergelassene<br />
Ärzte/innen ausgewirkt. Darüber hinaus konnten in einigen Einrichtungen vermehrt<br />
Angehörige und freiwillige Helfer/innen in die Betreuung eingebunden werden.<br />
Neben einer vermehrten Mobilisierung, Ressourcenförderung und Biografieorientierung<br />
wurden auch zusätzliche Angebote entwickelt, die u.a. der Förderung von Sozialkontakten<br />
dienen (z.B. Grillnachmittag, Kaffeetrinken, hauseigene Caféteria). Bei<br />
der Überprüfung der Angebote wurde insbesondere darauf geachtet, dass immobile<br />
und demenzkranken Bewohner/innen eingebunden wurden. Darüber hinaus hat es<br />
einige Verbesserungen in Bezug auf die Freizeitangebote in den Abend- und Nachtstunden<br />
gegeben, dabei handelte es sich überwiegend um häufigere Film- und Fernsehabende,<br />
„Klönabende“ oder Stammtischveranstaltungen, die von den Bewohnern/innen<br />
gut angenommen wurden. Dennoch wünschten sich einige Bewohner/<br />
innen mehr Kontakte und eine stärker familiär geprägte Atmosphäre.<br />
Fazit<br />
Die Konzeptbausteine sind anschlussfähig an die Praxis. Sie dienen der Optimierung<br />
von Arbeitsprozessen und der Verbesserung der pflegerischen Versorgung. Sie verbessern<br />
die zentralen Anforderungen an die Versorgungsqualität wie Mobilitätsförderung,<br />
stärkere Berücksichtigung psychischer-sozialer Problemlagen und Bedürfnisse<br />
sowie die Biografieorientierung.
Teilbericht 1:<br />
Aufbau und Ablauf<br />
des Modellvorhabens<br />
Verfasser/innen:<br />
Marion Menke, Eckart Schnabel, Uta Vogelwiesche<br />
Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund (FFG)<br />
55
Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />
56 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6
Inhalt<br />
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58<br />
1. Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59<br />
2. Organisation des Modellvorhabens und Aufgaben der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . .60<br />
3. Zeitplan (2004–2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62<br />
57
Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />
Einleitung<br />
58 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die Sicherung und Weiterentwicklung der Lebensqualität älterer pflegebedürftiger<br />
Menschen stellt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar. Vor dem Hintergrund des<br />
demografischen Wandels und den damit einhergehenden Veränderungen der Altersund<br />
Morbiditätsstruktur sowie abnehmender informeller Pflegepotenziale bleibt die<br />
Pflege und Versorgung von alten Menschen ein zentrales Thema und wird zugleich<br />
eine ständig wachsende Herausforderung nicht nur der Sozialpolitik.<br />
Auch über zehn Jahre nach Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes fehlen in<br />
Deutschland noch verbindliche und von Kosten- und Leistungsträgern gleichermaßen<br />
getragene Versorgungsstandards und Qualitätskriterien, die das anzustrebende Qualitätsniveau<br />
pflegerischer Versorgung und den entsprechend notwendigen Personalbedarf<br />
<strong>für</strong> vollstationäre Pflegeeinrichtungen bestimmen könnten und gleichzeitig<br />
transparent und nachvollziehbar wären. Unterschiedliche Perspektiven und Interessen<br />
der an der Pflege beteiligten Akteure legen es zudem nahe zu fragen, inwieweit die<br />
Perspektive der pflegebedürftigen Menschen stärker in diesen Prozess miteinbezogen<br />
werden kann. Fragen zur Lebensqualität und zur Qualität pflegerischer Versorgung<br />
sind ohne die gebührende Berücksichtigung der Nutzerperspektive nicht zu beantworten.<br />
Nur durch deren umfassende Einbeziehung kann es gelingen, fachliche und<br />
allgemein menschliche Forderungen an die Pflege mit den individuellen Wünschen<br />
und Bedürfnissen in Einklang zu bringen.<br />
Der Landespflegeausschuss hat unter diesen Gesichtspunkten im Januar 2002<br />
beschlossen, aufbauend auf den Untersuchungsergebnissen der Studie „Pflegebedarf<br />
und Leistungsstruktur in vollstationären Pflegeeinrichtungen” (Wingenfeld & Schnabel,<br />
2002) 9 eine weitere Verbesserung der Qualität der Pflege in den vollstationären<br />
Pflegeeinrichtungen anzustreben und dazu geeignete Maßnahmen zu fördern. Die<br />
damalige Studie hat erstmals auf einer breiten empirischen Basis verdeutlichen können,<br />
wie sich das gegenwärtige Leistungsgeschehen in der vollstationären Pflege darstellt<br />
und welche Defizite, aber auch welche Verbesserungsmöglichkeiten und Entwicklungspotenziale<br />
sich in der Pflege alter Menschen verorten lassen. Zudem konnten<br />
entsprechende Daten gewonnen werden, die geeignet sind, die Diskussion um<br />
die Personalbemessung wie auch um die im Rahmen des Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes<br />
(PQSG) geforderten Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen auf eine rationale<br />
Basis zu stellen.<br />
Anknüpfend an diese Vorarbeiten wurde die Durchführung des hier vorgestellten<br />
Modellvorhabens beschlossen, dessen Vorbereitung im Frühjahr 2004 begonnen und<br />
das im Sommer 2006 abgeschlossen wurde. Im Mittelpunkt des Vorhabens standen<br />
die Entwicklung, Implementierung und Evaluation von folgenden konzeptionellen Kernelementen:<br />
Pflegeprozesssteuerung und Versorgungskoordination („Zuständige Pflegefachkraft“);<br />
Anforderungen an das pflegerische Assessment und die Biografieerfassung;<br />
Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen <strong>für</strong> die pflegerische<br />
Versorgung in vollstationären Pflegeeinrichtungen;<br />
Rahmenkonzepte <strong>für</strong><br />
• den Heimeinzug,<br />
• die Angehörigenarbeit,<br />
• die nächtliche Versorgung,<br />
• die Sterbebegleitung,<br />
• die Kooperation mit niedergelassenen Ärzten/innen sowie<br />
9 Wingenfeld, K. & Schnabel, E. (2002). Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Eine Untersuchung im<br />
Auftrag des Landespflegeausschusses. Duisburg: WAZ-Druck.
1. Zielsetzungen<br />
• die Überleitung bei Krankenhausaufenthalten;<br />
• Empfehlungen zur verbesserten Pflegeplanung und -dokumentation. 10<br />
Diese Konzeptbausteine des so genannten <strong>Referenzkonzept</strong>s wurden in 20 vollstationären<br />
Pflegeeinrichtungen (Referenzeinrichtungen) in Nordrhein-Westfalen erprobt.<br />
Das Vorhaben wurde von den Spitzenverbänden der Pflegekassen, dem Bundesministerium<br />
<strong>für</strong> Gesundheit (BMG) und dem <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) finanziert. Das Diakonische Werk Westfalen<br />
e.V. war Projektträger. Die wissenschaftliche Begleitung erfolgte durch das Institut<br />
<strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW) und das Institut <strong>für</strong><br />
Gerontologie an der Universität Dortmund (FfG). Die 20 Referenzeinrichtungen wurden<br />
in Form von Organisationsberatung durch das Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik<br />
e.V. (ISS, Frankfurt a. M.) maßgeblich vor Ort unterstützt. 11<br />
Mit dem Modellvorhaben sollten geeignete Voraussetzungen zur Verbesserung der<br />
Situation pflegebedürftiger Menschen in vollstationären Einrichtungen geschaffen,<br />
und die oben genannten Konzeptbausteine praxisnah entwickelt und in den Pflegeeinrichtungen<br />
modellhaft erprobt werden: 12<br />
Primäres Ziel des Projektes ist es, vollstationäre Pflegeeinrichtungen bei der Qualitätsentwicklung<br />
in der Pflege und der Weiterentwicklung qualitätsgesicherter Versorgungsformen<br />
zu unterstützen. Das im Rahmen des Modellvorhabens entwickelte<br />
Instrumentarium zur Verbesserung der Qualität sollte auf andere Einrichtungen<br />
übertragbar sein („Anschlussfähigkeit“) und allen an diesem Prozess<br />
Beteiligten eine Orientierungshilfe bei Einführung der pflegewissenschaftlicher<br />
Erkenntnisse, der Weiterentwicklung der fachlichen Arbeit, der Optimierung von<br />
qualitätsgesicherten Arbeitsabläufen und der hierzu erforderlichen sachlichen und<br />
personellen Ausstattung bieten.<br />
Darüber hinaus sollte das Vorhaben einen Bezugsrahmen <strong>für</strong> den Abschluss von<br />
Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen erarbeiten.<br />
Es wurden außerdem Problemlösungen entwickelt, die auf eine Optimierung der<br />
Ablaufprozesse gerichtet sind und eine zügige sowie unbürokratische Umsetzung<br />
zulassen. Insoweit haben die Referenzeinrichtungen auch Beratung und Unterstützung<br />
zur Prüfung und ggf. Optimierung in den Bereichen Ablauforganisation, Personaleinsatz<br />
und Kooperation mit externen Personen bzw. Institutionen erhalten.<br />
10 Vgl. <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, MAGS (Hrsg.) (2007). <strong>Referenzmodell</strong>e – Praxisleitfaden zur Qualitätsentwicklung<br />
in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Teil A. Düsseldorf.<br />
11 Die während des Projektverlaufs veröffentlichten Projektbroschüren bezüglich der Projektbeschreibung (Nr. 1), der Leistungsbeschreibungen<br />
(Nr. 2), der übergeordneten Qualitätsmaßstäbe (Nr. 3) und einer Tagungsdokumentation mit Zwischenergebnissen (Nr. 4) sowie<br />
aktuelle Hinweise <strong>zum</strong> Thema befinden sich auf der Homepage des Projektes unter www.referenzmodelle-nrw.de<br />
12 Die folgenden Zielsetzungen und auch die Struktur des Modellprojektes entsprechen weitgehend den in der ersten Projektbroschüre dargelegten<br />
Inhalten, da sich dahingehend keine Veränderungen ergeben haben. Dort finden sich außerdem die Portraits der beteiligten<br />
Pflegeeinrichtungen. Vgl. hierzu <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW (Hrsg.) (2005). <strong>Referenzmodell</strong>e zur<br />
Förderung der qualitätsgesicherten Weiterentwicklung der vollstationären Pflege 2004–2006. Düsseldorf.<br />
59
Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />
2. Organisation des Modellvorhabens und Aufgaben<br />
der Beteiligten<br />
Abb. 1:<br />
Projektbeteiligte<br />
im Überblick<br />
60 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die Durchführung des komplexen Modellvorhabens erforderte das Zusammenwirken<br />
unterschiedlicher Personen bzw. Institutionen in verschiedenen Gremien sowie eine<br />
organisierte Kommunikationsstruktur, die die effiziente Zusammenarbeit aller Beteiligten<br />
ermöglichte. Im Projekt <strong>Referenzmodell</strong>e wirkten verschiedene Gremien bzw.<br />
Institute mit. Es handelt sich dabei um den so genannten Steuerungskreis, den Begleitausschuss,<br />
verschiedene Expertenrunden, die Projektsteuerung (FfG: Forschungsgesellschaft<br />
<strong>für</strong> Gerontologie e.V./ Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund),<br />
die wissenschaftliche Begleitung (IPW: Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der<br />
Universität Bielefeld und Forschungsgesellschaft <strong>für</strong> Gerontologie e.V./ Institut <strong>für</strong><br />
Gerontologie an der Universität Dortmund), die Organisationsberatung (ISS: Institut<br />
<strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpäsagogik in Frankfurt a. M.)und die Modellbeauftragten<br />
(MB) aus den 20 Referenzeinrichtungen (s. Abb. 1).<br />
Steuerungskreis Projektsteuerung<br />
(FFG) Wissenschaftliche<br />
Begleitung<br />
(IPW/FFG)<br />
Begleitausschuss<br />
Expertenrunden<br />
20 Einrichtungen<br />
Modellbeauftragte<br />
(MB)<br />
Organisationsberatung<br />
(ISS)<br />
Steuerungskreis:<br />
Dieses Gremium nahm eine allgemeine Steuerungsverantwortung wahr (initiierte z.B.<br />
bei Bedarf die Einberufung von Expertenrunden) und beschloss darüber hinaus bei<br />
Bedarf Modifikationen des Arbeits- und Zeitplans. Mitglieder des Steuerungskreises<br />
waren Vertreter/innen folgender Einrichtungen:<br />
Initiatoren: Landespflegeausschuss Nordrhein-Westfalen;<br />
Fördergeber: Spitzenverbände der Pflegekassen, <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit<br />
und Soziales des Landes NRW und das Bundesministerium <strong>für</strong> Gesundheit;<br />
Projektträger: Diakonisches Werk Westfalen e.V.;<br />
Wissenschaftliche Begleitung: Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund;<br />
Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld;<br />
Organisationsberatung: Institut <strong>für</strong> Sozialpädagogik und Soziale Arbeit in Frankfurt<br />
a. M.<br />
Begleitausschuss:<br />
Der Begleitausschuss wurde regelmäßig von den <strong>für</strong> die Projektsteuerung und die wissenschaftliche<br />
Begleitung Verantwortlichen über den Stand des Modellvorhabens<br />
informiert. Aufgabe des Begleitausschusses war es, die an der Modelldurchführung
Beteiligten in der Abstimmung und Klärung fachlicher Fragen zu unterstützen. Der<br />
Begleitausschuss setzte sich vorwiegend aus Vertretern/innen des Landespflegeausschusses<br />
Nordrhein-Westfalen zusammen.<br />
Wissenschaftliche Begleitung:<br />
Die wissenschaftliche Begleitung wurde vom Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität<br />
Dortmund (FfG) und vom Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld<br />
(IPW) übernommen und umfasste insbesondere folgende Aufgabenbereiche:<br />
Entwicklung der konzeptionellen Kernelemente in Abstimmung mit den anderen<br />
Beteiligten (IPW; vgl. Teilbericht 2),<br />
Mitwirkung bei Schulungsmaßnahmen <strong>für</strong> die Modellbeauftragten der Einrichtungen<br />
und beratende Unterstützung bei der Implementation (IPW; vgl. Teilbericht 2),<br />
Allgemeine beratende Funktionen während des gesamten Modellverlaufs<br />
Begleitende Evaluation (FfG; vgl. Teilbericht 4).<br />
Expertenrunden:<br />
Expertenrunden wurden bei Bedarf zu spezifischen Fragestellungen einberufen und<br />
haben eine beratende Funktion. Die Unterstützung durch Expertinnen und Experten<br />
war erforderlich, um die Kompatibilität der Standards mit den formalen Anforderungen<br />
zu gewährleisten. Im Verlauf des Projekts wurden beispielsweise Expertinnen und<br />
Experten zu folgenden den Themen „verbesserte Dokumentationsformen“ und zur<br />
„nächtliche Versorgung“ befragt.<br />
Projektsteuerung und -koordination:<br />
Die Modellsteuerung und -koordination wurde vom Institut <strong>für</strong> Gerontologie (FfG)<br />
wahrgenommen. Dabei standen insbesondere organisatorische Aufgaben im Vordergrund:<br />
die Auswahl der Modelleinrichtungen;<br />
die Beratung und Unterstützung der Einrichtungen bei der Personalauswahl<br />
(Modellbeauftragte);<br />
die Sicherstellung der Kommunikation zwischen allen Beteiligten;<br />
die Koordination von Sitzungsterminen, Expertentreffen und Schulungen;<br />
die Überwachung der ordnungsgemäßen Durchführung von inhaltlicher und zeitlicher<br />
Planung, insbesondere die Begleitung der Einrichtungen bzw. ihrer Modellbeauftragten;<br />
die Unterstützung der Einrichtungen bei Implementierungsproblemen organisatorischer<br />
Art (sofern ohne Einbeziehung der wissenschaftlichen Begleitung möglich);<br />
die Koordination der Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen und wissenschaftlicher<br />
Begleitung;<br />
die Zusammenführung von Rückmeldungen aus den Modelleinrichtungen.<br />
Organisationsberatung:<br />
Um die 20 Referenzeinrichtungen bei der Umsetzung der Ziele des Modellvorhabens<br />
zu unterstützen, hat das Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. in Frankfurt<br />
a. M. (ISS) die Aufgabe der Organisationsentwicklung und Organisationsberatung<br />
übernommen. Es gehörte zu den Aufgaben der Organisationsberatung, die Einrichtungen<br />
vor Ort zu beraten, den Beratungsprozess systematisch zu erfassen und<br />
wichtige Prozessstationen und -ereignisse in den Referenzeinrichtungen zu begleiten.<br />
Für jeweils fünf Modelleinrichtungen war ein/e Berater/in des ISS während des<br />
gesamten Projektverlaufs zuständig (vgl. Teilbericht 3).<br />
61
Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />
62 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Modellbeauftragte der Einrichtungen:<br />
Den Referenzeinrichtungen wurde <strong>für</strong> die Projektlaufzeit jeweils eine Mitarbeiterstelle<br />
refinanziert, so dass eine Person aus der Einrichtung (i.d.R. waren es Pflegefachkräfte,<br />
Wohnbereichs- oder Pflegedienstleitungen) <strong>für</strong> die vielfältigen Aufgaben im<br />
Rahmen des Modellvorhabens zur Verfügung stehen konnte. Diese so genannten<br />
Modellbeauftragten übernahmen in erster Linie<br />
Aufgaben der Schulung und Beratung der Mitarbeiter/innen in ihren jeweiligen<br />
Einrichtungen,<br />
die Verantwortung <strong>für</strong> die Implementierung der entwickelten Leistungsbeschreibungen<br />
und Rahmenkonzepte,<br />
die Durchführung der organisatorischen Anpassungen im Rahmen der einrichtungsinternen<br />
Qualitätsentwicklung und<br />
die Aufgaben im Rahmen der Kooperation zwischen der jeweiligen Einrichtung,<br />
der wissenschaftlichen Begleitung und der Organisationsberatung.<br />
Während des Modellvorhabens fanden regelmäßige Arbeitstreffen zwischen Modellbeauftragten,<br />
wissenschaftlicher Begleitung und Organisationsberatung statt. Diese<br />
Arbeitstreffen waren in vier Regionalgruppen organisiert: die Modellbeauftragten<br />
von je fünf Referenzeinrichtungen trafen sich mit Vertretern/innen der wissenschaftlichen<br />
Begleitung (IPW und FfG) und einem/einer Organisationsberater/in des ISS.<br />
Diese Regionalgruppen tagten monatlich und dienten der Diskussion der Konzeptbausteine<br />
(vgl. Teilbericht 2), der Umsetzungsstrategien und dem wechselseitigen<br />
Austausch von Erfahrungen und konkreten Instrumenten zur Umsetzung der Qualitätsanforderungen.<br />
Dabei berichteten die Modellbeauftragten in regelmäßigen Abständen<br />
über den Stand der Implementierung und Erprobung. Schließlich sorgten sie in<br />
ihren Einrichtungen <strong>für</strong> die notwendigen Voraussetzungen zur Durchführung der<br />
begleitenden Evaluation.<br />
Zusätzlich fanden in größeren zeitlichen Abständen gemeinsame Treffen von allen<br />
beteiligten Modellbeauftragten statt, an denen <strong>zum</strong> Teil auch die Heim- und/oder<br />
Pflegedienstleitungen beteiligt waren. Je nach Modellphase dienten diese Arbeitstreffen<br />
der Schulung, dem Austausch und der Auswertung von Erfahrungen und der Rückmeldung<br />
von Zwischenergebnissen der Evaluation.<br />
3. Zeitplan (2004 –2006)<br />
Die Auswahl der Referenzeinrichtungen war im Frühjahr 2004 abgeschlossen. Im Juli<br />
2004 fand das erste Zusammentreffen der Heimleitungen und Modellbeauftragten<br />
aus den Referenzeinrichtungen mit Vertretern/innen der beteiligten Institute statt, um<br />
die gemeinsame Arbeit aufzunehmen. In der ursprünglichen Projektplanung war die<br />
Projektlaufzeit von 24 Monaten in drei Phasen aufgeteilt:<br />
1. Vorbereitungsphase (ca. 6 Monate): Abstimmung der geplanten Maßnahmen,<br />
Schulungsmaßnahmen <strong>für</strong> die Modellbeauftragten und organisatorische Vorbereitungen<br />
in den Einrichtungen.<br />
2. Einführungsphase (ca. 6 Monate): Umsetzung der Maßnahmen, Anleitung des<br />
Einrichtungspersonals, ggf. organisatorische Anpassungen.
3. Erprobungs- und Evaluationsphase (ca. 12 Monate): In dieser Phase sollte überprüft<br />
werden, ob sich die entwickelten Leistungsdefinitionen, Qualitätskriterien<br />
und übergeordnete Rahmenkonzepte im Versorgungsalltag bewähren und inwieweit<br />
sie ggf. modifiziert werden müssen.<br />
Aufgrund der nacheinander zu entwickelnden Konzeptbausteine, die nicht alle<br />
während der ersten sechs Monate vorgelegt werden konnten, haben sich diese Phasen<br />
nicht als drei aufeinander folgende Phasen erwiesen, sondern sie verliefen schließlich<br />
<strong>für</strong> die einzelnen Konzeptbausteine parallel bzw. haben sich überschnitten. Nachdem<br />
die ersten Bausteine entwickelt worden waren, wurden sie in den Einrichtungen<br />
erprobt. Während einzelne Konzeptbausteine bereits erprobt wurden, konnten andere<br />
gerade erst eingeführt werden und wieder andere befanden sich noch in der Entwicklung.<br />
Die Entwicklung der Konzeptbausteine hat sich u.a. deshalb ausgedehnt, da<br />
eine inhaltliche Abstimmung zwischen wissenschaftlicher Begleitung und den Modellbeauftragten<br />
(in den Regionalgruppen) bzw. deren Einrichtungen erfolgt ist. Darüber<br />
hinaus musste außerdem der Steuerungskreis zustimmen und der Begleitausschuss<br />
bzw. Expertinnen und Experten waren in die Beratungen eingebunden.<br />
Die folgende Tabelle bietet einen Überblick, wann die jeweilige Entwicklung eines<br />
konzeptionellen Kernelements abgeschlossen werden konnte. Daran schlossen sich in<br />
den Einrichtungen die Einführungs- und Erprobungsphase <strong>für</strong> den jeweiligen Baustein<br />
an. Daraus ergibt sich, dass die Erprobungszeit <strong>für</strong> die einzelnen Konzeptbausteine<br />
unterschiedlich ausfiel, so dass sich die Dauer der Erprobung der zuletzt abgestimmten<br />
Bausteine auf wenige Monate erstreckt. Hinzu kommt, dass die Einrichtungen die<br />
Bausteine vor dem Hintergrund des einrichtungsspezifischen Bedarfs bzw. abhängig<br />
von dem jeweiligen Stand der Qualitätsentwicklung mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung<br />
bearbeitet haben.<br />
Zwischen Juli und September 2004 erfolgte zunächst der Aufbau der organisatorischen<br />
Strukturen der Zusammenarbeit aller Beteiligten. Währenddessen wurden seitens<br />
des Instituts <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW) die ersten<br />
Bausteine entwickelt und in den Regionalgruppen diskutiert bzw. den anderen<br />
genannten Gremien abgestimmt.<br />
Konzept Vorlage der zu<br />
erprobenden Version<br />
Kriterienkatalog zur Biografieerfassung Oktober 2004<br />
Leistungsbeschreibungen Januar 2005<br />
Rahmenkonzept zu Überleitungsverfahren<br />
bei Krankenhausaufenthalten<br />
Januar 2005<br />
Katalog der mittelbar bewohnerbezogene Leistungen Februar 2005<br />
Rahmenkonzept zur Unterstützung des Heimeinzugs Februar 2005<br />
Rahmenkonzept zur Sterbebegleitung Februar 2005<br />
Empfehlungen zur Zuständigen Pflegefachkraft Juni 2005<br />
Verbesserte Dokumentationsformen Juli 2005<br />
Rahmenkonzept zur Angehörigenarbeit September 2005<br />
Anforderungen an das pflegerische Assessment September 2005<br />
Rahmenkonzept zur Kooperation mit<br />
niedergelassenen Ärzten/innen<br />
September 2005<br />
Rahmenkonzept zur nächtlichen Versorgung Dezember 2005<br />
Die konkrete Vorgehensweise mit Blick auf die Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
wird nachfolgend dargelegt.<br />
Tab. 1: Übersicht<br />
über den zeitlichen<br />
Projektverlauf<br />
63
Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />
64 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6
Teilbericht 2:<br />
Konzeptentwicklung<br />
und Implementationsbegleitung<br />
Verfasser/innen:<br />
Klaus Wingenfeld, Dieter Heitmann und Ursula Korte-Pötters<br />
Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW)<br />
65
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
66 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6
Inhalt<br />
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68<br />
1. Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69<br />
2. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .70<br />
3. Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen in der vollstationären Pflege 72<br />
3.1 Problemhintergrund und Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .72<br />
3.2 Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .73<br />
3.3 Zum Charakter der Leistungsbeschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74<br />
3.4 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .75<br />
3.5 Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .77<br />
3.6 Zentrale Anforderungen an die Versorgungsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .79<br />
3.7 Abschließende Konzeptmodifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82<br />
4. Übergeordnete Qualitätsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84<br />
4.1 Zur Auswahl der Themenfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84<br />
4.2 Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .85<br />
4.3 Funktion und Charakter der Qualitätsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .86<br />
4.4 Qualitätsmaßstab „Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung“ . . . . . .88<br />
4.5 Qualitätsmaßstab „Zusammenarbeit mit Angehörigen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .91<br />
4.6 Qualitätsmaßstab „Nächtliche Versorgung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .94<br />
4.7 Qualitätsmaßstab: „Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen“ . . . . . . . . . . . . . . .98<br />
4.8 Qualitätsmaßstab „Kooperation mit niedergelassenen Ärzten“ . . . . . . . . . . . . .100<br />
4.9 Qualitätsmaßstab „Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten“ . . . . . .103<br />
5. Pflegeprozesssteuerung und Versorgungskoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .107<br />
5.1 Funktion und Aufgaben der „Zuständigen Pflegefachkraft“ (ZPFK) . . . . . . . . . . .107<br />
5.2 Kriterienkatalog „Pflegerisches Assessment“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .111<br />
5.3 Erfassung von Informationen zur Biografie und Lebenssituation . . . . . . . . . . . .114<br />
5.4 Verbesserte Dokumentationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .117<br />
6. Implementationsbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .121<br />
7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .123<br />
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126<br />
67
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
Einleitung<br />
68 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und den damit einhergehenden<br />
Veränderungen der Alters- und Morbiditätsstruktur stellt die Sicherung und Weiterentwicklung<br />
der Lebens- und Versorgungsqualität in stationären Pflegeeinrichtungen eine<br />
zunehmend wichtige Herausforderung dar. Um sie zu bewältigen, bedarf es verstärkter<br />
Anstrengungen aller beteiligten Akteure. Die Notwendigkeit einer nachhaltigen<br />
Qualitätsentwicklung in der vollstationären Pflege wird schon seit langem intensiv diskutiert,<br />
allerdings stehen durchgreifende Veränderungen in der Versorgungspraxis<br />
noch aus. In den vergangenen Jahren wurde zunehmend deutlich, dass gängige Konzepte<br />
der Qualitätssicherung zu einseitig auf Anforderungen externer Qualitätsprüfungen<br />
ausgerichtet sind und manche Kernfragen der Sicherstellung einer fachgerechten<br />
pflegerischen Versorgung zu wenig berücksichtigen. Nach wie vor fehlt es an<br />
grundlegenden, allgemein akzeptierten Standards, Maßstäben und Kriterien, die das<br />
anzustrebende Qualitätsniveau bestimmbar machen und damit Orientierungshilfen<br />
<strong>für</strong> eine zielgerichtete Qualitätsentwicklung, aber auch <strong>für</strong> eine Bestimmung des Personalbedarfs<br />
liefern könnten.<br />
Das nordrhein-westfälische Modellprojekt <strong>Referenzmodell</strong>e zur Förderung der qualitätsgesicherten<br />
Weiterentwicklung der vollstationären Pflege (im Folgenden kurz:<br />
„<strong>Referenzmodell</strong>e“) sollte solche Grundlagen bereitstellen und konkrete Wege aufzeigen,<br />
wie sich Qualitätsverbesserungen in zentralen Versorgungsfeldern trotz schwieriger<br />
Rahmenbedingungen erreichen lassen. Von Mitte des Jahres 2004 bis Ende<br />
2006 arbeiteten in diesem Projekt Wissenschaftler, Berufspraktiker, Vertreter von Trägerverbänden,<br />
Kostenträgern, Medizinischen Diensten, Betroffenenorganisationen<br />
und andere Akteure zusammen, um tragfähige Konzepte zur Gestaltung der stationären<br />
pflegerischen Versorgung zu entwickeln (vgl. MGSFF 2005).<br />
Das Modellprojekt entstand aufgrund einer Initiative des nordrhein-westfälischen Landespflegeausschusses.<br />
Dieser beschloss im Januar 2002, aufbauend auf den Untersuchungsergebnissen<br />
der Studie „Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären<br />
Pflegeeinrichtungen“ (Wingenfeld/Schnabel 2002) eine weitere Verbesserung<br />
der Qualität der Versorgung in vollstationären Pflegeeinrichtungen anzustreben<br />
und dazu geeignete Maßnahmen zu fördern. Die Studie hatte auf einer breiten empirischen<br />
Basis verdeutlicht, wie sich Bedarfslagen und das Leistungsgeschehen in der<br />
vollstationären Pflege gegenwärtig darstellen.<br />
Anknüpfend an diese Studie wurde die Durchführung des Modellvorhabens „<strong>Referenzmodell</strong>e“<br />
beschlossen. Im Mittelpunkt des Vorhabens stand die Entwicklung von<br />
transparenten, nachvollziehbaren und an die Praxis anschlussfähigen Leistungsbeschreibungen<br />
und Qualitätsmaßstäben, die in 20 vollstationären Pflegeeinrichtungen<br />
in Nordrhein-Westfalen erprobt und evaluiert wurden (vgl. MGSFF 2005). Das Vorhaben<br />
wurde von den Spitzenverbänden der Pflegekassen, dem Bundesministerium<br />
<strong>für</strong> Gesundheit und dem <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales finanziert.<br />
Das Diakonische Werk Westfalen e.V. übernahm die Projektträgerschaft. Die Konzeptentwicklung<br />
und fachliche Begleitung der Referenzeinrichtungen erfolgte durch<br />
das Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW), die Evaluation<br />
durch das Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund (IfG). Die 20 Referenzeinrichtungen<br />
wurden außerdem durch das Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik<br />
(ISS) bei der Umsetzung der Konzepte beratend unterstützt.<br />
Der vorliegende Abschlussbericht des IPW stellt das Vorgehen und die Ergebnisse<br />
der Konzeptentwicklung vor und beschreibt die Projekterfahrungen im Zusammenhang<br />
mit der fachlichen Begleitung bei der Konzeptumsetzung. Die Ausführungen zu
den einzelnen Konzeptbausteinen beschränken sich dabei auf grundlegende Fragen,<br />
da die Bausteine mit einer gesonderten Publikation der Öffentlichkeit vorgelegt werden<br />
13 . Ausgenommen bleibt der Konzeptbaustein „Bedarfsklassifikation“.<br />
1. Aufgabenstellung<br />
Das Modellvorhaben sollte Wege aufzeigen, wie ein nachhaltiger Prozess der Qualitätsentwicklung<br />
in vollstationären Pflegeeinrichtungen initiiert werden kann. Dabei<br />
waren Lösungen anzustreben, die mehreren dringlichen Aufgaben Rechnung tragen.<br />
Entsprechend der Vorgaben der Modellkonzeption zielte das Vorhaben darauf ab,<br />
den Pflegeeinrichtungen ein Instrumentarium zur Bewältigung aktueller Versorgungsanforderungen<br />
zur Verfügung zu stellen,<br />
eine Grundlage <strong>für</strong> den Abschluss künftiger Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen<br />
(oder anderer Vereinbarungen) in Form einer Systematik von Leistungsbeschreibungen<br />
und Qualitätskriterien bereitzustellen 14 ,<br />
Wege zur Optimierung der Nutzung fachlicher und organisatorischer Ressourcen<br />
aufzuzeigen.<br />
Die Konzepte sollten so ausgestaltet sein, dass sie einerseits fachlichen Standards<br />
genügen, andererseits unproblematisch in den Versorgungsalltag integriert werden<br />
können, d. h. anschlussfähig sind, die gegebenen fachlichen Ressourcen in den Einrichtungen<br />
nicht überfordern und eine möglichst zügige und unbürokratische Umsetzung<br />
ermöglichen.<br />
Die Modellkonzeption vom 14.3.2003 legte die Anforderungen an die Bereitstellung<br />
bzw. Entwicklung von fachlichen Konzepten sowie an die Implementationsbegleitung<br />
bereits in groben Zügen fest. Hiervon ausgehend waren folgende Konzeptbausteine<br />
zu entwickeln:<br />
Eine Leistungssystematik („Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen<br />
in der vollstationären Pflege“), die das Profil des Leistungsangebotes, das heute<br />
in den Pflegeeinrichtungen vorgehalten werden sollte, näher definiert. Es handelt<br />
sich allerdings nicht allein um ein Klassifikationssystem. Die Leistungsbeschreibungen<br />
verstehen sich vielmehr auch als Arbeitshilfe <strong>für</strong> die individuelle Pflege.<br />
Ein System zur Bedarfsklassifikation, mit dem Aussagen zu Art und Umfang des<br />
Unterstützungsbedarfs in Abhängigkeit vom individuellen Profil der Pflegebedürftigkeit<br />
getroffen werden können und das Verkürzungen, wie sie der Pflegestufensystematik<br />
nach dem SGB XI aus<strong>zum</strong>achen sind (vgl. Landtag NRW 2005: 29ff),<br />
zu vermeiden versucht.<br />
So genannte übergeordnete Qualitätsmaßstäbe, die sich auf die Gestaltung der<br />
Rahmenbedingungen und Verfahrensweisen in ausgewählten, besonders wichtigen<br />
Segmenten des Versorgungsalltags beziehen, und zwar auf<br />
13 Korte-Pötters, U./Wingenfeld, K./Heitmann, D. (2007): Konzepte zur Sicherstellung der Versorgungsqualität in vollstationären Pflegeeinrichtungen.<br />
In: <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW (Hg.): <strong>Referenzmodell</strong>e – Praxisleitfaden zur Qualitätsentwicklung<br />
in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Düsseldorf<br />
14 Das Projekt sollte also Ergebnisse bereitstellen, mit denen sich die <strong>für</strong> die Gestaltung der pflegerischen Versorgung maßgeblichen Stellen<br />
auf Landes-, ggf. auch auf Bundesebene über Qualitätsanforderungen, Fragen des Leistungsprofils und der Personalausstattung in der<br />
vollstationären Pflege auf einer rationalen Basis verständigen können.<br />
69
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
70 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
• Verfahrensweisen im Zusammenhang mit dem Einzug neuer Bewohner,<br />
• die Zusammenarbeit mit Angehörigen,<br />
• die Sicherstellung einer bedarfsgerechten nächtlichen Versorgung,<br />
• die Gestaltung des Übergangs von Bewohnern in ein Akutkrankenhaus,<br />
• die Kooperation mit niedergelassenen Ärzten,<br />
• die fachgerechte Begleitung sterbender Heimbewohner.<br />
Konzepte zur Optimierung der Steuerung des individuellen Pflegeprozesses, insbesondere<br />
• Empfehlungen zur Gestaltung von Funktion und Aufgaben der prozesssteuernden<br />
Pflegefachkraft und zur Umsetzung einer qualifikationsorientierten Arbeitsteilung,<br />
• Anforderungen an die Gestaltung des pflegerischen Assessments,<br />
• Anforderungen an die Erfassung von Informationen zur Biographie und Lebenssituation<br />
des Bewohners vor dem Heimeinzug und<br />
• ein Konzept zur Ausgestaltung neuer Formen der Pflegedokumentation.<br />
Über die Entwicklungsarbeiten hinaus kam dem IPW die Aufgabe zu, die Referenzeinrichtungen<br />
bei der Umsetzung der Konzepte im Rahmen der praktischen Erprobung<br />
fachlich zu begleiten. Diese Implementationsbegleitung sollte Hilfestellungen<br />
geben, um Anpassungen im Versorgungsalltag auf eine Art und Weise durchzuführen,<br />
die den Anforderungen der Konzepte entspricht.<br />
2. Methodisches Vorgehen<br />
Das besondere Merkmal des Modellvorhabens bestand in der Zusammenarbeit zwischen<br />
Wissenschaft und Praxis, die sich sowohl auf die Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte<br />
als auch die Implementation dieser Konzepte erstreckt.<br />
Darüber hinaus erfolgte die Konzeptentwicklung in Abstimmung mit verschiedenen<br />
Gremien und Arbeitsgruppen. Das Modellvorhaben sollte am Ende praktisch<br />
erprobte Konzepte der Qualitätsentwicklung bereitstellen, die nicht nur von einzelnen<br />
Pflegeeinrichtungen aufgegriffen werden, sondern in der pflegerischen Versorgung<br />
insgesamt Breitenwirkung entfalten können. Eine der daraus resultierenden Konsequenzen<br />
besteht in einem dichten Geflecht aus Gremien und Abstimmungsprozessen,<br />
in das die wissenschaftlich gestützte Konzeptentwicklung eingebunden war. Alle<br />
Akteure, die maßgeblich an der Gestaltung der stationären pflegerischen Versorgung<br />
mitwirken, sollten in die Begleitung des Modellvorhabens eingebunden werden und<br />
damit Gelegenheit erhalten, ihre jeweilige Problemsicht einzubringen.<br />
Die Entwicklungsarbeiten waren dementsprechend eingebettet in eine relativ komplexe<br />
Struktur begleitender Gremien und anderer Arbeitszusammenhänge. Hierzu<br />
gehörten<br />
vier Regionalgruppen, in denen jeweils fünf Modellbeauftragte der Referenzeinrichtungen<br />
und ein Vertreter der beteiligten Institute zusammentrafen. Sie tagten in<br />
regelmäßigen Abständen und bildeten <strong>für</strong> die Konzeptentwicklung den zentralen<br />
Ort der Abstimmung zwischen Wissenschaft und Praxis.
der Steuerungskreis, der sich aus den beteiligten Instituten, den Fördergebern,<br />
dem Vorsitzenden des Landespflegeausschusses und dem Projektträger zusammensetzte,<br />
eine allgemeine Steuerungsverantwortung wahrnahm und zudem als<br />
Forum der inhaltlichen Abstimmung fungierte.<br />
ein Begleitausschuss, der die Konzeptentwürfe vor Beginn der praktischen Erprobung<br />
eingehend diskutierte. Die Mitglieder des Begleitausschusses wurden vom<br />
nordrhein-westfälischen Landespflegeausschuss benannt und repräsentierten insofern<br />
die dort vertretenen Akteure.<br />
Expertenrunden, die jeweils zur Bearbeitung oder Diskussion ausgewählter Themen<br />
einberufen wurden. So erfolgte die Entwicklung des Qualitätsmaßstabs zur<br />
Zusammenarbeit der Einrichtungen mit niedergelassenen Ärzten in enger Kooperation<br />
mit Dr. med. Dipl.-Psych. Barbara Höft (Institutsambulanz Gerontopsychiatrie,<br />
Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, ehem. Landesärztin <strong>für</strong><br />
Gerontopsychiatrie) und Dr. med. Wolfgang Seyfarth (ehemaliger Grundsatzreferent<br />
Pflegeversicherung beim MDK Nordrhein). In Vorbereitung des Qualitätsmaßstabs<br />
zur nächtlichen Versorgung wurde ein Workshop gemeinsam mit Vertretern<br />
aus mehreren (nicht am Modellprojekt beteiligten) Einrichtungen durchgeführt, die<br />
auf diesem Gebiet bereits interessante Konzepte erarbeitet und umgesetzt hatten.<br />
Ferner ist auf die Kooperation mit dem Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität<br />
Witten/Herdecke hinzuweisen, das um eine fachliche Stellungnahme zu<br />
den Konzeptentwürfen gebeten wurde 15 . Schließlich gab es noch verschiedene<br />
weitere Arbeitskontakte, die <strong>zum</strong>eist dem fachlichen Austausch dienten.<br />
Ausgehend von der Zielsetzung, anschlussfähige Konzepte zu erarbeiten, waren die<br />
beteiligten Referenzeinrichtungen in den meisten Fällen intensiv in die Entwicklungsarbeiten<br />
einbezogen. Je nach Konzeptbaustein ergab sich dabei ein anderes konkretes<br />
Vorgehen, das im Verlauf der folgenden Ausführungen genauer geschildert wird. Im<br />
Großen und Ganzen folgten jedoch alle Entwicklungsarbeiten dem gleichen Muster:<br />
In einem ersten Schritt entwickelte das IPW auf der Basis verschiedener Vorarbeiten<br />
Konzeptentwürfe.<br />
Diese Entwürfe durchliefen umfangreiche Abstimmungsprozesse, in die sowohl<br />
die Referenzeinrichtungen als auch die projektbegleitenden Gremien einbezogen<br />
waren.<br />
Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Abstimmungsprozesse erfolgte noch einmal<br />
eine inhaltliche und formale Anpassung. Die daraus hervorgegangenen Konzepte<br />
wurden den Einrichtungen zur praktischen Erprobung übergeben 16 .<br />
An die Erprobung, d. h. <strong>zum</strong> Ende des Modellvorhabens, schloss sich eine<br />
gemeinsame Auswertung der Erprobungserfahrungen mit den Modellbeauftragten<br />
an. Daraus resultierten nochmalige Konzeptmodifikationen, die im Gesamtbild<br />
nur wenige inhaltliche Anpassungen, allerdings viele Ergänzungen bzw. Veränderungen<br />
auf der Ebene von Erläuterungen und Kommentierungen umfassten.<br />
Die auf diesem Weg optimierten Konzepte wurden schließlich noch einmal <strong>für</strong> die<br />
Publikation im Rahmen eines umfangreichen Praxisleitfadens aufbereitet, der in der<br />
ersten Jahreshälfte 2007 der interessierten Fachöffentlichkeit übergegeben werden<br />
soll (Korte-Pötters et al. 2007).<br />
15 Namentlich: Frau Prof. Dr. S. Bartholomeyczik, Frau M. Peters (MScN) und Frau D. Renner (MScN).<br />
16 Einige dieser Konzeptversionen (Leistungsbeschreibungen und Qualitätsmaßstäbe) sind bereits vor Abschluss der Erprobung veröffentlicht<br />
worden (vgl. Korte-Pötters/Wingenfeld 2005 und Wingenfeld et al. 2006).<br />
71
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
72 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die fachliche Implementationsbegleitung zur Unterstützung der Einrichtungen bei der<br />
Konzeptumsetzung erfolgte in unterschiedlichen Formen. Auch in dieser Hinsicht kam<br />
den regelmäßig tagenden Regionalgruppen ein hoher Stellenwert zu. Darüber hinaus<br />
leistete das IPW kontinuierlich eine einrichtungsindividuelle Beratung, teils in<br />
Form längerer, direkter Arbeitsgespräche, teils auf telefonischem Weg. Die Implementationsbegleitung<br />
erwies sich als sehr wichtig, um den Einrichtungen eine Orientierungshilfe<br />
zur Verfügung zu stellen, mit der sie a) Schritte der Qualitätsentwicklung<br />
auf der Basis der Konzepte zielgerichtet einleiten konnten und b) Detailprobleme<br />
fachlicher Art, die erst im Verlauf von Veränderungen im Arbeitsalltag sichtbar werden<br />
und die je nach Einrichtung unterschiedlich ausfallen, bewältigen konnten.<br />
3. Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen<br />
in der vollstationären Pflege<br />
Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Entwicklung der „Leistungsbeschreibungen“ waren einige<br />
Ergebnisse und methodische Vorarbeiten des Forschungsprojekts „Pflegebedarf und<br />
Leistungsstruktur in der vollstationären Pflege“ (Wingenfeld/Schnabel 2002 – im Folgenden<br />
kurz: NRW-Studie). Dieses Projekt ging zurück auf eine Initiative des Landespflegeausschusses<br />
Nordrhein-Westfalen und wurde in der Zeit von 1999 bis 2001<br />
durchgeführt. Es sollte einen Beitrag dazu leisten, die in vielen Bereichen noch<br />
lückenhafte Informationsgrundlage zur Beschreibung und Beurteilung von Strukturen<br />
der Pflegebedürftigkeit und des Leistungsgeschehens in stationären Pflegeeinrichtungen<br />
zu verbessern. Die Untersuchung erstreckte sich auf insgesamt 27 Pflegeeinrichtungen<br />
in Nordrhein-Westfalen, dort jeweils auf eine Wohnetage/Pflegegruppe und<br />
damit auf rund 730 Bewohner.<br />
3.1 Problemhintergrund und Zielsetzungen<br />
Die Ergebnisse der NRW-Studie dokumentieren u.a. eine einseitige Konzentration<br />
der pflegerischen Versorgung auf körperliche Bedarfslagen. Fragen der Bewältigung<br />
psychischer Erkrankungen und ihrer Folgeprobleme, die aufgrund des hohen Anteils<br />
dementiell Erkrankter den Lebensalltag in den Heimen stark prägen, werden danach<br />
zwar nicht gänzlich vernachlässigt, aber auch nicht systematisch aufgegriffen und in<br />
Form einer planvollen, individuellen Interventionsstrategie <strong>zum</strong> Gegenstand der<br />
Pflege gemacht. Vielmehr wird auf psychische bzw. verhaltensbezogene Problemlagen<br />
vorrangig „spontan“ reagiert, vor allem in Situationen, in denen sich Gefährdungen,<br />
Störungen, psychische Überforderungen oder andere problematische Situationen<br />
anbahnen oder bereits manifestiert haben. Die Versorgung ist den Untersuchungsergebnissen<br />
zufolge also durch ein Handeln geprägt, welches in erster Linie<br />
auf akute, von den Mitarbeitern unmittelbar wahrnehmbare Bedarfslagen ausgerichtet<br />
ist. In engem Zusammenhang damit steht die Beobachtung, dass sich die Aufmerksamkeit<br />
der Mitarbeiter auf solche Bewohner konzentriert, die in der Lage sind, ihre<br />
Bedürfnisse an die Pflegenden heranzutragen oder Situationen herzustellen, in denen<br />
eine unmittelbare Intervention erforderlich wird. Je weniger mobil die Bewohner, also
3.2 Methodisches Vorgehen<br />
je weniger ihre Bedürfnisse und psychischen Problemlagen im Wohnbereichsalltag<br />
präsent sind, umso seltener erhalten sie außerhalb von körperbezogenen Pflegehandlungen<br />
Unterstützung.<br />
Die Studie zeigte des Weiteren, dass der Grundsatz einer ressourcenfördernden<br />
bzw. ressourcenerhaltenden Pflege im Versorgungsalltag wenig <strong>zum</strong> Zuge kommt.<br />
Entsprechende Ansätze konzentrieren sich auf Personen, bei denen davon auszugehen<br />
ist, dass sich die jeweilige Pflegehandlung nicht in die Länge zieht. Zeitlich<br />
umfangreiche Anleitungssequenzen besitzen im Versorgungsalltag Seltenheitswert.<br />
Nicht zuletzt aufgrund der in vielen Fällen angespannten Personalsituation hat sich<br />
vielmehr eine Praxis herausgebildet, in der die Mitarbeiter danach streben, Maßnahmen<br />
so rasch wie möglich zu erledigen und dabei ggf. auch Eigenaktivität von<br />
Bewohnern zurückzuweisen.<br />
Diese und andere Untersuchungsergebnisse stehen im Einklang mit anderen Bestandsaufnahmen<br />
der Versorgungsqualität in stationären Pflegeeinrichtungen (vgl. z.B.<br />
Landtag NRW 2005). Sie bildeten einen wesentlichen Bezugspunkt <strong>für</strong> die Entwicklung<br />
der Leistungsbeschreibungen: Diese sollten das Profil eines Leistungsangebots<br />
abbilden, mit dem auf die Problem- und Bedarfslagen der heutigen Heimbewohner<br />
adäquat reagiert werden kann. Sowohl die Art und Weise, wie Leistungen definiert<br />
und voneinander abgegrenzt werden, als auch die Erläuterungen und Maßgaben zur<br />
Anwendung der Systematik weisen konkrete Bezüge zu den skizzierten Problemfeldern<br />
auf, die mit der NRW-Studie abgebildet wurden. Sie fordern beispielsweise<br />
eine stärkere Gewichtung von Unterstützungsleistungen, die auf psychische Problemlagen<br />
und Bedürfnisse ausgerichtet sind,<br />
eine Akzentuierung ressourcenfördernder bzw. -erhaltender Maßnahmen,<br />
eine konsequent bedarfsorientierte Pflege, d. h. eine Pflege, die neben akuten<br />
Bedarfslagen die Gesamtsituation des Bewohners und eine vorausschauende Strategie<br />
der Hilfe bei der Bewältigung von Krankheit und Pflegebedürftigkeit in den<br />
Mittelpunkt stellt.<br />
Die Leistungsbeschreibungen ließen sich aus den Ergebnissen der NRW-Studie nicht<br />
unmittelbar ableiten. Vielmehr mussten zahlreiche weitere Wissensbestände einbezogen<br />
werden, sowohl wissenschaftliche als auch nichtwissenschaftliche.<br />
Allerdings dienten jene Leistungskategorien als Ausgangspunkt der Entwicklungsarbeiten,<br />
die den empirischen Erhebungen, die mit der Studie durchgeführt worden<br />
waren, unterlegt waren: Aufgrund der methodischen Anlage der NRW-Studie hatte<br />
sich damals die Notwendigkeit ergeben, bei der Erhebung mit Kategorien zu arbeiten,<br />
die überschaubar waren und von den Mitarbeitern in der Praxis gut nachvollzogen<br />
werden konnten. In dieser Hinsicht hatte sich das Kategorienraster im Großen<br />
und Ganzen gut bewährt, so dass der Gedanke nahe lag, es in einer modifizierten<br />
Form auch dem Leistungsklassifikationssystem zugrunde zu legen.<br />
So entstand ein erster Entwurf der Leistungsbeschreibungen, der dann in die Abstimmung<br />
mit den Modellbeauftragten der Referenzeinrichtungen eingebracht wurde. In<br />
mehreren Diskussionsrunden wurde der Entwurf Punkt <strong>für</strong> Punkt beraten und gemeinsam<br />
geprüft. Im Mittelpunkt standen dabei folgende Fragen:<br />
73
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
74 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Decken die Leistungsbeschreibungen das Spektrum der Maßnahmen, die heute im<br />
Versorgungsalltag erbracht werden, vollständig ab? Wird es den Mitarbeitern in<br />
den Einrichtungen ohne größere Probleme möglich sein, ihr pflegerisches Handeln<br />
den Leistungskategorien zuzuordnen?<br />
Berücksichtigen und gewichten die Leistungsbeschreibungen in ausreichendem<br />
Maße auch solche Unterstützungsleistungen, die fachlich gesehen einen hohen<br />
Stellenwert besitzen, im heutigen Versorgungsalltag aber zu wenig berücksichtigt<br />
werden?<br />
Ist die Systematik so aufgebaut und sprachlich so formuliert, dass sie ohne<br />
größere Probleme von der Praxis nachvollzogen werden kann? Welche Unterschiede<br />
zu den Leistungsbeschreibungen weisen die sprachlichen bzw. die Dokumentationsgepflogenheiten<br />
in den Einrichtungen auf?<br />
Die Bewertung der Entwürfe erfolgte allerdings nicht allein im Rahmen der Diskussion<br />
mit den Modellbeauftragten. Diese wurden vielmehr gebeten, die angesprochenen<br />
und noch einige weitere Fragen in ihrer jeweiligen Einrichtung – vorrangig in Form<br />
von internen Beratungen und stichpunktartiger Auswertung der Pflegedokumentation<br />
– zu prüfen. Hierbei wurden beispielsweise Maßnahmen identifiziert, die in den Leistungsbeschreibungen<br />
aufgeführt, aber in der Praxis nicht oder nur selten erbracht<br />
wurden. Insofern lieferte dieses Vorgehen den Einrichtungen bereits erste Anhaltspunkte<br />
<strong>für</strong> spätere Anpassungen ihres Angebotsprofils, denn sie mussten da<strong>für</strong> Sorge<br />
tragen, dass bei der späteren praktischen Erprobung sämtliche vom Klassifikationssystem<br />
definierten Leistungen bei Bedarf auch tatsächlich erbracht werden können.<br />
Im weiteren Verlauf wurden die Entwürfe in die Beratungen mit den Begleitgremien<br />
des Modellvorhabens eingebracht. Wie oben angemerkt, zielt das Modellvorhaben<br />
auf die Erarbeitung von Konzepten, die Breitenwirkung entfalten sollen. Die Konzepte<br />
sind daher nicht nur auf Akzeptanz der einzelnen Einrichtungen, sondern beispielsweise<br />
auch der Trägerverbände und Kostenträger angewiesen, deren Vertreter<br />
in den Begleitgremien mitwirkten.<br />
Auf diese Art und Weise, also im Zuge eines mehrstufigen Prüfungs- und Abstimmungsverfahrens<br />
und nach mehrfachen Modifikationen, entstand schließlich jene Version<br />
der Leistungsbeschreibungen, die im Rahmen des Modellvorhabens praktisch<br />
erprobt wurde 17 .<br />
3.3 Zum Charakter der Leistungsbeschreibungen<br />
Die Leistungsbeschreibungen stellen ein Klassifikationssystem dar, das Leistungen<br />
bzw. Maßnahmen ordnet und definiert, inhaltlich voneinander abgrenzt und in seiner<br />
Gesamtheit ein Leistungsprofil definiert, das den Problem- und Bedarfslagen der<br />
Bewohner vollstationärer Pflegeeinrichtungen gerecht wird. Es ist bewusst übersichtlich<br />
gehalten und soll dadurch die Transparenz von Leistungsangebot und Leistungsgeschehen<br />
fördern. Vor allem in diesem Punkt, aber auch hinsichtlich seiner Funktion<br />
<strong>für</strong> den Versorgungsalltag unterscheidet es sich von anderen Klassifikationssystemen.<br />
Herkömmliche Pflegeklassifikationssysteme dienen dazu, den Gegenstandsbereich<br />
der Pflege „durch möglichst umfassende Auflistung und Definition relevanter Begrifflichkeiten“<br />
zu erfassen (Stemmer 2003: 53). Hierdurch soll u.a. eine einheitliche,<br />
standardisierte Pflegefachsprache als Grundlage <strong>für</strong> Forschung, Management, Lehre<br />
und Praxis geschaffen werden (Fafflock et al. 2003; Goossen 2001). Drei Hauptgruppen<br />
von Pflegeklassifikationen lassen sich unterscheiden:<br />
17 Diese Version wurde bereits Mitte des Jahres 2005 der Öffentlichkeit vorgestellt (vgl. Korte-Pötters/Wingenfeld 2005).
3.4 Aufbau<br />
Klassifikationen von Pflegediagnosen stellen eine systematische Darstellung von<br />
Pflegeproblemen dar, auf deren Grundlage Maßnahmen geplant werden können<br />
(Wingenfeld 2000; Georg 2005). Bekanntestes Beispiel hier<strong>für</strong> sind die Pflegediagnosen<br />
der „North American Nursing Diagnosis Association“ (NANDA).<br />
Interventionsklassifikationssysteme beschreiben Pflegehandlungen, die von Pflegenden<br />
durchgeführt werden, um den Gesundheitszustand der zu Pflegenden zu<br />
beeinflussen. Das System NIC (Nursing Intervention Classification) <strong>zum</strong> Beispiel<br />
stellt jede Pflegeintervention differenziert mit Titel, Definition und einer Liste von<br />
Aktivitäten dar, die im Zusammenhang mit dieser Intervention durchgeführt werden<br />
können (McCloskey Docherman et al. 2003).<br />
Klassifikationssysteme <strong>für</strong> Pflegeergebnisse wie die NOC (Nursing Outcomes<br />
Classification) benennen „Patientenergebnisse/-zustände“, die auf pflegerisches<br />
Handeln zurückzuführen sind (Stemmer 2003: 55; Johnson et al. 2005).<br />
Die Entwicklung der Leistungsbeschreibungen folgte u.a. der Zielsetzung, ein an den<br />
Bedarfslagen und Bedürfnissen der Bewohner orientiertes Leistungsprofil in übersichtlicher<br />
und nachvollziehbarer Form abzubilden. Dementsprechend können sie nicht mit<br />
den genannten Klassifikationssystemen gleichgesetzt werden. Selbst gegenüber dem<br />
oben beispielhaft aufgeführten Pflegeinterventionsklassifikationssystem gibt es erhebliche<br />
Unterschiede: Die Leistungsbeschreibungen beziehen sich explizit auf die Versorgungssituation<br />
in der vollstationären Langzeitversorgung. Eine Verwendung in anderen<br />
Pflegesettings würde eine Reihe von Modifikationen erforderlich machen. Zudem<br />
wurde bewusst eine zusammenfassende, übersichtliche Form der Darstellung der Leistungen<br />
gewählt, um die Verwendung in der Praxis zu erleichtern. Die Leistungsbeschreibungen<br />
unterscheiden insgesamt 32 unmittelbar bewohnerbezogene Maßnahmen.<br />
Das System NIC hingegen führt – getreu der Zielsetzung einer umfassenden und<br />
differenzierten Darstellung – über 500 Pflegeinterventionen auf.<br />
Auch hinsichtlich der gewählten Ordnungsstruktur, die sich an der jeweiligen Zielsetzung<br />
einer Klassifikation orientiert (Goossen 2001), bestehen Unterschiede. Auf ein<br />
Ordnungssystem entsprechend der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL), Aktivitäten<br />
und existentiellen Erfahrungen des Lebens (AEDL) oder Lebensaktivitäten (LA) wurde<br />
verzichtet, um die Leistungsbeschreibungen unabhängig von einem Pflegemodell universal<br />
einsetzbar zu machen. Die Verknüpfung von Leistungsbeschreibungen und<br />
dem in der Einrichtung genutzten Pflegemodell ist daher, wie auch die Erfahrungen<br />
der Referenzeinrichtungen zeigen, durchaus möglich.<br />
Die Leistungsbeschreibungen unterscheiden zwei große Maßnahmenbereiche: unmittelbar<br />
und mittelbar bewohnerbezogene Leistungen.<br />
Im Bereich der unmittelbar bewohnerbezogenen Maßnahmen, d. h. der Maßnahmen,<br />
die in direktem Kontakt mit Bewohnern durchgeführt werden, werden insgesamt 32<br />
Leistungen unterschieden. Sie umfassen nicht nur die Hilfe bei der Durchführung körperlicher<br />
Verrichtungen, sondern auch Unterstützung bei psychischen und sozialen<br />
Problemlagen der Bewohner.<br />
75
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
76 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Darüber hinaus werden insgesamt 12 mittelbar bewohnerbezogene Leistungen unterschieden<br />
18 . Ihre Definition erfolgte ebenfalls auf der Basis der in der NRW-Studie entwickelten<br />
Leistungskategorien. Abgesehen von geringfügigen Anpassungen wurde<br />
die bewährte Systematik beibehalten und auf alternative Formen der Einteilung der<br />
mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen (vgl. z.B. KDA 2005) verzichtet.<br />
In der Regel werden mittelbar bewohnerbezogene Leistungen nicht in direktem Kontakt<br />
mit Bewohnern erbracht. Dennoch ist es <strong>für</strong> das Verständnis der Abgrenzung zwischen<br />
unmittelbar und mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen wichtig zu wissen,<br />
dass es hiervon einige wenige Ausnahmen gibt, z.B. die Erhebung von Informationen<br />
im Rahmen des pflegerischen Assessments, die Erfassung biografischer Informationen<br />
oder die Abstimmung der Pflegeplanung mit dem Bewohner. Auch die Zusammenarbeit<br />
mit Angehörigen kann im Beisein des Bewohners erfolgen, z.B. bei<br />
gemeinsamen Gesprächen oder bei der Teilnahme von Angehörigen an der Bewohnerversorgung.<br />
Allerdings handelt es sich dabei nicht um Versorgungsleistungen im<br />
engeren Sinne. Maßnahmen des Qualitätsmanagements (soweit nicht auf den einzelnen<br />
Bewohner bezogen), Fortbildungen/Schulungen, hauswirtschaftliche Leistungen,<br />
Verwaltungsarbeiten oder technische Dienste der Mitarbeiter, die nicht direkt in die<br />
Bewohnerversorgung einbezogen sind, bilden eigenständige Leistungsbereiche und<br />
blieben daher unberücksichtigt.<br />
Der besseren Übersichtlichkeit halber, aber auch aus anderen Gründen wurden <strong>für</strong><br />
unmittelbar und mittelbar bewohnerbezogene Leistungen unterschiedliche Darstellungsformen<br />
gewählt:<br />
Unmittelbar bewohnerbezogene Leistungen<br />
Um eine einfache Orientierung zu ermöglichen, sind Maßnahmen, die in unmittelbarem<br />
Kontakt mit dem Bewohner durchgeführt werden, insgesamt sechs Untergruppen<br />
zugeordnet. Es handelt sich um die Maßnahmenbereiche<br />
Mobilität<br />
Ernährung<br />
Ausscheidungen<br />
Körperpflege<br />
Psychische und soziale Problemlagen und Bedürfnisse<br />
Spezielle Pflege.<br />
Jede der insgesamt 32 Leistungen ist mit einem Titel („Leistungskategorie“) und einer<br />
Abkürzung versehen. Die Abkürzung kann im Rahmen der Pflegedokumentation<br />
genutzt werden, um die Zuordnung von individuell geplanten Maßnahmen zu einer<br />
Leistungsbeschreibung direkt erkennbar zu machen. Eine thematische Einführung<br />
beschreibt in kurzer Form den Gegenstand der Leistung, weist auf besonders wichtige<br />
Aspekte und – sofern erforderlich – Abgrenzungen zu anderen Leistungen hin.<br />
Die jeweiligen Leistungen beinhalten nicht einzelne Maßnahmen, sondern jeweils ein<br />
Bündel verschiedener Handlungen, die notwendig sind, um den Bewohner bei der<br />
Bewältigung eines Problems oder einer Anforderung zu unterstützen. Die Unterstützung<br />
bei der Nahrungsaufnahme kann z.B. sowohl die Hilfe beim Aufsuchen des Essplatzes,<br />
das Anreichen der Nahrung sowie weitere Teilhandlungen umfassen. Dementsprechend<br />
beschreiben die aufgeführten Teilhandlungen die einzelnen Elemente<br />
bzw. den möglichen Ablauf der Maßnahme 19 . Die Teilhandlung „Unterstützung bei<br />
18 Pflegeplanung und -dokumentation; Stellen der ärztlich verordneten Medikation; Zusammenarbeit mit externen Stellen; Arbeitsbesprechungen<br />
(einrichtungsintern); Koordination, Organisation, Verwaltung; Kontakte zu Angehörigen/Bezugspersonen der Bewohner; Kooperation<br />
mit freiwilligen Helfern; Wäscheversorgung; Mahlzeitenversorgung; Aufräum-, Reinigungs- und Wartungsarbeiten; Tätigkeiten zur Vorund<br />
Nachbereitung von unmittelbar bewohnerbezogenen Maßnahmen; sonstige mittelbar bewohnerbezogene Leistungen.<br />
19 Die Beschreibungen der unmittelbar bewohnerbezogenen Maßnahmen können nicht mit prozessorientierten Pflegestandards (vgl. u.a.<br />
Marhold/Happe 1999) gleich gesetzt werden. Zwar enthalten sie Hinweise zu Teilhandlungen einer Maßnahme, machen aber im Unterschied<br />
zu Pflegestandards keine konkreten Angaben <strong>zum</strong> Ablauf einzelner Tätigkeiten.
3.5 Funktionen<br />
der Fortbewegung“ beispielsweise ist <strong>für</strong> mehrere Leistungsbeschreibungen relevant.<br />
Entscheidend <strong>für</strong> die Zuordnung ist die Zielsetzung, die mit dieser Unterstützung verfolgt<br />
wird, also z.B. Aufsuchen des Speiseraums zur Einnahme einer Mahlzeit, Unterstützung<br />
beim Gang zur Toilette oder beim Aufsuchen eines Raums zur Teilnahme an<br />
einem Gruppenangebot. Zur Gewährleistung einer übersichtlichen Darstellung der<br />
Leistungen werden grundlegende Teilhandlungen (z.B. maßnahmenbezogene Information<br />
des Bewohners), die selbstverständlicher Bestandteil jeder Maßnahme sein<br />
sollten, nicht in jeder Leistungsbeschreibung explizit aufgeführt.<br />
Um die Anzahl der Leistungen in einem überschaubaren Rahmen zu halten, wurden<br />
nicht nur Teilhandlungen, sondern auch verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten<br />
einer Maßnahme zusammengefasst (Variationen der Maßnahme) 20 . Auch hierbei<br />
handelt es sich nicht um eine vollständige Auflistung, sondern um die Benennung<br />
gängiger Formen.<br />
Ergänzend zu diesen Ausführungen, die im engeren Sinne als Beschreibung von<br />
Maßnahmen bzw. Leistungen zu verstehen sind, beinhaltet jede Leistungsbeschreibung<br />
Hinweise auf Hauptkriterien <strong>für</strong> den Bedarf, vorrangige Pflegeziele und Hinweise<br />
zur Ressourcenförderung, die <strong>für</strong> die Ausgestaltung des individuellen Pflegeprozesses<br />
Hilfestellungen bieten können. Es handelt sich hierbei allerdings nicht um<br />
eine vollständige, abschließende Darstellung. Die Hinweise stellen vielmehr eine Auswahl<br />
besonders wichtiger Aspekte dar, mitunter auch nur wichtige „Merkpunkte“.<br />
Letzteres gilt beispielsweise <strong>für</strong> den Verweis auf besondere interventionsrelevante<br />
Faktoren, die als solche in einem gesonderten Abschnitt der Leistungsbeschreibungen<br />
aufgeführt sind. Darunter fallen beispielsweise körperliche Merkmale (Schmerz, Einschränkungen<br />
der Mobilität etc.), psychischer Status (Ängstlichkeit, Apathie etc.)<br />
oder bestimmte Verhaltensweisen (etwa Abwehr von Unterstützung).<br />
Mittelbar bewohnerbezogene Leistungen<br />
Die Beschreibungen mittelbar bewohnerbezogener Maßnahmen weichen in ihrem<br />
Aufbau von den anderen Leistungsbeschreibungen deutlich ab und beinhalten lediglich<br />
eine Zuordnung von Maßnahmen ohne nähere Erläuterungen. Eine differenziertere<br />
Darstellung der mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen ist nicht erforderlich,<br />
da sie nicht als von den Einrichtungen zu erfüllendes Anforderungsprofil verstanden<br />
werden sollte. Vielmehr geht es darum, das gesamte Versorgungsgeschehen – und<br />
eben nicht nur die unmittelbar bewohnerbezogenen Leistungen – abzubilden.<br />
Der Katalog der mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen enthält außerdem Empfehlungen,<br />
wie eine Arbeitsteilung entsprechend der Mitarbeiterqualifikation vorgenommen<br />
werden sollte, d. h. welche Leistungen ausschließlich von Pflegefachkräften, von<br />
„Nicht-Fachkräften“ bzw. sowohl von Pflegefachkräften als auch „Nicht-Fachkräften“<br />
erbracht werden sollten. Diese Zuordnungen orientieren sich an dem Grundsatz,<br />
dass Mitarbeiter mit einer Fachqualifikation nach Möglichkeit Arbeiten übernehmen<br />
sollten, <strong>für</strong> die eben diese Fachqualifikation erforderlich ist, und umgekehrt nicht<br />
durch Tätigkeiten beansprucht werden sollten, die auch von Mitarbeitern mit anderen<br />
Qualifikationen durchgeführt werden können.<br />
Die Leistungsbeschreibungen bilden ein Leistungsprofil ab, welches angesichts der<br />
gesundheitlichen Problem- und Bedarfslagen der Bewohner von den Einrichtungen<br />
prinzipiell vorgehalten werden sollte. Sie stellen ein Anforderungsprofil dar, welches<br />
20 So werden z.B. Ganz-, Teilkörperwaschung, Waschung am Waschbecken oder im Bett einer einzigen Leistungsbeschreibung zugeordnet.<br />
77
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
78 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
als sinnvoll und notwendig zur angemessenen Versorgung der Bewohner erachtet<br />
wird, aber dennoch in seiner Gesamtheit über die derzeitige Praxis hinausreicht. Pflegeeinrichtungen<br />
bieten zwar den überwiegenden Teil der beschriebenen Leistungen<br />
an, jedoch werden einige Maßnahmen nicht, selten oder nur ansatzweise erbracht<br />
und können somit noch nicht als regelhaftes Leistungsangebot gelten. Dies bezieht sich<br />
insbesondere auf Maßnahmen zur Förderung bzw. Erhaltung der Mobilität und zur<br />
Unterstützung bei psychischen und sozialen Problemlagen und Bedürfnissen.<br />
Die Leistungsbeschreibungen bieten den Einrichtungen daher eine Grundlage zur<br />
Überprüfung ihres Leistungsspektrums, d. h. zur Beantwortung der Frage, welche Leistungen<br />
sie zur Zeit erbringen bzw. im Bedarfsfall ohne zeitliche Verzögerung erbringen<br />
könnten und an welchen Stellen eine Weiterentwicklung des Leistungsspektrums<br />
angezeigt wäre. Sie lassen sich jedoch auch zur vertieften Beurteilung des Leistungsgeschehens<br />
im Versorgungsalltag verwenden, insbesondere im Hinblick auf die<br />
Berücksichtigung grundlegender Qualitätsanforderungen (Ressourcenförderung, biografieorientiertes<br />
Arbeiten, präventives Handeln) sowie die Beachtung von Besonderheiten<br />
bei der individuellen Versorgung. Sie regen außerdem dazu an, stärker zu<br />
beachten, dass alle Bewohner ihrer Bedarfslage entsprechend bei der Planung und<br />
Durchführung von Einzel-/Gruppenaktivitäten berücksichtigt werden. Wie die Ergebnisse<br />
der NRW-Studie sowie die Erfahrungen der Referenzeinrichtungen belegen,<br />
kann dies insbesondere bei stark mobilitätseingeschränkten und kognitiv beeinträchtigten<br />
Bewohnern nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden 21 .<br />
Die Beschreibungen der unmittelbar bewohnerbezogenen Leistungen lassen sich<br />
auch als Arbeitshilfe bei der Planung, Umsetzung und Dokumentation des Pflegeprozesses<br />
22 sowie als Grundlage <strong>für</strong> darauf bezogene Qualifizierungsmaßnahmen verwenden.<br />
Hierzu wurden die einzelnen Leistungsbeschreibungen mit folgenden,<br />
ergänzenden Hinweisen versehen:<br />
Ausgehend von den Ergebnissen des pflegerischen Assessements kann anhand<br />
der Hauptkriterien <strong>für</strong> den Bedarf überprüft werden, ob die jeweilige Leistung <strong>für</strong><br />
den Bewohner in Betracht kommt und welche Zielsetzung verfolgt wird.<br />
Die aufgeführten vorrangigen Ziele können hierbei ebenfalls als Hilfestellung<br />
genutzt werden 23 . Sie stellen allerdings lediglich eine Auswahl dar und decken<br />
nicht alle vorstellbaren Ziele ab.<br />
Die Mehrzahl der Leistungsbeschreibungen enthält Hinweise zur Ressourcenförderung.<br />
Viele Maßnahmen können, je nach Ausgestaltung, zur Ressourcenförderung<br />
genutzt werden.<br />
Jede Leistungsbeschreibung enthält einen Verweis darauf, dass ggf. besondere<br />
interventionsrelevante Faktoren zu berücksichtigen sind. Anhand einer Auflistung<br />
dieser Faktoren kann <strong>für</strong> jeden Bewohner überprüft werden, welche sich als zutreffend<br />
erweisen und ob es sich hierbei um Faktoren handelt, die eine spezielle Ausgestaltung<br />
der betreffenden Maßnahme erforderlich machen, oder um eigenständige<br />
Problemlagen, die unabhängig von der ursprünglich geplanten Maßnahme<br />
weitergehenden Handlungsbedarf nach sich ziehen.<br />
Wie die Erprobungserfahrungen zeigen, haben die Leistungsbeschreibungen dazu<br />
beigetragen, dass pflegerische Leistungen, insbesondere nicht körperbezogene Leistungen<br />
wie z.B. das Führen von Einzelgesprächen, „sichtbar“ und kommunizierbar<br />
21 Die letzte, überarbeitete Fassung der Leistungsbeschreibungen (Korte-Pötters et al. 2007) enthält weitergehende Hinweise zur Nutzung der<br />
Leistungsbeschreibungen <strong>für</strong> eine solche Bestandsaufnahme und eine entsprechende Anpassung des Leistungsangebots bzw. geschehens.<br />
22 Auf eine ausführliche Darstellung des Pflegeprozesses und der Anforderungen an eine angemessen gestaltete Pflegedokumentation wurde<br />
im Rahmen der Leistungsbeschreibungen allerdings bewusst verzichtet, da theoretische Grundlagen bereits Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen<br />
sind (u.a. MDS 2005; Kellnhauser et al. 2004; Menche/Bazlen 2004; Seel/Hurling 2001; Arets et al. 1996).<br />
23 Bei Leistungen, die der speziellen Pflege zuzurechnen sind, wurde auf Zielformulierungen verzichtet, da diese implizit in den ärztlichen<br />
Ver-/Anordnungen enthalten sind
werden. Neben der Nutzung der Leistungsbeschreibungen als Arbeitshilfe <strong>für</strong> die<br />
Erstellung der Pflegeplanung wurde auch der Stellenwert der Dokumentation ungeplanter<br />
Maßnahmen vermehrt in das Bewusstsein der Mitarbeiter gerückt.<br />
Die Leistungsbeschreibungen können des Weiteren als Grundlage <strong>für</strong> die Zuordnung<br />
von Maßnahmen und Fachqualifikationen dienen, da mit ihnen sämtliche an der Versorgung<br />
der Bewohner beteiligten Berufsgruppen angesprochen sind. Wird das Leistungsspektrum<br />
einer Einrichtung anhand der Leistungsbeschreibungen angepasst, so<br />
setzt dies ggf. Organisationsentwicklungsprozesse voraus, mit denen die Aufgabenteilung<br />
der Berufsgruppen neu zu ordnen ist. Dies gilt insbesondere <strong>für</strong> die Zusammenarbeit<br />
zwischen Pflege und Sozialem Dienst sowie <strong>für</strong> die Kooperation zwischen<br />
Fachkräften und anderen Mitarbeitern. Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass<br />
bestimmte Maßnahmen – etwa Maßnahmen der speziellen Pflege – ausschließlich in<br />
den Zuständigkeitsbereich von Pflegefachkräften fallen. Darüber hinaus unterstellen<br />
die Leistungsbeschreibungen jedoch implizit, dass eine nachhaltige Qualitätsentwicklung<br />
nicht ohne eine qualifikationsorientierte Arbeitsteilung auskommt. Pflegefachkräfte,<br />
die vorrangig mit der Steuerung und Koordination des individuellen Pflegeprozesses<br />
betraut sind, sollten soweit wie möglich von anderen Tätigkeiten, <strong>für</strong> die keine<br />
besondere Fachqualifikation erforderlich ist, entlastet werden.<br />
3.6 Zentrale Anforderungen an die Versorgungsqualität<br />
Defizite in der Versorgung immobiler Bewohner, von Bewohnern mit kognitiven Einbußen<br />
und/oder Verhaltensauffälligkeiten sowie eine wenig ausgeprägte ressourcenorientierte<br />
Pflege sind nach den Ergebnissen der NRW-Studie kennzeichnend <strong>für</strong><br />
das Leistungsgeschehen in vielen Pflegeeinrichtungen. Ausgehend von dieser Feststellung<br />
berücksichtigen die Leistungsbeschreibungen im besonderen Maße Leistungen<br />
zur Förderung bzw. Erhaltung der Mobilität und Leistungen, die auf die Bedarfslagen<br />
und Bedürfnisse demenziell bzw. psychisch erkrankter Bewohner zugeschnitten sind.<br />
Außerdem beinhalten sie die Aufforderung zu einer biografie- und präventiv orientierten<br />
sowie ressourcenerhaltenden/-fördernden Pflege.<br />
In diesen Punkten liegen zentrale inhaltliche Ziele der Leistungsbeschreibungen, aber<br />
auch die größten Herausforderungen bei der Verwendung der Leistungsbeschreibungen.<br />
Zwar stellen heute auch vergleichsweise einfache Versorgungsanforderungen<br />
(z.B. Sicherstellung einer ausreichenden Ernährung, Sturzprävention oder Dekubitusprophylaxe)<br />
ein wichtiges Thema im Versorgungsalltag und in der Qualitätsdiskussion<br />
dar, doch handelt es sich hierbei letztlich um fachliche Selbstverständlichkeiten<br />
bzw. Anforderungen, denen die Einrichtungen und ihre Mitarbeiter auch ohne weitreichende<br />
Anpassung von Qualifikationen, Arbeitsmethoden und Arbeitsorganisation<br />
gerecht werden können (sollten). Gleiches lässt sich <strong>für</strong> die Mobilitätsförderung und<br />
die Unterstützung der Bewohner bei der Bewältigung psychischer und sozialer Problemlagen<br />
allerdings nicht behaupten. Die Weiterentwicklung des Leistungsprofils in<br />
diesen Bereichen verlangt von vielen Einrichtungen, wie auch die Erfahrungen mit<br />
der Konzepterprobung zeigten, besondere Anstrengungen.<br />
Mobilitätsförderung<br />
Mobilitätseinbußen haben nicht nur erhebliche Auswirkungen auf nahezu alle alltäglichen<br />
Verrichtungen, sondern auch auf die gesamte individuelle Lebensgestaltung<br />
einschließlich der sozialen Teilhabe. Der Mobilität kommt daher eine zentrale Bedeutung<br />
<strong>für</strong> Lebensqualität und Wohlbefinden zu (Bourret et al. 2002; Stemper 2002).<br />
Auch wenn Kraft, Ausdauer, Koordination und Beweglichkeit nachlassen, ist die körperliche<br />
Leistungsfähigkeit selbst im hohen Alter trainierbar. Hierdurch lassen sich<br />
Risiken (z.B. Sturzrisiko) mindern und die selbständige Alltagsbewältigung fördern<br />
(Meusel 2000; Fiatarone et al. 1990). Maßnahmen zur Förderung der Mobilität soll-<br />
79
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
80 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
ten regelmäßig erfolgen (u.a. Oschütz/Belinová 2003) und alle Aspekte der körperlichen<br />
Leistungsfähigkeit umfassen. Nur so können sie den Ansprüchen einer gezielten<br />
Ressourcenförderung und Prävention gerecht werden. Sie sollten dementsprechend<br />
ein integraler Bestandteil der Pflegeplanung sein. Einrichtungen reagieren auf<br />
den Bedarf an Förderung bzw. Erhaltung der Mobilität jedoch meist mit verschiedenen<br />
Gruppenangeboten, deren Gestaltung aber in der Regel die individuellen Fähigkeiten<br />
der Bewohner kaum berücksichtigt und zudem nur einen Teil der Bewohner<br />
erreicht (Jenull-Schiefer/Janig 2004; Luxton 2002; Lazowski et al. 1999). Somit ist<br />
der Tagesablauf der meisten Bewohner insgesamt von geringer körperlicher Aktivität<br />
geprägt (Hauer 2000; Harper 2002). Diese Situation spitzt sich in Zeiten knapper Personalbesetzung,<br />
wie z.B. an den Wochenenden, noch zu (Bates-Jensen et al. 2004;<br />
Bourret et al. 2002). Nicht zwingend erforderliche Übernahme von Alltagsverrichtungen<br />
durch Mitarbeiter oder Äußerungen, die das Selbstvertrauen der Bewohner mindern,<br />
verringern zudem die Bereitschaft zur Eigenaktivität (Resnick 1999).<br />
Vor diesem Hintergrund weisen die Leistungsbeschreibungen den mobilitätsfördernden<br />
Maßnahmen einen hohen Stellenwert zu. Sie berücksichtigen sowohl Trainingseinheiten<br />
zur Erhaltung bzw. Förderung der Mobilität (Einzel-, Gruppenangebote) als<br />
auch die konsequente Nutzung von Bewegungsmöglichkeiten im Alltag (vgl. auch<br />
Jeschke/Zeilberger 2004; Hauer 2000):<br />
Gruppenangebote können sich in Abhängigkeit von der Zielgruppe und der<br />
jeweiligen Zielsetzung hinsichtlich Angebotsart, -dauer, -ort und Teilnehmerzahl<br />
stark voneinander unterscheiden. Die Leistungsbeschreibung „Gruppenaktivitäten<br />
zur Förderung/Erhaltung der Mobilität“ zeigt hierzu verschiedene Möglichkeiten<br />
auf 24 .<br />
Einzelangebote sind insbesondere <strong>für</strong> Bewohner relevant, die aus unterschiedlichen<br />
Gründen nicht an Gruppenaktivitäten teilnehmen können bzw. aufgrund<br />
bestehender individueller Problemlagen einer intensiveren Mobilitätsförderung<br />
bedürfen. Mit der Leistungsbeschreibung „Einzelaktivitäten zur Förderung/Erhaltung<br />
der Mobilität“ erfolgt eine Darstellung der unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten<br />
im Rahmen von Einzelangeboten.<br />
Da nahezu alle pflegerische Handlungen Bewegungselemente aufweisen (Darmann<br />
2002), können diese zur gezielten Förderung der körperlichen Aktivität ausgebaut<br />
werden. Die überwiegende Anzahl der Leistungsbeschreibungen berücksichtigt<br />
Mobilitätsförderung im Rahmen von pflegerischen Handlungen, indem<br />
u.a. bei der möglichen Ausgestaltung von Maßnahmen auf „Motivierung/Anleitung<br />
zur (teilweise) selbständigen Durchführung“ bzw. im Rahmen der Ressourcenförderung<br />
auf die selbständige Durchführung von Anteilen der Gesamtmaßnahme<br />
nach Anleitung hingewiesen wird.<br />
Eine gezielte Mobilitätsförderung stellt, wie die Erprobungserfahrungen zeigen, insbesondere<br />
bei Bewohnern, die nicht durch Gruppenangebote erreicht werden können,<br />
eine große Herausforderung dar. Bedarfsanalysen mit nachfolgender Umstrukturierung<br />
von Angeboten und veränderten personellen Zuständigkeiten haben in vielen<br />
Modelleinrichtungen erste Schritte zu Verbesserungen eingeleitet. In einigen<br />
Einrichtungen konnten beeindruckende Erfolge beobachtet werden (Mobilisierung<br />
von als „immobil“ geltenden Bewohnern). Dennoch bleibt festzuhalten, dass die<br />
gezielte Einzelförderung unter den gegebenen Rahmenbedingungen <strong>zum</strong> Teil an die<br />
Grenzen der verfügbaren Ressourcen stößt.<br />
24 Im Rahmen der SIMA-Studie (Oswald et al. 2002) konnte beispielsweise gezeigt werden, dass eine Kombination aus körperlichem Training<br />
und Gedächtnistraining bessere Effekte auf die Selbständigkeit des alten Menschen hat als ein isoliertes körperliches Training.
Stärkere Berücksichtigung psychischer/sozialer Problemlagen und<br />
Bedürfnisse<br />
Pflege wird häufig noch immer verengt als Hilfestellung bei körperlichen Einschränkungen<br />
verstanden. Fragen der Bewältigung psychischer Erkrankungen und ihrer Folgeprobleme,<br />
die den heutigen Lebensalltag in den stationären Pflegeeinrichtungen<br />
prägen, werden zwar nicht gänzlich vernachlässigt, aber auch nicht systematisch<br />
aufgegriffen (vgl. Wingenfeld/Schnabel 2002). Häufig fehlt das Bewusstsein <strong>für</strong><br />
kommunikationsintensive Leistungen, also beispielsweise da<strong>für</strong>, dass ein entlastendes<br />
Gespräch mit einem Bewohner, der unter starken Angstzuständen oder einer anderen<br />
Form von psychischem Druck leidet, eine pflegerische Maßnahme darstellt und<br />
nicht allein menschliche Zuwendung. Ist jedoch nicht bewusst, dass eine Handlung<br />
den Charakter einer pflegerischen Hilfestellung besitzt, kann diese Handlung auch<br />
nicht zielgerichtet als pflegerische Hilfestellung eingesetzt werden.<br />
Die Leistungsbeschreibungen zielen daher auf eine stärkere Gewichtung von Unterstützungsleistungen,<br />
die nicht auf körperliche Defizite, sondern auf psychische Problemlagen<br />
und Bedürfnisse ausgerichtet sind. Hierzu ist nicht nur ein entsprechendes<br />
Bewusstsein der Mitarbeiter erforderlich, sondern auch eine explizite Berücksichtigung<br />
psychischer/sozialer Problemlagen und Bedürfnisse bei den verschiedenen<br />
Schritten des Pflegeprozesses. Die Leistungsbeschreibungen definieren vor diesem<br />
Hintergrund zehn Leistungen zur „Unterstützung bei psychischen und sozialen Problemlagen<br />
und Bedürfnissen“. Die Weiterentwicklung des pflegerischen Handlungspotenzials<br />
in diesem Bereich stellt <strong>für</strong> die Einrichtungen eine mindestens ebenso<br />
große Herausforderung dar wie eine systematische Mobilitätsförderung.<br />
Biografieorientierung als Grundsatz der pflegerischen Versorgung<br />
Die Lebensgeschichte, ihre Verbindung zur Gegenwart und zur aktuellen Lebenssituation<br />
kann Hinweise auf derzeitige Bedürfnisse, Wünsche und Prioritäten des Bewohners<br />
geben (Clarke 2000). Eine personenzentrierte Haltung gegenüber Bewohnern<br />
beinhaltet die Berücksichtigung persönlicher Erfahrungen und des biografischen Hintergrunds<br />
des Bewohners in allen Alltagsbezügen. Das Ziel der Erhaltung und Förderung<br />
von Selbstwertgefühl, Identität und subjektivem Wohlbefinden sollte hierbei handlungsleitend<br />
sein. Die Leistungsbeschreibungen betonen daher die Bedeutung der Biografieorientierung<br />
<strong>für</strong> eine angemessene Versorgungssituation. Es handelt sich dabei<br />
allerdings um eine Arbeitsweise, nicht um eine einzelne Maßnahme oder Handlung<br />
der Mitarbeiter. Biografieorientierung macht sich insofern bei vielen Leistungen an der<br />
konkreten Ausgestaltung von Hilfen fest. Dementsprechend finden sich in den Leistungsbeschreibungen<br />
– neben grundsätzlichen Ausführungen <strong>zum</strong> biografieorientierten<br />
Arbeiten – vielfältige Hinweise zu den einzelnen Leistungen:<br />
Biografieorientierte Ausgestaltung von Alltagsverrichtungen: Im Rahmen der Körperpflege,<br />
der Nahrungsaufnahme oder anderen Alltagsverrichtungen können<br />
biografische Informationen gezielt genutzt werden, um die Unterstützung an<br />
Gewohnheiten und persönlichen Vorlieben des Bewohners anzupassen. Biografieorientiertes<br />
Arbeiten drückt sich u.a. durch eine entsprechende Gestaltung der<br />
Abläufe und Auswahl von Pflege- bzw. Hilfsmitteln aus.<br />
Biografieorientierung im Rahmen von Interventionen bei psychischen Problemlagen:<br />
Die angemessene Gestaltung von Unterstützung bei Wanderungstendenz,<br />
aber auch bei Selbst- und Fremdgefährdung oder anderen speziellen psychischen<br />
Problemlagen, kann durch die Beachtung biografischer Informationen erleichtert<br />
werden. Bei zahlreichen Verhaltensweisen psychisch erkrankter Bewohner kommt<br />
es in erster Linie darauf an, Hintergründe und fördernde Bedingungen des Verhaltens<br />
sorgfältig abzuklären und sich auf präventives Handeln zu konzentrieren.<br />
Häufig lässt sich motorische Unruhe bereits durch eine geeignete Tagesstrukturierung<br />
und ausreichende Bewegung/Beschäftigung reduzieren. Ausgehend von der<br />
Kenntnis des früheren Lebens-/Tagesrhythmus und der individuellen Empfindungen<br />
81
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
82 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
und Vorstellungen, die der Unruhe zugrunde liegen, kann im Vorfeld durch sorgsame<br />
zeitliche Planung von Hilfen und gezielte entlastende Maßnahmen wirksam<br />
Unterstützung geleistet werden.<br />
Biografieorientierte Gruppenangebote: Angebote zur Erhaltung personaler Identität<br />
und des subjektiv empfundenen Wohlbefindens sind vor allem <strong>für</strong> Bewohner<br />
mit kognitiven Einbußen äußerst wichtig (vgl. „Biografieorientierte Einzelaktivitäten“<br />
und „Biografieorientierte Gruppenaktivitäten“). Je nach Gestaltung des Angebots<br />
können, vergleichbar mit Angeboten zur Mobilitätsförderung, positive Nebeneffekte<br />
auftreten, so z.B. die Förderung sozialer Kontakte.<br />
Biografieorientierte Einzelaktivitäten haben insbesondere <strong>für</strong> Bewohner, die nicht<br />
an entsprechenden Gruppenaktivitäten teilnehmen und über eingeschränkte<br />
soziale Kontakte verfügen, eine hohe Relevanz (Graber-Dünow 2003). Zudem<br />
bietet eine Einzelaktivität im Vergleich zur Gruppenaktivität bessere Möglichkeiten,<br />
gezielt auf individuelle Bedürfnisse einzugehen.<br />
Die Entwicklung eines Grundverständnisses <strong>für</strong> den Stellenwert von Mobilitätsförderung<br />
und der Berücksichtigung biografischer Informationen im Rahmen der Versorgung<br />
von Bewohnern kann bei Mitarbeitern nicht ohne weiteres vorausgesetzt, sondern<br />
muss durch Schulungen, Fallbesprechungen etc. nachhaltig gefördert werden.<br />
Auch fachliche Inhalte sollten Gegenstand von Schulungen sein, damit Mitarbeiter in<br />
die Lage versetzt werden, entsprechende Maßnahmen bewohnerbezogen planen,<br />
durchführen und evaluieren zu können. Die Angebotsplanung sollte regelmäßig auf<br />
Bedarfsgerechtigkeit überprüft und ggf. der sich verändernden Bewohnerstruktur<br />
angepasst werden. Auch umgebungsbezogene Faktoren nehmen Einfluss auf die Realisierung<br />
einer mobilitätsfördernden und biografieorientierten Versorgung, wie z.B.<br />
Beleuchtung, bewegungs- und orientierungsfördernde Raumgestaltung, Verfügbarkeit<br />
von Hilfsmitteln, und sollten daher nicht unbeachtet bleiben.<br />
Diese Ausführungen verdeutlichen, dass die Leistungsbeschreibungen in mancher<br />
Hinsicht lediglich einen Rahmen darstellen, der einrichtungsindividuell aufgefüllt werden<br />
muss, wenn nachhaltige Qualitätseffekte erreicht werden sollen. Das „Arbeiten<br />
mit den Leistungsbeschreibungen“ geht insofern deutlich über die Ergänzung des<br />
Leistungsprofils um einzelne Maßnahmen hinaus.<br />
3.7 Abschließende Konzeptmodifikationen<br />
Auch wenn die zu erprobende Version der Leistungsbeschreibungen, wie aus der<br />
fachlichen Bewertung durch die Modellbeauftragten und den Rückmeldungen weiterer<br />
Einrichtungsmitarbeiter hervorgeht, das Versorgungsgeschehen in seiner Gesamtheit<br />
abbildete, sind aufgrund der Erprobungserfahrungen einige Modifikationen vorgenommen<br />
worden. Unberührt hiervon blieben die Empfehlungen zur qualifikationsorientierten<br />
Arbeitsteilung im Bereich der mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen<br />
und die grundsätzliche Gestaltung der Leistungsbeschreibungen (Kurzerläuterungen,<br />
stichwortartige Auflistungen). Hier wurde kein Änderungsbedarf festgestellt.<br />
Aufgrund der Rückmeldungen der Referenzeinrichtungen wurden die unmittelbar<br />
bewohnerbezogenen Leistungen stärker am Pflegeprozess ausgerichtet, indem eine<br />
veränderte Reihenfolge innerhalb des Aufbaus der einzelnen Leistungsbeschreibungen<br />
(Abfolge der Abschnitte) gewählt wurde.<br />
Außerdem wurde die Zuordnung einiger Maßnahmen zu Leistungsbeschreibungen<br />
als schwierig bezeichnet, so dass in der Überarbeitung des Klassifikationssystems folgende<br />
Modifikationen erfolgten:
Veränderte inhaltliche Zuordnung von Teilhandlungen bzw. Maßnahmenvariationen<br />
zu Leistungsbeschreibungen<br />
Zusammenfassung von zwei Leistungsbeschreibungen, deren Abgrenzung aufgrund<br />
der Ähnlichkeit der Inhalte <strong>für</strong> die Mitarbeiter in den Einrichtungen schwer<br />
nachzuvollziehen war<br />
Ausdifferenzierung von zwei neuen Leistungen („Einzel- und Gruppenaktivitäten<br />
zur Beschäftigung“ und „Orientierungs-/gedächtnisfördernde Einzel- und Gruppenaktivitäten“;<br />
hier wurden Aspekte zusammengeführt, die ursprünglich anderen<br />
Leistungen zugeordnet waren).<br />
Ansonsten beschränkten sich die Modifikationen auf geringfügige inhaltliche Ergänzungen,<br />
sprachliche Überarbeitungen und eine Ausweitung der einführenden Erläuterungen<br />
und Kommentierungen zu den Leistungsbeschreibungen. Diese Ausweitung<br />
erwies sich allerdings als besonders wichtig, um das Verständnis der Leistungsbeschreibungen<br />
bei ihrer Nutzung im Versorgungsalltag sicherzustellen.<br />
Im Gesamtbild lässt sich aufgrund der Erprobungserfahrungen festhalten, dass das<br />
Ziel, mit den Leistungsbeschreibungen eine trotz relativ hoher fachlicher Ansprüche<br />
überschaubare und praxistaugliche Systematik zur Verfügung zu stellen, erreicht<br />
wurde. Die Anpassung des Leistungsprofils und die Ausgestaltung der Versorgung<br />
erwiesen sich nicht als einfach, aber machbar. Allerdings zeigten die Erprobungserfahrungen<br />
auch, dass der hierzu erforderliche Zeitaufwand nicht zu unterschätzen<br />
ist. Um eine Versorgungsqualität nach den Maßgaben der Leistungsbeschreibungen<br />
realisieren zu können, sind <strong>zum</strong> Teil also Anpassungsprozesse von längerer Dauer<br />
einzukalkulieren – je nach Stand der Qualitätsentwicklung, den eine Einrichtung<br />
bereits erreicht hat. Dies gilt insbesondere <strong>für</strong> die Ressourcenförderung (vor allem<br />
Förderung/Erhaltung der Mobilität) und die Unterstützung bei psychischen und sozialen<br />
Problemlagen und Bedürfnissen. Als schwierig umsetzbar haben sich nicht zuletzt<br />
personalintensive Einzelaktivitäten jeglicher Art und die Gewährleistung einer regelhaften<br />
sowie krisenbedingten psychosozialen Begleitung erwiesen. Die Bemühungen<br />
und Erfahrungen der am Modellvorhaben beteiligten Referenzeinrichtungen zeigen<br />
aber Wege auf, wie trotz schwieriger Rahmenbedingungen Verbesserungen erreicht<br />
werden können.<br />
83
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
4. Übergeordnete Qualitätsmaßstäbe<br />
4.1 Zur Auswahl der Themenfelder<br />
84 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die übergeordneten Qualitätsmaßstäbe 25 stellen Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung<br />
in zentralen Aufgabenfeldern dar, die jeweils auf bestimmten Qualitätskriterien<br />
beruhen. Mit dem Modellvorhaben wurden insgesamt sechs Qualitätsmaßstäbe erarbeitet<br />
und erprobt:<br />
Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung<br />
Zusammenarbeit mit Angehörigen<br />
Nächtliche Versorgung<br />
Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen<br />
Kooperation mit niedergelassenen Ärzten<br />
Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten.<br />
Sie decken wichtige, jedoch sicherlich nicht alle relevanten Versorgungsaspekte ab,<br />
<strong>für</strong> die aus fachlicher Sicht zentrale, konsentierte Qualitätskriterien zur Verfügung stehen<br />
sollten. Aufgrund der Projektlaufzeit und der Rahmenbedingungen in den Referenzeinrichtungen<br />
musste jedoch eine Begrenzung erfolgen 26 . Die konkrete Festlegung<br />
berücksichtigte die Maßgaben der Modellkonzeption und die Ergebnisse der NRW-<br />
Studie. Die dahinter stehenden Überlegungen seien an dieser Stelle kurz erläutert.<br />
Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung<br />
Der Heimeinzug wird <strong>zum</strong>eist als ein kritisches Lebensereignis erlebt (Lee et al. 2002),<br />
dessen Bewältigung aber durch die Einrichtung gefördert werden kann. Voraussetzung<br />
hier<strong>für</strong> ist ein planvolles und strukturiertes Vorgehen im Heimeinzugsprozess. Die<br />
Weichen <strong>für</strong> die Qualität der zukünftigen Beziehung <strong>zum</strong> Bewohner und die Zusammenarbeit<br />
mit den Angehörigen werden häufig bereits zu diesem Zeitpunkt gestellt.<br />
Dem Prozess des Heimeinzugs kommt somit eine grundlegende Bedeutung zu.<br />
Zusammenarbeit mit Angehörigen<br />
Eine gelingende Zusammenarbeit mit Angehörigen hat sowohl <strong>für</strong> Bewohner und<br />
Angehörige als auch <strong>für</strong> die Mitarbeiter positive Auswirkungen (KDA 2000). Sie<br />
erfährt insbesondere im Hinblick auf die Zunahme demenziell erkrankter Bewohner<br />
einen Bedeutungszuwachs. Die NRW-Studie gibt Hinweise darauf, dass in den Einrichtungen<br />
wenig Zeit <strong>für</strong> Kontakte zu Angehörigen aufgewendet wird und es ist<br />
daher fraglich, ob der hohe Stellenwert der Angehörigenarbeit <strong>für</strong> die Qualität und<br />
Kontinuität der Versorgungssituation in der Praxis ausreichend Berücksichtigung<br />
erfährt. Viele Aspekte der Angehörigenarbeit sind außerdem <strong>für</strong> andere Aufgabenbereiche<br />
relevant, z.B. in Bezug auf den Heimeinzug, bei der Gestaltung des Pflegeprozesses,<br />
bei der Kooperation mit Ärzten und Krankenhäusern und nicht zuletzt in<br />
der Sterbephase des Bewohners.<br />
25 Der Ausdruck „übergeordnete Qualitätsmaßstäbe“ wurde bereits in der Konzeption des Modellvorhabens verwendet und während der<br />
Projektlaufzeit beibehalten. „Übergeordnet“ sollte <strong>zum</strong> Ausdruck bringen, dass die mit den Qualitätsmaßstäben angesprochenen Fragen<br />
grundlegende Aspekte der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität in einer Einrichtung und weniger die Ausgestaltung der Versorgung<br />
des individuellen Bewohners betreffen. Diese ist vielmehr Gegenstand der Leistungsbeschreibungen und der dort formulierten Qualitätsanforderungen.<br />
26 Zwei weitere wichtige Aufgabenfelder wurden zu Beginn des Modellvorhabens ins Auge gefasst, aber letztlich nicht weiter bearbeitet,<br />
um eine Überforderung der Einrichtungen zu vermeiden. Es handelte sich um den Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen und<br />
die Einbindung freiwilliger Helfer. Sie sollten aufgrund ihrer Bedeutung <strong>für</strong> eine angemessene Gestaltung der Versorgung Gegenstand<br />
zukünftiger Entwicklungsarbeiten sein.
4.2 Vorgehen<br />
Nächtliche Versorgung<br />
Wie die Ergebnisse der NRW-Studie aufzeigen, entspricht die nächtliche Versorgung<br />
häufig nicht den Bedarfslagen der Bewohner und weist in vielen Bereichen einen<br />
dringlichen Handlungsbedarf auf (Wingenfeld/Schnabel 2002). Die Entwicklung<br />
von Maßgaben zur Sicherstellung einer ausreichenden nächtlichen Versorgung ist<br />
daher unter Qualitätsgesichtspunkten sicherlich ein herausragendes Thema.<br />
Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen<br />
Als eine bereits bestehende Herausforderung, die zukünftig u.a. aufgrund der verkürzten<br />
Aufenthaltsdauer in Pflegeeinrichtungen noch an Bedeutung gewinnen wird,<br />
kann die Begleitung sterbender Bewohner bezeichnet werden. Das komplexe Aufgabenfeld<br />
der Sterbebegleitung umfasst neben der direkten Bewohnerversorgung auch<br />
die Zusammenarbeit mit Angehörigen, die Schaffung angemessener Rahmenbedingungen<br />
<strong>für</strong> alle Beteiligten und eine optimierte Zusammenarbeit mit externen Berufsgruppen.<br />
Um den heutigen und zukünftigen Anforderungen in Bezug auf die Gestaltung<br />
einer würdigen Sterbebegleitung gerecht werden zu können, wurden alle<br />
genannten Aspekte im entsprechenden Rahmenkonzept aufgegriffen.<br />
Kooperation mit niedergelassenen Ärzten und Überleitungsverfahren<br />
bei Krankenhausaufenthalten<br />
Die Zusammenarbeit mit externen Stellen, insbesondere die Kooperation mit niedergelassenen<br />
Ärzten und Krankenhäusern, ist <strong>für</strong> die Sicherstellung der Versorgung von<br />
großer Bedeutung, stellt aber die Einrichtungen immer wieder vor große Herausforderungen.<br />
Analog zu den Handlungsempfehlungen der Enquête-Kommission „Situation<br />
und Zukunft der Pflege in NRW“ (Landtag NRW 2005) wurden <strong>für</strong> beide Handlungsfelder<br />
Rahmenkonzepte entwickelt, die den von der Pflegeeinrichtung zu verantwortenden<br />
Anteil der Kooperation <strong>zum</strong> Gegenstand haben.<br />
Die Qualitätsmaßstäbe wurden ebenfalls unter Einbindung der Referenzeinrichtungen<br />
entwickelt. Zum Teil orientierten sich diese Arbeiten noch stärker an der Praxis als im<br />
Falle der Leistungsbeschreibungen. Die Entwürfe der meisten Qualitätsmaßstäbe entstanden<br />
auf der Grundlage bereits verfügbarer Ansätze aus der Praxis: Die Referenzeinrichtungen<br />
übermittelten die von ihnen schon früher erarbeiteten Konzepte und<br />
andere Handlungsmaßgaben (z.B. hausinterne Richtlinien) an das IPW und führten<br />
gleichzeitig eine Bestandsaufnahme durch, mit der wesentliche Problemfelder im<br />
jeweils zur Diskussion stehenden Handlungsfeld (z.B. Überleitungsverfahren bei<br />
Krankenhausaufenthalten) abgebildet wurden. Das IPW<br />
wertete diese Materialien aus,<br />
übernahm und systematisierte Elemente, die sich einpassen ließen (ggf. nach vorheriger<br />
Anpassung an das vorgesehene Abstraktionsniveau der Qualitätsmaßstäbe),<br />
ergänzte diese durch eigene Vorschläge (z.T. gestützt auf andere Wissensquellen),<br />
suchte ggf. gezielt nach Lösungen <strong>für</strong> die mit der Bestandsaufnahme sichtbar<br />
gewordenen Probleme,<br />
fasste die Ergebnisse dieser Arbeiten in ersten Entwürfen zusammen<br />
und brachte diese schließlich ähnlich wie bei den Leistungsbeschreibungen in die<br />
Beratung mit den Modellbeauftragten und anderen Projektbeteiligten ein.<br />
85
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
86 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Abweichungen von diesem Vorgehen gab es in zwei Fällen: Bei der Entwicklung des<br />
Maßstabs zur Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten sind wesentliche Teile<br />
des Qualitätsmaßstabs in gemeinsamen Beratungen zwischen dem IPW und zwei in<br />
dieser Thematik ausgewiesenen Experten entwickelt worden (vgl. Kapitel 3). Der<br />
Maßstab zur nächtlichen Versorgung greift zwar auf einige in den Referenzeinrichtungen<br />
verfügbare Ansätze zurück, enthält jedoch in weiten Teilen Anforderungen,<br />
die durch das IPW entwickelt wurden. In beiden Fällen boten die in den Einrichtungen<br />
verfügbaren Konzepte und Richtlinien eine deutlich schmalere Entwicklungsgrundlage<br />
als bei den anderen Themenfeldern.<br />
In den Entwicklungsprozess flossen somit handlungspraktisches Wissen, allgemeine<br />
Handlungsorientierungen aus der Qualitätsdiskussion sowie der Fachliteratur und,<br />
soweit verfügbar, Forschungsergebnisse ein 27 . Nach Abschluss und unter Berücksichtigung<br />
der vielfältigen Beratungen ist die jeweilige Version 1.0 der Qualitätsmaßstäbe<br />
erstellt worden, die den Einrichtungen zur Erprobung übergeben wurde (vgl.<br />
Wingenfeld et al. 2006). Ähnlich wie im Falle der Leistungsbeschreibungen erfolgten<br />
schließlich eine Überarbeitung anhand der Erprobungserfahrungen und eine<br />
redaktionelle Aufbereitung <strong>für</strong> die Publikation im Praxishandbuch.<br />
4.3 Funktion und Charakter der Qualitätsmaßstäbe<br />
Die Qualitätsmaßstäbe haben eine doppelte Funktion:<br />
Sie stellen Anforderungskataloge zur Ausgestaltung der betreffenden Arbeitsfelder<br />
in vollstationären Pflegeeinrichtungen dar, mit denen ein bestimmtes Qualitätsniveau<br />
angestrebt wird. Die oben erwähnten Abstimmungsschritte dienten u.a.<br />
dazu, einen gewissen Konsens über dieses Qualitätsniveau herzustellen. Die Qualitätsmaßstäbe<br />
sind insofern auch als Ergebnis eines Diskussionsprozesses zu verstehen,<br />
in dem sich die Beteiligten darum bemühten, einen tragfähigen Kompromiss<br />
zwischen dem Wünschenswerten und dem Machbaren zu finden. Die praktische<br />
Erprobung soll zeigen, inwieweit die Einrichtungen das angestrebte<br />
Qualitätsniveau unter den gegebenen Rahmenbedingungen erreichen können<br />
bzw. welche Veränderungen erforderlich sind, um dies sicherzustellen.<br />
Die Qualitätsmaßstäbe verstehen sich darüber hinaus als Arbeitshilfe <strong>für</strong> die Einrichtungen.<br />
Sie liefern ihnen eine Grundlage zur Überprüfung und Weiterentwicklung<br />
ihrer bisherigen Konzepte bzw. ihrer Praxis. Je nach Ausgangsbedingungen<br />
werden Einrichtungen eine mehr oder weniger große Übereinstimmung zwischen<br />
den Anforderungskatalogen und ihrer bisherigen Arbeitsweise feststellen. Zum Teil<br />
greifen die Qualitätsmaßstäbe Verfahrensweisen und Problemlösungen auf, die<br />
sich in der Praxis bereits vielfach bewährt haben, <strong>zum</strong> Teil formulieren sie jedoch<br />
Anforderungen, die bislang eher selten aufgegriffen worden sind.<br />
Auf die Funktion der Qualitätsmaßstäbe als Arbeitshilfe, aber auch auf das Ziel der<br />
Anschlussfähigkeit an die Praxis ist zurückzuführen, dass sich die Anforderungen der<br />
Maßstäbe <strong>zum</strong> Teil auf unterschiedlichem Abstraktionsniveau bewegen. Um den<br />
jeweiligen Voraussetzungen und Möglichkeiten der Einrichtungen Rechnung zu tragen,<br />
ist das Anforderungsprofil der Qualitätsmaßstäbe in Teilen relativ allgemein formuliert.<br />
Damit soll ermöglicht werden, die konkrete Ausgestaltung an die Bedingungen<br />
der Einrichtungen anzupassen, ohne ein definiertes Qualitätsniveau zu unterschreiten.<br />
An anderen Stellen wiederum finden sich sehr konkrete Formulierungen<br />
27 Berücksichtigung fanden schließlich auch Anregungen des Instituts <strong>für</strong> Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke, das um eine<br />
fachliche Bewertung des Entwurfs gebeten wurde (vgl. Kapitel 3).
und differenzierte Vorgaben, und zwar immer zu Fragen, bei denen es aus der Sicht<br />
der beteiligten Einrichtungen oder aufgrund der Erprobungserfahrungen notwendig<br />
erschien, <strong>für</strong> die Praxis größtmögliche Klarheit auf der Ebene der Handlungsanforderungen<br />
zu schaffen. Im Ergebnis führte dies zu einer gewissen Beeinträchtigung der<br />
formalen Stringenz und einige Anforderungen der Qualitätsmaßstäbe wirken vielleicht<br />
sogar etwas kleinteilig. Dies wurde jedoch bewusst in Kauf genommen bzw.<br />
gegenüber dem Ziel der Praxistauglichkeit bzw. Anschlussfähigkeit als nachrangig<br />
eingestuft.<br />
Aus dem gleichen Grunde wurde davon Abstand genommen, die verbreitete Unterscheidung<br />
zwischen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität zur Gliederung der Qualitätsmaßstäbe<br />
zu verwenden. Erste Versuche in diese Richtung zu Beginn der Entwicklungsarbeiten<br />
wurden alsbald aufgegeben, denn es erwies sich, dass diese Gliederungsform<br />
kaum mit der Handlungslogik im Versorgungsalltag in Einklang zu<br />
bringen ist und somit die Nutzung der Qualitätsmaßstäbe deutlich erschwert hätte.<br />
Im Rahmen des Modellvorhabens galten die Vorgaben, die in den Qualitätsmaßstäben<br />
enthalten sind, als Mindestanforderungen. Die beteiligten Einrichtungen waren<br />
also gehalten, sie vollständig umzusetzen, konnten und sollten allerdings, wenn sie<br />
es <strong>für</strong> sinnvoll hielten, einrichtungsindividuell weitergehende Qualitätsanforderungen<br />
formulieren und entsprechende Maßnahmen umsetzen.<br />
In Bezug auf das Qualitätsniveau, das die Qualitätsmaßstäbe abbilden, waren (auch<br />
in der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis) während der Konzeptentwicklung<br />
immer wieder Differenzen zu bearbeiten und Kompromisse auszuhandeln.<br />
Diese bezogen sich weniger auf fachlich-inhaltliche Aspekte als auf die Frage der<br />
Machbarkeit. Das Modellvorhaben verfolgte das Ziel, eine nachhaltige Qualitätsentwicklung<br />
anzustoßen, ohne die Praxis zu überfordern. Die Ausgangsbedingungen in<br />
den Referenzeinrichtungen unterschieden sich allerdings, <strong>zum</strong> Teil sogar ganz erheblich.<br />
Dies führte auch auf Seiten der beteiligten Einrichtungen zu abweichenden Einschätzungen<br />
in der Frage, wie hoch die mit den Konzeptbausteinen verknüpften Qualitätsanforderungen<br />
sinnvollerweise anzusetzen waren, um noch verkraftbar zu sein.<br />
Es gelang nicht immer, unter allen Beteiligten einen Kompromiss auszuhandeln. Unter<br />
diesen Umständen entschied das IPW, ob umstrittene Konzeptelemente Bestandteil<br />
bleiben und in die Erprobung gehen sollten oder nicht. Anhand der Erprobungsergebnisse<br />
sollte dann die Tragfähigkeit dieser Entscheidungen überprüft werden.<br />
Zum besseren Verständnis der Qualitätsmaßstäbe sollte schließlich berücksichtigt<br />
werden, dass sie sich auch auf solche Handlungsfelder beziehen, in denen Ergebnisqualität<br />
auf die erfolgreiche Kooperation der Einrichtungen mit anderen Personen<br />
bzw. Organisationen angewiesen ist. Ein Qualitätsmaßstab kann die Einrichtungen<br />
ebenso wenig wie vergleichbare Handlungsleitlinien dazu verpflichten, Qualität<br />
sicherzustellen, die maßgeblich vom Mitwirken anderer Akteure abhängt. Diese Problematik<br />
kommt besonders bei der Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten und<br />
beim Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten <strong>zum</strong> Tragen, aber auch in<br />
der Zusammenarbeit mit Angehörigen. Die Qualitätsmaßstäbe folgen in dieser Hinsicht<br />
dem Grundsatz, sich auf Maßgaben zu konzentrieren, deren Umsetzung sich<br />
von den Einrichtungen tatsächlich gestalten lässt. Sie fordern die Einrichtungen beispielsweise<br />
dazu auf, Angehörigen adäquate Unterstützungsangebote oder niedergelassenen<br />
Ärzten bestimmte Kooperationsangebote zu unterbreiten und hier<strong>für</strong> die<br />
notwendigen Voraussetzungen zu entwickeln. Inwieweit solche Angebote jedoch aufgegriffen<br />
werden und damit eine Verbesserung der Lebens- und Versorgungsqualität<br />
<strong>für</strong> den individuellen Bewohner bewirken, liegt nicht mehr im Einflussbereich der Einrichtungen.<br />
87
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
4.4 Qualitätsmaßstab „Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung“<br />
88 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Mit diesem Qualitätsmaßstab werden Maßgaben <strong>für</strong> die Gestaltung des Übergangs<br />
von Pflegebedürftigen aus dem häuslichen Umfeld oder aus einem Krankenhaus in<br />
eine stationäre Pflegeeinrichtung definiert. Er formuliert Vorgaben <strong>für</strong> die Organisation<br />
des Heimeinzugs in Verbindung mit Maßnahmen zur Unterstützung des Bewohners.<br />
Sie sollen dazu beitragen, die durch den Umzug verursachten Bewältigungsanstrengungen<br />
des Bewohners durch geeignete Rahmenbedingungen und direkte<br />
Betreuung zu fördern. Er umfasst außerdem zeitliche Vorgaben <strong>für</strong> die Durchführung<br />
des pflegerischen Assessments und die Erstellung einer Pflegeplanung während der<br />
ersten Aufenthaltsphase und weist somit Bezüge zu anderen Konzeptbausteinen auf.<br />
Problemhintergrund<br />
Der Einzug in eine Pflegeeinrichtung stellt ein „kritisches Lebensereignis“ dar (Lee et<br />
al. 2002; Kampfe 2002; vgl. Filipp 1995). Die Folgen eines nicht oder nur schlecht<br />
gelingenden Einlebens in das neue Lebensumfeld können gravierend sein. Psychische<br />
Belastungen als Folge des Umzugs sind keine Seltenheit. Sie treten in den ersten<br />
Wochen des Heimaufenthalts häufig in Form von ausgeprägter Hoffnungslosigkeit,<br />
geringer Lebenszufriedenheit und depressiver Stimmung auf (Thiele et al. 2002; Lee<br />
et al. 2002). Darüber hinaus wird über ein erhöhtes Unfallrisiko berichtet, insbesondere<br />
Stürze häufen sich (Saup 1993). Bei demenziell Erkrankten treten vermehrt Orientierungsprobleme,<br />
Wanderungstendenzen oder allgemeine motorische Unruhe auf<br />
(Algase 1999; Thomas 1997).<br />
Wie gut oder wie schlecht die mit dem Heimeinzug verbundenen Probleme und Belastungen<br />
bewältigt werden, hängt u.a. von den Vorstellungen des Betroffenen über<br />
das Heimleben ab. Personen mit einer realitätsangemessenen Vorstellung und eher<br />
positiven Grundhaltung gelingt dies besser als Personen, die damit Ängste und Verlustgefühle<br />
verbinden (Armer 1993). Allerdings setzen sich nur wenige Menschen<br />
prospektiv mit der Vorstellung auseinander, in eine Pflegeeinrichtung einzuziehen.<br />
Den Ergebnissen einer gerontologischen Studie zufolge ist der Anteil der über<br />
60jährigen Bundesbürger, die sich mit dem Gedanken an einen Heimeinzug schon<br />
einmal auseinandergesetzt haben, verschwindend gering (Lehr 2003). Im Allgemeinen<br />
verbinden ältere Menschen mit der Vorstellung eines Lebens in einem Heim überwiegend<br />
negative Aspekte. Verbesserungen der gesundheitlichen Versorgung und ein<br />
Mehr an Sicherheit sind zwar ebenfalls Bestandteil ihrer Erwartungshaltung, allerdings<br />
stehen eher Autonomieverlust, geringe Kontaktmöglichkeiten, Verschlechterungen<br />
der Wohnqualität und finanzielle Einschränkungen im Vordergrund ihrer Vorstellungen<br />
(Feichtinger et al. 2002).<br />
Forschungsarbeiten weisen auf weitere Faktoren hin, die das Belastungserleben im<br />
Verlauf des Heimeinzugs maßgeblich beeinflussen (Lehr 2003). Geplante Einzüge<br />
lassen mehr Zeit <strong>für</strong> eine gedankliche Auseinandersetzung als ungeplante Einzüge<br />
und werden von den Betroffenen daher als wesentlich weniger belastend empfunden.<br />
Außerdem gelingt das Einleben umso besser, je mehr die Betroffenen eine aktive,<br />
gestaltende Rolle übernehmen können. Häufig wird alten Menschen jedoch die<br />
Handlungskontrolle von den Angehörigen und/oder beteiligten beruflichen Helfern<br />
teilweise oder vollständig abgenommen 28 . Zudem finden Heimeinzüge größtenteils<br />
„ad hoc“ statt, so dass eine gedankliche Auseinandersetzung im Vorfeld kaum noch<br />
möglich ist und wenig Spielraum <strong>für</strong> die Entscheidungsautonomie besteht.<br />
28 In diesem Zusammenhang wird auch die Frage nach den Möglichkeiten der Auswahl einer Einrichtung diskutiert: Kann der betroffene<br />
alte Mensch selbst entscheiden, verringern sich die subjektiven Belastungen (Lee et al. 2002; Nolan et al. 1996; Reinardy 1992).
Die oben angesprochenen, negativen Vorstellungen vom Leben in einer Einrichtung<br />
sind durchaus nicht realitätsfern. Zu den beim Heimeinzug häufig erlebten Einschränkungen<br />
und Verlusten gehören insbesondere Einbußen der Autonomie und Privatheit,<br />
materielle bzw. finanzielle Verschlechterungen sowie der Verlust von sozialen Kontakten<br />
(Wilson 1997; Fiveash 1998; Nay 1995). Bei ihrer Bewältigung kommt gezielten<br />
Unterstützungsangeboten eine wichtige Funktion zu: Studien haben zeigen können,<br />
dass der Heimeinzug besser bewältigt wird, wenn er durch Information, Beratung und<br />
Erfahrungsmöglichkeiten begleitet bzw. vorbereitet wird (Lee et al. 2002; Nolan et al.<br />
1996; Pinquart/Devrient 1991). Für den Erfolg des langfristigen Einlebens sind insbesondere<br />
die ersten vier Wochen des Heimaufenthalts entscheidend.<br />
Diese Ausführungen machen deutlich, dass vielfältige Unterstützungsmaßnahmen<br />
erforderlich sind, die nicht auf den Tag des Einzugs beschränkt bleiben dürfen. Vielmehr<br />
ist unter Heimeinzug ein Prozess zu verstehen, der mit der ersten Kontaktaufnahme<br />
<strong>zum</strong> neuen Bewohner beginnt und sich über die ersten Wochen, <strong>zum</strong> Teil auch<br />
Monate des Aufenthalts erstreckt (Thiele et al. 2002; Saup 1993).<br />
Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau des Konzeptbausteins<br />
Das Rahmenkonzept „Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung“ ist in sieben<br />
Abschnitte unterteilt:<br />
1. Grundsätze: Die Grundsätze verweisen auf zwei zentrale Zielrichtungen der<br />
Unterstützung beim Heimeinzug: die Förderung der Integration des Bewohners in<br />
das neue Umfeld und die Reduzierung der mit dem Einzug verbundenen Belastungen.<br />
2. Verfügbarkeit einer schriftlichen Konzeption: Wie bei allen Qualitätsmaßstäben<br />
wird auch in diesem Fall die Erstellung eines einrichtungsbezogenen Konzepts<br />
gefordert.<br />
3. Personelle Zuständigkeiten: Die Bewohner sollen eine Pflegefachkraft als Hauptansprechpartner<br />
<strong>für</strong> die erste Zeit des Einlebens zur Seite gestellt bekommen. Diese<br />
soll den Einzugsprozess mit den anderen daran Beteiligten, wie z.B. den sozialen<br />
Diensten, koordinieren und direkte Hilfen zur Bewältigung leisten.<br />
4. Erstgespräch: Das Erstgespräch soll nach Möglichkeit im Vorfeld des Einzugs stattfinden,<br />
ggf. auch während eines Krankenhausaufenthaltes. Dessen Hauptfunktion<br />
besteht darin, dem neuen Bewohner und ggf. seinen Angehörigen erste Informationen<br />
zu vermitteln, auf Fragen einzugehen und <strong>für</strong> die Einrichtung versorgungsrelevante<br />
Informationen zu erfassen. Es werden auch Vorgaben <strong>für</strong> zentrale<br />
Inhalte des Erstgesprächs formuliert.<br />
5. Vorbereitung des Heimeinzugs: Dieser Abschnitt regelt vorbereitende Maßnahmen<br />
und Absprachen, die zwischen den einzelnen Leistungsbereichen zu treffen<br />
sind. Wichtig ist in diesem Zusammenhang beispielsweise, dass sich die Einrichtung<br />
um die Sicherstellung der Hilfsmittel- und Medikamentenversorgung bemüht.<br />
Die Vorbereitungen sollen auch eine Hausbesichtigung durch den Bewohner<br />
und/oder seine Angehörigen beinhalten.<br />
6. Einzugstag: Hier geht es unter anderem darum, den Bewohner und ggf. seine<br />
Angehörigen angemessen zu empfangen und zu begleiten. Daneben sollen im<br />
Rahmen eines Aufnahmegesprächs Erwartungen und Bedürfnisse thematisiert<br />
sowie weitere <strong>für</strong> die Versorgung wichtige Informationen erfasst werden.<br />
89
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
90 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
7. Erste Phase des Aufenthaltes: Diese Phase umfasst einen Zeitraum von vier bis<br />
sechs Wochen. Während dieser Zeit soll der neue Bewohner regelmäßig, ggf.<br />
auch täglich von seiner Bezugsperson aufgesucht werden. Darüber hinaus soll der<br />
Bewohner die Möglichkeit erhalten, die Einrichtung eingehend kennenzulernen.<br />
Erste Absprachen <strong>zum</strong> Tagesablauf und zu regelmäßigen Aktivitäten (z.B. Nutzung<br />
von Gruppenangebote) sind ebenfalls vorgesehen. Ein wichtiger Stellenwert<br />
kommt einem Integrationsgespräch <strong>zum</strong> Abschluss der ersten Aufenthaltsphase zu.<br />
Hiermit sollen die zurückliegenden Wochen reflektiert und sich daraus eventuell<br />
ergebende Anpassungserfordernisse <strong>für</strong> die Pflege und die weitergehende Unterstützung<br />
identifiziert werden.<br />
Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />
Aufgrund der Erprobungserfahrungen wurden nur wenige Veränderungen des Rahmenkonzepts<br />
notwendig:<br />
Probleme tauchten in einigen Einrichtungen bei der Umsetzung der Maßgaben <strong>zum</strong><br />
Erstgespräch auf. Es erwies sich als schwierig, die Zuständigkeit <strong>für</strong> das Erstgespräch<br />
konsequent der Pflegefachkraft zuzuordnen, die nach dem Heimeinzug die Versorgungsverantwortung<br />
<strong>für</strong> den jeweiligen Bewohner übernehmen sollte. Vor allem bei<br />
kurzfristigen Einzügen war es häufig nicht möglich, die Dienstplanung entsprechend<br />
anzupassen. Daher wurde die Möglichkeit, eine Zwischenlösung <strong>für</strong> die personelle<br />
Verantwortlichkeit zu wählen, nachträglich in das Konzept aufgenommen.<br />
Im Hinblick auf das Erstgespräch zeigten sich generell große Unterschiede zwischen<br />
den Einrichtungen. Während es einigen von ihnen gelang, bei sehr kurzfristig<br />
angekündigten Heimeinzügen ein Erstgespräch im Vorfeld zu führen, benötigten<br />
andere Einrichtungen einen Vorlauf von einer Woche. Zusätzliche Schwierigkeiten<br />
ergaben sich mitunter aufgrund von Personalengpässen oder durch große Entfernungen<br />
zwischen Wohnort und Einrichtung. Diese Erfahrungen führten dazu, in der Endfassung<br />
des Qualitätsmaßstabs größeren Spielraum <strong>für</strong> die Durchführung des Erstgesprächs<br />
vorzusehen. Kann das Gespräch aufgrund der Kurzfristigkeit des Heimeinzugs<br />
oder anderer wichtiger Faktoren nicht im Vorfeld des Heimeinzugs stattfinden,<br />
so sollen die Informationserfassung, Absprachen etc., die Gegenstand des Erstgesprächs<br />
sind, möglichst unmittelbar nach erfolgtem Heimeinzug erfolgen.<br />
Ansonsten lagen Anpassungserfordernisse aufgrund von Erprobungserfahrungen auf<br />
der Ebene der Kommentierung und Erläuterung. So zeigt sich, dass die Maßgabe,<br />
den Bewohner in der ersten Zeit des Aufenthalts regelmäßig durch den Hauptansprechpartner<br />
zu begleiten, Missverständnisse provozieren kann. Einige Einrichtungen<br />
fühlten sich hierdurch aufgefordert, jedem neuen Bewohner täglich und unabhängig<br />
vom tatsächlichen Bedarf Hilfestellungen <strong>zum</strong> Einleben in der Einrichtung<br />
anzubieten. Es war dementsprechend klarzustellen, dass der Bewohnerbedarf den<br />
Maßstab <strong>für</strong> die Häufigkeit der Kontakte und die zu leistende Unterstützung darstellt.<br />
Darüber hinaus war stärker die Vorläufigkeit der Absprachen mit dem Bewohner über<br />
seinen Tagesablauf zu betonen, die dem Qualitätsmaßstab zufolge spätestens am<br />
dritten Aufenthaltstag zu treffen sind. Welcher Tagesablauf den Bedürfnissen des<br />
Bewohners entspricht, lässt sich <strong>für</strong> die Mitarbeiter ebenso wie <strong>für</strong> den Bewohner<br />
selbst oftmals erst nach längerer Zeit absehen.<br />
Ein weiterer Punkt, der genauere Erläuterungen erforderlich machte, war die im Entwurf<br />
formulierte Anforderung <strong>zum</strong> initialen pflegerischen Assessment sowie zur Pflegeplanung.<br />
Es musste in den Kriterien sowie in den Erläuterungen darauf hingewiesen<br />
werden, dass es sich bei der spätestens nach zwei Wochen fertigzustellenden<br />
Pflegeplanung lediglich um eine erste Pflegeplanung handeln kann, die im weiteren<br />
Verlauf anzupassen ist.
4.5 Qualitätsmaßstab „Zusammenarbeit mit Angehörigen“<br />
Professionelle Angehörigenarbeit, d. h. der geplante und organisierte Umgang einer<br />
Einrichtung mit den Angehörigen der Bewohner (vgl. Daneke 2000), dient in erster<br />
Linie der Förderung der alltäglichen sozialen Unterstützung der Bewohner 29 . Zweifellos<br />
profitieren auch die Angehörigen selbst und die Beschäftigten der Einrichtung,<br />
wenn durch bewusste und zielgerichtete Angehörigenarbeit eine stabile und produktive<br />
Kooperation zwischen allen Beteiligten entsteht. Das vorrangige Ziel der<br />
Angehörigenarbeit leitet sich jedoch aus den Interessen und Bedürfnissen des Bewohners<br />
ab.<br />
Problemhintergrund<br />
Angehörigen kommt <strong>für</strong> die alltägliche soziale Unterstützung eine wichtige Bedeutung<br />
zu. Heimbewohner verfügen in der Regel nur noch über ein stark reduziertes<br />
soziales Netzwerk (Backes/Clemens 2003). Nicht allein aufgrund ihrer Einbindung<br />
in einen institutionell geprägten Lebenszusammenhang, sondern auch aufgrund körperlicher<br />
und/oder kognitiver Einschränkungen fällt ihnen die Aufrechterhaltung und<br />
Pflege sozialer Kontakte oftmals schwer. Sie sind daher in hohem Maße auf die Initiative<br />
anderer Personen, insbesondere der Angehörigen angewiesen (Kors/Seunke<br />
2001). Immerhin 90% der Bewohner erhalten Besuch, allerdings nur 47% regelmäßig<br />
(mindestens einmal wöchentlich) (KDA 2000). Regelmäßige Besuche können<br />
jedoch wesentlich zu einer Verbesserung des Wohlbefindens der Bewohner beitragen<br />
(Janzen 2001; Bauer/Nay 2003).<br />
Alltägliche soziale Unterstützung kann sowohl als psychische Unterstützung (z.B. Vermittlung<br />
von Geborgenheit, Nähe, Zugehörigkeit) wie auch als instrumentelle Unterstützung<br />
(z.B. durch finanzielle oder praktische Hilfen) erfolgen. Sie ist nicht nur in<br />
Krisensituationen von Relevanz, sondern kann zu allen Zeiten grundlegende Bedürfnisse<br />
„nach Zugehörigkeit, Wertschätzung, Zuneigung, Identität und Sicherheit<br />
befriedigen“ (Künzel-Schön 2000: 134; vgl. Mc Garry Logue 2003). Angehörige<br />
von Heimbewohnern übernehmen in vielen Fällen auch die Rolle von Fürsprechern<br />
des Pflegebedürftigen und vertreten seine Belange, wenn er selbst hierzu nicht mehr<br />
oder nur noch eingeschränkt in der Lage ist.<br />
Die Einbeziehung der Angehörigen kann ggf. jedoch auch als einschränkend, mitunter<br />
sogar als bedrohlich erlebt werden. Ist die Beziehung zwischen ihnen und dem<br />
Bewohner belastet und entwickelt dieser den Eindruck, dass sie mehr Einfluss auf die<br />
aktuelle Situation ausüben können als der Bewohner selbst, erscheint ihm die Situation<br />
möglicherweise unkontrollierbar 30 . Solche Konstellationen haben ihren Ausgangspunkt<br />
meist in der gemeinsamen Vergangenheit, ggf. verstärkt durch die Notwendigkeit<br />
pflegerischer Unterstützung durch Angehörige in der Zeit vor dem Heimeinzug<br />
(Fuchs 2000).<br />
Spannungsbeladene Beziehungen zwischen Angehörigen und Mitarbeitern können<br />
sich <strong>für</strong> den Bewohner ebenfalls nachteilig auswirken. „So entstehen Belastungen aus<br />
Konkurrenzgefühlen zwischen Angehörigen und Personal, durch Klagen über<br />
schlechte Versorgung durch das Personal oder über Verhaltensweisen von Bewohnern<br />
sowie durch unterschiedliche Ansichten zu Aufgaben und Pflichten der Beteiligten“<br />
(Backes/Clemens 2003: 251). Dies kann sogar zu einer geringeren Besuchshäufig-<br />
29 „Alltägliche soziale Unterstützung bezeichnet den Austausch von Hilfe, Zuneigung und Zuwendung zwischen Menschen außerhalb definierter<br />
beruflicher Zuständigkeiten“ (Sickendiek et al. 2002: 21f).<br />
30 Mitunter kann soziale Unterstützung das Gefühl von Ungleichgewicht hervorrufen: „Menschen in unserer Kultur scheinen (...) das Bedürfnis<br />
zu haben, Empfangenes zurückzugeben. Offenbar ist es uns nicht nur angenehm, etwas, das wir brauchen, zu bekommen, sondern<br />
das Erhalten von Unterstützung kann bei uns auch unangenehme Gefühle auslösen“ (Künzel-Schön 2000: 142). Dieser Sachverhalt gilt<br />
auch <strong>für</strong> Heimbewohner. Alte Menschen können die Unterstützung durch Angehörige umso besser akzeptieren, je mehr sie davon überzeugt<br />
sind, im Laufe ihres Lebens schon viel <strong>für</strong> die Familie getan zu haben und somit gewissermaßen in „Vorleistung“ getreten zu sein.<br />
91
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
92 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
keit der Angehörigen führen (Port 2004; McGarry Logue 2003). Auch unabhängig<br />
davon werden Kontakte zwischen Bewohner und Angehörigen negativ beeinflusst,<br />
wenn Konflikte mit Mitarbeitern <strong>zum</strong> beherrschenden Thema zwischen ihnen werden.<br />
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Angehörige beim Einleben in der<br />
Einrichtung Unterstützung geben und eine Partnerfunktion <strong>für</strong> die Dauer des Heimaufenthaltes<br />
übernehmen können (Schmidt 2003; George/George 2003). Sie tragen<br />
folglich wesentlich zur Förderung des subjektiven Wohlbefindens und somit der<br />
Lebensqualität des Bewohners bei. Die von Angehörigen erbrachte soziale Unterstützung<br />
kann nicht durch professionelle Hilfe ersetzt werden (Backes/Clemens 2003),<br />
allerdings können Mitarbeiter die soziale Beziehung zwischen Bewohner und<br />
Angehörigen unterstützen und fördern. Soziale Bindungen sollten daher in der individuellen<br />
Pflege stets „mitgedacht“ werden 31 . Eine offene Kommunikation zwischen<br />
Angehörigen und Mitarbeitern trägt dazu bei, Missverständnisse und daraus resultierende<br />
Konflikte zu vermeiden (Janzen 2001).<br />
Angehörigenarbeit kann sich also in einem Spannungsfeld bewegen, in dem erst<br />
noch geeignete Formen der Einbeziehung unter Beachtung von Interessen und Bereitschaft<br />
der Beteiligten gefunden werden müssen. Ein Konzept zur Zusammenarbeit mit<br />
Angehörigen muss unterschiedlich zugeschnittene und flexibel gestaltete Angebote<br />
beinhalten, um möglichst viele Angehörige trotz <strong>zum</strong> Teil stark voneinander abweichender<br />
Erwartungen in das Versorgungsgeschehen einbinden zu können (Gaugler<br />
et al. 2005). Die Einrichtungen stehen folglich vor der Herausforderung, „mit den<br />
vielfältigen Einstellungen und Handlungsperspektiven, die durch Angehörige eingebracht<br />
werden, dynamisch und erprobend umzugehen“ (Steiner 2001: 87; vgl.<br />
Bauer/Nay 2003).<br />
Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau des Konzeptbausteins<br />
Der Qualitätsmaßstab „Zusammenarbeit mit Angehörigen“ zielt darauf ab, eine konzeptgestützte,<br />
bewusste und planvolle Angehörigenarbeit zu fördern. Hierdurch soll<br />
vorrangig eine kontinuierliche soziale Unterstützung durch Angehörige <strong>für</strong> Bewohner<br />
gesichert werden. Eine den Anforderungen des Qualitätsmaßstabs entsprechende<br />
Angehörigenarbeit trägt aber auch dazu bei, dass Bewohner in Situationen, die sie<br />
in der Regel als belastend erleben, wie z.B. Heimeinzug oder Krankenhausaufenthalt,<br />
Begleitung durch vertraute, d. h. <strong>für</strong> sie besonders wichtige Personen, erfahren.<br />
Der Qualitätsmaßstab gliedert sich in acht Abschnitte:<br />
1. Grundsätze: In den Grundsätzen werden als zentrale Anliegen der Angehörigenarbeit<br />
a) die Mitwirkung und Integration der Angehörigen und b) die Förderung<br />
des Kontakts zwischen Bewohner und Angehörigen betont.<br />
2. Verfügbarkeit einer schriftlichen Konzeption<br />
3. Personelle Zuständigkeiten: Angehörigen soll ein fester Ansprechpartner zur Verfügung<br />
stehen, der im Idealfall mit der <strong>für</strong> den Bewohner Zuständigen Pflegefachkraft<br />
(vgl. Kapitel 6.1) identisch ist.<br />
4. Förderung des Kontaktes zwischen Bewohner und Angehörigen: Dieser Abschnitt<br />
zielt vor allem auf die Berücksichtigung der Kontaktförderung in der Pflegeplanung,<br />
die Vermittlung zwischen Bewohner und Angehörigen bei auftretenden Differenzen,<br />
die Unterstützung des Bewohners bei der Pflege des Kontaktes und die<br />
Gewährleistung eines geeigneten Rahmens <strong>für</strong> den Kontakt zwischen Bewohner<br />
und Angehörigen sowie gemeinsame Aktivitäten in der Einrichtung (z.B. Feiern).<br />
31 „In gewisser Weise nimmt das Pflegeheim nicht nur den Bewohner auf, sondern auch seine Familie“ (Kors/Seunke 2001).
5. Allgemeine Angebote: Veranstaltungen <strong>für</strong> Angehörige und die Einbindung der<br />
Angehörigen in einrichtungsinterne Aktivitäten sollen regelmäßig angeboten werden.<br />
Der Qualitätsmaßstab betont, dass diese Art der Einbeziehung von<br />
Angehörigen sorgfältige Überlegungen zur inhaltlichen Ausgestaltung und zu<br />
organisatorischen Formen erfordert 32 .<br />
6. Individuelle Angehörigenarbeit: Dieser Punkt beinhaltet vor allem die Anforderung,<br />
ein geeignetes Informations- und Beratungsangebot <strong>für</strong> Angehörige (unter<br />
Einschluss geplanter und ungeplanter Gespräche) vorzuhalten und geeignete Voraussetzungen<br />
<strong>für</strong> die Beteiligung der Angehörigen an der individuellen Versorgung<br />
zu schaffen (Einbeziehung in das pflegerische Assessment, die Pflegeplanung,<br />
die pflegerische und sonstige Unterstützung sowie Abstimmung in schwierigen<br />
Versorgungssituationen). Angehörigensprechstunden wurden nicht als<br />
Anforderung, sondern als eine mögliche Option formuliert, da ein solches Angebot<br />
nach den Erfahrungen der Referenzeinrichtungen kaum genutzt wird und der<br />
Bedarf an ungeplanten Gesprächen deutlich überwiegt.<br />
7. Verfahrensweisen in besonderen Situationen: Dieser Punkt bezieht sich auf die<br />
Informationsübermittlung und die Zusammenarbeit in Situationen wie beispielsweise<br />
anstehenden Krankenhausaufenthalten der Bewohner oder gravierenden<br />
gesundheitlichen Verschlechterungen.<br />
8. Umgang mit Kritik, Anregungen und Beschwerden: Hier wird auf die Notwendigkeit<br />
der Information der Angehörigen über das Beschwerdemanagement der Einrichtung<br />
und die regelmäßige Erfassung von Wünschen und Bedürfnissen der<br />
Angehörigen verwiesen.<br />
Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />
Im Gesamtbild ergab sich während der Erprobung eine verbesserte Zusammenarbeit<br />
mit Angehörigen in den Referenzeinrichtungen. Davon profitierten nicht nur Bewohner<br />
und Angehörige, positive Auswirkungen waren auch <strong>für</strong> die Mitarbeiter spürbar.<br />
Durch die Benennung fester Ansprechpartner erfolgte die Kommunikation unmittelbar<br />
mit der jeweils zuständigen Person. Hierdurch hat sich der Informationsfluss in den<br />
Einrichtungen verbessert. Die insgesamt verbesserte Zusammenarbeit hat dazu beigetragen,<br />
dass Angehörige zunehmend als Partner in der Bewohnerversorgung<br />
wahrgenommen werden, wodurch auch, wie aus mehreren Einrichtungen berichtet<br />
wurde, konfliktträchtige Situationen seltener wurden.<br />
Die Erprobungserfahrungen zeigten (erwartungsgemäß) allerdings auch, dass die<br />
Umsetzung zahlreicher Anforderungen von der Bereitschaft der Angehörigen<br />
abhängt, mit der Einrichtung zusammenzuarbeiten. So reichen beispielsweise die<br />
Erfahrungen mit der Einbeziehung der Angehörigen in die Versorgung/Betreuung<br />
von „sehr positiv“ bis hin zu „fehlende Bereitschaft der Angehörigen“. Ebenso unterschiedlich<br />
fallen die Erfahrungen mit Veranstaltungsangeboten aus. So genannte<br />
Angehörigenabende wurden in einigen Einrichtungen gut frequentiert, andere<br />
berichteten auch hier über eine geringe Resonanz. Auch ist zu berücksichtigen, dass<br />
nicht alle Bewohner eine intensive Einbindung der Angehörigen in das Einrichtungsgeschehen<br />
wünschen bzw. Angehörige dies aus familiären bzw. beruflichen Gründen<br />
nicht zu leisten in der Lage waren. Der bei der Entwicklung des Qualitätsmaßstabs<br />
tragende Grundsatz, den Einrichtungen Freiraum <strong>für</strong> eigene Schwerpunktsetzungen<br />
zu lassen, hat sich insofern als sehr wichtig erwiesen.<br />
32 Auf die Unterscheidung zwischen wohnbereichsbezogenen und übergreifenden Angeboten wurde verzichtet. Wohnbereichsbezogene<br />
Angebote stoßen oftmals auf geringe Resonanz, so dass Aufwand und Nutzen in keinem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.<br />
Der Qualitätsmaßstab lässt offen, welche Formen gewählt werden sollen, und eröffnet hierdurch den Einrichtungen die Möglichkeit, sich<br />
jeweils basierend auf ihrem Erfahrungshintergrund <strong>für</strong> eine aus ihrer Sicht bewährte Form zu entscheiden.<br />
93
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
94 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die Ausgestaltung der individuellen Angehörigenarbeit nach den Vorgaben des Qualitätsmaßstabs<br />
(Punkt 6) erwies sich <strong>für</strong> viele Einrichtungen als große Herausforderung.<br />
Sie erfolgt meist in Form von Gesprächen zwischen Angehörigen und der<br />
jeweils Zuständigen Pflegefachkraft (Hauptansprechpartner). Diesen Gesprächen<br />
wird insbesondere von den Angehörigen der Vorrang gegenüber Gruppenangeboten<br />
gegeben. Auch wenn die Relevanz dieser Gespräche als hoch eingestuft wurde,<br />
konnten die Mitarbeiter sie nur unter großen Schwierigkeiten gewährleisten, da sie<br />
äußerst zeitintensiv sind und Flexibilität voraussetzen. Die Mehrzahl solcher<br />
Gespräche ist nicht geplant und kann daher auch nicht bei der Gestaltung der<br />
Arbeitsorganisation im Vorfeld berücksichtigt werden. Terminierte Gespräche werden<br />
von Angehörigen nur bedingt genutzt bzw. nachgefragt, sie bevorzugen Gespräche,<br />
die spontan stattfinden, wenn aus ihrer Sicht hierzu ein aktueller Bedarf besteht (vgl.<br />
hierzu auch Hertzberg et al. 2001). Die Mitarbeiter bewegen sich damit in einem<br />
Spannungsverhältnis zwischen dem aktuellen Gesprächsbedürfnis der Angehörigen<br />
und den Anforderungen des täglichen Versorgungsgeschehens. Dennoch sollte der<br />
Stellenwert ungeplanter Gespräche mit Angehörigen <strong>für</strong> eine gute Zusammenarbeit<br />
nicht unterschätzt werden und nichts unversucht bleiben, um diese – wenn auch ggf.<br />
im begrenzten zeitlichen Rahmen – zu ermöglichen. Die Aufforderung, auch ungeplante<br />
Gespräche anzubieten, wurde daher trotz der genannten Schwierigkeiten als<br />
Teil des Anforderungskatalogs beibehalten.<br />
Die Erprobungserfahrungen dokumentieren außerdem ein begrenztes Interesse von<br />
Angehörigen an einer Einbeziehung in das Assessment und die Pflegeplanung. Es gab<br />
zudem unterschiedliche Vorstellungen in den Einrichtungen, was unter Einbeziehung<br />
der Angehörigen bei der Erstellung der Pflegeplanung zu verstehen ist. Die Anwesenheit<br />
der Angehörigen bei der Verschriftlichung der Pflegeplanung und bei jeder weiteren<br />
Bearbeitung bzw. Evaluation ist sicherlich nicht erforderlich und sowohl von Seiten<br />
der Angehörigen als auch der Mitarbeiter kaum zu leisten. Als erfolgsversprechender<br />
erwiesen sich Gespräche zwischen Angehörigen und der jeweils Zuständigen<br />
Pflegefachkraft, die besondere bewohnerbezogene Problematiken <strong>zum</strong> Thema haben.<br />
Angehörige erhielten hierdurch die Gelegenheit, diese besser nachvollziehen und<br />
einen Beitrag zur Problemlösung beisteuern zu können. Auch kann eine mündliche<br />
Information über angestrebte Pflegeziele und hiermit verbundene Maßnahmen dazu<br />
führen, dass Angehörige zur Zielerreichung aktiver beitragen.<br />
Im Falle des Qualitätsmaßstabs „Zusammenarbeit mit Angehörigen“ hat sich aufgrund<br />
der Erprobungserfahrungen der Einrichtungen und der fachlichen Diskussion<br />
mit den Modellbeauftragten somit keine Notwendigkeit zu wesentlichen inhaltlichen<br />
Modifikationen ergeben. Die konzeptionellen Kernelemente haben sich mit anderen<br />
Worten in der Praxis gut bewährt. Lediglich sprachliche Präzisierungen wurden zur<br />
Vermeidung inhaltlicher Missverständnisse vorgenommen.<br />
4.6 Qualitätsmaßstab „Nächtliche Versorgung“<br />
Problemhintergrund<br />
Im Vordergrund des nächtlichen Leistungsgeschehens stehen in der Regel körperbezogene<br />
Leistungen, die Gewährleistung der Sicherheit der Bewohner und die Reduktion<br />
von Störungen (Wingenfeld/Schnabel 2002). Aufgrund der äußerst wechselhaften,<br />
d. h. im Vorfeld nicht absehbaren pflegerischen Anforderungen und einer<br />
gegenüber dem Tagdienst deutlich reduzierten Personalbesetzung wird besonderen<br />
Verhaltensweisen oder Bedürfnissen der Bewohner oftmals nicht in angemessener<br />
Form und ausreichendem Maße begegnet. „Nicht langanhaltende Ruhe ist das vorherrschende<br />
Kennzeichen der Nacht in stationären Pflegeeinrichtungen, sondern ein<br />
häufig auftretender Versorgungsbedarf aufgrund körperlicher, psychischer und verhaltensbezogener<br />
Probleme“ (Wingenfeld 2004: 40). Rund die Hälfte der Bewohner
weist nächtliche Unruhe und einen gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus auf (Wingenfeld/Schnabel<br />
2002), wobei diese oder andere Verhaltensweisen oftmals isoliert<br />
vom Tagesgeschehen betrachtet werden. Eine von Mitarbeitern des Tag- und Nachtdienstes<br />
gemeinsame Ermittlung von Bedarfslagen und Bedürfnissen – nach Möglichkeit<br />
unter Einbezug der Bewohner und/oder der Angehörigen – hat Seltenheitswert,<br />
ebenso fehlt vielfach ein hierauf aufbauendes adäquates Leistungsangebot.<br />
Langanhaltender Nachtschlaf stellt aus unterschiedlichen Gründen nicht den Regelfall<br />
<strong>für</strong> Bewohner vollstationärer Pflegeeinrichtungen dar und kann auch nicht durch<br />
medizinische oder pflegerische Interventionen erzwungen werden. Der Schlaf-Wach-<br />
Rhythmus unterliegt im Alter zahlreichen physiologischen Veränderungen: verkürzte<br />
Tiefschlafphasen, Zunahme nächtlicher Wachphasen und Schlafphasen am Tag,<br />
Zubettgehen und Aufstehen erfolgen zu früheren Zeiten als bei jüngeren Menschen<br />
(Juda et al. 2006) 33 . Krankheitsbedingt können Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus<br />
beispielsweise infolge einer Demenzerkrankung auftreten, wobei hiervon mehr als<br />
die Hälfte der demenziell erkrankten Bewohner in unterschiedlicher Ausprägung<br />
betroffen sind (Motohashi et al. 2000). Auch die Unfähigkeit, die gewünschte Schlafposition<br />
selbständig einzunehmen, Schmerzen, Angstzustände und depressive Stimmungen<br />
können Ursachen <strong>für</strong> einen gestörten Nachtschlaf darstellen (Morgan/Closs<br />
1999). Und schließlich kann eine Versorgungssituation, die durch fehlende Tagesstrukturierung,<br />
körperliche Inaktivität, reduzierte Lichtexposition während des Tages,<br />
unangemessen lange Aufenthalte im Bett etc. gekennzeichnet ist, ebenfalls negativen<br />
Einfluss auf den Nachtschlaf nehmen (Frohnhofen/Höltmann 2000). Die Tagesstrukturierung<br />
in den Einrichtungen orientiert sich oftmals eher an betrieblichen Abläufen<br />
als an individuellen Bedürfnissen der Bewohner (Wingenfeld/Schnabel 2002).<br />
Eine bedarfs- und bedürfnisorientierte Gestaltung der nächtlichen Versorgung setzt<br />
eine Analyse der individuellen Schlaf- bzw. Wachmuster, Problemlagen und Bedürfnisse<br />
(Späth/Matter 1998) sowie der bestehenden Versorgungssituation während<br />
des Tages und der Nacht voraus. Auf dieser Grundlage können bewohnerbezogene<br />
Pflegeziele festgelegt und bedarfsorientierte Angebote geplant werden 34 .<br />
Der Qualitätsmaßstab greift diese Problematik in Form von Anforderungen an die<br />
Kooperation zwischen den Mitarbeitern, die Organisation und die direkte Versorgung<br />
und Betreuung der Bewohner auf. Da Probleme der nächtlichen Versorgung<br />
nicht losgelöst vom Tagesgeschehen betrachtet werden können, beinhaltet der Qualitätsmaßstab<br />
auch solche Anforderungen, die Konsequenzen <strong>für</strong> die im Tagdienst<br />
eingesetzten Mitarbeiter haben.<br />
Entsprechend des Prinzips der Anschlussfähigkeit an die derzeitigen Praxisbedingungen<br />
sieht der Qualitätsmaßstab Maßnahmen vor, die unabhängig von der vorherrschenden<br />
Dienstorganisationsform zu einer Verbesserung der Versorgungssituation<br />
beitragen können. Zugleich bietet er die Grundlage <strong>für</strong> eine konzeptionelle Neuorientierung,<br />
d. h. den Übergang zu einer Dienstorganisation, die sich flexibel an den<br />
aktuellen Bedarfs- und Problemlagen der Bewohner ausrichtet.<br />
Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau<br />
Der Qualitätsmaßstab hat primär die Versorgungssituation in der Zeit vom Abend bis<br />
in die frühen Morgenstunden <strong>zum</strong> Gegenstand. Dennoch können und dürfen die Versorgung<br />
am Tag und in der Nacht nicht getrennt voneinander betrachtet werden, da<br />
sie sich gegenseitig beeinflussen und bedingen. Der Qualitätsmaßstab hebt deshalb<br />
33 Entgegen einer weit verbreiteten Annahme führen kurze Schlafphasen während des Tages in der Regel nicht zu einer Beeinträchtigung<br />
des Nachtschlafes (Campbell et al. 2005).<br />
34 Beispielsweise gibt es Hinweise darauf, dass der Schlaf-Wach-Rhythmus durch gezielte körperliche Aktivität während des Tages positiv<br />
beeinflusst werden kann (Namazi et al. 1995). Dieser Effekt lässt sich steigern, wenn entsprechende Maßnahmen mit einer Veränderung<br />
von Umgebungsfaktoren wie z.B. einer ausreichenden Beleuchtung während des Tages (Münch et al. 2005) oder Lärmreduzierung und<br />
Vermeidung von Schlafunterbrechungen aufgrund pflegerischer Tätigkeiten (Alessi et al. 1999) kombiniert werden.<br />
95
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
96 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
deutlich hervor, dass die nächtliche Versorgung ein integraler Bestandteil der Versorgung<br />
über 24 Stunden ist.<br />
Er enthält Anforderungen, deren Bedeutung <strong>für</strong> eine bedarfsgerechte nächtliche Versorgung<br />
erhebliche Unterschiede aufweist. Scheinbar selbstverständlich ist z.B. die<br />
Forderung nach der Verfügbarkeit von Materialien <strong>für</strong> die pflegerische Versorgung.<br />
Auch die Problematik der Durchführung der Körperpflege in den Nachtstunden<br />
wurde ungeachtet der bereits seit Jahren geführten Diskussion in den Qualitätsmaßstab<br />
aufgenommen. Dieses Vorgehen ist der Anschlussfähigkeit des Konzeptbausteins<br />
an die derzeitigen Praxisbedingungen geschuldet, da grundlegende Bedingungen<br />
und Vereinbarungen nicht durchgängig als gegeben vorausgesetzt werden können.<br />
Dem gegenüber stehen Anforderungen von grundlegender Bedeutung <strong>für</strong> die nächtliche<br />
Versorgung, z.B. die regelmäßige Durchführung von Bedarfsanalysen und die<br />
Entwicklung angemessener Versorgungsangebote, die ggf. auch eine Reorganisation<br />
der Dienstzeiten erforderlich machen.<br />
Die Ergebnisse eines Expertenworkshops mit Vertretern von Einrichtungen, die bereits<br />
erfolgreich Angebote zur Verbesserung der nächtlichen Versorgungssituation erprobt<br />
haben, bestätigten mehrheitlich die inhaltlichen Anforderungen des Qualitätsmaßstabs.<br />
Außerdem zeichnete sich ab, dass die langfristige Entwicklung zu einer<br />
bedarfsgerechten zeitnahen Anpassung der Personalplanung und einer verstärkten<br />
Personalbesetzung am Abend bzw. in der Nacht tendieren muss. Entsprechende Hinweise<br />
wurden daher in die Einleitung des Qualitätsmaßstabs aufgenommen.<br />
Im Einzelnen umfasst das Rahmenkonzept folgende Anforderungen:<br />
1. Grundsätze: Die Grundsätze benennen als Kernanforderungen die fachkompetente,<br />
bedarfsangemessene Versorgung und Betreuung der Bewohner über<br />
24 Stunden hinweg und die Kooperation zwischen Tag- und Nachtdienst bei der<br />
Planung der Versorgung und die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen <strong>für</strong><br />
eine ausreichende Nachtruhe der Bewohner.<br />
2. Verfügbarkeit einer schriftlichen Konzeption: Im Vergleich zu anderen Qualitätsmaßstäben<br />
werden höhere Anforderungen an die schriftliche Konzeption gestellt. Insbesondere<br />
soll sie Aussagen über Art und Umfang des Versorgungsangebotes sowie die<br />
Personalressourcen <strong>für</strong> die abendliche und nächtliche Versorgung enthalten.<br />
3. Bedarfsgerechtes abendliches/nächtliches Versorgungsangebot: Die Einrichtungen<br />
werden aufgefordert, mindestens einmal jährlich zu überprüfen, inwieweit ihr<br />
Versorgungsangebot dem am Abend und in der Nacht anfallenden Bedarf der<br />
Bewohner entspricht. Bei fehlender Entsprechung sollen geeignete Schritte zu konzeptionellen<br />
Anpassungen eingeleitet werden.<br />
4. Rahmenbedingungen: Dieser Abschnitt bezieht sich auf Rahmenbedingungen, die<br />
die Nachtruhe der Bewohner und die nächtliche Versorgung beeinflussen (Vermeidung<br />
von Lärm und störenden Lichtquellen, Verfügbarkeit von Materialien zur pflegerischen<br />
Versorgung, Entlastung der Mitarbeiter des Nachtdienstes von mittelbar<br />
bewohnerbezogenen Leistungen, Sicherheitsvorkehrungen und Verfügbarkeit<br />
eines Gemeinschaftsraums <strong>für</strong> die Bewohner).<br />
5. Personelle Regelungen: Die Anforderungen an personelle Regelungen erstrecken<br />
sich auf die Vorgehensweise beim Ausfall von Mitarbeitern, die Aufgabenteilung<br />
im Nachtdienst und die kurzfristige Anpassung der Dienstplanung an außergewöhnlichen<br />
Unterstützungsbedarf in der Nacht 35 .<br />
35 Die Anforderung einer kurzfristigen Anpassung des Mitarbeitereinsatzes in der Nacht bei sich bereits während des Tages abzeichnendem<br />
außergewöhnlich hohem Unterstützungsbedarf wurde als sinnvoll, von den Modellbeauftragten jedoch als kaum realisierbar eingestuft.<br />
Den Bedenken der Praxis wurde durch eine entsprechend angepasste Formulierung („...bemüht sich die Einrichtungsleitung bzw.<br />
Pflegedienstleitung, die Planung des Mitarbeitereinsatzes kurzfristig daran anzupassen“) Rechnung getragen.
6. Pflegerische Versorgung und Betreuung: Die Bewohner sollen über die Nutzung<br />
des Gemeinschaftsraums am Abend bzw. in der Nacht und den Zeitpunkt des<br />
Zubettgehens entscheiden können. Zudem ist festgelegt, dass nächtliche Kontrollgänge<br />
sich am individuellen Bedarf der Bewohner orientieren sollen und die morgendliche<br />
Körperpflege nur auf ausdrücklichen Wunsch des Bewohners während<br />
des Nachtdienstes erfolgt.<br />
7. Information, Dokumentation und Pflegeplanung: Der Informationstransfer zwischen<br />
den Mitarbeitern unterschiedlicher Schichten muss ebenso geregelt sein wie<br />
die Einbeziehung von Nachtdienstmitarbeitern bei der Erstellung der Pflegeplanung.<br />
Insbesondere sollen Schlafverhalten, nächtliche Bedürfnisse und Problemlagen<br />
der Bewohner stärker in der Pflegeplanung berücksichtigt werden.<br />
8. Förderung der Kommunikation zwischen den Mitarbeitern: Sie soll u.a. dadurch<br />
erreicht werden, dass Nachtdienstmitarbeiter (<strong>zum</strong>indest während der Einarbeitungszeit)<br />
auch im Tagdienst eingesetzt werden, sie konsequent in einrichtungsinterne<br />
Aktivitäten und gemeinsame Besprechungen aller Mitarbeiter mit einbezogen<br />
werden 36 .<br />
9. Verfahrensweisen in besonderen Situationen: Diese Verfahrensweisen betreffen<br />
z.B. medizinische Notfallsituationen, das Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten,<br />
den Umgang mit neu eingezogenen Bewohnern, die Sterbebegleitung<br />
und technische Notfälle.<br />
Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />
Der Qualitätsmaßstab zur nächtlichen Versorgung ging relativ spät in die praktische<br />
Erprobung. Dessen ungeachtet genügen die praktischen Erfahrungen, um die besonderen<br />
Herausforderungen zu benennen, mit denen bei der Umsetzung zu rechnen ist.<br />
Es handelt sich in erster Linie um die Entwicklung von Versorgungskonzepten auf der<br />
Grundlage einer Bedarfsanalyse und die Kooperation von Tag- und Nachtdienstmitarbeitern.<br />
Die vom Qualitätsmaßstab vorgesehene Ermittlung des Bedarfs an abendlicher bzw.<br />
nächtlicher Versorgung bildet die Grundlage <strong>für</strong> die Überprüfung des bestehenden<br />
Versorgungsangebots. Diese mindestens jährlich durchzuführende Analyse erscheint<br />
nach den Erprobungserfahrungen nur dann realisierbar, wenn das <strong>für</strong> eine solche<br />
Analyse erforderliche Know-How verfügbar ist und Zuständigkeiten und Abläufe konkret<br />
festgelegt sind. Die Verantwortung sollte bei der Pflegedienstleitung liegen, in<br />
deren Aufgabenbereich auch die Initiierung von Anpassungen des Angebots liegt.<br />
Ein späterer Dienstbeginn oder Zwischendienste am Abend können wesentlich dazu<br />
beitragen, die Versorgungssituation positiv zu beeinflussen, werden von den Mitarbeitern<br />
allerdings häufig als besonders einschneidende Veränderungen erlebt. Um<br />
neue Angebote entwickeln und in den Versorgungsalltag integrieren zu können, sind<br />
neben einer veränderten Dienstorganisation auch entsprechend qualifizierte Mitarbeiter<br />
erforderlich. Mitarbeiter, die ständig im Nachtdienst tätig sind, nehmen jedoch<br />
in geringerem Ausmaß als ihre Kollegen an Fortbildungen teil.<br />
Pflegeplanungen, die eine Tagesstrukturierung über 24 Stunden berücksichtigen,<br />
erfordern die Zusammenarbeit von Tag- und Nachtdienstmitarbeitern. Nachtdienstmitarbeiter<br />
scheinen nicht selten die hiermit verbundene Verantwortungsübernahme<br />
zu scheuen. Informationsdefizite und mangelnde Teamintegration können hier<strong>für</strong> mit-<br />
36 Die ursprünglich ins Auge gefasste Anforderung, aus den Reihen der Nachtdienstmitarbeiter einen Sprecher zu bestimmen, der die Interessen<br />
der Mitarbeiter in Besprechungen o. ä. vertritt, hat sich als entbehrlich erwiesen. In vielen Einrichtungen sind Nachtdienstmitarbeiter<br />
einzelnen Wohnbereichen zugeordnet und in deren Kommunikationsstrukturen eingebunden, so dass ein wohnbereichsübergreifender<br />
Nachtdienstsprecher nicht erforderlich ist. Für Einrichtungen mit anderen Organisationsstrukturen wurde aber ein entsprechender Hinweis<br />
im Sinne einer Empfehlung in die Erläuterungen aufgenommen.<br />
97
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
98 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
verantwortlich sein und erschweren die Kooperation. Als positiv wurden daher die<br />
Forderungen nach einer Einarbeitung der künftigen Nachtdienstmitarbeiter auch im<br />
Tagdienst bewertet. Auch die Abkehr von einer Dienstplanung, bei der nur bestimmte<br />
Mitarbeiter im Nachtdienst eingesetzt werden (zugunsten eines Rotationssystems),<br />
kann zu einer verbesserten Kooperation führen, stößt nach den Erfahrungen der Einrichtungen<br />
allerdings bei den Mitarbeitern aus unterschiedlichen Gründen auf Widerstand.<br />
Diese Erprobungserfahrungen dokumentieren, dass die konsequente Ausrichtung der<br />
nächtlichen Versorgung an den Bedarfslagen und Bedürfnissen der Bewohner häufig<br />
einen längeren Prozess erfordert, der Maßnahmen der Personalentwicklung einschließt.<br />
Da es sich um zentrale Qualitätsanforderungen handelt, blieben die entsprechenden<br />
Maßgaben des Rahmenkonzepts trotz der mit ihnen verbundenen Herausforderungen<br />
unverändert.<br />
Aufgrund der Erprobungserfahrungen haben sich somit nur einige sprachliche Veränderungen,<br />
erweiterte Erläuterungen und eine inhaltliche Erweiterung in Bezug auf die<br />
bei der Erstellung der Pflegeplanung besonders zu berücksichtigenden Aspekte als<br />
erforderlich erwiesen 37 .<br />
4.7 Qualitätsmaßstab: „Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen“<br />
Problemhintergrund<br />
Entgegen des Wunsches weiter Bevölkerungsteile, die letzte Lebenszeit zu Hause zu<br />
verbringen (Dreßel et al. 2001; Enquête-Kommission Demographischer Wandel<br />
2002), verbringen Menschen ihr Lebensende überwiegend in Institutionen, vor allem<br />
in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen 38 .<br />
Die Begleitung Sterbender gehört zu den zunehmend wichtigen Aufgaben vollstationärer<br />
Pflegeeinrichtungen. Die durchschnittliche Verweilzeit alter Menschen, die in<br />
eine Einrichtung umziehen, ist in den letzten Jahren stetig gesunken. Die Pflegeeinrichtungen<br />
haben sich mehr und mehr von Stätten langjährigen Wohnens zu Einrichtungen<br />
der Pflege und Krankheitsbewältigung in den Spät- und Endstadien chronischer<br />
Krankheiten entwickelt (Schaeffer/Wingenfeld 2004; Salis Gross 2005), und<br />
es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend im Zuge des demografischen Wandels weiter<br />
fortsetzt.<br />
Bereits 1990 hat die WHO wichtige konzeptionelle Elemente der Palliativversorgung<br />
in einem Positionspapier zusammengetragen (WHO 1990). Danach handelt es sich<br />
um eine multidisziplinäre, einrichtungsübergreifende Aufgabe, bei der der Pflege<br />
jedoch allein aufgrund ihrer Nähe zu den Betroffenen im Versorgungsalltag eine<br />
wichtige Funktion zukommt (Ewers/Schaeffer 2005; Johnston 1999). Die WHO versteht<br />
Palliativversorgung als „aktive, umfassende Versorgung von Patienten, deren<br />
Erkrankung einer kurativen Behandlung nicht länger zugänglich ist. Die Linderung<br />
von Schmerzen, die Kontrolle anderer Symptome sowie die Bewältigung psychischer,<br />
sozialer und spiritueller Probleme sind handlungsleitend. Ziel ist die Herstellung der<br />
bestmöglichen Lebensqualität <strong>für</strong> die Patienten und ihre Familien“. Eine zentrale Stel-<br />
37 Hier wurden neben biografischen Hintergrundkenntnissen und einer angemessenen Tagesstrukturierung zusätzlich Rituale/Gewohnheiten am<br />
Abend bzw. in der Nacht aufgenommen und im Gegenzug auf den ursprünglichen Passus „Einsatz schlaffördernder Rituale/Maßnah¬men“<br />
verzichtet.<br />
38 Einer Untersuchung von Ochsmann et al. (1997) aus Rheinland-Pfalz zufolge sterben etwa 13% der Menschen in einer Pflegeeinrichtung.<br />
Bickel (1998) kommt <strong>für</strong> die Stadt Mannheim auf eine Größenordnung von rd. 29%.
lung in der WHO-Konzeption nehmen Angehörige ein. Sie gelten als Mitwirkende im<br />
Rahmen der Versorgung, aber auch als Adressaten von Unterstützung (WHO 1990;<br />
Lugton/Pearce 1999).<br />
Mit dem Qualitätsmaßstab der <strong>Referenzmodell</strong>e werden Wege aufgezeigt, die<br />
Begleitung Sterbender in vollstationären Pflegeeinrichtungen zu verbessern und<br />
grundlegende Voraussetzungen zur Bewältigung dieser Aufgabe herzustellen. Er soll<br />
den Akteuren Handlungssicherheit in einem schwierigen Aufgabenfeld geben, indem<br />
ein fachlicher und organisatorischer Rahmen <strong>für</strong> die Begleitung Sterbender abgesteckt<br />
wird. Dabei ist allerdings zu betonen, dass er dem Grundsatz folgt, die heutigen<br />
Bedingungen der Versorgung in vollstationären Pflegeeinrichtungen zu beachten.<br />
Eine idealtypische Begleitung Sterbender und ihrer Angehörigen, wie sie sich aus<br />
Verlautbarungen der WHO ableiten ließe, wird daher nicht <strong>zum</strong> Maßstab erhoben.<br />
Das Rahmenkonzept versteht sich eher als Initiative zur Förderung einer Qualitätsentwicklung,<br />
deren langfristige Ziele weiter reichen sollten als die Ziele, die dem Rahmenkonzept<br />
selbst zugrunde liegen. Dies ist einer der Gründe, weshalb das Rahmenkonzept<br />
auf den Begriff Sterbebegleitung zurückgreift und nicht von Palliativversorgung<br />
gesprochen wird.<br />
Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau<br />
Der formale Aufbau des Konzeptbausteins ähnelt dem der anderen Qualitätsmaßstäbe.<br />
Er umfasst sechs Abschnitte:<br />
1. Grundsätze: Die Grundsätze betonen die Notwendigkeit, geeignete Rahmenbedingungen<br />
<strong>für</strong> eine Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen sicherzustellen. Dies<br />
schließt vor allem fachkompetente und einfühlsame Unterstützung der Bewohner<br />
und Angehörigen bei der Gestaltung und Bewältigung des Sterbeprozesses ein –<br />
unter Berücksichtigung des individuellen biografischen, kulturellen und religiösen<br />
Hintergrundes.<br />
2. Verfügbarkeit einer schriftlichen Konzeption<br />
3. Personelle Zuständigkeiten: Wie in allen Qualitätsmaßstäben wird auch hier auf<br />
die Notwendigkeit der Zuweisung personeller Verantwortung hingewiesen, die<br />
bei der Sterbebegleitung aufgrund oftmals umfangreicher koordinierender Tätigkeiten<br />
besonders wichtig ist. Die Steuerungs- und Koordinationsverantwortung<br />
wird der <strong>für</strong> den Bewohner Zuständigen Pflegefachkraft zugewiesen.<br />
4. Begleitung des Sterbeprozesses: Neben der unverzüglichen Information der<br />
Angehörigen und des zuständigen Arztes nach dem plötzlichen Versterben oder<br />
bei einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes werden<br />
hier zwei wichtige Aufgabenbereiche unterschieden: die Unterstützung des<br />
Bewohners selbst und die Unterstützung der Angehörigen. Hierzu gehören die<br />
Anpassung der individuellen Versorgung unter Berücksichtigung der Notwendigkeit<br />
einer bedarfsgerechten medizinischen Versorgung, die Prüfung der Notwendigkeit,<br />
weitere Personen oder Institutionen (v.a. Hospizdienste) einzubeziehen<br />
und die Sicherstellung einer möglichst kontinuierlichen Begleitung des sterbenden<br />
Bewohners. Für die Angehörigen soll ein Ansprechpartner, der über den betreffenden<br />
Bewohner kompetent Auskunft geben kann, jederzeit kurzfristig erreichbar<br />
sein. Ausgehend von einer Einschätzung ihres Unterstützungsbedarfs soll ihnen<br />
kompetente Hilfe in Form von Information und Beratung angeboten und bei Bedarf<br />
Kontakt zu anderen Stellen vermittelt werden. Überprüft werden soll u.a. die Möglichkeit<br />
und Bereitschaft der Angehörigen, unter Anleitung aktiv in die Versorgung<br />
des Sterbenden einbezogen zu werden.<br />
5. Maßnahmen im Todesfall: In diesem Punkt geht es nicht nur um die Versorgung<br />
des Verstorbenen, sondern auch um die Information von Angehörigen, Ärzten,<br />
Mitarbeitern und Mitbewohnern. Auch die Begleitung der Angehörigen (Einschät-<br />
99
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
100 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
zung ihrer Situation, Beratung) findet hier noch einmal Berücksichtigung. Darüber<br />
hinaus sollen geeignete Voraussetzungen <strong>für</strong> die Trauerbewältigung hergestellt<br />
werden.<br />
6. Reflexions- und Entlastungsangebote <strong>für</strong> Mitarbeiter: Hier werden die Einrichtungen<br />
aufgefordert, den Mitarbeitern einen geeigneten Rahmen zur Aufarbeitung<br />
ihrer Erfahrungen und Belastungen zur Verfügung zu stellen. Dieser Punkt gewinnt<br />
angesichts des Umstands, dass das Sterben mehr und mehr <strong>zum</strong> Alltag in den Einrichtungen<br />
wird, zunehmend an Bedeutung.<br />
Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />
Aufgrund der Erprobungserfahrungen wurde vor allem die Notwendigkeit konkretisierender<br />
Erläuterungen im Qualitätsmaßstab deutlich. So war einigen Einrichtungen<br />
zu wenig bewusst, dass medizinische, seelsorgerische oder psychologische Stellen<br />
Angehörige bei der Sterbebegleitung informieren und beraten können. Schwierigkeiten<br />
bereitete das Verständnis der Anforderung, den Unterstützungsbedarf von<br />
Angehörigen nach dem Versterben des Bewohners zu erfassen und beratend tätig zu<br />
werden. Dieses Kriterium ist daher genauer erläutert worden. Eine weitere Präzisierung<br />
erfolgte bei der Anforderung, Angehörige bei der Versorgung des Verstorbenen<br />
einzubeziehen. Es galt u.a. darauf hinzuweisen, dass Angehörige nicht vorbehaltlos<br />
beteiligt werden sollten, sondern dass dies von ihrem Wunsch abhängig gemacht<br />
werden und eine professionelle Einschätzung vorausgehen sollte, ob die Einbeziehung<br />
ggf. mit Überforderung verbunden sein könnte.<br />
Schwierig erschien einigen Einrichtungen aufgrund ihrer angespannten Personalsituation,<br />
Mitarbeitern grundsätzlich die Teilnahme an der Beerdigung von verstorbenen<br />
Bewohnern zu ermöglichen. Diese Anforderung wurde abgeschwächt.<br />
Im Hinblick auf den Aufbau einer Abschiedskultur war es den Referenzeinrichtungen<br />
wichtig, klarzustellen, dass Mitarbeiter nicht „gezwungen“ werden dürfen, sich mit<br />
dem Thema Tod und Sterben in einem organisierten Rahmen auseinanderzusetzen.<br />
Diese Anregung wurde ebenfalls aufgegriffen.<br />
Die Erfahrungen der Einrichtungen zeigen ferner, dass Schwierigkeiten bestehen,<br />
eine kontinuierliche Begleitung sterbender Bewohner personell abzudecken, insbesondere<br />
wenn keine Angehörigen zu finden sind, die <strong>für</strong> die Sterbebegleitung<br />
gewonnen werden könnten. Die Einrichtungen sind daher gefordert, nach Alternativen<br />
Ausschau zu halten und beispielsweise verstärkt ehrenamtliche Mitarbeiter bzw.<br />
Hospizdienste einzubinden.<br />
Somit ergaben sich im Falle dieses Rahmenkonzepts ebenfalls nur sehr wenige inhaltliche<br />
Anpassungen aufgrund der Erprobungserfahrungen, allerdings eine ganze<br />
Reihe an ergänzenden Erläuterungen, die das Verständnis der Anforderungen<br />
erleichtern, aber auch Anregungen <strong>für</strong> Problemlösungen zur Verfügung stellen.<br />
4.8 Qualitätsmaßstab „Kooperation mit niedergelassenen Ärzten“<br />
Problemhintergrund<br />
Hausärztliche und fachärztliche Betreuung in Pflegeeinrichtungen nehmen einen<br />
wichtigen Stellenwert in der Versorgung der Bewohner ein. Eine funktionierende<br />
Kooperation zwischen stationären Pflegeeinrichtungen und niedergelassenen Ärzten<br />
ist <strong>für</strong> die Sicherstellung der medizinischen Versorgung besonders wichtig, da die<br />
Bewohner in der Regel Unterstützung bei der Inanspruchnahme benötigen.
Hallauer et al. (2005) zeigten mit einer Studie zahlreiche Lücken in der medizinischen<br />
Versorgung auf. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass nur etwa 20% der<br />
Heimbewohner eine Arztpraxis eigenständig aufsuchen können. Bei Bewohnern, die<br />
eine Arztpraxis nicht aufsuchen können, stellen die Pflegekräfte den Zugang zur<br />
medizinischen Versorgung sicher. Die Versorgung erfolgt ganz überwiegend durch<br />
Allgemeinmediziner, wobei die große Anzahl verschiedener Ärzte die Einrichtungen<br />
vor erhebliche Koordinationsprobleme stellt (ebd.; Becker et al. 2005). Als besonders<br />
defizitär wird die fachärztliche Versorgung in Pflegeheimen angesehen. Die Versorgung<br />
durch Frauenärzte, Augenärzte und HNO-Ärzte fehlt der Untersuchung<br />
zufolge fast vollständig. Selbst von Neurologen und Psychiatern wird den Ergebnissen<br />
zufolge nur etwa ein Drittel der Bewohner erreicht, obwohl die Prävalenz demenzieller<br />
Erkrankungen in den untersuchten Einrichtungen bei rund 53% lag. Die Autoren<br />
fordern daher unter anderem, Lösungen <strong>für</strong> die Unterversorgung auf der Ebene<br />
der Ärzteverbände und Kostenträger zu entwickeln (Hallauer et al. 2005). Betrachtet<br />
man die Ursachen <strong>für</strong> eine Krankenhauseinweisung von Pflegeheimbewohnern, so<br />
wird die Notwendigkeit einer Optimierung der Zusammenarbeit zwischen Ärzten<br />
und Pflegepersonal ebenfalls deutlich (Specht-Leible et al. 2003).<br />
Der Pflege kommt eine doppelte Bedeutung im Rahmen der medizinischen Versorgung<br />
zu: Zum Einen behebt sie Zugangsbarrieren zur medizinischen Versorgung <strong>für</strong><br />
mobilitätseingeschränkte und kognitiv eingeschränkte Bewohner. Zum Anderen kann<br />
sie dazu beitragen, eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung sicherzustellen,<br />
indem bei altersspezifischen Problemlagen gezielt die Zusammenarbeit mit den Ärzten<br />
gesucht wird.<br />
In diesem Sinne sind in dem Qualitätsmaßstab „Kooperation mit niedergelassenen<br />
Ärzten“ Kriterien zusammengetragen worden, deren Umsetzung dazu beitragen soll,<br />
die Qualität der gesundheitlichen Versorgung von Heimbewohnern und die Kooperation<br />
zwischen Pflege und Medizin zu verbessern. Er soll dazu beitragen, die Kooperationsbeziehungen<br />
auf eine transparente und verlässliche Basis zu stellen und den<br />
Pflegekräften in den Einrichtungen mehr Sicherheit in der Zusammenarbeit mit Ärzten<br />
zu geben. Es geht nicht zuletzt um die Integration pflegerischer und ärztlicher Maßnahmen<br />
mit dem Ziel, den Bewohnern eine ihren Problemlagen entsprechende und<br />
aufeinander abgestimmte medizinisch-pflegerische Versorgung zugänglich zu<br />
machen (vgl. Schaeffer/Moers 2003).<br />
Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau<br />
Konzeptionelle Grundlagen zur ärztlichen Versorgung waren in den Referenzeinrichtungen<br />
rar. Auch in der Literatur fanden sich kaum konzeptionelle oder empirische<br />
Arbeiten zur ärztlichen Versorgung in Pflegeheimen. Deshalb und um von vornherein<br />
auch die ärztliche Perspektive zu berücksichtigen, ist bei der Entwicklung dieses Konzeptbausteins<br />
ein besonderes Vorgehen gewählt worden: Ein erster Konzeptentwurf<br />
wurde in Kooperation zwischen dem IPW und zwei Ärzten mit ausgewiesener Expertise<br />
im Hinblick auf Fragen der medizinischen Versorgung in Pflegeeinrichtungen<br />
erstellt. Das weitere Verfahren glich dem der anderen Qualitätsmaßstäbe.<br />
Ein besonderes Kennzeichen dieses Qualitätsmaßstabs besteht darin, dass die Ergebnisse<br />
der Kooperationsbemühungen von Pflegeeinrichtungen immer auch von der<br />
Bereitschaft und dem Interesse der niedergelassenen Ärzte abhängig sind. Insofern<br />
ist es <strong>für</strong> die Einrichtungen zwar möglich, die Anforderungen des Qualitätsmaßstabs<br />
umzusetzen, ihren Erfolg können sie aber nicht allein sicherstellen, vielmehr ist hierzu<br />
die Mitarbeit der Ärzte erforderlich.<br />
Der Qualitätsmaßstab umfasst folgende Inhalte:<br />
101
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
102 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
1. Grundsätze: Die Grundsätze benennen in allgemeiner Form die Rolle und Aufgaben<br />
der Einrichtungen im Rahmen der medizinischen Versorgung der Bewohner<br />
sowie die Ziele, die <strong>für</strong> die Einrichtung und ihre Mitarbeiter handlungsleitend sein<br />
sollten. Betont wird die Unterstützung des Bewohners bei der Erhaltung, Wiederherstellung<br />
und Förderung von Gesundheit sowie das Ziel, pflegerische, diagnostische,<br />
präventive und therapeutische Maßnahmen so weit wie möglich aufeinander<br />
abzustimmen.<br />
2. Verfügbarkeit einer schriftlichen Konzeption: Abweichend von anderen Qualitätsmaßstäben<br />
werden die Einrichtungen hier u.a. explizit dazu aufgefordert, ihre<br />
Konzeption gegenüber Dritten, in diesem Fall also gegenüber den Ärzten in<br />
geeigneter Form transparent zu machen.<br />
3. Personelle Zuständigkeiten: Wie in anderen Qualitätsmaßstäben wird auch in diesem<br />
Fall die Steuerungs- und Koordinationsverantwortung der <strong>für</strong> den jeweiligen<br />
Bewohner Zuständigen Pflegefachkraft betont.<br />
4. Kooperation mit Ärzten zur Verbesserung der Versorgung: Hierbei geht es vorrangig<br />
um einzelne Verfahrensweisen im Rahmen der Kooperation. So soll beispielsweise<br />
Ärzten, die erstmals in eine Kooperation mit der Einrichtung eintreten, ein<br />
initiales Kooperationsgespräch angeboten werden. Auch Absprachen zu bestimmten<br />
Fragen der ärztlichen Versorgung werden an dieser Stelle thematisiert, so z.B.<br />
zur Beobachtung von Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten.<br />
5. Pflegeplanung und -dokumentation: Angesprochen wird in diesem Abschnitt u.a.<br />
die Dokumentation ärztlicher An- und Verordnungen und die Dokumentation medizinisch<br />
relevanter Informationen. Die behandelnden Ärzte sollen auf Wunsch Einsicht<br />
in die Pflegedokumentation und Gelegenheit zu einem Gespräch zur Abstimmung<br />
von Pflegeplanung und medizinischer Therapie erhalten.<br />
6. Arztbesuche: In diesem Punkt geht es <strong>zum</strong> Einen darum, von Seiten der Einrichtung<br />
auf bedarfsgerechte Konsultationen hinzuwirken, <strong>zum</strong> Anderen um Fragen<br />
der Organisation von Arztbesuchen, beispielsweise um die Begleitung des<br />
Bewohners in eine Arztpraxis.<br />
7. Notfallsituationen: Für den Umgang mit Notfällen sollen funktionale und transparente<br />
Verfahrensweisen geschaffen werden. Auch Fragen der Weitergabe medizinischer<br />
Informationen sowie die Information Angehöriger werden in diesem Punkt<br />
behandelt.<br />
8. Qualifikation: Abschließend werden die Einrichtungen dazu aufgefordert, im Rahmen<br />
der Personalentwicklung und Fortbildung sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter<br />
über ausreichende Kenntnisse, Fertigkeiten und pflegediagnostische Kompetenzen<br />
verfügen, die zu einer fachgerechten Durchführung ärztlich<br />
verordneter/angeordneter Maßnahmen und zur Beobachtung ihrer Wirkungen<br />
und Nebenwirkungen erforderlich sind.<br />
Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />
Die Erfahrungen mit der Umsetzung dieses Qualitätsmaßstabs sind vergleichsweise<br />
gering, da er erst spät im Verlauf des Modellvorhabens von den Einrichtungen<br />
erprobt werden konnte. Gleichwohl ist der Nutzen des Konzeptbausteins als hoch<br />
eingeschätzt worden und in den Modelleinrichtungen, die ihn erprobt haben, wurden<br />
überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Andererseits handelt es sich um<br />
eines der schwierigsten Themen, derer sich das Modellvorhaben angenommen hat.
Aufgrund der oftmals großen Anzahl an niedergelassenen Ärzten, mit denen die Einrichtungen<br />
zusammenarbeiten, hat es sich als schwierig erwiesen, zu zentralen Fragen<br />
der Bewohnerversorgung Absprachen zu treffen. Ähnliches gilt <strong>für</strong> das Angebot<br />
eines einführenden Kooperationsgesprächs.<br />
Ein weiteres Problem haben die Modelleinrichtungen darin gesehen, darauf hinzuwirken,<br />
dass alle Bewohner ihrem Bedarf entsprechend regelmäßig Arztbesuche<br />
erhalten. Da die niedergelassenen Ärzte die Frequenz ihrer Konsultationen eigenständig<br />
bestimmen, ist an dieser Stelle eine Grenze <strong>für</strong> die Einrichtungen erreicht, so<br />
dass sie lediglich ihre Bewohner oder deren Angehörige über die Bedeutung regelmäßiger<br />
Arztbesuche beraten können.<br />
Die Anforderung, die Begleitung des Arztes bei der Visite der <strong>für</strong> den jeweiligen<br />
Bewohner Zuständigen Pflegefachkraft vorzubehalten, wurde trotz der Bedenken<br />
einiger Einrichtungen beibehalten. Zugleich wird in den Erläuterungen aber darauf<br />
hingewiesen, dass eine Begleitung durch die Zuständige Pflegefachkraft bei ungeplanten<br />
Visiten nicht immer organisiert werden kann und nochmals auf die Bedeutung<br />
entsprechender Vereinbarungen hingewiesen.<br />
Ein nach wie vor ungelöstes Problem, das allerdings die Reichweite des Qualitätsmaßstabs<br />
übersteigt, liegt aus der Sicht der Einrichtungen bei der ärztlichen Dokumentation,<br />
da ärztliche An- und Verordnungen oftmals nicht schriftlich erfolgten und<br />
zu einem hohen Arbeitsaufwand bei der Pflege führten. Ungeregelte Visitenzeiten der<br />
vielen verschiedenen Ärzte werfen ebenfalls Probleme auf.<br />
Die Erprobungserfahrungen unterstreichen die Bedeutung geregelter Verfahrensweisen<br />
in der Kooperation zwischen Einrichtungen und Ärzten, die der Qualitätsmaßstab<br />
anstrebt. Sie dokumentieren allerdings auch, dass eine fruchtbare Zusammenarbeit<br />
„wachsen“ muss und Zeit erforderlich ist, bis sich beide Seiten in neue Kooperationsroutinen<br />
eingefunden haben.<br />
4.9 Qualitätsmaßstab „Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten“<br />
Problemhintergrund<br />
Beim Übergang zwischen verschiedenen Institutionen des Gesundheitswesens treten<br />
häufig Versorgungsbrüche auf, so dass eine auf die Belange des Einzelnen abgestimmte<br />
kontinuierliche Versorgung nicht gewährleistet ist. Begründet liegt dies in<br />
einem Versorgungsalltag, der sich eher durch „ein unkoordiniertes Nebeneinander,<br />
denn Zielgemeinsamkeit und Abstimmung der Gesundheitsprofessionen“ auszeichnet<br />
(Schaeffer/Moers 2003: 463).<br />
Bewohner von Pflegeeinrichtungen müssen überdurchschnittlich häufig im Krankenhaus<br />
behandelt werden. Schätzungen gehen davon aus, dass sich mehr als die<br />
Hälfte der Bewohner mindestens einmal jährlich zur stationären Versorgung in einem<br />
Krankenhaus aufhält (Specht-Leible et al. 2003; Deutsches Zentrum <strong>für</strong> Alternsforschung<br />
2003).<br />
Besonders <strong>für</strong> ältere Menschen bringen Krankenhausaufenthalte hohe Belastungen<br />
mit sich. Es fällt ihnen häufig schwerer als jüngeren Menschen, sich in der <strong>für</strong> sie<br />
ungewohnten Umgebung, Tagesstruktur und Kommunikation zurechtzufinden. Bei<br />
demenziell erkrankten Menschen potenziert sich dieses Belastungserleben, da allein<br />
der Umgebungswechsel als Krise erlebt werden kann (Kleina/Wingenfeld 2006; Kirchen-Peters<br />
2005). Pflegebedürftige in höherem Alter erleben mit dem Krankenhausaufenthalt<br />
zudem häufig einen weiteren Verlust ihrer ohnehin eingeschränkten Selbständigkeit.<br />
Forschungsergebnisse zeigen, dass körperliche, ggf. auch kognitive Ein-<br />
103
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
104 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
bußen charakteristische Begleiterscheinungen sind und <strong>zum</strong> Teil noch lange nach der<br />
Entlassung andauern (vgl. z.B. Hansen et al. 1999; Rosswurm/Lanham 1998; Kresevic<br />
et al. 1997; Severson et al. 1994).<br />
Da eine bedarfsgerechte Versorgung bei Übergängen zwischen verschiedenen Versorgungsumgebungen<br />
oftmals nicht gewährleistet ist (Wingenfeld 2005; Schaeffer<br />
2000), sind Abstimmungen und gemeinsame Bemühungen zwischen Krankenhaus<br />
und Pflegeeinrichtung dringend erforderlich. Fehlende oder mangelhafte Informationen<br />
gefährden die Qualität der Versorgung (Bartholomeyczik 2000). Information<br />
dient neben der Sicherung der Versorgungskontinuität, d. h. Fortführung ärztlicher,<br />
pflegerischer und therapeutischer Maßnahmen, auch der Berücksichtigung der individuellen<br />
Lebenssituation der betroffenen Person (Wingenfeld 2002; Schönlau et al.<br />
2005). Mit Hilfe geeigneter Informationen kann eine auf Bedürfnisse und Selbsthilfefähigkeiten<br />
ausgerichtete Begleitung und Versorgung ermöglicht werden, die sich<br />
nicht nur auf die aus medizinischer Sicht erforderlichen Maßnahmen begrenzt.<br />
Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich dadurch, dass die Mehrzahl der Krankenhausaufenthalte<br />
aufgrund von akuten Geschehnissen, wie z.B. Verletzungen und<br />
Infektionen notwendig werden (Specht-Leible et al. 2003) und somit keine langfristige<br />
Planung zulassen. Die gegenseitige Übermittlung relevanter Informationen,<br />
auch bei kurzfristig anberaumten Krankenhausaufnahmen bzw. -entlassungen, ist <strong>für</strong><br />
die jeweilige Institution Grundvoraussetzung zur Gewährleistung von Versorgungskontinuität.<br />
Zahlreiche Projekte und Konzepte, einschließlich des Nationalen Expertenstandards<br />
„Entlassungsmanagement in der Pflege“ (DNQP 2004), richten den Fokus oftmals ausschließlich<br />
auf die Entlassung aus dem Krankenhaus und hier insbesondere auf die<br />
anschließende Betreuung im häuslichen Bereich (vgl. u.a. Deutsches Institut <strong>für</strong> angewandte<br />
Pflegeforschung 2004; Wingenfeld 2005). Darüber hinaus besteht aber auch<br />
die Notwendigkeit, vergleichbare Konzepte <strong>für</strong> Pflegeeinrichtungen zu entwickeln<br />
(vgl. u.a. Landtag NRW 2005). Ein geregeltes Entlassungsmanagement der Krankenhäuser,<br />
wie es der Nationale Expertenstandard vorsieht, sollte durch entsprechende<br />
Bemühungen auf Seiten der Pflegeeinrichtungen ergänzt werden. Bislang existierten<br />
<strong>für</strong> die vollstationäre Pflege jedoch keine vergleichbaren Handlungsrichtlinien.<br />
Der vorliegende Qualitätsmaßstab soll dazu beitragen, diese Lücke zu schließen und<br />
eine Versorgungskontinuität, die auch individuelle Bedürfnisse und die besondere<br />
Lebenssituation pflegebedürftiger Heimbewohner berücksichtigt, zu fördern. Er<br />
benennt die wichtigsten Anforderungen an Pflegeeinrichtungen, die sich bei der Aufnahme<br />
von Bewohnern in ein Krankenhaus, während ihres dortigen Aufenthaltes und<br />
bei ihrer Rückkehr ergeben.<br />
Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau<br />
In den Qualitätsmaßstab konnten nur Anforderungen aufgenommen werden, die im<br />
Gestaltungsbereich der Pflegeeinrichtungen liegen. Diesem Umstand sind manche<br />
Formulierungen geschuldet: Beispielsweise wird in Bezug auf Kooperationsbeziehungen<br />
mit Krankenhäusern nicht von der Sicherstellung einer Kooperation, sondern von<br />
konkreten Schritten zur Herstellung von Kooperation gesprochen.<br />
Der Qualitätsmaßstab ist folgendermaßen aufgebaut:<br />
1. Grundsätze: Die Grundsätze verweisen auf die Notwendigkeit der Sicherstellung<br />
einer bedarfsgerechten Versorgung der Bewohner vor und nach Krankenhausaufenthalten,<br />
einschließlich der bereits erwähnten Informationsweitergabe, und auf den<br />
anzustrebenden Aufbau von Kooperationsbeziehungen zu den Krankenhäusern.<br />
2. Verfügbarkeit einer schriftlichen Konzeption
3. Personelle Zuständigkeiten: Initiativen <strong>zum</strong> Kooperationsaufbau liegen in der<br />
Zuständigkeit der Leitungsebene. Die Steuerungsverantwortung <strong>für</strong> den gesamten<br />
Prozess der Überleitung, d. h. vom Bekanntwerden einer anstehenden Krankenhausaufnahme<br />
bis zu zwei Wochen nach Rückkehr des Bewohners in die Pflegeeinrichtung,<br />
obliegt dagegen der jeweils Zuständigen Pflegefachkraft 39 .<br />
4. Übergang in das Krankenhaus: Beim Übergang in das Krankenhaus steht die<br />
Betreuung des Bewohners bis zu dem Zeitpunkt, an dem er den Wohnbereich verlässt,<br />
im Vordergrund der Bemühungen. Die Begleitung bis in das Krankenhaus<br />
kann aufgrund der Personalsituation nur in besonderen Situationen durch Mitarbeiter<br />
der Einrichtung erfolgen und sollte daher, soweit möglich, durch<br />
Angehörige übernommen werden 40 . Organisatorische Aufgaben, Aufgaben der<br />
Informationsweitergabe und Dokumentation sind ebenfalls im Rahmen einer Krankenhausaufnahme<br />
zu berücksichtigen. Die Informationsweitergabe schließt neben<br />
medizinisch-pflegerischen im Bedarfsfall auch weitere Informationen, z.B. <strong>zum</strong><br />
Umgang mit Verhaltensweisen und zur gewohnten Tagesstrukturierung, ein.<br />
5. Aufgaben während des Krankenhausaufenthalts: Während des Krankenhausaufenthaltes<br />
soll die Einrichtung durch Kontakte <strong>zum</strong> Bewohner, seinen Angehörigen<br />
und/oder <strong>zum</strong> Krankenhaus regelmäßig Informationen <strong>zum</strong> aktuellen Zustand des<br />
Bewohners einholen und den genauen Entlassungstermin so frühzeitig wie möglich<br />
in Erfahrung bringen.<br />
6. Rückkehr in die Pflegeeinrichtung: Termingerechte und vollständig durchgeführte<br />
Vorbereitungen <strong>für</strong> die Rückkehr des Bewohners, wie z.B. Informationsweiterleitung<br />
über die Entlassung an alle beteiligten Personen, Vorbereitung des Bewohnerzimmers,<br />
sind an die Verfügbarkeit der oben genannten Informationen gekoppelt.<br />
Die mit der Entlassung des Bewohners verbundenen Aufgaben am Tag der<br />
Rückkehr sollen durch eine entsprechend angepasste Arbeitsorganisation Berücksichtigung<br />
erfahren: Die Zuständige Pflegefachkraft benötigt Zeit <strong>zum</strong> Empfang<br />
des Bewohners, zur Überprüfung der Aktualität der Pflegeplanung, ggf. zur kurzfristigen<br />
Anpassung der Maßnahmenplanung und <strong>für</strong> sonstige Aufgaben der<br />
Dokumentation und Informationsweitergabe. Spätestens zwei Wochen nach der<br />
Rückkehr des Bewohners sollte abschließend das pflegerische Assessment und<br />
nachfolgend die Pflegeplanung aktualisiert werden.<br />
Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />
Die zur Sicherstellung der Versorgungskontinuität erforderliche Kooperation zwischen<br />
Krankenhaus und Pflegeeinrichtung ist oftmals mit Problemen behaftet, da fehlende<br />
oder nicht eingehaltene Absprachen mehrheitlich das Bild der Zusammenarbeit<br />
prägen (vgl. Domscheit/Wingenfeld 1996). Daher nahmen die Einrichtungen die<br />
Anforderung der Initiierung von Kooperation mit gemischten Gefühlen auf. Erfolge<br />
bzw. Misserfolge bei der Einleitung einer Kooperation mit Krankenhäusern waren<br />
abhängig vom konkreten Kooperationspartner. Die Erfahrungen reichten von einer<br />
Verbesserung der Kommunikation bis hin zu einer als gleichbleibend unbefriedigend<br />
39 Im Rahmen der Informationsübermittlung kommt der strukturierten Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den Pflegenden beider<br />
Institutionen eine herausragende Rolle zu (Cortes et al. 2004). „Überleitung nach allgemeinen pflegefachlichem Verständnis sollte ein<br />
durch ‚Pflege’ zu moderierender und zu gestaltender Prozess sein“ (Dangel/Korporal 2001: 475). Eine vergleichbare Orientierung gibt<br />
auch der Nationale Expertenstandard und geht, vor dem Hintergrund der Ergebnisse internationaler Studien, davon aus, „dass im Entlassungsprozess<br />
die Pflegefachkraft aufgrund ihrer Nähe zu Patienten und Angehörigen die entscheidende Koordinationsfunktion einnimmt“<br />
(DNQP 2004: 47). Dies trifft auch auf die Situation in Pflegeeinrichtungen zu, so dass die Steuerungsverantwortung <strong>für</strong> das Überleitungsverfahren<br />
den jeweils zuständigen Pflegefachkräften übertragen werden sollte.<br />
40 Die Begleitung des Bewohners durch Mitarbeiter bis in das Krankenhaus wurde in der Entwicklungsphase des Qualitätsmaßstabs von den<br />
Modellbeauftragten äußerst kontrovers diskutiert. Die Notwendigkeit der Begleitung wurde zwar betont, zugleich aber angemahnt, dass<br />
dies unter den bestehenden Rahmenbedingungen nur in wenigen Ausnahmefällen realisiert werden kann. Das IPW hat sich entschlossen,<br />
diese Anforderung dennoch aufzunehmen, da der Betreuungsbedarf im Rahmen der Überleitung einiger Bewohner eine Begleitung aus<br />
fachlicher Sicht erforderlich macht. Dies trifft z.B. bei ausgeprägten Angstzuständen oder schweren kognitiven Einschränkungen zu. Um<br />
dennoch die Begrenzungen der derzeitigen Praxis nicht zu vernachlässigen, wurde die entsprechende Anforderung mit der Bedingung<br />
verknüpft, dass durch die Begleitung die Versorgung anderer Bewohner nicht gefährdet werden darf.<br />
105
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
106 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
erlebten Zusammenarbeit. Dennoch wurde ein Kooperationsaufbau grundsätzlich als<br />
sinnvoll und grundlegend <strong>für</strong> alle weiteren Aspekte der Zusammenarbeit eingestuft.<br />
Da sowohl Pflegeeinrichtungen als auch Krankenhäuser mit jeweils mehreren Institutionen<br />
kooperieren, erscheint es sinnvoll, dass sich Einrichtungen einer Region auf<br />
ein gemeinsames Überleitungsverfahren einigen. Hierdurch werden Prozesse sowohl<br />
in den Pflegeeinrichtungen als auch Krankenhäusern vereinfacht und Reibungsverluste<br />
reduziert.<br />
Anders als bei terminierten Untersuchungen und Operationen bieten kurzfristig anberaumte<br />
Krankenhausaufenthalte wenig Spielraum <strong>für</strong> Planungen. Aus Sicht der Pflegeeinrichtungen<br />
sind Maßnahmen im Zusammenhang mit der Entlassung ebenfalls<br />
schwer planbar, da das Krankenhaus entsprechende Informationen oftmals erst<br />
unmittelbar vor der Entlassung weiterleitet. Zur Entschärfung dieser Problematik<br />
haben sich Kooperationsvereinbarungen, die konkrete Verfahrensregeln festschreiben,<br />
als sinnvoller Weg erwiesen. Sie sollten u.a. die telefonische Informationsweitergabe<br />
regeln, die immer wieder als problematisch bezeichnet wurde, da z.B.<br />
Ansprechpartner fehlen oder telefonische Auskünfte generell abgelehnt werden.<br />
Die Begleitung von Bewohnern bis in das Krankenhaus stellte die Einrichtungen insbesondere<br />
bei ungeplanten Krankenhausaufnahmen vor organisatorische Probleme.<br />
Im Gegensatz zu geplanten Aufnahmen kann im Vorfeld keine Begleitung organisiert<br />
werden (z.B. durch Angehörige oder freiwillige Helfer). Eine Begleitung durch Mitarbeiter<br />
kann jedoch nur dann erfolgen, wenn die Versorgung anderer Bewohner<br />
hierdurch nicht gefährdet ist. Daher ist in jedem Einzelfall eine Überprüfung der Notwendigkeit<br />
und Realisierbarkeit einer Begleitung durch Mitarbeiter erforderlich. Trotz<br />
der zweifellos erheblichen Schwierigkeiten ist die Begleitung von Bewohnern auch<br />
bei ungeplanten Krankenhauseinweisungen in bestimmten Situationen (z.B. ausgeprägte<br />
Angstzustände, massiver Verlust der situativen Orientierung) dringend angezeigt.<br />
Aus diesem Grunde blieb der Qualitätsmaßstab an dieser Stelle unverändert.<br />
Erfolge auf dem Feld der Angehörigenarbeit, die im Verlauf der Erprobung erzielt<br />
werden konnten, haben dazu beigetragen, die Voraussetzungen zur Begleitung des<br />
Bewohners zu verbessern. Einige Einrichtungen berichteten über eine intensivere Einbeziehung<br />
der Angehörigen bei anstehenden Krankenhausaufenthalten, da diese<br />
umgehend informiert wurden und häufig <strong>für</strong> Unterstützung in Form der Zusammenstellung<br />
von Kleidung etc. und eben auch <strong>für</strong> eine Begleitung zur Verfügung standen.<br />
Wie die Erprobungserfahrungen zeigen, kommt dem Kooperationsaufbau zwischen<br />
Pflegeeinrichtung und Krankenhaus ein herausragender Stellenwert zu. Um eine stabile<br />
Grundlage <strong>für</strong> das Überleitungsverfahren zu schaffen, bedarf es nicht allein des<br />
Engagements einiger Mitarbeiter. Diesem Sachverhalt wurde bei der Konzeptüberarbeitung<br />
Rechnung getragen, indem die Zuständigkeit der Leitungsebene <strong>für</strong> den<br />
Kooperationsaufbau in Form einer neu aufgenommenen Anforderung betont wurde.<br />
Davon abgesehen konzentrierte sich die Überarbeitung auf Präzisierungen bzw.<br />
ergänzende Erläuterungen zu einzelnen Anforderungen.
5. Pflegeprozesssteuerung und Versorgungskoordination<br />
Die Umsetzung der Leistungsbeschreibungen und Qualitätsmaßstäbe setzt Arbeitsstrukturen<br />
voraus, die sich in der heutigen Praxis nicht durchgängig wiederfinden. Damit<br />
angesprochen ist u.a. die Organisation der individuellen Versorgung nach dem Muster<br />
des Pflegeprozesses als international anerkanntem Handlungsmodell zur Gestaltung<br />
pflegerischer Versorgung (vgl. WHO Regional Office for Europe 1982, Brobst et al.<br />
1996). In vielen Einrichtungen mangelt es an Qualität des pflegerischen Assessments,<br />
der Formulierung von Pflegezielen, der Dokumentation und der Überprüfung von Pflegeergebnissen<br />
(vgl. z.B. Abt-Zegelin et al. 2003, Fischbach/Stinner 2001).<br />
Insofern stellte sich den Einrichtungen die Aufgabe, die notwendigen Voraussetzungen<br />
<strong>für</strong> die Konzeptumsetzung erst noch herzustellen. Zu einigen zentralen Handlungsfeldern<br />
wurden zu Unterstützung dieses Prozesses ebenfalls Konzepte entwickelt, die<br />
sich auf inhaltliche, formale und organisatorische Aspekte der Versorgung beziehen.<br />
Ihnen kommt allerdings auch losgelöst von den anderen Konzeptbausteinen ein hoher<br />
Stellenwert zu, da es sich durchweg um zentrale Grundlagen einer fachgerechten Versorgung<br />
handelt.<br />
5.1 Funktion und Aufgaben der „Zuständigen Pflegefachkraft“ (ZPFK)<br />
Problemhintergrund<br />
Arbeitsorganisation und Aufgabenverteilung sind zentrale Aspekte in der pflegerischen<br />
Versorgung. Die Umsetzung fast aller Konzepte, die im Rahmen des Projektes<br />
„<strong>Referenzmodell</strong>e“ entwickelt worden sind, ist auf klare Definitionen und personelle<br />
Zuordnungen von Zuständigkeiten angewiesen. Doch nicht allein die Notwendigkeit<br />
der Neudefinition von Zuständigkeiten, die aus den Anforderungen einzelner Konzeptbausteine<br />
erwächst, gab den Anstoß zur Entwicklung der Empfehlungen. Sie greifen<br />
vielmehr eine generelle Problematik der vollstationären Pflege in Deutschland auf:<br />
In Pflegeeinrichtungen zeigt sich häufig eine Diskrepanz zwischen dem Anspruch<br />
einer planvollen und bedürfnisgerechten Versorgung und der Versorgungswirklichkeit<br />
(Wingenfeld/Schnabel 2002). Dem Anspruch nach ist die Pflege in den meisten Einrichtungen<br />
nach den Grundsätzen der Bezugspflege organisiert: Eine Pflegefachkraft<br />
übernimmt die Versorgungsverantwortung <strong>für</strong> mehrere Bewohner und führt einen<br />
möglichst großen Teil aller unmittelbar bewohnerbezogenen Maßnahmen selbst<br />
durch (Andraschko 1996; Seibold/Köther 2005; Menche/Bazlen 2004). Allerdings<br />
wird der Begriff „Bezugspflege“ nicht einheitlich verwendet, und die konkrete organisatorische<br />
Ausgestaltung in der Praxis weist erhebliche Unterschiede auf. Erfahrungen<br />
innerhalb wie auch außerhalb des Modellprojekts zeigen, dass es nicht „das“<br />
Bezugspflegesystem gibt, sondern verschiedene Varianten der Ausgestaltung, die<br />
den zentralen Grundsätzen – eindeutige personelle Zuordnung der Steuerungsverantwortung<br />
sowie Integration von Steuerungsverantwortung und Durchführung der<br />
Pflege – <strong>zum</strong> Teil nur bedingt folgen. Hinter dem Etikett „Bezugspflege“ steht also<br />
nicht immer eine entsprechende Arbeitsorganisation. Verantwortlich hier<strong>für</strong> ist nicht<br />
allein der allgegenwärtige Zeitdruck im Versorgungsalltag. Häufig findet sich auch<br />
eine Verteilung von Aufgaben und Zuständigkeiten, die vorrangig auf pragmatischen<br />
Überlegungen und gewohnten Arbeitsroutinen beruht. Insbesondere die Frage, welcher<br />
Mitarbeiter mit welcher Qualifikation welche Aufgaben übernehmen soll, ist oftmals<br />
nicht hinreichend geklärt (Müller 2001). Hinzu kommt, dass die Bedeutung der<br />
Pflegeplanung und die fachlichen Anforderungen, die sich bei der Entwicklung einer<br />
Pflegeplanung stellen, häufig unterschätzt werden.<br />
107
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
108 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Vor diesem Hintergrund ist eine Konkretisierung von Organisationskonzepten erforderlich,<br />
die sowohl eine zielgerichtete Steuerung als auch eine ausreichende Koordination<br />
der Unterstützung des einzelnen Bewohners gewährleistet. Nachhaltige Qualitätsentwicklung<br />
setzt voraus, dass das fachliche Können von Mitarbeitern richtig eingesetzt<br />
und die Steuerung und Koordination der Versorgung optimiert wird.<br />
Der Ansatz des <strong>Referenzkonzept</strong>es<br />
Die Empfehlungen zur Gestaltung der Arbeitsorganisation und Kooperation innerhalb<br />
der pflegerischen Versorgung, die im Rahmen des Modellprojekts entwickelt wurden,<br />
beschreiben das Aufgabenprofil von Pflegefachkräften, die <strong>für</strong> die zielgerichtete, planvolle<br />
Gestaltung des individuellen Pflegeprozesses <strong>für</strong> eine bestimmte Anzahl von<br />
Bewohnern verantwortlich sind. Ihnen werden weitergehende Steuerungs- und Koordinationsaufgaben<br />
zugewiesen, so beispielsweise im Rahmen des Heimeinzugsverfahrens,<br />
der individuellen Angehörigenarbeit, der Kooperation mit Ärzten oder anderen<br />
externen Berufsgruppen. Absprachen über die Ausgestaltung der Versorgung und die<br />
Überwachung der Qualität zählen ebenfalls zu den Aufgaben.<br />
Für die Pflegefachkraft, welche <strong>für</strong> diese Aufgaben verantwortlich ist, wurde der eher<br />
neutrale Ausdruck „Zuständige Pflegefachkraft“ gewählt. Dies erfolgte vor dem Hintergrund,<br />
dass bisher verwendete Begriffe inhaltlich bereits „besetzt“ sind und daher<br />
inhaltliche Missverständnisse vermieden werden sollten 41 .<br />
Unterschieden wird zwischen zwei Aufgabenbereichen. Zu den Aufgaben, die der<br />
Zuständigen Pflegefachkraft vorbehalten bleiben sollten, gehören:<br />
Regelmäßige Durchführung des pflegerischen Assessments unter Einbeziehung<br />
biografischer Informationen<br />
Formulierung von Pflegezielen<br />
Erstellung einer auf den Pflegezielen aufbauenden Maßnahmenplanung, einschl.<br />
Entwicklung einer geeigneten Tagesstrukturierung und Herstellung des Zugangs zu<br />
ressourcenfördernden Einzel-/Gruppenaktivitäten und zu Beschäftigungsangeboten<br />
Anleitung und Beratung anderer Mitarbeiter zur Durchführung der Pflege nach<br />
den Vorgaben der jeweiligen Pflegeplanung<br />
Information, Anleitung und Beratung von Angehörigen und freiwilligen Helfern<br />
Regelmäßige Überprüfung der Maßnahmenplanung und ihrer Umsetzung, Aktualisierung<br />
der Pflegeplanung<br />
Regelmäßige Prüfung der Qualität und Vollständigkeit der Pflegedokumentation.<br />
Aufgaben, die ggf. von anderen Mitarbeitern erledigt werden können, bei denen die<br />
Zuständige Pflegefachkraft aber die Verantwortung <strong>für</strong> die Durchführung trägt, umfassen:<br />
Sicherstellung der Medikamentenverteilung/-verabreichung<br />
Sicherstellung einer bedarfs-, bedürfnisgerechten und sicheren Lebensumgebung<br />
<strong>für</strong> den Bewohner<br />
Sicherstellung der Verfügbarkeit geeigneter Hilfsmittel, der vom Bewohner bevorzugten<br />
Körperpflegemittel und anderer Utensilien<br />
Sicherstellung, dass der Bewohner entsprechend seines kognitiven und emotionalen<br />
Zustands über das Geschehen in der Einrichtung und alle Sachverhalte, die<br />
Einfluss auf das Leben des Bewohners nehmen, ausreichend informiert wird (z.B.<br />
neue Bewohner/Mitarbeiter, veränderte Abläufe in der Einrichtung/im Wohnbereich<br />
etc.).<br />
41 Die Gestaltung von Arbeitsabläufen im Rahmen der pflegerischen Versorgung wird in der Literatur mit Hilfe zahlreicher Begriffe – wie z.B.<br />
Pflegesystem, Pflegeorganisationsform bzw. -modell, Funktionspflege, Bezugspflege, Primary Nursing – beschrieben (vgl. z.B. Stähling<br />
2000). Mehrheitlich beziehen sich diese Begriffe auf Organisationsmodelle, die ursprünglich auf die Pflege im Akutkrankenhaus zugeschnitten<br />
waren und später in anderen Versorgungsbereichen übernommen wurden. Trotz bestehender Unterschiede werden einige von<br />
ihnen synonym verwendet (Glaser/Büssing 1996; Mischo-Kelling 2005). Erschwerend kommt hinzu, dass einige Begriffe nur theoretisch<br />
voneinander abgrenzbar und in der Praxis häufig Mischformen anzutreffen sind (Schlettig/von der Heide 1995; Ersser/Tutton 2000).
Hinzu kommen Steuerungs- und Koordinationsaufgaben, und zwar in den Bereichen:<br />
Heimeinzugsverfahren<br />
Angehörigenarbeit<br />
Zusammenarbeit mit Ärzten<br />
Sterbebegleitung<br />
Überleitungsverfahren bei notwendigen Krankenhausaufenthalten.<br />
Die Empfehlungen gehen davon aus, dass nicht jede Pflegefachkraft über die Kompetenzen<br />
verfügt, die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben erforderlich sind. Zu den<br />
Qualifikationsanforderungen gehören nicht nur Fachwissen und pflegerische Fertigkeiten,<br />
sondern auch Steuerungs-, Koordinations-, Anleitungs-, Beratungs- und Problemlösungskompetenz<br />
und nicht zuletzt sprachliche Kompetenz (angemessene<br />
mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit). Zuständige Pflegefachkräfte müssen<br />
darüber hinaus über die Bereitschaft verfügen, die mit dieser Funktion verknüpfte Verantwortung<br />
und eine herausgehobene Rolle in der Kooperation mit anderen Mitarbeitern<br />
zu übernehmen. Teilzeitbeschäftigte Pflegefachkräfte können vom Grundsatz<br />
her die Funktion einer Zuständigen Pflegefachkraft übernehmen, allerdings nur <strong>für</strong><br />
einen entsprechend kleinen Bewohnerkreis und unter der Voraussetzung, dass sie<br />
regelmäßig in der Einrichtung anzutreffen sind und somit auch als Ansprechpartner<br />
zu Verfügung stehen.<br />
Die Anzahl der Bewohner, <strong>für</strong> welche die Zuständige Pflegefachkraft Steuerungs- und<br />
Koordinationsverantwortung übernimmt, muss individuell anhand der jeweiligen Rahmenbedingungen<br />
in den Einrichtungen bestimmt werden. Hierzu zählen beispielsweise<br />
nicht nur die zur Verfügung stehenden Mitarbeiter, die die Voraussetzungen<br />
zur Übernahme einer solchen Verantwortung erfüllen, sondern auch die Komplexität<br />
des Versorgungsbedarfs der Bewohner. Im Rahmen des Projektes bzw. aufgrund der<br />
Erprobungserfahrungen konnte die Größe des Bewohnerkreises nicht exakt definiert,<br />
aber ein Richtwert ermittelt werden. Eine vollzeitbeschäftigte Zuständige Pflegefachkraft<br />
kann danach die Steuerungs- und Koordinationsverantwortung <strong>für</strong> eine Gruppe<br />
von zehn Bewohnern übernehmen, wenn<br />
rund die Hälfte dieser Bewohner einen vergleichsweise geringen Versorgungsbedarf<br />
aufweist und dadurch der Steuerungs- und Koordinationsaufwand in einem<br />
moderaten Rahmen bleibt,<br />
die betreffende Zuständige Pflegefachkraft durch eine optimale qualifikationsorientierte<br />
Arbeitsteilung weitgehend und nachhaltig von anderen Aufgaben entlastet<br />
wird und<br />
die Zuständige Pflegefachkraft über eine entsprechende Erfahrung mit den ihr<br />
übertragenen Aufgaben verfügt.<br />
Ist eine Pflegefachkraft ausschließlich <strong>für</strong> die Versorgung hochgradig pflegebedürftiger<br />
Bewohner bzw. <strong>für</strong> Bewohner mit komplexen Problemlagen verantwortlich, kann<br />
diese Richtgröße sicherlich nicht zugrunde gelegt werden. Es ist deshalb zu betonen,<br />
dass die angegebene Gruppengröße nur ein grober Anhaltswert sein kann und in<br />
jeder Einrichtung überprüft werden muss, welche Lösung unter den jeweiligen konkreten<br />
Rahmenbedingungen tragfähig sein kann. Zudem ist zu bedenken, dass Zuständige<br />
Pflegefachkräfte ggf. zugleich auch Vertretungsaufgaben übernehmen und hierdurch<br />
Arbeitszeit entsprechend gebunden ist.<br />
Zuständige Pflegefachkräfte müssen, damit sie ihre Aufgaben wahrnehmen können,<br />
von anderen Arbeiten entlastet werden. Insbesondere bewohnerferne Tätigkeiten, <strong>für</strong><br />
die keine Fachqualifikation erforderlich ist, sollten so weit wie möglich von anderen<br />
Mitarbeitern übernommen werden. Die Leistungsbeschreibungen zu den mittelbar<br />
bewohnerbezogenen Maßnahmen zeigen hierzu Möglichkeiten auf. Auch die Durchführung<br />
von unmittelbar bewohnerbezogenen Maßnahmen sollte durch die Zuständige<br />
Pflegefachkraft nur in dem zeitlichen Umfang erfolgen, der erforderlich ist, um<br />
109
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
110 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
sich ein verlässliches Bild vom Bewohner im Rahmen der alltäglichen Versorgung<br />
machen zu können. Dies ergibt sich aus der (im Rahmen der praktischen Erprobung<br />
bestätigten) Überlegung, dass in den meisten Einrichtungen nicht genügend geeignete<br />
Fachkräfte zur Verfügung stehen, um beide Aufgabenfelder ausreichend abzudecken.<br />
Insbesondere die letzte Forderung scheint dem wichtigen Grundsatz einer personenorientierten<br />
Pflege zu widersprechen, <strong>für</strong> den Bewohner größtmögliche personelle<br />
Kontinuität in der Pflege zu gewährleisten. Tatsächlich ist diese Kontinuität auch heute<br />
schon nur in engen Grenzen gegeben. Das dokumentieren u.a. die Ergebnisse der<br />
Studie „Pflegebedarf und Leistungsstruktur“ (Wingenfeld/Schnabel 2002). Allein<br />
wechselnde Dienste führen zu einer verhältnismäßig stark ausgeprägten Personenfluktuation.<br />
Im Übrigen kann eine entsprechende Dienstplanung da<strong>für</strong> Sorge tragen,<br />
dass die Durchführung unmittelbar bewohnerbezogener Maßnahmen bevorzugt<br />
immer durch bestimmte Mitarbeiter erfolgt. Auf diesem Weg kann personelle Kontinuität<br />
auch unabhängig von der Person der Zuständigen Pflegefachkraft sichergestellt<br />
werden.<br />
Entwicklungsschritte<br />
Ausgehend von den Ergebnissen der NRW-Studie zu Fragen der Arbeitsorganisation,<br />
den Erfahrungen der Modelleinrichtungen und der Auswertung von Fachliteratur entwickelte<br />
das IPW in einem ersten Schritt Thesen zur Funktion und zu Aufgaben der<br />
Zuständigen Pflegefachkraft. Diese Thesen beinhalteten bereits alle Kernpunkte einer<br />
qualifikationsorientierten Arbeitsteilung, die sich in der Endfassung der Empfehlungen<br />
wiederfinden. Sie dienten als Grundlage <strong>für</strong> die Diskussion mit den Modellbeauftragten<br />
und <strong>für</strong> die einrichtungsinterne Diskussion von Fragen der Arbeitsteilung<br />
und Pflegeprozesssteuerung. Die Einrichtungen signalisierten prinzipielle Zustimmung<br />
und bewerteten die Thesen als hilfreich und praktikabel, wenngleich die Einführung<br />
einer konsequent qualifikationsorientierten Arbeitsteilung als große Herausforderung<br />
gesehen wurde.<br />
Zum Charakter der Empfehlungen<br />
Die Empfehlungen zur Ausgestaltung der Funktion und Aufgaben der Zuständigen Pflegefachkraft<br />
zielen auf die Förderung einer planvollen Versorgung und einer durchdachten<br />
Arbeitsteilung in vollstationären Pflegeeinrichtungen, die erforderlich ist, um<br />
eine individuell bedarfs- und bedürfnisgerechte Versorgung sicherzustellen. Sie galten<br />
im Rahmen des Projektes als Orientierungshilfe <strong>für</strong> die Einrichtungen, nicht als verpflichtender<br />
Anforderungskatalog. Denn es war absehbar, dass eine entsprechende<br />
Reorganisation der Arbeitsteilung je nach Ausgangslage in den Einrichtungen ggf.<br />
eine langfristig angelegte Personalentwicklung erfordern würde. Alle Einrichtungen<br />
waren allerdings gehalten, bestehende Regelungen personeller Zuständigkeiten zu<br />
überprüfen und bei Bedarf an die Anforderungen anzupassen, die sich aus anderen<br />
Konzeptbausteinen, insbesondere aus den Qualitätsmaßstäben ergaben.<br />
Die Empfehlungen beschreiben Aufgaben im Rahmen der Pflegeprozesssteuerung,<br />
sind jedoch – wenngleich sie eine Reihe von Elementen aufweisen, die an das Primary<br />
Nursing 42 und die Bezugspflege 43 erinnern – nicht mit einem spezifischen Pflegesystem<br />
oder Pflegeorganisationssystem vergleichbar. Ein Pflegesystem lässt sich<br />
anhand des jeweiligen Pflegeprinzips und der Pflegeorganisationsform beschreiben<br />
(vgl. Glaser/Büssing 1996; Elkeles 1997; Büssing 1997). Ein Pflegeprinzip benennt<br />
42 Primary Nursing wurde in den USA entwickelt und weist zahlreiche Parallelen, aber auch einige Unterschiede zur Bezugspflege auf<br />
(Schlettig/von der Heide 1995; Schlettig 1997; Mischo-Kelling 2005).<br />
43 Bei der Bezugspflege liegt die Gesamtverantwortung <strong>für</strong> den Pflegeverlauf ausgewählter Bewohner bei einer Pflegekraft (Schlettig/von<br />
der Heide 1995). In der Regel wird hierbei der Kontinuität der Beziehung zwischen Bewohner und Pflegekraft eine besondere Bedeutung<br />
zugeschrieben.
die inhaltliche Orientierung, d. h. die Ausrichtung der Versorgung eher an Funktionen<br />
oder eher an Personen (Patienten bzw. Bewohnern). Eine Pflegeorganisationsform<br />
beschreibt die organisatorischen Zuständigkeiten, z.B. innerhalb eines Wohnbereichs.<br />
Pflegesysteme können anhand der Kombination aus der jeweiligen inhaltlichen<br />
Orientierung (funktionell – personenzentriert) und organisatorischen Zuständigkeit<br />
(z.B. Pflegegruppe, Wohnbereich, Zimmer oder bestimmte Personen) klassifiziert<br />
werden. So wird z.B. von der traditionellen Funktionspflege gesprochen, wenn die<br />
Pflege innerhalb eines gesamten Wohnbereichs „funktionszentriert“ organisiert ist.<br />
Im Projekt <strong>Referenzmodell</strong>e wurde bewusst davon Abstand genommen, eine Konzeption<br />
zu entwickeln, die sich auf dieser Ebene bewegt. Es bestand also nicht die<br />
Absicht, einen neuen Ansatz zu entwickeln. Vorrangig ging es vielmehr darum, ein<br />
Raster zur Verfügung zu stellen, mit dem die Organisation der Pflege – durchaus<br />
innerhalb verschiedener Systeme – unter Beachtung des Grundsatzes einer qualifikationsorientierten<br />
Arbeitsteilung optimiert werden kann.<br />
Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />
Aufgrund der Projekterfahrungen wurden nur geringfügige Modifikationen der Empfehlungen<br />
vorgenommen. Die Einrichtungen unterstrichen in der Regel die Relevanz<br />
des Konzeptes <strong>für</strong> die Gestaltung der Arbeitsorganisation und dessen Praxistauglichkeit.<br />
Ebenso zeigte sich jedoch, dass der Übergang zu einer Arbeitsteilung nach den<br />
Maßgaben der Empfehlungen relativ viel Zeit und vor allem eine längerfristige Personalentwicklung<br />
erfordert.<br />
Ausgehend von den Projekterfahrungen wurden die Angaben zur Größe des Bewohnerkreises<br />
konkretisiert, <strong>für</strong> den die Zuständige Pflegefachkraft zuständig sein soll. In<br />
der Entwurfsfassung wurde eine Gruppengröße von fünf bis sechs Bewohnern als<br />
erstrebenswert, aber unter den gegebenen Bedingungen als nicht realistisch bezeichnet.<br />
Diese Einschätzung hat sich im Projektverlauf bestätigt (s.o.).<br />
Darüber hinaus wurden die Ausführungen über Vertretungsregelungen modifiziert<br />
bzw. konkretisiert. Die Endversion der Empfehlungen enthält nicht nur allgemeine<br />
Hinweise, sondern zeigt konkrete Möglichkeiten <strong>für</strong> Vertretungsregelungen auf.<br />
5.2 Kriterienkatalog „Pflegerisches Assessment“<br />
Zu den grundlegenden Voraussetzungen <strong>für</strong> die Umsetzung der Konzeptbausteine<br />
des Modellvorhabens, insbesondere der „Leistungsbeschreibungen“, gehört ein strukturiertes<br />
und systematisches Verfahren zur Einschätzung der Ressourcen, Bedürfnisse<br />
und Problemlagen der Bewohner. Es war zu erwarten, dass die in den Einrichtungen<br />
genutzten Instrumente und das jeweilige Vorgehen bei der Einschätzung des Pflegebedarfs<br />
daraufhin überprüft werden müssen, ob bzw. inwieweit sie eine geeignete<br />
Grundlage <strong>für</strong> die Qualitätsentwicklung darstellen. Jüngere Untersuchungen deuten<br />
darauf hin, dass die Qualität pflegerischer Assessmentverfahren und ihrer Ergebnisse<br />
sehr heterogen ausfällt (Bartholomeyczik/Morgenstern 2004; Heitmann/Bonato<br />
2006). Darauf weisen auch Qualitätsberichte der Medizinischen Dienste hin (vgl.<br />
MDS 2004).<br />
Die Notwendigkeit eines pflegerischen Assessments ergibt sich aus fachlicher Perspektive<br />
primär aus den Anforderungen des Pflegeprozesses (Wingenfeld 2000).<br />
Dieser bildet den Handlungsrahmen, um in der Pflege eine ziel- und bedarfsgerechte<br />
Versorgung zu gewährleisten. Als Problemlösungsprozess angelegt, stellt er eine<br />
Systematik bereit, die die Einschätzung von Pflegeproblemen und -ressourcen (pflegerisches<br />
Assessment), die darauf aufbauende Definition von Pflegezielen und Planung<br />
von pflegerischen Maßnahmen, die Durchführung der Pflegemaßnahmen sowie<br />
deren Evaluation umfasst (Brobst et al. 1999; Needham 1996). Den Ergebnissen der<br />
111
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
112 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
pflegerischen Einschätzung kommt somit ein hoher Stellenwert <strong>für</strong> alle weiteren<br />
Schritten des Pflegeprozesses zu, insbesondere bei der Zielformulierung und Maßnahmenplanung.<br />
Der Kriterienkatalog „Pflegerisches Assessment“, der im Rahmen des Modellvorhabens<br />
entwickelt wurde, beinhaltet Anforderungen an die Informationserhebung und<br />
Einschätzung der Problem- und Bedarfslagen sowie der individuellen Ressourcen der<br />
Bewohner. Er umfasst eine Zusammenfassung von Kriterien, die seit langem aus pflegefachlicher<br />
Sicht als notwendig erachtet werden (Arets et al. 1996). Der Kriterienkatalog<br />
stellt kein eigenständiges Instrument zur Durchführung eines pflegerischen<br />
Assessments dar. Er versteht sich als Anforderungsprofil und Arbeitshilfe, mit der die<br />
Einrichtungen im Rahmen eines Soll-Ist-Vergleichs ihr vorhandenes Assessment auf<br />
Vollständigkeit überprüfen und gegebenenfalls ergänzen bzw. anpassen können.<br />
In der stationären Langzeitversorgung ist es besonders wichtig, neben den somatischen<br />
Funktions- und Gesundheitsstörungen der Bewohner deren psychosoziale Problemlagen<br />
in den Blick zu nehmen (Wingenfeld/Schnabel 2002). Konkret handelt es<br />
sich dabei vor allem um Orientierungs- und Gedächtnisstörungen, kommunikative<br />
Einschränkungen, Beeinträchtigungen der Urteilsfähigkeit, Persönlichkeitsveränderungen<br />
sowie herausfordernde Verhaltensweisen, die insbesondere im Verlauf von<br />
demenziellen Erkrankungen auftreten und einen spezifischen Unterstützungsbedarf<br />
nach sich ziehen. Der Kriterienkatalog weist diesen Aspekten einen hohen Stellenwert<br />
zu.<br />
Vorgehen im Modellvorhaben<br />
Auch bei diesem Konzeptbaustein folgten die Entwicklungsarbeiten dem Grundsatz<br />
der Anschlussfähigkeit an die Praxis. Die Modellbeauftragten führten zu Beginn des<br />
Vorhabens eine Bestandsaufnahme in ihrer jeweiligen Einrichtung durch, mit der sich<br />
sowohl Probleme und Handlungsnotwendigkeiten als auch bewährte Vorgehensweisen<br />
herauskristallisierten. Die Ergebnisse zeigten, dass die in den Referenzeinrichtungen<br />
gängigen Assessmentverfahren nicht nur formal, sondern auch inhaltlich sehr<br />
unterschiedlich gestaltet waren. Während einige Einrichtungen bereits ein sehr<br />
umfassendes Assessment durchführten, zeigte sich bei anderen die Notwendigkeit <strong>für</strong><br />
Anpassungen.<br />
Um den unterschiedlichen Möglichkeiten und Grenzen der Einrichtungen Rechnung<br />
zu tragen, wurde davon Abstand genommen, ein einheitliches Assessmentinstrument<br />
vorzugeben. Vielmehr wurde ein Katalog mit Kriterien <strong>für</strong> die inhaltliche Ausgestaltung<br />
und Vorgehensweise entworfen, der sich an fachlich anerkannten Instrumenten<br />
zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit orientiert. Dieser erste Entwurf ist den Modellbeauftragten<br />
zur Verfügung gestellt worden, mit der Bitte, den Katalog in eine Diskussion<br />
innerhalb der Einrichtungen einzubringen und zu prüfen. Die Ergebnisse wurden<br />
in den Regionalkonferenzen zusammengetragen und vom IPW ausgewertet. Der<br />
im Anschluss erstellte überarbeitete Konzeptentwurf wurde schließlich den Referenzeinrichtungen<br />
<strong>für</strong> die Einführung und Erprobung übergeben.<br />
Aufbau des Konzeptbausteins<br />
Der Kriterienkatalog enthält zu Beginn allgemeine Erläuterungen zur Informationssammlung<br />
und Einschätzung des Pflegebedarfs. Sie umfassen inhaltliche Eingrenzungen<br />
sowie einige begriffliche Klärungen 44 . Darüber hinaus gehen sie auf die Bedeu-<br />
44 So wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass der gängige Begriff „Pflegeanamnese“ streng genommen lediglich einen Teilbereich<br />
des pflegerischen Assessments umfasst, wobei es sich um die Informationssammlung, nicht aber deren Einschätzung handelt.
tung und Inhalte, den Charakter und die Informationsquellen sowie die unterschiedlichen<br />
Formen des pflegerischen Assessments ein. Im Anschluss folgt der eigentliche<br />
Kriterienkatalog, der folgende Punkte umfasst:<br />
Organisatorische Voraussetzungen (Regelungen von Zuständigkeiten, Bereitstellung<br />
zeitlicher Ressourcen <strong>für</strong> die Durchführung des Assessments, Einbeziehung<br />
von Kooperationspartnern)<br />
Inhalte des Assessments (unter besonderer Berücksichtigung kognitiver Fähigkeiten,<br />
psychischer Problemlagen und individueller Bedürfnisse)<br />
Zeitpunkt der Erstellung und Aktualisierung sowie Anlässe der Aktualisierung 45 .<br />
Zu den einzelnen Gliederungspunkten finden sich zusätzliche Erläuterungen. Sie<br />
basieren wesentlich auf den gemeinsamen Diskussionen mit den Modellbeauftragten<br />
und der daraus resultierenden Einschätzung des Bedarfs an Erklärungen und Kommentierungen.<br />
Schlussfolgerungen aus den Erprobungserfahrungen<br />
Der Nutzen des Konzeptbausteins als Arbeitshilfe <strong>für</strong> die Überprüfung des in den Einrichtungen<br />
praktizierten pflegerischen Assessments wurde von den Modellbeauftragten<br />
überwiegend als hoch eingeschätzt. Aus den Erprobungserfahrungen ergab sich<br />
vergleichsweise wenig Änderungsbedarf. Er betraf größtenteils die Erläuterungen,<br />
nicht die Kriterien bzw. Anforderungen selbst.<br />
Größere Schwierigkeiten bereitete die zeitliche Festlegung des initialen pflegerischen<br />
Assessments, das in vielen Einrichtungen zuvor erst vier oder sogar sechs Wochen<br />
nach Einzug des Bewohners erfolgte. Es erschien jedoch aus Gründen der Qualitätssicherung<br />
ratsam, an dieser Vorgabe festzuhalten. Dem Ziel, zeitnah (spätestens<br />
zwei Wochen nach Heimeinzug) zentrale Informationen zu sammeln und (wenn auch<br />
nur vorläufige) Einschätzungen vorzunehmen, ist im Hinblick auf eine zielgerichtete<br />
und bedarfsgerechte Versorgung hohe Priorität bei<strong>zum</strong>essen. Dass sich der Zustand<br />
des Bewohners ändern und die Informationssammlung an der einen oder anderen<br />
Stelle noch Lücken aufweisen kann, wiegt demgegenüber weniger schwer. Die zeitliche<br />
Vorgabe macht unter Umständen eine Aktualisierung des initialen pflegerischen<br />
Assessments notwendig und kann <strong>für</strong> die Einrichtungen daher einen gewissen<br />
Arbeitsaufwand mit sich bringen.<br />
In der endgültigen Fassung des Kriterienkatalogs wurde auf den ergänzenden „Fragenkatalog<br />
zur Entwicklung von Pflegezielen und Maßnahmenplanung auf der<br />
Grundlage des pflegerischen Assessments“ verzichtet. Dieser verstand sich als Orientierungshilfe<br />
<strong>für</strong> die Nutzung von Assessmentergebnissen bei den weiteren Schritten<br />
des Pflegeprozesses. Systematisch sind diese Aspekte jedoch nicht dem pflegerischen<br />
Assessment zuzuordnen. Sie werden daher in anderen Kontexten, insbesondere im<br />
Konzeptbaustein „Leistungsbeschreibungen“ inhaltlich berücksichtigt.<br />
45 Der Katalog unterscheidet zwischen einem initialen (erstmaligen) pflegerischen Assessment und nachfolgenden Assessments im Abstand<br />
von sechs Monaten. Das initiale Assessment dient dazu, den Status des Bewohners beim Einzug als Grundlage <strong>für</strong> das Erstellen einer<br />
ersten Pflegeplanung einzuschätzen. Es soll spätestens zwei Wochen nach dem Einzug abgeschlossen und innerhalb von sechs Wochen<br />
aktualisiert werden.<br />
113
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
5.3 Erfassung von Informationen zur Biografie und Lebenssituation<br />
114 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Biografisches Hintergrundwissen verhilft den Mitarbeitern zu besserem Verständnis<br />
von Verhaltensweisen, Handlungen oder Äußerungen der Bewohner, insbesondere<br />
demenziell erkrankter Bewohner (Maciejewski/Sowinski 2000; Kitwood 2000). Entsprechende<br />
Informationen sind außerdem <strong>für</strong> die individuelle Planung und Durchführung<br />
der Versorgung unerlässlich (Clarke 2000). Die Dokumentation biografischer<br />
Informationen weist allerdings große Defizite auf (Bartholomeyczik/Morgenstern<br />
2004). Informationen sind häufig nur bruchstückhaft aufgeführt bzw. beschränken<br />
sich auf die Ansammlung von Lebensdaten.<br />
Der Kriterienkatalog zur Erfassung von Informationen zur Biografie und Lebenssituation<br />
vor dem Heimeinzug greift diese Problematik auf und macht Aussagen zu erforderlichen<br />
Rahmenbedingungen und zu Aspekten, die erfasst und dokumentiert werden<br />
sollten.<br />
Problemhintergrund<br />
Menschen sind „Experten“ ihrer eigenen Biografie und bleiben dies auch in Zeiten<br />
gesundheitlicher Einschränkungen. Sie sollten insofern „als Autoren ihrer Lebensgeschichte<br />
betrachtet und behandelt werden“ (Remmers 2006: 189). Dies trifft auch<br />
auf Menschen mit psychisch-geistigen Einschränkungen zu (Kricheldorff 2005). Oftmals<br />
wird jedoch versäumt, den Bewohner in dieser Rolle in die Gestaltung des Versorgungsgeschehens<br />
einzubeziehen. Um ein entsprechendes Bewusstsein auf Seiten<br />
der Mitarbeiter zu schaffen, ist eine biografieorientierte Haltung erforderlich, die<br />
geprägt ist durch grundsätzliches Interesse an den Bewohnern und deren Lebensgeschichte<br />
(ebd.; Friebe 2004). Wichtig ist auch das Wissen um die Bedeutung der<br />
Lebensgeschichte u.a. <strong>für</strong> die Gegenwart: „Die Vergangenheit ist in ihren subjektiv<br />
bedeutsamen Aspekten in der Gegenwart präsent: Aus diesem Grund ist das Studium<br />
der Biographie – die auch als Deutung des Lebenslaufs durch das Individuum verstanden<br />
werden kann – eine Voraussetzung <strong>für</strong> das Verständnis des aktuellen Erlebens<br />
und Verhaltens“ (Kruse 2000: 90). Die Dokumentation biografischer Informationen<br />
sollte daher nicht nur Daten über Ereignisse, sondern insbesondere das Erleben aus<br />
Bewohnersicht, d. h. seine persönliche Lebensbeschreibung umfassen (Kerkhoff<br />
2002).<br />
Die Erfassung biografischer Informationen als Bestandteil des pflegerischen Assessments,<br />
ist Voraussetzung <strong>für</strong> eine biografieorientierte Pflege und Versorgung, wie sie<br />
z.B. die Leistungsbeschreibungen vorsehen. Auch die Anforderungen der Qualitätsmaßstäbe<br />
nehmen Bezug auf die Erfassung bzw. die Berücksichtigung biografischer<br />
Kenntnisse in der Versorgung und Begleitung. Weist bereits die Erfassung bzw. Dokumentation<br />
biografischer Informationen Mängel auf, so können einige Vorgaben der<br />
Konzeptbausteine nicht bzw. nur teilweise umgesetzt werden.<br />
Eine Analyse der Biografieerfassung durch die Modellbeauftragten, die zu Beginn<br />
des Projekts <strong>Referenzmodell</strong>e erfolgte, zeigte im Ergebnis große Unterschiede bei<br />
den verwendeten Biografieerfassungsbögen und den Verfahrensweisen zur Erfassung<br />
biografischer Informationen. Zum Teil gab es auch innerhalb einer Einrichtung abweichende<br />
Vorgehensweisen (Unterschiede zwischen Wohnbereichen). Diskrepanzen<br />
zwischen den Vorgaben der Einrichtungen und der praktischen Umsetzung waren<br />
ebenfalls feststellbar.<br />
Von den Modellbeauftragten wurde die Erfassung und Dokumentation biografischer<br />
Informationen als problematisch bewertet. Hier<strong>für</strong> gaben sie zahlreiche Gründe an, z.B.<br />
die Relevanz biografischer Informationen wird nicht von allen Mitarbeitern<br />
erkannt,
auch Bewohner bzw. Angehörige können die Relevanz der Informationen <strong>für</strong> die<br />
pflegerische Versorgung nicht immer nachvollziehen,<br />
Bewohner können keine Auskunft geben und Angehörige verfügen nicht über entsprechende<br />
Informationen,<br />
der Informationsfluss innerhalb der Einrichtung ist nicht gewährleistet, d. h. Informationen<br />
werden nicht, nicht vollständig oder verspätet an die zuständigen Personen<br />
weitergegeben (v.a. wenn unterschiedliche Personen/Berufsgruppen beteiligt<br />
sind),<br />
die Erfassung von Informationen erfolgt vorrangig im Rahmen des Heimeinzugs,<br />
während des Heimaufenthaltes werden relevante Informationen nicht mehr systematisch<br />
erfasst und gehen dadurch verloren,<br />
die Erfassung relevanter Informationen vor bzw. unmittelbar nach dem Heimeinzug<br />
kann nicht gewährleistet werden und wird auch nicht als sinnvoll erachtet.<br />
Die Referenzeinrichtungen verfügten also über kein vergleichbares Qualitätsniveau<br />
bei der Biografieerfassung und -dokumentation. Daher war es erforderlich, eine<br />
gemeinsame Grundlage <strong>für</strong> die Umsetzung weiterer konzeptioneller Bausteine in<br />
allen Einrichtungen zu schaffen. Aber auch unabhängig von anderen <strong>Referenzkonzept</strong>en<br />
kann der Kriterienkatalog eingesetzt werden, um die Biografieerfassung zu<br />
verbessern.<br />
Entwicklungsschritte<br />
Das IPW erstellte unter Berücksichtigung der Analyseergebnisse, nach Sichtung diverser<br />
Biografieerfassungsbögen und der Fachliteratur einen ersten Entwurf des Kriterienkatalogs<br />
„Erfassung von Informationen zur Biografie und Lebenssituation vor dem<br />
Heimeinzug“. Dabei wurde nicht das Ziel verfolgt, einen einheitlichen Biografieerfassungsbogen<br />
<strong>für</strong> alle 20 Modelleinrichtungen zu entwickeln. Vielmehr sollten auf der<br />
Grundlage einheitlicher Kriterien die bestehenden Biografieerfassungsbögen der Einrichtungen<br />
geprüft und ggf. modifiziert werden. Diese Vorgehensweise wurde<br />
gewählt, um die Anschlussfähigkeit an die derzeit bestehende Praxis zu gewährleisten.<br />
Der erste Entwurf des Kriterienkatalogs wurde mit den Modellbeauftragten diskutiert,<br />
nachfolgend durch das IPW um einige wenige Aspekte ergänzt und anschließend<br />
in den Einrichtungen eingeführt und erprobt.<br />
Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau<br />
Die Grundsätze und Kriterien des Katalogs beschreiben ein Mindestprofil, das die<br />
Verfügbarkeit von Informationen als Grundlage <strong>für</strong> eine biografieorientierte Pflege<br />
sicherstellen soll. Hierzu sind neben Kenntnissen zu Lebensdaten auch Aussagen <strong>zum</strong><br />
individuellen Erleben des Menschen zu dokumentieren. Auch wenn der Kriterienkatalog<br />
einige Vorschläge zur inhaltlichen Gestaltung eines Biografieerfassungsbogens<br />
enthält, ist er nicht mit einem solchen Instrument vergleichbar. Ziel ist vielmehr, eine<br />
Überprüfung einrichtungsintern verwendeter Formulare auf Vollständigkeit bzw.<br />
deren Anpassung anhand der Kriterien zu ermöglichen.<br />
Der Katalog beschreibt <strong>zum</strong> einen Grundsätze, die sich auf die Bereitstellung geeigneter<br />
Dokumentationsinstrumente, Zeitpunkte der Erfassung, Kennzeichnung von<br />
Informationsquellen, Verfahrensweisen und Verantwortlichkeiten beziehen. Zum<br />
anderen umfasst er eine Auflistung der <strong>für</strong> die Biografieerfassung relevanten Kriterien,<br />
mit der folgende Bereiche erfasst werden:<br />
Versorgung vor dem Heimeinzug (Wohn- und Versorgungssituation unmittelbar vor<br />
dem Heimeinzug),<br />
personenbezogene Aspekte (z.B. Besonderheiten/Gewohnheiten in Bezug auf<br />
Ernährung, Kommunikation, Tages-/Wochenstruktur),<br />
115
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
116 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
weitere personenbezogene Aspekte (z.B. familiäre und weitergehende soziale<br />
Kontakte/Beziehungen, individuelle Bedeutung der Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft<br />
bzw. Religionsausübung, Wünsche in Bezug auf die Sterbephase<br />
bzw. den Todesfall) und<br />
lebensgeschichtliche Informationen (z.B. bezogen auf Kindheit und Jugend,<br />
Erwachsenen-, Rentenalter, prägende Lebensereignisse).<br />
Die Unterteilung in diese vier Bereiche ist verbunden mit einer Unterscheidung hinsichtlich<br />
des Zeitpunkts der Ersterfassung dieser Informationen. Die beiden ersten<br />
Themenbereiche umfassen Informationen, die im engen zeitlichen Zusammenhang<br />
mit dem Heimeinzug benötigt werden, um eine bewohnerorientierte Versorgung planen<br />
zu können. Aspekte der beiden anderen Themenbereiche können zu späteren<br />
Zeitpunkten erfasst werden (Staffelung von sechs Wochen nach dem Heimeinzug bis<br />
hin zur fortlaufenden Erfassung während des Heimaufenthaltes), da hierzu in der<br />
Regel ein gewisser Grad von Vertrautheit zwischen Bewohner und Mitarbeitern erforderlich<br />
ist.<br />
Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />
Ungeachtet diverser Schwierigkeiten im Rahmen der Erprobung fand der Kriterienkatalog<br />
große Zustimmung in den beteiligten Modelleinrichtungen. Die grundsätzliche<br />
inhaltliche Ausrichtung des Kriterienkatalogs (Grundsätze, zu erfassende Kriterien,<br />
Vorgaben <strong>zum</strong> Zeitpunkt der Erfassung) hat sich bewährt und zur Optimierung der<br />
Biografieerfassung und einer verbesserten Dokumentationsqualität in den Einrichtungen<br />
erheblich beigetragen.<br />
Die Erfahrungen der Einrichtungen haben gezeigt, dass erweiterte Erläuterungen<br />
<strong>zum</strong> Kriterienkatalog unabdingbar sind. Beispielsweise berichteten die Modellbeauftragten,<br />
dass die Bedeutung biografischer Informationen <strong>für</strong> den Versorgungsalltag<br />
nicht als bekannt vorausgesetzt werden kann und häufig nicht einmal gewährleistet<br />
ist, dass dokumentierte Informationen Eingang in die Pflegeplanung finden. Auch die<br />
Vorgehensweisen einzelner Mitarbeiter bei der Erfassung biografischer Informationen<br />
wurden als problematisch beschrieben. Da sich Verständnisprobleme insbesondere<br />
auf die im Kriterienkatalog aufgeführten Grundsätze bezogen, waren diese im<br />
Zuge der Konzeptüberarbeitung ausführlicher zu erläutern. Zusätzlich wurde eine<br />
Kurzeinführung in das Thema Biografie und Biografiearbeit aufgenommen 46 .<br />
Aufgrund der Erprobungserfahrungen wurden außerdem einige Kriterien ergänzt<br />
(z.B. Kommunikation, Wünsche in Bezug auf die Sterbephase/im Todesfall) und die<br />
Zuordnung von Aspekten zu Themenbereichen verändert. Um eine differenziertere<br />
zeitliche Staffelung zu ermöglichen, wurden die Aspekte auf die bereits genannten<br />
vier Themenbereiche aufgeteilt und mit unterschiedlichen Zeitvorgaben versehen 47 .<br />
Die Erprobungserfahrungen dokumentieren jedoch auch einen erheblichen Bedarf an<br />
Kompetenzerweiterung, etwa durch Schulung/Anleitung oder Fallbesprechungen.<br />
Sie zeigen, dass das Vorhalten eines am Kriterienkatalog ausgerichteten Biografieerfassungsbogens<br />
relativ unproblematisch zu gewährleisten ist. Um jedoch die Dokumentation<br />
aussagekräftiger biografischer Informationen zu gewährleisten, müssen in<br />
vielen Einrichtungen noch grundlegende Voraussetzungen geschaffen werden.<br />
Die Annahme beispielsweise, Biografiearbeit ende mit der Erfassung biografischer<br />
Informationen, ist bedauerlicherweise noch weit verbreitet. Es gibt Mitarbeiter, die<br />
primär das Ziel verfolgen, einen Biografieerfassungsbogen so vollständig und so<br />
46 Eine vertiefende Auseinandersetzung mit der Verwendung biografischer Informationen bei der Ausgestaltung der konkreten Versorgungssituation<br />
erfolgt außerdem im Rahmen der Leistungsbeschreibungen.<br />
47 Die zu erfassenden Aspekte waren ursprünglich in zwei Themenbereiche untergliedert und mit Angaben über zeitliche Fristen zur Erfassung<br />
versehen worden. Diese Zeitvorgaben haben sich in der Praxis teilweise als problematisch erwiesen, da einige Aspekte nicht zu<br />
Beginn des Heimaufenthaltes in Erfahrung gebracht werden konnten (<strong>zum</strong>eist weil hierzu die erforderliche Vertrauensbasis zwischen<br />
Bewohner bzw. Bezugspersonen und Mitarbeiter noch fehlte).
frühzeitig wie möglich auszufüllen und dabei eine dem Bewohner und seiner Lebensgeschichte<br />
zugewandte Grundhaltung vermissen lassen. Auch ist die Zielsetzung der<br />
Erfassung von Informationen nicht immer bewusst. Häufig bleibt ihnen die Entscheidung<br />
überlassen, welche Informationen sie weitergeben. Oftmals wird der Stellenwert<br />
von Beobachtungen unterschätzt (z.B. Reaktionen der Bewohner auf die Durchführung<br />
von Pflegehandlungen, Hinweise auf Vorlieben und/oder Abneigungen). Sie<br />
spielen insbesondere bei demenziell erkrankten Bewohnern, die sich nur noch eingeschränkt<br />
verbal mitteilen können, eine große Rolle. Wenn diese Bewohner keine<br />
Bezugspersonen haben bzw. diese keine Auskünfte geben können, stellen Beobachtungen<br />
oftmals die einzige Möglichkeit des Zugangs zu biografierelevanten Informationen<br />
dar. Der Kriterienkatalog fordert außerdem eine fortlaufende Erfassung biografischer<br />
Informationen. Mitarbeiter sammeln durch regelmäßige Kontakte zu<br />
Bewohnern in der Regel immer bessere Kenntnisse, dokumentieren diese aber nicht<br />
immer, da sie sie nicht als bedeutsam ansehen.<br />
Mitarbeiter benötigen daher neben einer biografieorientierten Grundhaltung besondere<br />
Kenntnisse zur Gestaltung von Gesprächssituationen zur Biografieerfassung, eine<br />
geschulte Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, ermittelte Informationen so zu dokumentieren,<br />
dass sie <strong>für</strong> die weitere Pflegeprozessgestaltung Verwendung finden können.<br />
5.4 Verbesserte Dokumentationsformen<br />
Der Konzeptbaustein „Verbesserte Dokumentationsformen“ greift ein Thema von<br />
hoher Aktualität in der Diskussion um Überregulierungen in der pflegerischen Versorgung<br />
auf (DZA 2005; Schönberg/Schnabel 2003). Verbesserte Dokumentationsformen<br />
stellen eine von mehreren möglichen Maßnahmen <strong>zum</strong> Abbau unnötiger Bürokratie<br />
im Pflegebereich dar (Wipp 2004; Mybes 2005). Hierbei geht es in erster<br />
Linie darum, die Pflegedokumentation auf ihre fachliche Funktion zurückzuführen und<br />
dabei auf nicht begründbaren Dokumentationsaufwand zu verzichten. In diesem<br />
Sinne wurden im Projekt <strong>Referenzmodell</strong>e Kriterien und Maßgaben zusammengestellt,<br />
die an verbesserte Dokumentationsformen, unabhängig von einem bestimmten<br />
Dokumentationssystem, zu stellen sind. Insofern stellt der Konzeptbaustein eine<br />
Arbeitshilfe <strong>für</strong> Pflegeeinrichtungen dar, die sich auf den Weg machen wollen, ihre<br />
Dokumentation zu entbürokratisieren und zugleich qualitativ zu verbessern.<br />
Ähnlich wie bei den Empfehlungen zur „Zuständigen Pflegefachkraft“ stand es den<br />
Referenzeinrichtungen frei, ihre Arbeitsweise und Instrumente nach den Vorgaben<br />
des Konzeptbausteins „Verbesserte Dokumentationsformen“ auszugestalten. Die wissenschaftliche<br />
Begleitung hat die Einrichtungen jedoch ausdrücklich dazu ermutigt,<br />
da hiermit u.a. eine wesentlich höhere Kompatibilität mit Leistungsbeschreibungen<br />
erreicht werden konnte als im Falle herkömmlicher Dokumentationsformen.<br />
Problemhintergrund<br />
Die Anforderungen an Dokumentationsaufgaben ergeben sich <strong>zum</strong> einen aus einer<br />
fachlich-informativen und <strong>zum</strong> anderen aus einer rechtlich-administrativen Zielsetzung<br />
(Heering 2004; Müller 2001). Die primäre, fachlich-informative Funktion resultiert<br />
in erster Linie aus dem Pflegeprozess, der nachvollziehbar in der Pflegedokumentation<br />
abgebildet werden muss (Heering 2004; Sauter et al. 2004; Bartholomeyczik<br />
2005). Die heutige Dokumentationspraxis orientiert sich jedoch häufig einseitig<br />
an (vermuteten) rechtlich-administrativen Anforderungen. Hiervon ist <strong>zum</strong> einen der<br />
Nachweis erbrachter Leistungen betroffen, der <strong>zum</strong> Teil in Form von seitenlangen Auflistungen<br />
einzelner Tätigkeiten erfolgt (Mybes 2005; BMFSFJ 2005). Zum anderen ist<br />
bei der Anwendung von Modellen der Aktivitäten (ATL, AEDL, Lebensaktivitäten) mitunter<br />
festzustellen, dass ein bestimmtes Pflegeproblem gleichzeitig unterschiedlichen<br />
117
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
118 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Bereichen zugeordnet wird. Dieses Vorgehen, das Doppel- und Mehrfachdokumentationen<br />
und somit einen erhöhten Aufwand nach sich zieht (<strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Soziales,<br />
Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein 2005), resultiert<br />
häufig aus der Überzeugung, es sei notwendig, um den Forderungen der Prüfinstanzen<br />
zu genügen (MDK und/oder Heimaufsicht). Neuere Untersuchungen kommen<br />
allerdings zu dem Schluss, dass diese Annahme <strong>zum</strong> Teil auf Missverständnissen<br />
beruht (BMFSFJ 2005).<br />
Eine weitere Folge besteht darin, dass die informativ-fachliche Qualität der Dokumentation<br />
und ihre Strukturiertheit und Nachvollziehbarkeit in Mitleidenschaft gezogen<br />
werden. Außerdem wird die Pflegedokumentation von den Pflegekräften häufig nicht<br />
als wichtiges Arbeitsmittel gesehen, sondern als lästige Notwendigkeit mit wenig<br />
Nutzen <strong>für</strong> die praktische Pflege (Däbritz 2003).<br />
An dieser Stelle setzen Maßnahmen zur Verbesserung der Pflegedokumentation an,<br />
die bereits in anderen Bundesländern in unterschiedlichen Formen modellhaft umgesetzt<br />
wurden (Wipp 2004; Kamm 2004; <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Soziales, Familie<br />
und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz 2006). Gemeinsames Kennzeichen dieser<br />
Initiativen ist, dass eine Reduzierung des Dokumentationsaufwandes bei gleichzeitiger<br />
Erfüllung der gesetzlichen Regelungen und Abbildung des Pflegeprozesses in<br />
verbesserter Qualität erreicht werden soll.<br />
Vorgehen im Modellvorhaben<br />
In einem ersten Schritt trug das IPW die Zielsetzungen und Anforderungen, aber<br />
auch die Erfahrungen mit verbesserten Dokumentationsformen aus den oben genannten<br />
Projekten anderer Bundesländer zusammen und brachte sie in die Diskussion mit<br />
den Modellbeauftragten ein. Einige Einrichtungen hatten bereits verbesserte Dokumentationsformen<br />
umgesetzt und konnten daher eigene Erfahrungen beisteuern.<br />
Die Referenzeinrichtungen wurden daraufhin gebeten, intern die Möglichkeiten der<br />
Einführung verbesserter Dokumentationsformen zu überprüfen und hierzu eine Rückmeldung<br />
an die wissenschaftliche Begleitung zu geben. Die meisten Modelleinrichtungen<br />
signalisierten eine grundsätzliche Bereitschaft zur Umstellung ihrer Pflegedokumentation.<br />
Im Anschluss wurde durch das IPW ein Grundsatzpapier entwickelt,<br />
das kommentierte Kernanforderungen <strong>für</strong> neue Dokumentationsformen umfasste.<br />
Parallel dazu ist das IPW in einen Dialog mit den Medizinischen Diensten der Krankenversicherung<br />
auf Landesebene eingetreten. Diese Gespräche dienten u.a. zur Einschätzung<br />
der Frage, in welchen Punkten sich möglicherweise Abweichungen zu den<br />
Anforderungen bei Qualitätsprüfungen und der Begutachtung nach dem SGB XI ergeben<br />
könnten. Mit ähnlicher Absicht wurden einzelne Heimaufsichtsbehörden angesprochen.<br />
Im Ergebnis zeigte sich ein hoher Grad an Übereinstimmung mit den Eckpunkten<br />
zur Verbesserung der Dokumentation, die im Modellvorhaben zugrunde<br />
gelegt werden sollten.<br />
Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau des Konzeptbausteins<br />
Abweichend von vergleichbaren Initiativen in anderen Bundesländern wurde auf die<br />
Entwicklung einer Musterdokumentation verzichtet. Vielmehr wurden Grundsätze<br />
bzw. Anforderungen und Vorraussetzungen <strong>für</strong> die Einführung verbesserter Pflegedokumentationsformen<br />
erarbeitet, deren konkrete Ausgestaltung den Einrichtungen<br />
überlassen bleiben sollte. Ausschlaggebend hier<strong>für</strong> war das Ziel, Flexibilität zu<br />
gewährleisten und die Möglichkeit zu schaffen, anstelle der Einführung eines völlig<br />
neuen Dokumentationssystems Modifizierungen des jeweils genutzten Systems vorzunehmen<br />
und damit Verbesserungen mit möglichst geringem Aufwand zu erreichen.
Es wurden also Grundsätze entwickelt, die sich an den oben skizzierten Zielsetzungen<br />
verbesserter Dokumentationsformen orientieren und die zugleich fachlichen<br />
Anforderungen und Empfehlungen (auch denen des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände<br />
der Krankenkassen – vgl. MDS 2005) genügen. Diese Grundsätze<br />
beziehen sich insbesondere auf<br />
Rahmenbedingungen und Voraussetzungen (einschl. personeller Zuständigkeiten),<br />
die Identifizierung vorrangiger Problemlagen (Assessment),<br />
die Formulierung von Pflegezielen,<br />
die Erstellung eines Tagesplans (Maßnahmenplanung),<br />
Durchführungs-/Leistungsnachweise.<br />
Eine Aufwandsreduzierung sollte vor allem dadurch erreicht werden, dass sich die<br />
Formulierung von Pflegezielen auf wesentliche Problem- und Bedarfslagen<br />
beschränkt, ein übersichtlicher, individueller Tagesplan <strong>für</strong> jeden Bewohner erstellt<br />
wird und statt Einzelnachweisen <strong>für</strong> erbrachte Leistungen – mit Ausnahme ärztlich<br />
verordneter Maßnahmen – ein Handzeichen je Maßnahmenkomplex ausreichend ist.<br />
Eine zentrale Bedeutung kommt der Erstellung eines individuellen Tagesplans <strong>für</strong> die<br />
Bewohner zu. Dieser Tagesplan soll eine strukturierte Übersicht über alle zu leistenden<br />
Maßnahmen bieten und alle Informationen enthalten, die <strong>für</strong> die Durchführung<br />
einer bedarfs- und bedürfnisgerechten Pflege benötigt werden.<br />
Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />
Nur wenige Referenzeinrichtungen verzichteten darauf, die Möglichkeit zur Umstellung<br />
ihrer Pflegedokumentation auf verbesserte Formen zu nutzen. Zwei Gründe<br />
spielten hierbei eine Rolle: Zum Teil erschien ihnen der Rahmen des Modellprojektes<br />
nicht hinreichend sicher; einige Einrichtungen be<strong>für</strong>chteten Probleme im Rahmen von<br />
Qualitätsprüfungen und bei Begutachtungen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit.<br />
In anderen Fällen war ausschlaggebend, dass eine bereits vorhandene EDV-gestützte<br />
Dokumentation zu wenig Möglichkeiten zur Umstellung nach den Maßgaben der<br />
Grundsätze bot.<br />
Die Einrichtungen, die sich zu einer Umstellung ihrer Pflegedokumentation entschlossen,<br />
berichteten durchweg von positiven Erfahrungen. Allerdings waren oftmals zeitintensive<br />
Vorbereitungen notwendig (z.B. Mitarbeiterschulung, Umschreiben der vorhandenen<br />
Bewohnerdokumentationen). Der im Zuge der Umstellung anfallende Aufwand<br />
hing <strong>zum</strong> Teil aber auch damit zusammen, dass in einigen Einrichtungen die<br />
Pflegeplanungen Qualitätsdefizite aufwiesen. Die Entwicklung verbesserter Formen<br />
der Pflegedokumentation wurde also auch genutzt, um die Qualität der Pflegeplanung<br />
insgesamt zu verbessern.<br />
Die neuen Dokumentationsformen führten dazu, dass sich sowohl die Qualität der<br />
Pflegeplanung als auch die Nachvollziehbarkeit des Pflegeprozesses deutlich verbesserten<br />
und die Dokumentation vermehrt wieder als Arbeitsmittel von den Pflegekräften<br />
genutzt wurde. Hiervon wiederum haben die Bewohner profitiert, da ihre individuellen<br />
Bedürfnisse und Gewohnheiten, die aus den Tagesplänen hervorgehen, bei<br />
der täglichen Versorgung stärker Berücksichtigung fanden. Ein weiterer Vorteil aus<br />
Sicht der Praxis hat sich aus der Reduzierung der vormals ausufernden Menge an<br />
Handzeichen zur Dokumentation der Maßnahmendurchführung ergeben.<br />
Probleme bereitete den Mitarbeitern der Einrichtungen anfangs die Identifizierung<br />
prioritärer Problemlagen der Bewohner und die Festlegung darauf bezogener Pflegeziele.<br />
Es zeigten sich auch Schwierigkeiten bei der Erstellung der Tagespläne, da<br />
anfangs nicht klar war, wie detailliert diese ausfallen sollten. Die Modellbeauftragten<br />
betonten außerdem die Notwendigkeit, <strong>für</strong> die Erstellung der Pflegedokumentation<br />
zeitliche Ressourcen bereits im Rahmen der Dienstplanung einzuräumen.<br />
119
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
120 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Im Gesamtbild hat sich der im Modellprojekt gewählte Ansatz zur Verbesserung und<br />
Vereinfachung der Dokumentation sehr gut bewährt. Grundlegende inhaltliche Modifikationen<br />
waren vor dem Hintergrund der oben skizzierten Erfahrungen nicht notwendig,<br />
da<strong>für</strong> jedoch umfangreiche Erläuterungen, die in die überarbeitete, <strong>für</strong> den Praxisleitfaden<br />
vorgesehene Fassung eingeflossen sind. Diese Fassung ist wesentlich ausführlicher<br />
als das ursprüngliche Grundsatzpapier und bietet damit auch Einrichtungen, die<br />
nicht auf eine fachliche Begleitung wie im Modellprojekt zurückgreifen können, eine<br />
ausreichende Basis <strong>für</strong> die Weiterentwicklung ihrer Pflegedokumentation.
6. Implementationsbegleitung<br />
Dem IPW kam neben der Konzeptentwicklung auch die Aufgabe der wissenschaftlichen<br />
Implementationsbegleitung zu, d. h. die Aufgabe, den Einrichtungen fachliche<br />
Hilfestellungen zu leisten, um Anpassungen auf eine Art und Weise durchzuführen,<br />
die den Anforderungen der Konzepte entspricht. Zwar hatten die Einrichtungen die<br />
Möglichkeit, auf eine professionelle Organisationsberatung zurückzugreifen, doch<br />
war von vornherein absehbar, dass eine ergänzende fachliche Beratung erforderlich<br />
sein würde. Die wissenschaftliche Implementationsbegleitung erstreckte sich dabei<br />
auf folgende Punkte:<br />
Prozesssteuerung: Es blieb zwar den Einrichtungen überlassen, wie sie ihre Handlungsplanung<br />
zur Konzeptumsetzung gestalteten und Implementationsprozesse im<br />
Einzelnen organisierten, allerdings gab die wissenschaftliche Begleitung durch<br />
das IPW eine grobe zeitliche Abfolge vor – schon allein dadurch, dass Konzeptentwicklung<br />
und Konzeptumsetzung <strong>zum</strong> Teil zeitlich parallele Arbeitsstränge darstellten.<br />
Der enge Zeitrahmen, in dem das Modellvorhaben durchgeführt wird,<br />
gestattete es angesichts der zeitintensiven Abstimmungsprozesse nicht, mit der<br />
Umsetzung in der Praxis so lange zu warten, bis sämtliche Konzeptbausteine ausgereift<br />
waren. Da diese jedoch in vielfältiger Weise aufeinander Bezug nehmen<br />
und ihre Verschränkung allein von der wissenschaftlichen Begleitung überblickt<br />
werden konnte, waren die Praxiseinrichtungen in hohem Maße auf Orientierungshilfen<br />
bei der Umsetzung angewiesen, sowohl was die zeitliche Organisation der<br />
einzelnen Umsetzungsschritte angeht als auch im Blick auf inhaltliche Anforderungen.<br />
Ergebnissicherung bei einzelnen Implementationsschritten: Trotz Einbeziehung in<br />
die konzeptionellen Entwicklungsarbeiten bestand ein mitunter ausgeprägtes<br />
Bedürfnis der Praxis, sich zu vergewissern, mit der Konzeptumsetzung auf dem<br />
richtigen Weg zu sein und Anpassungen oder Problemlösungen in Übereinstimmung<br />
mit den Intentionen vorgenommen zu haben, auf denen die Konzepte beruhen.<br />
Diese Rückversicherung war sinnvoll und notwendig zugleich: Konzepte wie<br />
die Leistungsbeschreibungen müssen, um von der Praxis aufgenommen werden zu<br />
können, verhältnismäßig schlank ausfallen und können unmöglich <strong>für</strong> jede denkbare<br />
Detailfrage der Umsetzung eine Antwort bereithalten. Abgesehen davon<br />
mussten die Konzepte ihre Praxistauglichkeit im Verlauf der modellhaften Umsetzung<br />
erst noch unter Beweis stellen. Ungeachtet der intensiven Beratungen im Vorfeld<br />
der Umsetzung offenbarten sich im Verlauf der Erprobung Unschärfen, dysfunktionale<br />
Zuordnungen, Inkonsistenzen und andere Schwachstellen. Hier hatte<br />
die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis die wichtige Funktion, zu<br />
prüfen, ob Implementationsschwierigkeiten auf konzeptimmanente Probleme oder<br />
Adaptionsprobleme auf Seiten der Praxis zurückzuführen waren.<br />
Kontinuierliche „Übersetzungsarbeit“ in Detailfragen: Eine ebenso wichtige Funktion<br />
der Implementationsbegleitung bestand in fortgesetzten Erläuterungen zu einzelnen<br />
inhaltlichen Aspekten der Konzepte. Auch dieses Erfordernis ergab sich<br />
daraus, dass ein in der Praxis handhabbares Konzept nicht alle Einzelheiten kommentieren<br />
und erklären kann, die <strong>für</strong> die Umsetzung von Bedeutung sein können.<br />
Hinzu kommen Schwierigkeiten auf begrifflicher Ebene. Wenngleich sich Wissenschaft<br />
und Praxis im Rahmen der geschilderten konzeptionellen Entwicklungsarbeiten<br />
auf sprachlicher Ebene angenähert haben, blieben die Konzeptbausteine,<br />
vor allem die Leistungsbeschreibungen „durchsetzt“ von sprachlichen Gepflogenheiten<br />
der Wissenschaft – unter anderem deshalb, weil es als wichtig erachtet<br />
wurde, auch auf sprachlicher Ebene eine dem aktuellen Stand der pflegefachlichen<br />
und pflegewissenschaftlichen Diskussion entsprechende Lösung zu finden.<br />
121
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
122 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Definition von Grenzen <strong>für</strong> kreative Lösungen: Keiner der im Modellvorhaben entwickelten<br />
Konzeptbausteine legte die Referenzeinrichtungen bei der Umsetzung<br />
auf starre Lösungen fest. Es bestand <strong>für</strong> sie immer ein gewisser Spielraum zur Ausgestaltung,<br />
der <strong>zum</strong> Teil sogar sehr breit ausfiel. Gerade deshalb war es jedoch<br />
<strong>für</strong> die Einrichtungen gelegentlich schwer zu entscheiden, mit welchen Umsetzungsschritten<br />
sie möglicherweise die Grenze der Übereinstimmung mit den konzeptionellen<br />
Vorgaben überschreiten würden.<br />
Legitimation von Handlungsinitiativen der Modellbeauftragten: Den Modellbeauftragten<br />
kam innerhalb der Referenzeinrichtungen eine wichtige, zugleich aber<br />
schwierige und <strong>zum</strong> Teil sogar prekäre Funktion zu. Sie stießen Prozesse in Handlungsfeldern<br />
an, deren Gestaltung außerhalb des Modellkontextes in den Zuständigkeitsbereich<br />
anderer Mitarbeiter fiel (vor allem Pflegedienst- und Wohnbereichsleitungen).<br />
Sie mussten daher oftmals intensive Überzeugungsarbeit leisten<br />
und ggf. auch Kompromisse aushandeln. In diesem Zusammenhang hatte die<br />
Implementationsbegleitung eine Funktion von eher strategischem Charakter: Sie<br />
unterstützte die Arbeit der Modellbeauftragten, indem sie deren Handeln indirekt<br />
durch ihre konzeptionellen Vorgaben gegenüber anderen Mitarbeitern der Einrichtungen<br />
legitimierte.<br />
Die wissenschaftliche Implementationsbegleitung war insofern eine unerlässliche Voraussetzung<br />
<strong>für</strong> die erfolgreiche Konzeptumsetzung. Sie konnte auch nur durch eine<br />
Instanz geleistet werden, die mit den Zielsetzungen, inhaltlichen Verästellungen und<br />
Interdependenzen der Konzeptbausteine und der Modellkonzeption insgesamt gut<br />
vertraut und fachlich in der Lage war, sich mit der Praxis rasch und sachgerecht zu<br />
verständigen.
7. Fazit<br />
Das Projekt „<strong>Referenzmodell</strong>e zur qualitätsgesicherten Weiterentwicklung der vollstationären<br />
Pflege“ weist im Vergleich zu anderen Vorhaben, die das Ziel der Qualitätsentwicklung<br />
verfolgen, einige wichtige Besonderheiten auf. Erstens ist das Projekt<br />
aus einer gemeinsamen Initiative des nordrhein-westfälischen Landespflegeausschusses,<br />
der Spitzenverbände der Pflegekassen, des Bundesministeriums <strong>für</strong> Gesundheit<br />
und des <strong>Ministerium</strong>s <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW hervorgegangen. Es<br />
handelt sich insofern um eine Qualitätsentwicklungsinitiative, die sich im Grundsatz<br />
auf eine relativ breite Basis stützen kann. Zweitens folgte das Projekt dem Anspruch,<br />
Konzepte und Problemlösungen in enger Kooperation mit der Praxis zu entwickeln<br />
und somit von vornherein ein Maximum an Anschlussfähigkeit anzustreben. Drittens<br />
schließlich umfasste das Modellvorhaben ein ganzes Bündel von Maßnahmen der<br />
Qualitätsentwicklung, die sich nicht auf äußere Rahmenbedingungen konzentrieren,<br />
sondern direkt auf das Handlungsfeld beziehen, in dem Qualität letztlich realisiert<br />
wird: auf die tägliche individuelle Unterstützung der Bewohner.<br />
Mit der Entwicklung der Leistungsbeschreibungen wurde das Profil eines Versorgungsangebotes<br />
definiert, das auf die typischen Anforderungen zugeschnitten ist,<br />
die aus den gesundheitlichen und sozialen Problemlagen der heutigen Heimbewohner<br />
erwachsen. Sie weisen den psychischen Problemlagen der Bewohner einen<br />
hohen Stellenwert zu und akzentuieren das Ziel einer ressourcenfördernden und biografieorientierten<br />
Versorgung. Sie folgen zudem dem Grundsatz, fachlich anspruchsvolle,<br />
aber unkomplizierte und unbürokratische Lösungen zu entwickeln.<br />
Mit insgesamt sechs Rahmenkonzepten bzw. Qualitätsmaßstäben griff das Modellprojekt<br />
weitere wichtige Herausforderungen <strong>für</strong> die Qualitätsentwicklung auf. Sie zielen<br />
darauf ab,<br />
neue Bewohner bei der Bewältigung des Einzugs in eine Pflegeeinrichtung, der in<br />
aller Regel als tiefgreifender Einschnitt erfahren wird und hohe psychische Belastungen<br />
mit sich bringt, wirksam zu unterstützen,<br />
eine bessere Einbindung der Angehörigen in den Alltag der Einrichtungen zu<br />
erreichen und den Kontakt zwischen Bewohnern und Angehörigen zu fördern,<br />
eine bedarfs- und bedürfnisgerechte nächtliche Versorgung sicherzustellen und zu<br />
diesem Zweck das abendliche und nächtliche Unterstützungsangebot weiterzuentwickeln,<br />
elementare Voraussetzungen <strong>für</strong> eine adäquate Begleitung sterbender Heimbewohner<br />
sicherzustellen, damit ein Sterben in Würde zu ermöglichen und Krankenhausaufenthalte<br />
in der Sterbephase so weit wie möglich zu vermeiden,<br />
geeignete Voraussetzungen zur Verbesserung der Kooperation mit niedergelassenen<br />
Ärzten zu schaffen und damit auch einen Beitrag zur Verbesserung der medizinischen<br />
Versorgung zu leisten,<br />
die Unterstützung der Bewohner bei notwendigen Krankenhausaufenthalten und<br />
die Kooperation zwischen Krankenhaus und Pflegeeinrichtung im Rahmen des<br />
Überleitungsverfahrens zu verbessern.<br />
Weitere Konzeptbausteine greifen andere Kernfragen der Versorgungsqualität auf.<br />
Dazu gehören die Förderung einer qualifikationsorientierten Arbeitsteilung und die<br />
personelle Zuordnung von Steuerungsverantwortung <strong>für</strong> den Pflegeprozess. Das IPW<br />
hat in Form von Empfehlungen <strong>für</strong> die Referenzeinrichtungen (Aufgaben und Funktion<br />
der „Zuständigen Pflegefachkraft“) die Grundzüge einer Arbeitsteilung beschrieben,<br />
in der die Steuerungs- und Koordinationsverantwortung <strong>für</strong> die Unterstützung des einzelnen<br />
Bewohners klar definiert und personell zugeordnet wird. Ferner wurden<br />
Kriterienkataloge <strong>für</strong> das pflegerische Assessment und die Erfassung biografischer<br />
Informationen entwickelt. Schließlich wurden Grundlagen <strong>für</strong> eine verbesserte Pflegedokumentation<br />
erarbeitet, die auf Entbürokratisierung und zugleich auf Qualitäts-<br />
123
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
124 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
verbesserung abzielen. Mit ihnen kann die Pflegedokumentation nicht nur von unnötigem<br />
Ballast befreit, sondern auf ihre ursprüngliche Funktion zurückgeführt werden<br />
und damit wieder als wichtige Orientierungshilfe und Handlungsgrundlage <strong>für</strong> die<br />
zielgerichtete pflegerische Versorgung dienen.<br />
Sämtliche Konzeptbausteine wurden in Abstimmung mit den beteiligten Modelleinrichtungen<br />
und den projektbegleitenden Gremien entwickelt, <strong>zum</strong> Teil unter Hinzuziehung<br />
externer Expertise. Die <strong>Referenzkonzept</strong>e sind letztlich nicht allein das Ergebnis<br />
fachlicher Überlegungen bzw. wissenschaftlicher Arbeiten, sondern das Resultat<br />
einer wissensbasierten Konzeptentwicklung, in die sowohl wissenschaftliches als<br />
auch berufspraktisches Wissen eingeflossen ist.<br />
Die im Modellvorhaben gewählte Strategie der Konzeptentwicklung und -abstimmung<br />
hat sich im Großen und Ganzen bewährt. Die Kooperation zwischen Wissenschaft<br />
und Praxis verlief keineswegs spannungsfrei, aber doch reibungsloser als zu Beginn<br />
des Projektes erwartet. Eine produktive und von gegenseitiger Akzeptanz geprägte<br />
Zusammenarbeit setzt nach den Projekterfahrungen allerdings voraus, dass<br />
sich beide Seiten am Leitbild einer professionellen Pflege orientieren und dadurch<br />
auf fachlicher Ebene eine gemeinsame Basis <strong>für</strong> die Entwicklungsarbeiten existiert,<br />
die Wissenschaft ein ausreichendes Verständnis <strong>für</strong> die Arbeitsbedingungen und<br />
Probleme, die den Versorgungsalltag prägen, und eine entsprechende Lernbereitschaft<br />
entwickelt,<br />
die Rollen von Wissenschaft und Praxis, der Kontext und die jeweiligen Handlungsspielräume<br />
von Beginn an klar definiert sind,<br />
der Praxis Freiräume <strong>für</strong> konzeptionelle „Feinarbeiten“ verbleiben, die sicherstellen,<br />
dass die Umsetzung von Konzepten nicht als Störung bewährter interner<br />
Abläufe, sondern als Bereicherung erfahren wird.<br />
Das Projekt <strong>Referenzmodell</strong>e ist angetreten, konkrete Wege der Qualitätsentwicklung<br />
aufzuzeigen, denen andere folgen können. Viele Ergebnisse des Modellvorhabens<br />
sind <strong>für</strong> die Einrichtungen unmittelbar verwertbar. Sie liefern konzeptionelle Grundlagen<br />
und reichhaltige Erfahrungen im Umgang mit zahlreichen und oft schwierigen<br />
Herausforderungen bei der Umsetzung. Dabei handelt es sich allerdings um ein<br />
anspruchsvolles Unterfangen: Die <strong>Referenzkonzept</strong>e zielen nicht auf eng begrenzte<br />
Schritte zur Verbesserung von Teilaspekten der Versorgung, sondern auf grundlegende<br />
Qualitätsverbesserungen. Man darf trotz des großen Engagements der Einrichtungen<br />
und insbesondere ihrer Modellbeauftragten nicht vergessen, dass die Umsetzung in<br />
einen Modellrahmen eingebettet war, der anderen Einrichtungen in dieser Form nicht<br />
zur Verfügung stehen wird. Folgendes kennzeichnete diesen Rahmen:<br />
Es existierte eine wissenschaftliche Implementationsbegleitung und damit die<br />
Möglichkeit, bei der Umsetzung von Konzepten in inhaltlichen Fragen Rücksprache<br />
zu halten. Dies erwies sich insbesondere dort als wichtig, wo relativ komplexe<br />
Fragen der Umsetzung zu bearbeiten waren.<br />
Die Umsetzung wurde unterstützt durch eine externe Organisationsberatung.<br />
Nachhaltige Qualitätsentwicklung in Einrichtungen ist ohne organisatorische<br />
Anpassungen nicht denkbar.<br />
Die Modellbeauftragten der Referenzeinrichtungen waren in eine Kooperation mit<br />
anderen Modellbeauftragten eingebunden. Sie können von deren Erfahrungen<br />
profitieren und sich gegenseitig Anregungen in Umsetzungsfragen geben. Dies<br />
hat sich im Verlauf des Modellvorhabens als sehr fruchtbar erwiesen.<br />
Die Arbeit der einzelnen Referenzeinrichtungen war in eine übergeordnete Projektplanung<br />
eingebunden. Es existierte dadurch eine Anforderung von außen, die<br />
Stetigkeit förderte. Diese Konstellation war <strong>zum</strong> Teil hilfreich, wenn interne Hürden<br />
bzw. Widerstände überwunden werden mussten. Der Modellrahmen stärkte
die Legitimation von Veränderungen und drängte dazu, sich mit Fragen auseinanderzusetzen,<br />
die ohne Einbindung in ein Modellprojekt vielleicht weniger intensiv<br />
aufgegriffen würden.<br />
Nicht zuletzt ist auf die wichtige Funktion der Modellbeauftragten hinzuweisen –<br />
Mitarbeiter der Einrichtungen, die ausschließlich mit Aufgaben betraut waren, die<br />
aus dem Projekt erwuchsen. Innovationen in Pflegeeinrichtungen sind in hohem<br />
Maße auf solche Mitarbeiter angewiesen, die über die fachliche Kompetenz wie<br />
auch über ausreichende zeitliche Spielräume verfügen, um Veränderungen zu initiieren,<br />
Prozesse zu steuern oder zu koordinieren, zu informieren und bei Bedarf<br />
auch anzuleiten. Sie sind die wichtigsten Träger und Multiplikatoren von Entwicklungsprozessen.<br />
Die erreichten Erfolge in den Einrichtungen wären ohne diesen Modellrahmen nicht<br />
möglich gewesen. Vermutlich kann der Weg der <strong>Referenzmodell</strong>e von den meisten<br />
anderen Pflegeeinrichtungen nur dann erfolgreich beschritten werden, wenn ihnen<br />
ein annähernd vergleichbarer Rahmen zur Verfügung steht – kein Modellprojekt,<br />
aber ein Kooperationszusammenhang, der die notwendigen Voraussetzungen <strong>für</strong><br />
eine nachhaltige Qualitätsentwicklung bietet. Die zentralen Punkte wurden oben<br />
benannt: Geeignete Formen der Kooperation und der gegenseitigen Unterstützung,<br />
die Einbindung in einen einrichtungsübergreifenden Arbeitszusammenhang, Unterstützung<br />
bei der Organisationsentwicklung, eine fachliche Implementationsbegleitung<br />
und erfahrene Multiplikatoren, die in den Einrichtungen <strong>für</strong> eine stetige und zielgerichtete<br />
Konzeptumsetzung sorgen.<br />
125
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
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(Hg.): Ambulant vor stationär. Perspektiven <strong>für</strong> eine integrierte ambulante Pflege Schwerkranker. Bern: Huber,<br />
336–364<br />
129
Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />
130 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Wingenfeld, K. (2004): Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen: Nachtdienste detailliert dokumentieren. Altenheim 6,<br />
40–43<br />
Wingenfeld, K. (2005): Die Entlassung aus dem Krankenhaus. Institutionelle Übergänge und gesundheitlich bedingte<br />
Transitionen. Bern: Huber<br />
Wingenfeld, K./Korte-Pötters, U./Heitmann, D. (2006): Qualitätsmaßstäbe <strong>für</strong> die vollstationäre Pflege, Version 1.0. Heft<br />
3 der Schriftenreihe „<strong>Referenzmodell</strong>e zur qualitätsgesicherten Weiterentwicklung der vollstationären Pflege<br />
2004–2006, hg. vom <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
(MAGS). Düsseldorf<br />
Wingenfeld, K./Schnabel, E. (2002): Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Eine<br />
Untersuchung im Auftrag des Landespflegeausschusses Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf<br />
Wipp, M. (2004): Abschlussbericht. Teilbericht des Projekts „Entbürokratisierung der Pflegedokumentation“, hg. vom<br />
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(http://www.stmas.bayern.de/pflege/stationaer/entbuero.htm, 26.05.2006)
Teilbericht 3:<br />
Organisationsentwicklung<br />
Verfasser/innen:<br />
Brigitte Rehling<br />
unter Mitarbeit von Hildegard Heinrich, Manfred Krohn, René Bernards,<br />
Annegret Zacharias, Marion Menke<br />
Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt a. M. (ISS)<br />
131
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
132 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6
Inhalt<br />
Seite<br />
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136<br />
1. Konzept der Organisationsberatung und Vorgehensweisen in den Einrichtungen . . . .137<br />
1.1 Das Beraterteam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137<br />
1.2 Ziele der Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137<br />
1.3 Systemischer Ansatz der Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .138<br />
1.4 Methoden der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .139<br />
1.5 Schwerpunkte der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141<br />
2. Die Organisationsentwicklung in den Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .142<br />
2.1 Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation: Zielangemessenheit,<br />
Eindeutigkeit und Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .142<br />
2.2 Die „Zuständige Pflegefachkraft“ als Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Pflegeorganisation .143<br />
2.2.1 Vorhandene Probleme der Bezugspflegepraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .143<br />
2.2.2 Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation im Sinne der<br />
Zuständigen Pflegefachkraft – Beispielhafte Lösungswege . . . . . . . . . . .144<br />
2.2.3 Probleme im Umsetzungsprozess und wie sie bewältigt wurden . . . . . . .149<br />
2.2.4 Die Kooperation zwischen Pflege und Sozialem Dienst . . . . . . . . . . . . .150<br />
2.2.5 Strukturelle Hindernisse <strong>für</strong> Zusammenarbeit und die Umsetzung<br />
des <strong>Referenzkonzept</strong>es . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .150<br />
2.2.6 Lösungswege: Optimierte Vernetzung zwischen Pflege und Sozialem Dienst .153<br />
2.2.7 Dezentralisierung des Sozialen Dienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .153<br />
3. Qualitätsmanagement in der stationären Altenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .155<br />
3.1 Gute Pflege und einrichtungsinternes Qualitätsmanagement . . . . . . . . . . . . . . .156<br />
3.2 Leistungsbeschreibungen: das Leistungsprofil der stationären Altenpflege . . . . . .157<br />
3.2.1 Bestandsaufnahme zu den unmittelbar bewohnerbezogenen<br />
Leistungsbeschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .157<br />
3.2.2 Berufsbegleitende fachliche Qualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .159<br />
3.2.3 Bedarfsgerechte Unterstützung bei psychischen und sozialen Problemlagen .161<br />
3.2.4 Bedarfsgerechte Mobilitätserhaltung und -förderung . . . . . . . . . . . . . . .163<br />
3.2.5 Verinnerlichung von Leitorientierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .163<br />
3.3 Pflegerisches Assessment und Biografieerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .164<br />
3.3.1 Entwicklung von Instrumenten bzw. Formularen . . . . . . . . . . . . . . . . . .165<br />
3.3.2 Regelmäßige Aktualisierung des pflegerischen Assessments . . . . . . . . . .165<br />
3.3.3 Zugang zu relevanten Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .166<br />
3.3.4 Fachkompetenz <strong>für</strong> biografieorientierte Pflege und<br />
bedarfsangemessene psychosoziale Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . .166<br />
3.3.5 Schulungen der Mitarbeiter/innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168<br />
3.4 Pflegeplanung und Pflegedokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168<br />
3.4.1 Einführung verbesserter Planungs- und Dokumentationsformen . . . . . . . .169<br />
3.5 Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung in zentralen Arbeitsfeldern<br />
stationärer Pflegeeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .170<br />
3.5.1 Konzepterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .171<br />
3.5.2 Mitarbeiterbeteiligung und mögliche Vorgehensweisen . . . . . . . . . . . . .172<br />
3.5.3 Sinnvermittlung und Ergebnisrückkoppelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .172<br />
3.6 Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .173<br />
3.6.1 Internes Schnittstellenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .174<br />
3.6.2 Begleitung der Eingewöhnungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .174<br />
3.6.3 Das Integrationsgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .175<br />
133
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
134 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6
Seite<br />
3.7 Zusammenarbeit mit Angehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .175<br />
3.7.1 Konzepterstellung und Verbesserung von Verfahrensstandards . . . . . . . .176<br />
3.7.2 Entwicklung von Angeboten <strong>für</strong> Angehörige: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .176<br />
3.7.3 Möglichkeiten und Grenzen bei Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .177<br />
3.8 Nächtliche Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178<br />
3.8.1 Verbesserung von Arbeitsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178<br />
3.8.2 Änderung von Dienstzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .179<br />
3.8.3 Kooperation von Tag- und Nachtdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .179<br />
3.8.4 Entwicklung von Angeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .180<br />
3.9 Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .181<br />
3.9.1 Kontinuierliche Begleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .182<br />
3.9.2 Zusammenarbeit mit Hospizdiensten und freiwilligen Helfern/innen . . . .182<br />
3.9.3 Absprachen mit Angehörigen und Ärzten/innen . . . . . . . . . . . . . . . . .182<br />
3.9.4 Schulungen der Mitarbeiter/innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .183<br />
3.10 Kooperation mit niedergelassenen Ärzten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .184<br />
3.10.1 Die Ausgangssituation und damit verbundene Problemlagen . . . . . . . . .185<br />
3.10.2 Kontaktaufnahme und Verhandlungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .186<br />
3.10.3 Kontaktaufnahme und Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .187<br />
3.10.4 Vorbereitung von Arztbesuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .187<br />
3.10.5 Gegenseitige Erreichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188<br />
3.11 Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188<br />
3.11.1 Die Ist-Analyse als Voraussetzung <strong>für</strong> Verbesserungen . . . . . . . . . . . . .189<br />
3.11.2 Ergebnisse der Bestandsaufnahme und damit verbundene Problemlagen 189<br />
3.11.3 Kontaktaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .191<br />
3.11.4 Problemlösungen im Kooperationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .191<br />
135
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
Einleitung<br />
136 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Im Juni 2004 wurde das Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. (ISS) mit<br />
der Organisationsberatung im Rahmen des Modellprojekts „<strong>Referenzmodell</strong>e zur Förderung<br />
der qualitätsgesicherten Weiterentwicklung der vollstationären Pflege“ beauftragt.<br />
Neben der Aufgabe, die beteiligten Referenzeinrichtungen bei der Umsetzung<br />
des <strong>Referenzkonzept</strong>es zu beraten und zu begleiten, war es ein explizites Ziel des<br />
ISS-Frankfurt a. M., aus der Auswertung der Beratungs- und Entwicklungsprozesse<br />
Hinweise <strong>für</strong> einen Transfer der Konzeptbausteine in nicht beteiligte Einrichtungen<br />
stationärer Altenpflege zu gewinnen.<br />
In den ersten Monaten nach Beendigung der Erprobungs- und Umsetzungsphase in<br />
den Referenzeinrichtungen wurde deshalb in enger Kooperation mit dem Institut <strong>für</strong><br />
Gerontologie an der Universität Dortmund ein umfassender Teilbericht <strong>für</strong> den „Praxisleitfaden<br />
zur Qualitätsentwicklung in vollstationären Pflegeeinrichtungen“ 48 erstellt. Für<br />
diesen Praxisleitfaden wurden die ausgewerteten Erfahrungen der Organisationsberater/innen<br />
in Empfehlungen <strong>für</strong> die Übernahme des <strong>Referenzkonzept</strong>es übersetzt.<br />
Berücksichtigt wurden dabei an einigen Stellen auch solche Erkenntnisse der Organisationsberatung,<br />
die prinzipiell als hilfreich erachtet wurden, in der Arbeit mit den<br />
Referenzeinrichtungen jedoch nicht oder noch nicht <strong>zum</strong> Tragen gekommen waren.<br />
Der hier vorgelegte Abschlussbericht ist inhaltlich weitgehend identisch mit dem Praxisleitfaden,<br />
denn er gibt ebenfalls die im Beratungsprozess gewonnenen Erkenntnisse<br />
der Organisationsberatung wieder. Er fokussiert jedoch in stärkerem Maße die<br />
Entwicklungsprozesse, wie sie in den Referenzeinrichtungen tatsächlich stattgefunden<br />
haben und schildert vorgefundene Ausgangssituationen, Hindernisse im Umsetzungsprozess<br />
und wie sie gelöst wurden.<br />
Ebenso wenig wie der Praxisleitfaden werden in diesem Bericht die Konzeptbausteine<br />
des <strong>Referenzkonzept</strong>s detailliert wiedergegeben. Die Kenntnis der Bausteine<br />
ist eine unverzichtbare Voraussetzung <strong>für</strong> das Verständnis der hier beschrieben Prozesse<br />
und Lösungswege.<br />
Die in diesem Bericht wiedergegebenen Einsichten und Einschätzungen sind in intensiver<br />
Kooperation mit allen Beteiligten am Modellprojekt entstanden. Wir bedanken<br />
uns bei allen Modellbeauftragten, den Pflegedienst- und Einrichtungsleiter/innen,<br />
den Wohnbereichsleiter/innen und Pflegekräften <strong>für</strong> die produktive und vertrauensvolle<br />
Zusammenarbeit. Unser Dank gilt auch den Kollegen und Kolleginnen der beteiligten<br />
Institute. Die Rückkoppelung mit ihnen war unverzichtbar <strong>für</strong> die Beratung in<br />
den Einrichtungen. Schließlich bedanken wir uns bei den Mitgliedern des Steuerungskreises<br />
und des Begleitausschusses, die unsere Arbeit durch stärkende wie<br />
kritische Hinweise und Fragen unterstützt haben.<br />
48 Teil B: Qualitäts- und Organisationsentwicklung – Hinweise <strong>für</strong> den Ergebnistransfer. Teil A dieser Veröffentlichung enthält alle Konzeptbausteine<br />
mit ausführlichen Erläuterungen.
1. Konzept der Organisationsberatung und Vorgehensweisen<br />
in den Einrichtungen<br />
1.1 Das Beraterteam<br />
Die Organisationsberatung in den Einrichtungen wurde von vier Beratern/innen<br />
wahrgenommen. Eine der Berater/innen übte die Funktion der ISS-internen Projektleitung<br />
aus. Die Projektleiterin vertrat und verantwortete die Arbeit des ISS nach außen<br />
und zur Institutsleitung des ISS. Die mit dem Projekt verbundene Gremienarbeit und<br />
Abstimmung mit den anderen beteiligten Instituten sowie den Auftraggebern lag<br />
ebenfalls in ihrer Verantwortung.<br />
Das Beratungsteam des ISS wurde von einer Teamleiterin unterstützt, welche die<br />
Dienst- und Fachaufsicht innehatte. Diese moderierte und dokumentierte die wöchentlichen<br />
Teamsitzungen und singulären Klausuren und entwickelte die Instrumente zur<br />
Erfassung und Bewertung des Projekt- und Beratungsverlaufs in Abstimmung mit der<br />
Projektleitung und dem Team.<br />
Wie in den vorausgehenden Teilberichten bereits dargestellt, waren die Referenzeinrichtungen<br />
vier Regionalgruppen zugeordnet. Jede(r) der vier Berater/innen<br />
begleitete jeweils fünf Referenzeinrichtungen, die zu einer Regionalgruppe gehörten.<br />
1.2 Ziele der Organisationsberatung<br />
In Übereinstimmung mit den Modellzielen war die Arbeit der Organisationsberatung<br />
darauf gerichtet, die Referenzeinrichtungen bei der Umsetzung der Konzeptanforderungen<br />
zu unterstützen. Die zentrale Zielsetzung der Organisationsberatung, auf die<br />
Umsetzung der Konzeptbausteine in den Referenzeinrichtungen hinzuwirken, war mit<br />
weiteren Zielen verbunden, die sich aus der konkreten Situation und dem spezifischen<br />
Entwicklungsbedarf der einzelnen Referenzeinrichtungen ableiteten.<br />
Grundsätzlich ist Beratung immer eine Dienstleistung, die durch den Auftrag und die<br />
Kooperationsbereitschaft des Gegenübers gesteuert wird. Der Beratungserfolg ist nie<br />
eine nur vom Berater erbrachte Leistung, sondern immer das Ergebnis einer gelungenen<br />
Kooperation: nur wer sich beraten lassen will wird von einem Beratungsprozess<br />
auch profitieren können.<br />
Im Unterschied zu anderen Organisationsberatungsprozessen wurden die Entwicklungsanforderungen,<br />
die sich aus der oben beschriebenen Zielstellung des Modellprojektes<br />
ergaben, nicht durch die Einrichtungen selbst sondern durch das Institut <strong>für</strong><br />
Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW) formuliert. Auch wenn dies mit<br />
dialogischer Rückkoppelung zu den 20 Referenzeinrichtungen geschah, so konnte<br />
unter diesen Umständen eine vorbehaltlose Identifikation der Leitungsebenen und<br />
Modellbeauftragten mit bestimmten Zielvorstellungen nicht immer vorausgesetzt werden.<br />
Auch das ISS und seine Organisationsberater/innen wurde nicht direkt von den<br />
Einrichtungen oder Trägern sondern von den Auftraggebern und Geldgebern des<br />
Modellprojekts ausgewählt und beauftragt.<br />
Für die Organisationsberatung beinhaltete diese Ausgangslage eine doppelte Verpflichtung:<br />
Zum Einen fühlten sich die Berater/innen von Beginn an den Zielsetzungen<br />
des Modellprojekts verpflichtet, waren also nicht neutral. Auch bei tendenziell<br />
skeptischer Positionierung der Einrichtungen zu einzelnen Anforderungen hatten sie<br />
um ein Zieleinverständnis zu werben und auf die Umsetzung der Konzeptbausteine<br />
137
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
138 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
hinzuwirken. Zum Anderen war ein vertrauensvolles Arbeitsbündnis mit den Einrichtungen<br />
zu etablieren, bei dem sich Modellbeauftragte, Leitungskräfte und Mitarbeiter/innen<br />
der Loyalität der Berater/innen sicher sein konnten.<br />
Gelingen konnte diese Balance, weil sich die ISS-Berater/innen dem Grundprinzip<br />
und Leitziel der Bewohnerorientierung verpflichtet fühlten, welches letztlich auch die<br />
Träger und Leitungskräfte bewogen hatte, sich <strong>für</strong> eine Teilnahme am Modellprojekt<br />
zu entscheiden. In diesem Grundkonsens traf man sich und konnte auch in schwierigen<br />
Situationen produktiv zusammenarbeiten. Mit dem Begriff der Bewohnerorientierung<br />
ist hier gemeint, dass die Pflege von Bewohnern/innen in der stationären Altenpflege<br />
biografieorientiert, ressourcenfördernd und -erhaltend sein soll,<br />
Risiken <strong>für</strong> Gesundheit und Unversehrtheit durch Prophylaxen ausschließt bzw.<br />
mindert,<br />
dem individuellen Unterstützungsbedarf aller Bewohner/innen auch der demenziell<br />
Erkrankten und Immobilen gerecht werden muss,<br />
sich nicht nur auf physische Unterstützung und Versorgung beschränkt sondern<br />
auch psychosoziale Begleitung bietet,<br />
auf der Grundlage einer respektvollen, wertschätzenden Haltung gegenüber<br />
Bewohner/innen und Angehörigen erbracht wird.<br />
1.3 Systemischer Ansatz der Organisationsberatung<br />
Die Beratung der Einrichtungen erfolgt auf der Grundlage eines systemischen Organisationsverständnisses,<br />
das sich in folgenden Thesen skizzieren lässt:<br />
Die Wirklichkeit der Organisation – ihre Identität, ihr Leistungsniveau, ihre Kultur –<br />
wird von allen Organisationsmitgliedern in wechselseitigem Bezug und in wechselseitiger<br />
Abhängigkeit gestaltet. Eine Steuerung ist nur möglich, wenn diese<br />
Komplexität durch klare Aufbaustrukturen und Ablaufregeln reduziert wird. Für<br />
die Beratung bedeutet dies, immer auch die Eindeutigkeit, Transparenz und Angemessenheit<br />
der jeweiligen Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Kulturen der<br />
Einrichtungen in den Blick zu nehmen.<br />
Eine lineare Logik, die davon ausgeht, dass eine bestimmte Intervention eine berechenbare<br />
Wirkung erzielt, wird der wechselwirksamen Interaktion aller Organisationsmitglieder<br />
nicht gerecht. Vielmehr ist es nötig – analog zu einem ökologischen<br />
Blick auf Zusammenhänge in der Natur – mögliche Wechsel- und Rückwirkungen<br />
hypothetisch einzukalkulieren. Auch reicht es nicht aus, sich bei der<br />
Umsetzung von Entwicklungszielen z.B. auf die verhaltenssteuernde Wirkung von<br />
Anweisungen und Regeln zu verlassen. Vielmehr ist es notwendig, dass tatsächliche<br />
Geschehen zu prüfen, Widerstände und unliebsame „Nebenwirkungen“ korrigierend<br />
zu bearbeiten. Für die Beratung folgt daraus, sich immer wieder um den<br />
Blick auf „das Ganze“ zu bemühen und dem Steuerungshandeln der Leitungsebenen<br />
besondere Aufmerksamkeit zu schenken.<br />
Es gibt keinen Standort, von dem aus die Komplexität von Organisationen objektiv<br />
eingeschätzt werden kann. Hierarchischer und informeller Status sowie die<br />
jeweils spezifischen Aufgaben bestimmen die Perspektive der einzelnen Akteure<br />
und lassen sie Unterschiedliches wahrnehmen. Für die Beratung bedeutet dies,<br />
den eigenen externen Blick möglichst durch die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen<br />
Akteuren und damit unterschiedlichen Perspektiven zu vernetzen, um sich<br />
einem vollständigen Bild <strong>zum</strong>indest zu nähern.<br />
Die formelle und informelle Ordnung, die jede Organisation entwickelt, entscheidet<br />
darüber, was wichtig und was weniger wichtig genommen wird, welche Fragestellungen<br />
und Herausforderungen wahrgenommen werden und welche nicht.
1.4 Methoden der Beratung<br />
Der externe Standort der Organisationsberater/innen macht es möglich, ein<br />
System zur Auseinandersetzung mit Fragestellungen anzuregen, die bisher vernachlässigt<br />
wurden.<br />
Das systemische Prinzip, dass Systeme zwar beeinflussbar, nicht aber „beherrschbar“<br />
sind, gilt auch <strong>für</strong> die Interaktion zwischen Berater und System: Beratungsinterventionen,<br />
die aus Ratschlägen bestehen, dem Gegenüber also Handlungs- und<br />
Verhaltensrezepte offerieren, sind nicht immer der wirksamste Weg <strong>für</strong> eine erfolgreiche<br />
Beratung. Die Akteure in Organisationen, deren Auftrag es ist, Entwicklungen<br />
zu betreiben und zu steuern, werden solche Ratschläge nur dann aufgreifen,<br />
wenn sie mit der eigenen Perspektive und Einschätzung kompatibel sind.<br />
Wenn nicht, werden sie überhört, uminterpretiert oder bekämpft.<br />
Das Prinzip der Ressourcenorientierung bedeutet, von der Hypothese auszugehen,<br />
dass Systeme prinzipiell fähig sind, Lösungen <strong>für</strong> Probleme zu finden, bzw. dass<br />
die erfolgreiche Bearbeitung von Mängeln und Defiziten nur dann nachhaltig<br />
gelingen kann, wenn es sich aus Sicht des Systems um eigene Problemdefinitionen<br />
und Lösungen handelt. Insofern ist jeder Beratungsprozess immer ein Akt der<br />
„Geburtshilfe“, der das implizite Wissen der Organisation über die eigenen Stärken<br />
und Schwächen sowie die grundsätzlich vorhandene Problemlösungskompetenz<br />
zu Tage fördert.<br />
Die schrittweise Einführung der Konzeptbausteine des <strong>Referenzkonzept</strong>s konkretisierte<br />
und präzisierte auch das Konzept der Organisationsberatung. Erst durch den<br />
Abgleich vorhandener Strukturen und gelebter Praxis mit den Konzeptbausteinen<br />
wurden die konkreten Entwicklungsbedarfe in den Einrichtungen deutlich, die dann<br />
<strong>zum</strong> Gegenstand der Beratung wurden. Zu diesen Beratungsschwerpunkten formulierten<br />
die Organisationsberater/innen konzeptionelle Prämissen und Positionierungen,<br />
mit denen die gerade skizzierte systemische Grundhaltung konkretisiert und ergänzt<br />
wurde.<br />
Die 20 Referenzeinrichtungen starteten mit unterschiedlichen Ausgangssituationen in<br />
das Modellprojekt. Diese Heterogenität bezog sich nicht nur auf die Qualität der Pflegeleistung<br />
und den Umfang der vorab bereits erfüllten Anforderungen, sondern auch<br />
auf Aspekte der Aufbau- und Ablauforganisation, der vertikalen und horizontalen<br />
Kooperationskultur und den alltäglichen Umgang mit Bewohnern/innen, Angehörigen<br />
und externen Kooperationspartnern. Aus diesem Grund mussten auch die Beratungsprozesse<br />
unterschiedlich und prozessorientiert gestaltet werden. Gleichwohl lassen<br />
sich bestimmte Schwerpunkte identifizieren, die in allen oder der Mehrheit der<br />
Einrichtungen die Vorgehensweise der Berater/innen prägten.<br />
Informationsgewinnung zur „Organisationswirklichkeit“<br />
Um die Situation in den Einrichtungen möglichst ganzheitlich einschätzen zu können,<br />
arbeiteten die Berater/innen nicht nur mit den Modellbeauftragten zusammen, sondern<br />
suchten auch den Kontakt zu den Leitungskräften. In allen Häusern ist es gelungen,<br />
Beratungsgespräche mit den Einrichtungsleitern/innen und<br />
Pflegedienstleitern/innen zu führen; bei gut der Hälfte der Einrichtungen erstreckte<br />
sich die Kooperation auch auf die Ebene der Wohnbereichsleitungen. Darüber hinaus<br />
haben die Organisationsberater/innen im Projekt bei einzelnen Kooperationsprozessen<br />
hospitiert, etwa bei Übergaben, Fallbesprechungen, einrichtungsinternen<br />
Schulungs- und Informationsveranstaltungen, Dienstgesprächen und Fallbesprechungen.<br />
Hinzu kam die Prüfung von Pflegedokumentationen, die gemeinsam mit den<br />
Modellbeauftragten vorgenommen wurde. Aus all diesen Informationsquellen leiteten<br />
die Organisationsberater/innen Einschätzungen zur Prozess- und Verlaufsbewertung<br />
des Modellprojekts und der Qualität der hausinternen Rahmenbedingungen ab.<br />
139
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
140 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Aufforderung zur kritischen Selbsteinschätzung<br />
Das wichtigste Medium der Organisationsberatung, um zu einer Einschätzung der<br />
„Organisationswirklichkeit“ zu gelangen, bestand darin, in den Kontakten mit den<br />
Kooperationspartnern/innen immer wieder Fragen nach deren Einschätzung und<br />
Bewertung wichtiger Sachverhalte zu stellen. Dies bedeutete gleichzeitig, dass die<br />
Akteure in den Einrichtungen zu kritischer Reflexion vorhandener Umstände angeregt<br />
wurden und dabei sowohl auf Stärken wie auch auf vorhandene Schwächen und Entwicklungsbedarfe<br />
aufmerksam wurden.<br />
„Konfrontative Irritation“<br />
Um gewohnte Routinen, Positionierungen und Sichtweisen zu verlassen bedarf es bei<br />
Individuen wie Systemen nicht selten einer gewissen Erschütterung, der nicht immer<br />
angenehmen Einsicht, dass das Gewohnte nicht gleichzeitig auch das Angemessenste<br />
ist. In diesem Sinne irritierend <strong>für</strong> die Einrichtungen waren <strong>zum</strong> einen die<br />
inhaltlichen Innovationsanforderungen, die sich aus den unterschiedlichen Konzeptbausteinen<br />
des IPW und den durch die Soll-Ist-Analysen entdeckten Defiziten und<br />
Mängeln herleiteten. Zum anderen ergaben sich solche Verunsicherungen dadurch,<br />
dass die Berater/innen die Einrichtungen mit wahrgenommenen Entwicklungsbedarfen<br />
bezogen auf Steuerungs- und Leistungsmängel oder problematische strukturelle<br />
oder kulturelle Merkmale konfrontierten.<br />
Anregung der Problemlösungskompetenz der Einrichtungen<br />
Ob ein vorhandener Mangel erfolgreich bearbeitet werden kann, hängt nicht zuletzt<br />
davon ab, wie klar und eindeutig beschrieben ist, aus welchen Gründen er vorhanden<br />
ist und wie konkret das Ziel benannt ist, zu dem man gelangen will. Zu fragen<br />
ist auch, wie man selbst dazu beigetragen hat, dass dieses Ziel bisher nicht erreicht<br />
wurde. In diesem Sinne regten die Organisationsberater/innen die Modellbeauftragten,<br />
teilweise aber auch die Leitungskräfte in den Einrichtungen dazu an, die hausspezifischen<br />
Entwicklungsziele so exakt wie möglich zu beschreiben und zu begründen,<br />
um dann die Umsetzungsschritte planen zu können. Auch die Frage danach, ob<br />
und wie sich das eigene Handeln verfestigend auf vorhandene Defizite auswirken<br />
könnte, wurde mit wichtigen Akteuren in den Einrichtungen mehrfach reflektiert.<br />
Beratung ist immer eine Dienstleistung auf Zeit, gerade auch im Rahmen eines klar<br />
befristeten Modellprojekts. Umso wichtiger ist es, durch die Technik des Fragens die<br />
Einrichtungen ihre eigenen Antworten finden zu lassen. Ratschläge können zwar<br />
dann und wann auch hilfreich sein, sind aber nicht immer der nachhaltigste Weg,<br />
ein Problem zu lösen.<br />
Einbringen der eigenen fachlichen Expertise<br />
Das Expertenwissen der Berater/innen bezog sich nicht auf pflegefachliche Fragen<br />
sondern auf Schwerpunkte des Organisationsmanagements. Dazu gehörten unterschiedliche<br />
Bereiche, wie etwa Fragen der Organisationsstruktur, des Qualitäts- und<br />
Projektmanagements, der Mitarbeiterführung und der Teamentwicklung.<br />
Förderung von Synergieeffekten<br />
Dem Prinzip der Ressourcenorientierung im systemischen Ansatz wurde auch<br />
dadurch Rechnung getragen, dass die Berater/innen bewusst den Austausch zwischen<br />
den Modellbeauftragten innerhalb der Regionalgruppe, aber auch darüber<br />
hinaus, förderten. Innovative Praxisaspekte und Problemlösungen einzelner Einrichtungen<br />
wurden seitens der Berater/innen nicht nur dort gewürdigt und verstärkt, sondern<br />
möglichst auch an andere Einrichtungen weitergegeben.<br />
Coaching und Supervision
Auf ausdrücklichen Wunsch der Beteiligten in unterschiedlichen Referenzeinrichtungen<br />
leistete die Organisationsberatung auch individuelle Beratung <strong>für</strong> die Ausübung<br />
der Leitungsrolle (Coaching) und eine Supervision von Teams. Anlass <strong>für</strong> diese Beratungsformen,<br />
die nur in Einzelfällen realisiert wurden, waren jeweils konkrete Probleme,<br />
Fragestellungen und Konflikte.<br />
Fortbildung und Mentoring <strong>für</strong> die Modellbeauftragten<br />
So unterschiedlich wie die Ausgangslage der Einrichtungen war auch die Kompetenz<br />
und Qualifikation der Modellbeauftragten <strong>für</strong> ihre anforderungsreiche Rolle. Die<br />
Organisationsberatung unterstützte sie wie erwähnt durch Angebote zur Rollenklärung<br />
und zentrale Fortbildungen. Dazu gehörten eintägige Seminare zu den<br />
Themen „Moderation“, „Präsentation“ „Projektmanagement“ und „Verhandlungsführung“<br />
sowie die Bearbeitung spezifischer Fragestellungen in zusätzlichen Regionalgruppensitzungen.<br />
Beides trug auch dazu bei, die wechselseitige Unterstützung<br />
der Modellbeauftragten anzuregen.<br />
Mit einigen der Modellbeauftragten wurden bestimmte Vorhaben, wie etwa die<br />
Moderation von projektbezogenen Arbeitsgruppen und Qualitätszirkeln oder schwierige<br />
Gespräche mit Leitungskräften, detailliert vorbereitet. Teilweise nahmen die<br />
Berater/innen auch an den jeweils ersten Sitzungen teil, um anschließend Stärken<br />
und Schwächen gemeinsam mit den Modellbeauftragten zu reflektieren.<br />
Die Bearbeitung jedes einzelnen Konzeptbausteins begann mit einer Soll-Ist-Analyse,<br />
bei der überprüft wurde, welche Anforderungen des jeweiligen Konzepts durch die<br />
Einrichtung bereits erfüllt wurden und welche noch nicht. Die konkreten einrichtungs-<br />
1.5 Schwerpunkte der Beratung<br />
bezogenen Ziele der Organisationsberatung ergaben sich <strong>zum</strong> einen aus den bei<br />
diesen Analysen festgestellten Lücken und Abweichungen und deren Ursachen, <strong>zum</strong><br />
anderen auch aus Hindernissen und Schwierigkeiten, die sich im weiteren Verlauf<br />
der Konzepterprobung und -umsetzung zeigten. Im Rückblick lässt sich feststellen,<br />
dass sich die Beratung in den Referenzeinrichtungen vor allem auf die folgenden<br />
Schwerpunkte bezogen hat:<br />
Gestaltung der organisatorischen Voraussetzungen <strong>für</strong> die Umsetzung der Modellziele<br />
durch die Strategien und das Instrumentarium des Projektmanagements,<br />
Qualifizierung der Modellbeauftragten <strong>für</strong> ihre Funktion und ihre Aufgaben,<br />
Sicherung der Beteiligung der Fachkräfte in den Referenzeinrichtungen an der<br />
Konzepterprobung und -umsetzung,<br />
Optimierung der Aufbau- und Ablauforganisation in einzelnen Einrichtungen zur<br />
angemessenen, eindeutigen und transparenten Klärung von Zuständigkeiten und<br />
Verantwortlichkeiten, zur Steigerung von Effizienz bei Arbeitsabläufen sowie zur<br />
Verbesserung des internen Schnittstellenmanagements (Pflege, Soziale Dienste,<br />
Hauswirtschaft),<br />
Sicherung einer nachhaltigen Konzeptumsetzung im Rahmen eines verbindlichen<br />
Qualitätsmanagements,<br />
Verbesserung der Strategien zur Personalentwicklung,<br />
Verbesserung der Vorgehensweisen zur Leistungssteuerung und Mitarbeiterführung.<br />
141
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
2. Die Organisationsentwicklung in den Einrichtungen<br />
2.1 Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation: Zielangemessenheit, Eindeutigkeit<br />
und Transparenz<br />
142 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die Aufbau- und Ablauforganisation ist gewissermaßen das Gerüst, das den Leistungskräften,<br />
den Mitarbeitern und Bewohner/innen im Alltag Halt geben und planvolles,<br />
zielgerichtetes Handeln auf Dauer sichern soll. Grundsätzlich kann dies nur<br />
eine struktureller Rahmen, der die Kriterien der Zielangemessenheit, der Eindeutigkeit<br />
und der Transparenz erfüllt.<br />
Zielangemessen sind Aufbau- und Ablaufregelungen dann, wenn sich die Logik, mit<br />
der Arbeitsbereiche definiert und Koordination und Kommunikation festgelegt werden,<br />
an den zentralen Zielsetzungen einer Altenpflegeeinrichtung orientiert. Wenn<br />
beispielsweise zu diesen Zielen gehört, dass die Bewohner/innen eine bedarfsgerechte<br />
psychosoziale Betreuung erfahren sollen, kann sich dies <strong>zum</strong> einen im Vorhandensein<br />
eines Sozialen Dienstes, darüber hinaus aber auch in Regeln zur Art der<br />
Arbeitsteilung und zur notwendigen Abstimmung zwischen Pflegekräften und Sozialem<br />
Dienst spiegeln. Es ist dann nicht allein dem Engagement und der individuellen<br />
Entscheidung einzelner Fachkräfte überlassen, ob und in welchem Umfang von beiden<br />
Bereichen Leistungen der psychosozialen Begleitung erbracht und miteinander<br />
vernetzt werden.<br />
Eindeutigkeit und Transparenz sind dann vorhanden, wenn die Regelungen unmissverständlich<br />
schriftlich fixiert, allen Beschäftigten bekannt und jederzeit mühelos auffindbar<br />
und nachzulesen sind.<br />
Die Bestandsaufnahmen zu den Konzeptbausteinen haben viele der Referenzeinrichtungen<br />
auf Schwächen der vorhandenen Aufbau- und Ablauforganisation aufmerksam<br />
gemacht und oftmals dazu geführt, die vorhandenen Strukturen und Regelungen<br />
im Sinne der gerade skizzierten Gütekriterien zu optimieren. Deshalb wollen wir in<br />
den folgenden Abschnitten darstellen,<br />
welche strukturbezogenen Innovationsanforderungen mit einzelnen Modellbausteinen<br />
verbunden sind.<br />
auf welche typischen Ausgangsbedingungen in Referenzeinrichtungen diese<br />
Anforderungen trafen,<br />
auf welche Weise die aufbau- und ablauforganisatorischen Festlegungen verändert<br />
und Schwierigkeiten im Umsetzungsprozess erfolgreich bearbeitet werden<br />
konnten.<br />
So bedeutsam eine angemessene, eindeutige und transparente Aufbau- und Ablauforganisation<br />
als Weichenstellung ist, so ist doch festzuhalten, dass sie gute Arbeit im<br />
Alltag zwar unterstützt, aber nicht automatisch hervorruft. Die in nachfolgenden<br />
Abschnitten dargestellten Lösungswege konnten ihre produktive Wirkung in den Referenzeinrichtungen<br />
deshalb entfalten, weil sie von weiteren Maßnahmen – etwa der<br />
Personalentwicklung, der Mitarbeiterführung oder der systematischen Leistungssteuerung<br />
– begleitet wurden. Auf diese Aspekte werden wir in nachfolgenden Kapiteln<br />
dieses Handbuches ausführlich eingehen.
2.2 Die „Zuständige Pflegefachkraft“ als Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Pflegeorganisation<br />
Die Empfehlungen zur Zuständigen Pflegefachkraft (ZPFK) skizzieren eine Organisationsform<br />
der stationären Altenpflege, bei der einzelne examinierte Pflegefachkräfte<br />
jeweils umfassende Planungs- und Steuerungsvorantwortung <strong>für</strong> die Pflege bestimmter<br />
Bewohner/innen übernehmen. Die folgenden Inhalte des Konzeptpapiers sind<br />
von besonderer Relevanz <strong>für</strong> die Aufbau- und Ablauforganisation:<br />
Die Zuständige Pflegefachkraft<br />
„ist verantwortlich <strong>für</strong> die zielgerichtete, planvolle Gestaltung des individuellen<br />
Pflegeprozesses“ 49 , d. h. sie erstellt die bedarfsangemessene Pflegeplanungen <strong>für</strong><br />
„ihre“ Bewohner/innen, übernimmt selbst entsprechende pflegerischer Aufgaben<br />
und stellt sicher, dass die Pflegeleistungen jederzeit mit der beschriebenen Qualität<br />
erbracht werden,<br />
koordiniert alle „Personen und Stellen bzw. Institutionen, die in die Versorgung<br />
und Unterstützung des jeweiligen Bewohners mit einbezogen sind“ 50 ,<br />
soll durch Entlastung von anderen – insbesondere bewohnerfernen aber auch pflegerischen<br />
Tätigkeiten – entlastet werden, um über ausreichend Zeit <strong>für</strong> den erhöhten<br />
Planungs-, Steuerungs- und Koordinationsaufwand zu verfügen,<br />
soll bei Abwesenheit so vertreten werden, dass die Kontinuität der Aufgabenwahrnehmung<br />
gewährleistet ist,<br />
soll bei vollständiger Wahrnehmung aller Aufgaben und Verantwortlichkeiten<br />
unter den gegebenen personellen Bedingungen <strong>für</strong> maximal etwa zehn Bewohner/innen<br />
zuständig sein.<br />
Auch die Rahmenkonzepte <strong>zum</strong> Heimeinzug, zur Kooperation mit Angehörigen, zur<br />
Zusammenarbeit mit Ärzten, zur Überleitung bei Krankenhausaufenthalten und zur<br />
Sterbebegleitung fordern die eindeutige Zuordnung eines jeden Bewohners zu einem<br />
„Hauptansprechpartner“. Idealerweise sollte dies die Zuständige Pflegefachkraft<br />
sein. Damit ergeben sich weitere inhaltliche Aufgaben, die mit den jeweiligen Prozessen<br />
verbunden sind. (Zu weiteren Einzelheiten und zur konzeptionellen Begründung<br />
des Konzeptbausteins zur Zuständigen Pflegefachkraft vgl. Teil A des Praxisleitfadens.)<br />
2.2.1 Vorhandene Probleme der Bezugspflegepraxis<br />
Obwohl der Konzeptbaustein zur Zuständigen Pflegefachkraft empfehlenden Charakter<br />
hatte, wurde in allen Referenzeinrichtungen dazu gearbeitet. Auch wenn nicht<br />
alle Elemente des Konzeptbausteins in allen Einrichtungen umgesetzt wurden, so<br />
haben doch kritische Bestandsaufnahmen der vorhandenen Praxis stattgefunden, die<br />
zu deutlichen Verbesserungen geführt haben.<br />
Viele der Referenzeinrichtungen gaben zu Beginn der Modelllaufzeit an, nach dem<br />
Bezugspflegesystem zu arbeiten, das – <strong>zum</strong>indest in einigen Veröffentlichungen –<br />
viele Übereinstimmungen mit dem Konzept der Zuständigen Pflegefachkraft aufweist.<br />
Die durch das Konzept initiierten genaueren Analysen relativierten diese Aussagen<br />
jedoch. In der Praxis zeigte sich, dass der Begriff „Bezugspflege“ uneindeutig ist und<br />
offensichtlich Unterschiedliches darunter verstanden wird.<br />
In vielen Referenzeinrichtungen war der Pflegealltag eher geprägt durch eine<br />
Mischung von Bereichs- und Bezugspflege, d. h. bei Krankheitsausfällen von Bezugspflegefachkräften<br />
oder anderen besonderen Vorkommnissen war das System außer<br />
Kraft gesetzt, manchmal zeitlich über diesen auslösenden Anlass hinaus.<br />
49 Vgl. „<strong>Referenzmodell</strong>e: Praxisleitfaden zur Qualitätsentwicklung in vollstationären Pflegeeinrichtungen“<br />
50 ebd.<br />
143
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
144 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Vertretungsregelungen waren, wenn überhaupt vorhanden, unzureichend. Zuständigkeiten<br />
der Bezugspflegefachkräfte konzentrierten sich vor allem auf die Pflegeplanung<br />
und auf Kurzberichte zu „ihren“ Bewohner/innen in Übergabesituationen.<br />
Nicht immer ging damit auch die Verantwortung <strong>für</strong> die regelmäßige Evaluation und<br />
Anpassung der Planung einher. In Einzelfällen – dort, wo es zu Beginn des Projektes<br />
keinen Bezugspflegeansatz gab, – oblag die Pflegeplanung ausschließlich den<br />
Wohnbereichsleitungen.<br />
Meist war den Bezugspflegefachkräften keine Koordinations- und Steuerungsverantwortung<br />
zugeordnet. Diese oblag vielmehr den Wohnbereichs- bzw. Pflegedienstleitungen.<br />
Definierte Zeiträume <strong>für</strong> den Steuerungs- und Koordinationsaufwand gab es nicht.<br />
2.2.2 Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation im Sinne der<br />
Zuständigen Pflegefachkraft – Beispielhafte Lösungswege<br />
Soll-Ist-Analyse und konzeptioneller Diskurs zur Zielklärung und Zielverständigung<br />
Wenn eingangs gesagt wurde, dass die Aufbau- und Ablauforganisation zielangemessen<br />
sein soll, so ergibt sich daraus, dass die grundlegenden Ziele von strukturellen<br />
(und anderen) Veränderungen geklärt, definiert und kommuniziert sein müssen.<br />
Einzelne Referenzeinrichtungen, in denen die Organisation der Pflege auf der Grundlage<br />
des Konzeptbausteins der Zuständigen Pflegefachkraft verändert wurde, haben<br />
zunächst einen konzeptionellen Diskurs initiiert, um zu besprechen, warum das bestehende<br />
System verändert werden und was dadurch erreicht werden soll. Aus Sicht der<br />
Organisationsberatung war ein solches Vorgehen nicht nur sinnvoll, sondern auch<br />
notwendig. Eine vorhandene Alltagspraxis, wie auch immer sie gestaltet ist, wird von<br />
den Beschäftigten automatisch mit Sinn unterlegt und gerechtfertigt. Angestrebte Veränderungen<br />
entwerten gewissermaßen diese Sinnkonstruktionen und können deshalb<br />
leicht Widerstand produzieren. Die diskursive Zielverständigung konnte solchen<br />
Reaktionen vorbeugen. Nur auf ein bestehendes aber schon vor langer Zeit formuliertes<br />
Leitbild zu verweisen, reichte ebenso wenig aus wie eine Anordnung ohne<br />
Begründung.<br />
Beispielhaft erscheint eine Zielverständigung, die in den Referenzeinrichtungen in<br />
mehreren Schritten erfolgte. Zunächst haben sich Träger, Einrichtungsleitung und Pflegedienstleitung<br />
über die angestrebten Optimierungen und deren Zielsetzung und<br />
Begründung ausgetauscht, und verständigt. Im zweiten Schritt wurden die Wohnbereichsleitungen<br />
ins Boot geholt. Dies war besonders wichtig, weil das Konzept der<br />
Zuständigen Pflegefachkraft – wie sich in mehreren Referenzeinrichtungen zeigte –<br />
Verantwortlichkeiten und Kompetenzen von der Ebene der Wohnbereichsleitung auf<br />
die Ebene der Pflegefachkräfte verlagert. Genutzt wurden <strong>für</strong> die Verständigung mit<br />
den Wohnbereichsleitungen die üblichen regelmäßigen Sitzungen zwischen Wohnbereichs-<br />
und Pflegedienstleitung. Im dritten Schritt schließlich wurden die examinierten<br />
und nichtexaminierten Pflegekräfte auf ihr verändertes Aufgabenprofil und die<br />
veränderte Verantwortung eingestimmt. Dies geschah im Rahmen von Dienstbesprechungen,<br />
an denen die Pflegedienstleitung und teilweise auch die Einrichtungsleitung<br />
teilnahm.<br />
Zum Einen dienten diese Verständigungsprozesse dazu, die konzeptionelle Begründung<br />
<strong>für</strong> das Konzept der Zuständigen Pflegefachkraft zu verdeutlichen und gemeinsam<br />
zu konkretisieren („Warum hat es <strong>für</strong> unser Haus Sinn? Was genau wollen wir<br />
dadurch erreichen?“). Zum Anderen ermöglichten sie es den Leitungskräften der<br />
unterschiedlichen Ebenen, die bisher geleistete Arbeit ausdrücklich wertzuschätzen,<br />
den Mitarbeiter/innen Gelegenheit zu geben, Be<strong>für</strong>chtungen und Bedenken einzubringen,<br />
gemeinsam Lösungen da<strong>für</strong> zu skizzieren und ein deutliches Unterstützungsangebot<br />
zu formulieren.
Bereichsbezogene Analyse der vorhandenen Personal- und Bewohnerstruktur und der<br />
Arbeitsorganisation<br />
Um an Flexibilität zu gewinnen, beschäftigen viele Altenpflegeeinrichtungen eine<br />
beachtliche Zahl der Pflege(fach)kräfte in Teilzeit. In den Referenzeinrichtungen war<br />
es deshalb kaum möglich, nur solchen Fachkräften die Funktionen der Zuständigen<br />
Pflegefachkraft zuzuordnen, die Vollzeit beschäftigt waren. Mindestens mittelfristig<br />
mussten bei der Umsetzung des Konzepts auch solche examinierten Kräfte die Funktionen<br />
der Zuständigen Pflegefachkraft übernehmen, die mit einem deutlich geringeren<br />
Zeitanteil beschäftigt waren. Hier handelte es sich um eine Abweichung von den<br />
Konzeptvorgaben, die auch aus Sicht der Organisationsberatung vertretbar war.<br />
Dies bedeutete, dass hinsichtlich der Unterstützungskontinuität, die unter anderem<br />
durch die Zuständige Pflegefachkraft erreicht werden sollte, zwangsläufig größere<br />
Lücken in Kauf genommen werden mussten.<br />
Um gleichwohl die bestmögliche Konstruktion zu finden und um Informationen <strong>für</strong><br />
eine zukunftsweisende Organisationsgestaltung zu erhalten, war es in mehreren Einrichtungen<br />
notwendig, die Personalstruktur, die Arbeitsorganisation und die Bewohnerstruktur<br />
wohnbereichsbezogen genau zu betrachten und miteinander zu vergleichen.<br />
Die erkenntnisleitenden Fragestellungen in einer solchen Analyse waren:<br />
Ist die Verteilung des vorhandenen Stellenkontingents auf die beschäftigten Personen<br />
so optimal wie möglich? Können wir daran – möglichst im Einverständnis mit<br />
Betroffenen – etwas verbessern?<br />
Dies hat in einzelnen Einrichtungen dazu geführt, dass mit Einverständnis der<br />
jeweils Betroffenen deren Beschäftigungsumfang verändert werden konnte.<br />
Wie verteilen sich die Dienstzeiten der examinierten Fachkräfte? Lässt sich die<br />
Betreuungskontinuität verbessern, indem wir ihre Dienstzeiten stärker ausdifferenzieren?<br />
(vgl. auch den weiter unten folgenden Abschnitt „Anpassung der Dienstzeiten“)<br />
Gibt es – bezogen auf Wohnbereiche aber auch auf einzelne Fachkräfte – signifikante<br />
Unterschiede in der Leistungsdokumentation, die sich insbesondere auch<br />
an Ergebnissen von Höherstufungsanträgen bemerkbar machen? Falls ja, hatte<br />
dies Auswirkungen auf das verfügbare Personalkontingent. Nur eine regelmäßige<br />
Evaluation der Pflegeplanung und eine vollständige und aussagefähige Dokumentation<br />
der erbrachten Leistungen konnte sichern, dass die Einstufung von Bewohnern/innen<br />
dem zu leistenden Pflegeaufwand entsprach. Entdeckte man<br />
Schwächen in diesem Punkt, konnte durch geeignete Maßnahmen (z.B. Nachschulungen,<br />
Zielvereinbarungen, Kritikgespräche) gegengesteuert werden.<br />
Dieser Frage sind einige Referenzeinrichtungen besonders im Zusammenhang mit<br />
den Empfehlungen zur Pflegedokumentation nachgegangen. In den Einrichtungen,<br />
in denen besonders intensiv an einer Optimierung der Pflegeplanung und<br />
-dokumentation gearbeitet wurde, wurde deutlich, dass die Pflegeplanung <strong>für</strong><br />
einige Bewohner/innen zu verändern war und die – teilweise bereits seit einiger<br />
Zeit schon erbrachten – Leistungen besser zu dokumentieren waren. Dadurch<br />
wurde dann ein höherer Pflegeaufwand sichtbar und damit auch die Notwendigkeit,<br />
eine höhere Pflegestufe zu beantragen. Faktisch wurde diesen Anträgen in<br />
jedem Fall entsprochen.<br />
Ist das Kompetenz- und Leistungsniveau der Wohnbereichsteams ähnlich oder gibt<br />
es deutliche Unterschiede? Könnte eine andere Verteilung der examinierten Fachkräfte<br />
auf die Wohnbereiche günstig sein? Diese zweite Frage wurde seltener diskutiert<br />
als die erste, weil man bei Eingriffen in Teams unbedingt Vorsicht walten<br />
lassen wollte. Wenn Umbesetzungen gegen den ausdrücklichen Wunsch der<br />
Beschäftigten erfolgen, können sie zur Demotivation bisher funktionierender<br />
Teams führen und sind kontraproduktiv.<br />
145
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
146 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
So wurde in einer Einrichtung eine Umverteilung der Beschäftigten vorgenommen,<br />
weil gleichzeitig Teams zusammengefasst und Leitungskräfte neu zugeordnet wurden.<br />
Auf diese Weise geriet das ganze System in Bewegung und musste sich neu<br />
orientieren. Spezifische Benachteiligungen oder Bevorzugungen konnten vermieden<br />
werden. In einem anderen Fall kam eine Umsetzung durch das Einverständnis<br />
aller Beteiligten zu Stande und war geprägt von dem Bemühen, eine bessere<br />
Verteilung von Pflegefachkräften mit ausreichendem Beschäftigungsumfang in den<br />
vorhandenen Wohnbereichen zu erzielen.<br />
Gibt es Unterschiede zwischen den Wohnbereichen in Bezug auf die Anzahl der<br />
Mehrarbeitsstunden? Wenn ja, könnte dies ein Hinweis auf Unterschiede in der<br />
Effizienz der Arbeitsorganisation sein und einen Ansatz <strong>für</strong> mögliche Verbesserungen<br />
liefern. Dabei ist jedoch zu beachten, dass solche Unterschiede auch anders,<br />
etwa in langfristigen Krankheitsausfällen von Fachkräften, begründet sein können.<br />
Diese Fragestellung tauchte in einer Referenzeinrichtung gegen Ende der Modelllaufzeit<br />
auf. Es wurden weiter gehende Analysen vereinbart, die jedoch <strong>zum</strong> Zeitpunkt<br />
der Berichtslegung noch nicht abgeschlossen waren.<br />
Zeit- und Ressourcengewinn durch qualifikationsorientierte Arbeitsteilung<br />
Hilfreich <strong>für</strong> die Umsetzung des Konzeptes der Zuständigen Pflegefachkraft war in<br />
mehreren Referenzeinrichtungen, dass die Konzeptempfehlungen zu den mittelbar<br />
bewohnerbezogenen Leistungen mit den darin enthaltenen Hinweisen zu einer qualifikationsorientierten<br />
Arbeitsteilung gleichzeitig umgesetzt wurden. Die Bestandsaufnahme<br />
zu diesem Konzeptbaustein zeigte auf, dass die qualifikationsorientierte<br />
Arbeitsteilung durchaus verbesserungsbedürftig war. In nicht geringem Umfang wurden<br />
Arbeiten, <strong>für</strong> deren Ausführung keine besondere Qualifikation erforderlich war,<br />
von Pflege(fach)kräften ausgeführt. Obwohl etwa in allen Referenzeinrichtungen<br />
hauswirtschaftliche Servicekräfte in den Wohnbereichen tätig waren, übernahmen<br />
Pflegefachkräfte nicht selten den Transport von Essenswagen und -tabletts (bei der<br />
Weitläufigkeit mancher Häuser eine zeitraubende Angelegenheit) oder Tätigkeiten<br />
der Wäscheversorgung oder Reinigung. Reibungsverluste tauchten vereinzelt auch<br />
dadurch auf, dass die hauswirtschaftlichen Kräfte der Küchen- oder Hauswirtschaftsleitung<br />
unterstellt waren und unklar war, ob sie Anweisungen zur Aufgabenerfüllung<br />
von Seiten der Wohnbereichsleitung zu befolgen hatten.<br />
In den mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen ist eindeutig ausgeführt, welche<br />
Aufgaben und Tätigkeiten nur von ausgewiesenen Fachkräften (überwiegend Pflegefachkräfte,<br />
teilweise aber auch Fachkräfte des Sozialen Dienstes) übernommen werden<br />
sollten, und welche auch von „Nicht-Fachkräften“ geleistet werden können 51 .<br />
Möglichkeiten der Steuerung ergaben sich auch in Bezug auf die Tätigkeiten, die<br />
sowohl von Fachkräften wie auch von Nicht-Fachkräften ausgeübt werden können.<br />
Auch hier konnten Einrichtungen durch genaue Prüfung der eigenen Praxis im Alltag<br />
Zuordnungen vornehmen, die einen Zeitgewinn bewirkten.<br />
Ohne genau zu wissen, an welchen Punkten und unter welchen Bedingungen im Alltag<br />
Effizienz mindernde Reibungsverluste auftauchen, ist eine Gegensteuerung kaum<br />
möglich. Passgenaue Lösungen <strong>für</strong> solche Probleme konnten in den Referenzeinrichtungen<br />
dadurch gefunden werden, dass sich Qualitätszirkel, die bereichsübergreifend<br />
besetzt waren, mit der Ist-Analyse und der Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen<br />
befasst haben. Dazu gehörte u.a. auch die Klärung der Weisungsbefugnisse<br />
von Wohnbereichsleitungen gegenüber den Hilfskräften aus anderen<br />
Bereichen: sind diese nicht im Sinne einer angestrebten Multiprofessionalität sowieso<br />
Mitglieder der Wohnbereichsteams, so unterstehen sie während ihrer Anwesenheit<br />
auf den Wohnbereichen der Wohnbereichsleitung.<br />
51 Zu diesen Nicht-Fachkräften zählt das Konzept z.B. Krankenpflegehelfer/innen, Pflegehelfer/innen, Zivildienstleistende und Praktikanten/innen.
Die Bearbeitung des Konzeptbausteins der mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen<br />
hat in einigen Einrichtungen dazu beigetragen, die Zuständige Pflegefachkraft von<br />
Hilfstätigkeiten zu entlasten und so Zeitkontingente <strong>für</strong> das veränderte Aufgabenprofil<br />
zu schaffen.<br />
Kompetenzanforderungen an die Zuständige Pflegefachkraft<br />
Neben der Qualifikation als Pflegefachkraft braucht die Zuständige Pflegefachkraft<br />
auch die Kompetenz <strong>für</strong> Steuerungs- und Koordinationsaufgaben.<br />
In den Referenzeinrichtungen waren nicht alle examinierten Fachkräfte den veränderten<br />
Anforderungen bei der Einführung der Zuständigen Pflegefachkraft bzw. der<br />
Erweiterung des vorhandenen Bezugspflegesystems gewachsen. Deshalb wurden in<br />
mehreren Referenzeinrichtungen die examinierten Pflegekräfte praxisnah unterstützt.<br />
Diese Begleitung geschah nicht nur durch kompakte Fortbildungen <strong>für</strong> kleine Gruppen,<br />
sondern durchaus auch durch Einzelschulungen und kontinuierlich über mehrere<br />
Wochen. Teilweise haben die Modellbeauftragten diese Qualifizierungen übernommen.<br />
Aber selbst wenn diese Aufgabe durch interne Qualitätsbeauftragte, Wohnbereichs-<br />
oder Pflegedienstleiter/innen übernommen wurde, so ist doch festzuhalten,<br />
dass die besonderen Modellbedingungen und die damit zur Verfügung stehenden<br />
erweiterten zeitlichen und personellen Ressourcen diesen Aufwand ermöglicht haben.<br />
Gleichwohl gab es in einzelnen Referenzeinrichtungen auch Pflegefachkräfte, bei<br />
denen trotz aller Qualifizierungsbemühungen kein Lernfortschritt erreicht werden<br />
konnte. Für die Berater/innen rückte dieses Problem die Frage nach systematischer<br />
Personalentwicklung ins Blickfeld, die in diesen Einrichtungen mit Modellbeauftragten<br />
und Leitungskräften thematisiert wurde.<br />
Bildung von „Pflegetandems“<br />
Einige der Referenzeinrichtungen haben die Bezugspflege bzw. das Konzept der Zuständigen<br />
Pflegefachkraft durch die Bildung von Pflegeteams umgesetzt: einer Pflegefachkraft<br />
und einer nichtexaminierte Pflegekraft waren oder wurden im Verlauf des Modells eine<br />
bestimmte Anzahl von Bewohner/innen zugeordnet. Selbstverständlich war die Funktion<br />
der Zuständigen Pflegefachkraft der examinierten Kraft vorbehalten. Trotzdem konnten<br />
solche Tandems die Kontinuität der Unterstützung in höherem Maße sichern als die Organisation<br />
der Pflege auf einzelne Zuständige Pflegefachkräfte. Außerdem konnten auf diese<br />
Weise Kompetenzen besser vernetzt werden.<br />
Anpassung der Stellenbeschreibungen/Tätigkeitsprofile<br />
Die oben skizzierte Ausgangssituation, auf die das Konzept der Zuständigen Pflegefachkraft<br />
in den Referenzeinrichtungen traf, deutet es schon an: obwohl in der<br />
großen Mehrheit der 20 Einrichtungen nach dem Bezugspflegesystem gearbeitet<br />
wurde, waren in einigen Einrichtungen Anpassungen der Stellenbeschreibungen<br />
bzw. der Tätigkeitsprofile erforderlich. Das Konzeptpapier mit seiner detaillierten<br />
Beschreibung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten bot da<strong>für</strong> eine gute Grundlage.<br />
Inhaltlich bezogen sich die vorgenommen Anpassungen insbesondere auf die Steuerungs-<br />
und Koordinierungsleistungen, die von der Zuständigen Pflegefachkraft zu<br />
erbringen sind und auf die Funktion, als solche auch als „Hauptansprechpartner/in“<br />
im Zusammenhang mit den Rahmenkonzepten zu fungieren. Die oben bereits<br />
erwähnte genauere Analyse der jeweils gegebenen Ausgangslage hat dazu verholfen,<br />
auch die Zeitkorridore aufzufinden, in denen diese Leistungen erbracht werden<br />
konnten.<br />
Mit der Anpassung der Stellenbeschreibung bzw. Tätigkeitsprofile war verbunden, dass<br />
die Vertretungsfrage geregelt wurde: so wurden etwa alle Zuständigen Pflegefachkräfte<br />
eines Wohnbereichs in ein System wechselseitiger Vertretung eingebunden.<br />
147
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
148 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
die hierarchische Positionierung der examinierten Zuständigen Pflegefachkräfte<br />
und der nicht examinierten Pflege- und Hilfskräfte zueinander geregelt wurde: die<br />
Steuerungs- und Koordinierungsverantwortung schloss in gewissem Maße auch<br />
Weisungsbefugnisse der Zuständigen Pflegefachkraft und deren direkte Kommunikation<br />
mit Mitarbeitern anderer Dienstbereiche (Sozialer Dienst, Küche, Hauswirtschaft,<br />
Haustechnik) ein. Soweit von solchen Diensten auch unmittelbar bewohnerbezogene<br />
Leistungen erbracht wurden, gehörten diese ebenfalls in die Steuerungsverantwortung<br />
der Zuständigen Pflegefachkraft.<br />
In einzelnen Einrichtungen wurden parallel auch die Tätigkeitsprofile der Wohnbereichsleitungen<br />
entsprechend optimiert. Dazu wurde beispielsweise eine tabellarische<br />
Übersicht erstellt, bei der in zwei Spalten die Aufgaben, Befugnisse und Verantwortlichkeiten<br />
der Wohnbereichsleitung und der Zuständigen Pflegefachkraft einander<br />
gegenübergestellt wurden. Auf diese Weise ließ sich gut verdeutlichen, dass die<br />
Zuständige Pflegefachkraft die Wohnbereichsleitung nicht überflüssig macht. Vorgebeugt<br />
wurde damit auch der Gefahr, dass sich Wohnbereichsleitungen durch die<br />
Umsetzung des Konzeptbausteins entwertet fühlen könnten.<br />
Anpassung der Dienstzeiten<br />
Auch eine vollzeitbeschäftigte Zuständige Pflegefachkraft kann nicht rund um die Uhr<br />
tätig sein. Um ihrer Funktion als Hauptansprechpartnerin und als „Navigatorin des<br />
Pflegeprozesses“ gerecht werden zu können, ist es günstig, wenn sie die ihr zugeordneten<br />
Bewohner/innen zu unterschiedlichen Tageszeiten und auch am Wochenende<br />
erlebt.<br />
In einigen Häusern gab es examinierte Kräfte, die nur oder schwerpunktmäßig in<br />
bestimmte Schichten – z.B. im Frühdienst oder nur in Ausnahmefällen an Wochenenden<br />
– tätig waren. Die Mehrzahl der Häuser beschäftigte Mitarbeiter/innen, die ausschließlich<br />
die Nachtdienste übernahmen.<br />
Bei der Umsetzung des Konzepts der Zuständigen Pflegefachkraft haben einige der<br />
Einrichtungen solche Merkmale der Arbeitsorganisation verändert, wobei die<br />
Gründe <strong>für</strong> Veränderungen manchmal nicht oder nicht nur in den Innovationsanforderungen<br />
des Modellprojekts zu verorten waren. In einigen Häusern fügten sich<br />
diese Anforderungen passgenau in Planungen auf der Trägerebene oder unabhängig<br />
vom Referenzprojekt begonnene Entwicklungsprozesse ein.<br />
Ziel der veränderten Dienstplangestaltung war es, ausreichend flexible Dienstzeiten<br />
<strong>für</strong> die Zuständigen Pflegefachkräfte bzw. Pflegetandems festzulegen. Dazu gehörte<br />
<strong>zum</strong> Einen die Festlegung, dass die Pflege(fach)kräfte in Zukunft sowohl Früh- als auch<br />
Spätdienste zu übernehmen hatten. Einzelne Einrichtungen begannen im Projektverlauf<br />
damit, den reinen Nachtdienst abzubauen und alle Pflege(fach)kräfte in allen<br />
Schichten einzusetzen (Dreischichtsystem oder 24-Stunden-Pflege). Zum Anderen<br />
wurde in einzelnen Einrichtungen auch über den Beschäftigungsumfang der Zuständigen<br />
Pflegefachkräfte verhandelt, um allzu geringe Teilzeitstellen zu erweitern.<br />
Möglich war dies nach intensiven Gesprächen mit den Beschäftigten, in denen die<br />
Einrichtungs- und Pflegedienstleitung die Veränderung begründet und um deren Einverständnis<br />
geworben haben. Unverzichtbar war dabei, mindestens vorübergehend<br />
individuelle Lösungen <strong>für</strong> Mitarbeiter/innen in besonderen Lebensumständen zu finden.<br />
Auf diese Weise wurde der Gefahr begegnet, die Pflege(fach)kräfte zu demotivieren<br />
und in ihnen den Eindruck zu erwecken, Verlierer der Entwicklung zu sein.<br />
Verdeutlichung der Zuordnung gegenüber Bewohner/-innen und Angehörigen<br />
Für Angehörige oder interne und externe Kooperationspartner und manchmal auch<br />
<strong>für</strong> die einzelnen Bewohner/-innen war in den Referenzeinrichtungen eine Bezugspflege<br />
nicht immer erkennbar. Da bestimmte Tätigkeiten, wie die der Pflegeplanung<br />
oder die Information von Kollegen in der Übergabe von diesen Personen nicht wahr-
genommen wurden, musste es aus ihrer Perspektive so scheinen, als seien viele<br />
Pflege(fach)kräfte – nämlich immer die im Dienst befindlichen – zuständig. Hinzu<br />
kam, dass bei komplizierten Fragen, Problemen oder Beschwerden in vielen Fällen<br />
an die Wohnbereichs- oder Pflegedienstleitung verwiesen wurde bzw. verwiesen<br />
werden musste.<br />
Wo dies nicht schon vor Projektbeginn selbstverständlich war, wurde in einigen Referenzeinrichtungen<br />
eindeutig festgelegt, dass sich die Zuständige Pflegefachkraft<br />
gegenüber „ihren“ Bewohnern/innen, deren Angehörigen und allen wichtigen internen<br />
und externen Kooperationspartner auch als solche zu präsentieren hatte. Darüber<br />
hinaus wurde da<strong>für</strong> gesorgt, dass sich der Name der Zuständigen Pflegefachkraft<br />
auf allen Schriftstücken befand, die <strong>zum</strong> jeweils einzelnen Bewohner weitergegeben<br />
wurden, z.B. wurde eine angehängte Visitenkarte dem Informationsmaterial <strong>für</strong><br />
Angehörige neuer Bewohner/innen beigefügt. Natürlich wurde der Name der<br />
Zuständigen Pflegefachkraft auch auf dem Überleitungsbogen bei Krankenhausaufenthalten<br />
vermerkt.<br />
Einige Häuser haben außen neben der Zimmertür der Bewohner/innen oder innen an<br />
einer Zimmerwand Schilder mit den Namen der Bezugspflegekräfte angebracht. Solche<br />
Maßnahmen mögen verglichen mit anderen banal wirken, sie beinhalteten aber<br />
eine nicht zu unterschätzende heimliche Botschaft. Für Bewohner/innen und<br />
Angehörige sagten sie: in dieser Einrichtung gibt es jemanden, der sich besonders<br />
intensiv kümmern wird, der bei Problemen und Fragen angesprochen werden kann.<br />
Nach innen, gegenüber den Pflege(fach)kräften und allen anderen Beschäftigten steckt<br />
darin die Aussage: wir meinen es ernst mit der Zuordnung der Verantwortlichkeiten.<br />
2.2.3 Probleme im Umsetzungsprozess und wie sie bewältigt wurden<br />
Je nach Ausgangslage in den Referenzeinrichtungen hat das Konzept der Zuständigen<br />
Pflegefachkraft gravierend nicht nur in die vorhandene Arbeitsorganisation, sondern<br />
auch in das vorhandene berufliche Selbstverständnis der Pflegekräfte eingegriffen und<br />
deren Selbstwertgefühl tangiert. Entsprechend hoch war in manchen Fällen die Verunsicherung<br />
und entsprechend heftig ein daraus resultierender Widerstand. Auch kam<br />
es manchmal durch Veränderungen der Positionierung und der Arbeitsteilung zu Reibungen<br />
zwischen examinierten und nicht examinierten Pflegekräften. Auch wenn es<br />
zur Verhinderung solcher Schwierigkeiten keine Patentrezepte gibt, so lassen sich<br />
doch aus den Erfahrungen der Referenzeinrichtungen bestimmte Faktoren benennen,<br />
die Unruhe und Unmut dämpften und eine erfolgreiche Umsetzung beförderten.<br />
Von wesentlicher Bedeutung war in den Referenzeinrichtungen die Beteiligung der<br />
Mitarbeiter/innen an der Ausgestaltung der neuen Arbeitsorganisation. Die Einbindung<br />
der Pflegekräfte bei der Formulierung des Anforderungsprofils der<br />
Zuständigen Pflegefachkraft, bei der Bildung der Bewohnergruppen sowie bei der<br />
Gestaltung der Arbeitsteilung zwischen examinierten und nicht examinierten Kräften<br />
hat die Akzeptanz des Konzepts deutlich befördert.<br />
Um den Be<strong>für</strong>chtungen von Fachkräften, den veränderten Aufgaben nicht gewachsen<br />
zu sein, entgegenzuwirken, haben Leitungskräfte in Referenzeinrichtungen<br />
da<strong>für</strong> gesorgt, dass Unsicherheiten oder Fehler ohne Angst vor Sanktionen eingestanden<br />
werden konnten. Statt mit kritischen Bewertungen oder Rügen zu regieren,<br />
wurde in solchen Fällen überlegt, wie unterstützt bzw. der Fehler zukünftig<br />
vermieden werden könnte.<br />
Bei grundlegenden Veränderungen der Anforderungen benötigen Mitarbeiter/innen<br />
Zeit, diese zu verinnerlichen. Deshalb war es eine empfehlenswerte<br />
Strategie, eine Zeitphase der Erprobung und des Hineinwachsens festzulegen,<br />
in der die konkreten Erfahrungen häufig besprochen und ausgewertet wurden.<br />
Die Erprobungszeit ist durch die Leitungskräfte eng begleitet worden, d. h.<br />
die Wohnbereichsleitungen mussten aufmerksam beobachten, wie die Fachkräfte<br />
mit den Veränderungen zu Recht kommen und deren Erfahrungen in Einzel- und<br />
Teamgesprächen immer wieder erfragen. Der Stand der Erprobung war während<br />
149
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
150 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
dieser Zeit regelmäßiger Tagesordnungspunkt bei Besprechungen zwischen Pflegedienst-<br />
und Wohnbereichsleitung. Zusätzlich wurden die Erfahrungen in<br />
gemeinsamen Sitzungen von WBL, PDL und Pflegeteam ausgewertet.<br />
Als Fazit lässt sich feststellen, dass das ZPFK-Konzept <strong>für</strong> die Bewohner/innen und<br />
deren Angehörige die Chance verbessert hat, eine vertrauensvolle Beziehung zu<br />
„ihrer“ Pflegefachkraft aufzubauen. Die vorgenommenen Entlastungen der Zuständigen<br />
Pflegefachkräfte von pflegerischen Aufgaben stellte keine Reduzierung des Kontakts<br />
<strong>zum</strong>/zur Bewohner/in dar, sondern verlagerte und intensivierte ihn. Um ihre<br />
Planungs- und Steuerungsaufgaben gut erfüllen zu können, musste die Zuständige<br />
Pflegefachkraft jederzeit darüber informiert sein, wie es „ihren“ Bewohner/innen<br />
ging und ob die Qualität der Pflegeleistung ihrem Bedarf und ihren Bedürfnissen entsprach.<br />
Dies konnte sie nur, wenn sie in regelmäßigem und intensivem Kontakt<br />
<strong>zum</strong>/zur einzelnen Bewohner/in stand.<br />
Ängste und Widerstände einzelner Fachkräfte konnten durch die Begleitung und<br />
Schulung abgebaut oder gemindert werden. Aus Sicht der Organisationsberatung<br />
waren fast alle Referenzeinrichtungen <strong>zum</strong> Ende der Projektlaufzeit dem Ziel der Konzeptumsetzungen<br />
sehr nahe gekommen. Dass nicht überall eine vollständige Realisierung<br />
erreicht werden konnte, lag daran, dass einige der dargestellte Hindernisse<br />
noch eine zusätzliche Bearbeitungszeit benötigen.<br />
2.2.4 Die Kooperation zwischen Pflege und Sozialem Dienst<br />
Bei der Bearbeitung des Modellkonzeptes sind viele der Referenzeinrichtungen bei<br />
der Soll-Ist-Analyse mehrerer unterschiedlicher Konzeptbausteine auf Unzulänglichkeiten<br />
in der Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen gestoßen. In besonderem<br />
Maße galt dies <strong>für</strong> die Kooperation zwischen Pflege und Sozialem Dienst. Eine<br />
gute Vernetzung von Pflege und Sozialem Dienst ist von wesentlicher Bedeutung <strong>für</strong><br />
die Umsetzung von Anforderungen, die mit den Konzepten <strong>zum</strong> pflegerischen Assessment<br />
und der damit verbundenen Erhebung von biografischen Informationen, mit<br />
den Leistungsbeschreibungen und den Rahmenkonzepten <strong>zum</strong> Heimeinzug und zur<br />
Angehörigenarbeit einher gehen. Eine erfolgreiche Umsetzung dieser Konzeptbausteine<br />
kann nur gelingen, wenn<br />
<strong>für</strong> die Planung unterschiedliche Informationen zur Bedarfslage des Bewohners<br />
miteinander in Verbindung gebracht und genutzt werden,<br />
alle Fachkräfte, die mit dem Bewohner und seinen Angehörigen vor und nach<br />
dem Heimeinzug zu tun haben und auf unterschiedlichen Wegen Kenntnis zu seiner<br />
Biografie, seinen Ressourcen und Problemen erhalten, ihr Wissen systematisch<br />
und regelmäßig austauschen, so dass es in die Pflegeplanung und deren regelmäßige<br />
Evaluation einfließen kann,<br />
die Durchführung von Leistungen zwischen unterschiedlichen beteiligten Diensten<br />
gut koordiniert und abgestimmt werden.<br />
Die Ausgangslage in vielen Referenzeinrichtungen stellte sich anders dar.<br />
2.2.5 Strukturelle Hindernisse <strong>für</strong> Zusammenarbeit und die Umsetzung<br />
des <strong>Referenzkonzept</strong>es<br />
Die Sammlung von Informationen zur Bedarfslage von Bewohner/innen, die Erbringung<br />
von Leistungen der Ressourcenförderung und -erhaltung, biografieorientierte<br />
Angebote und die Begleitung von Angehörigen sind Querschnittsaufgaben, die meist<br />
von mehreren Arbeitsbereichen erbracht werden, z.B. von Pflege und Sozialem<br />
Dienst sowie Physiotherapeuten, anderen Berufsgruppen und nicht zuletzt auch<br />
Ehrenamtlichen. Für die Leitungsebenen ist es eine wichtige Aufgabe da<strong>für</strong> zu sorgen,<br />
dass die Leistungen der verschiedenen Dienste aufeinander abgestimmt werden.<br />
In vielen der Referenzeinrichtungen fanden sich Strukturen, die eine solche Koordination<br />
eher behinderten als förderten. Pflege und Sozialer Dienst gehörten oft unterschiedlichen<br />
Abteilungen an und hatten unterschiedliche Vorgesetzte. Die Pflege-
kräfte arbeiteten wohnbereichsbezogen, der Soziale Dienst überwiegend einrichtungsübergreifend.<br />
Es gab keinen systematischen Austausch, durch den sich die<br />
unterschiedlichen Professionen mit ihren verschiedenen und teilweise konkurrierenden<br />
fachlichen Vorstellungen hätten näher kommen können.<br />
Es ist in der Fachwelt unstrittig, dass die Pflegeversicherung in ihrer derzeitigen Form<br />
ein verkürztes Pflegeverständnis fördert. Für die Einstufung von Bewohner/innen in<br />
Pflegestufen und damit <strong>für</strong> die Entgelte der Einrichtungen werden praktisch nur Leistungen<br />
berücksichtigt, die einer medizinisch-somatischen Betreuung zuzurechnen<br />
sind. Entsprechend arbeiteten auch die Einrichtungen der Altenpflege nach diesem<br />
verkürzten Pflegeverständnis, das die somatischen und die medizinischen Leistungen<br />
in Zuständigkeit der Pflege ansiedelt, die psychosozialen Leistungen beim Sozialen<br />
Dienst. Einzelgespräche wurden zwar selbstverständlich auch vom Pflegepersonal<br />
geführt, meist aber nicht als geplante regelmäßige zielgerichtete Leistung (wie in den<br />
Leistungsbeschreibungen gefordert), sondern wenn Zeit war, in Verbindung mit Hilfen<br />
bei den alltäglichen Verrichtungen. Pflegesystem und Pflegekonzept bezogen sich<br />
im Verständnis der meisten Heime nur auf das Pflegepersonal und deren Aufgaben.<br />
Die Arbeit des Sozialen Dienstes fand fast völlig isoliert von der Pflege statt. Die<br />
Angebote <strong>für</strong> die Bewohner/innen wurden in der Pflegeprozessplanung nicht berücksichtigt;<br />
umgekehrt folgte die eigenständige Angebotsplanung des Sozialen Dienstes<br />
nicht dem Pflegeprozessmodell. Eine Zusammenarbeit bei der Erstellung individueller<br />
Pflegeplanungen und bei deren Evaluation war nicht vorhanden.<br />
In vielen Einrichtungen waren es die Fachkräfte des Sozialen Dienstes, die biografische<br />
Informationen beim Heimeinzug erhoben. Nicht selten geschah dies, indem ein entsprechender<br />
Fragebogen an die Angehörigen eines Bewohners weitergegeben wurde mit<br />
der Bitte ihn auszufüllen. Der Rücklauf wurde kaum kontrolliert. Ausgefüllte Bögen wurden<br />
oft auch nicht an die Pflegekräfte weitergegeben. Kontinuierliche Fortschreibung<br />
und biografisches Arbeiten als Element des Pflegeverständnisses gab es zwar als Proklamation<br />
in Konzeptionen, aber nicht systematisch umgesetzt in der Praxis.<br />
Fast allen Häusern fehlte der Überblick, ob Leistungen der psychosozialen Intervention<br />
und der Mobilitätsförderung wirklich bedarfsangemessen erbracht wurden, d. h.<br />
ob alle Bewohner/innen, die solcher Maßnahmen bedurften, diese auch erhielten.<br />
Wie sich nach genauerer Analyse zeigte, kamen insbesondere demente und in der<br />
Mobilität eingeschränkte Bewohner/innen deutlich zu kurz, ein großer Teil dieser<br />
Bewohner/innen erhielt auch in den Häusern mit höherem Leistungsniveau keine<br />
geplanten Leistungen dieser Art. Umgekehrt wurde jedoch teilweise auch eine Vielzahl<br />
von „Betreuungen“ nebenbei erbracht, die den Mitarbeitern/innen nicht als Leistungen<br />
bewusst waren, ohne Planung und Absprachen und ohne Dokumentation.<br />
2.2.6 Lösungswege:<br />
Optimierte Vernetzung zwischen Pflege und Sozialem Dienst<br />
Aus Sicht der Organisationsberatung war eine bessere Kooperation und Koordination<br />
von Pflege und Sozialem Dienst von zentraler Bedeutung <strong>für</strong> die erfolgreiche<br />
Umsetzung der Konzeptbausteine. Aus diesem Grund wurden, bezogen auf diesen<br />
Schwerpunkt besondere Beratungsleistungen erbracht. In Bezug auf die oben skizzierten<br />
Probleme und ihre Bedeutung wurde eine schriftliche Handreichung erstellt,<br />
die Grundlage war <strong>für</strong> intensive Diskussionen bei Regionalgruppensitzungen und den<br />
Gesprächen in den Einrichtungen vor Ort sowie <strong>für</strong> bereichsübergreifende Workshops,<br />
die in mehreren Einrichtungen durchgeführt wurden.<br />
In einer Reihe von Einrichtungen wurden die in der Handreichung aufgeführten Fragestellungen<br />
bearbeitet. Fast überall wurden Bestandsaufnahmen durchgeführt, um<br />
zu prüfen, wo in der Zusammenarbeit zwischen Sozialem Dienst und Pflege Probleme<br />
auftreten und welche Bewohner/innen durch psychosoziale Angebote erreicht wurden<br />
und welche nicht. Diese Analysen deckten Entwicklungsbedarfe auf, die in allen<br />
Häusern angegangen wurden, allerdings wurden manchmal weiterreichende struktu-<br />
151
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
152 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
relle Änderungen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und erst gegen Ende der<br />
Modelllaufzeit in Angriff genommen. In manchen Fällen war die Veränderung auch<br />
erst <strong>für</strong> die Zeit nach dem Projekt vorgesehen.<br />
Um die Anforderungen einer biografieorientierten und ressourcenfördernden Pflege<br />
im Alltag besser als bisher umzusetzen, sind unterschiedliche Wege möglich. Im Rahmen<br />
dieses Kapitels soll dargestellt werden, wie durch die Gestaltung der Aufbauund<br />
Ablauforganisation die strukturellen Voraussetzungen <strong>für</strong> eine Vernetzung von<br />
Pflege und Sozialem Dienst geschaffen wurden.<br />
Zu unterscheiden sind <strong>für</strong> solche Strukturinterventionen im Wesentlichen zwei Varianten.<br />
Die Erste zielte auf die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Pflege,<br />
Sozialem Dienst und ggf. weiteren Berufsgruppen und beschränkte sich auf Veränderungen<br />
der Ablauforganisation. Die Zweite veränderte die Aufbauorganisation, weil<br />
Fachkräfte unterschiedlicher Dienste in die Pflegeteams der Wohnbereiche integriert<br />
wurden.<br />
Um herauszufinden, ob und wie die vorhandenen Regelungen die Zusammenarbeit<br />
zwischen Pflege und Sozialem Dienst stützten oder nicht, wurde in den Referenzeinrichtungen<br />
mit einer kritischen Bestandsaufnahme des Prozesses zur Erhebung biografischer<br />
Informationen neuer Bewohner/innen begonnen. Bei der Veränderungen<br />
dieser Ablaufregelungen im Sinne der ersten Variante verblieb die Erstberatung von<br />
Bewohner/innen und Angehörigen in Zusammenhang mit einem vorgesehenen Heimeinzug<br />
i.d.R. in der Zuständigkeit der zuvor verantwortlichen Stelle, etwa dem<br />
Sozialen Dienst oder einer der Heimleitung meist direkt unterstellten Heimeinzugsberatung.<br />
Festgelegt wurde dann,<br />
wie Angehörigen und zukünftigen Bewohner/innen die Bedeutung der Erhebung<br />
biografischer Informationen nahe zu bringen ist,<br />
auf welche Weise die Kontrolle des Rücklaufes von Fragebögen erfolgt,<br />
wann und auf welche Weise der Biografiebogen an die Pflege übermittelt und zu<br />
einer der Grundlagen der Pflegeplanung und <strong>zum</strong> Bestandteil der Pflegedokumentation<br />
wird,<br />
dass der Biografiebogen fortlaufend zu ergänzen ist und sich nicht nur auf die<br />
Vergangenheit beziehen soll: die Biografie endet nicht mit dem Heimeinzug!<br />
In den Referenzeinrichtungen waren <strong>für</strong> diese Schritte meist nur wenige kleine Korrekturen<br />
oder Konkretisierungen der vorhandenen Ablaufregelungen erforderlich.<br />
Schwieriger war die Frage zu lösen, wie neue Kenntnisse, die unterschiedliche Mitarbeiter/innen<br />
im Kontakt mit einzelnen Bewohner/innen erhielten, transparent<br />
gemacht werden konnten. Nur einige der Referenzeinrichtungen verfügten über eine<br />
EDV-gestützte Pflegedokumentation, die <strong>für</strong> die unterschiedlichen Dienste zugänglich<br />
war und in die von unterschiedlichen Stellen eingetragen werden konnte. Aber selbst<br />
wenn dies überall der Fall gewesen wäre, ist damit das eigentliche Problem nicht<br />
gelöst. Schriftlich dokumentierte Informationen stellen notwendigerweise immer Verkürzungen<br />
dar. Selbst wenn sie gut gelungen sind, besteht die Gefahr von Lücken,<br />
Missverständnissen und Fehldeutungen. Die Vernetzung des Wissens unterschiedlicher<br />
Personen braucht auch eine mündliche Kommunikation. In solchen Diskursen<br />
können nicht nur Informationen zusammengetragen, sondern kann auch über deren<br />
Bedeutung <strong>für</strong> den einzelnen Bewohner und seine Unterstützung und Begleitung<br />
reflektiert werden.<br />
Ziel war es also, die Kommunikation aller relevanten Fachkräfte zu verdichten. Um<br />
dies zu erreichen, wurden in vielen Referenzeinrichtungen regelmäßige und systematische<br />
gemeinsame Fallbesprechungen von Pflegeteams und Sozialem Dienst eingeführt<br />
und da<strong>für</strong> gesorgt, dass Mitarbeiter/innen des Sozialen Dienstes regelmäßig an<br />
Übergaben in den Wohnbereichen teilnahmen.
Besonders gelungen scheint eine Regelung aus einigen Referenzeinrichtungen, nach<br />
der Fallbesprechungen zu jedem neuen Bewohner wenige Wochen nach seinem Einzug<br />
stattzufinden haben. Eine schriftliche Ergänzung biografischer Informationen<br />
erfolgte nach dieser Besprechung durch die Zuständige Pflegefachkraft oder von dieser<br />
koordiniert.<br />
Diese gemeinsamen Fallbesprechungen wurden in Referenzeinrichtungen – die diese<br />
Form systematischer Reflexion vorher nicht kannten – zu einem festen Bestandteil der<br />
Besprechungsmatrix. Um Zeit da<strong>für</strong> zu gewinnen, wurden andere Besprechungsforen<br />
genutzt und deren Ablauf neu festgelegt. So gab es etwa die Lösung, einmal<br />
wöchentlich die normalerweise halbstündige Übergabe zwischen Früh- und Spätdienst<br />
auf 20 Minuten zu verkürzen, insgesamt aber um fünf Minuten zu verlängern<br />
um dadurch 15 Minuten <strong>für</strong> die Fallbesprechung eines Bewohners zu gewinnen.<br />
Oder die Teambesprechungen der Wohnbereiche wurden inhaltlich konzentriert und<br />
von allem befreit, was auch schriftlich z.B. über interne Hausmail mitgeteilt werden<br />
konnte. Auf diese Weise gewann man ebenfalls Zeit <strong>für</strong> Fallbesprechungen.<br />
Da die Anzahl der Fallbesprechungen auf diese Weise höher war als Neueinzüge<br />
von Bewohner/innen, war es wichtig, ein Auswahlsystem <strong>für</strong> die zu besprechenden<br />
Bewohner/innen festzulegen. Auch hier gab es unterschiedliche Vorgehensweisen.<br />
Da der Sinn der Fallbesprechung letztlich darin besteht, die individuelle Pflege so<br />
bewohnerorientiert und bedarfsangemessen wie möglich zu gestalten, war es wichtig,<br />
ein Prinzip zu finden, durch das möglichst alle Bewohner/innen irgendwann<br />
erreicht werden. Wird die Auswahl den Pflegekräfte überlassen, besteht die Gefahr,<br />
dass immer wieder nur solche Bewohner/innen besprochen werden, bei deren Pflege<br />
Probleme auftauchen. Die regelmäßig anstehende Evaluation der Pflegeplanung<br />
könnte eine Lösung darstellen, aber wenn deren Zahl nicht in Einklang zu bringen ist<br />
mit den Zeitressourcen <strong>für</strong> die Fallbesprechungen muss auch hier wieder ein Auswahlprinzip<br />
her. Einzelne Einrichtungen haben deshalb den Weg gewählt, bei<br />
Besprechungen unabhängig von Neueinzügen – die immer Vorrang haben – im<br />
Wechsel vorzugehen: immer ein Bewohner wurde entsprechend einer alphabetischen<br />
Reihenfolge ausgewählt, der nächste konnte bei Bedarf von den Pflegekräften aufgrund<br />
eines aktuellen Anlasses vorgeschlagen werden, bei der folgenden Fallbesprechung<br />
war dann wieder die alphabetische Reihenfolge gültig.<br />
2.2.7 Dezentralisierung des Sozialen Dienstes<br />
Einige Referenzeinrichtungen haben die Zielsetzung der zweiten Variante gewählt<br />
und auch die Aufbauorganisation verändert, den Sozialen Dienst dezentralisiert und<br />
den Wohnbereichen zugeordnet. Die Mitarbeiter/innen des Sozialen Dienstes wurden<br />
Mitglieder der Wohnbereichsteams und unterstanden damit der Wohnbereichsleitung.<br />
Verändert wurden auch die Aufgabenbeschreibungen: zentrale wohnbereichsübergreifende<br />
Angebote <strong>für</strong> Bewohnergruppen und insbesondere solche <strong>für</strong><br />
Bewohner/innen mit relativ geringen gesundheitlichen Einschränkungen wurden<br />
reduziert zugunsten von wohnbereichsbezogenen Angeboten – insbesondere auch<br />
solchen, durch die bisher eher vernachlässigte immobile und demente<br />
Bewohner/innen erreicht werden konnten. Um dies zu gewährleisten wurden auch<br />
die Dienstzeiten bedarfsangemessen angepasst: Unterstützungsangebote sollten<br />
idealerweise an sieben Wochentagen und auch in den Abendstunden erbracht werden<br />
können.<br />
Manche Referenzeinrichtungen konnten eine solche Veränderung der Aufbauorganisation<br />
im Projektverlauf noch nicht umsetzen, weil die vorhandene personelle Besetzung<br />
des Sozialen Dienstes (etwa: zwei Mitarbeiter, vier Wohnbereiche) dies unmöglich<br />
machte. In dem erwähnten Strategiepapier der Organisationsberatung wird auf<br />
die Möglichkeit mittelfristiger strategischer Zielsetzung und Personalplanung verwiesen:<br />
bei Ausscheiden von Fachkräften besteht die Möglichkeit, vorhandene Stellen<br />
mit Teilzeitkräften zu besetzen, um so die Flexibilität zu erhöhen.<br />
153
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
154 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die Integration von Mitarbeiter/innen des Sozialen Dienstes in die Wohnbereiche<br />
machte die Wahrnehmung übergreifender Aufgaben nicht überflüssig. Einige Referenzeinrichtungen<br />
haben deshalb mit den Fachkräften des Sozialen Dienstes individuelle<br />
fachliche Schwerpunktsetzungen und die Weiterentwicklung vorhandener Konzepte<br />
(Arbeit mit demenziell Erkrankten, Palliativpflege, Werbung und Begleitung<br />
von Ehrenamtlichen u.ä.) vereinbart. Verbunden mit solchen Schwerpunktsetzungen<br />
war auch die Anforderung, einrichtungsintern als Multiplikator des erweiterten Fachwissens<br />
zu fungieren.
3. Qualitätsmanagement in der stationären Altenpflege<br />
Die Umsetzung des <strong>Referenzkonzept</strong>es hat in hohem Maße das Qualitätsmanagement<br />
(QM) der Referenzeinrichtungen berührt. Man kann sagen, dass die Umsetzung<br />
der Konzeptbausteine schließlich einen gewichtigen Teil des QM der Einrichtungen<br />
ausgemacht und bereits vorhandene Standards erweitert, teils auch korrigiert hat.<br />
Ein überwiegender Teil der stationären Altenpflegeeinrichtungen verfügt über ein<br />
systematisches QM-System oder ist dabei, ein solches aufzubauen. Unter den 20<br />
Referenzeinrichtungen gab es aber immerhin vier, die noch nicht mit dem Aufbau<br />
eines QM-Systems begonnen hatten.<br />
Als QM wird in den Einrichtungen der stationären Altenpflege sowohl die Gesamtheit<br />
des Führungshandelns – das „managen der Leistungsqualität“ –, als auch die<br />
Summe der Verfahren bezeichnet, welche die Sicherung und Weiterentwicklung der<br />
Leistungsqualität regeln. Zu den Grundpfeilern der Qualitätsphilosophie gehört die<br />
Orientierung am „Kunden“, d. h. an den Bedürfnissen, Wünschen, Bewertungskriterien<br />
der Adressaten einer Leistung. Zugrunde liegt diesem Prinzip <strong>zum</strong> einen ein legitimes<br />
marktpolitisches Kalkül: ein hoher Grad von Kundenzufriedenheit hilft, die<br />
Marktchancen eines Unternehmens zu sichern. In den sozialen Arbeitsfeldern, wie<br />
auch in der Altenpflege, ist dieses Prinzip klar verbunden mit grundlegenden ethischen<br />
Prämissen, einem bestimmten Menschenbild und sozialpolitischen Zielorientierungen:<br />
„Kunden“-, also Bewohnerorientierung in Altenpflegeheimen wird nicht nur<br />
verstanden als Mittel, um im Wettbewerb mit anderen Anbietern die Belegung der<br />
eigenen Plätze zu sichern. Vielmehr ist sie gleichzeitig und unverzichtbar Ausdruck<br />
einer Haltung, die prinzipiell menschenwürdiges Leben gewährleisten will. Konkret<br />
wird dies in einem pflegerischen Handeln, das alle Kontakte zu Bewohner/innen<br />
respektvoll, empathisch und fachkompetent gestaltet und sich dabei an den Leitprinzipien<br />
der Biografie- und Präventionsorientierung und Ressourcenerhaltung und -Förderung<br />
ausrichtet.<br />
Für die praktische Realisierung von QM-Systemen können unterschiedliche Modelle<br />
herangezogen werden. Als das verbreitetste Qualitätsmanagementsystem in der stationären<br />
Altenpflege ist das Modell DIN-EN-ISO 9000 ff: 2000 anzusehen, das auch<br />
einigen trägerspezifischen Ansätzen (AWO, Diakonie) als Grundlage dient. 52<br />
Die Anforderungen <strong>für</strong> ein QM-System – hier dargestellt am Beispiel des DIN-EN-ISO<br />
9001 Modells – beziehen sich auf vier zentrale Bereiche, die in einem Unternehmen<br />
dazu dienen, die Erbringung von Dienstleistungen sicher zu stellen:<br />
Die Verantwortung der Leitung <strong>für</strong> die gesamte Gestaltung des QM-Systems entsprechend<br />
des Steuerungskreislaufes der Planung, Ausführung, Überprüfung, und<br />
Verbesserung,<br />
das Managen der Ressourcen, insbesondere Personalmanagement und Personalentwicklung,<br />
aber auch die Sorge <strong>für</strong> die benötigten Arbeits- und Sachmittel,<br />
die Sicherung der „Produktrealisierung“, also aller Prozesse, durch welche die<br />
Dienstleistungen eines Unternehmens erbracht werden,<br />
die Messung, Analyse und Verbesserung der Dienstleistungen.<br />
Das QM-System eines Unternehmens ist in einem QM-Handbuch schriftlich darzulegen.<br />
52 Einen guten Überblick über unterschiedliche Modelle und Vorgehensweisen bieten die Veröffentlichungen von C.Loffing/S. Geise (Hrsg.):<br />
Management und Betriebswirtschaftslehre in der ambulanten und stationären Altenpflege, Bern, 1. Auflage 2005 und von P. Gerull:<br />
Qualitätsmanagement sozialer Dienstleistungen, vom Autor als CD-Rom vertrieben und 2003 erschienen; erhältlich über www.petergerull.de<br />
155
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
3.1 Gute Pflege und einrichtungsinternes Qualitätsmanagement<br />
156 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die Normanforderungen von QM-Systemen regeln nicht die Qualität im Sinne der<br />
Güte einer Dienstleistung. Sie stellen vielmehr auf überprüfbar gesicherte Rahmenbedingungen<br />
und Verlässlichkeitsnachweise <strong>für</strong> die Dienstleistungsprozesse ab. D. h.<br />
die Normanforderungen beziehen sich nicht auf die inhaltliche Güte eines Prozesses<br />
(wie etwa die Begleitung des Einzugs eines neuen Bewohners) sondern darauf, dass<br />
Regelungen <strong>für</strong> diesen Prozess nachweislich existieren und eingehalten werden. Zum<br />
Nachweis dienen entsprechende Dokumentationsinstrumente (Checklisten, Protokolle)<br />
und Prüfverfahren wie interne und externe Audits. Die inhaltliche Gestaltung der Prozesse<br />
mit ihren impliziten Gütekriterien bleibt den Unternehmen selbst überlassen. Im<br />
Unterschied dazu beinhalten die Konzeptbausteine sowohl Anforderungen <strong>für</strong> die<br />
organisatorischen Ablaufregelungen als auch <strong>für</strong> deren fachlich-inhaltliche Gestaltung.<br />
In der Praxis zeigte sich, dass die Mehrzahl der Referenzeinrichtungen, die bereits<br />
vor Beginn des Projektes über ein systematisches QM-System und ein gültiges QM-<br />
Handbuch verfügten, eine größere Zahl der Konzeptanforderungen bereits erfüllte.<br />
Dies ist als ein Hinweis darauf zu werten, dass ein QM-System tatsächlich zur Sicherung<br />
der Leistungsqualität, auch im Sinne der Güte der Leistung, einen wichtigen Beitrag<br />
leistet.<br />
Bei einigen Einrichtungen wurde bei den Bestandsaufnahmen jedoch festgestellt,<br />
dass die Anforderungen nur auf dem Papier erfüllt waren. Die in den QM-Handbüchern<br />
getroffenen Regelungen wurden im Alltag nicht verbindlich eingehalten. Das<br />
heißt, die Existenz eines QM-Handbuches allein ist noch keine hinreichende Bedingung<br />
<strong>für</strong> ein hohes Qualitätsniveau.<br />
Selbst in Einrichtungen, in denen das Qualitätsmanagement tatsächlich die alltäglichen<br />
Abläufe steuerte, war es nicht so, dass die noch zu leistenden Verbesserungen<br />
schnell und zügig voranschritten. In manchen Einrichtungen mit QM-System und QM-<br />
Handbuch gestalteten sich die vergleichsweise geringen Anpassungen eher schwierig<br />
und langwierig. Andere Einrichtungen, die zu Beginn wenige der Konzeptanforderungen<br />
bereits erfüllten, kamen schneller vorwärts.<br />
Ein Grund da<strong>für</strong> war, dass in vielen Einrichtungen das QM-System nicht in der alleinigen<br />
Verantwortung der Hausleitungen lag, sondern wesentlich auf der regionalen<br />
Trägerebene durch einen dort angesiedelten QM-Stab gesteuert wurde. Dieser war<br />
nicht nur <strong>für</strong> eine einzelne Einrichtung, sondern <strong>für</strong> alle Altenpflegehäuser in der<br />
Region oder dem Bezirk zuständig. Teilweise war dies mit einer bereits vollzogenen<br />
oder angestrebten Verbundzertifizierung dieser Einrichtungen verknüpft. Seitens der<br />
Träger gab es deshalb ein großes Interesse daran, möglichst gleichartige QM-Standards<br />
<strong>für</strong> die Einrichtungen des Verbundes bzw. der Region festzulegen. Geplante<br />
Veränderungen und Erweiterungen des QM-Handbuches einer einzelnen Einrichtung<br />
erforderten manchmal langwierige Abstimmungen.<br />
Aus Sicht der Organisationsberatung gab es <strong>für</strong> Verzögerungen einen weiteren<br />
Grund, der weniger offensichtlich ist: Gerade die ausgefeiltesten QM-Systeme, die in<br />
einzelnen Einrichtungen etabliert wurden, hatten einen beträchtlichen Aufwand an<br />
Zeit und Einsatz gekostet. Zu Recht waren nach solchen Arbeitsprozessen alle Beteiligten<br />
froh, es geschafft zu haben und stolz auf das Ergebnis. Dies konnte bei<br />
Beschäftigten auf Leitungs- und Mitarbeiterebene zu einer gewissen Unbeweglichkeit<br />
führen. Dabei ging es nicht einmal darum, dass man sich nicht in Frage stellen lassen<br />
wollte. Es war vielmehr eine Frage der Wahrnehmung. Überzeugt davon, dass<br />
alles Wichtige bereits geregelt wäre, wurden in den Konzeptbausteinen des Modellprojektes<br />
vor allem die bestätigenden Übereinstimmungen entdeckt. Details, die von<br />
den bereits vorhandenen Standards abwichen oder deren Ergänzung forderten, wurden<br />
nicht bzw. erst durch hartnäckige Hinweise der externen Beratung gesehen. Auf
solche Sachverhalte weist eine in Kapitel 2.3 aufgeführte Prämisse der Organisationsberatung<br />
ausdrücklich hin: die selbstorganisierte Ordnung einer Organisation schließt<br />
die Wahrnehmung bestimmter Sachverhalte aus, die zu dieser Ordnung nicht passen.<br />
Ein weiterer Grund kam hinzu: Insbesondere die QM-Systeme auf der Basis der ISO-<br />
Normen betonen den Qualitätssicherungsaspekt auf stärkere Weise, als den Aspekt<br />
der Qualitätsentwicklung. Praktisch bedeutet dies, dass der betriebene Aufwand<br />
beim Aufbau eines QM-Systems und beim fortlaufenden Controlling sich vorrangig<br />
auf den Sicherungsaspekt konzentrierte. Die Entwicklung der Standards verfolgten<br />
das Ziel, Abläufe und Prozesse auf eine bestimmte Art und Weise festzuschreiben,<br />
das Controlling überprüfte, ob die Festlegungen eingehalten wurden. Zum System<br />
gehörten zwar auch solche Foren, deren Aufgabe es war, die „Verbesserung der<br />
Dienstleistungen“ (s.o.) sicher zu stellen. Im Alltag konnte dieses Ziel jedoch zu Gunsten<br />
der angestrebten Verlässlichkeit eines einmal definierten Qualitätsniveaus<br />
schnell ins Hintertreffen geraten.<br />
Vor dem Hintergrund dieses Begründungszusammenhangs ist es aus Sicht der Organisationsberatung<br />
nicht verwunderlich, dass den „weitesten Entwicklungsweg“ im<br />
Modellprojekt solche Referenzeinrichtungen zurückgelegt haben, die zu Beginn der<br />
Laufzeit verhältnismäßig wenige der Anforderungen bereits erfüllten und bei denen<br />
der Aufbau eines QM-Systems erst in den Anfängen steckte. Auch muss die oben formulierte<br />
These erweitert werden. Ein etabliertes Qualitätsmanagement leistet einen<br />
wichtigen Beitrag zur Sicherung und Entwicklung der Leistungsqualität, wenn im Alltag<br />
sowohl die Festlegungen <strong>für</strong> die Abläufe verbindlich gelebt werden und gleichzeitig<br />
regelmäßig auf Verbesserungspotentiale hin überprüft werden.<br />
3.2 Leistungsbeschreibungen: das Leistungsprofil der stationären Altenpflege<br />
Die Leistungsbeschreibungen erfassen alle unmittelbar und mittelbar bewohnerbezogenen<br />
Leistungen, die eine Einrichtung der stationären Altenpflege prinzipiell vorhalten<br />
sollte. Sie sind ein Klassifikationssystem, das die Einzelleistungen „inhaltlich voneinander<br />
abgrenzt und übersichtlich darstellt“ 53 . Ein besonderes Merkmal der unmittelbar<br />
bewohnerbezogenen Leistungen ist dabei, dass sie grundsätzlich zielbezogen<br />
beschrieben sind. Das heißt, unterschiedliche Verrichtungen, die auf ein gleiches Pflegeziel<br />
gerichtet sind, gehören zu einer Leistung.<br />
Wie auch andere Elemente des <strong>Referenzkonzept</strong>s gehen die Leistungsbeschreibungen<br />
von grundlegenden Qualitätszielen aus, welche die Praxis jeder Pflegeeinrichtung<br />
prägen sollten. „Diese beziehen sich auf die Anforderung einer biografie- und<br />
präventionsorientierten und ressourcenerhaltenden/-fördernden Pflege 54 .“<br />
3.2.1 Bestandsaufnahme zu den unmittelbar bewohnerbezogenen<br />
Leistungsbeschreibungen<br />
Bei der Umsetzung der Leistungsbeschreibungen wurde im Rahmen der Soll-Ist-Analyse<br />
geprüft, ob das vorhandene Leistungsprofil einer Einrichtung alle „Maßnahmebündel“<br />
vollständig umfasste, und ob diese Leistungen bedarfsgerecht und auf hinreichendem<br />
Qualitätsniveau erbracht wurden. Die Soll-Ist-Analysen wurden durch die<br />
Modellbeauftragten <strong>zum</strong> einen anhand zufällig ausgewählter Pflegedokumentationen,<br />
<strong>zum</strong> anderen durch Befragungen in den Wohnbereichen durchgeführt.<br />
53 Vgl. Praxisleitfaden Teil A<br />
54 ebd.<br />
157
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
158 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
In einigen der Referenzeinrichtungen deckte diese Analyse Mängel der Pflegeplanung<br />
und -dokumentation auf. Auf diese Punkte und daraus resultierende Entwicklungsziele<br />
und Veränderungsstrategien werden wir in Kapitel 3.4 eingehen.<br />
Im Modellprojekt zeigte sich, dass eine nicht geringe Anzahl der Leistungen von den<br />
Einrichtungen prinzipiell erbracht werden konnte und überwiegend auch erbracht<br />
wurde. Dazu wurden grundsätzlich auch solche Leistungen bzw. Einzelverrichtungen<br />
der speziellen Pflege gezählt, die nicht von Fachkräften der Einrichtung geleistet wurden<br />
(z.B. die Katheterisierung beim Mann oder intramuskuläre oder intravenöse<br />
Injektionen), bei denen das Heim durch Kooperation mit Ärzten jedoch sicherstellte,<br />
dass sie bei Bedarf zügig und bedarfsgerecht erbracht werden konnten. Gleichwohl<br />
verwies dieses Modellergebnis auf eine Problematik, die über das Projekt hinausweist:<br />
die Frage nämlich, über welche Fachkompetenz vollstationäre Altenpflegeheime<br />
in Zukunft verfügen sollten und ob dazu auch eine stärker medizinisch ausgerichtete<br />
Kompetenz gehören müsste.<br />
Bei den Entwicklungsbedarfen, die sich in den Referenzeinrichtungen zeigten, ließen<br />
sich drei Kategorien unterscheiden.<br />
Zum Einen ging es um Lücken der fachlichen Kompetenz von Pflege- und anderen<br />
Fachkräften, die in die Unterstützung und Begleitung von Bewohner/innen eingebunden<br />
waren. Solche Kompetenzmängel zeigten sich etwa bei Varianten des Lagerns<br />
(LA) und den Einzel- und Gruppenaktivitäten zur Erhaltung/Förderung der Mobilität<br />
(MOB und GAM). Auch <strong>für</strong> einige Leistungen der angemessenen psychosozialer<br />
Begleitung reichte die vorhandene Fachlichkeit oft nicht aus. Beispiele da<strong>für</strong> sind die<br />
„Interventionen bei Wanderungstendenzen“ (IWT), die Einzelbetreuung bei Selbstund<br />
Fremdgefährdung (EBG) und die „Interventionen bei besonderen psychischen<br />
Problemlagen“ (ISP). Auch in Bezug auf die Durchführung biografieorientierter Einzel-<br />
und Gruppenaktivitäten (BE und GAB) fühlten sich manche Fachkräfte der Pflege<br />
und der Sozialen Dienste fachlich überfordert.<br />
Wenn die fachliche Kompetenz nicht angemessen ist, werden bestimmte Leistungen<br />
gar nicht oder nicht in ausreichender Qualität erbracht. Dadurch, aber auch aus<br />
anderen Gründen können Mängel in Bezug auf die Bedarfsgerechtigkeit auftreten.<br />
Wie schon in Kapitel 6.3 erwähnt, bestätigte sich in einigen der Referenzeinrichtungen,<br />
was schon in der Studie „Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären<br />
Pflegeeinrichtungen“ festgestellt worden war: die vorhandenen psychosozialen<br />
Unterstützungsangebote erreichten eher die mobilen Bewohner/innen, bzw. solche,<br />
die ein entsprechendes Interesse deutlich artikulieren konnten oder durch ihr Verhalten<br />
auf einen Bedarf aufmerksam machten. Zu kurz kamen vielfach die bettlägerigen<br />
immobilen und die wegen demenzieller Veränderung verhaltensauffälligen Bewohner/innen.<br />
Schließlich hingen in Einzelfällen Versorgungsmängel auch damit zusammen, dass<br />
die Leitprinzipien zur Ressourcenorientierung und Biografieorientierung von den Pflegekräften<br />
zu wenig verinnerlicht waren.<br />
Auf der Grundlage dieser Analyseergebnisse richteten sich die wichtigsten Veränderungsziele<br />
in Bezug auf die Leistungsbeschreibungen in den Referenzeinrichtungen auf<br />
die Steigerung der fachlichen Kompetenz,<br />
Verbesserungen hinsichtlich einer bedarfsgerechten Versorgung,<br />
die Verinnerlichung und Operationalisierung eines ressourcenorientierten und biografieorientierten<br />
Pflegeleitbilds.<br />
Hinzu kam, dass die Mitarbeiter/innen generell <strong>für</strong> den Umgang mit den Leistungsbeschreibungen<br />
zu schulen waren.
3.2.2 Berufsbegleitende fachliche Qualifizierung<br />
Steigerung der fachlichen Kompetenz<br />
Um die Fachkompetenz der Mitarbeiter/innen zu steigern wurden in den Referenzeinrichtungen<br />
die Lücken möglichst genau identifiziert und daraus passgenaue Qualifizierungsthemen<br />
und Aufträge abgeleitet. Nach Erarbeitung diese Themenliste<br />
einigte man sich auf eine Rang- und Reihenfolge der Bearbeitung.<br />
Geprüft wurde sodann, auf welche Weise eine berufsbegleitende Fortbildung am<br />
wirksamsten und kostengünstigsten durchgeführt werden konnte. Bei vielen Referenzeinrichtungen<br />
zeigte sich, dass nicht wenige über einzelne spezialisierte Mitarbeiter/innen<br />
in den Wohnbereichen, beim Sozialen Dienst und auch auf Leitungsebene<br />
verfügten, die in der Lage waren, ihre Kenntnisse als Multiplikatoren/innen zur Verfügung<br />
zu stellen.<br />
In einigen Referenzeinrichtungen wurden Kompetenzlücken bei der bedarfsgerechten<br />
Lagerung von Bewohner/innen oder bei Fragen medizinischer Behandlungspflege<br />
durch Inhouse-Schulungen bearbeitet, <strong>für</strong> die kooperierende Ärzte bzw. Fachkräfte<br />
aus Sanitätshäusern oder Apotheken unentgeltlich oder mit geringfügiger Honorierung<br />
gewonnen werden konnten. Andere Themen, wie z.B. die Umsetzung einer biografieorientierten<br />
Praxis oder die psychosoziale Versorgung demenziell veränderter<br />
Bewohner/innen konnten durch entsprechend geschulte Fachkräfte beim Träger oder<br />
auch durch eigene interne Multiplikatoren/innen angeboten werden. In einzelnen<br />
Referenzeinrichtungen wurden sogar mehrteilige Fortbildungen zur Pflege dementer<br />
Bewohner/innen angeboten, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckten.<br />
Einzelne Referenzeinrichtungen haben auch die Möglichkeit genutzt, bestimmte Fachkräfte<br />
mit spezifischem Qualifikationsprofil einzustellen und in ihre Stellenbeschreibung<br />
von Beginn an aufzunehmen, dass sie <strong>zum</strong> überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit<br />
als Multiplikatoren/innen tätig sein sollen. So hat eine Referenzeinrichtung die<br />
Stelle einer Pflegefachkraft mit einer Fachkraft <strong>für</strong> Physiotherapie besetzt. Diese Fachkraft<br />
hat vor allem den Auftrag, die Pflegekräfte zu schulen und zu qualifizieren, um<br />
diese in die Lage zu versetzen, selbst mobilitätsfördernde Maßnahmen im Alltag<br />
durchzuführen und Alltagsverrichtungen, etwa bei Lagerungen, der Körperpflege, bei<br />
den Mahlzeiten und vielen anderen Anlässen mobilitätsfördernd zu gestalten.<br />
Unterstützung der Fachkräfte bei der Anwendung der Leistungsbeschreibungen<br />
Im Unterschied zu anderen Konzeptbausteinen, bei denen der Einstieg in den Transfer<br />
durch die Soll-Ist-Analyse erfolgte, war es bei den Leistungsbeschreibungen nicht<br />
nur möglich sondern auch notwendig, parallel mit der Schulung der Pflegekräfte zu<br />
beginnen. Ziel solcher Schulungen, die von den Modellbeauftragten durchgeführt<br />
wurden, war zunächst, dass sich die Mitarbeiter/innen mit der Systematik der Leistungsbeschreibungen<br />
vertraut machten.<br />
Um die Mitarbeiter/innen im Hinblick auf die Anwendung zu schulen, war nicht nur<br />
das Verständnis <strong>für</strong> die Leistungsbeschreibungen zu schaffen, sondern der konkrete Nutzen<br />
und die Anwendung <strong>für</strong> die Pflegedokumentation 55 zu verdeutlichen. Dabei sollten<br />
die Leistungsbeschreibungen <strong>für</strong> die Pflegeplanung entsprechend genutzt werden.<br />
Referenzeinrichtungen mit einer EDV-gestützten Pflegedokumentation haben die Leistungsbeschreibungen<br />
– sofern das technisch möglich war – in das System eingepflegt.<br />
Dabei wurden z.B. im System die einzelnen Beschreibungen mit ihren Kürzeln<br />
als Textbausteine hinterlegt. Wenn also bei der Pflegeplanung <strong>für</strong> eine/n<br />
Bewohner/in eine Maßnahme im Tagesablaufplan eingetragen werden sollte, konnte<br />
der Text der entsprechenden Leistungsbeschreibung aufgerufen und in die Planung<br />
eingefügt werden. Allerdings war dabei immer eine auf den/die individuelle Bewoh-<br />
55 Der Zusammenhang zwischen Leistungsbeschreibungen und Pflegedokumentation wird in Teil A Kapitel des Praxisleitfadens verdeutlicht.<br />
159
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
160 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
ner/in bezogene Konkretisierung vorzunehmen, die im Textbaustein noch nicht enthalten<br />
war. Die Kürzel wurden außerdem in einer Suchmaske hinterlegt, so dass die<br />
einzelnen Leistungen auch über die Kürzel gesucht und gefunden werden konnten.<br />
Angesichts der Systematik der Leistungsbeschreibungen haben einige Einrichtungen<br />
– wie bereits oben beschrieben – eine Neuordnung der bislang genutzten Systematik<br />
nach den ATL/AEDL vorgenommen und die Systematik der Leistungsbeschreibungen<br />
in den Vordergrund gerückt.<br />
Im Rahmen der Mitarbeiterschulungen der Referenzeinrichtungen wurde der Pflegeprozess<br />
in den Vordergrund gestellt und ein Bewusstsein <strong>für</strong> die unterschiedlichen<br />
Leistungen geschaffen. Insbesondere wurde die Bedeutung der psychosozialen<br />
Betreuung in den Schulungen hervorgehoben, aber auch die notwendige Arbeitsteilung<br />
im Hinblick auf unmittelbar und mittelbar bewohnerbezogene Leistungen.<br />
Um die tägliche Arbeit mit den Leistungsbeschreibungen zu erleichtern, haben die<br />
Modellbeauftragten den Katalog kopiert und jedem Wohnbereich einen entsprechenden<br />
Ordner bzw. jedem/jeder Mitarbeiter/in eine Kopie zur Verfügung gestellt. So<br />
konnte jede/r Mitarbeiter/in bei Bedarf darauf zurückgreifen. Auch wurden kleine<br />
„Taschenkarten“ mit einer Auflistung der Leistungsbeschreibungen im Überblick<br />
erstellt. Diese Taschenkarten bestanden aus einem laminierten Papier in Postkartengröße,<br />
welches jede/r Mitarbeiter/in bei sich tragen konnte. Diese Taschenkarten<br />
waren <strong>für</strong> die Mitarbeiter/innen sehr hilfreich, da sie bei Bedarf die Auflistung der<br />
Leistungsbeschreibungen vor Augen hatten und diese zunehmend in die tägliche<br />
Arbeit einbinden konnten.<br />
Wie zu erwarten war, haben die Mitarbeiter/innen über einen längeren Zeitraum<br />
Übung und kritische Begleitung benötigt, bis sie die Leistungsbeschreibungen korrekt<br />
verwenden konnten. In den Referenzeinrichtungen haben die Modellbeauftragten<br />
unterschiedliche Möglichkeiten gewählt, die kontinuierliche Arbeit mit den Leistungsbeschreibungen<br />
zu überprüfen. Beispielsweise haben sie regelmäßig an Dienstbesprechungen,<br />
Fallbesprechungen, Übergaben und teilweise auch an Pflegevisiten teilgenommen.<br />
Darüber hinaus haben sie Checklisten erstellt und eine kontinuierliche,<br />
stichprobenartige Kontrolle der Pflegedokumentationen mit einer anschließenden<br />
Rückmeldung an die entsprechenden Mitarbeiter/innen durchgeführt.<br />
Umsetzungsprobleme in der Pflegepraxis sind zunächst in der Abgrenzung einiger<br />
Leistungsbeschreibungen voneinander aufgetreten. Zum Beispiel wurde von Schwierigkeiten<br />
aus den Referenzeinrichtungen berichtet, die Leistungsbeschreibungen BE<br />
(Biografieorientierte Einzelaktivitäten) und EG (Einzelgespräch) bzw. IWT (Interventionen<br />
bei Wanderungstendenz) und ISP (Interventionen bei speziellen psychischen<br />
Problemlagen) in der täglichen Praxis voneinander zu unterscheiden. Ebenso konnten<br />
sich Maßnahmen der Leistungsbeschreibung SOK (Unterstützung bei sozialen<br />
Kontakten/sozialer Teilhabe) mit der Unterstützung bei der Ernährung (z.B. NA:<br />
Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme) in der Pflegepraxis überschneiden. Einige<br />
Mitarbeiter/innen haben z.B. darauf hingewiesen, sie würden bestimmte Leistungen<br />
im Rahmen anderer pflegerischer Tätigkeiten durchführen. Dies gelte beispielsweise<br />
<strong>für</strong> MOB (Einzelaktivitäten zur Förderung/Erhaltung der Mobilität), wenn Bewohner/innen<br />
nicht im Rollstuhl <strong>zum</strong> Speiseraum gefahren würden, sondern bei dieser<br />
Gelegenheit mit ihnen das Gehen trainiert würde.<br />
Für die erfolgreiche Bewältigung solcher Schwierigkeiten war es wichtig, dass die<br />
Modellbeauftragten auf die Begleitung des Einführungsprozesses gut vorbereitet worden<br />
waren. Dies geschah über die ausführliche Bearbeitung der Leistungsbeschreibungen<br />
und zugehörigen Erläuterungen in den Regionalgruppensitzungen, aber<br />
auch durch unmittelbare Anfragen einzelner Modellbeauftragter bei den<br />
Kollegen/innen des IPW. Auch die Organisationsberater/innen wurden hier von den<br />
IPW-Kollegen/innen unterstützt, und konnten sich auf diese Weise die erforderlichen
Fachkenntnisse aneignen. Mit der Zeit war es so zunehmend möglich, dass auch die<br />
Organisationsberater/innen Fragen unmittelbar beantworten und Unsicherheiten<br />
ausräumen konnten.<br />
Ein zentrales Hindernis <strong>für</strong> die richtige Verwendung der Leistungsbeschreibungen<br />
war ein stark maßnahmenbezogenes Denken der Pflegekräfte. Mehrfach musste<br />
erläutert werden, dass es <strong>für</strong> die richtige Zuordnung einer Verrichtung auf das zentrale<br />
Ziel ankommt, auf das sich diese Tätigkeit bezieht. So zielt etwa die Begleitung<br />
eines Bewohners <strong>zum</strong> Speiseraum i.d.R. auf die Ermöglichung der Nahrungsaufnahme<br />
und gehört deshalb zur Leistung NA. In einem konkreten Fall wurden Bewohner/innen<br />
jedoch bewusst zu Fuß statt im Rollstuhl den recht langen Weg <strong>zum</strong> Speiseraum<br />
begleitet, um auf diese Weise ihre Mobilität zu erhalten und zu fördern. Der<br />
erheblich höher Zeitaufwand <strong>für</strong> die Pflegekräfte wurde dabei in Kauf genommen.<br />
D.h. hier stand das Ziel der Mobilitätsförderung im Vordergrund und die erbrachte<br />
Leistung gehörte zu MOB. Selbstverständlich musste dieses Ziel und diese sowie weitere<br />
zugehörigen Leistungen entsprechend auch in der Pflegeplanung hinterlegt sein.<br />
Dass bei Mahlzeiten auf dem Wohnbereich die Mitarbeiter/innen mit den Bewohner/innen<br />
sprachen, gehörte dagegen zu den Selbstverständlichkeiten guter Pflege,<br />
die im Konzept den Leistungsbeschreibungen vorangestellt sind und nicht eigens bei<br />
jeder Leistung neu aufgeführt werden.<br />
Es war die Klärung solcher Fragen im Praxisalltag, die den Mitarbeitern/innen mit<br />
der Zeit ein stärker zielorientiertes Denken nahe brachten. Bei den wenigsten hat<br />
eine einzige Schulung und Information ausgereicht. Von besonderer Bedeutung war<br />
dabei auch die Einbindung der Nachtdienstmitarbeiter/innen, da diese in manchen<br />
Referenzeinrichtungen häufiger unzureichend dokumentiert hatten.<br />
Auch die Planung und Dokumentation der psychosozialen Betreuungsleistungen<br />
durch die Pflegekräfte hat in der Einführungsphase Probleme bereitet. In vielen Referenzeinrichtungen<br />
musste durch mehrfache Gespräche und Rückmeldungen zu<br />
geprüften Pflegeplanungen und -dokumentationen das Bewusstsein da<strong>für</strong> entwickelt<br />
und gestärkt werden, auch <strong>für</strong> solche Leistungen zuständig zu sein.<br />
3.2.3 Bedarfsgerechte Unterstützung bei psychischen und sozialen<br />
Problemlagen<br />
Wie schon ausgeführt, war eine bessere Vernetzung von Pflege und Sozialem Dienst<br />
eine wichtige Basis <strong>für</strong> Verbesserungen, reichte aber noch nicht aus.<br />
In Bezug auf die Interventionen zur psychosozialen Unterstützung war es wichtig,<br />
sich zunächst einen Überblick darüber zu verschaffen,<br />
welche Angebote zur psychosozialen Unterstützung im eigenen Haus überhaupt<br />
vorgehalten wurden (Art der Aktivität, durchgeführt von welchen Fachkräften oder<br />
Ehrenamtlichen),<br />
wo und wie diese stattfanden (wohnbereichsbezogen oder hauszentral, <strong>für</strong><br />
kleine/größere Gruppen oder Einzelangebot),<br />
wann sie stattfanden (gab es Angebote abends, an den Wochenenden, in den<br />
Nachtstunden 56 ),<br />
welche Bewohner dadurch erreicht wurden und welche nicht (wurden mit einem<br />
großen Teil der Angebote vielleicht immer die gleichen wenig beeinträchtigten<br />
Bewohner/innen erreicht und andere überhaupt nicht?)<br />
In einigen Referenzeinrichtungen wurde durch die Prüfung dieser Fragen festgestellt,<br />
dass die Angebote überwiegend zentral <strong>für</strong> größere Gruppen von Interessierten und<br />
in den Nachmittagsstunden durchgeführt und immobile Bewohner/innen kaum<br />
56 An dieser Stelle sind die Leistungsbeschreibungen auch verbunden mit dem Konzeptbaustein zur „Nächtlichen Versorgung“, vgl. Kapitel 3.8<br />
161
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
162 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
erreicht wurden. Entsprechend war die Weiterentwicklung darauf gerichtet, das<br />
Angebot inhaltlich und zeitlich auszudifferenzieren und bisher tendenziell vernachlässigte<br />
Bewohner/innen besser zu berücksichtigen.<br />
Diese Einrichtungen haben Verbesserungen u.a. dadurch erreicht, dass sie die<br />
Anzahl und Art von kurzzeitigen Angeboten deutlich erhöhten. Einzelne Häuser<br />
haben als Qualitätsziel festgelegt, dass jede/r Bewohner/in mindestens zweimal pro<br />
Woche ein geplantes Angebot erhalten sollte, ob es sich nun um eine 10-Minuten-<br />
Aktivierung, Einzelgespräche, eine Kontaktaufnahme mit geeigneten Materialien,<br />
Spaziergänge im Sinnesgarten, die Teilnahme an einem Gruppenangebot oder ähnliches<br />
handelte. Manche Einrichtungen haben festgestellt, dass ein liebevoll eingerichteter<br />
zentraler „Snoezel-Raum“ im Alltag schlechter zu nutzen war als ein Snoezel-Rollwagen<br />
auf jedem Wohnbereich, den man zu Einzelgesprächen auf die<br />
Bewohnerzimmer mitnehmen konnte. Durch verbesserte Arbeitsorganisation, wie<br />
etwa die Reduzierung zentraler zu Gunsten dezentraler Angebote, und eine stärkere<br />
Anbindung bzw. Integration des Sozialen Dienstes an/in die Wohnbereiche konnte<br />
die Zeit <strong>für</strong> solche Angebotserweiterungen gewonnen werden.<br />
Natürlich hing die Ausdifferenzierung des Angebotes eng mit der Qualifikation der<br />
Fachkräfte zusammen. Aber auch wenn hier Entwicklungsbedarf festgestellt wurde,<br />
ist mit den ersten Schritten nicht gewartet worden, bis Schulungen stattgefunden hatten<br />
oder gar abgeschlossen waren. Über eine Basisqualifikation verfügen alle Fachkräfte<br />
der Pflege und der Sozialen Dienste. In bereichs- und hierarchieübergreifenden<br />
Qualitätszirkeln konnte dies vorhandene Wissen produktiv vernetzt werden. Oft<br />
entstanden aus solchen Diskursen kreative Ideen, z.B. dazu, wie fachliches Wissen,<br />
verbunden mit individuellen Interessen und Hobbies dazu beitragen kann, dass<br />
Angebot zu erweitern.<br />
Erwähnenswert ist hier das Beispiel einer Referenzeinrichtung, die Mängel beim<br />
Umgang mit solchen Bewohner/innen feststellte, die aufgrund ihrer demenziellen Veränderung<br />
Wanderungstendenzen aufwiesen. Die Projektgruppe entwickelte hier den<br />
Vorschlag, diese Bewohner/innen tagsüber immer ein Namensschild tragen zu lassen.<br />
Gleichzeitig wurde die Zielsetzung formuliert, dass alle Mitarbeiter/innen der<br />
Einrichtung, auch die aus Hauswirtschaft, Verwaltung und Haustechnik, sowie<br />
die Ehrenamtlichen über Basiskompetenzen <strong>für</strong> den Umgang mit dementen Bewohner/innen<br />
verfügen sollten. Aufgrund dieser Überlegungen wurde eine Verfahrensanweisung<br />
zur Realisierung der Namensschilder verfasst und hausinterne Schulungen<br />
<strong>für</strong> alle Mitarbeitergruppen durchgeführt. Das Ergebnis fasste die zuständige Modellbeauftragte<br />
folgendermaßen zusammen:<br />
„Die Bewohner erhalten bei auftretender Wanderungstendenz Unterstützung in Form<br />
von Einzelgesprächen oder biografieorientierten Einzelaktivitäten, oder sie werden<br />
in andere Aktivitäten eingebunden. Verlässt ein Bewohner den Wohnbereich, reagieren<br />
die Mitarbeiter anderer Arbeitsbereiche angemessen; frühere Tendenzen, das<br />
Problem zu ignorieren, konnten überwunden werden. Bewohner mit Wanderungstendenz<br />
haben inzwischen einen „Sonderstatus“: Jeder kennt sie und kann sie mit<br />
Namen ansprechen. Sie nehmen dies sehr positiv auf und zeigen weniger Unsicherheit.<br />
Nach wie vor kommt es vor, dass Bewohner die Einrichtung verlassen, allerdings<br />
werden sie – aufgrund der Öffentlichkeitsarbeit in der Nachbarschaft – meistens<br />
von Einwohnern der Umgebung <strong>zum</strong> … zurückgebracht.“ 57<br />
Die oben skizzierte Grobanalyse <strong>zum</strong> Angebotsspektrum und zu den erreichten Zielgruppen<br />
beantwortete noch nicht die Frage, ob jede/r einzelne Bewohner/in seinem/ihrem<br />
individuellen Bedarf entsprechend unterstützt und begleitet wurde. Diese<br />
57 Dieses Beispiel aus einer Referenzeinrichtung wurde bei der Fachtagung <strong>zum</strong> <strong>Referenzkonzept</strong> im Februar 2006 in Essen von einer<br />
Modellbeauftragten vorgestellt.
individuelle Bedarfsgerechtigkeit war abhängig von der Güte des Assessments sowie<br />
der Pflegeplanung und -dokumentation. Da auch dazu im Modellprojekt Konzeptbausteine<br />
entwickelt wurden, werden wir in nachfolgenden Abschnitten darauf eingehen.<br />
3.2.4 Bedarfsgerechte Mobilitätserhaltung und -förderung<br />
Die Bestandsaufnahme zu den Leistungsbeschreibungen in den Referenzeinrichtungen<br />
machte auch aufmerksam auf Mängel in Bezug auf die Umsetzung mobilitätsfördernder<br />
und erhaltender Maßnahmen, obwohl fast alle das Leitziel der Ressourcenerhaltung<br />
und -förderung ausdrücklich in das eigene Leitbild aufgenommen hatten.<br />
Diese Unzulänglichkeiten hatten nicht ausschließlich mit der schon behandelten Fachkompetenz<br />
der Fachkräfte zu tun. Wichtig war auch, welche Zeitressourcen <strong>für</strong> eine<br />
systematische Mobilitätsförderung zur Verfügung standen. Eigentlich wäre es bei vielen<br />
Bewohner/innen sinnvoll und notwendig gewesen, zusätzlich zu eigenständigen<br />
Maßnahmen viele pflegerische Verrichtungen mobilitätsfördernd zu gestalten. Gleichwohl<br />
kam es in der Praxis offensichtlich immer wieder zu Abweichungen, die damit<br />
zu tun hatten, dass eine mobilitätsfördernde Pflege mehr Zeit und Geduld braucht als<br />
ein Vorgehen, bei dem die Pflegekräfte den Bewohner/innen viele – und bei genauerer<br />
Prüfung zu viele – Aktivitäten abnehmen.<br />
Auch hier bestand ein enger Zusammenhang mit der Güte von Assessment und Pflegeplanung.<br />
Das Pflegeziel der Mobilitätsförderung musste dem individuellen Bewohnerbedarf<br />
angepasst und in aussagefähiger Beschreibung operationalisiert werden.<br />
Veränderungsziele in einigen Referenzeinrichtungen bezogen sich – ähnlich wie<br />
beim Konzeptbaustein zur Zuständigen Pflegefachkraft – auch auf Verbesserungen in<br />
der Arbeitsorganisation und Dienstplanung. So wurde z.B. geprüft, ob<br />
sich besonders zeitaufwändige Phasen des Tages (z.B. am Morgen) durch Zwischendienste<br />
und eine veränderte Dienstplanung besser besetzen ließen,<br />
die Anforderungen zur qualifikationsorientierten Arbeitsteilung umgesetzt waren.<br />
Einige der Referenzeinrichtungen begannen auch während des Modellprojekts mit<br />
der Entwicklung bedarfshomogenerer Wohnbereiche oder deren Unterteilung in entsprechende<br />
Gruppen. Ein solches Ziel ist jedoch nur mittel- und langfristig umzusetzen,<br />
so dass aus dem Modellprojekt noch keine Erfahrungen zu den Auswirkungen<br />
vorliegen. Es ist aber zu vermuten, dass eine solche Veränderung die bedarfsgerechte<br />
Begleitung und Unterstützung der Bewohner/innen erhöhen kann und auch<br />
die Möglichkeiten eines effizienten Personaleinsatzes verbessert.<br />
3.2.5 Verinnerlichung von Leitorientierungen<br />
Die Güte der Pflegeleistung in einer Einrichtung ist nicht nur von der Fachkompetenz<br />
der Pflegekräfte abhängig, sondern auch davon, ob die Mitarbeiter/innen die Leitprinzipien<br />
einer zeitgemäßen bewohnerorientierten Pflege wirklich verinnerlicht<br />
haben. Es sei vorweggenommen, dass dies in den Referenzeinrichtungen aus Sicht<br />
der Organisationsberatung in hohem Maße der Fall war – nur vereinzelt wurde von<br />
den Modellbeauftragten auch Bedenkliches berichtet.<br />
Die Haltung, mit der Mitarbeiter/innen aller Bereiche Bewohner/innen und ihren<br />
Angehörigen begegnen, lässt sich auf vielfältige Art und Weise im Alltag beobachten.<br />
Sind sie in ihren Interaktionen freundlich zugewandt, hilfsbereit und respektvoll, oder<br />
häufiger eher abweisend, ziehen sich wenn eben möglich darauf zurück, nicht zuständig<br />
zu sein und reagieren gereizt auf anstrengende Verhaltensweisen von<br />
Bewohner/innen und Angehörigen? Die Fragestellungen ließen sich sicher erheblich<br />
erweitern, wir wollen hier jedoch zusätzlich nur noch einen Aspekt hervorheben, den<br />
wir <strong>für</strong> besonders aussagefähig halten. Genaueres Hinschauen bei der Haltungsfrage<br />
hielten wir im Projekt dann <strong>für</strong> angebracht, wenn sich Mitarbeiter/innen oder auch<br />
Teams immer wieder nur in einer „Opferrolle“ präsentierten. Ob es um Interaktionssituationen<br />
mit Bewohner/innen und Angehörigen oder, bei der Konzeptumsetzung, um<br />
163
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
164 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Veränderungen und Verbesserungen der Pflegepraxis und -organisation ging: die Mitarbeiter/innen<br />
sahen sich vorwiegend als diejenigen, denen übel mitgespielt wurde,<br />
die unter unzulänglichen Arbeitsbedingungen zu leiden hatten. An Schwächen waren<br />
ausschließlich andere schuld. Solche Haltungen sind fatal, wenn sie nicht nur von einzelnen<br />
Mitarbeiter/innen sondern von Teams oder Gruppen gezeigt werden. Sie können<br />
sich dort verfestigen und sind dann kaum noch bearbeitbar.<br />
Einzelne Referenzeinrichtungen, die an diesem Punkt Mängel entdeckten, haben den<br />
Weg gewählt, ganze Teams Konzepte zur Operationalisierung solcher Leitorientierungen<br />
erarbeiten zu lassen. So war eine zu bearbeitende Fragestellung etwa: „Was<br />
bedeutet <strong>für</strong> uns konkret der Begriff der Bewohnerorientierung?<br />
Wenn solche Haltungsfragen bearbeitet werden, sind Effekte meist erst nach längerer<br />
Zeit abzusehen. Die Vorlage eines schriftlichen Konzepts, die in einzelnen Einrichtungen<br />
abgeschlossen werden konnte, war ein erster wichtiger Schritt. Auf der<br />
Grundlage einer solchen Vorlage muss aber mit den Mitarbeiter/innen kontinuierlich<br />
weiter gearbeitet werden. Beobachtungen, die Konzeptabweichungen erkennen lassen,<br />
müssen von den Leitungskräften immer wieder angesprochen und eine Haltungsänderung<br />
eingefordert werden. Im Rahmen der Modelllaufzeit konnten die erwünschten<br />
Wirkungen noch nicht evaluiert werden.<br />
3.3 Pflegerisches Assessment und Biografieerfassung<br />
Das pflegerische Assessment beinhaltet eine systematische Sammlung von Informationen<br />
<strong>zum</strong> einzelnen Bewohner und deren Einschätzung. Es ist die Grundlage <strong>für</strong> die<br />
Ermittlung des individuellen Pflegebedarfs. Dabei ist es wichtig, „sich nicht auf körperliche<br />
Pflegeprobleme zu beschränken, sondern auch folgende Aspekte zu berücksichtigen:<br />
Person, Persönlichkeit und Biografie,<br />
psychischer/kognitiver Status,<br />
Werthaltungen und Einstellungen,<br />
soziales Umfeld, wichtige Bezugspersonen,<br />
Verhaltensweisen,<br />
Bedürfnisse, Vorlieben und Gewohnheiten,<br />
Wissensstand des Bewohners über seine gesundheitlichen Problemlagen.“<br />
(vgl. Praxisleitfaden Teil A)<br />
Im Rahmen des Modellprojekts waren die Referenzeinrichtungen gefordert,<br />
bestimmte Anforderungen zu den organisatorischen Rahmenbedingungen, den Inhalten<br />
und den Zeitpunkten der erstmaligen Erstellung und Aktualisierung des Assessments<br />
zu erfüllen. Ergänzt wurden diese Vorgaben durch den „Kriterienkatalog zur<br />
Erfassung von Informationen zur Biografie und Lebenssituation vor Heimeinzug.<br />
Bei der Bestandsaufnahme <strong>zum</strong> pflegerischen Assessment und <strong>zum</strong> Kriterienkatalog<br />
zur Erfassung biografischer Informationen wurden in Referenzeinrichtungen unterschiedliche<br />
Mängel und Entwicklungsbedarfe entdeckt: Zum Teil<br />
fehlten Instrumente bzw. Formulare zur Erfassung wichtiger Informationen oder<br />
erwiesen sich als unzureichend,<br />
wurde das Assessment nicht oder nicht regelmäßig aktualisiert und – bezogen auf<br />
die biografischen Informationen – fortgeschrieben,<br />
waren nicht alle wichtigen Informationen in gleicher Weise zugänglich,
fehlte manchen Pflegekräften die Kompetenz, die im Assessment gesammelten<br />
Informationen in eine bedarfsangemessene Pflegeplanung zu übersetzen. Dies<br />
galt insbesondere in Bezug auf eine biografieorientierte Pflege, aber auch in<br />
Bezug auf die psychosoziale Unterstützung demenziell Erkrankter.<br />
3.3.1 Entwicklung von Instrumenten bzw. Formularen<br />
Zunächst war ein Abgleich der Anforderungen an das pflegerisches Assessment mit<br />
der tatsächlichen Vorgehensweise in der jeweiligen Einrichtung vorzunehmen. Viele<br />
Einrichtungen hatten sich in ihren bisherigen Verfahren darauf beschränkt, <strong>für</strong> die<br />
Einschätzung des Pflegebedarfs – neben vorhandenen ärztlichen Diagnosen und Verordnungen<br />
– vorrangig die AEDL-Systematik zu nutzen. Entsprechend strukturiert sind<br />
auch einschlägige Formulare, z.B. von DAN oder Standard. Bezogen auf die in 12<br />
bis 15 Kategorien unterteilten „Aktivitäten (und existenziellen Erfahrungen) des täglichen<br />
Lebens“ (ATL/AEDL) wurden jeweils Ressourcen und Probleme des/der einzelnen<br />
Bewohners/in beschrieben und nachfolgend dann Pflegeziele und Pflegemaßnahmen<br />
formuliert.<br />
Durch das Projekt wurde dieses Verfahren in einigen Einrichtungen deutlich optimiert<br />
und erweitert. Dazu wurden oft ergänzende Erhebungsinstrumente etwa zur Einschätzung<br />
kognitiver Einschränkungen, von Dekubitus- und Sturzrisiken, Schmerz und des<br />
Risikos einer Mangelernährung (z.B. Expertenstandards) in das veränderte Assessmentverfahren<br />
integriert. Beim Auffinden solcher Instrumente gab es Unterstützung<br />
seitens des IPW. Darüber hinaus half hier aber auch der intensive Austausch der<br />
Modellbeauftragten untereinander.<br />
Zur Erfassung biografischer Informationen verfügten fast alle Referenzeinrichtungen<br />
zu Beginn des Projektes über ein entsprechendes Frageraster. In den meisten Fällen<br />
führten die Anforderungen des Modellprojekts jedoch dazu, dieses vorhandene<br />
Instrument zu überarbeiten und dadurch seine Aussagefähigkeit zu verbessern.<br />
3.3.2 Regelmäßige Aktualisierung des pflegerischen Assessments<br />
Der Anforderungskatalog <strong>zum</strong> pflegerischen Assessment gibt vor, dass unmittelbar<br />
nach dem Heimeinzug eines/einer Bewohners/in Angaben zu akuten Gefährdungen<br />
sowie weitere Informationen vorliegen, die <strong>für</strong> die Versorgung in den ersten Wochen<br />
relevant sind. Das so genannte „initiale pflegerische Assessment (…) wird in den<br />
ersten zwei Wochen nach dem Einzug abgeschlossen und innerhalb von sechs<br />
Wochen nach einem Einzug aktualisiert“. Dieses soll dann regelmäßig – in Abständen<br />
von höchstens sechs Monaten – vollständig durchgeführt werden. Dies gilt dann,<br />
wenn nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt wegen gesundheitlicher Veränderungen<br />
oder wichtiger Anlässe eine erneute Durchführung erforderlich ist (vgl. Praxisleitfaden<br />
Teil A).<br />
In einigen Referenzeinrichtungen herrschte allerdings zunächst eine andere Praxis<br />
vor: Dort wurde das pflegerische Assessment in der Regel nicht fortlaufend aktualisiert.<br />
Aktuelle Veränderungen wurden nur in die Pflegeplanung aufgenommen. Allerdings<br />
hat diese Praxis auch gezeigt, „dass in dieser Zeit gesammelte Informationen<br />
nicht immer dem wirklichen IST-Stand entsprechen bzw. zu lückenhaft sind oder aber<br />
auch schlicht falsch“ (vgl. Praxisleitfaden IPW-Konzept). Der Allgemeinzustand bzw.<br />
der Unterstützungsbedarf von Bewohnern/innen verändert sich häufig, insbesondere<br />
während der ersten Wochen nach dem Heimeinzug. Daher ist eine Aktualisierung<br />
des pflegerischen Assessments innerhalb der ersten sechs Wochen nach dem Heimeinzug<br />
und eine vollständige Durchführung bei wesentlichen Veränderungen oder<br />
wichtigen Anlässen unbedingt notwendig. Der Aufwand da<strong>für</strong> war zunächst hoch,<br />
jedoch haben die Erfahrungen gezeigt, dass die Vorgaben zur Durchführung des<br />
pflegerischen Assessments eine grundlegende Voraussetzung <strong>für</strong> eine bedarfsgerechte<br />
Steuerung des Pflegeprozesses darstellen.<br />
165
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
166 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Da es bei einer regelmäßigen Aktualisierung des pflegerischen Assessments im<br />
Abstand von „höchstens sechs Monaten“ darum geht, die vorhandenen Informationen<br />
auf ihre Aktualität zu überprüfen, kann die Prüfung bereits bestehender Informationen,<br />
die sich nicht verändert haben, lediglich auf dem vorhandenen Erhebungsbogen<br />
„kenntlich gemacht werden (z.B. Datum und Handzeichen auf dem Assessmentformular)“<br />
(vgl. Praxisleitfaden Teil A). Dadurch kann sich der zeitliche und<br />
personelle Aufwand <strong>für</strong> die Aktualisierung eines pflegerischen Assessments deutlich<br />
verringern.<br />
Einige Referenzeinrichtungen haben die regelmäßige Aktualisierung des Assessments<br />
mit der Pflegevisite verbunden und dadurch ihr internes fachliches Controlling optimiert.<br />
3.3.3 Zugang zu relevanten Informationen<br />
Mehrfach stießen Fachkräfte der Referenzeinrichtungen auch auf Hürden, die es<br />
schwierig machten, relevante Informationen zur Biografie und zu psychosozialen<br />
Besonderheiten zu erhalten. So konnten oder wollten manche Bewohner/innen sowie<br />
Angehörige zu wichtigen biografischen Erfahrungen keine Auskünfte geben; viele<br />
von ihnen waren in der ersten Zeit nach dem Einzug in eine Pflegeeinrichtung mit<br />
anderen Problemen beschäftigt, als dass sie Interesse an einer Einbindung bei der<br />
Planung der Pflege oder an einem biografischen Gespräch gehabt hätten. Berufsbetreuer/innen<br />
waren bei der Sammlung biografischer Angaben nicht immer eine Hilfe,<br />
da ihnen die Informationen häufig selbst fehlten. Insbesondere bei demenziell<br />
erkrankten Bewohnern/innen ohne Angehörige war es kaum möglich, Erkenntnisse<br />
über das frühere Leben der Bewohner/innen zu erhalten. Aber selbst wenn Bewohner/innen<br />
und Angehörige bereitwillig Auskunft gaben, stellte sich <strong>für</strong> die Zuständigen<br />
Pflegefachkräfte häufig das Problem, dass sie von diesen unterschiedliche – teilweise<br />
widersprüchliche – Informationen erhielten, so dass unklar blieb, welche Angaben<br />
richtig waren.<br />
Nur <strong>zum</strong> Teil ließen – und lassen – sich solche Schwierigkeiten beheben. Umso wichtiger<br />
war es daher, dass die Referenzeinrichtungen durch die Vorgaben gefordert<br />
waren, die Sammlung solcher Informationen nicht nach der Eingewöhnungsphase<br />
neuer Bewohner/innen aufzugeben, sondern fortzuschreiben. Im Laufe des Aufenthalts<br />
von Bewohnern/innen ergaben sich so manchmal neue Chancen, durch Etablierung<br />
eines Vertrauensverhältnisses zu Bewohnern/innen und Angehörigen oder auch<br />
durch die Beobachtung von Bewohnern/innen wichtige Hinweise <strong>für</strong> eine stärker biografieorientierte<br />
und dem psychosozialen Bedarf angemessenere Pflege zu erhalten.<br />
3.3.4 Fachkompetenz <strong>für</strong> biografieorientierte Pflege und bedarfsangemessene<br />
psychosoziale Unterstützung<br />
Der Schwerpunkt der Biografieorientierung im Zusammenhang mit den Assessmentanforderungen<br />
spielte im Beratungsprozess der Einrichtungen eine wichtige Rolle.<br />
Erfolgskriterium <strong>für</strong> die Berater/innen war nicht nur die Erstellung eines verbesserten<br />
Erhebungsbogens, der dem Kriterienkatalog genügte oder auch, ob die durch den<br />
neuen Erhebungsbogen detailliertere Informationserfassung nicht nur bei neu einziehenden<br />
Bewohner/innen erfolgte, sondern auch <strong>für</strong> die anderen nachgetragen<br />
wurde. Die Berater/innen legten den Modellbeauftragten vielmehr nahe zu prüfen,<br />
ob bzw. auf welche Weise biografische Informationen in die Pflegeplanung einflossen.<br />
In vielen Einrichtungen erfolgte eine gemeinsame Durchsicht zufällig ausgewählter<br />
Pflegeplanungen aus allen vorhandenen Wohnbereichen durch den/die Modellbeauftragten/n<br />
und den/die Berater/in.<br />
Diese Soll-Ist-Analyse deckte auf, dass sich viele Pflegefachkräfte schwer damit taten,<br />
den psychosozialen Unterstützungsbedarf insbesondere bei dementen Bewohner/<br />
innen angemessen wahrzunehmen und biografische Informationen bei der Planung<br />
der Pflegemaßnahmen ausreichend zu berücksichtigen.
Es wurde bereits beschrieben, dass durch Verbesserungen der Zusammenarbeit zwischen<br />
Pflege und Sozialem Dienst eine deutliche Ausdifferenzierung der psychosozialen<br />
Angebote und eine Optimierung der Versorgung von immobilen und dementen<br />
Heimbewohner/innen erreicht werden konnte. Gleichwohl wurde in einigen Referenzeinrichtungen<br />
deutlich, dass darüber hinaus auch eine gerontopsychiatrische<br />
Qualifizierung des Pflegepersonals, teilweise auch der Fachkräfte des Sozialen Dienstes<br />
anzustreben war. Einige Einrichtungen hatten bereits vor Projektbeginn solche Qualifizierungsstrategien<br />
eingeleitet oder taten dies im Projektverlauf. Hier wurden Fachkräften<br />
längerfristige externe Weiterbildungen ermöglicht oder entsprechend qualifizierte<br />
Fachkräfte dazu ermutigt, interne Schulungen <strong>für</strong> die Kollegen/innen anzubieten.<br />
Da solche Maßnahmen, sofern im Projektverlauf mit der Realisierung begonnen<br />
wurde, über die Laufzeit des Modellprogramms hinaus andauerten, waren erkennbare<br />
Effekte während des Projekts noch nicht aus<strong>zum</strong>achen.<br />
Die Bedeutung von Biografieorientierung als ein Leitprinzip <strong>für</strong> Pflegeplanung und<br />
Pflegepraxis war vielen Pflegekräften der Referenzeinrichtungen nicht wirklich<br />
bewusst. Viele hatten Mühe, wichtige von weniger wichtigen Informationen zu unterscheiden<br />
und konnten ihre Informationssammlung nicht ausreichend mit der Pflegeplanung<br />
in Verbindung bringen. Am ehesten gelang dies noch in Bezug z.B. auf Zeiten<br />
des Aufstehens und Zubettgehens von Bewohnern/innen oder in Zusammenhang<br />
mit den Ess- und Trinkgewohnheiten („Trinkt ein Bewohner seinen Kaffee lieber<br />
schwarz oder mit Milch und Zucker?“).<br />
In manchen Einrichtungen wurden außerdem Bedenken geäußert, eine zu umfassende<br />
Sammlung von Informationen zu biografischen Erfahrungen könnte einer Verletzung<br />
des Datenschutzes gleichkommen, weil die Pflegeplanungen auch externen<br />
(MDK, Heimaufsicht) zugänglich seien. Es gab auch Beispiele da<strong>für</strong>, dass Bewohner/innen<br />
wichtige, häufig schmerzvolle oder demütigende Erfahrungen einzelnen<br />
Pflegekräften mit der ausdrücklichen Bitte um Verschwiegenheit anvertrauten.<br />
Es ist jedoch nicht Sinn und Zweck der Erfassung biografischer Informationen, den<br />
„gläsernen Bewohner“ zu schaffen. Vielmehr lassen sich die Kernprinzipien der Nutzung<br />
biografischer Informationen in den folgenden Thesen zusammenfassen:<br />
Biografische Informationen sind kein Selbstzweck, sie sollen dazu dienen, den<br />
Bewohnern/innen den Übergang von einer bisher gewohnten Umgebung in die<br />
Einrichtung und die Beheimatung dort zu erleichtern und den/die einzelne/n<br />
Bewohner/in besser zu verstehen.<br />
Biografische Informationen und biografieorientierte Gespräche helfen den Fachkräften<br />
gerade auch in der Eingewöhnungsphase den Kontakt zu<br />
Bewohner/innen herzustellen, Anknüpfungspunkte <strong>für</strong> Gespräche und Angebote<br />
der psychosozialen Begleitung zu finden und nicht zuletzt auch, das Verhalten<br />
(u.a. auch von demenziell erkrankten) Bewohnern/innen besser verstehen zu können.<br />
Biografie endet nicht mit dem Heimeinzug. Vorlieben, Interessen, wichtige Erfahrungen<br />
und Bedürfnisse können sich auch weiterhin verändern und sind daher<br />
fortzuschreiben und bei der Evaluation von Pflegeplanungen immer wieder neu zu<br />
berücksichtigen.<br />
Die wichtigen Informationen bestehen oft nicht in den Fakten selbst, sondern in<br />
der Bedeutung dieser Fakten <strong>für</strong> die einzelnen Bewohner/innen. Wichtig ist z.B.<br />
nicht die Anzahl von Kindern, Verwandten, Freunden und Bekannten, sondern die<br />
Frage, zu welchen Personen der/die Bewohner/in auch weiterhin gern Kontakt<br />
hätte und welche Bedeutung die Beziehungen <strong>für</strong> ihn/sie haben. Es ist auch nicht<br />
notwendig, beispielsweise die Missbrauchserfahrung einer Bewohnerin während<br />
des Krieges schriftlich festzuhalten; die entscheidende Information kann hier etwa<br />
darin bestehen, dass die Bewohnerin bei bestimmten Pflegemaßnahmen von<br />
weiblichen und nicht von männlichen Kräften betreut werden möchte.<br />
167
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
168 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
3.3.5 Schulungen der Mitarbeiter/innen<br />
Bezogen auf die Anforderung einer biografieorientierten Pflege sind in vielen den<br />
Referenzeinrichtungen große Anstrengungen unternommen worden, die gerade skizzierten<br />
Probleme zu bearbeiten. Zum einen wurden fast überall Schulungen <strong>zum</strong><br />
Schwerpunkt Biografierorientierung durchgeführt. Als Schulungsleiter/innen standen<br />
da<strong>für</strong> teilweise entsprechend qualifizierte Mitarbeiter/innen in den Einrichtungen<br />
oder auf der übergeordneten Trägerebene zur Verfügung, teilweise wurden auch<br />
externe Experten mit der Durchführung beauftragt.<br />
Besonders nachhaltig wirkten dabei solche Schulungen, die sich nicht auf Vorträge und<br />
kognitive Wissensvermittlung beschränkten, sondern die Bedeutung der Biografieorientierung<br />
über unmittelbares Erleben vermittelten. Exemplarisch da<strong>für</strong> waren Maßnahmen<br />
in einer Einrichtung, in der die Pflegekräfte aufgefordert wurden, den überarbeiteten<br />
Biografiebogen selbst auszufüllen und darüber zu diskutieren, welche Wünsche<br />
und Erwartungen sie selbst an eine biografieorientierte Pflege knüpfen würden.<br />
Zusätzlich zu diesen Schulungen führten viele Einrichtungen gemeinsame Fallgespräche<br />
von Pflege- und Sozialdienstmitarbeiter/innen ein, die u.a. den ausdrücklichen<br />
Auftrag hatten, der Fortschreibung biografischer Informationen und einer angemessenen<br />
Berücksichtigung solcher Informationen in der Pflegeplanung und -praxis – und<br />
damit auch im alltäglichen Umgang mit dem jeweiligen Bewohner – zu dienen.<br />
Verstärkt bzw. teilweise neu eingeführt wurde in vielen Einrichtungen auch, dass die<br />
Pflegevisite auch die angemessene psychosozialen Unterstützung und die „Übersetzung“<br />
biografischer Informationen in die Pflegeplanung prüfte.<br />
Gegen Ende der Projektlaufzeit hatte sich die Erhebung biografischer Informationen<br />
in den meisten Einrichtungen deutlich verbessert, auch bei der Nutzung solcher Informationen<br />
<strong>für</strong> die Tagesstrukturierung und Maßnahmenplanung im Einzelfall waren<br />
erkennbare Fortschritte zu verzeichnen. Deutlich wurde hier aber auch, dass manche<br />
Fachkräfte relativ schnell in der Lage waren, die Veränderungen anzunehmen und<br />
praktisch umzusetzen, während andere dazu sehr viel mehr Zeit benötigen.<br />
3.4 Pflegeplanung und Pflegedokumentation<br />
Der Konzeptbaustein „Verbesserte Dokumentationsformen“ zielt darauf, „sowohl eine<br />
Qualitätsverbesserung als auch eine Vermeidung von unnötigem Dokumentationsaufwand“<br />
zu erreichen (vgl. Praxisleitfaden Teil A“). Er empfiehlt u.a.:<br />
eine Verdichtung und Priorisierung der im Assessment zusammengetragenen Probleme,<br />
Ressourcen und Bedürfnissen eines Bewohners, d. h., es soll deutlich kenntlich<br />
gemacht werden, welches die wesentlichsten Aspekte/Problemlagen sind.<br />
dass sich die zu formulierende Pflegeziele auf diese priorisierten Problemlagen<br />
beziehen und damit gleichzeitig auch quantitativ begrenzt werden können. Nicht<br />
alle notwendigen Maßnahmen in der Pflege benötigen die Verknüpfung mit einem<br />
Pflegeziel.<br />
die Maßnahmenplanung in Form eines chronologisch strukturierten Tagesplanes<br />
erfolgt.<br />
mit Ausnahme der stets in Form von Einzelnachweisen zu dokumentierenden Maßnahmen<br />
der speziellen Pflege (Behandlungspflege) die Leistungsnachweise <strong>für</strong> die<br />
Maßnahmen des Tagesplanes bezogen auf „Maßnahmenkomplexe“ erbracht werden<br />
können (Vgl. Praxisleitfaden Teil A).<br />
Auch bei diesem Konzeptbaustein handelte es sich um eine Empfehlung. Im Unterschied<br />
zu dem anderen Baustein mit Empfehlungscharakter, der Zuständigen Pflegefachkraft,<br />
zögerten hier viele der Referenzeinrichtungen, alle Inhalte umzusetzen.
Viele Einrichtungs- und Pflegedienstleiter/innen hatten die Be<strong>für</strong>chtung, ein Abzeichnen<br />
von Maßnahmekomplexen könnte Probleme bei MDK- und Heimaufsichtsprüfungen<br />
verursachen.<br />
Gleichwohl verstärkte dieser Konzeptbaustein in fast allen Referenzeinrichtungen die<br />
intensive Auseinandersetzung mit der Qualität der vorhandenen Pflegeplanung und<br />
-dokumentation, die auch durch andere Konzeptbausteine (Leistungsbeschreibungen,<br />
Assessment und Biografieorientierung) befördert wurde. Zwar haben nur einige Einrichtungen<br />
die Empfehlungen zu verbesserten Dokumentationsformen umgesetzt. In<br />
vielen Häusern hat aber dieser Konzeptbaustein zusammen mit anderen dazu geführt,<br />
Mängel der Ist-Situation zu entdecken und zu bearbeiten.<br />
Diese Schwächen bestanden darin, dass<br />
eine unübersichtliche Vielzahl von wenig aussagefähigen Pflegezielen formuliert<br />
wurde. Mancherorts war es übliche Praxis, zu jedem AEDL ein oder mehrere Ziele<br />
zu benennen;<br />
der logische Zusammenhang zwischen Zielen und Maßnahmen nicht immer<br />
ersichtlich war.<br />
erbrachte Leistungen – und hier insbesondere auch die von den Pflegekräften<br />
„nebenbei“ realisierte psychosoziale Begleitung von Bewohnern/innen – kaum<br />
dokumentiert wurde;<br />
die Tagesberichte kaum der schichtübergreifenden Information und der Evaluation<br />
und Steuerung des individuellen Pflegeprozesses dienten. Typische Mängel waren<br />
dabei, dass z.B. der Nachtdienst besondere Vorkommnisse allzu sparsam festhielt,<br />
dass zur emotionalen Befindlichkeit von Bewohnern/innen kaum etwas ausgesagt<br />
wurde, dass Verhaltensweisen von Bewohnern/innen unkommentiert und manchmal<br />
etikettierend enthalten waren. In Einzelfällen bestanden die Tagesberichte aus<br />
der Bennennung der tatsächlich durchgeführten Maßnahmen, auch dann, wenn<br />
diese bereits in der Pflegeplanung bzw. im Tagesablaufplan benannt waren.<br />
Auch in Einrichtungen, in denen keine wesentlichen Veränderungen am Dokumentationssystem<br />
vorgenommen wurden, waren solche Erkenntnisse zu vorhandenen Mängel<br />
Anlass <strong>für</strong> Schulungen. Teilweise wurden die entsprechenden Schulungsinhalte<br />
mit der Einführung anderer Anforderungen verknüpft, z.B. mit Qualifizierungsmaßnahmen<br />
<strong>zum</strong> Assessment, zu den Leistungsbeschreibungen oder zur Zuständigen<br />
Pflegefachkraft.<br />
3.4.1 Einführung verbesserter Planungs- und Dokumentationsformen<br />
Ein Aspekt der Verbesserungen, der auch dem Konzeptbaustein zu Dokumentationsformen<br />
zuzuordnen ist, wurde im Kapitel zu den Leistungsbeschreibungen bereits<br />
angesprochen. In einigen der Einrichtungen wurden <strong>für</strong> die Maßnahmeplanung Formulare<br />
entwickelt, die sich an der Systematik der Leistungsbeschreibungen orientierten<br />
und die AEDL dieser Systematik zuordneten.<br />
In den Beratungen spielten Fragen, die sich auf die Reduzierung des Dokumentationsaufwandes<br />
bezogen, eine geringere Rolle. Im Vordergrund stand vielmehr die Tauglichkeit<br />
der Ziel- und Maßnahmeplanung <strong>für</strong> die Steuerung des Pflegeprozesses. Aus Sicht der<br />
Organisationsberatung gehörte dazu – neben der Bearbeitung der im vorangegangenen<br />
Abschnitt skizzierten Mängel – auch die Einführung von Tagesablaufplänen.<br />
Nur zwei der Referenzeinrichtungen haben die Bearbeitung des Konzeptbausteins zu<br />
verbesserten Dokumentationsformen vollständig zurückgestellt, weil die Anstrengungen<br />
vorrangig auf die Umsetzung der anderen verbindlichen Konzeptbausteine<br />
gerichtet waren. In allen anderen Häusern fand eine Auseinandersetzung statt, die<br />
überwiegend dazu führte, dass die vorhandenen Planungs- und Dokumentationsformulare<br />
optimiert wurden teilweise bei gleichzeitiger Umstellung auf ein EDV-System.<br />
169
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
170 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die Bearbeitung vorgefundener Mängel und die Verbesserung der vorhandenen Dokumentationsinstrumente<br />
hat im Prozess der Organisationsentwicklung viel Zeit und Energie<br />
gekostet. Teilweise dauerte es mehrere Monate, sich mit der zuständigen Trägerebene<br />
zu verständigen, um die Veränderungen auch über die Projektlaufzeit hinaus<br />
abzusichern. Teilweise zogen sich Verhandlungen mit den Anbietern von Dokumentationssystemen<br />
recht lange hin. Ähnliches galt <strong>für</strong> die Umstellung auf ein EDV-gestütztes<br />
System oder dessen Anpassung. Vor allem wurde viel Zeit intensiviert, um veränderte<br />
Planungs- und Dokumentationsweisen den Mitarbeiter/innen zu vermitteln.<br />
In den meisten Referenzeinrichtungen, selbst in solchen, in denen die Konzeptempfehlungen<br />
bereits vor Projektbeginn ganz oder weitgehend erfüllt worden waren,<br />
waren in den letzten Monaten der Modelllaufzeit deutliche Verbesserungen zu erkennen:<br />
Pflegeziele wurden präziser formuliert, Maßnahmen konkreter beschrieben,<br />
Tagesberichte wurden aussagefähiger, psychosoziale Leistungen wurden besser<br />
geplant und dokumentiert. In mehreren Einrichtungen gab es auch ausdrücklich positive<br />
Rückmeldungen von Seiten der zuständigen Pflegefachkräfte, dass die Veränderungen<br />
die Schlüssigkeit der Planung verbessert und damit die Planung selbst erleichtert<br />
hätten. Auch sei durch die Einführung bzw. Verbesserung der Tagesablaufpläne<br />
eine höhere Betreuungskontinuität erreicht worden. Müsse beim Ausfall einer<br />
Pflege(fach)kraft eine Vertretung einspringen, könne sich diese sehr gut an den Tagesablaufplänen<br />
orientieren.<br />
3.5 Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung in zentralen Arbeitsfeldern stationärer<br />
Pflegeeinrichtungen<br />
Die „Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung in zentralen Arbeitsfeldern“ umfassen<br />
sechs Einzelkonzepte zu den Schwerpunkten:<br />
Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung,<br />
Zusammenarbeit mit Angehörigen,<br />
Nächtliche Versorgung,<br />
Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen,<br />
Kooperation mit niedergelassenen Ärzten/innen,<br />
Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten (vgl. zu den Details Praxisleitfaden<br />
Teil A IPW-Konzepte).<br />
Die Anforderungen der Konzeptbausteine beziehen sich auf die Gestaltung eindeutiger<br />
Rahmenbedingungen und Zuständigkeitsregelungen und auf die inhaltliche<br />
Gestaltung bestimmter Schritte in diesen Prozessabläufen. Sie sind durchaus als Rahmenkonzepte<br />
<strong>für</strong> die Abfassung von QM-Handbuchkapitel zu „Schlüsselprozessen“<br />
in jeder stationären Altenpflegeeinrichtung anzusehen. Die Referenzeinrichtungen<br />
mit einem bereits recht weit entwickelten Qualitätsmanagement verfügten deshalb<br />
schon zu Beginn des Projekts über entsprechende Kapitel und Abschnitte in ihren<br />
QM-Handbüchern.<br />
Aufgabe der Referenzeinrichtungen war es, die von der wissenschaftlichen Begleitung<br />
vorgelegten Rahmenkonzepte bezogen auf die eigene Einrichtung zu konkretisieren<br />
und in die Praxis umzusetzen. Einige Anforderungen waren in allen inhaltlichen<br />
Schwerpunkten benannt. Für alle sechs Rahmenkonzepte galt, dass die Einrichtungen<br />
<strong>für</strong> jede(n) Bewohner/in eine Hauptansprechpartner/in zu benennen hatten.<br />
Mit dieser Funktion wurden in allen Einrichtungen die Zuständigen Pflegefachkräfte<br />
betraut. Auf die damit verbundenen konkreten Aufgaben und auf die Umsetzungswege<br />
ist das vorangegangene Kapitel bereits eingegangen.
Darüber hinaus war <strong>für</strong> jedes Rahmenkonzept ein einrichtungsspezifisches schriftliches<br />
Konzept zu erstellen, das bezogen auf den jeweiligen Schwerpunkt<br />
über Grundsätze, Inhalte und personelle Zuständigkeiten Auskunft gibt,<br />
die im Rahmenkonzept formulierten Anforderungen enthält,<br />
allen Mitarbeitern/innen über Information und Schulungen nahe zu bringen ist.<br />
(Vgl. Praxisleitfaden Teil A)<br />
3.5.1 Konzepterstellung<br />
In einigen Referenzeinrichtungen zeigte sich, dass die Erstellung eines schriftlichen<br />
Konzeptes den Modellbeauftragten relativ schwer fiel. Am besten gelang dies den<br />
Modellbeauftragten, die vor dem Modellprojekt als Qualitätsbeauftragte tätig waren<br />
oder eine entsprechende Weiterbildung genossen hatten. Sie fassten die Konzepte<br />
im Stil von QM-Handbuchkapiteln ab und folgten damit einer Gliederung, die von<br />
den Organisationsberatern/innen auch den anderen Modellbeauftragten empfohlen<br />
wurde. Demnach sollte ein Konzept, das über die zentralen Elemente eines Schlüsselprozesses<br />
informiert, zu den folgenden Schwerpunkten Stellung nehmen:<br />
Grundsätze: Die Bedeutung des jeweiligen Prozesses und grundlegende Ziele lassen<br />
sich beispielsweise anhand folgender Fragen ermitteln: Warum ist der Einzug eines<br />
neuen Bewohners <strong>für</strong> die Einrichtung ein besonders wichtiger Prozess? Welche Ziele<br />
sollen durch die Regelung dieses Prozesses grundsätzlich (und ggf. auch durch<br />
bestimmte Prozessphasen) erreicht werden?<br />
Arbeitsprozess: Wie gliedert sich der Arbeitsprozess, durch den diese Ziele umgesetzt<br />
werden sollen? Diese Gliederung sollte der Strukturierung der Konzeptpapiere<br />
folgen. Die einzelnen Gliederungspunkte bilden die Überschriften <strong>für</strong> logisch zusammenhängende<br />
Arbeitsschritte. Bei komplexen Prozessen, müssen jeweils die einzelnen<br />
Ziele auch <strong>für</strong> diese Prozessphasen formuliert werden.<br />
Arbeitsschritte (bezogen auf jeden Gliederungspunkt): Was ist in welcher chronologischen<br />
Reihenfolge auf welche Weise zu tun, um die Ziele umzusetzen? Wer ist <strong>für</strong><br />
die Prozesssteuerung bzw. die operative Erledigung zuständig? Was ist auf welche<br />
Weise zu dokumentieren?<br />
Weitere („mitgeltende“) Dokumente: Welche anderen Konzepte bzw. QM-Handbuchkapitel<br />
weisen Überschneidungen zu diesem Konzept auf? Welche Protokollformulare<br />
und Checklisten sind zu verwenden und wo sind diese aufzufinden?<br />
Freigabe: Von welchem Zeitpunkt an ist das jeweilige Konzept verabschiedet und<br />
gültig?<br />
Kontrolle und Steuerung: Auf welche Weise wird überprüft, ob die getroffenen Regelungen<br />
auch tatsächlich einhalten werden? In QM-Handbüchern ist diese Aufgabe<br />
meist in eigenen Ablaufstandards („Messung“ der Dienstleistung) beschrieben.<br />
Aus Sicht der Organisationsberater/innen war <strong>für</strong> die Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit,<br />
mit der ein verabschiedetes Konzept – und QM-Regelungen überhaupt – im<br />
Alltag umgesetzt wird, besonders bedeutsam,<br />
ob Mitarbeiter/innen an der Konzepterarbeitung beteiligt waren und die Ergebnisse<br />
solcher partizipativen Arbeitsprozesse auch verwendet wurden und<br />
ob der Sinn des Qualitätsmanagements verständlich erläutert und vermittelt wurde.<br />
Diese Erfolgsfaktoren <strong>für</strong> ein nachhaltig wirksames QM waren zu Beginn des Projektes<br />
nicht in allen Referenzeinrichtungen gegeben. In einzelnen Häusern waren bereits<br />
vorhandene QM-Handbuchkapitel ohne Mitarbeiterbeteiligung durch Leitungskräfte<br />
erstellt worden. In anderen hatten zwar hierarchieübergreifend besetzte Arbeitsgruppen<br />
an der Erarbeitung einzelner Themen mitgewirkt, es fehlte jedoch an der Einbin-<br />
171
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
172 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
dung der nicht unmittelbar beteiligten Kollegen/innen. In wieder anderen Häusern<br />
hatten partizipative Qualitätszirkel zwar Ergebnisse erarbeitet, aber niemand kümmerte<br />
sich um die Einhaltung der entwickelten Regelungen.<br />
3.5.2 Mitarbeiterbeteiligung und mögliche Vorgehensweisen:<br />
Bei der Bearbeitung aller übergeordneten Rahmenkonzepte hat die Organisationsberatung<br />
da<strong>für</strong> plädiert, diejenigen, die später <strong>für</strong> die Umsetzung der Konzepte zuständig<br />
sein würden, an der hausspezifischen Konkretisierung der Rahmenanforderungen<br />
zu beteiligen. Unverzichtbar war dies auch deshalb, weil die immer wieder vorzunehmenden<br />
Vergleiche zwischen der vorhandenen Praxis (Ist) und den formulierten<br />
Anforderungen (Soll) nur dann vollständig sein konnten, wenn diejenigen daran<br />
beteiligt waren, die diese Abläufe selbst gestalteten und im Alltag beobachteten. Es<br />
ging ja nicht darum, vorhandene Regelungen auf dem Papier miteinander zu vergleichen,<br />
sondern das tatsächliche Geschehen zu den Anforderungen in Beziehung zu<br />
setzen.<br />
Wie schon erwähnt geschah die Beteiligung der Belegschaft in den Referenzeinrichtungen<br />
auf unterschiedliche Weise. Einige Häuser nutzten dazu bereichs- und hierarchieübergreifende<br />
Qualitätszirkel, andere teilten die einzelnen Rahmenkonzepte einzelnen<br />
Wohnbereichsteams zur Bearbeitung zu. Mit verschiedenen Berufsgruppen<br />
und Hierarchieebenen gemischte Qualitätszirkel hatten den Vorteil, dass hier unterschiedliche<br />
Perspektiven einbezogen werden und die Besetzung je nach inhaltlichem<br />
Auftrag verändert werden konnte. Die Beauftragung von Wohnbereichsteams war<br />
ebenfalls vorteilhaft, da in unterschiedlichen Teams mehrere Schwerpunkte gleichzeitig<br />
bearbeitet werden konnten und ein solcher Auftrag die Teamentwicklung positiv<br />
beeinflusst hat. Der zeitliche Aufwand hielt sich in Grenzen, weil bereits vorhandene<br />
Besprechungsforen genutzt wurden.<br />
3.5.3 Sinnvermittlung und Ergebnisrückkoppelung:<br />
Der Sinn der Qualitätssicherung leitet sich her aus einer grundsätzlichen Haltung der<br />
Dienstleistungsorientierung. Damit ist u.a. gemeint, dass Wünsche, Bedürfnisse und<br />
Kritik von Leistungsadressaten immer ernst zu nehmen und möglichst zu beantworten<br />
sind. Ziel ist, dass die Adressaten das, was getan wird, auch als Leistung, also als<br />
<strong>für</strong> sie hilfreich und nützlich wahrnehmen. Der Begriff der Dienstleistungsorientierung<br />
ist in der Altenpflege <strong>für</strong> die Beschäftigten häufig unverständlich, ist aber eng verknüpft<br />
mit der ursprünglichen Motivation, mit der die meisten Beschäftigten in der<br />
Altenpflege sich gerade dieses Berufsfeld ausgewählt haben: Die meisten Mitarbeiter/innen<br />
möchten mit Menschen arbeiten, wollen sie unterstützen und begleiten.<br />
Geschehen kann dies allerdings in der Realität auf sehr unterschiedliche Weise, also<br />
mit unterschiedlicher Leistungsqualität. Ziel jedes Qualitätsmanagements ist es, ein<br />
definiertes Qualitätsniveau verlässlich zu sichern. Die Bewohner/innen sollen sich<br />
auf eine bestimmte Leistungsgüte verlassen können, unabhängig davon, ob sie in dieser<br />
oder jener Pflegeeinrichtung, diesem oder jenem Wohnbereich, von dieser oder<br />
jener Pflegefachkraft betreut werden. Zu erreichen ist diese Verlässlichkeit nur durch<br />
die Standardisierung von Abläufen.<br />
Ein wichtiges Kriterium <strong>für</strong> die Einhaltung verlässlicher Qualitätsniveaus ist die Wirksamkeit<br />
(Effektivität) von entsprechenden Leistungen. Indikatoren da<strong>für</strong> werden abgeleitet<br />
aus den zentralen Pflegezielen und der physischen und psychischen Befindlichkeit<br />
der Bewohner/innen: Sind prophylaktische Maßnahmen und Behandlungspflege<br />
zielangemessen? Wird nachweislich darauf hingewirkt, dass vorhandene Fähigkeiten<br />
erhalten bzw. erweitert werden? Inwieweit entspricht ihre Versorgung und Betreuung<br />
ihrem tatsächlichen Bedarf?<br />
Ein weiteres übergeordnetes Kriterium ist das der Wirtschaftlichkeit (Effizienz). Darunter<br />
versteht man einen möglichst rationellen Einsatz von Personal, Zeit und Geld,<br />
um ein bestmögliches Leistungsniveau zu erhalten oder zu erreichen. Mit Blick auf ein<br />
definiertes Ziel ist die Umsetzung dann umso effizienter, je weniger Ressourcen
genutzt werden müssen. Mit Blick auf die Ressourcen wird dann effizient gearbeitet,<br />
wenn mit den vorhandenen Kontingenten an Personal, Zeit und Geld möglichst viel<br />
erreicht werden kann.<br />
Beim Aufbau bzw. der Weiterentwicklung des Qualitätsmanagements ist es wichtig,<br />
diese Begründungszusammenhänge den Beschäftigten nahe zu bringen und mit<br />
ihnen zu diskutieren, denn letztlich kann nur ihr alltägliches Handeln <strong>für</strong> eine verlässliche,<br />
effektive und effiziente Leistungsqualität sorgen. Den Beschäftigten muss deutlich<br />
gemacht werden, dass unter den gegebenen Bedingungen eine nachweisbare<br />
Wirksamkeit der Leistungen und nicht zuletzt die Wirtschaftlichkeit einer Einrichtung<br />
auch die Konkurrenzfähigkeit und damit die eigenen Arbeitsplätze sichern kann.<br />
Allerdings darf dies nicht in Frontalvorträgen geschehen, sondern auf eine Weise,<br />
welche die Mitarbeiter auffordert, sich mit den eigenen Meinungen, vielleicht auch<br />
Be<strong>für</strong>chtungen in einen Diskurs einzubringen. Sinnvermittlung ist mehr als Information,<br />
sondern ein Weg, eine bestimmte Haltung in der Einrichtung zu verankern. Dort,<br />
wo über Leistungsqualität und deren Verlässlichkeit, über Reibungsverluste und deren<br />
Vermeidung in Abständen immer wieder miteinander gesprochen wird, entwickelt<br />
sich ein gemeinsames Gefühl von Verantwortung <strong>für</strong> die zu erbringende Leistungsgüte,<br />
ein Qualitätsbewusstsein der gesamten Mitarbeiterschaft.<br />
Auch vor dem Hintergrund solcher Überlegungen, die in manchen Einrichtungen<br />
besprochen wurden, hielten die Organisationsberater/innen Formen der unmittelbaren<br />
Beteiligung von Mitarbeiter/innen <strong>für</strong> unverzichtbar. Allerdings konnte in den<br />
Referenzeinrichtungen unabhängig von den oben beschriebenen verschiedenen Beteiligungswegen<br />
immer nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Mitarbeitern/innen an<br />
der Entwicklung und Konkretisierung der Rahmenkonzepte in Form von schriftlichen<br />
Konzepten beteiligt werden. Umso wichtiger war es, die anderen Beschäftigten in<br />
Form von Sinnvermittlung und Ergebnisrückkoppelung einzubeziehen. Gerade weil es<br />
daran in manchen Einrichtungen in der Vergangenheit gemangelt hatte, fehlte dort<br />
vielen Mitarbeitern/innen das Bewusstsein <strong>für</strong> die tatsächliche Bedeutung des Qualitätsmanagements.<br />
Zu be<strong>für</strong>chten war, dass sie ohne einen hausinternen Diskurs und<br />
eine Rückkoppelung der Arbeitsergebnisse auch die Bearbeitung der Rahmenkonzepte<br />
bestenfalls <strong>für</strong> das Erfüllen einer externen Auflage halten würden.<br />
In den Beratungsgesprächen mit Modellbeauftragten, aber auch mit den Leitungskräften<br />
mancher Einrichtungen thematisierten die Organisationsberater/innen diese<br />
Gefahr und wirkten darauf hin, die vorhandenen Kommunikationsstrukturen und auch<br />
die Mitarbeiterschulungen <strong>für</strong> Sinnvermittlung und Ergebnisrückkoppelung zu nutzen.<br />
Wenn die schriftlichen Konzepte erarbeitet, ggf. in das QM-Handbuch aufgenommen<br />
und in den Einrichtungen verabschiedet waren, begann jeweils die Schulung der Mitarbeiter/innen,<br />
die von den Modellbeauftragten übernommen wurde. Anders als bei<br />
den Leistungsbeschreibungen war es hier nicht notwendig, dass sich alle<br />
Mitarbeiter/innen mit den Anforderungen der ursprünglichen Konzeptbausteine vertraut<br />
machten. Die Schulungen stellten das hausintern erarbeitete Konzept bzw. QM-<br />
Handbuchkapitel in den Vordergrund und zielten darauf, alle Mitarbeiter/innen über<br />
die Inhalte zu informieren und ihnen zu verdeutlichen, welche veränderten bzw. neuen<br />
Verfahrensweisen in Bezug auf jeden dieser Rahmenkonzepte in Zukunft zu beachten<br />
waren.<br />
3.6 Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung<br />
Dieses Rahmenkonzept <strong>zum</strong> Heimeinzug formuliert u.a. Anforderungen an eine gute und<br />
koordinierte Vorbereitung, an eine intensive und einfühlsame Begleitung des/der neuen<br />
Bewohners/in während der Eingewöhnung und an die Einhaltung von Fristen bezogen<br />
auf das vorzunehmende Assessment und die Erstellung der Pflegeplanung. In vielen Refe-<br />
173
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
174 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
renzeinrichtungen waren zu diesem Schwerpunkt bereits Festlegungen in Form von QM-<br />
Handbuchkapiteln oder Verfahrensanweisungen vorhanden. Gleichwohl gab es fast überall<br />
kleinere, manchmal auch größere Entwicklungsbedarfe. Gleichwohl konnte gerade<br />
bei diesem Rahmenkonzept gut an die vorhandene Praxis angeknüpft werden.<br />
3.6.1 Internes Schnittstellenmanagement<br />
In einigen Referenzeinrichtungen konnten durch die Soll-Ist-Analyse Schwachstellen in<br />
Bezug auf die koordinierte Zusammenarbeit zwischen der Pflege und anderen Dienstbereichen<br />
der Einrichtung entdeckt und bearbeitet werden. Zum Einen galt dies <strong>für</strong><br />
die Kooperation mit dem Sozialen Dienst, der vielfach <strong>für</strong> die Erhebung biografischer<br />
Informationen zuständig war. Welche Probleme es gab und wie sie bearbeitet wurden,<br />
wurde ausführlich dargestellt.<br />
Zum Anderen deckte die Bestandsaufnahme mehrfach Mängel in der Zusammenarbeit<br />
mit der Hauswirtschaft auf. Meist ging es nur um Kleinigkeiten, etwa, dass vergessen<br />
worden war, eine Flasche Mineralwasser aufs Zimmer zu stellen. Um hier<br />
Abhilfe zu schaffen, wurden in Qualitätszirkeln Checklisten neu entwickelt bzw. überarbeitet.<br />
Vor allem wurde da<strong>für</strong> gesorgt, dass die Checklisten tatsächlich auch<br />
genutzt und von der zuständigen Leitungskraft kontrolliert wurden.<br />
3.6.2 Begleitung der Eingewöhnungsphase<br />
Obwohl in den meisten Referenzeinrichtungen Regelungen zur Gestaltung des Heimeinzugs<br />
schriftlich festgelegt waren, fehlten bei vielen Standards zur Begleitung der<br />
Eingewöhnungsphase. Im Rahmenkonzept ist die Anforderung formuliert, dass „der<br />
Hauptansprechpartner in enger Kooperation mit dem Sozialen Dienst eine bedarfsund<br />
bedürfnisgerechte Begleitung der Bewohner während der ersten Phase des Heimaufenthalts“<br />
zu sichern hat. Konkret solle er oder seine Vertretung „regelmäßig, nach<br />
Möglichkeit täglich“ Kontakt aufnehmen (vgl. Praxisleitfaden Teil A).<br />
Dies ist ein Beispiel da<strong>für</strong>, dass sich Qualitätsmanagement nicht nur darauf beschränken<br />
darf, Festlegungen <strong>für</strong> standardisierbare Sachverhalte zu formulieren. Standardisierbar<br />
ist die Häufigkeit der Kontaktaufnahme und die Zuständigkeit. Was aber<br />
heißt eine „bedarfs- und bedürfnisgerechte Begleitung“ und wie unterscheidet sich<br />
dieser Ablauf vom Alltag und der Pflege von Bewohnern/innen, die bereits länger in<br />
der Einrichtung leben?<br />
Im Rahmen der Bearbeitung dieses Konzeptbausteins wurden diese Fragen in den<br />
Projektgruppen diskutiert und so das Qualitätsbewusstein der Beschäftigten<br />
geschärft.<br />
Manche Einrichtungen haben sich darauf verständigt, dass in Übergaben und bei<br />
Fallgesprächen neue Bewohner/innen immer besonders zu berücksichtigen sind.<br />
Man tauschte sich z.B. darüber aus,<br />
ob es Äußerungen oder Hinweise darauf gibt, dass ein/e neue/r Bewohner/in<br />
sich wohl fühlt oder nicht, bzw. ob die Angehörigen zufrieden sind und wie diese<br />
in der Begleitung genutzt bzw. abgestellt werden können,<br />
ob Be<strong>für</strong>chtungen, Ängste, Beschwerden formuliert werden und wie darauf zu reagieren<br />
ist,<br />
ob es Themen, Interessen, Formen der Kontaktaufnahme o.ä. gibt, die dem/der<br />
Bewohner/in besonders wichtig sind,<br />
welche Verhaltensweisen der/die Bewohner/in an den Tag legt und wie diese zu<br />
verstehen sind,<br />
welche biografischen Informationen <strong>für</strong> die ressourcenorientierte und psychosoziale<br />
Unterstützung und Begleitung des/der Bewohner/in relevant sein könnten.<br />
Wichtig war es in diesem Zusammenhang, immer wieder dazu aufzufordern, entsprechende<br />
Informationen auch in den Tagesberichten festzuhalten.
Die Erörterung solcher Fragen bei Übergaben und Fallgesprächen dienten der Sensibilisierung<br />
der Fachkräfte und führten nicht selten zu konkreten Hinweisen, wie der<br />
Kontakt zu einem/einer bestimmten Bewohner/in zu gestalten sei.<br />
3.6.3 Das Integrationsgespräch<br />
Eine weitere Lücke in den vorhandenen QM-Handbüchern betraf die vom Rahmenkonzept<br />
geforderte Durchführung eines Integrationsgesprächs innerhalb der ersten<br />
sechs Wochen nach Einzug eines/einer neuen Bewohners/in. Umgesetzt wurde<br />
diese Anforderung in vielen Referenzeinrichtungen durch die Verbindung dieses Integrationsgesprächs<br />
mit der ersten Pflegevisite bzw. Pflegeevaluation. Ähnlich wie bei<br />
der Begleitung der Eingewöhnungsphase war es auch hier wichtig, neben der Festlegung<br />
von Fristen und Zuständigkeiten die inhaltliche Durchführung mit den zuständigen<br />
Pflegefachkräften zu diskutieren. Allerdings konnte hier die Standardisierung<br />
weiter gehen als bei der Eingewöhnung. In einigen Referenzeinrichtungen wurden<br />
die vorhandenen Formulare <strong>für</strong> den Ergebnisbericht von Pflegevisite/Pflegeevaluation<br />
<strong>für</strong> diesen Anlass zu überarbeitet und erweitert, so dass die empfohlenen Themen<br />
<strong>für</strong> das Integrationsgespräch, wie die „Privatsphäre, Entscheidungsautonomie,<br />
Selbständigkeit, Informationsbedarf, soziale Kontakte, Angebote, Tagesstrukturierung,<br />
pflegerische und hauswirtschaftliche Versorgung“ angesprochen und dokumentiert<br />
werden konnten (vgl. Praxisleitfaden Teil A „Unterstützung beim Einzug in eine<br />
Pflegeeinrichtung“). Dabei wurde auch festgelegt, wer neben dem/der jeweiligen<br />
Bewohner/in und dem/der Hauptansprechpartner/in teilnimmt (z.B. Angehörige,<br />
Wohnbereichs-, Pflegedienstleitung).<br />
3.7 Zusammenarbeit mit Angehörigen<br />
Das Rahmenkonzept zur Zusammenarbeit mit Angehörigen beinhaltet Anforderungen,<br />
die deutlich machen, dass zwar an erster Stelle die Bewohner/innen selbst, darüber<br />
hinaus aber auch die Angehörigen als Leistungsadressaten und in gewisser<br />
Weise auch als Mitwirkende am Leistungsgeschehen betrachtet werden. Wo dies<br />
dem Wohl und Interesse des Bewohners dient, sollen die Einrichtungen u.a.<br />
den Kontakt zwischen Bewohnern/innen und Angehörigen unterstützen,<br />
Angehörigen gezielt in die Pflegeplanung und – wenn möglich – auch in die Pflegepraxis<br />
einbeziehen, was auch erfordert, dass die Gespräche mit Angehörigen<br />
zu dokumentieren sind,<br />
<strong>für</strong> ein hohes Maß an Informationstransparenz sorgen,<br />
den Angehörigen verlässliche Zugangswege <strong>für</strong> Kommunikation, Fragen, Kritik<br />
eröffnen.<br />
Schon vor Projektbeginn wurde in allen Referenzeinrichtungen gut mit den meisten<br />
Angehörigen von Bewohnern/innen zusammengearbeitet. Abweichungen von den<br />
Anforderungen des Rahmenkonzepts bezogen sich vor allem auf die folgenden Punkte:<br />
Eine überwiegend konzeptkonforme gelebte Praxis war nicht durch Verfahrensanweisungen<br />
bzw. QM-Handbuchkapitel standardisiert und somit nicht hinreichend<br />
verlässlich.<br />
Die Dokumentation relevanter Gesprächinhalte nach Kontakten mit Angehörigen<br />
fand vielfach nicht statt.<br />
Die Einbeziehung von Angehörigen in die Pflegeplanung, vor allem aber in die<br />
Pflegepraxis war in einem Teil der Einrichtungen entwicklungsbedürftig. Ersteres<br />
beschränkte sich vielfach auf Gespräche im Rahmen der Pflegevisite, der zweite<br />
Punkt wurde allzu zufällig realisiert und war z.B. abhängig von Fragen des Zeitdrucks<br />
<strong>für</strong> die Pflegekräfte in bestimmten Pflegephasen oder auch von dem jeweils<br />
individuellen Bezug einzelner Pflegekräfte zu einzelnen Angehörigen.<br />
175
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
176 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
In einigen Häusern fühlten sich die Pflegekräfte nicht kompetent genug, um auch<br />
schwierige und konfliktträchtige Kontakte mit Angehörigen zu meistern.<br />
3.7.1 Konzepterstellung und Verbesserung von Verfahrensstandards<br />
Die Bearbeitung des Rahmenkonzeptes zur Zusammenarbeit mit Angehörigen hat in<br />
etwa der Hälfte der Referenzeinrichtungen dazu geführt, dass wichtige Elemente dieser<br />
Kooperation festgeschrieben wurden. In einigen Fällen war dabei sehr gut auf<br />
einer schon vorhandenen Praxis aufzubauen. In den vielfach schon vor dem Projekt<br />
vorhandenen QM-Handbüchern waren Bedeutung und Stellenwert der Zusammenarbeit<br />
mit Angehörigen nicht immer herausgearbeitet. Teilweise lag dies auch an einer<br />
ungünstigen Systematik: Standards <strong>zum</strong> Umgang mit Angehörigen waren manchmal<br />
nicht in einem eigenen Kapitel zusammengefasst. Angaben dazu fanden sich vielmehr<br />
in der Beschreibung anderer bewohnerbezogener Prozesse (Heimeinzug, Sterbebegleitung<br />
u.a.) oder beschränkten sich auf Festlegungen <strong>zum</strong> Beschwerdemanagement<br />
und zur jährlichen Kundenbefragung. Durch die Konzepterarbeitung in den Einrichtungen<br />
kam es zur Zusammenfassung dieser elemente in einem eigenen QM-Kapitel.<br />
Zur Entwicklung und Erweiterung von Verfahrensstandards gehörte auch die Auseinandersetzung,<br />
auf welche Weise die Kontaktmöglichkeiten von Angehörigen und<br />
Pflegekräften zu regeln seien. Mehrere Einrichtungen hatten bereits vor dem Modellprojekt<br />
mit Angehörigensprechstunden experimentiert, einige taten dies angeregt<br />
durch den Konzeptbaustein. Die Erfahrung war durchgehend, dass die Angehörigen<br />
solche Angebote kaum annahmen.<br />
Es zeigte sich immer wieder, dass Angehörige gern unmittelbar mit einer Pflegekraft<br />
sprechen wollten, wenn sie Fragen hatten oder ein Problem aufgetaucht war. Sie<br />
wandten sich dann in „Tür-und-Angel-Gesprächen“ an die Person, die gerade „greifbar“<br />
war.<br />
Aus Sicht der Organisationsberatung sind solche spontanen Kontakte <strong>für</strong> die Gestaltung<br />
einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Pflegekräften und Angehörigen ein<br />
wichtiges Medium. Es ist bedeutsam, dass den Angehörigen in diesen Situationen die<br />
prinzipielle Kommunikations- und Hilfsbereitschaft der Pflegekräfte vermittelt wird.<br />
Deshalb durfte im Modellprojekt das Ziel nicht darin bestehen, solche spontanen<br />
Gespräche zu vermeiden. Vielmehr ging es in den Einrichtungen darum, die richtige<br />
Balance zu finden: wenn es im Einzelfall möglich war, sofort oder nach kurzer Wartezeit<br />
miteinander zu sprechen, dann sollte dies auch geschehen. Musste ein<br />
Gespräch aus zeitlichen oder auch inhaltlichen Gründen auf einen späteren Zeitpunkt<br />
verschoben werden, so sollte alles getan werden, um diesen Zeitpunkt zwischen<br />
dem jeweiligen Angehörigen mit dem <strong>für</strong> die Frage richtigen Gesprächspartner<br />
sofort zu vereinbaren.<br />
Selbstverständlich war bei diesen Diskussionen und Planungen zu berücksichtigen,<br />
dass spontane Gesprächswünsche von Angehörigen zu bestimmten Zeiten oder in<br />
besonderen Situationen auch zu einer empfindlichen Störung der pflegerischen Versorgung<br />
von Bewohnern/innen führen konnten. Umso wichtiger war es, die Informationstransparenz<br />
zu verbessern. Auch hier wurden von einigen Referenzeinrichtungen<br />
Veränderungen vorgenommen, etwa durch eine Überarbeitung und ergänzende Hinweise<br />
im vorhandenen Informationsmaterial, das Angehörigen bei Neueinzügen übergeben<br />
wurde. Dazu gehörte auch die Information darüber, wer die <strong>für</strong> sie zuständigen<br />
Pflege(fach)kräfte waren und wann diese am ehesten zu erreichen waren.<br />
3.7.2 Entwicklung von Angeboten <strong>für</strong> Angehörige:<br />
Zu den Verbesserungen, die durch den Konzeptbaustein zur Angehörigenarbeit realisiert<br />
wurden, gehörte auch die Optimierung von Angeboten <strong>für</strong> Angehörige.<br />
Zunächst war dazu die Unterstützung und Beratung beim Umgang mit dem/der<br />
Bewohner/in zu zählen. Oft fühlten sich Angehörige beim Umgang mit ihrem Verwandten<br />
hilflos und überfordert. Dies galt besonders dann, wenn es sich um demen-
ziell veränderte Bewohner/innen handelte oder solche, die nicht mehr sprachlich<br />
kommunizieren konnten und bettlägerig waren. Hilfreich war hier, den Angehörigen<br />
Möglichkeiten zu geben, bei Betreuungsmaßnahmen anwesend zu sein bzw. sie<br />
dabei zu beraten, wie sie den Kontakt gestalten könnten. In einigen Einrichtungen<br />
wurden Pflegekräfte auch aufgefordert, mit Angehörigen zu besprechen, wie sie<br />
durch das Mitbringen von Gegenständen und Materialien (Bilder, Fotos, aber auch<br />
andere Dinge zur Anregung der sinnlichen Wahrnehmung) die Kontaktaufnahme<br />
erleichtern und viel dazu beitragen können, das Umfeld ihres Verwandten freundlicher<br />
und anregungsreicher zu gestalten. Auch solche Hinweise waren geeignet,<br />
den Gefühlen von Hilflosigkeit und Überforderung entgegen zu wirken.<br />
Zur Qualitätsentwicklung der Angebote <strong>für</strong> Angehörige gehörte auch die Gestaltung<br />
von Angehörigenabenden. In einigen Einrichtungen war es schon vor dem Projekt<br />
übliche Praxis, solche Angebote auch wohnbereichsbezogen durchzuführen. In vielen<br />
Häusern wurden solche wohnbereichsbezogenen Angebote jedoch erst durch<br />
den Konzeptbaustein eingeführt. Der inhaltliche Schwerpunkt konnte dabei in stärkerem<br />
Maße auf die Beantwortung konkreter Fragen, den Austausch über Erfahrungen<br />
mit Bewohnern/innen und die Erläuterung spezifischer Versorgungsleistungen gelegt<br />
werden. Sehr gut waren die Erfahrungen in einer Einrichtung, in der die Pflegekräfte<br />
gefordert waren, Elemente ihrer Arbeit durch vorbereitete Präsentationen vorzustellen.<br />
3.7.3 Möglichkeiten und Grenzen bei Konflikten<br />
Die Probleme im Umgang mit „schwierigen“ Angehörigen, die im Rahmen der<br />
Bestandsaufnahme zu diesem Konzeptbaustein von Mitarbeitern/innen benannt wurden,<br />
waren in mehreren Referenzeinrichtungen auch Beratungsschwerpunkt. Sowohl<br />
in den Gesprächen mit den Modellbeauftragten als auch in Kontakten zu Wohnbereichsleitungen,<br />
in Einzelfällen auch mit ganzen Wohnbereichsteams wurde auf diese<br />
Fragen eingegangen.<br />
Deutlich wurde dabei, dass es den Pflegekräften teilweise an Kompetenzen <strong>für</strong> die<br />
Gesprächsführung in Konfliktsituationen mangelt. Zu einer solchen Gesprächsführungskompetenz<br />
gehört vor allem auch die Fähigkeit, das Anliegen des Gegenübers,<br />
auch wenn es sich um eine Beschwerde handelt, ernst zu nehmen und sich in<br />
dessen Situation hineinversetzen zu können. Als schwierig erleben die Pflegekräfte<br />
häufig solche Angehörige, die besondere – aus Sicht der Pflegenden „überzogene“<br />
– Anforderungen an die Pflegeleistungen stellen oder sich leicht beschweren, wenn<br />
nicht alles so läuft, wie sie sich das vorstellen. Ob Pflegekräfte sich in solchen konflikthaften<br />
Kontakten angegriffen oder zu Widerspruch gereizt fühlen, hängt nicht<br />
zuletzt davon ab, wie sie solches Verhalten deuten. Wenn sie es als Ausdruck einer<br />
persönlichen negativen Charaktereigenschaft verstehen, ist die Gefahr groß, dass sie<br />
darauf unangemessen – abweisend oder auch zu ängstlich – reagieren. Deuten sie<br />
es als Hinweis, darauf, dass solche Angehörige, wenn sie schon nicht die Pflege des<br />
Bewohners selbst übernehmen können, die eigene Fürsorglichkeit auf andere Weise<br />
zeigen möchten, fällt es viel leichter, verständnisvoll und zugewandt zu bleiben und<br />
die Sorge um das Wohl des Bewohners als die verbindende Gemeinsamkeit herauszustellen.<br />
Einige Referenzeinrichtungen haben durch das Modellprojekt die Notwendigkeit<br />
erkannt, diese Thematik in ihr Schulungsprogramm aufzunehmen bzw. inhaltlicher auszurichten<br />
und sich nicht nur auf die Informationsvermittlung <strong>zum</strong> neuen bzw. überarbeiteten<br />
Konzept oder zu den Verfahrenswegen beim Beschwerdemanagement zu<br />
beschränken. Allerdings haben solche Schulungen im Projektzeitraum erst spät begonnen<br />
oder waren wegen anderer Prioritätensetzung sogar erst <strong>für</strong> einen Zeitraum nach<br />
Projektende planbar, so dass Effekte noch nicht beobachtet werden konnten.<br />
177
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
3.8 Nächtliche Versorgung<br />
178 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Das Rahmenkonzept zur „Nächtlichen Versorgung“ forderte von den Referenzeinrichtungen<br />
die Sicherstellung einer fachkompetenten Versorgung und Betreuung über 24<br />
Stunden unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts (vgl. Praxisleitfaden Teil<br />
A „Nächtliche Versorgung“). Zu den zentralen Elementen des Konzeptbausteins<br />
gehört u.a., dass<br />
die Einrichtungen in stärkerem Maße als bisher auf individuelle Pflege- und Betreuungsbedürfnisse<br />
in den Abend- und Nachtstunden achtet und ein adäquates<br />
abendliches/nächtliches Versorgungsangebot sicher stellt,<br />
bei Organisationsformen mit nur im Nachtdienst arbeitenden Fachkräften die<br />
Beteiligung des Nachtdienstmitarbeiter/innen an der Pflegeplanung und die fachliche<br />
Kommunikation zwischen Nachtdienst und Tagdiensten gesichert sein muss,<br />
Störungsquellen (Lärm, Licht u.ä.) eliminiert werden,<br />
Nachtdienstmitarbeiter/innen von mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen entlastet<br />
sind.<br />
In einigen Referenzeinrichtungen deckte die Bestandsaufnahme vor allem bezogen<br />
auf diese Punkte Mängel auf. Sie wurden in den Sitzungen von Modellbeauftragten<br />
und jeweiligem Organisationsberater bearbeitet. In die Soll-Ist-Analysen und die Entwicklung<br />
von Problemlösungen waren in fast allen Einrichtungen Fachkräfte aus dem<br />
Nachtdienst einbezogen. Allerdings wurde das Rahmenkonzept zur nächtlichen Versorgung<br />
relativ spät im Projektverlauf vorgelegt. In dieser Zeit waren die Referenzeinrichtungen<br />
damit beschäftigt, die vorher eingebrachten Konzeptbausteine einzuführen<br />
und zu erproben. Je nach Ausgangssituation war dies mit viel Aufwand verbunden<br />
und hat in einigen Fällen dazu geführt, dass die Bearbeitung der nächtlichen<br />
Versorgung zurückgestellt wurde. Aus diesem Grund konnten einige Veränderungen,<br />
die bezogen auf diesen Schwerpunkt geplant wurden, im Rahmen der Projektlaufzeit<br />
noch nicht umgesetzt oder systematisch erprobt werden.<br />
Andererseits hatten einige Einrichtungen mit der Bearbeitung dieses Schwerpunktes<br />
bereits begonnen, bevor das Konzeptpapier vorlag. In gemeinsamen Workshops mit<br />
Mitarbeiter/innen aus der Tag- und Nachtdienste wurden Verbesserungsvorschläge<br />
entwickelt und umgesetzt. Es zeigte sich später, dass diese sich durchaus mit den formulierten<br />
Anforderungen deckten.<br />
3.8.1 Verbesserung von Arbeitsabläufen<br />
Unabhängig davon, ob es gelungen ist, noch in der Projektlaufzeit ein einrichtungsspezifisches<br />
Konzept zu erarbeiten und umzusetzen, hat die Auseinandersetzung,<br />
die in den meisten Einrichtungen <strong>zum</strong> Thema Nachtdienst stattgefunden hat, an verschiedenen<br />
Stellen <strong>für</strong> Verbesserungen gesorgt. Die Mitarbeiter/innen wurden da<strong>für</strong><br />
sensibilisiert, sich so zu verhalten, dass sie die Nachtruhe von Bewohner/innen –<br />
etwa durch quietschendes Schuhwerk oder zu helle Lampen u.a. – nicht störten. Vielfach<br />
wurden die Arbeitsabläufe genauer analysiert und optimiert. Manche mittelbar<br />
bewohnerbezogenen Tätigkeiten – wie das Stellen der Medikamente oder das Herauslegen<br />
von Kleidungsstücken <strong>für</strong> das Ankleiden am Morgen u.ä. – konnte in den<br />
vorausgehenden bzw. folgenden Dienst verlagert werden. Dadurch gewannen die<br />
Nachtdienstmitarbeiter/innen Zeit <strong>für</strong> persönliche Gespräche und Kontakte mit<br />
Bewohner/innen, insbesondere mit solchen, deren Tag-Nacht-Rhythmus verändert<br />
war und sich über eine persönliche Kontaktaufnahme freuten.<br />
Gleichzeitig waren die Nachtdienstmitarbeiter/innen gehalten, genau auf das Verhalten<br />
von Bewohner/innen während der Nacht zu achten und Besonderheiten in<br />
den Tagesberichten zu dokumentieren. Für Bewohner/innen, die in der Nacht wach<br />
und aktiv waren, wurde auf den Wohnbereichen die Möglichkeit geschaffen, sich mit
Getränken und einem Imbiss zu versorgen. Wo dies durch die Architektur möglich<br />
war, wurden auch abgegrenzte Sitzecken oder Räume <strong>für</strong> ein spätes Zusammensitzen<br />
oder Fernsehen eingerichtet.<br />
3.8.2 Änderung von Dienstzeiten<br />
Einige Referenzeinrichtungen veränderten die Dienstzeiten von Spät-, Früh- und<br />
Nachtdienst. Durch eine Verlängerung des Spätdienstes oder den früheren Arbeitsbeginn<br />
am Morgen wurde die Voraussetzung da<strong>für</strong> geschaffen, dass die<br />
Bewohner/innen in stärkerem Maße selbst bestimmen konnten, wann sie zu Bett<br />
gehen oder aufstehen wollten. Auch war eine Teilnahme an abendlichen Angeboten<br />
so besser zu organisieren. Dass sich die Dienste stärker zeitlich überschnitten, sorgte<br />
<strong>für</strong> eine Verbesserung der Übergabe und mehr Austausch zu einzelnen<br />
Bewohnern/innen.<br />
Einige Einrichtungen haben wechselseitige Hospitationen von Tag- und Nachtdienst<br />
eingeführt. Teilweise waren dies nicht nur Ausnahmeregelungen. Vielmehr waren die<br />
Pflegekräfte die tagsüber bzw. in der Nacht arbeiteten, gefordert, in jedem Jahr<br />
einen definierten Zeitraum in der jeweils anderen Schicht Dienst zu tun.<br />
In manchen Referenzeinrichtungen war der Konzeptbaustein zur nächtlichen Versorgung<br />
Auslöser oder Ansporn <strong>für</strong> weit reichende Veränderungen bzw. Planungen.<br />
Diese bezogen sich auf das Konzept der „24-Stunden-Pflege“: Mittelfristig soll<br />
erreicht werden, dass alle Pflegekräfte alle Dienstzeiten abdecken und es keine<br />
eigene Mitarbeitergruppe <strong>für</strong> den Nachtdienst mehr gibt. Die 24-Stunden-Pflege wird<br />
durch das Konzeptelement nicht eingefordert, allerdings erleichtert sie die Umsetzung<br />
einiger inhaltlicher Anforderungen. Manche Träger/Einrichtungen hatten diese<br />
Umstrukturierung unabhängig vom Modellprojekt als strategische Zielsetzung formuliert<br />
und begannen die Umsetzung in der Projektlaufzeit. Andere einigten sich auf<br />
dieses Ziel, nachdem sie sich mit dem Rahmenkonzept auseinander gesetzt hatten,<br />
verschoben die Umsetzung jedoch auf die Zeit nach Beendigung des Modellprojekts.<br />
In einzelnen Einrichtungen ging die Abschaffung des reinen Nachtdienstes mit einen<br />
Wechsel im Unterstellungsverhältnis einher. Meist waren die Nachtdienstmitarbeiter/innen<br />
vorher direkt der Pflegedienstleitung unterstellt. Mit der Umstrukturierung<br />
wurden sie Mitglieder der Wohnbereichsteams und unterstanden der Wohnbereichsleitung.<br />
Eine solche Regelung erleichterte auch die Organisation der Pflege nach<br />
dem Konzept der Zuständigen Pflegefachkraft, weil sich die Zahl der examinierten<br />
Fachkräfte, die auch im Tagdienst zur Verfügung standen, erhöhte.<br />
Die Veränderungen von Dienstzeiten und insbesondere die Abschaffung des Dreischichtsystems<br />
wurde in den Referenzeinrichtungen durch eine intensive Kommunikation<br />
mit den Mitarbeiter/innen in Team- und Einzelgesprächen vorbereitet und begleitet.<br />
Für manche Pflegekräfte griffen die veränderten zeitlichen Anforderungen merkbar<br />
in ihre familiäre Situation und Lebensorganisation ein. Wichtig war, dass nach<br />
flexiblen Lösungen <strong>für</strong> Probleme gesucht wurde und je nach Lebensumständen auch<br />
Übergangs- oder Ausnahmeregelungen möglich waren. Diese wurden auch in den<br />
Teams offen besprochen, um durch Transparenz dem Eindruck vorzubeugen, einzelne<br />
Mitarbeiter/innen würden bevorzugt behandelt.<br />
3.8.3 Kooperation von Tag- und Nachtdienst<br />
In der Mehrzahl der Referenzeinrichtungen blieb es in der Projektlaufzeit bei der<br />
Beschäftigung von Dauernachtwachen. Wie die Bestandsaufnahme gezeigt hatte,<br />
hatten sich auch hier vielfach zwei unterschiedliche Beschäftigtengruppen gebildet,<br />
die kaum miteinander kommunizierten und nebeneinander her arbeiteten: Der Tagdienst<br />
wusste nicht viel über die Erfahrungen des Nachtdienstes und umgekehrt. Die<br />
Fachkräfte im Tag- und Nachtdienst erlebten einzelne Bewohner/innen oft auf höchst<br />
179
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
180 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
unterschiedliche Weise, aber der Kommunikationsmangel und teilweise eher nachlässig<br />
und wenig informativ geführte Pflegeberichte füllten die Informationslücke nur<br />
unzulänglich.<br />
Um eine verbesserte Zusammenarbeit der Mitarbeiter/innen der Tag- und Nachtdienste<br />
zu erreichen, wurden <strong>zum</strong> einen in einigen Einrichtungen die bereits erwähnten<br />
wechselseitigen Hospitationen eingeführt und Dienstzeiten mit etwas ausgedehnterer<br />
Überlappung des Spät- bzw. Frühdienstes mit dem Nachtdienst definiert. Darüber<br />
hinaus wurden die Nachtdienstmitarbeiter/innen stärker als bisher in die Kommunikation<br />
der Wohnbereichsteams einbezogen, etwa durch Anwesenheit eines/r Nachtdienstvertreters/in<br />
in den Teamsitzungen der Wohnbereiche.<br />
Verbessert wurde vor allem die Einbeziehung des Nachtdienstes in die Pflegeplanung<br />
und -dokumentation. In mehreren Einrichtungen waren die Fachkräfte aus dem Nachtdienst<br />
erstmalig gefordert, in Kooperation mit der jeweiligen Zuständigen Pflegefachkraft<br />
an der Erstellung der Pflegeplanung mitzuwirken und dabei ihre Beobachtungen<br />
des individuellen Bewohnerverhaltens in die Planung einzubringen. In den Referenzeinrichtungen,<br />
die teilweise initiiert durch das Projekt mit Tagesablaufplänen arbeiteten,<br />
wurden die Planungen <strong>für</strong> die Nachtstunden detaillierter ausgearbeitet und den<br />
Bewohnerbedürfnissen in stärkerem Maße angepasst.<br />
3.8.4 Entwicklung von Angeboten<br />
Zur Entwicklung von Angeboten in den Abend- und Nachtstunden gab es viele Diskussionen<br />
in den Referenzeinrichtungen. Nicht selten waren die Pflegekräfte der Meinung,<br />
es bestünde kein Bedarf an solchen Angeboten. Tatsächlich machten nicht<br />
wenige die Erfahrung, dass Bewohner/innen relativ früh am Abend darauf drängten,<br />
ins Bett zu gehen und die da<strong>für</strong> individuell notwendigen Unterstützungsmaßnahmen<br />
deutlich einforderten.<br />
In der Beratung wurde jedoch immer wieder thematisiert, dass solches Verhalten von<br />
Bewohnern/innen auch vom vorhandenen Angebot abhängig sein kann. Sind<br />
Bewohner/innen entsprechende Angebote in den Abend- und Nachtstunden in der<br />
Einrichtung bislang nicht gewohnt, werden sie sich mit den Gegebenheiten abfinden<br />
und können häufig nicht von sich aus Ideen dazu entwickeln. Vielmehr galt es, die<br />
Situation auf den Wohnbereichen genau zu prüfen, biografische Informationen über<br />
die Bewohner/innen in den Blick zu nehmen und zusätzlich mit Bewohnern/innen<br />
und Angehörigen über abendliche und nächtliche Gewohnheiten und Wünsche zu<br />
sprechen. Auch die Schlafgewohnheiten der Bewohner/innen, nächtliche Aktivität<br />
oder Unruhe sowie die Verabreichung von Schlafmitteln wurden genauer geprüft. Im<br />
Ergebnis wurde in mehreren Referenzeinrichtungen damit experimentiert, Angebote<br />
auszudifferenzieren und einiges in die späten Nachmittags- und Abendstunden zu<br />
verlagern. Hilfreich waren dabei, die bereits in Zusammenhang mit den Leistungsbeschreibungen<br />
begonnenen Verbesserungen in der Kooperation von Pflege und Sozialem<br />
Dienst und die in manchen Einrichtungen vorgenommenen Strukturveränderungen<br />
im Zusammenhang mit dem Sozialen Dienst.<br />
Zum Schwerpunkt der nächtlichen Versorgung war <strong>für</strong> die Mitglieder des Steuerungskreises<br />
ein Expertenworkshop veranstaltet worden. Vertreter/innen aus Einrichtungen,<br />
die nicht am Modellprojekt beteiligt waren, hatten dort zu ihren Erfahrungen<br />
berichtet. Die Beobachtungen dieser Experten/innen deckte sich weitgehend mit den<br />
Erfahrungen solcher Referenzeinrichtungen, in denen die Anforderungen des Rahmenkonzepts<br />
schon in der Ausgangssituation des Projektes weitgehend erfüllt waren.<br />
In den Beratungsgesprächen gaben die Organisationsberater/innen solche Erkenntnisse<br />
in Form von Empfehlungen weiter. Dazu gehörten die folgenden Aspekte:<br />
Manche Schlafstörungen und Unruhezustände von Bewohner/innen können auch<br />
mit einer ungünstigen Tagesstruktur, Unterforderung und Mängeln der psychosozialen<br />
Begleitung zu tun haben. Einrichtungen, die systematisch da<strong>für</strong> sorgen,
dass jede/r Bewohner/in in Einzel- und bzw. oder Gruppenangebote einbezogen<br />
ist und in denen mehrmals wöchentlich auch in den Abendstunden solche Angebote<br />
stattfinden, berichten von weniger Störungen in der Nacht und einem deutlich<br />
geringeren Einsatz von Schlafmitteln.<br />
Gruppenangebote, insbesondere solche, die sich an demenziell veränderte<br />
Bewohner/innen richten, müssen gut begleitet und angeleitet werden. Es reicht<br />
nicht aus, in den Abendstunden die Cafeteria zu öffnen. Diese Form des „Nachtcafés“,<br />
die ein paar Einrichtungen vor dem Modellprojekt ausprobiert hatten,<br />
wird von den Bewohner/innen nicht angenommen. Vielmehr müssen<br />
Mitarbeiter/innen der Pflege, des sozialen Dienstes oder auch freiwillige<br />
Helfer/innen ein „Programm“ vorbereiten und Anreize/Anleitung <strong>für</strong> Beschäftigung<br />
und Kommunikation geben.<br />
Gruppenangebote sollten nicht nur als „offene“ Veranstaltungen angeboten werden.<br />
Vielmehr ist bei manchen Angeboten auf den Wohnbereichen gemeinsam zu<br />
überlegen, wer <strong>für</strong> eine Teilnahme in Frage kommt und wer möglicherweise nicht.<br />
Es nützt niemandem, wenn sich körperlich und geistig gesunde Bewohner/innen<br />
vom Verhalten dementer Bewohner/innen gestört fühlen. Bewährt hat sich in einigen<br />
Einrichtungen eine halboffene Form, bei der zu einem Kern fester Teilnehmer/innen<br />
auch zusätzliche Bewohner/innen kommen können. Bewährt hat sich<br />
dabei auch, einen jeweils relativ homogenen Kreis von Bewohner/innen je nach<br />
Gruppenart auszuwählen. Selbstverständlich soll es auch weiterhin solche Angebote<br />
geben, die sich an alle Bewohner/innen richten, wie etwa Feste, Musik- und<br />
Tanzangebote, Filmabende u.ä.<br />
Es ist zu unterscheiden zwischen Angeboten zur Einzelförderung und der Gestaltung<br />
von Gruppenangeboten in unterschiedlicher Zusammensetzung. Grundsätzlich<br />
ist darauf zu achten, dass Angebote in den Abend- und Nachtstunden nicht nur<br />
<strong>für</strong> rüstige Bewohner/innen konzipiert werden, sondern z.B. auch regelmäßige<br />
Angebote <strong>für</strong> immobile oder demenzkranke Bewohner/innen geschaffen werden.<br />
Aufgrund solcher Hinweise begannen einige Referenzeinrichtungen bereits im Projekt<br />
damit, ihr inhaltliches Angebot zu verändern (in anderen Einrichtungen ist dies <strong>für</strong><br />
die nahe Zukunft vorgesehen) und gingen gleichzeitig dazu über, den Einsatz von<br />
Seditativa als einen möglichen Indikator <strong>für</strong> Versorgungsmängel regelmäßig zu prüfen.<br />
Bei manchen Bewohner/innen, die auf Beruhigungs- oder Schlafmittel angewiesen<br />
waren, wurden diese später verabreicht, wenn deren Teilnahme an einer abendlichen<br />
Veranstaltung ermöglicht werden sollte. Für die Zukunft haben sich fast alle<br />
Referenzeinrichtungen vorgenommen, in regelmäßigen Abständen zu prüfen, ob alle<br />
Bewohner/innen durch Angebote der psychosozialen Begleitung erreicht werden<br />
und ob das inhaltliche Angebotsspektrum sowie die zeitliche Verteilung der Angebote<br />
auf Tages- und Abendstunden den Bedürfnissen der Bewohner/innen entspricht.<br />
3.9 Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen<br />
Der Qualitätsmaßstab zur Sterbebegleitung hat <strong>zum</strong> Ziel, „die Begleitung Sterbender<br />
in vollstationären Pflegeeinrichtungen zu verbessern und grundlegende Voraussetzungen<br />
zur Bewältigung dieser Aufgabe herzustellen“ (vgl. Praxisleitfaden Teil A).<br />
Genau wie der Einzug neuer Bewohner/innen gehört auch das Versterben von<br />
Bewohner/innen <strong>zum</strong> Alltag der stationären Pflege. Auch hier gab es zu Beginn des<br />
Modellprojekts in allen Referenzeinrichtungen Regelungen und Verfahrensweisen.<br />
Ein erster Schritt bestand wiederum darin, bereits vorhandene Regelungen oder Konzepte<br />
mit den Anforderungen des Rahmenkonzepts abzugleichen. Einige Referenzeinrichtungen<br />
haben <strong>für</strong> die Ausarbeitung eines verbesserten schriftlichen Konzeptes<br />
Kontakte zu externen Fachleuten (z.B. Seelsorgern/innen, Hospizdienste) hergestellt<br />
und diese eingebunden.<br />
181
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
182 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Aus Sicht der Modellbeauftragten und Einrichtungen bestanden Schwierigkeiten vor<br />
allem in Bezug auf die Anforderung einer kontinuierlichen Begleitung eines/einer<br />
sterbenden Bewohners/in. Aus Sicht der Organisationsberatung gab es darüber hinaus<br />
auch Unterschiede in Bezug auf die Kompetenz der Pflegekräfte, dem/der<br />
Bewohner/in in dieser schwierigen Phase beizustehen.<br />
In einigen wenigen Einrichtungen zeigten die Erfahrungen, dass die meisten Bewohner/innen<br />
im Krankenhaus verstarben. Dies konnte als Hinweis darauf gewertet werden,<br />
dass es nicht immer gelang, dem/der Bewohner/in ein würdevolles Sterben in<br />
vertrauter Umgebung zu ermöglichen und vermeidbare Krankenhausaufenthalte auszuschließen.<br />
Um dies leisten zu können, reichte es nicht aus, sich – wie einige Einrichtungen<br />
anführten – auf die Qualifikation examinierter Pflegekräfte zu verlassen. Als Erfolgsfaktoren<br />
<strong>für</strong> die Umsetzung des Rahmenkonzeptes erwiesen sich vielmehr die in den<br />
folgenden Abschnitten dargestellten Sachverhalte.<br />
3.9.1 Kontinuierliche Begleitung<br />
Für die angemessene Begleitung eines sterbenden Menschen und seiner Angehörigen<br />
mussten entsprechende Rahmenbedingungen in den Einrichtungen geschaffen<br />
werden. Gemeinsam mit den Mitarbeiter/innen in den Qualitätszirkeln und bei der<br />
Schulung des Projektes wurde bestimmt, dass die Sterbebegleitung Vorrang vor anderen<br />
Tätigkeiten erhalten sollte. Kündigte sich das Versterben eines/einer<br />
Bewohners/in an, musste eine unverzügliche Anpassung der individuellen Versorgung<br />
erfolgen. „Es darf auch Arbeit liegen bleiben“ fasste eine Fachkraft zusammen.<br />
Liegen gebliebene Tätigkeiten konnten dann von nachfolgenden Diensten – soweit<br />
wie möglich – aufgearbeitet werden. Die Vorgehensweise im Einzelfall wurde im<br />
Team festgelegt, so dass niemand ein schlechtes Gewissen haben musste, wenn<br />
er/sie bestimmte Tätigkeiten zu Gunsten einer Sterbebegleitung vernachlässigte.<br />
3.9.2 Zusammenarbeit mit Hospizdiensten und freiwilligen<br />
Helfern/innen<br />
Würdevolles Sterben und Abschiednehmen zu ermöglichen, ist ein Ziel, bei dessen<br />
Umsetzung Hospizvereine mit ihren Einrichtungen und ambulant und stationär tätigen<br />
Ehrenamtlichen seit Jahrzehnten spezifische Kompetenzen und Erfahrungen sammeln<br />
konnten. Hier standen ehrenamtliche Helfer/innen zur Verfügung, die <strong>zum</strong> einen die<br />
Pflegekräfte bei der Begleitung Sterbender konkret unterstützen und das real vorhandene<br />
zeitliche Problem der kontinuierlichen Begleitung mildern konnten. Einige Referenzeinrichtungen<br />
haben eine solche Zusammenarbeit, angeregt durch das Rahmenkonzept<br />
neu gesucht, bzw. die vorhandene Kooperation erweitert. Einige Einrichtungen<br />
hatten schon vor dem Modellprojekt die vorhandenen Qualifikationsangebote<br />
solcher Vereine <strong>für</strong> die Fortbildung der eigenen Fachkräfte genutzt. Eine Referenzeinrichtung<br />
hat über eine solche Vernetzung da<strong>für</strong> gesorgt, dass alle Pflegekräfte in<br />
der Begleitung sterbender Bewohner und ihrer Angehörigen geschult wurden. In<br />
anderen Einrichtungen fungierten einzelne speziell weitergebildete Fachkräfte als<br />
Multiplikatoren.<br />
3.9.3 Absprachen mit Angehörigen und Ärzten/innen<br />
Alle Referenzeinrichtungen kümmerten sich beim Einzug eines/einer neuen Bewohners/in<br />
darum, Informationen zu vorhandenen Verfügungen und Wünschen im<br />
Zusammenhang mit dem Sterben und Todesfall zu erhalten. Diese waren jedoch nicht<br />
immer zu bekommen oder eindeutig genug. Im Zweifelsfall konnte es z.B. vorkommen,<br />
dass die Zuständige Pflegefachkraft bei der Frage, ob z.B. ein/e sterbende/r<br />
Bewohner/in in der Einrichtung verbleiben könne, eine andere Einschätzung vertrat,<br />
als Angehörige oder auch behandelnde Ärzte/innen. Auch gab es einzelne Einrichtungen,<br />
in denen ein Sterben im Haus kaum vorkam, sondern die Bewohner/innen<br />
fast ausschließlich im Krankenhaus verstarben. Von Seiten der Organisationsbera-
tung wurde dies als Hinweis auf mögliche Unsicherheiten bei den Pflegekräften<br />
gewertet. In Einzelfällen wurde dies auch bestätigt. In einzelnen Einrichtungen vermieden<br />
es die Pflegekräfte überwiegend, eine vom Arzt beabsichtigte Krankenhauseinweisung<br />
zu hinterfragen, auch dann, wenn sie eigentlich meinten, dass diese vermeidbar<br />
sei.<br />
Empfohlen wurde deshalb über eine verstärkte Schulung der Fachkräfte hinaus, mit<br />
Angehörigen und Ärzten Prinzipien der Sterbebegleitung unabhängig vom konkreten<br />
Fall zu thematisieren, um zu einem grundsätzlichen Zieleinverständnis zu kommen.<br />
Gelegenheiten dazu konnte die sowieso erforderliche Bearbeitung der beiden Rahmenkonzepte<br />
zur Kooperation mit Angehörigen bzw. Ärzten bereit stellen.<br />
3.9.4 Schulungen der Mitarbeiter/innen<br />
Wie die Enquete-Kommission „Ethik und Recht in der modernen Medizin“ in einem<br />
Zwischenbericht 58 im Juni 2005 darlegt, gibt es in Deutschland erheblichen Verbesserungsbedarf<br />
in Bezug auf Palliativmedizin und Palliativpflege. Palliativpflege geht<br />
von einem ganzheitlichen Aufgabenverständnis aus, das nicht nur schmerztherapeutische<br />
Maßnahmen, sondern auch die psychosoziale Begleitung einschließt. Die<br />
Enquete-Kommission stellt unter anderem fest, dass die Palliativpflege in der Ausbildung<br />
des Fachpersonals – weder bei Ärzten/innen, noch bei Alten- oder Krankenpflegekräften<br />
– einen angemessenen Stellenwert einnimmt und empfiehlt entsprechende<br />
Veränderungen. Umso wichtiger ist es, dass Einrichtungen nicht allein auf die<br />
Qualifikation ihrer examinierten Fachkräfte vertrauen, sondern<br />
die Palliativpflege zu einem wichtigen Schwerpunkt im Rahmen der eigenen Personalentwicklung<br />
machen und<br />
sich aktiv um die Zusammenarbeit mit weitergebildeten Ärzten/innen im Bereich<br />
der Palliativmedizin bemühen.<br />
Für die Einführung des Rahmenkonzepts zur Sterbebegleitung war es generell förderlich,<br />
dass viele Mitarbeiter/innen eine hohe Sensibilität mit sich und anderen bezogen<br />
auf den Umgang mit Sterben, Tod und Verlustbewältigung aufwiesen. Gleichwohl<br />
bestand in manchen Einrichtungen der Bedarf, die Sensibilität der<br />
Mitarbeiter/innen und die Förderung ihrer Kompetenzen durch Fortbildungen im<br />
Bereich der Sterbe- und Trauerbegleitung weiter zu entwickeln. In einigen Einrichtungen<br />
geschah dies auch systematisch, wobei in hausinterne Schulungen durch weitergebildete<br />
Multiplikatoren/innen <strong>zum</strong> Teil auch Ehrenamtliche einbezogen wurden.<br />
Neben den fachlichen Anforderungen an die Palliativpflege sollten folgende Inhalte<br />
besonders beachtet werden:<br />
Setzt der Sterbeprozess eines Menschen akut ein, ist es häufig schwer, die Personaleinsatzplanung<br />
anzupassen. Auch Defizite bezüglich der Qualifikation von<br />
Mitarbeitern/innen sind da<strong>für</strong> verantwortlich, dass manche von ihnen nicht in der<br />
Lage sind zu erkennen, wenn ein/e Bewohner/in im Sterben liegt. In den Schulungen<br />
sollte daher verstärkt darauf geachtet werden, die Anzeichen <strong>für</strong> eine einsetzende<br />
Sterbephase und die Sterbephasen generell zu thematisieren.<br />
Darüber hinaus bedeutet nicht nur die Begleitung Sterbender und die häufige Konfrontation<br />
mit dem Tod eine hohe psychische Belastung <strong>für</strong> die Mitarbeiter/innen.<br />
Auch der Umgang mit trauernden Menschen wie den Angehörigen,<br />
Kollegen/innen oder anderen Bewohnern/innen erfordert ein hohes Maß an Sensibilität<br />
und an sozial-kommunikativen Kompetenzen. Hier gilt es, Schulungen<br />
anzubieten, die die persönlichen bzw. beruflichen Erfahrungen der Mitarbeiter/innen<br />
in den Mittelpunkt stellen, Maßnahmen zur Trauerbegleitung und Unterstützung<br />
bei der Verlustbewältigung aufzeigen und die Kommunikation mit ster-<br />
58 „Verbesserung der Versorgung Schwerstkranker und Sterbender in Deutschland durch Palliativmedizin und Hospizarbeit“ (BT-Drs.<br />
15/5858)<br />
183
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
184 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
benden Menschen und ihren Angehörigen fördern. Die Erfahrungen in den Referenzeinrichtungen<br />
haben auch gezeigt, dass die Mitarbeiter/innen im Rahmen<br />
von Fallbesprechungen gute Entlastungsmöglichkeiten <strong>für</strong> sich finden können.<br />
Im Rahmen der Schulungen sollte außerdem die Begleitung des Sterbeprozesses<br />
bei verwirrten bzw. demenzkranken Bewohnern/innen besonders in den Blick<br />
genommen werden.<br />
In den Beratungen wurde den Referenzeinrichtungen empfohlen, nach Möglichkeit<br />
Schmerztherapeuten/innen, Seelsorger/innen, Hospizdienste und qualifizierte freiwillige<br />
Helfer/innen in die Sterbegleitung und Trauerbewältigung einzubinden, wenn<br />
Bewohnern/innen bzw. Angehörigen sich nicht dagegen aussprechen. Auch sollten<br />
vorhandene Qualifikationsangebote dieser Personen bzw. Institutionen genutzt werden.<br />
Einige der Referenzeinrichtungen haben dies systematisch und erfolgreich<br />
durchgeführt.<br />
Darüber hinaus wurde den Referenzeinrichtungen nahe gelegt, das hausinterne Konzept<br />
zur Sterbebegleitung bei der Einarbeitung neuer Pflegekräfte und Mitarbeiter/innen<br />
des Sozialen Dienstes zu berücksichtigen.<br />
Die Umsetzung der Anforderungen hat in den Referenzeinrichtungen dazu geführt,<br />
dass eine insgesamt stärkere Berücksichtigung der Bewohnerwünsche erfolgen<br />
konnte. Die Thematisierung von Sterben, Tod und Trauer hat <strong>für</strong> viele Bewohner/innen,<br />
Angehörige und Mitarbeiter/innen mehr Sicherheit gebracht. Das Wissen,<br />
dass der Sterbeprozess gut unterstützt werden würde, hat zur Entlastung der Bewohner/innen<br />
geführt. Die Angehörigen fühlten sich durch die Begleitung gut aufgehoben<br />
und fanden die Beratung durch die Mitarbeiter/innen hilfreich. Schließlich hat<br />
die Einführung des Qualitätsmaßstabs den Mitarbeitern/innen mehr Möglichkeiten<br />
<strong>zum</strong> Austausch geboten und die kollegialen Gespräche haben sie zusätzlich entlastet.<br />
Insgesamt, so hat es ein/e Modellbeauftragte/r formuliert, „rundet das Konzept<br />
unsere Berufsethik ab“.<br />
3.10 Kooperation mit niedergelassenen Ärzten<br />
Zielsetzung dieses Rahmenkonzeptes ist es, zu einer optimalen ärztlichen Versorgung<br />
der Bewohner/innen beizutragen und eine gut koordinierte Zusammenarbeit zwischen<br />
niedergelassenen Ärzten und Altenheim zu gewährleisten, einschließlich der<br />
zugehörigen Kommunikation und Informationstransparenz.<br />
Im Unterschied zu den anderen Rahmenkonzepten des <strong>Referenzmodell</strong>s ging es hier<br />
nicht nur um die Entwicklung solcher Qualitätsstandards, die in der alleinigen Verantwortung<br />
der Einrichtungen lagen. Vielmehr setzte die Umsetzung der Anforderungen<br />
eine grundlegende Kooperationsbereitschaft der Ärzte/innen voraus, wobei „die<br />
Gestaltungsmöglichkeiten der Einrichtungen ihre Grenze an der ärztlichen Entscheidungsautonomie<br />
finden“ (vgl. Praxisleitfaden Teil A).<br />
Nicht in allen Referenzeinrichtungen ist es auf befriedigende Weise gelungen, diese<br />
Kooperationsbereitschaft einzuwerben. Aber alle haben sich darum bemüht, die<br />
eigenen Arbeitsabläufe im Sinne des Konzeptes zu verbessern.<br />
Die Hausärzte werden rechtlich grundsätzlich im Auftrag der Bewohner/innen tätig.<br />
Der Behandlungsvertrag besteht zwischen den frei praktizierenden Ärzten und den<br />
Bewohner/innen. Das Altenpflegeheim unterstützt die Behandlung durch die Bereitstellung<br />
von entsprechenden Räumen, Personal etc. Hausärzte sind grundsätzlich<br />
unabhängig freiberuflich tätig und können nicht – wie beispielsweise Krankenhausärzte<br />
– aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses in institutionelle Regelungen einge-
unden werden. Den Altenpflegeheimen bleibt somit nur die Möglichkeit, Regelungen<br />
mit frei praktizierenden Hausärzten auf der Basis der Freiwilligkeit und des guten<br />
Willens zu erzielen.<br />
Die Ärzteschaft zeigt sich in der Praxis überwiegend sehr sensibel bezüglich bindender<br />
Erklärungen oder Vereinbarungen. Diese Grundhaltung wird durch die hohe zeitliche<br />
Eingebundenheit von Hausärzten noch befördert. Die Wahrung ihrer Unabhängigkeit<br />
und Flexibilität hat <strong>für</strong> sie einen hohen Stellenwert. Es hat sich im Beratungsprozess<br />
herausgestellt, dass Zielvereinbarungen z.B. eher in Form von<br />
Protokollnotizen nach gemeinsamen Gesprächen zu erreichen waren als in formaler,<br />
vertraglicher Form.<br />
Vereinbarungen mit niedergelassenen Ärzten zu erzielen war eine ausgesprochen<br />
zeitaufwendige Herausforderung, die viel Geduld erforderte. In einigen Einrichtungen<br />
wurde das Thema als sehr heikel bezeichnet und deshalb die Organisationsberatung<br />
auch um eine Moderation bei Veranstaltungen mit Ärzten gebeten.<br />
Der Kontakt in den Altenpflegeheimen zu den niedergelassenen Ärzten war sehr<br />
unterschiedlich. Dies war zwar einerseits von den beteiligten Persönlichkeiten abhängig,<br />
andererseits schienen aber auch die unterschiedlichen sozialen Einbindungen im<br />
städtischen und ländlichen Kontext eine Rolle zu spielen. Im Beratungsprozess ist teilweise<br />
der Eindruck entstanden, dass in ländlichen Regionen tendenziell der Kontakt<br />
zwischen den Ärzten und den Altenpflegeheimen enger war als in den Städten.<br />
Andererseits konnte die geringere Anzahl von Ärzten im ländlichen Raum dazu<br />
führen, dass die niedergelassenen Mediziner kaum dazu zu bewegen waren, neue<br />
Patienten zu übernehmen, weil sie ihr Budget bereits annähernd ausgeschöpft hatten.<br />
Da nicht bei allen neuen Bewohner/innen feste Anbindungen an Haus- und<br />
Fachärzte existierten bzw. aufrecht erhalten werden konnten, stellte diese Sachlage<br />
<strong>für</strong> manche Bewohner/innen und Pflegeeinrichtungen ein großes Problem dar.<br />
3.10.1 Die Ausgangssituation und damit verbundene Problemlagen<br />
Die Kernprobleme im Schnittstellenmanagement mit den Ärzten lagen nach den<br />
Erfahrungen im Modellprojekt<br />
in der Schaffung von Verbindlichkeit und<br />
in der Verbesserung der Kommunikation.<br />
In den meisten Häusern regelten die vorhandenen Verfahrensanweisungen der QM-<br />
Systeme bereits<br />
die Vorbereitung der Arztbesuche<br />
die Begleitung der Arztvisiten<br />
die Bereitstellung der nötigen Unterlagen<br />
die Besprechung der gesundheitlichen Probleme der Bewohner/-innen etc.<br />
Die hauptsächliche Schwierigkeit bestand aus Sicht der Organisationsberatung <strong>für</strong><br />
die Altenpflegeheime darin, aufgrund der bei der Ärzteschaft nicht immer vorhandenen<br />
Bereitschaft zu verbindlichen Absprachen die vorhandenen Verfahrensanweisungen<br />
einzuhalten. Viele Altenpflegeeinrichtungen wünschten sich beispielsweise feste<br />
Visitentermine der Hausärzte, um die Visiten sachgerecht vorbereiten zu können und<br />
die verantwortlichen Pflegekräfte zur Verfügung zu haben. Faktisch waren aber viele<br />
Ärzte zu entsprechenden Absprachen nicht bereit und führten unangekündigt Visiten/Patientenbesuche<br />
durch.<br />
Es bedurfte viel zeitlichen und kontinuierlichen Aufwandes, um eine Kultur der Verbindlichkeit<br />
zu entwickeln. In einigen Häusern – tendenziell scheinbar eher in ländlichen<br />
Regionen – ist dies gelungen. In anderen Fällen waren die Ärzte auch im Rahmen<br />
von Kooperationsgesprächen nicht bereit, z.B. feste Visitentermine zu vereinbaren<br />
oder Besuche rechtzeitig anzukündigen.<br />
185
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
186 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Altenpflegeheime haben nach heutigem Haftungsrecht entsprechend dem Grundsatz<br />
der Beweislastumkehr die Pflicht, eine fachgerechte Pflege nachzuweisen. Dementsprechend<br />
war in der Regel in den Häusern z.B. über Verfahrensanweisungen vorgeschrieben,<br />
dass ärztliche Anordnungen (Medikation, medizinische Behandlungspflege)<br />
vom Arzt in die Pflegedokumentation eingetragen und abgezeichnet werden.<br />
In der Praxis erwies sich in den Häusern die Einhaltung dieser Verfahrensanweisungen<br />
aber als großes Problem, weil (z.B. aufgrund fehlender gesetzlicher Regelungen)<br />
die Pflegekräfte de facto nur an die Hausärzte appellieren konnten, entsprechende<br />
Eintragungen vorzunehmen.<br />
Zu den wichtigsten Aufgaben, die in den Altenpflegeheimen zu bearbeiten waren,<br />
gehörte in vielen Einrichtungen die Vorbereitung der Arztvisiten. Die Ärzte beklagten<br />
in den Gesprächen <strong>zum</strong> Teil die in der Praxis festzustellende unzureichende Vorbereitung<br />
der Pflegefachkräfte:<br />
im Vorwege wurden z.B. Vitalwerte nicht ermittelt,<br />
die fachlichen Informationen an die Ärzte waren teilweise verbesserungswürdig,<br />
Formulierungen waren zu allgemein gehalten, es fehlten Details,<br />
Beobachtungen – gerade aus dem Nachtdienst – waren ungenau („Bewohner war<br />
unruhig“),<br />
Es traten Fehleinschätzungen auf.<br />
In Kooperationsgesprächen empfahlen Ärzte den jüngeren Pflegekräften sogar offen,<br />
vor möglichen Arztrufen erfahrene hausinterne Pflegekräfte zusätzlich zu konsultieren.<br />
Auch die telefonische Erreichbarkeit der Pflegekräfte bei Nachfragen durch die Ärzte<br />
war nicht immer optimal geregelt. Hier halfen manchmal schon einfache Regelungen<br />
<strong>für</strong> den Gebrauch von mobilen Telefonen auf den Wohnbereichen.<br />
Ein spezieller Problempunkt in einigen Pflegeheimen war die Notfallversorgung von<br />
Bewohner/innen, bei denen eine unmittelbare Verschlechterung des Gesundheitszustands<br />
zu beobachten war, aber noch keine akute Krankenhauseinweisung vorgenommen<br />
zu werden brauchte. Hier war u.a die Erreichbarkeit der Ärzte ggf. auch<br />
am Abend oder am Wochenende zu regeln.<br />
In weniger akuten Fällen führte es bei Ärzten zu Verärgerung, wenn sie innerhalb<br />
einer Frist von einem oder zwei Tagen, aber unabgestimmt zu unterschiedlichen Zeiten<br />
zu Bewohner/innen verschiedener Wohnbereiche gerufen wurden.<br />
3.10.2 Kontaktaufnahme und Verhandlungsstrategie<br />
Grundsätzlich wurde festgestellt, dass die Realisierung des übergeordneten Qualitätsmaßstabes<br />
zur Kooperation mit Ärzten <strong>für</strong> die Referenzeinrichtungen die schwierigste<br />
Hürde darstellte und in kaum einer Einrichtung umfassend verwirklicht werden<br />
konnte. Hier handelt es sich um einen Aspekt der Versorgungsqualität, der auch<br />
außerhalb der Altenpflegeeinrichtungen in entsprechenden übergeordneten Gremien<br />
weiter zu beraten ist.<br />
Es hat sich im Beratungsprozess als hilfreich erwiesen, offensiv auf die Ärzte zuzugehen.<br />
Dies ist in den Häusern entweder durch<br />
Einzelgespräche oder<br />
Veranstaltungen <strong>für</strong> die Ärzte (günstig: kombiniert z.B. mit einem Weihnachtsessen<br />
u.ä.)
geschehen. Wenn nicht alle behandelnden Ärzte gewonnen werden konnten, so hat<br />
man sich richtigerweise zunächst auf diejenigen konzentriert, die ein Interesse an<br />
Kooperationsabsprachen signalisierten. Meist waren das die Mediziner, bei denen<br />
die wenigsten Reibungsverluste auftraten, so dass sich der Grad der Qualitätsverbesserung<br />
in Grenzen hielt.<br />
Eine wichtige Voraussetzung <strong>für</strong> einen erfolgreichen Kontakt zu den Ärzten war eine<br />
offene und ehrliche Ist-Analyse und die Bereitschaft zur Selbstkritik in den Referenzeinrichtungen.<br />
Günstig war es, wenn die hausinternen Verbesserungs- und Entwicklungsbedarfe<br />
vor der Kontaktaufnahme zu den Ärzten angegangen wurden und mindestens<br />
teilweise bereits umgesetzt worden waren. Damit war eine wichtige Vorleistung<br />
erbracht, auf die man sich dann bei den Erstgesprächen mit den Ärzten<br />
beziehen konnte.<br />
Wichtig war es, dass in den Referenzeinrichtungen jeweils eine entscheidungsbefugte<br />
Leitungskraft im Haus (Heimleitung, Pflegedienstleitung) die Schaffung von<br />
Regelungen mit den Ärzten zu „ihrer Sache“ gemacht hat. Das bei einigen Medizinern<br />
vorhandene ausgeprägte Bewusstsein eigener Unabhängigkeit und überlegener<br />
Fachkompetenz – und ebenso wirksam die Zuschreibung einer solchen Haltung –<br />
hätte es Pflegefachkräften oder manchen Modellbeauftragten vermutlich eher schwer<br />
gemacht, „auf Augenhöhe“ zu verhandeln.<br />
Hilfreich <strong>für</strong> die Kontaktaufnahme waren auch einrichtungsspezifische Informationsblätter<br />
oder -broschüren <strong>für</strong> die Ärzte/innen, die direkt in Verbindung mit einem<br />
ersten Kooperationsgespräch ausgehändigt werden konnten. Als günstig <strong>für</strong> das<br />
Kooperationsklima hat sich in einzelnen Einrichtungen auch eine Vereinbarung<br />
erwiesen, die besagte, dass Leitungskräfte bei Kooperationsproblemen jederzeit <strong>für</strong><br />
die Pflegemitarbeiter/innen und die Ärzte/innen ansprechbar wären.<br />
3.10.3 Kontaktaufnahme und Kooperation<br />
Es hat sich bewährt, die Ärzte/innen bereits frühzeitig in die geplanten Veränderungsprozesse<br />
einzubinden und sie in Form von Einzelgesprächen oder Gruppendiskussionen<br />
bei Informationsveranstaltungen zu beteiligen. Auch eine Beteiligung an<br />
Arbeitsgruppen zur Umsetzung der Anforderungen des Qualitätsmaßstabs zur<br />
Zusammenarbeit verlief in Einzelfällen erfolgreich. Darüber hinaus boten schriftliche<br />
oder persönliche Ärztebefragungen eine Methode der Beteiligung. Allerdings war<br />
die Resonanz auf derartige Kooperationsangebote in den Referenzeinrichtungen sehr<br />
unterschiedlich. In einzelnen Referenzeinrichtungen konnte die Kooperation mit den<br />
Ärzten/innen durch die umgesetzten Anforderungen des Rahmenkonzeptes so weit<br />
fortschreiten, dass einige Ärzte/innen regelmäßig an Fallbesprechungen von Bewohnern/innen<br />
teilnahmen.<br />
3.10.4 Vorbereitung von Arztbesuchen<br />
Die oben bereits genannten Kritikpunkte der Ärzteschaft deckten sich in mehreren<br />
Einrichtungen mit der vorgenommenen Bestandsaufnahme zu diesem Konzeptbaustein<br />
und wurden vielfach auch dort bearbeitet, wo Absprachen mit den Medizinern<br />
nicht erreicht werden konnten. Entsprechende Probleme konnten dort abgebaut werden,<br />
wo Arztbesuche durch frühzeitige Terminabsprachen angekündigt und nicht<br />
(mehr) überraschend erfolgten und <strong>für</strong> die Einrichtungen bzw. die Zuständigen Pflegefachkräfte<br />
ausreichend Zeit vorhanden war, die Visite vorzubereiten.<br />
Wo es gelungen ist, mit den zuständigen Hausärzten/innen regelmäßige Visitentermine<br />
<strong>für</strong> die Einrichtung zu vereinbaren, konnten die Besuche ausführlicher und<br />
sachgerechter vorbereitet werden. Auch konnte die Anwesenheit der Zuständigen<br />
Pflegefachkraft durch entsprechende Dienstplanung weitgehend sicher gestellt werden.<br />
187
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
188 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
3.10.5 Gegenseitige Erreichbarkeit<br />
Die wechselseitige Erreichbarkeit von Arzt und Zuständiger Pflegefachkraft stellt offenbar<br />
<strong>für</strong> beide Seiten ein Problem dar und wurde auch in den Referenzeinrichtungen<br />
häufig benannt. In verschriftlichten Vereinbarungen wurde deshalb die telefonische<br />
Erreichbarkeit der Zuständigen Pflegefachkräfte mit aufgenommen. Wenn Ärzte/innen<br />
Terminabsprachen vornehmen wollten oder wichtige Informationen benötigten bzw.<br />
an die Einrichtung weitergeben wollten, war die telefonische Erreichbarkeit der<br />
zuständigen Mitarbeiter/innen unerlässlich. Ärzte/innen haben im Rahmen ihrer<br />
Tätigkeit nicht immer die Möglichkeit, wiederholt die Einrichtung anzurufen, da sie<br />
fortlaufend mit der Behandlung von Patienten/innen in der Arztpraxis beschäftigt sind.<br />
Telefongespräche sind daher <strong>für</strong> die meisten Ärzte/innen am ehesten zu bestimmten<br />
Tageszeiten (z.B. vor oder nach den Sprechstunden) möglich. Bewährt hat sich deshalb<br />
der Gebrauch von mobilen Telefonen auf den Wohnbereichen.<br />
Ebenso wichtig waren im umgekehrten Fall Regelungen hinsichtlich der telefonischen<br />
Erreichbarkeit der Ärzte/innen <strong>für</strong> die Einrichtungen. In einigen Referenzeinrichtungen<br />
konnten solche individuelle Vereinbarungen mit Ärzten/innen (z.B. wichtige<br />
Zeiten der Erreichbarkeit, Ankündigung von Urlaubszeiten, frühzeitige Information<br />
von Arztbesuchen, Vorgehensweise im Notfall etc.) getroffen und dokumentiert werden.<br />
Besonders schwierig stellte sich in diesem Zusammenhang die Notfallversorgung von<br />
Bewohnern/innen dar. Zeichnete sich eine unmittelbare Verschlechterung des<br />
Gesundheitszustands eines/einer Bewohners/in ab, war eine zügige Erreichbarkeit<br />
des/der zuständigen Arztes/Ärztin von besonderer Bedeutung. Dies diente nicht<br />
zuletzt einer Vermeidung von unnötigen Krankenhausaufenthalten. Für die Notfallsituationen<br />
vereinbarten viele Referenzeinrichtungen hausinterne Abstimmungen<br />
(auch der Wohnbereiche untereinander).<br />
Alle getroffenen Regelungen wurden in den Einrichtungen so dokumentiert, dass sie<br />
jederzeit <strong>für</strong> die zuständigen Mitarbeiter/innen zugänglich waren.<br />
3.11 Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten<br />
Ein zentrales Ziel des Rahmenkonzepts besteht u.a. darin, „eine bedarfsgerechte<br />
Unterstützung der Bewohner vor und nach dem Krankenhausaufenthalt sicherzustellen<br />
und zu gewährleisten, dass dem Krankenhaus alle notwendigen Informationen<br />
zur Versorgung der Bewohner vorliegen“ (vgl. Praxisleitfaden Teil A „Überleitungsverfahren<br />
bei Krankenhausaufenthalten“). An der Schnittstelle zwischen Krankenhäusern<br />
und Pflegeeinrichtungen kommt es allerdings erfahrungsgemäß zu Reibungen und<br />
Konflikten zwischen den <strong>für</strong> die Überleitungsverfahren zuständigen<br />
Mitarbeiter/innen der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Ressourcen können<br />
daher häufig nicht ausreichend genutzt werden, Arbeitsabläufe geraten ins Stocken<br />
und die Qualität der Versorgung der pflegebedürftigen Menschen kann darunter leiden.<br />
Mögliche Ursachen <strong>für</strong> Probleme bei der Überleitung waren:<br />
eine mangelnde Koordination der Schnittstelle, die in den Einrichtungen nicht<br />
systematisch analysiert wurden;<br />
ein daraus folgender schlechter Informationsfluss zwischen den Einrichtungen und<br />
Krankenhäusern;<br />
keine abgestimmten Verfahrensweisen und Überleitungsdokumente;<br />
mangelnde gegenseitige Kenntnis der notwendigen Arbeitsabläufe;<br />
kein direkter Kontakt zwischen den beteiligten Fachkräften der unterschiedlichen<br />
Institutionen – es wurde oft nur übereinander geredet statt miteinander;
veränderte Anforderungen an die Krankenhäuser durch die DRGs (z.B. verkürzte<br />
Liegezeiten, Entlassungsdruck etc.).<br />
Ebenso wie beim Rahmenkonzept zur „Kooperation mit niedergelassenen Ärzten“<br />
ging es auch bei diesem Schwerpunkt um Qualitätsverbesserungen, die nicht allein<br />
durch die Einrichtungen erreicht werden konnten, sondern von der Kooperationsbereitschaft<br />
der Krankenhäuser abhängig waren.<br />
3.11.1 Die Ist-Analyse als Voraussetzung <strong>für</strong> Verbesserungen<br />
Den Ausgangspunkt bildete in den Referenzeinrichtungen wie immer eine ausführliche<br />
Ist-Analyse vorrangig unter Einsatz von themengebundenen Qualitätszirkeln.<br />
Durch diesen Schritt wurden auch die kleineren und größeren Defizite und Mängel<br />
deutlich, welche die eigenen Verfahrensabläufe kennzeichneten.<br />
Solche Ergebnisse waren aus zwei Gründen wichtig. Zum Einen zeigten sie Handlungsspielräume<br />
<strong>für</strong> eigene, selbst zu gestaltende Verbesserungen auf und entkräfteten<br />
die manchmal wahrzunehmende Haltung, die Verantwortung <strong>für</strong> vorhandene<br />
Schwierigkeiten einseitig den Krankenhäusern zuzuschieben. Zum Anderen boten sie<br />
die Basis <strong>für</strong> eine kompetente Verhandlungsführung mit dem Gegenüber. Wie bei<br />
den Kooperationsabsprachen mit Ärzten war es auch hier wichtig, sich in der Vorbereitung<br />
zu überlegen, wie die Verhandlungsziele auch dem Partner nützen können.<br />
Indem man die Bearbeitung und Eliminierung der in der eigenen Institution vorhandenen<br />
Mängel ankündigte, formulierte man nicht nur Wünsche, sondern konnte auch<br />
Angebote <strong>zum</strong> Nutzen der Bewohner/innen und beider Institutionen unterbreiten.<br />
Für die beteiligten Altenpflegeheime bestand ein weiterer Anreiz <strong>für</strong> die Bearbeitung<br />
der Schnittstelle zu den Krankenhäusern in dem damit verbundenen Marketingaspekt.<br />
Ein sehr großer Teil der Aufnahmen in den Pflegeeinrichtungen erfolgten<br />
direkt nach einem Krankenhausaufenthalt. Ein guter Kontakt zu den Krankenhäusern<br />
kann somit auch einen Wettbewerbsvorteil bedeuten.<br />
3.11.2 Ergebnisse der Bestandsaufnahme und damit verbundene Problemlagen<br />
Die bestehenden Kontakte zwischen den Altenpflegeeinrichtungen und Krankenhäusern<br />
waren unterschiedlich. Einige Altenpflegeheime berichteten über gute Kontakte<br />
zu den wichtigsten Krankenhäusern, andere berichteten von nicht sehr optimalen,<br />
teilweise frustrierenden Kontaktversuchen. Manche Einrichtungen wiesen selbstkritisch<br />
darauf hin, die Schnittstelle und die damit verbundenen Prozesse trotz vorhandener<br />
QM-Zertifizierung nicht systematisch bearbeitet zu haben.<br />
Oft konnten die beteiligten Altenpflegeheime nur grob schätzen, welche Krankenhäuser<br />
<strong>für</strong> sie eine besondere Relevanz haben und wie sich die Bewohner/innen bei Einweisungen<br />
auf die einzelnen Kliniken verteilen. Die später durchgeführten Analysen<br />
schwankten zwischen einem und 15 Krankenhäuser, mit denen die Pflegeheime faktisch<br />
zusammenarbeiteten. Erst nach einer genaueren Betrachtung und Gewichtung<br />
konnten im Projekt die Krankenhäuser ausgewählt werden, mit denen vorrangig aufgrund<br />
ihrer Wichtigkeit Kooperationsvereinbarungen geschlossen werden sollten.<br />
Die in den Häusern durchgeführten Ist-Analysen ergaben, dass nur in wenigen Altenheimen<br />
direkte Kontakte zu dem Qualitätsmanagement der <strong>für</strong> sie wichtigen Krankenhäuser<br />
bestanden. Gemeinsame Qualitätszirkel oder Fachgruppen zur Bearbeitung<br />
der Schnittstelle waren die Ausnahme. Bestehende Verfahrensanweisungen waren<br />
fast ausnahmslos in den Altenpflegeheimen ohne eine Rückkoppelung mit den Krankenhäusern<br />
entstanden und auch nicht gemeinsam überprüft worden. Einzelne Einrichtungen<br />
berichteten über frühere z.B. durch zentrales Pflegemanagement initiierte<br />
Versuche zu Kooperationen zu gelangen, die jedoch nicht selten gescheitert oder<br />
nicht mit Leben gefüllt worden waren. Die beteiligten Pflegeheime, die im Projektverlauf<br />
zu Vereinbarungen gelangten, betraten somit teilweise Neuland.<br />
189
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
190 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die Pflegeheime berichteten vielfach, dass nach Einführung der DRGs in den Krankenhäusern<br />
Bewohner/innen verstärkt an den Wochenenden oder auch fast zu jeder<br />
Uhrzeit entlassen würden. Da die Entlassungen darüber hinaus oft unangekündigt<br />
vorgenommen wurden, konnten sie Dienstpläne nicht angemessen anpassen, die<br />
Bewohnerzimmer nicht immer rechtzeitig herrichten und Angehörige nur kurzfristig<br />
informieren.<br />
Ein besonderes Problem stellte in diesem Zusammenhang der Kontakt zu den<br />
Hausärzten dar. Weil diese an den Wochenenden bzw. am Mittwochnachmittag<br />
nicht oder nur in Ausnahmefällen zu erreichen waren, konnte z.B. die Anschlussmedikation<br />
nicht immer zeitnah genug gesichert werden. Dies war besonders bei einem<br />
Wechsel der Medikation von erheblicher Bedeutung. Die Krankenhäuser entließen<br />
die Bewohner der Altenpflegeheime oft ohne einen kleinen „Sicherheitsvorrat“ an<br />
Medikamenten.<br />
Teilweise stellte sich heraus, dass die verwendeten Überleitungsbögen große Mängel<br />
aufwiesen. Viele der in der Praxis verwendeten Überleitungsbögen waren nach<br />
Angaben der Ärzte zu wenig aussagekräftig und berücksichtigten aus Sicht der<br />
Pflegeheime insbesondere die pflegerischen Aspekte nur unvollständig. Aber auch<br />
bei Vorhandensein praktikabler Überleitungsbögen wurden die Bögen auf beiden<br />
Seiten nicht immer und teilweise unvollständig ausgefüllt.<br />
Bei der Prüfung der Überleitungsbögen zeigte sich, dass die vorhandenen Listen nicht<br />
immer vollständig ausgefüllt waren. Dementsprechend war bei Verlusten von Bekleidung<br />
etc. in der Praxis nicht genau zu ermitteln, wo welches Bewohnereigentum verloren<br />
gegangen war.<br />
Nicht immer waren in den Einrichtungen Notfalltaschen <strong>für</strong> die Bewohner/innen vorhanden.<br />
Solche Taschen konnten vorab mit persönlichen Unterlagen, Hygieneutensilien<br />
und Bekleidung gepackt werden und sollten darüber hinaus eine Checkliste <strong>für</strong><br />
solche Gegenstände enthalten, die wegen täglicher Benutzung nicht dabei waren. Im<br />
Akutfall musste bei Fehlen einer solchen Tasche oft improvisiert werden, was in der<br />
Notfallsituation Zeit und Ressourcen band. Leicht konnte es dabei passieren, dass<br />
Wichtiges vergessen wurde.<br />
In den Altenpflegeeinrichtungen wurden oft unleserliche handschriftliche Arztbriefe<br />
aus den Krankenhäusern kritisiert, die eine angemessene medizinische und pflegerische<br />
Versorgung der Bewohner/innen nach der Rückkehr erschwerten. Teilweise<br />
gaben die Pflegekräfte an, auch keine Dokumente aus den Krankenhäusern erhalten<br />
zu haben.<br />
Bei der Auswertung der Arztbriefe war in manchen Referenzeinrichtungen der Eindruck<br />
entstanden, dass in den Krankenhäusern zu oft und zu schnell Dauerkatheter<br />
gelegt wurden, die in der anschließenden Versorgung in den Altenheimen große Probleme<br />
bereiteten. Weiterhin hatten die Fachkräfte der Pflegeheime den Eindruck, die<br />
Bewohner/innen würden in den Kliniken zu viel im Bett liegen und zu wenig mobilisiert<br />
werden. Dies widerspräche nicht nur einer bedarfsgerechten Versorgung sondern<br />
würde auch in den Pflegeheimen nach der Rückkehr einen erhöhten Arbeitsbedarf<br />
nach sich ziehen.<br />
Ebenso war in einigen Altenpflegeeinrichtungen der Eindruck entstanden, die Diagnose<br />
der Exsikkose (Austrocknung) werde auffällig häufig gestellt. Ob die Ursachen hier<strong>für</strong><br />
z.B. im mangelhaften Informationsgehalt der Überleitungsbögen aus den Altenpflegeeinrichtungen<br />
oder in verbesserungswürdigen geriatrischen Kenntnissen in den<br />
Allgemeinkrankenhäusern lag, konnte auch in den Gesprächen mit den Krankenhäusern<br />
nicht geklärt werden. Da aber eine solche Diagnose auf mögliche pflegerische
Fehler schließen ließ, bestand <strong>für</strong> die Altenpflegeeinrichtungen häufig nach einer<br />
Krankenhausentlassung die Notwendigkeit, den Angehörigen in Zusammenwirken<br />
mit den Hausärzten die fachgerechte Pflege nachzuweisen.<br />
Die Altenheime haben nach erfolgter Ist-Analyse teilweise erkannt, dass die Anpassung<br />
der Pflegeplanung an die veränderte Situation teilweise nicht zeitnah erfolgte.<br />
Entsprechende Änderungen und Überprüfungen gehörten zu den wesentlichen internen<br />
Aufgaben der Altenpflegeheime. Ebenso selbstkritisch erkannten einige Pflegeheime<br />
die Defizite bei der Organisation von Besuchen der Bewohner/innen, wenn<br />
sie <strong>für</strong> einen längeren Zeitraum im Krankenhaus verbleiben müssen.<br />
3.11.3 Kontaktaufnahme<br />
Die Organisationsberatung empfahl den Referenzeinrichtungen, bei der Bestandsaufnahme<br />
auch festzustellen, welches die wichtigsten Krankenhäuser waren, mit denen<br />
faktisch kooperiert wurde. Das „Pareto-Prinzip“ besagt, dass sich viele Gegebenheiten<br />
im Verhältnis 20 zu 80 verhalten, z.B. „20% der Zeit bringen 80% der Ergebnisse“.<br />
So war zu erwarten, dass es sich auch bei den Krankenhauseinweisungen auf<br />
ähnliche Weise verhielt: Etwa 80% der Krankenhausaufenthalte von Bewohner/innen<br />
finden in 20% der Krankenhäuser statt, mit denen eine Einrichtung insgesamt zu tun<br />
hat. Durch diesen Hinweis konnten Vorbehalte und Be<strong>für</strong>chtungen von Modellbeauftragten,<br />
die Umsetzung des Rahmenkonzeptes würde einen zu großen Zeitaufwand<br />
bedeuten, in manchen Einrichtungen entkräftet werden. Dies galt besonders <strong>für</strong> die<br />
Pflegheime, in denen sich wegen der großen Anzahl der potentiellen Kooperationspartner<br />
zunächst prinzipieller Widerstand gegen die Bearbeitung dieses Konzeptelements<br />
geregt hatte.<br />
3.11.4 Problemlösungen im Kooperationsprozess<br />
In der Regel wussten die Mitarbeiter/innen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen<br />
wenig über die jeweiligen Arbeitsprozesse der anderen Institution. Die Herstellung<br />
von gegenseitigen Kontakten, das Wahrnehmen und Ernstnehmen der Probleme<br />
der jeweils anderen Institution waren wichtige Voraussetzungen, die dort, wo die<br />
Kooperation gelang, zu einer Verbesserung des Kooperationsklimas zwischen den<br />
Beteiligten geführt hat.<br />
Die Erfahrungen in den Referenzeinrichtungen haben gezeigt, dass in den Kooperationsgesprächen<br />
konstruktive Verbesserungen erreicht werden konnten, die sowohl<br />
von den Krankenhäusern als auch von den Pflegeeinrichtungen positiv vermerkt wurden.<br />
Vor dem Hintergrund der oben genannten Belastungen der Krankenhäuser<br />
wurde allerdings auch deutlich, dass ein Zustandekommen von Vereinbarungen Zeit<br />
braucht. Die insgesamt erreichten Verbesserungen durch die Umsetzung des Rahmenkonzepts<br />
betrafen insbesondere<br />
die gemeinsame Überarbeitung der Überleitungsbögen,<br />
eine qualitative Verbesserung beim Ausfüllen der Überleitungsbögen (dies beinhaltete<br />
auch eine größere Sensibilisierung der Mitarbeiter/innen und eine verstärkte<br />
Kontrolle durch die Wohnbereichsleitungen),<br />
ein einheitliches Fax-Formular <strong>für</strong> die Kontakte zwischen Pflegeeinrichtungen und<br />
Krankenhäusern,<br />
die Bereitstellung von Notfalltaschen und Erstellung entsprechender Checklisten,<br />
sowie die Versorgung der Bewohner/innen im Krankenhaus mit Wäsche etc.,<br />
die Aufrechterhaltung von Kontakten zu Bewohner/innen in Krankenhäusern,<br />
den laufenden Informationsaustausch durch die Benennung fester Ansprechpartner/innen<br />
<strong>für</strong> die Krankenhäuser in den Altenpflegeeinrichtungen. Meist war dies<br />
die Pflegedienstleitung,<br />
umgehende gegenseitige Kontaktaufnahme bei dem Verdacht von pflegerischen<br />
Problemen,<br />
eine umgehende Anpassung der Pflegeplanung nach der Krankenhausentlassung.<br />
191
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
192 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die Krankenhäuser machten in den Gesprächen aber auch deutlich, wo ihre Grenzen<br />
liegen. So werden auch zukünftig Entlassungen an den Wochenenden aus<br />
Kostengründen vorgenommen werden müssen. Es konnte jedoch teilweise vereinbart<br />
werden, dass die Altenpflegeheime nach Möglichkeit vorab informiert werden. Auch<br />
konnte erreicht werden, dass die Krankenhäuser bei Entlassungen an Wochenenden<br />
oder vor Feiertagen den Bewohnern/innen <strong>zum</strong>indest einen Medikamentenvorrat <strong>für</strong><br />
die nächsten Tage mitgaben.<br />
Abschließend kann festgehalten werden, dass die Einführung und Umsetzung des<br />
Rahmenkonzepts <strong>für</strong> die meisten Referenzeinrichtungen insgesamt einen hohen Nutzen<br />
hatte. Dieser wurde vor allem darin gesehen, dass die Einrichtungen mittelfristig<br />
durch besser strukturierte Abläufe Zeitersparnisse verzeichnen konnten, auch wenn<br />
zunächst zeitliche Ressourcen in Absprachen innerhalb der Einrichtungen sowie zwischen<br />
Einrichtung und Krankenhäusern investiert wurden. Die gut strukturierten<br />
Arbeitsabläufe haben den Mitarbeitern/innen mehr Sicherheit bei Krankenhausüberleitungen<br />
geboten, die nicht nur bei Personalausfällen und Notfallsituationen wichtig<br />
war. Darüber hinaus stellten einige Einrichtungen fest, dass <strong>für</strong> die Bewohner/innen<br />
– insbesondere <strong>für</strong> demenziell erkrankte – aufgrund der umfassenden und besser ausgefüllten<br />
Überleitungsbögen eine größere Kontinuität des Pflegeprozesses erfolgen<br />
konnte. Mit der Umsetzung des Rahmenkonzepts gab es außerdem weniger<br />
Beschwerden seitens der Krankenhäuser.
4. Steuerung der Pflegeleistung und Mitarbeiterführung<br />
Zu den größten Problemen bei der Umsetzung der Modellanforderungen aber auch<br />
grundsätzlich bei der Realisierung eines erfolgreichen Qualitätsmanagements gehörte<br />
in einigen Referenzeinrichtungen, dass wichtige Regelungen zwar vorhanden waren<br />
oder im Projektverlauf eingeführt wurden, diese aber nicht verbindlich eingehalten<br />
wurden. Dieser Mangel an Verbindlichkeit betraf sowohl die Mitarbeiter/innen als<br />
auch Leitungskräfte auf unterschiedlichen Ebenen. Das heißt, in einigen Einrichtungen<br />
wurden nicht nur Regelungen <strong>für</strong> die operativen Prozesse missachtet, sondern auch die<br />
Vorgaben zu deren Überprüfung und <strong>zum</strong> Umgang mit Abweichungen.<br />
Es gibt wohl keine Organisation, die von sich behaupten könnte, das vorhandene<br />
Regelwerk in seiner Gesamtheit jederzeit und von allen Beteiligten einzuhalten. Es gibt<br />
immer wieder mal Gründe <strong>für</strong> Abweichungen. Besondere Ereignisse der unterschiedlichsten<br />
Art können Prioritäten verschieben oder kurzzeitig Belastungen so anwachsen<br />
lassen, dass die eine oder andere Vorschrift unbeachtet bleibt. Es kann sogar sein,<br />
dass beim Aufbau eines QM-Systems eine zu große Zahl an Standards, Checklisten,<br />
Dokumentationsformularen u.ä. entwickelt wurde, so dass es schwer fällt, den<br />
Überblick zu behalten und berechtigterweise geprüft werden muss, ob tatsächlich alle<br />
Regelungen der Sicherung und Entwicklung der Leistungsqualität dienen.<br />
Fatal wird es jedoch, wenn sich die Ausnahmesituationen häufen, wenn Abweichungen<br />
nicht nur geschehen, sondern auch nicht beachtet werden. Dies muss sich nicht<br />
unbedingt in deutlichen Pflegefehlern niederschlagen und nicht immer sind die externen<br />
Prüfinstanzen in der Lage, hier vorhandene Mängel zu erkennen.<br />
Wenn Standards und Vorgaben der Sicherung und Weiterentwicklung der Leistungsqualität<br />
dienen sollen, ist eine verbindliche Steuerung unerlässlich. Da<strong>für</strong> hat sich<br />
inzwischen der Begriff des Controlling eingebürgert. Controlling schließt zwar<br />
Schritte der Kontrolle mit ein, geht aber deutlich darüber hinaus. Der Begriff meint<br />
immer den gesamten Steuerungs-Regelkreis, weshalb die Begriffe Steuerung und<br />
Controlling synonym verwendet werden können. Dazu gehört<br />
die Festlegung der Sachverhalte und Schwerpunkte, auf die sich Controlling-<br />
Verfahren beziehen sollen,<br />
die Entwicklung von Verfahren der Informationsbeschaffung und Überprüfung,<br />
die Auswertung der so generierten Informationen und die Formulierung von<br />
Schlussfolgerungen,<br />
die Rückmeldung an das jeweils einbezogene Subsystem, ggf. auch die Umsetzung<br />
korrigierender Interventionen.<br />
Im Modellprojekt gerieten vorhandene Stärken aber auch die vorhandenen Mängel<br />
in der Leistungssteuerung nicht von Beginn an ins Blickfeld. In der ersten Phase konzentrierten<br />
sich alle Aktivitäten auf die Soll-Ist-Analyse, die Erstellung von Konzepten<br />
bzw. QM-Handbuchkapitel zu den Rahmenkonzepten und auf die Information und<br />
Schulung der Mitarbeiter/innen. Nach Beginn der Erprobungen berichteten jedoch<br />
Modellbeauftragte einiger Einrichtungen mehrfach, dass sie bei stichprobenartiger<br />
Überprüfung mehr oder minder schwerwiegende Abweichungen von den nunmehr<br />
gültigen Verfahrensregelungen festgestellt hatten.<br />
Vor diesem Hintergrund entwickelten die Organisationsberater/innen einen Diskussionsentwurf<br />
<strong>zum</strong> Schwerpunkt Controlling, dessen Inhalte in den Beratungssitzungen<br />
mit den Modellbeauftragten, teilweise auch im Gespräch mit Einrichtungs- und Pflegedienstleiter/innen<br />
besprochen wurde. Wo sich aufgrund dieser Beratungen der<br />
Wunsch entwickelte, vertieft in das Thema einzusteigen, wurden hausinterne Work-<br />
193
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
4.1 Voraussetzungen<br />
194 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
shops mit den Leitungskräften durchgeführt. Ein Ziel dieser Workshops war es, durch<br />
einen Vergleich des Diskussionsentwurfs mit der vorhandenen Praxis gemeinsam die<br />
vorhandenen Schwachstellen herauszufinden und Vereinbarungen zu alternativen<br />
Regelungen zu treffen. Darüber hinaus boten sowohl die vorausgehenden Gespräche<br />
als auch die Workshops den Organisationsberater/innen die Gelegenheit, mehrfach<br />
auf die zentrale Bedeutung der Leistungssteuerung <strong>für</strong> die Nachhaltigkeit der bis<br />
dahin erzielten Entwicklungen einzugehen. In einigen Einrichtungen waren es diese<br />
Beratungselemente, die <strong>für</strong> eine Verlagerung der Steuerungsaufgaben von den<br />
Modellbeauftragten auf die Linienvorgesetzten gesorgt haben.<br />
Um Steuerungsaufgaben im Rahmen des Modellprojekts erfüllen zu können, mussten<br />
in den Referenzeinrichtungen bestimmte Rahmenbedingungen vorhanden sein. Dazu<br />
gehörte, dass die Wohnbereichsleitung (WBL) über Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse<br />
gegenüber den Mitarbeitern/innen ihres Bereichs verfügte und die Grenzen<br />
dieser Befugnisse eindeutig geklärt waren.<br />
In vielen Einrichtungen war diese Voraussetzung durch eine Stellenbeschreibung <strong>für</strong><br />
die WBL vorhanden. Wie bereits erwähnt, wurden in einzelnen Einrichtungen im<br />
Zuge der Einführung der „Zuständigen Pflegefachkraft“ die Aufgaben der WBL weiter<br />
präzisiert und gegenüber den Aufgaben der Zuständigen Pflegefachkraft abgegrenzt.<br />
Entwicklungsbedarf bestand in mehreren Einrichtungen hinsichtlich der<br />
Frage, welcher Zeitanteil den WBL <strong>für</strong> Leitungstätigkeiten zur Verfügung steht. Viele<br />
WBL waren <strong>für</strong> die Leitungsfunktion nicht freigestellt, sondern selbst in der Pflege<br />
tätig. Ein festes Zeitkontingent <strong>für</strong> Leitungsaufgaben war dann oft nicht definiert,<br />
wurde sogar von einzelnen Trägern als nicht wünschenswert erachtet. Vielmehr<br />
erwartete man dort, dass sich die WBL durch ein gutes Selbst- und Zeitmanagement<br />
die Zeiten <strong>für</strong> Kontrollaufgaben und ggf. erforderliche Einzelgespräche zur Leistungssteuerung<br />
einplanen konnten. Faktisch bedeutete dies jedoch oft eine Überforderung<br />
der betroffenen Leitungskräfte. Die Doppelrolle als Fachkraft und Leitungskraft<br />
war im Alltag nicht immer leicht auszufüllen. Tendenziell war dabei eine Rollendiffusion<br />
gewissermaßen eingebaut, die es schwer machte die richtige Balance zwischen<br />
Distanz und Nähe <strong>zum</strong> Team zu finden. Dies galt in besonderem Maße <strong>für</strong> die durch<br />
das Modellprojekt angestoßene Organisations- und Qualitätsentwicklung, weil über<br />
die WBL neue – und von den Kollegen/innen nicht immer begrüßte – Anforderungen<br />
durchgesetzt werden mussten.<br />
Für viele Einrichtungen wäre es unrealistisch gewesen, die Freistellung ihrer WBL von<br />
der Pflege anzustreben. In den Sitzungen mit der Organisationsberatung wurde<br />
thematisiert, ob es nicht hilfreich sein könnte, Zeitanteile <strong>für</strong> die Leitungsaufgaben zu<br />
definieren, die WBL von Wochenenddiensten zu entlasten und sie regelmäßig zu Tagdiensten<br />
einzuteilen. Dabei würde sie die Pflegekräfte sowohl im Früh- als auch im Spätdienst<br />
erleben können und könnte ruhigere Phasen des Tages <strong>für</strong> Leitungsaufgaben<br />
nutzen. Einige Einrichtungen haben in diesem Sinne Veränderungen vorgenommen.<br />
Zu den Voraussetzungen gehörte außerdem die Aktualisierung der Stellenbeschreibung<br />
<strong>für</strong> die Bezugspflegefachkräfte im Sinne des ZPFK-Konzepts. Auch hier wurden<br />
in einigen Einrichtungen Anpassungen vorgenommen.
4.2 Verantwortung der Leitungskräfte<br />
Organisationsentwicklungen, bei denen gewohnte Routinen verändert werden und<br />
neue einzuüben sind, brauchen in der Regel eine Zeit des Übergangs. Erfahrungsgemäß<br />
dauert es eine Weile, bis die Veränderungen wirklich von allen Mitarbeitern/innen<br />
angenommen sind und umgesetzt werden. Damit dies geschieht, ist es<br />
notwendig, insbesondere die Phase der Einführung intensiv zu begleiten. Die damit<br />
zusammenhängenden Aufgaben der Steuerung konnten nicht allein von den Modellbeauftragten<br />
übernommen werden. Sie waren vielmehr bei den <strong>für</strong> den Pflegebereich<br />
wichtigsten Leitungsebenen der Pflegedienst- und Wohnbereichsleitung anzusiedeln.<br />
Die Umsetzung von Regelungen und Standards durch die Pflegekräfte musste von den<br />
Leitungskräften unmissverständlich eingefordert werden. Die Organisationberater/<br />
innen empfahlen, da<strong>für</strong> das Forum der Wohnbereichs-Besprechung zu nutzen und<br />
darauf zu achten, dass entsprechende Anforderungen der WBL im Protokoll ausdrücklich<br />
erscheinen. Empfohlen wurde auch, mit dem Wohnbereichsteam eine Zielvereinbarung<br />
zu treffen, die beinhaltet, was in Zukunft zu beachten und zu tun ist und<br />
zu welchem Zeitpunkt (etwa nach zwei bis drei Monaten) in der Teambesprechung<br />
gemeinsam diskutiert werden soll, wie gut es gelungen ist, sich an die Vorgaben zu<br />
halten.<br />
Vor allem in der ersten Zeit nach Einführung neuer Regelungen sollte den Pflegekräften<br />
ausdrücklich Gelegenheit gegeben werden, Fragen zu stellen und Unsicherheiten<br />
auszusprechen. Fehlerlosigkeit konnte erst nach einer Phase der Einübung erwartet<br />
werden. Für die Leitungskräfte war es wichtig zu erfahren, worauf genau sich Fragen<br />
und Unsicherheiten bezogen. In dieser Zeit sollte sich die WBL möglichst als erste<br />
Anlaufstelle <strong>für</strong> solche Fragen anbieten: auch wenn sie vielleicht andere Akteure (wie<br />
die hausinterne oder beim Träger angesiedelte Stelle/Abteilung <strong>für</strong> Qualitätsmanagement)<br />
ansprechen musste, um die richtige Antwort geben zu können, so verstärkte<br />
ihre Einbeziehung den beabsichtigten Aneignungs- und Lerneffekt, der bei der WBL<br />
ebenso stattfinden musste, wie bei den Pflegekräften.<br />
Aufgabe der PDL war es, die WBL in ihrer Steuerungsfunktion gegenüber den Teams<br />
anzuleiten, zu unterstützen und zu überprüfen. Hier sollte das Forum der Leitungsbesprechung<br />
(PDL und alle WBL) ebenfalls <strong>für</strong> eine Zielvereinbarung genutzt werden,<br />
die beinhaltete<br />
wie die Steuerung durch die WBL genau aussehen soll,<br />
welche Unterstützung und Anleitung sie von wem erhalten werden,<br />
wie viel an Zeitkontingent sie <strong>für</strong> ihre Steuerungsaufgaben veranschlagen können.<br />
4.3 Regelmäßige und geregelte Überprüfung<br />
Es gibt in den Einrichtungen unterschiedliche interne Prüfziele und Anlässe. Bezogen<br />
auf die Pflegeleistung kann sich der Fokus richten auf<br />
die Vollständigkeit der Pflegedokumentation;<br />
die Plausibilität, Qualität und Bedarfsangemessenheit von Assessment und Pflegeplanung<br />
kurze Zeit nach Einzug eines Bewohners sowie die Frage nach dem Verhältnis<br />
von Pflegeaufwand und Pflegestufe; später kommt die Evaluation der Pflegeplanung,<br />
d. h. die Überprüfung der Umsetzung formulierter Ziele, hinzu;<br />
195
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
196 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
den Gesundheitszustand des Bewohners, die Bedarfsangemessenheit der Pflegeplanung<br />
und -durchführung, die bewohnerbezogene Kooperation mit internen und<br />
externen Schnittstellen sowie die Zufriedenheit des/der Bewohner/in und der<br />
Angehörigen (entspricht der umfassenden Pflegevisite);<br />
die Bearbeitung von individuellen Pflegeproblemen und -fragen (z.B. durch Fallbesprechungen);<br />
die Kooperation unterschiedlicher Bereiche in der Einrichtung (z.B. in Bereichsleitungsbesprechungen<br />
oder Qualitätszirkeln).<br />
Für all diese Überprüfungsschritte sollte es in den Einrichtungen verbindliche Festlegungen<br />
geben, die regeln, wie oft und in welchen zeitlichen Abständen der jeweilige<br />
Schritt erfolgt und wer da<strong>für</strong> zuständig ist. Ratsam ist auch, Dokumentationslisten<br />
zu führen, in denen vermerkt wird, ob, wann, von wem und mit welchem Ergebnis<br />
die Überprüfung vorgenommen wurde.<br />
Der Diskussionsentwurf der Organisationsberatung enthielt eine Übersicht, welche<br />
Überprüfungsschritte <strong>für</strong> sinnvoll erachtet wurden und durch welche Leitfragen die<br />
jeweiligen Verfahrensweisen <strong>für</strong> die Überprüfung von Zielen des <strong>Referenzkonzept</strong>es<br />
genutzt werden konnten. Auf den nachfolgenden Seiten ist diese Übersicht dargestellt.<br />
4.3.1 Überprüfung der Steuerungsleistung der WBL<br />
Die Steuerungsfunktion der PDL gegenüber den WBL sollte auf mehrfache Weise<br />
umgesetzt werden. Dort wo die PDL allein <strong>für</strong> die Pflegevisite zuständig ist oder diese<br />
stichprobenartig durchführt, sollten die Ergebnisse selbstverständlich nicht nur mit der<br />
Zuständigen Pflegefachkraft, sondern auch mit der zuständigen Wohnbereichsleitung<br />
rückgekoppelt werden. Zu thematisieren wären dabei nicht nur die Ergebnisse hinsichtlich<br />
der Planungs- und Pflegequalität, sondern auch die Hinweise auf die<br />
Führungsqualitäten der WBL, die sich aus solchen Ergebnissen ableiten lassen. Je<br />
nach Art solcher Hinweise sollte Positives ausdrückliche Wertschätzung erfahren,<br />
während bei entdeckten Mängeln zu überlegen ist, welche Konsequenzen sich daraus<br />
<strong>für</strong> das Leitungshandeln der WBL ergeben. Diese sollten ggf. zu einer entsprechenden<br />
Zielvereinbarung zwischen PDL und einzelner WBL führen mit entsprechendem<br />
schriftlichen Vermerk und festgehaltenem Überprüfungstermin.<br />
Zum Anderen sollten die Steuerungserfahrungen bei der Umsetzung neuer Anforderungen<br />
in gemeinsamen Auswertungsgesprächen thematisiert werden, bei denen neben<br />
PDL und allen WBL auch die Projektleitung sowie die Einrichtungsleitung teilnimmt.<br />
Empfohlen wurde auch ein eigenes Forum des Austausches <strong>für</strong> die WBL, wo sie sich<br />
auf gleicher Hierarchieebene und ohne sich durch eine/n Vorgesetzte/n gewissermaßen<br />
kontrolliert zu fühlen austauschen und <strong>für</strong> den Umgang mit Schwierigkeiten<br />
voneinander lernen könnten. Bei effizienter Gesprächsführung wäre ein solches<br />
Forum zeitlich umzusetzen, wenn die in vielen Einrichtungen übliche gemeinsame<br />
Runde der WBL mit der PDL aufgeteilt wird, so dass den WBL ein Teil dieser sowieso<br />
<strong>für</strong> Besprechungen vorgesehenen Zeit <strong>für</strong> den eigenen Austausch zur Verfügung steht.<br />
In einzelnen Einrichtungen wurde diese Empfehlung umgesetzt. Ein solches Forum bot<br />
auch die Möglichkeit, dass sich die WBL über Anforderungen an die übergeordneten<br />
Leitungsebenen miteinander verständigen könnten, die „von unten nach oben“<br />
immer schwieriger vorzubringen sind als in umgekehrter Richtung. Ein positiver<br />
Nebeneffekt war dabei, dass die WBL sich durch einen solchen Austausch näher<br />
rückten und sich im Alltag bei Personal und Pflegeengpässen in den Wohnbereichen<br />
gegenseitig besser unterstützten.
4.3.2 Wohnbereichsbezogene Audits und Hospitationen<br />
Der Diskussionsentwurf enthielt auch Empfehlungen dazu, welche Überprüfungsmaßnahmen<br />
durch den/die Modellbeauftragte/n (oder auch durch den/die hausinternen<br />
Qualitätsbeauftrgate/n) durchgeführt werden sollten. Beginnend frühestens einen<br />
Monat nach Einführung neuer Standards sollten sie in jedem Wohnbereich in regelmäßigen<br />
Abständen kleine interne Audits anberaumen. Diese Veranstaltungen sollten<br />
nicht länger als eine halbe Stunde dauern und ggf. im Rahmen einer zeitlich erweiterten<br />
Übergabe stattfinden können.<br />
Für jedes Audit sollte vom Modellbeauftragten ein Fragekatalog entwickelt werden,<br />
der sich auf wichtige Bestandteile der zu überprüfenden Regelung bezog (z.B. „Was<br />
tun Sie, wenn ...?“). Die Mitarbeiter/innen könnten dann durch ihre Antworten zeigen,<br />
ob ihnen der jeweilige Ablaufstandard geläufig ist. Die Audits sollten sowohl<br />
prüfenden als auch schulenden/informierenden Charakter haben. Mit den WBL wäre<br />
anschließend zu besprechen, wie im Alltag auf die Bearbeitung noch vorhandener<br />
Wissens- und Praxislücken geachtet werden könnte.<br />
4.3.3 Hospitation in den Wohnbereichen<br />
In regelmäßigen festzulegenden Abständen sollten die Modellbeauftragten in der Einführungsphase<br />
neuer Standards in jedem Wohnbereich ihrer Einrichtung hospitieren<br />
und dabei wesentliche Zeiträume der unterschiedlichen Dienstzeiten – insbesondere<br />
auch den Nachtdienst – abdecken. Bei Umsetzung der Konzepte <strong>zum</strong> Heimeinzug,<br />
zur Überleitung ins Krankenhaus oder zur Sterbebegleitung ließ sich die Hospitation<br />
so durchführen, dass sie mit persönlichen Eindrücken zur Umsetzung der vereinbarten<br />
Standards verbunden werden konnte. Die persönliche Anwesenheit des/der Modellbeauftragten<br />
wurde insbesondere bezogen auf solche Abläufe/Standardisierungen<br />
empfohlen, die deutlich von der vor dem Projekt gewohnten Praxis abwichen. Sinn der<br />
Hospitation sollte weniger sein, den Mitarbeiter/innen kontrollierend oder gar strafend<br />
„auf die Finger zu schauen“, sondern vielmehr, etwas zu den konkreten Schwierigkeiten<br />
und Nöten des Alltags zu erfahren, die bei der Umsetzung auftauchen konnten.<br />
Hindernisse, die zu Abweichungen von den Standards führten und nicht unmittelbar<br />
abgebaut werden konnten, sollten vom Modellbeauftragten in die hausinterne<br />
Projektsteuerungsrunde eingebracht werden, damit dort Lösungen überlegt bzw.<br />
geeignete Strategien <strong>für</strong> die Bearbeitung des Problems entwickelt werden konnten.<br />
Die Bearbeitung dieses Diskussionsentwurfs hat in mehreren Referenzeinrichtungen<br />
dazu geführt, die Verfahrensweisen der Überprüfung und Steuerung des Leistungsgeschehens<br />
im Sinne der Empfehlungen zu präzisieren.<br />
197
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
Besonderheiten<br />
Fragestellungen im Zusammenhang mit Anforderungen<br />
und Empfehlungen des Modellprojekts1 Vorgehensweise Zuständigkeit Zeitliche<br />
Festlegung<br />
Auch bei sorgfältiger Dokumentation von wichtigen<br />
Informationen ist davon auszugehen, dass die schriftliche<br />
Fassung immer eine Verkürzung darstellt und dass<br />
manche Alltagsäußerungen <strong>für</strong> zu unwesentlich gehalten<br />
und nicht schriftlich erfasst werden. Deshalb wird<br />
eine mündliche Ergänzung des Dokumentationsmaterials<br />
empfohlen. Auch scheint es notwendig, dass die<br />
ZPFK in Übergaben ausdrücklich nach den Erfahrungen<br />
anderer Pflegekräfte mit ihrem neuen BW fragt und<br />
Rücksprache hält mit weiteren Fachkräften (z. B. des<br />
Sozialen Dienstes) oder auch Ehrenamtlichen, die mit der<br />
Betreuung des neuen BW zu tun hatten.<br />
Entspricht das Assessment den Anforderungen des <strong>Referenzkonzept</strong>es?<br />
Sind die biografischen Informationen und deren Bedeutung<br />
<strong>für</strong> den BW sorgfältig und so vollständig wie möglich erhoben?<br />
Sind Pflegeziele und Maßnahmen/Tagesstruktur bedarfsangemessen<br />
und plausibel? Orientiert sich die Maßnahmenplanung<br />
am Leistungskatalog der Leistungsbeschreibungen? Wird bei Pflegezielen<br />
und Maßnahmeplanung die Berücksichtigung biografischer<br />
Informationen deutlich? Ist ein etwaiger Bedarf an psychosozialer<br />
Betreuung in der Maßnahmenplanung berücksichtigt?<br />
Werden die Tagesberichte aussagefähig geführt und ggf. korrekt<br />
mit den Kürzeln der Leistungsbeschreibungen verbunden? Werden<br />
Grund- und Behandlungspflege sowie psychosoziale Betreuungsmaßnahmen<br />
ordnungsgemäß durchgeführt? Ist eine Veränderung/Konkretisierung<br />
von Zielen und Maßnahmen notwendig?<br />
Spätestens sechs<br />
Wochen nach Einzug<br />
eines BW<br />
ZPFK<br />
Kontrolle, ob dies geschieht,<br />
durch WBL mit Rückmeldung<br />
an PDL<br />
Erste Überprüfung der Pflegeplanung<br />
und -dokumentation<br />
kurz nach Einzug eines<br />
Bewohners (BW)<br />
198 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Sind alle erbrachten Leistungen vollständig dokumentiert und<br />
regelgerecht abgezeichnet? Sind Abweichungen und Besonderheiten<br />
in den Tagesberichten erfasst?<br />
ZPFK 2 x pro Monat<br />
und BW<br />
Regelmäßige Überprüfung der<br />
Pflegedokumentationen auf<br />
Vollständigkeit und Einhaltung<br />
von Standards<br />
Welches Maß an Verantwortung die Einrichtungen hier<br />
der jeweiligen ZPFK einräumen, kann durchaus unterschiedlich<br />
sein. Bei schon länger eingeführtem Bezugspflegesystem<br />
und entsprechenden Kompetenzen der<br />
Fachkräfte, weitgehende Verantwortung zu übernehmen,<br />
reichen Stichprobenkontrollen durch die WBL<br />
(z.B. Überprüfung je einer Pflegedokumentation jeder<br />
ZPFK). Müssen die Fachkräfte in diese Verantwortung<br />
erst hineinwachsen (was auch bei Neueinstellungen<br />
gilt) muss die Begleitung enger sein.<br />
Fragestellungen wie bei erster Überprüfung.<br />
Ergänzung:<br />
Wird der Biografiebogen fortgeschrieben?<br />
Mindestens 1 x<br />
pro Quartal und<br />
BW, anlassbezogen<br />
auch eher<br />
ZPFK<br />
Kontrolle, ob dies geschieht,<br />
durch WBL mit Rückmeldung<br />
an PDL<br />
Evaluation der<br />
Pflegeplanung<br />
Bei neu umgesetztem ZPFK-Konzept kann es günstig<br />
sein, die Pflegevisite als Selbstkontrolle durch die ZPFK<br />
durchführen zu lassen. Damit kann ein Hineinwachsen<br />
in die erweiterte Verantwortung gefördert werden. Voraussetzung<br />
da<strong>für</strong> ist allerdings eine gute Begleitung/<br />
Anleitung durch WBL und eine Kontrolle mit Rückmeldung<br />
durch die PDL. Dass die WBL in vielen Häusern<br />
nur über eine Teilfreistellung <strong>für</strong> Leitungsaufgaben verfügen<br />
und selbst ebenfalls als ZPFK tätig sind, schließt<br />
deren Zuständigkeit <strong>für</strong> die umfassende Pflegevisite<br />
nicht aus. Hier kann es von Vorteil sein, wenn die WBL<br />
bei entsprechender Zuständigkeit die Pflegevisite jeweils<br />
<strong>für</strong> BW eines anderen Wohnbereichs durchführen.<br />
Gefördert werden kann dadurch die gegenseitige Unterstützung<br />
der Wohnbereiche in Notsituationen.<br />
Fragestellungen wie bei erster Überprüfung.<br />
Die ZPFK, Sozialer Dienst, Angehörige des BW und<br />
ggf. weitere Kooperationspartner sind einzubeziehen.<br />
Mindestens 2 x<br />
im Jahr pro BW<br />
Pflegevisite PDL, WBL oder ZPFK.<br />
Rückmeldung und Qualitätskontrolle<br />
(ggf. über WBL)<br />
durch PDL
Besonderheiten<br />
Fragestellungen im Zusammenhang mit Anforderungen<br />
und Empfehlungen des Modellprojekts<br />
Vorgehensweise Zuständigkeit Zeitliche<br />
Festlegung<br />
Fallbesprechungen können unterschiedliche Ziele und<br />
Schwerpunktsetzungen haben, die wiederum durch unterschiedliche<br />
Fragestellungen strukturiert werden. Gemeinsam<br />
ist allen Fallbesprechungen, dass es immer auch<br />
darum geht, individuell vorhandenes Wissen <strong>für</strong> alle<br />
Beteiligten nutzbar zu machen und so die Kompetenz<br />
der jeweils Beteiligten insgesamt zu erhöhen.<br />
Mit Schwerpunkt „Biografieorienierung“: Zusammentragen des<br />
vorhandenen Wissens über einen BW und seine Biografie bzw.<br />
sein gegenwärtiges Erleben. Hier geht es insbesondere auch um<br />
die mündliche Ergänzung und Erläuterung der notwendigerweise<br />
immer verkürzenden Darstellung im Biografiebogen. Nach einem<br />
solchen Austausch ist zu fragen, welche Bedeutung die vorhandenen<br />
Informationen <strong>für</strong> die Pflege und psychosoziale Begleitung<br />
des BW haben können. Mit Schwerpunkt „Rahmenkonzepte <strong>für</strong><br />
zentrale Arbeitsfelder“: Vorgeschlagen wird, dass die internen<br />
Qualitätsbeauftragten (QB) in Absprache mit der zuständigen<br />
WBL Fallbesprechungen durchführen, die sich auf die zentralen<br />
Arbeitsfelder und die hausintern gültigen Konzepte beziehen. Vorbereitend<br />
sind ggf. vorhandene Checklisten prüfen. Der Schwerpunkt<br />
der Fallbesprechung sollte darauf liegen, den faktischen<br />
Ablauf zu schildern und Abweichungen festzustellen und Gründe<br />
da<strong>für</strong> herauszuarbeiten. Falls es solche Abweichungen gegeben<br />
hat ist – je nach Art der Gründe – mit den Fachkräften, der WBL,<br />
der PDL oder der hausinternen Steuerungsgruppe zu überlegen,<br />
wie sie in Zukunft vermieden werden können.<br />
1 x pro Monat<br />
im Rahmen der<br />
Teamgespräche<br />
in den WB;<br />
1 x pro Monat<br />
durch etwas verlängerteÜbergabe<br />
Fallbesprechungen WBL <strong>für</strong> die Sicherung der<br />
Durchführung; Welche BW<br />
jeweils besprochen werden,<br />
kann bei Übergaben<br />
gemeinsam festgelegt werden.<br />
Jede Fachkraft sollte<br />
darüber hinaus aber die<br />
Möglichkeit haben, BW<br />
<strong>für</strong> Fallbesprechungen vorzuschlagen.<br />
Zu sichern ist<br />
hier aber, dass nicht nur<br />
„Problemfälle“ besprochen<br />
werden und andere scheinbar<br />
unauffällige Bewohner<br />
fehlen. Eine günstige Lösung<br />
scheint hier eine<br />
gemischte, abwechselnde<br />
Auswahl zu sein: einmal<br />
alphabetisch, einmal vom<br />
Bereich vorgeschlagen.<br />
QZ sind in besonderer Weise geeignet, unter Beteiligung<br />
von Mitarbeitern vorhandene sach- und ablaufbezogene<br />
Reibungsverluste (z. B. in der bereichsübergreifenden<br />
Zusammenarbeit) zu bearbeiten. QZ prüfen<br />
die Gründe <strong>für</strong> solche Probleme und Reibungsverluste<br />
und erarbeiten Verbesserungsvorschläge. Anlässe können<br />
Beschwerden von BW, Angehörigen oder Mitarbeiter<br />
sein. QZ können auch dazu dienen, Detailfragen im<br />
Zusammenhang mit der Umsetzung der Rahmenkonzepte<br />
<strong>für</strong> zentrale Arbeitsfelder zu beantworten. Von<br />
Nutzen sind QZ nicht nur wegen ihrer Arbeitsergebnisse<br />
sondern auch wegen ihrer positiven Wirkung auf<br />
die Organisationskultur. Voraussetzung da<strong>für</strong> ist allerdings,<br />
dass QZ-Vorschläge immer gewürdigt und ernst<br />
genommen werden.<br />
Anlassbezogen. Fragestellungen <strong>für</strong> QZ im Rahmen der Umsetzung des <strong>Referenzkonzept</strong>es<br />
könnten sein: Entwicklung von Checklisten (als mit geltende<br />
Dokumente) <strong>für</strong> die Konzepte in zentralen Arbeitsfeldern.<br />
Zusammenarbeit zwischen Tagdiensten und Nachtdienst in der<br />
Pflege Gestaltung des Angebotsspektrums <strong>für</strong> die bedarfsgerechte<br />
psychosoziale Begleitung von BW, Bearbeitung von Beschwerden<br />
Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen <strong>für</strong> die interne (z. B.<br />
Pflege-Hauswirtschaft) und externe (z. B. Ärzte, Krankenhäuser,<br />
Ehrenamtliche) Schnittstellenkooperation.<br />
Qualitätszirkel (QZ) Einrichtungsleitung und/<br />
oder PDL <strong>für</strong> die Sicherung<br />
der Durchführung. Die personelle<br />
Zusammensetzung<br />
der QZ richtet sich nach<br />
dem jeweiligen Anlass.<br />
Moderation durch internen<br />
QB<br />
1 Da sich diese Spalte auf solche Fragestellungen beschränkt, die im Zusammenhang mit den Anforderungen des <strong>Referenzmodell</strong>s stehen, müssen die darüber hinausgehenden üblichen Prüffragen <strong>für</strong> Pflegeevaluation und Pflegevisite in den Einrichtungen ergänzt werden.<br />
199
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
5. Zusammenfassung: Die wichtigsten Hindernisse und<br />
Erfolgsfaktoren im Umsetzungsprozess<br />
200 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Wie eingangs bereits gesagt, starteten die Referenzeinrichtungen mit unterschiedlichen<br />
Ausgangsbedingungen in das Modellprojekt. Es lag nahe zu vermuten, dass<br />
in solchen Einrichtungen, in denen vorab bereits viele Anforderungen der Konzeptbausteine<br />
erfüllt waren, die Umsetzung der Elemente, die noch zu verändern waren,<br />
reibungsloser vor sich gehen würde.<br />
Überwiegend bestätigte sich dies, aber in Einzelfällen wurde auch deutlich, dass<br />
manche Einrichtungen mit ungünstigerer Ausgangssituation die Anforderungen<br />
schneller und erfolgreicher bearbeiten konnten als solche, die bessere Voraussetzungen<br />
hatten. Auch bei Einrichtungen mit weitgehend ähnlicher Ausgangssituation<br />
zeigten sich deutliche Unterschiede im Prozess der Erprobung und Umsetzung. Manche<br />
Referenzeinrichtungen legten in der Projektlaufzeit einen bemerkenswert weiten<br />
Entwicklungsweg zurück, in anderen vollzogen sich die Prozesse deutlich langsamer<br />
und hatten mehr Hindernisse zu bewältigen.<br />
Im Austausch der Organisationsberater/innen wurde deshalb mehrfach der Frage<br />
nachgegangen, welche Faktoren eine kontinuierlich fortschreitende Umsetzung der<br />
Konzeptbausteine in besonderer Weise begünstigt haben. Allerdings scheiterte der<br />
Versuch, die Referenzeinrichtungen anhand solcher Faktoren zu gruppieren. Die in<br />
den folgenden Abschnitten beschriebenen Merkmale waren in den Referenzeinrichtungen<br />
in vielen unterschiedlichen Kombinationen vorhanden. Es gab praktisch keine<br />
Einrichtung, in der alle Merkmale nur in positiver oder nur in negativer Ausprägung<br />
vorhanden waren. Mehrfach war beobachtbar, dass einige der eher hinderlichen<br />
Faktoren durch das Vorhandensein positiver Merkmale in ihrer Wirkung abgeschwächt<br />
wurden – und umgekehrt.<br />
Trotzdem mussten sich viele Referenzeinrichtungen mit einem beträchtlichen Teil ihrer<br />
personellen und zeitlichen Ressourcen darauf konzentrieren, Organisationsmängel<br />
zu beheben, um damit die Bedingungen zu schaffen, die eine erfolgreiche Zielumsetzung<br />
im Sinne des <strong>Referenzkonzept</strong>es zu ermöglichen. Solche Mängel waren bei Projektbeginn<br />
oft noch nicht bekannt. Sie wurden erst durch die tiefgehenden Analyseschritte<br />
<strong>für</strong> die Leitungskräfte, die Modellbeauftragten und die Organisationsberatung<br />
sichtbar. Je nach Art und Umfang solcher Mängel führte deren Bearbeitung<br />
dann dazu, dass sich die Umsetzung der Konzeptbausteine an der einen oder anderen<br />
Stelle verzögerte.<br />
5.1 Zieleinverständnis zwischen Träger, Einrichtungs- und Pflegedienstleitung<br />
Selbstverständlich brauchte die Einführung der Konzeptbausteine in den Referenzeinrichtungen<br />
nicht nur die Bereitschaft der jeweiligen Einrichtungs- und Pflegedienstleitung,<br />
sondern auch das grundlegende Einverständnis der Trägerebene. Obwohl<br />
diese Übereinstimmung im Modellprojekt bei allen Referenzeinrichtungen und ihren<br />
Trägern grundsätzlich vorhanden war, zeigte sich, dass im Prozess an genau dieser<br />
Stelle Reibungsverluste auftauchten, mit denen zu Beginn niemand gerechnet hatte.<br />
Wie bereits erwähnt berührte die Umsetzung der Konzeptbausteine das bei allen<br />
großen Trägern bereits vorhandene und in allen Einrichtungen mindestens im Aufbau<br />
befindliche Qualitätsmanagement (QM). Die Steuerung dieser QM-Systeme war in<br />
der Regel zentral bei den Trägern angebunden und wurde dort von Qualitätsmanage-
mentbeauftragten, meist unterstützt durch einrichtungsinterne Qualitätsbeauftragte,<br />
wahrgenommen. Auch die Verbundzertifizierungen, in die mehrere Referenzeinrichtungen<br />
eingebunden waren, wurden bereits erläutert.<br />
Für die Referenzeinrichtungen solcher Träger bedeutete dies, dass alle Veränderungen,<br />
die sich durch die Umsetzung der Konzeptanforderungen ergaben und in den<br />
QM-Handbüchern schriftlich festzuhalten waren, mit dem QM-Beauftragten und/oder<br />
zuständigen Gremien beim Träger abzustimmen waren. Trotz der grundlegenden<br />
Einigkeit zu Beginn des Projekts war diese Abstimmung, wenn es um die Details ging,<br />
nicht immer problemlos möglich.<br />
Vor allem große Träger haben die Beteiligung der Mitarbeiter/innen sowie der Leitungskräfte<br />
weitgehend institutionalisiert. So haben z.B. neben den Qualitätszirkeln<br />
in den Altenpflegeheimen teilweise trägerübergreifende Qualitätszirkel sowie<br />
Arbeitskreise der Einrichtungsleiter/innen und Fachkreise der Pflegedienstleitungen<br />
bestanden, die sich im Austauschprozess mit den hausinternen Qualitätsbeauftragten,<br />
den beim Träger angesiedelten Qualitätsmanagementbeauftragten und den <strong>für</strong><br />
das Referenzprojekt eingestellten Modellbeauftragten um eine Integration der Qualitätsstandards<br />
in das vorhandene QM-System bemühten. Hierbei waren alle Beteiligten<br />
bestrebt, Synergien zu erzielen und die Erkenntnisse aller beim Träger durchgeführten<br />
Projekte zu integrieren und damit <strong>für</strong> alle Häuser nutzbar zu machen.<br />
Derart institutionalisierte Beteiligungsprozesse waren jedoch in der Praxis nicht ohne<br />
Tücken. In Anlehnung an Paul Watzlawick, nach dem ein „Mehr desselben“ nicht<br />
immer auch ein „Mehr an Resultat“ bedeutet, konnte im Referenzprojekt in Ausnahmefällen<br />
das fast paradoxe Phänomen beobachtet werden, dass ein Mehr an Kommunikation<br />
und Austausch fast zu einer Blockade der Veränderungsprozesse geführt<br />
hätte. So wurden beispielsweise in einem Fall in einem festgelegten Verfahren Vorschläge<br />
<strong>für</strong> Verfahrensanweisungen in verschiedenen Arbeitskreisen diskutiert und<br />
zwischen den beteiligten Personen, die parallel mit verschiedenen QM-Prozessen<br />
befasst waren und unterschiedliche Prioritäten verfolgten, mehrfach ausgetauscht und<br />
abgestimmt. Als Folge des korrekt eingehaltenen Verfahrens verzögerten sich die projektbezogenen<br />
Entwicklungsprozesse nicht nur erheblich, sie kamen teilweise vollständig<br />
<strong>zum</strong> Erliegen. Ein Überblick über die inhaltliche Bearbeitung der einzelnen<br />
Projektelemente war nicht immer gegeben.<br />
Die Lösung des Problems bestand in diesem Fall darin, die grundsätzlich sinnvollen<br />
einzelnen Prozessschritte und Beteiligungen vor dem Hintergrund der begrenzten Projektlaufzeit<br />
abzukürzen und zu durchbrechen. In Abstimmung mit der Leitung und<br />
dem Träger konnten pragmatisch abgekürzte Verfahren zur Erstellung und Erprobung<br />
neuer Verfahrensanweisungen vereinbart werden, die in der beteiligten Altenpflegeeinrichtung<br />
zu einer zusätzlichen Qualitätsverbesserung führten.<br />
In einem anderen Haus blieb über mehrere Monate unklar, ob die im Sinne des <strong>Referenzkonzept</strong>es<br />
optimierte Pflegeplanung und -dokumentation über die Projektlaufzeit<br />
hinaus Bestand haben oder ob die angestrebte Verbundzertifizierung die Nutzung<br />
einer anderen Systematik erfordern würde. Diese Unklarheit dämpfte die Motivation<br />
der Mitarbeiter/innen und zeitweise auch das Engagement des/der Modellbeauftragten.<br />
Es kam schließlich zu einer günstigen Entscheidung, gleichwohl war auch<br />
hier eine verzögernde Wirkung zu beobachten.<br />
In manchen der Referenzeinrichtungen musste auch parallel <strong>zum</strong> Referenzprojekt an<br />
weiteren Innovationsprozessen gearbeitet werden. Teilweise waren diese Vorhaben<br />
nicht nur kompatibel mit den Zielen des <strong>Referenzkonzept</strong>s, sie begünstigten sie<br />
sogar. Dies betraf die Verstärkung biografieorientierter Pflege, die schrittweise<br />
Umstellung des Dienstplanes auf das Dreischicht-Modell und die Einführung des<br />
Hausgemeinschaftskonzepts. Zusätzliche Projekte bedeuteten aber immer auch<br />
201
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
202 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
zusätzlichen Aufwand. In der Folge fühlten sich die Mitarbeiter/innen in einigen dieser<br />
Einrichtungen überfordert. Auch die Einhaltung der Termine <strong>für</strong> die interne Steuerung<br />
des Referenzprojektes war nicht immer in wünschenswerter Weise gegeben, weil<br />
Zeit und Energie der Leitungskräfte auch durch andere Aufgaben beansprucht war.<br />
Bei anderen Einrichtungen war es von großem Vorteil, dass Träger, Einrichtungs- und<br />
Pflegedienstleitung dem Referenzprojekt von Beginn an eindeutig Priorität eingeräumt<br />
hatten und sich den Zielen gemeinsam verpflichtet fühlten.<br />
5.2 Zielangemessenheit, Eindeutigkeit und Transparenz der Aufbau- und Ablauforganisation<br />
Nicht in allen Referenzeinrichtungen erfüllte die vorhandene Aufbau- und Ablauforganisation<br />
die Gütekriterien der Zielangemessenheit, Eindeutigkeit und Transparenz.<br />
Es gab Referenzeinrichtungen, in denen die Zuständigkeiten und Kompetenzen<br />
und die Abläufe im Haus nur lückenhaft verschriftlicht waren. Dies führte zu Auseinandersetzungen<br />
und Reibungsverlusten zwischen Leitungskräften der verschiedenen<br />
Ebenen, zwischen Dienstbereichen und zwischen Fachkräften.<br />
Es gab zwar Einrichtungen, die bereits vor Projektbeginn mit dem Bezugspflegesystem<br />
gearbeitet hatten, doch wie bereits erwähnt deckte die Bestandsaufnahme zur<br />
„Zuständigen Pflegefachkraft“ in mehreren dieser Einrichtungen erhebliche Mängel<br />
auf. In Einzelfällen kam es sogar vor, dass die Einrichtungsleitungen bei Befragungen<br />
zur Struktur ein Bezugspflegesystem angegeben hatten, während die Befragung der<br />
Pflegekräfte ergab, dass ihnen ein solches System nicht bewusst war.<br />
In einzelnen Einrichtungen standen Träger und Hausleitung einer zu umfassenden „Verregelung“<br />
von Abläufen ausgesprochen kritisch gegenüber, mit dem Effekt, dass zu<br />
wenig klar geregelt war. Vorhandene Vorgaben, wie die, dass ausschließlich die<br />
Wohnbereichsleitungen <strong>für</strong> die Pflegeplanung zuständig war, hatten den Effekt, dass<br />
die examinierten Pflegekräfte über Jahre in nur geringem Maße Verantwortung zu übernehmen<br />
hatten und den damit einhergehenden Fähigkeiten gewissermaßen entwöhnt<br />
waren. Umso schwieriger gestaltete sich die Einführung der Zuständigen Pflegefachkraft.<br />
Zum Ende der Modelllaufzeit war das Konzept zwar formal weitgehend umgesetzt,<br />
es wird aber noch einige Zeit der Schulung und Begleitung dauern, bis die Pflegefachkräfte<br />
den veränderten Aufgaben in vollem Umfang gerecht werden können.<br />
Wie beschrieben war in vielen Referenzeinrichtungen die Vernetzung von Pflege und<br />
Sozialem Dienst in hohem Maße entwicklungsbedürftig. Zwar hat es hier in vielen<br />
Einrichtungen deutliche und weitreichende Verbesserungen gegeben, die sich positiv<br />
auf die Erprobung von Elementen des <strong>Referenzkonzept</strong>es – insbesondere bezogen<br />
auf die Leistungen der psychosozialen Begleitung ausgewirkt haben. Aber auch<br />
diese Veränderungen mussten mit Zeit- und Energieaufwand geplant und umgesetzt<br />
werden. Um dies leisten zu können, wurde die Bearbeitung einzelner Konzeptelemente<br />
des Referenzprojektes zeitweise zurückgestellt.<br />
Günstigere Voraussetzungen hatten hier die Referenzeinrichtungen,<br />
bei denen Zuständigkeiten und Kompetenzen eindeutig geklärt waren, mit besonderem<br />
Augenmerk auf den Schnittstellen zwischen Pflege, Sozialem Dienst und<br />
Hauswirtschaft,<br />
die eine enge Zusammenarbeit zwischen Sozialem Dienst und Pflege bereits vor<br />
Beginn des Modellprojekts verwirklicht hatten,<br />
die bereits vor dem Projekt mit einem Bezugspflegesystem arbeiteten, das auch<br />
bei Ausfällen und Störungen eingehalten wurde.
5.3 Verbindliches Qualitätsmanagement und kompetente Mitarbeiterführung<br />
Aus Sicht der Organisationsberatung hatte das Vorhandensein eines Qualitätsmanagementsystems<br />
beträchtlichen und positiven Einfluss auf den Prozess der Konzeptumsetzung.<br />
Eine wichtige Voraussetzung war jedoch, dass es nicht nur als formale Vorgabe<br />
auf dem Papier existierte, sondern im Alltag gelebt und konsequent zur Steuerung<br />
der Pflegeleistungen genutzt wurde. In Referenzeinrichtungen mit lebendigem<br />
Qualitätsmanagement tauchten deutlich weniger Reibungsverluste durch unklare<br />
Zuständigkeiten und Kompetenzen auf.<br />
So war eine der Referenzeinrichtungen, denen die Evaluation in allen Zwischenberichten<br />
gute Erfolge bescheinigte, durch eindeutige und klare Zuordnung von Zuständigkeiten<br />
und Kompetenzen bezogen auf die verschiedenen Bereiche und Funktionsträger<br />
gekennzeichnet. Abläufe der Pflegepraxis und sonstigen Korporationen<br />
und Kommunikation waren durch ein systematisches Qualitätsmanagement geregelt,<br />
teilweise standardisiert. Dieses Ablaufreglement wurde von Leitungskräften und<br />
Beschäftigten im Alltag mit hoher Verbindlichkeit beachtet, aber auch fortgeschrieben<br />
und weiterentwickelt, wenn es sich punktuell als unzulänglich erwies. Es war deshalb<br />
auch nicht verwunderlich, dass diese Einrichtung, zusammen mit einigen vergleichbaren<br />
Häusern, schon vor Projektbeginn viele der Konzeptanforderungen bereits<br />
erfüllte.<br />
Ob ein Qualitätsmanagement gelebt wird oder nur auf dem Papier existiert, ist eine<br />
Frage der Leitungskompetenz und Mitarbeiterführung. Auch hier gab es zwischen<br />
den Referenzeinrichtungen große Unterschiede. In Einzelfällen waren Führungsdefizite,<br />
die durch die Projektbearbeitung deutlich wurden, Anlass <strong>für</strong> Umbesetzungen.<br />
Kompetentes Führungshandeln, wie es in vielen der Referenzeinrichtungen zu beobachten<br />
war, zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass<br />
Vorhandene Regelungen verbindlich eingehalten und ihre Einhaltung von den Mitarbeiter/innen<br />
auch unmissverständlich eingefordert wurde,<br />
den Mitarbeiter/innen grundsätzlich wertschätzend begegnet wurde,<br />
die Beteiligung der Mitarbeiter/innen am Prozess der Organisationsentwicklung<br />
gesichert und Ergebnisse solcher Beteiligung ernst genommen wurde,<br />
Leistungsmängel frühzeitig und angemessen thematisiert und bearbeitet wurden.<br />
Aus Sicht der Organisationsberatung schienen insbesondere die Wohnbereichsleiter/innen<br />
auf Führungsaufgaben nur unzureichend vorbereitet zu sein. Sie waren<br />
<strong>für</strong> ihre Leitungsfunktion in vielen Einrichtungen nur teilweise freigestellt, mussten sich<br />
also in zwei Rollen bewegen: Kollege/in und Pflegefachkraft in dieser, Leitungskraft<br />
in jener Arbeitsphase. Bei den von der Organisationsberatung angebotenen Workshops<br />
berichteten fast alle Teilnehmer/innen von Schwierigkeiten und Unsicherheiten<br />
im Umgang mit Mitarbeiter/innen. Im Bemühen um die richtige Balance in den beiden<br />
Rollen neigten die einen dazu, sich eher als Kollege/in zu sehen und sich die<br />
Wertschätzung des Teams zu sichern, wodurch es ihnen schwer wurde, mit Leistungsmängeln<br />
in ihrem Team angemessen umzugehen. Andere neigten zur Hervorhebung<br />
der eigenen Autorität, mit der Gefahr, <strong>für</strong> die Pflegekräfte im Team zu wenig<br />
Wertschätzung zu zeigen und das Arbeitsklima zu stören.<br />
Im Rahmen des Projektes war es nicht möglich, diese Problematik so weitgehend zu<br />
bearbeiten, wie es in einigen Fällen notwendig gewesen wäre. Zu fragen ist hier<br />
auch, welchen Qualitätsstandards in Bezug auf Vermittlungsinhalte und Didaktik die<br />
angebotenen Weiterbildungen <strong>für</strong> Leitungsfunktionen in der stationären Altenpflege<br />
genügen müssten.<br />
203
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
204 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
5.3.1 Personalentwicklung<br />
Personalentwicklung als eine systematische und geplante Strategie war nur in wenigen<br />
Referenzeinrichtungen aufzufinden. Am ausgeprägtesten war noch die Erstellung<br />
von Fortbildungsplänen. Andere Elemente, die der Personalentwicklung zuzurechnen<br />
sind und die im Praxisleitfaden ausführlicher beschrieben sind, wurden eher zufällig<br />
als zielgerichtet verfolgt.<br />
Bezogen auf die Konzeptbausteine sind in allen Referenzeinrichtungen große<br />
Anstrengungen unternommen worden, das Kompetenz- und damit das Leistungsniveau<br />
anzuheben. Wünschenswert wäre, wenn diese Impulse auch über die Modelllaufzeit<br />
hinaus aufgegriffen werde.<br />
In den Referenzeinrichtungen, die durch ein umfassenderes Verständnis von Personalentwicklung<br />
gekennzeichnet waren, war beobachtbar, dass<br />
die Personalauswahl mit großer Sorgfalt betrieben wurde,<br />
systematische Fortbildungspläne erstellt wurden, an deren Inhalten die Mitarbeiter/innen<br />
beteiligt waren,<br />
die kompetente Pflegeprozesssteuerung regelmäßig durch die Leitungskräfte überprüft<br />
und bei Mängeln nachgeschult wurde,<br />
interne Multiplikatoren/innen systematisch aufgebaut und eingesetzt wurden,<br />
Anstrengungen zur Erweiterung fachlicher Kompetenz einher gingen mit der<br />
Bearbeitung von Haltungsfragen (Bewohnerorientierung, Biografieorientierung,<br />
Ressourcenorientierung)<br />
Ehrenamtliche Unterstützung systematisch eingeworben und begleitet wurde.<br />
Aus Sicht der Organisationsberatung haben diese Faktoren die Zielumsetzung im<br />
Modellprojekt erleichtert und befördert.<br />
5.4 Kompetenzen der Modellbeauftragten<br />
Eine zentrale Funktion hatten während des Projektes die Modellbeauftragten inne.<br />
Sie waren verantwortlich <strong>für</strong> die<br />
Rückkoppelung der Konzeptbausteine mit ihren Anforderungen,<br />
Durchführung der Soll-Ist-Analysen,<br />
Operationaliserung der einrichtungsspezifischen Entwicklungsziele (Handlungsplanung),<br />
Erstellung der einrichtungsspezifischen Konzepte,<br />
Schulung der Mitarbeiter/innen.<br />
Hinzu kam, dass sie auch die zahlreichen Evaluationsschritte (mehrfache Befragungen<br />
von Bewohner/innen und Mitarbeiter/innen, Leistungserfassungen, Statuserhebungen<br />
<strong>zum</strong> Entwicklungsfortschritt u.a.) vorbereitet und organisatorisch und inhaltlich<br />
begleitet haben.<br />
Die Modellbeauftragten hatten vor dem Modellprojekt unterschiedliche Funktionen<br />
inne. Zum Teil handelte es sich um Pflegedienst- oder Wohnbereichsleiter/innen, <strong>zum</strong><br />
Teil um Qualitätsbeauftragte und teilweise auch um examinierte Pflegekräfte. Um von<br />
den Leitungskräften und den Mitarbeitern/innen gehört und ernst genommen zu werden<br />
bedurfte es nicht nur der bereits skizzierten fachlichen Kompetenz <strong>für</strong> kompetentes<br />
Projektmanagements. Aus Sicht der Organisationsberatung gehörte dazu auch<br />
das Vorhandensein von Status und Autorität in der Einrichtung. Modellbeauftragte,
die auf Grund ihrer vorherigen Funktion schon vor dem Projekt in Entscheidungsprozesse<br />
einbezogen waren, denen auf allen Hierarchieebenen Respekt entgegengebracht<br />
wurde und die eine „wichtige Stimme“ in ihren Häusern hatten, konnten die<br />
Zustimmung von Einrichtungs- und Pflegedienstleitung <strong>für</strong> Vorschläge müheloser erreichen,<br />
als diejenigen, die vorher „nur“ als Pflegekräfte beschäftigt waren. Hinzu kam,<br />
dass die Funktion einer Leitungskraft oder eines Qualitätsbeauftragten mehr Gelegenheiten<br />
geboten hatte, wenigstens einen Teil der erforderlichen Projektmanagement-<br />
Kompetenzen bereits vor Projektbeginn im Alltag einzuüben.<br />
In einzelnen Häusern haben sich zwei Personen die Funktion des Modellbeauftragten<br />
geteilt, in einem Fall gehörte diesem Tandem eine in der Pflege ausgewiesenen<br />
Fachkraft und die Leitungskraft des Sozialen Dienstes an. Diese Lösung barg viele<br />
Vorteile. Die damit einhergehende Einbeziehung des Sozialen Dienstes in die Bearbeitung<br />
aller Konzeptbausteine hat den Blick erweitert und die bessere Vernetzung<br />
zwischen Pflege und Sozialem Dienst deutlich befördert. Auch wenn diese Lösung mit<br />
höherem Zeit- und Abstimmungsaufwand einherging, so überwogen aus Sicht der<br />
Beteiligten und auch aus Sicht der Organisationsberatung die Vorteile eindeutig.<br />
Es gab auch einzelne Häuser, in denen die ausgewählten Modellbeauftragten den<br />
Anforderungen dieser Funktion nicht gewachsen waren. Die von der Organisationsberatung<br />
angebotenen Fortbildungsbausteine reichten nicht aus, um die Mängel in<br />
kurzer Zeit nachhaltig abzubauen. Gelöst wurden solche Probleme entweder durch<br />
eine Neubesetzung der Funktion des Modellbeauftragten oder dadurch, dass<br />
dem/der in dieser Funktion tätigen Mitarbeiter/in eine weitere Fach- bzw. Leitungskraft<br />
unterstützend zur Seite gestellt wurde. Auch solche Probleme wirkten sich<br />
zunächst verzögernd auf den Entwicklungsfortschritt aus.<br />
Ohne die Modellbeauftragten wäre es nicht möglich gewesen, die anspruchsvollen<br />
Ziele des Modellprojekts zu verwirklichen. Sie waren die „change agents“ in den<br />
Einrichtungen. Auch wenn nicht alle mit vergleichbaren Voraussetzungen starteten,<br />
so haben alle einen enormen Entwicklungsprozess gemeistert, der auch die Entwicklung<br />
eigener fachlicher Kompetenzen und „soft skills“ einschloss.<br />
205
Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />
Literatur<br />
206 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Ahlemeyer, Heinrich W.; Königswieser, Roswita (Hrsg.): Komplexität managen. Strategien, Konzepte, Fallbeispiele,<br />
Frankfurt/Main 1997<br />
Brückers, Rainer (Hrsg.): Tandem QM. Das integrierte Konzept in der Sozialen Arbeit, Bonn 2003<br />
Dopler, Klaus; Lauterburg, Christoph:Change Management. Den Unternehmenswandel gestalten. 5. Auflage, Frankfurt,<br />
New York 1996<br />
Gerull, Peter: Qualitätsmanagement sozialer Dienstleistungen, CD-Rom, 2003<br />
Grossmann, Ralph; Krainz, Ewald E.; Oswald, Margit (Hrsg.): Veränderung in Organisationen, Wiesbaden 1995<br />
Heintel, Peter; Krainz, Ewald E.: Projektmanagement, Wiesbaden 1988<br />
König, Jutta: Was die PDL wissen muss. Das etwas andere Qualitätshandbuch in der Altenpflege, 2. Auflage Hannover<br />
2003<br />
Königswieser, Roswita; Exner, Alexander: Systemische Intervention. Architekturen und Designs <strong>für</strong> Berater und Veränderungsmanager,<br />
Stuttgart 1998<br />
Kühl, Stefan: Wenn die Affen den Zoo regieren. Die Tücken der flachen Hierarchien, 5. aktualisierte und erweiterte Auflage,<br />
Frankfurt/Main, New York 1998<br />
Loffing, Christian; Geise, Stephanie (Hrsg.): Management und Betriebswirtschaft in der ambulanten und stationären Altenpflege,<br />
1. Auflage, Bern 2005<br />
Pepels, Werner: Qualitätscontrolling bei Dienstleistungen, München 1996<br />
Praxishandbuch Sozialmanagement, Bonn 2004<br />
Roth, Günter: Qualität in Pflegeheimen, Expertise im Auftrag des BMFSFJ, Forschungsgesellschaft <strong>für</strong> Gerontologie e.V.,<br />
Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund, 2002<br />
Sattelberger, Thomas (Hrsg.): Die lernende Organisation. Konzepte <strong>für</strong> eine neue Qualität der Unternehmensentwicklung,<br />
2. Aufl., Wiesbaden 1994<br />
Senge, Peter M.: Die fünfte Disziplin, Stuttgart 1997<br />
Staehle, Wolfgang H.: Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive, 5. Auflage München 1990<br />
Watzlawick, Paul: Menschliche Kommunikation, 7. Auflage Bern 1985<br />
Wimmer, Rudolf (Hrsg.): Organisationsberatung. Neue Wege und Konzepte, 1. Auflage, Wiesbaden 1992<br />
Fachzeitschriften:<br />
Altenpflege. Fachmagazin <strong>für</strong> die ambulante und stationäre Altenpflege<br />
Sozialwirtschaft. Zeitschrift <strong>für</strong> Sozialmanagement<br />
Informationsdienst <strong>für</strong> Altersfragen
Teilbericht 4:<br />
Bewertung der<br />
Evaluationsergebnisse<br />
Verfasser/innen:<br />
Marion Menke, Uta Vogelwiesche, Andrea Kuhlmann, Ingo Kowalski,<br />
Eckart Schnabel unter Mitarbeit von Lena Oesterlen<br />
Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund (FFG)<br />
207
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
208 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6
Inhalt<br />
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .210<br />
1. Methodischen Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .210<br />
2. Ausgangssituation in den Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .213<br />
3. Abschließende Bewertung der Evaluationsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .217<br />
4. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .233<br />
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .237<br />
209
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
Einleitung<br />
210 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Die vorliegenden Evaluationsergebnisse sind umfangreich und in Bezug auf jede<br />
beteiligte Referenzeinrichtung sehr detailliert. Sie sind in einem umfassenden Forschungsbericht<br />
der FfG aufgearbeitet worden und stehen den Auftraggebern zur Verfügung.<br />
Aus den Projektergebnissen ist darüber hinaus ein Praxisleitfaden hervorgegangen,<br />
der die Konzeptbausteine enthält und Hinweise zur Umsetzung auf der Basis<br />
der Erfahrungen der Organisationsberatung und der Evaluationsergebnisse beinhaltet.<br />
Für die hier vorliegende Veröffentlichung wird auf eine detaillierte Version der Ergebnisdarstellung<br />
verzichtet, da ein Bericht von mehreren hundert Seiten den Rahmen<br />
sprengen würde. Daher wird im Folgenden eine kürzere Version dargelegt, die eine<br />
Beschreibung des methodischen Vorgehens (Kap. 4.1) und der Ausgangssituation in<br />
den Referenzeinrichtungen (Kap. 4.2) sowie eine abschließenden Bewertung der Forschungsergebnisse<br />
(Kap. 4.3) beinhaltet. Dabei wird auf die analytische Darstellung<br />
der Evaluationsergebnisse zugunsten einer deskriptiven Beantwortung der zentralen<br />
Forschungsfragen verzichtet. Zum Abschluss wird ein Ausblick auf die zukünftige<br />
Situation der vollstationären Pflege (Kap. 4.4) gegeben.<br />
1. Methodisches Vorgehen<br />
Um die Implementierung und Umsetzung der konzeptionellen Kernelemente in den<br />
20 Referenzeinrichtungen analysieren zu können, wurde ein umfassendes Evaluationskonzept<br />
umgesetzt. Folgende Aspekte wurden dabei berücksichtigt:<br />
Formative und summative Evaluation,<br />
Messwiederholungsdesign,<br />
Erhebung und Auswertung qualitativer und quantitativer Daten,<br />
Befragung unterschiedlicher Quellen: Mitarbeiter/innen, Bewohner/innen, Angehörige,<br />
freiwillige Helfer/innen, Leitungskräfte, Modellbeauftragte;<br />
Einsatz verschiedener Datenerhebungsmethoden: schriftliche Befragung, mündliche<br />
Befragung, Verlaufsprotokolle, Dokumentenanalyse (s. Tab. S. 211).<br />
Nachfolgend werden die einzelnen Verfahren bzw. die entsprechenden Zielgruppen<br />
der Untersuchungen erläutert.<br />
1. Strukturdatenerhebung. Informationen über strukturelle Merkmale der Einrichtung<br />
(z.B. Pflegesätze, Mitarbeiterqualifikationen, Aufbauorganisation) wurden zu drei<br />
Zeitpunkten während des Projektes von den Leitungskräften der Einrichtungen<br />
erfragt.<br />
2. Schriftliche Mitarbeiterbefragung. Die Mitarbeiter/innen der Referenzeinrichtungen<br />
wurden zu Beginn und <strong>zum</strong> Ende des Projektes um Bewertungen ihrer Arbeitssituation<br />
(z.B. Interne Organisation und Kommunikation, Arbeitszufriedenheit)<br />
gebeten. Im Rahmen der Befragung am Projektende wurden außerdem Einschätzungen<br />
bzgl. aller konzeptionellen Kernelemente erhoben. Die Fragebögen wurden<br />
jeweils an die Modellbeauftragten versandt, die diese an die Mitarbeiter/innen<br />
verteilt, wieder eingesammelt und zur Auswertung an die wissenschaftliche<br />
Begleitung zurück geschickt haben.
3. Leitfadengestützte Bewohnerbefragung. Zu Beginn und Ende des Projektes wurden<br />
ca. 10% der Bewohner/innen der Referenzeinrichtungen mittels leitfadengestützter<br />
Interviews zu ihrer Lebenssituation (z.B. Bewertung der Pflegequalität,<br />
Wohlbefinden) befragt. Dabei wurden auch Bewohner/innen mit leichten und<br />
mittleren kognitiven Einschränkungen befragt – ausgeschlossen wurden lediglich<br />
Bewohner/innen, die sich nicht mehr verbal äußern konnten. In einigen Fällen<br />
waren zur Unterstützung Angehörige oder Betreuer/innen während der Interviews<br />
anwesend.<br />
4. Leistungserfassung. Zu zwei Zeitpunkten im Verlauf des Projektes protokollierten<br />
die Mitarbeiter/innen <strong>für</strong> den Zeitraum einer Woche <strong>für</strong> mehrere Bewohner/innen<br />
die Leistungen, die diese erhielten sowie deren jeweilige Dauer. Darüber hinaus<br />
wurden auch mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen in diesem Rahmen erfasst.<br />
5. Umsetzungsdokumentation. Die Modellbeauftragten protokollierten fortlaufend ihre<br />
Veränderungsziele, -maßnahmen sowie Probleme und Lösungsstrategien bei der<br />
Konzeptumsetzung. Ebenso wurden förderliche und hinderliche Rahmenbedingungen<br />
sowie im Rahmen des Projektes durchgeführte Schulungen festgehalten.<br />
6. Statusbefragung und Rückblick. Zusätzlich zu der Protokollierung der Umsetzungsschritte<br />
wurden die Modellbeauftragten in standardisierter Form um einen Rückblick<br />
auf die Situation vor Projektbeginn bzgl. der Anforderungen in den Rahmenkonzepten<br />
gebeten. Außerdem gaben sie zu drei Zeitpunkten (Juni und Dezember<br />
2005, Juni 2006) in standardisierter Form an, welche Anforderungen der konzeptionellen<br />
Kernelemente bereits umgesetzt wurden.<br />
7. Anlassdokumentation. Für die Dauer eines Jahres (Juli 2005 bis Juni 2006) protokollierten<br />
die Modellbeauftragten alle Heimeinzüge, Krankenhausüberleitungen<br />
und Sterbefälle in der Einrichtung.<br />
8. Fokusgruppeninterviews. Am Ende des Projektes wurden in den Regionalgruppen<br />
mit den Modellbeauftragten Interviews durchgeführt. Im Fokus standen dabei die<br />
Umsetzungserfahrungen bzgl. der einzelnen Konzeptbausteine.<br />
Verfahren Zielgruppen<br />
Schriftliche<br />
Befragung<br />
Leitfadengestütztes<br />
Interview<br />
Narratives<br />
Interview<br />
Fokusgruppeninterview<br />
Protokolle<br />
von Arbeitsprozessen<br />
Mitarbeiter-<br />
/innen<br />
Schriftliche<br />
Mitarbeiterbefragung<br />
Narrative<br />
Einzelinterviews<br />
Leistungserfassung<br />
Bewohner-<br />
/innen<br />
LeitfadengestützteBewohnerbefragung<br />
Narrative<br />
Einzelinterviews<br />
Angehörige Freiwillige<br />
Helfer/innen<br />
Narrative<br />
Einzelinterviews<br />
Narrative<br />
Einzelinterviews<br />
Leitungskräfte<br />
Strukturdatenerhebung<br />
Modellbeauftragte<br />
Statusbefragung<br />
und<br />
Rückblick;<br />
Anlassdokumentation<br />
FokusgruppeninterviewsUmsetzungsdokumentation<br />
Datenerhebungsverfahren<br />
je<br />
Zielgruppe<br />
211
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
Datenerhebungsverfahren<br />
während<br />
der Projektlaufzeit<br />
212 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
9. Narrative Einzelinterviews. Zu den Inhalten der Rahmenkonzepte „Unterstützung<br />
beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung“ und „Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten“<br />
wurden mit einzelnen Bewohnern/innen, Angehörigen und<br />
Mitarbeitern/innen telefonische Interviews geführt. Dabei wurden die Interviewpartner/innen<br />
um eine Beschreibung und Bewertung der Abläufe gebeten.<br />
Zum Maßstab „Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen“ wurden vergleichbare<br />
Interviews mit Angehörigen, Mitarbeitern/innen und freiwilligen Helfern/innen<br />
geführt.<br />
10. Dokumentationsanalyse. Die Dokumentationssysteme der Einrichtungen wurden<br />
im Hinblick auf ihre Übereinstimmung mit den Anforderungen an eine verbesserte<br />
Pflegedokumentation überprüft. Um die Rahmenbedingungen und deren<br />
mögliche Auswirkungen auf die Pflegedokumentationsinhalte in den einzelnen<br />
Referenzeinrichtungen besser nachvollziehen zu können, wurde den jeweiligen<br />
Modellbeauftragten zunächst ein Kurzfragebogen zugesandt. Später wurden<br />
offene, einrichtungsspezifische Fragen geklärt. Abschließend wurden die Dokumentationssysteme<br />
selbst mittels eines eigens entwickelten, standardisierten Erhebungsbogens<br />
(z.B. Vorhandensein und regelmäßige Aktualisierung von Tagesplänen;<br />
werden bewohnerbezogene Gespräche mit anderen Berufsgruppen<br />
dokumentiert) analysiert.<br />
Die nachfolgende Übersicht zeigt die unterschiedlichen Erhebungen von Daten im<br />
Verlauf des Projektes:<br />
Jahr Monat Erhebungen<br />
2004 8–10 Mitarbeiterbefragung t0 2004 10–12 Strukturdaten t0 2004 10–12 Bewohnerbefragung t0 2005 fortlaufend Schulungsdokumentation<br />
2005 7/2005 bis 6/2006 Anlassdokumentation<br />
2005 5–6 Leistungserfassung t1 2005 7 Statuserfassung t1 2005–2006 ab 9/2005 fortlaufend Telefoninterviews zur Anlassdokumentation<br />
2005–2006 ab 4/2005 fortlaufend Dokumentation der Konzeptumsetzung<br />
2006 1/2006 bis 4/2006 Fokusgruppeninterviews<br />
mit den Modellbeauftragten<br />
2005 10 –11 Strukturdaten t1 2005 12 Statuserfassung t2 2006 1–2 Leistungserfassung t2 2006 4–5 Mitarbeiterbefragung t1 2006 4–5 Bewohnerbefragung t2 2006 2–5 Analyse von Pflegedokumentationen<br />
2006 4–5 Strukturdaten t2 2006 6 Statuserfassung t3
2. Ausgangssituation in den Einrichtungen<br />
Wie sind die Einrichtungsstrukturen zu beschreiben?<br />
Für die Durchführung des Modellprojektes wurden in Nordrhein-Westfalen 20 Einrichtungen<br />
der vollstationären Altenpflege ausgewählt. Die meisten Einrichtungen<br />
waren in städtischen Gebieten und drei Einrichtungen in Mischgebieten angesiedelt<br />
59 . Entsprechend der Trägerverteilung in Nordrhein-Westfalen befanden sich drei<br />
Viertel der Referenzeinrichtungen in freigemeinnütziger Trägerschaft. Darüber hinaus<br />
waren drei Einrichtungen in privater und ein Heim in kommunaler Trägerschaft beteiligt.<br />
Die Größe der Einrichtungen, gemessen an der Zahl der verfügbaren Plätze, lag<br />
zwischen 60 und 206 Plätzen, im Mittel bei 110. In den Modellheimen wurden im<br />
Durchschnitt 108 Pflegebedürftige betreut, was im Vergleich <strong>zum</strong> Landesdurchschnitt<br />
von 75 betreuten Pflegebedürftigen je stationärer Pflegeeinrichtung in NRW als überdurchschnittlich<br />
hoch zu bewerten ist (Statistisches Bundesamt, 2005).<br />
Erwartungsgemäß überwog in den Einrichtungen mit durchschnittlich 82,4% der<br />
Anteil der Bewohnerinnen. Des Weiteren war Hochaltrigkeit kennzeichnend <strong>für</strong> die<br />
Bewohnerschaft: das Alter der Bewohner/innen lag im Durchschnitt bei 83,2 Jahren<br />
60 . Die gegenwärtige durchschnittliche Verweildauer betrug nach eigenen Berechnungen<br />
der Heime 42 Monate 61 . Schneekloth & Müller (2000) weisen im Vergleich<br />
eine Verweildauer von 52 Monaten aus, die somit in den Referenzeinrichtungen<br />
wesentlich unterschritten wurde. Die gegenwärtige Verweildauer darf jedoch nicht<br />
mit der tatsächlichen Verweildauer – also dem Zeitraum vom Einzug bis <strong>zum</strong> Ableben<br />
eines Bewohners – die im Einzelfall wesentlich geringer ausfallen kann, gleichgesetzt<br />
werden (ebd.).<br />
In den Referenzeinrichtungen überwog die Pflegestufe II mit im Mittel 42%, gefolgt<br />
von den Pflegestufen I (29%) und III (21%), die Pflegestufe 0 war mit ca. 7% eher selten.<br />
In fünf Einrichtungen waren Bewohner/innen in Pflegestufe III (Härtefallregelung);<br />
ihr Anteil fiel im Durchschnitt mit 2,8% sehr gering aus. Die Verteilung der<br />
Pflegebedürftigen nach Pflegestufen in den zwanzig Modelleinrichtungen stimmte mit<br />
geringfügigen Abweichungen nahezu mit der landesdurchschnittlichen Pflegestufenverteilung<br />
der Pflegebedürftigen in Pflegeheimen in Nordrhein-Westfalen (Statistisches<br />
Bundesamt, 2005) überein; während der Anteil der Pflegebedürftigen in den<br />
Pflegestufen I und II leicht unterschritten wurde, war in Pflegestufe III eine geringfügig<br />
höhere Anzahl zu verzeichnen.<br />
Für die Beschreibung der Mitarbeiterstruktur in den Referenzeinrichtungen werden im<br />
Folgenden die Qualifikation und das Beschäftigungsverhältnis, die Fachkraftquote,<br />
die gemäß Heimpersonalverordnung mindestens 50% betragen muss, und die Betreuungsrelation<br />
dargestellt. 62<br />
Zum Projektbeginn überwogen in der Gruppe der Pflegefachkräfte die<br />
Altenpfleger/innen mit einem Anteil von 40% am gesamten betreuenden Personal.<br />
Auf Krankenpflegefachkräfte entfielen 10%; der Anteil der anderen Fachkräfte (Pflegewissenschaftlicher<br />
Studienabschluss, Studienabschluss Sozialarbeit/pädagogik/Pädagogik<br />
/Psychologie, Therapeutischer Berufsabschluss) lag hingegen<br />
unter 5%. Bei den Hilfskräften stellten die angelernten Mitarbeiter/innen den größten<br />
Anteil (31%), gefolgt von einjährig qualifizierten Hilfskräften (Alten- und<br />
59 Die Einteilung in Städtische und Mischgebiete erfolgte auf der Grundlage des Landesentwicklungsplanes NRW (Bearbeitung: <strong>Ministerium</strong><br />
<strong>für</strong> Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes NRW, Düsseldorf, 04/1995; WAZ-Druck, Duisburg.).<br />
60 Die Einrichtungen wurden gebeten, nach eigenen Berechnungen Angaben <strong>zum</strong> durchschnittlichen Alter der Bewohnerschaft zu machen;<br />
hier liegen Angaben von 19 Einrichtungen vor. Eine Ausnahme stellt eine Einrichtung mit einem Angebotsschwerpunkt <strong>für</strong> junge Pflegebedürftige<br />
dar: hier beträgt das Alter der Bewohnerschaft durchschnittlich 72,8 Jahre.<br />
61 Hier lagen Angaben von 15 Einrichtungen vor.<br />
62 Für die Beschreibung der Ausgangssituation lagen aus allen 20 Einrichtungen vollständige Angaben zur Mitarbeiterstruktur vor.<br />
213
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
214 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Krankenpflegehelfer/innen) (8%). Betrachtet man die Mitarbeiter/innen 63 der beteiligten<br />
Einrichtungen nach Beschäftigungsverhältnis, fällt auf, dass die meisten Fachkräfte<br />
über ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis verfügten oder mit mehr als 50%<br />
Beschäftigungsumfang einer Teilzeitbeschäftigung nachgingen. Bei den Hilfskräften<br />
entfielen hingegen auf Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse (50% und<br />
weniger Beschäftigungsumfang) sowie geringfügig Beschäftigte jeweils etwas mehr<br />
als 20%.<br />
Die Fachkraftquote, d. h. der Anteil der Pflegefachkräfte am gesamten pflegerischen<br />
Personal lag <strong>zum</strong> Projektbeginn im Mittel bei 54,9%. Neben der Fachkraftquote<br />
kommt dem Personalschlüssel – also der Gewichtung des Personalbestandes an der<br />
Zahl der betreuten Bewohner/innen – Bedeutung zu. Die Betreuungsrelation gibt an,<br />
wie viele Heimbewohner/innen (X) durchschnittlich von einer (1) Vollkraft (in der<br />
Pflege und Betreuung tätiges Personal, ohne Zivildienstleistende) betreut werden. In<br />
den Referenzeinrichtungen ergab sich im Durchschnitt eine Betreuungsrelation von<br />
1: 2,5 Pflegebedürftigen (Pflegestufe 0– III) je Betreuungskraft (umgerechnet auf Vollzeitstellen,<br />
ohne Zivildienstleistende 64 ). Die Spannweite lag zwischen 1: 1,9 und<br />
1: 3,3. Die Betreuungsrelation fiel somit besser aus als in der „Vorläuferstudie“, die<br />
eine durchschnittliche Betreuungsrelation von 2,7 Pflegebedürftigen (Pflegestufe 0– III)<br />
je Betreuungskraft (umgerechnet auf Vollzeitstellen, ohne Zivildienstleistende) ausweist<br />
(Wingenfeld & Schnabel, 2002,37), und lag über den Ergebnissen der bundesweiten<br />
Erhebung von Schneekloth & Müller (1999,168).<br />
Es ist weitgehend – mit Ausnahme der Einrichtungsgröße – gelungen, die Referenzeinrichtungen<br />
so auszuwählen, dass sie als repräsentativ <strong>für</strong> alle Einrichtungen der<br />
stationären Altenpflege in Nordrhein-Westfalen angesehen werden können: hinsichtlich<br />
Trägerverteilung, Bewohner- und Mitarbeiterstruktur stimmen sie mit der landesdurchschnittlichen<br />
Verteilung in stationären Pflegeeinrichtungen überein. Die Unterschiede<br />
zwischen den 20 Referenzeinrichtungen sind dabei erheblich: so waren insbesondere<br />
<strong>für</strong> die Umsetzung der Anforderungen an die „Zuständige Pflegefachkraft“<br />
(ZPFK) – die in nahezu allen Konzepten eine zentrale Rolle spielt – Probleme zu<br />
erwarten, da in sechs Einrichtungen nur etwa die Hälfte der Fachkräfte vollzeitbeschäftigt<br />
waren. Aufgrund der vielfältigen Anforderungen an die ZPFK war davon<br />
auszugehen, dass diese Einrichtungen insgesamt bei Fragen der personellen Zuständigkeiten<br />
mehr Probleme haben würden als andere Einrichtungen. Im Rahmen der<br />
Mitarbeiterqualifizierung fiel auf, dass viele Themen, die in den Konzepten aufgegriffen<br />
wurden, bereits vor Projektbeginn im Rahmen von Fort- und Weiterbildungen<br />
angesprochen wurden. Heterogen dagegen stellte sich das Bild im Bereich des Qualitätsmanagements<br />
dar: ein Teil der Einrichtungen war bereits zertifiziert, andere Heime<br />
hingegen unternahmen erste Schritte <strong>zum</strong> Aufbau eines Qualitätsmanagements.<br />
Wie viele und welche der Anforderungen der konzeptionellen Kernelemente<br />
wurden in den Einrichtungen bereits vor Projektbeginn erfüllt?<br />
In allen Modelleinrichtungen waren konzeptionelle Grundlagen vorhanden, auf welche<br />
im späteren Projektverlauf aufgebaut werden konnte. Anpassungen mussten allerdings<br />
in allen Einrichtungen erfolgen. Es gab dabei sowohl Häuser, die unter günstigen<br />
Ausgangsbedingungen in das Modellprojekt starteten und bereits viele der<br />
Anforderungen erfüllten, aber auch solche, die durch das Projekt mit einer Vielzahl<br />
neuer Anforderungen konfrontiert wurden. Und es gab Einrichtungen, bei denen<br />
bezogen auf einzelne Konzeptbausteine das eine, bezogen auf andere Bausteine<br />
aber auch das andere zutraf.<br />
63 Die Berechnung schließt hier Mitarbeiter/innen der Arbeitsbereiche Pflege und der Sozialen Betreuung ein.<br />
64 Schüler/innen/Auszubildende, Teilnehmer/innen des Freiwilligen Sozialen Jahres sowie Praktikant/innen wurden nicht in die Berechnung<br />
einbezogen.
Sechs Einrichtungen konnten bereits vor Projektbeginn auf Konzepte zurückgreifen,<br />
die den Empfehlungen zur Zuständigen Pflegefachkraft entsprachen und die daher<br />
nur geringfügige Anpassungen vornehmen mussten. Die übrigen Einrichtungen konnten<br />
auf weniger entwickelte Grundlagen zurückgreifen und waren gefordert, im Projektverlauf<br />
die Verantwortlichkeiten der Pflegefachkräfte entsprechend anzupassen.<br />
Auch vor dem Modellprojekt haben die Einrichtungen biografische Informationen<br />
ihrer Bewohner/innen erfasst. Allerdings waren die eingesetzten Biografiebögen in<br />
den meisten Fällen nicht ausreichend, um den Ansprüchen des Kriterienkatalogs zur<br />
Erfassung biografischer Informationen gerecht zu werden, so dass diese <strong>zum</strong>eist<br />
überarbeitet werden mussten. Neun Einrichtungen hatten ihre Biografiebögen vor<br />
dem Projekt nicht kontinuierlich fortgeschrieben. Vor Projektbeginn wurden in diesen<br />
Einrichtungen lediglich in der Heimeinzugsphase der Bewohner/innen biografische<br />
Daten erfasst.<br />
Das Leistungsangebot gemäß den Leistungsbeschreibungen konnte – wenn auch in<br />
einigen Fällen durch die Einbindung externer Partner – in den Einrichtungen zunächst<br />
weitgehend vorgehalten werden. Somit war es in einigen Einrichtungen notwendig,<br />
das Leistungsprofil entsprechend der Leistungsbeschreibungen anzupassen. Darüber<br />
hinaus entsprach die Arbeitsteilung zwischen Fach- und Hilfskräften sowie die Aufgabenteilung<br />
zwischen den Bereichen Pflege und Sozialem Dienst in einigen Einrichtungen<br />
nicht den Empfehlungen, so dass auch hier Anpassungen erforderlich waren.<br />
Im Folgenden werden die bereits vorab erfüllten Kriterien aller sechs Rahmenkonzepte<br />
insgesamt im Hinblick auf die einzelnen Einrichtungen dargestellt, so dass die<br />
unterschiedlichen Voraussetzungen der Einrichtungen deutlich werden. Die folgende<br />
Abbildung zeigt, wie unterschiedlich die Ausgangssituation in den verschiedenen<br />
Einrichtungen ausgeprägt ist: die Einrichtung, die gemessen an den Anforderungen<br />
der sechs Bausteine die besten Voraussetzungen hatte, weist 91% der Anforderungen<br />
als vorab erfüllt aus. Die Einrichtung mit den diesbezüglich schlechtesten Voraussetzungen<br />
erfüllte im Vorfeld lediglich 23% der geforderten Kriterien (s. Abb. 2).<br />
Wie stellte sich die Situation in den Einrichtungen aus Sicht der Bewoh-<br />
Einrichtungen<br />
0% 20%<br />
40% 60% 80% 100%<br />
vorab erfüllte Kriterien<br />
Abb. 2:<br />
Rahmenkonzepte zur<br />
Qualitätssicherung in<br />
zentralen Aufgabenfeldern<br />
– vorab<br />
erfüllte Anforderungen<br />
in den Einrichtungen<br />
215
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
216 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
ner/innen und Mitarbeiter/innen dar?<br />
Die Bewohner/innen waren mit ihrer Lebenssituation im Heim zwar insgesamt zufrieden,<br />
äußerten im Detail jedoch Kritik in verschiedenen Bereichen, so dass aus ihrer<br />
Sicht Handlungsbedarf <strong>für</strong> eine Verbesserung der Strukturen und Prozesse bestand.<br />
Am häufigsten kritisierten die Bewohner/innen Mängel im Bereich des Umgangs der<br />
Mitarbeiter/innen mit den Bewohnern/innen sowie im Hinblick auf ihre sozialen<br />
Kontakte und die Mahlzeiten. Die Kritik der Bewohner/innen verdeutlichte eindrücklich,<br />
dass es nicht den einen richtigen Weg in der Versorgung gibt: so wollten einige<br />
Bewohner/innen gerne früher aufstehen, andere gerne länger schlafen; einige wollten<br />
gerne früher zu Bett gehen, andere gerne länger aufbleiben; einige wollten vom<br />
Personal gerne geduzt, andere gerne gesiezt werden. Demnach können die Mitarbeiter/innen<br />
nicht davon ausgehen, dass Wünsche oder Kritik, die ein/e Bewohner/in<br />
äußert, in vergleichbarer Form auch <strong>für</strong> andere Gültigkeit besitzen. Wichtig<br />
ist also vielmehr, die Wünsche und Einschätzungen der einzelnen Bewohner/innen<br />
zu erfragen, um individuell darauf eingehen zu können.<br />
Auch die Sicht der Mitarbeiter/innen war generell positiv: so beschrieben sie<br />
mäßige Arbeitsbelastungen, ein gutes Arbeitsklima und eine hohe Arbeitszufriedenheit.<br />
Als stark belastend wurde lediglich der Zeitdruck eingeschätzt. Besonderen<br />
Handlungsbedarf im Hinblick auf die Verbesserung der Bewohnersituation sahen die<br />
Mitarbeiter/innen bei der Betreuung und Versorgung demenziell erkrankter Bewohner/innen.<br />
Die interne Organisation und Kommunikation, verschiedene Qualitätssicherungsinstrumente<br />
sowie Angebote der Einrichtung <strong>für</strong> die Mitarbeiter/innen wurden<br />
ebenfalls gut bewertet – lediglich ein Supervisionsangebot wurde in der Regel<br />
nicht vorgehalten.<br />
Generell lässt sich festhalten, dass die Projektanforderungen in Einrichtungen mit<br />
unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Strukturen eingeführt und erprobt wurden.<br />
Dies war im Hinblick auf die Prüfung der Anschlussfähigkeit der Anforderungen<br />
von zentraler Bedeutung: wenn alle Referenzeinrichtungen ähnlich und mit besonders<br />
guten Rahmenbedingungen ausgestattet gewesen wären, dann hätte dies das Ergebnis<br />
der Erprobung positiv verzerrt. Aus Sicht der Bewohner/innen und<br />
Mitarbeiter/innen war die Ausgangssituation in den Einrichtungen insgesamt positiv<br />
– wenn auch im Detail durchaus kritisch – zu bewerten. Dementsprechend wurden<br />
die Anforderungen unter heterogenen Ausgangbedingungen erprobt.
3. Abschließende Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
Die Zusammenarbeit der 20 Referenzeinrichtungen mit den Forschungsinstituten und<br />
der Organisationsberatung begann im Juli/August 2004 und endete <strong>für</strong> einige Einrichtungen<br />
im Juni bzw. <strong>für</strong> die Mehrzahl im August 2006. Grundsätzlich sei festgehalten,<br />
dass die Projektlaufzeit mit einer Dauer von ca. zwei Jahren sehr kurz<br />
erscheint, wenn man bedenkt, dass in dem Zeitraum die vielschichtigen Konzeptbausteine<br />
(Funktion der zuständigen Pflegefachkräfte, Leistungsbeschreibungen, sechs<br />
Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung, Anforderungen an ein pflegerisches Assessment<br />
und an die Biografieerfassung, Empfehlungen <strong>für</strong> verbesserte Dokumentationsformen)<br />
zunächst entwickelt und abgestimmt werden mussten, bevor sie in der Pflegepraxis<br />
erprobt werden konnten. Hinzu kommt, dass die Empfehlungen zur „Zuständigen<br />
Pflegefachkraft“ sowie die qualifikationsorientierte Arbeitsteilung im Rahmen<br />
der Leistungsbeschreibungen und die Kooperation mit der Organisationsberatung<br />
dazu führten, dass die Arbeitsorganisation in Einrichtungen überprüft und ggf. verändert<br />
werden musste. Dies war häufig auch im Hinblick auf die Aufgabenteilung<br />
von Pflege, Sozialem Dienst und Hauswirtschaft notwendig. Vor diesem Hintergrund<br />
soll grundsätzlich festgehalten werden, dass die Erprobung der Bausteine und die<br />
Veränderungen der Arbeitsorganisation mit Unterstützung der Organisationsberatung<br />
in einem insgesamt verhältnismäßig kurzem Zeitraum stattgefunden hat und die<br />
Einrichtungen insgesamt einen hohes Maß an Umsetzungsschritten geleistet haben.<br />
Innerhalb der Modelllaufzeit gelang es den meisten Einrichtungen, die einzelnen Projektbausteine<br />
zu großen Teilen zu bearbeiten und Qualitätsverbesserungen zu erzielen.<br />
Dies geschah trotz der Vielzahl der verschiedenen Konzeptbausteine und der<br />
sehr unterschiedlichen Ausgangssituationen der einzelnen Einrichtungen. Der Stand<br />
der Umsetzung war in den Einrichtungen <strong>zum</strong> Ende der Projektlaufzeit ebenfalls<br />
unterschiedlich: Einige konnten bestimmte Konzeptbausteine vollständig umsetzen,<br />
waren da<strong>für</strong> bei der Umsetzung anderer Bausteine noch nicht so weit vorangeschritten,<br />
andere konnten aufgrund einer guten Ausgangslage die meisten Bausteine<br />
umsetzen, wieder andere haben zahlreiche Anforderungen aus allen Bausteinen<br />
umsetzen können, da<strong>für</strong> aber Bausteine mit empfehlendem Charakter zurückgestellt.<br />
Wie sind die strukturellen Rahmenbedingungen in den stationären<br />
Pflegeeinrichtungen zu bewerten und welche Schlussfolgerungen<br />
ergeben sich daraus <strong>für</strong> eine erfolgreiche Umsetzung der Konzeptbausteine?<br />
In den meisten Bereichen hinsichtlich der Strukturdaten (z.B. Heimentgelte, Auslastung,<br />
Pflegestufenverteilung) waren am Projektende im Vergleich <strong>zum</strong> Projektbeginn<br />
nur geringfügige Veränderungen zu verzeichnen. Auch bei der Mitarbeiterstruktur<br />
des Pflegedienstes und des Sozialen Dienstes waren hinsichtlich der Qualifikation<br />
kaum Veränderungen festzustellen. Demgegenüber waren Veränderungen der<br />
Beschäftigungsverhältnisse auffallend: bei den Pflegefachkräften zeichnete sich ein<br />
Trend zu mehr Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen mit höherem Beschäftigungsumfang<br />
ab (mehr als 50% der regulären wöchentlichen Arbeitszeit). Die durchschnittliche<br />
Betreuungsrelation lag 2006 in den Referenzeinrichtungen im Mittel bei<br />
2,5 Pflegebedürftigen (alle Pflegestufen) je Betreuungskraft (umgerechnet auf Vollzeitstellen,<br />
ohne ZDL); somit blieb die Anzahl der Bewohner/innen, die durchschnittlich<br />
von einer Pflegekraft betreut wird, im Projektverlauf weitgehend unverändert. Die<br />
Spannweite lag zwischen 1: 2,0 und 1: 3,4. Neben natürlichen Personalschwankungen,<br />
die im Projektverlauf deutlich wurden, ist zu berücksichtigen, dass bei der<br />
Berechnung ausschließlich die Beschäftigten des Arbeitsbereiches Pflege einbezogen<br />
wurden und sonstige Mitarbeiter/innen, insbesondere die Zahl der Auszubildenden,<br />
die in den meisten Heimen aufgrund der neuen bundeseinheitlichen Altenpflegeausbildung<br />
deutlich zugenommen hat, nicht eingerechnet wurde.<br />
217
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
218 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Im Bereich der Aufbauorganisation zeichneten sich unabhängig von projektbedingten<br />
Umstrukturierungen in den meisten Heimen keine nennenswerten Veränderungen<br />
ab. Auch hinsichtlich der Gestaltung der Dienstzeiten wurden nur in einzelnen Heimen<br />
(bewohnerorientierte) Anpassungen vorgenommen (z.B. Verschiebung von<br />
Dienstzeiten; Schaffung von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen zur Bewältigung von<br />
Arbeitsspitzen; Einführung von Zwischendiensten); zukünftig planten einzelne Heime<br />
sowohl aufbauorganisatorische Veränderungen (z.B. Veränderungen der Zuordnung<br />
des Sozialen Dienstes) als auch weitere Anpassungen von Dienstzeiten der Beschäftigten<br />
im Arbeitsbereich Pflege (insbesondere Anpassung der Spät- und Nachtdienste)<br />
und <strong>für</strong> Mitarbeiter/innen des Sozialen Dienstes (z.B. Einführung von Abend-<br />
/Wochenenddiensten). Da derartige strukturelle Anpassungen langfristige Vorbereitungen<br />
erfordern, konnten diese innerhalb der Projektlaufzeit nicht (mehr) in der Vielzahl<br />
der Einrichtungen realisiert werden.<br />
Im Bereich der Qualitätsentwicklung/-sicherung berichteten alle Einrichtungen über<br />
positive Veränderungen; ungeachtet der jeweiligen Ausgangssituation und der z.T.<br />
aufwändigen Abstimmungsprozesse, z.B. mit übergeordneten trägerspezifischen<br />
Qualitätsvorgaben, wurden die Projektanforderungen mehrheitlich als anschlussfähig<br />
bezeichnet. Aus Sicht der Einrichtungsleitungen wurde einerseits der Aufwand <strong>für</strong> die<br />
Einführung und Umsetzung der Konzeptbausteine als sehr hoch bis hoch bewertet;<br />
andererseits wurde der damit verbundene Nutzen jedoch überwiegend positiv gesehen<br />
(z.B. zunehmende Transparenz von Strukturen und Prozessen, Qualitätsverbesserungen<br />
in unterschiedlichen Bereichen usw.). Die Heimleiter/innen beurteilten die Konzeptbausteine<br />
prinzipiell als zukunftsweisend <strong>für</strong> eine qualitätsgesicherte Weiterentwicklung<br />
der vollstationären Pflege; gleichzeitig wiesen sie jedoch darauf hin, dass<br />
die Einführung und dauerhafte Umsetzung dieser Anforderungen eine überlegte Vorgehensweise<br />
(u.a. Zeit- und Ressourcenplanung, erreichbare Zielvorgaben, orientiert<br />
an den Ergebnissen einer „ehrlichen“ Ist-Analyse, Veränderungsbereitschaft usw.)<br />
erfordert. Diejenigen Einrichtungen, die beim Vergleich der Anforderungen der unterschiedlichen<br />
Konzeptbausteine und der tatsächlichen Praxis (Soll-Ist-Vergleich) einen<br />
größeren Anteil der geforderten Kriterien bereits vor der Projektlaufzeit erfüllt hatten,<br />
brauchten insgesamt weniger Anforderungen in der verhältnismäßig kurzen Laufzeit<br />
umzusetzen, als die Einrichtungen, die im Rahmen der Soll-Ist-Analysen feststellen<br />
mussten, dass sie den überwiegenden Teil der Anforderungen nicht erfüllt hatten.<br />
Eine Korrelation zwischen den Strukturdaten und einer erfolgreichen Umsetzung der<br />
Konzeptbausteine lässt sich angesichts verschiedener Berechnungen nicht feststellen.<br />
Weder die Einrichtungsgröße, noch die Personal- oder Bewohnerstruktur sowie die Personalfluktuation<br />
waren dabei von Bedeutung. Vielmehr waren diejenigen Einrichtungen<br />
erfolgreich, deren Mitarbeiter/innen das „gelebte“ Qualitätsmanagement in der Einrichtung<br />
positiv bewerteten. Auch die Unterstützung der Leitungskräfte und die Motivation<br />
der Mitarbeiter/innen waren <strong>für</strong> eine erfolgreiche Umsetzung ausschlaggebend.<br />
Einige Einrichtungen mit einem vergleichsweise hohen Anteil von teilzeitbeschäftigten<br />
Pflegefachkräften mit einem wöchentlichen Stundenumfang von weniger als 50% der<br />
Arbeitszeit hatten vergleichsweise mehr Schwierigkeiten, da diese Mitarbeiter/innen<br />
<strong>für</strong> die erforderlichen Schulungen schwerer verfügbar bzw. erreichbar waren.<br />
Eine weitere Fragestellung bezieht sich auf grundsätzliche Schwierigkeiten, die<br />
bereits zu Projektbeginn deutlich wurden und eine Umsetzung der Konzeptbausteine<br />
erschwert haben:
An welchen Stellen zeigten sich bereits im Rahmen der Bestandsaufnahme<br />
der Rahmenbedingungen in den Einrichtungen Hemmnisse<br />
oder Barrieren, die bei der Umsetzung der Maßnahmen von Bedeutung<br />
waren?<br />
Ein generelles Hemmnis bei der Umsetzung bestand dann, wenn phasenweise oder<br />
langfristig Personal aufgrund von Urlaub, Krankheit oder der Teilnahme an Weiterbildungen<br />
ausfiel. Besonders schwerwiegend waren der längerfristige Ausfall von Leitungskräften<br />
oder fehlende Leitungskräfte durch unbesetzte Stellen.<br />
Einrichtungen, die keine verbindliche Kommunikationsstruktur und -kultur aufweisen<br />
konnten, hatten es im Rahmen der Einführung von Konzeptbausteinen zunächst<br />
ungleich schwerer. Auch ungeklärte Zuständigkeiten, insbesondere zwischen den<br />
Arbeitsbereichen Pflege und Sozialer Dienst, aber auch unklare Zuständigkeiten zwischen<br />
den Leitungsebenen und Mitarbeitern/innen haben den Beginn der Einführung<br />
verzögert. Mit Unterstützung der Organisationsberatung wurden diese Aspekte bearbeitet,<br />
um entsprechende Strukturen des Projektmanagements zu etablieren und die<br />
Kommunikation sowie die Verantwortlichkeiten klären zu können 65 . Mit der genannten<br />
Problematik geht ein weiteres Hemmnis einher, welches mit der Überprüfung bzw.<br />
Einhaltung von Anforderungen verbunden ist: Fehlt in einer Einrichtung ein verbindliches<br />
Kontrollverfahren durch Vorgesetzte und/oder mittels kollegialer Beratung,<br />
dann muss auch dieses zunächst eingeführt werden. Im Sinne einer dauerhaften Qualitätsentwicklung<br />
und vor allem der Qualitätssicherung bedarf es der Kontrolle mit<br />
Blick auf die verbindliche Einhaltung der vorgegebenen Anforderungen. Letztlich<br />
konnte die Einführung und Erprobung der Konzeptbausteine <strong>für</strong> die Einrichtungen mit<br />
bereits vorhandenen etablierten Kommunikationsstrukturen, geklärten Zuständigkeiten<br />
und verbindlichen Aufgabenbereichen sowie einem vorhandenen Controlling-<br />
System einfacher und zügiger vorgenommen werden. Die genannten Voraussetzungen<br />
stellen einen wichtigen Aspekt dar, der auf die nächste Fragestellung hinweist:<br />
Inwieweit gelang in der Konzeptions- und Implementierungsphase<br />
eine erfolgreiche Verbindung der möglicherweise in einem Spannungsverhältnis<br />
stehenden Anforderungen an eine fachliche Fundierung<br />
der umzusetzenden Anforderungen einerseits und der praktischen<br />
Umsetzbarkeit vor dem Hintergrund der Rahmenbedingungen<br />
in den Einrichtungen andererseits?<br />
Ein Ziel des Projektes bestand darin, eine praxisnahe Konzeptentwicklung durchzuführen.<br />
Die Beteiligung der Einrichtungen an der Konzeptentwicklung im Rahmen der<br />
Regionalgruppentreffen war rückblickend eine wichtige Voraussetzung, um eben dieses<br />
Spannungsverhältnis zu verdeutlichen und zu diskutieren. Der Austausch zwischen<br />
den Modellbeauftragten, den Wissenschaftlern/innen und der Organisationsberatung<br />
untereinander hat dazu geführt, konkrete Möglichkeiten und Grenzen der<br />
Einrichtungen vor dem Hintergrund fachlicher Anforderungen aufzuzeigen. Insbesondere<br />
die Suche der Modellbeauftragten nach kreativen Lösungen und deren Austausch<br />
über Erfahrungen und Vorgehensweisen hat dazu beigetragen, über die Grenzen<br />
der einzelnen Einrichtung hinaus zusätzliche Möglichkeiten <strong>für</strong> die Umsetzung<br />
von Anforderungen zu finden.<br />
Innerhalb der Einrichtungen war die Beteiligung der Mitarbeiter/innen an der einrichtungsspezifischen<br />
Entwicklung von Konzepten, Checklisten, Formularen etc. von<br />
zentraler Bedeutung. Dadurch waren die Akzeptanz und die Identifikation mit den<br />
fachlichen Anforderungen der Konzeptbausteine in großen Teilen der Belegschaft<br />
hoch. Auch die Einbindung ausgewählter Mitarbeiter/innen in die einrichtungsinter-<br />
65 Vgl. hierzu Kap. 3 und außerdem den entsprechenden Praxisleitfaden <strong>zum</strong> Projekt: MAGS (Hrsg.) (2007): „<strong>Referenzmodell</strong>e …“. Teil B,<br />
hier werden die Hinweise zur Umsetzung und damit die zu schaffenden Voraussetzungen genau beschrieben.<br />
219
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
220 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
nen Arbeitsgruppen zu den Projektinhalten, die dann wiederum als Multiplikatoren<br />
dienten und an den Schulungen der Belegschaft mitwirkten, hat die Akzeptanz der<br />
Konzeptbausteine bei den Mitarbeitern/innen erhöht.<br />
Insbesondere personelle Engpässe und Zeitdruck wurden immer wieder als problematisch<br />
bei der Umsetzung bezeichnet. Hier bestand das größte Spannungsverhältnis<br />
zwischen fachlichen Anforderungen und der Umsetzung. Dennoch zeigen die<br />
Evaluationsergebnisse, dass die Umsetzung der Konzeptbausteine unter den o.g. Voraussetzungen<br />
und bei wenig veränderten Rahmenbedingungen möglich war. Dem<br />
generell bemängelten Zeit- und Personalmangel steht eine Zeitersparnis durch besser<br />
strukturierte Abläufe, geklärte Zuständigkeiten und Aufgabenbereiche sowie ein<br />
gutes internes und externes Schnittstellenmanagement entgegen. Auch konnten durch<br />
die qualifikationsorientierte Arbeitsteilung im Rahmen der mittelbar bewohnerbezogenen<br />
Leistungen Pflegefachkräfte von Tätigkeiten – wie z.B. der Wäscheversorgung<br />
– entlastet werden.<br />
Nicht zuletzt konnte durch die Zuständigen Pflegefachkräfte der Pflegeprozess kontinuierlicher<br />
fortgeführt werden (z.B. bei Krankenhauseinweisungen) und die Versorgungskoordination<br />
reibungsloser ablaufen (z.B. in der Zusammenarbeit mit Angehörigen<br />
oder niedergelassenen Ärzten/innen). Probleme gab es bei der Umsetzung der<br />
Stellvertretungsregelungen <strong>für</strong> die zuständigen Pflegefachkräfte. Die personelle Ausstattung<br />
stieß hier an ihre Grenzen, so dass Einrichtungen kurzfristige Lösungen <strong>für</strong><br />
die Benennung von Vertretern/innen finden mussten. Letztlich ließ sich die Größe der<br />
Bewohnergruppe von etwa 10 Personen je vollzeitbeschäftigter Zuständiger Pflegefachkraft<br />
in der Praxis realisieren.<br />
Darüber hinaus konnte das Leistungsprofil der Einrichtungen an die Leistungsbeschreibungen<br />
angepasst werden, und Angebote <strong>für</strong> Bewohner/innen wurden weiterentwickelt.<br />
Dabei wurden insbesondere immobile und demenzkranke Bewohner/innen<br />
berücksichtigt. Die Ergebnisse zu den Veränderungen des Leistungsgeschehens<br />
deuten außerdem darauf hin, dass eine verstärkte Ressourcenorientierung und<br />
eine gerechtere Leistungsverteilung bei den vorhandenen Rahmenbedingungen der<br />
Einrichtungen möglich waren.<br />
Somit konnte trotz der unterschiedlichen Ausgangslage in den verschiedenen Einrichtungen<br />
und damit auch unterschiedlicher Spannungsverhältnisse zwischen „Anspruch<br />
und Wirklichkeit“ eine Qualitätsentwicklung erreicht werden. Dabei war insbesondere<br />
die Personalsituation im Hinblick auf die Qualifikationsvoraussetzungen von<br />
Bedeutung. Die folgende Fragestellung bezieht sich auf die ggf. notwendigen Anpassungen<br />
mit Blick auf die Qualifikation von Mitarbeitern/innen:<br />
Welche Qualifikationsvoraussetzungen der Mitarbeiter/innen waren<br />
gegeben und welche Anpassungsnotwendigkeiten ergaben sich im<br />
Hinblick auf die Qualifikationsstruktur?<br />
Im Hinblick auf die Umsetzung der Konzeptbausteine war die Funktion der „Zuständigen<br />
Pflegefachkraft“ von besonderer Bedeutung, um den Pflegeprozess zu steuern<br />
und die Versorgung zu koordinieren. Betrachtet man in diesem Zusammenhang den<br />
Anteil der vollzeitbeschäftigten Pflegefachkräfte wurden erhebliche Unterschiede<br />
deutlich: so waren in sechs Einrichtungen weniger als die Hälfte der Fachkräfte vollzeitbeschäftigt.<br />
Nur in zwei Einrichtungen verfügten Fachkräfte ausschließlich über<br />
Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse mit einem Beschäftigungsumfang von<br />
über 50%. Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten lag mit insgesamt 35% unter dem Landesdurchschnitt<br />
NRW (41%). Im Verlauf des Projektes ergaben sich geringfügige Veränderungen,<br />
die sich auf eine Zunahme von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen mit<br />
einem Beschäftigungsumfang von mehr als 50% beziehen. In der Gruppe der Pflegefachkräfte<br />
überwogen die Altenpfleger/innen.
Neben den fachlichen Fort- und Weiterbildungen von Mitarbeitern/innen, die im<br />
Bereich der stationären Altenpflege angeboten werden, haben die Einrichtungen<br />
zusätzliche Schulungen durchgeführt, die als Grundlage <strong>für</strong> die Einführung der Konzeptbausteine<br />
notwendig waren. Dazu zählten insbesondere Fortbildungen zu Prophylaxen,<br />
zur Pflegeplanung und -dokumentation und zur Betreuung demenzkranker<br />
Bewohner/innen. Darüber hinaus waren spezielle Schulungen angezeigt, die sich<br />
auf die konkreten Informationen bezüglich der Konzeptbausteine und deren Umsetzung<br />
bezogen. Die Schulungsdokumentation der Modellbeauftragten zeigte, dass<br />
durchschnittlich knapp 122 Schulungen je Einrichtung (bei unterschiedlicher Gruppengröße)<br />
über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren durchgeführt wurden. Schulungsbedarf<br />
zeigten die Evaluationsergebnisse bezüglich der von Mitarbeitern/innen<br />
und Modellbeauftragten genannten Probleme hinsichtlich der Pflegeplanung und<br />
-dokumentation, der Betreuung von demenzkranken Bewohnern/innen sowie der Förderung<br />
von Gesprächsführungskompetenzen. Somit haben die Einrichtungen in den<br />
meisten Fällen auf den Schulungsbedarf reagiert. Zur Einführung der Konzeptbausteine<br />
hat jede Einrichtung durchschnittlich knapp 90 Schulungen (wiederum mit<br />
unterschiedlicher Gruppengröße) während der Projektlaufzeit durchgeführt.<br />
Für die Bewertung der Anforderungen waren die Mitarbeiterbefragungen von zentraler<br />
Bedeutung. Diese haben letztendlich mit den Konzeptbausteinen gearbeitet und<br />
sie in der Praxis erprobt. Eine der zentralen Forschungsfragen bezieht sich auf die<br />
Perspektive der Mitarbeiter/innen:<br />
Wie reagieren die Mitarbeiter/innen auf die veränderten Anforderungen<br />
und inwieweit gelang es ihnen, die Konzeptbausteine im Arbeitsalltag<br />
umzusetzen?<br />
Es wurden zwei Mitarbeiterbefragungen durchgeführt, wobei die erste vor Beginn<br />
der Arbeit mit den Konzeptbausteinen erfolgte, um die Bewertung von Arbeitssituation<br />
und -belastungen sowie von Schwachstellen in der Pflege aus ihrer Sicht darstellen<br />
zu können. Eine weitere Befragung erfolgte <strong>zum</strong> Projektende, um die Ausgangslage<br />
mit der Bewertung der Situation nach der Erprobung der Konzeptbausteine vergleichen<br />
zu können. Darüber hinaus wurden die Mitarbeiter/innen zur Bewertung<br />
der verschiedenen Bausteine aufgefordert.<br />
Die Ausgangssituation in den Referenzeinrichtungen gestaltete sich aus der Sicht der<br />
Mitarbeiter/innen weitgehend positiv: Die Ergebnisse zeigen insgesamt mäßige<br />
Arbeitsbelastungen, ein gutes Arbeitsklima und eine hohe Arbeitszufriedenheit auf.<br />
Den größten Handlungsbedarf sahen die Mitarbeiter/innen hinsichtlich der Betreuung<br />
von demenzkranken Bewohnern/innen. Die Gesamtbewertung hat sich auch<br />
<strong>zum</strong> Projektende kaum verändert, wobei sich die Einschätzung der Betreuung von<br />
demenzkranken Bewohner/innen leicht verbessert hat.<br />
Empfehlungen zur Zuständigen Pflegefachkraft (ZPFK)<br />
Darüber hinaus wurde während der Umsetzung der einzelnen Konzeptbausteine die<br />
Reaktion der Mitarbeiter/innen auf die Anforderungen durch die Modellbeauftragten<br />
erhoben. Die Anforderungen an die „Zuständige Pflegefachkraft“ wurden von der<br />
Belegschaft überwiegend positiv aufgenommen und in die Praxis umgesetzt. Allerdings<br />
gab es auch Konflikte bezüglich der zu klärenden Zuständigkeiten und der<br />
Frage danach, welche Pflegefachkräfte auch als Zuständige Pflegefachkräfte eingesetzt<br />
werden. In den Einrichtungen wurden alle bzw. annähernd alle Fachkräfte auch<br />
als solche eingesetzt. Jedoch waren nicht alle Fachkräfte bereit, mehr Verantwortung<br />
und mehr Steuerungs- und Koordinationsaufgaben zu übernehmen. Außerdem galt<br />
es, die Aufgabenteilung zwischen Wohnbereichsleitungen und Zuständigen Pflegefachkräften<br />
zu prüfen und ggf. zu verändern, womit bei einigen Wohnbereichsleitungen<br />
damit die Be<strong>für</strong>chtung einherging, dass sie „wegrationalisiert“ werden<br />
könnten. Während des Projektzeitraums konnten die Aufgaben und Zuständigkeiten<br />
geklärt und die Arbeitsweise hinsichtlich der Funktion der Zuständigen Pflegefach-<br />
221
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
Abb. 3:<br />
Umsetzungsstand<br />
„Zuständige<br />
Pflegefachkraft“<br />
im Projektverlauf<br />
222 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
kräfte erprobt werden. Schließlich fiel die Bewertung der Mitarbeiter/innen <strong>zum</strong> Projektende<br />
dann sehr positiv aus: Die Hälfte der befragten Mitarbeiter/innen in der<br />
Pflege, wobei sich an der Befragung Fach- und Hilfskräfte beteiligten, waren selbst<br />
Zuständige Pflegefachkräfte. Diese Zuständigen Pflegefachkräfte gaben an, dass sich<br />
die Versorgung der Bewohner/innen durch die Umsetzung dieses Konzeptbausteins<br />
bereits verbessert habe.<br />
Bereits nach der Einführungsphase im Juli 2005 sind in sechs Einrichtungen die Empfehlungen<br />
zur „Zuständigen Pflegefachkraft“ vollständig umgesetzt. Eine überwiegende<br />
Umsetzung, das heißt eine Umsetzung von mehr als der Hälfte der Empfehlungen,<br />
erfolgt in sieben Modelleinrichtungen. In fünf weiteren Häusern waren die Empfehlungen<br />
ansatzweise (weniger als die Hälfte der Empfehlungen) umgesetzt. In zwei<br />
Einrichtungen wurden die Empfehlungen zur ZPFK zunächst nicht bearbeitet und<br />
umgesetzt. Bis Dezember 2005 hat sich die Zahl der Einrichtungen, in denen zu diesem<br />
Zeitpunkt die Empfehlungen vollständig angepasst wurden, von sechs auf acht<br />
erhöht. Eine überwiegende Umsetzung erfolgte bis dahin in zwei weiteren Einrichtungen,<br />
so dass zu dem Zeitpunkt insgesamt neun Einrichtungen die überwiegenden<br />
Empfehlungen zur ZPFK umsetzen konnten. Zum Projektende konnten die Empfehlungen<br />
von insgesamt 13 Einrichtungen vollständig umgesetzt werden. Weitere vier<br />
Häuser haben den überwiegenden Teil der Empfehlungen implementiert. Zwei Einrichtungen<br />
haben die Empfehlungen lediglich in Ansätzen umgesetzt. Von einer Einrichtung<br />
liegen keine Informationen vor.<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Juli 2005 Dezember 2005 Juli 2006<br />
k.a.<br />
keine Umsetzung<br />
ansatzweise<br />
Umsetzung<br />
überwiegende<br />
Umsetzung<br />
vollständige<br />
Umsetzung<br />
Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen<br />
Die Mitarbeiter/innen reagierten auf die Einführung der Leistungsbeschreibungen<br />
innerhalb einer Einrichtung aber auch im Vergleich der Referenzeinrichtungen untereinander<br />
unterschiedlich. Trotz Verunsicherung und Angst vor Überforderung waren<br />
größtenteils positive Reaktionen zu verzeichnen. Die Schulungen haben gezeigt,<br />
dass die Leistungsbeschreibungen zu mehr Klarheit und Transparenz hinsichtlich des<br />
Leistungsprofils insgesamt und einzelner Maßnahmen geführt haben. Im Verlauf der<br />
Erprobung wurde deutlich, dass angesichts der qualifikationsorientierten Arbeitsteilung<br />
bei den mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen auch eine gewisse Konfliktfreudigkeit<br />
aufkam, da die Arbeitsteilung teilweise angepasst werden musste.<br />
Nach der Erprobung bewerteten die Mitarbeiter/innen die Leistungsbeschreibungen<br />
positiv: 61% der Mitarbeiter/innen gaben an, dass die Nutzung der Leistungsbeschreibungen<br />
<strong>für</strong> sie eine Verbesserung im Vergleich zur vorherigen Arbeitsweise<br />
darstellen. Begründet wird dies hauptsächlich durch eine klare und detaillierte<br />
Abgrenzung der Leistungen, die Nutzung der Beschreibungen als Formulierungshilfe<br />
<strong>für</strong> die Pflegeplanung und -dokumentation und eine insgesamt erhöhte Transparenz
der Pflegeleistungen. Bis <strong>zum</strong> Ende der Projektlaufzeit hat etwa ein Viertel der Einrichtungen<br />
die Anforderungen an eine qualifikationsorientierte Arbeitsteilung erfüllen<br />
können, etwa zwei Drittel der Einrichtungen stimmten überwiegend mit der qualifikationsorientierten<br />
Arbeitsteilung bei den mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen<br />
überein.<br />
Im Hinblick auf die Leistungsbeschreibungen lässt sich festhalten, dass alle Einrichtungen<br />
ihr Leistungsprofil angepasst haben und die Mitarbeiter/innen trotz einiger<br />
Schwierigkeiten bei der Abgrenzung einzelner Leistungen voneinander positive<br />
Aspekte sehen, die auch seitens der meisten Modellbeauftragten bestätigt werden:<br />
Die Leistungsbeschreibungen haben zu einer reflektierten und zusammenhängenden<br />
Arbeits- und Pflegeplanung sowie zu einem größeren Bewusstsein <strong>für</strong> die Bedeutung<br />
der psychosozialen Betreuung der Bewohner/innen geführt. Darüber hinaus haben<br />
die Auseinandersetzungen mit den Leistungsbeschreibungen eine bessere Kooperation<br />
zwischen den Hierarchieebenen bzw. den Mitarbeitern/innen der Pflege und<br />
des Sozialen Dienstes befördert. Die Angebote <strong>für</strong> die Bewohner/innen wurden<br />
geprüft, die Schulungen der Mitarbeiter/innen führten zu einer vermehrten Durchführung<br />
von Prophylaxen, es konnte eine Qualitätssteigerung bei der Pflegedokumentation<br />
erreicht werden, die Bewohner/innen werden stärker ressourcenorientiert versorgt,<br />
und die Leistungen werden gerechter verteilt.<br />
Pflegerisches Assessment<br />
Auch die Reaktionen der Mitarbeiter/innen auf die Anforderungen an das pflegerische<br />
Assessment waren weitgehend positiv. Zum Projektende war den zuständigen<br />
Mitarbeitern/innen der Erhebungsbogen bekannt, wobei mehr als ein Drittel angab,<br />
dass sich die Qualität des Assessments durch die Anforderungen verbessert habe.<br />
Ein Viertel der Befragten verzeichnete keine Veränderungen hinsichtlich der Qualität,<br />
wobei diese Angaben darauf zurückzuführen sind, dass in einem Viertel der Einrichtungen<br />
die Anforderungen an das pflegerische Assessment bereits vor Projektbeginn<br />
mit denen des Konzeptbausteins übereinstimmten. Nahezu alle Einrichtungen konnten<br />
die Anforderungen an das pflegerische Assessment während der Projektlaufzeit<br />
umsetzen; nur in wenigen Einrichtungen wurden einzelne Anforderungen zu dem<br />
Zeitpunkt noch bearbeitet. Fast alle Einrichtungen gaben an, den Kriterienkatalog<br />
<strong>zum</strong> pflegerischen Assessment auch künftig beibehalten zu wollen.<br />
Mehrere Modellbeauftragte gaben an, dass sich seit der Erprobung des angepassten<br />
Assessments das Risikomanagement deutlich verbessert hat. Insgesamt wurde der<br />
Nutzen von den Modellbeauftragten als ausgesprochen hoch bewertet. Die Anforderungen<br />
an das pflegerische Assessment legen „klare Richtlinien <strong>für</strong> Mitarbeiter“ fest,<br />
und die „Individualität der Bewohner tritt stärker in den Vordergrund“. Ein „sehr<br />
hoher Nutzen“ wurde seitens der Modellbeauftragten auch darin gesehen, „dass ein<br />
umfangreiches Assessment dauerhaft eine präventive und prophylaktische Pflege<br />
sichert“ und somit “bei kontinuierlicher Erhebung der Daten eine zeitnahe und qualitätsgesicherte<br />
Versorgung möglich ist“. 66<br />
In der Gesamtschau zeigt sich, dass sich die Menge der umgesetzten Anforderungen<br />
während des Projektzeitraums in den Einrichtungen sehr unterschiedlich darstellt.<br />
Gemessen an der Anzahl der Anforderungen an ein pflegerisches Assessment zeigte<br />
sich <strong>zum</strong> Ende der Projektlaufzeit (Stand: Juli 2006), dass elf Einrichtungen von 19<br />
alle Anforderungen umgesetzt, sieben Einrichtungen die nicht vollständig umgesetzten<br />
Anforderungen <strong>zum</strong> Befragungszeitpunkt noch bearbeitet haben. Eine Einrichtung<br />
machte bei der letzten Datenerhebung keine Angabe. Auffällig ist, dass vier Einrichtungen<br />
vor Projektbeginn keine der Anforderungen an ein pflegerisches Assessment<br />
erfüllt hatten. Darüber hinaus waren in zwei Einrichtungen bereits vor Projektbeginn<br />
66 Die hier zitierten Sätze entstammen der Abschlussbefragung der Modellbeauftragten.<br />
223
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
Abb. 4:<br />
Anforderungen an<br />
das pflegerische<br />
Assessment – Zielerreichung<br />
in den<br />
Einrichtungen<br />
224 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
alle Anforderungen erfüllt. Trotz der differierenden Ausgangsvoraussetzungen ist es<br />
den Einrichtungen insgesamt weitgehend gelungen, die Anforderungen an ein pflegerisches<br />
Assessment in die Praxis einzuführen (s. Abb.: 4).<br />
Einrichtungen<br />
0% 25% 50% 75% 100%<br />
vorab erfüllt bereits umgesetzt in Bearbeitung<br />
Der Großteil der Einrichtungen bewertet die Erprobung des pflegerischen Assessments<br />
<strong>zum</strong> Abschluss der Projektlaufzeit positiv: insgesamt 17 Einrichtungen planen<br />
die vollständige (Bearbeitung und) Weiterverwendung des Anforderungskatalogs.<br />
Zwei Einrichtungen geben an, lediglich Teile des Anforderungskatalogs zukünftig<br />
weiter zu verwenden bzw. umzusetzen.<br />
Kriterienkatalog zur Erfassung biografischer Informationen<br />
Die Reaktionen auf den Kriterienkatalog zur Erfassung biografischer Informationen<br />
waren dagegen zunächst unterschiedlich. Einige Mitarbeiter/innen sahen die biografische<br />
Arbeit eher als zusätzliche Pflicht und Belastung an, wobei auch – wie<br />
bereits oben beschrieben – Überforderungen bei der Durchführung biografischer<br />
Gespräche deutlich wurden. Dennoch zeigen die Ergebnisse <strong>zum</strong> Projektende, dass<br />
nahezu alle befragten Mitarbeiter/innen den Einsatz von Biografiebögen bestätigten<br />
und hervorhoben, dass diese während der Projektlaufzeit angepasst worden sind.<br />
Zum Abschluss erlebte die weit überwiegende Mehrheit das Wissen um biografische<br />
Informationen als hilfreich <strong>für</strong> den Umgang mit den Bewohnern/innen und mehrheitlich<br />
wurde eine Verbesserung der Biografiebögen benannt. Probleme bei der dauerhaften<br />
Anwendung sahen die Mitarbeiter/innen mehrheitlich nicht. Die übrigen Evaluationsergebnisse<br />
zur Umsetzung des Kriterienkatalogs haben allerdings auch<br />
gezeigt, dass eine kontinuierliche Fortschreibung biografischer Informationen <strong>für</strong> alle<br />
Heimbewohner/innen in knapp der Hälfte der Einrichtungen gelungen ist und in der<br />
anderen Hälfte der Einrichtungen diese <strong>zum</strong>indest <strong>für</strong> einige Bewohner/innen<br />
erfolgte. Auch die Berücksichtigung biografischer Informationen in der Pflegeplanung<br />
gelang in knapp zwei Drittel der Einrichtungen <strong>für</strong> alle Bewohner/innen. Die übrigen<br />
Einrichtungen haben die Anforderungen <strong>zum</strong>indest <strong>für</strong> einen Teil der Bewohner/innen<br />
umsetzen können. Die weit überwiegende Mehrheit der Einrichtungen gibt<br />
<strong>zum</strong> Abschluss der Projektlaufzeit an, dass sie vollständig mit den Kriterienkatalog<br />
weiter arbeiten bzw. die noch fehlenden Anforderungen künftig umsetzen werden.
Verbesserte Dokumentationsformen<br />
Die Empfehlungen <strong>für</strong> verbesserte Dokumentationsformen galten im Projekt nicht als<br />
verpflichtend. Angesichts der Vielzahl der anderen Konzeptbausteine hatte sich<br />
daher die Hälfte der Einrichtungen entschlossen, diese Empfehlungen nicht umzusetzen.<br />
Die Befragung der Mitarbeiter/innen <strong>zum</strong> Projektende hat gezeigt, dass etwa<br />
40% die Veränderungen positiv bewerteten. Diese Ergebnisse resultieren aus den<br />
Einrichtungen, die ihre Dokumentationsformen entsprechend angepasst hatten. Dabei<br />
waren die Mitarbeiter/innen der Ansicht, dass sich sowohl der Umfang der Pflegeplanung<br />
reduziert hat und die Tagesablaufpläne <strong>für</strong> die Versorgung der<br />
Bewohner/innen hilfreich waren als auch weniger Zeit <strong>für</strong> die Dokumentation<br />
benötigt wurde. Auch die Ergebnisse der Leistungserfassungen zeigen, dass der Aufwand<br />
<strong>für</strong> die Pflegedokumentation <strong>zum</strong>indest leicht rückläufig war. Die Modellbeauftragten<br />
gaben ebenfalls an, die Pflegedokumentation sei insgesamt übersichtlicher,<br />
transparenter und individueller geworden.<br />
Insgesamt wurden – mit einer Ausnahme und vornehmlich aus zeitökonomischen<br />
Gründen – von jeder der 20 Referenzeinrichtungen drei Pflegedokumentationen analysiert.<br />
Von einer Einrichtung mit scheinbar guter Dokumentationsqualität wurde im<br />
Sinne eines „best practice“-Ansatzes eine vierte Dokumentation untersucht, da ein<br />
Datensatz sehr unvollständig und damit wenig aussagekräftig war. Der Stichprobenumfang<br />
beträgt somit n=61.<br />
Die Bewohner/innen, deren Pflegedokumentation untersucht wurde, haben fast zur<br />
Hälfte (47%, n=26) die Pflegestufe 2, je ein Viertel (26%, n=14) die Pflegestufen 1<br />
oder 3, und ein/e Bewohner/in ist als sog. Härtefall eingestuft worden. Sechs Angaben<br />
hierzu konnten – meist aufgrund von fehlenden Stammblättern – nicht gemacht<br />
werden. Die Bewohner/innen lebten zwischen 2 Wochen und 17,7 Jahren in den<br />
Einrichtungen, der Mittelwert beträgt 1,8 Jahre, der Median 6 Monate (wobei die<br />
Angaben von zwei Bewohnern/innen fehlten).<br />
Die Referenzeinrichtungen arbeiteten mit unterschiedlichen Systemanbietern, wobei<br />
fünf Einrichtungen jeweils unterschiedliche EDV-Anbieter nutzten.<br />
Am häufigsten lagen in den kopierten bzw. ausgedruckten Dokumentationen ausgefüllte<br />
Pflegeberichte (98%) – wenn auch sehr unterschiedlichen Zeitraums – und Pflegeplanungen<br />
(98%) vor, am seltensten Überleitungsbögen <strong>für</strong> Krankenhausaufenthalte<br />
(15%). Die Schwierigkeit bei Letzteren bestand <strong>für</strong> die Modellbeauftragten teilweise<br />
darin, dass ausgefüllte Bögen den kranken Bewohnern mitgegeben und nicht<br />
als Kopie in der Referenzeinrichtung verwahrt oder im Computer gespeichert wurden.<br />
In 28% der Fälle wurde zudem auf Bewegungs- bzw. Lagerungspläne verwiesen,<br />
die aber nicht in allen Dokumentationen beilagen, sondern im Bewohnerzimmer<br />
verblieben.<br />
Nach Aussagen der Modellbeauftragten bestanden in fünf Referenzeinrichtungen<br />
verbindliche Regelungen hinsichtlich der Arbeitszeit, die <strong>für</strong> die Wahrnehmung von<br />
dokumentationsbezogenen Aufgaben zur Verfügung steht. 12 äußerten lediglich, die<br />
Pflegedokumentation solle möglichst zeitnah erfolgen (Angaben von drei Einrichtungen<br />
fehlten). Schulungen zur Pflegedokumentation wurden in 11 Häusern (79%)<br />
durchgeführt. Nur drei Einrichtungen (21%) boten bisher noch keine Schulung <strong>für</strong><br />
ihre Mitarbeiter/innen an (sechs Angaben fehlten).<br />
Laut Modellbeauftragtem/r bereitete diese Prioritätensetzung den Mitarbeiter/innen<br />
aber noch Schwierigkeiten. Etwaige farbliche Hervorhebungen waren auf den<br />
Kopien der anderen Einrichtungen nicht zu erkennen. In der Pflegeplanung wurde<br />
allerdings deutlich, dass nur in 33% (n=20) der Dokumentationen alle AEDL in die<br />
Planung einflossen, während in 62% (n=38) nur eine Auswahl daraus getroffen wurden<br />
(drei Angaben fehlten). Daraus ist zu schließen, dass diese Auswahl bereits eine<br />
225
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
226 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Fokussierung auf die vorrangigen Probleme und Ressourcen beinhaltete. Darüber hinaus<br />
wurde festgestellt, dass in fast einem Viertel der Pflegedokumentationen nicht<br />
allen in der Pflegeplanung beschriebenen Problemlagen Pflegeziele zugeordnet wurden.<br />
In einigen Fällen konnten die jeweiligen Reduktionen inhaltlich nicht auf die<br />
Selektion vorrangiger Pflegeprobleme zurückgeführt werden, da offensichtlich relevante<br />
Problemlagen oder Pflegeziele – insbesondere psychosoziale – fehlten.<br />
Schließlich wurde eingeschätzt, inwieweit eine externe Fachperson durch die Informationen<br />
aus Pflegeanamnese und -planung ein vollständiges Bild von den wichtigsten<br />
Ressourcen und Problemen des Bewohners erhielt: Interessanterweise entstand in<br />
jeweils exakt der Hälfte der Dokumentationen ein entweder guter oder schlechter<br />
Überblick.<br />
In zwei Dritteln der Pflegedokumentationen lag anstatt einer unzusammenhängenden<br />
Planung von Einzelmaßnahmen ein chronologischer Tages- bzw. Pflegeablaufplan <strong>für</strong><br />
die Bewohner/innen vor. Vier Dokumentationen enthielten (noch) gar keine Maßnahmenplanung.<br />
Allerdings entsprachen etwa zwei Drittel der Tagespläne nur teilweise<br />
den Anforderungen, da entweder regelmäßige Interventionen, wie z.B. Ansprache<br />
oder Kämmen, fehlten oder die zeitliche Abfolge (z.B. von „zu Trinken anbieten, dann<br />
Oberkörperhochlagerung“), in sich nicht schlüssig war. In den 38 vorliegenden Dokumentationen<br />
mit Pflegeablaufplänen wurden Maßnahmen, die <strong>zum</strong>indest einmal<br />
wöchentlich regelmäßig erbracht werden, meist (68%) im Tagesplan, bei 16% in<br />
einem separaten Wochenplan dokumentiert. Auf diesen wurde nur in einem Fall nicht<br />
ausdrücklich verwiesen. In weiteren sechs Dokumentationen fanden sich die wöchentlichen<br />
Interventionen jedoch weder im Tages-, noch im Wochenplan.<br />
Obwohl fast alle Tagespläne tabellarisch formatiert waren, ließ ihre Übersichtlichkeit<br />
in etwa einem Viertel der Fälle noch zu wünschen übrig. Eine Doppeldokumentation<br />
von Maßnahmen in der Pflegeplanung und dem Tagesplan wurde meist komplett<br />
(87%) oder teilweise vermieden (11%); nur in einer der 38 Dokumentationen fanden<br />
sich umfangreiche Doppelungen.<br />
80% der Leistungsnachweise aller Pflegedokumentationen erfolgten, wie bisher<br />
üblich, auf einem von der Maßnahmenplanung separaten Formular (eine Angabe<br />
fehlte). Insbesondere die Nachweise der EDV-Systeme waren mit den Maßnahmen so<br />
verlinkt, dass hier nicht von einer Separierung gesprochen werden konnte. In 82%<br />
der Pflegedokumentationen mit Tagesplan wurden im Durchführungsnachweis Maßnahmenkomplexe<br />
gebildet, so dass die Mitarbeiter/innen z.B. nur einmal pro<br />
Schicht statt lauter Einzelmaßnahmen abzeichnen mussten. Abweichungen vom<br />
Tagesplan wurden dort in knapp der Hälfte der Fälle (49%) gekennzeichnet, von<br />
denen wiederum je etwa ein Drittel angemessen oder <strong>zum</strong>indest ansatzweise im Pflegebericht<br />
beschrieben wurden. Es ließ sich aber nicht sagen, wie oft Abweichungen<br />
von Tagesplan tatsächlich vorgekommen waren. Außerdem bestätigte sich in der Pflegedokumentation<br />
die Beobachtung einiger Modellbeauftragten, dass die Pflegekräfte<br />
die Funktion des „Abweichungs-Feldes“ auf dem Formular des Durchführungsnachweises<br />
missverstanden haben: In manchen Dokumentationen wurde dort jedes Mal<br />
unterzeichnet, wenn Eintragungen in den Pflegebericht vorgenommen wurden –<br />
auch, wenn diese keine Abweichung vom Tagesplan darstellten.<br />
Die Durchführung von pflegerischen oder psychosozialen Interventionen, die weder<br />
täglich noch wöchentlich erfolgten, wurde in etwa drei Vierteln gesondert in einem<br />
Wochen- bzw. Monatsplan nachgewiesen (drei Angaben fehlten).<br />
Eine einrichtungsbezogene Datenauswertung gestaltete sich aufgrund der kleinen<br />
Stichproben und der mangelnden Dokumentationsvergleichbarkeit schwierig, die<br />
Interpretationen sind daher nur als Tendenzen zu verstehen. Um einen Überblick über<br />
mögliche Stärken und Schwächen der jeweiligen Dokumentationspraxis in den Referenzeinrichtungen<br />
zu bekommen, wurden die Analyseergebnisse in neun Themen-
komplexe aufgeteilt und mit einer „vorsichtigen“ Bewertung versehen. Diese Komplexe<br />
umfassen neben der eigentlichen Pflegeprozessdokumentation auch die Biografieerfassung<br />
und die Rahmenkonzepte; die Bewertung erfolgte mittels „(sehr)gut/mittel/schlecht“-Zuweisungen.<br />
Insgesamt ließen sich die Konzeptbausteine des Projektes<br />
„<strong>Referenzmodell</strong>e“ vor allem in den Dokumentationen von vier Modelleinrichtungen<br />
wieder finden. Besondere Gemeinsamkeiten dieser vier Referenzeinrichtungen hinsichtlich<br />
Dokumentationssystem, dokumentationsbezogener Arbeitszeitregelung,<br />
Schulungen o.a. Rahmenbedingungen waren nicht festzustellen. Darüber hinaus fielen<br />
acht weitere Referenzeinrichtungen mit besonders guten Analyseergebnissen in<br />
einzelnen Dokumentationskomplexen auf (z.B. in der Anamnese; Pflege- und Maßnahmenplanung;<br />
Biografieerfassung etc). Betrachtet man weitere Einzelergebnisse,<br />
fällt auf, dass die Ergebnisse der Befragung der Modellbeauftragten einerseits und<br />
der Dokumentationsanalyse andererseits hinsichtlich der Benennung der Zuständigen<br />
Pflegefachkraft fast überall übereinstimmten: Nur in zwei Referenzeinrichtungen wurden<br />
nicht wie geplant die Zuständigen Pflegefachkräfte der Bewohner/innen ersichtlich.<br />
Weitere Zusammenhänge z. B. zwischen fehlenden Konzepten bzw. Schulungen<br />
zur nächtlichen Versorgung oder den Instrumenten der Biografieerfassung und der<br />
entsprechenden Dokumentationsqualität in diesen Bereichen konnten nicht hergestellt<br />
werden.<br />
Qualitätsmaßstäbe bzw. Rahmenkonzepte<br />
In der Gesamtschau zeigt sich, dass ein Teil der Anforderungen bereits vor Projektbeginn<br />
erfüllt wurde. Von den geforderten Kriterien aller Qualitätsmaßstabe wurden<br />
vorab insgesamt 60% erfüllt. Während der Projektlaufzeit setzten die Heime weitere<br />
22% der Anforderungen um; weitere 10% der Anforderungen befanden sich <strong>zum</strong><br />
Befragungszeitpunkt noch in Bearbeitung. Deutlich wurde, dass die Umsetzung der<br />
Rahmenkonzepte <strong>zum</strong> Heimeinzug (HE), zur Zusammenarbeit mit Angehörigen (AN),<br />
<strong>zum</strong> Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten (KH) und zur Sterbebegleitung<br />
(STE) in der Gesamtschau etwas weiter fortgeschritten war, als die Bearbeitung<br />
der Rahmenkonzepte zur Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten (ÄRZTE) und<br />
zur nächtlichen Versorgung (NV). Dieses Ergebnis lässt sich darauf zurückführen,<br />
dass die beiden letztgenannten Rahmenkonzepte im Projektverlauf später eingebracht<br />
wurden als die übrigen (vgl. Abb. 5).<br />
Ärzte<br />
HE<br />
100<br />
75<br />
NV 50<br />
AN<br />
25<br />
0<br />
STE<br />
KH<br />
Jul 2006<br />
Dez 2005<br />
Jul 2005<br />
vorab erfüllt<br />
HE = Unterstützung beim Einzug<br />
in eine Pflegeeinrichtung<br />
AN = Zusammenarbeit<br />
mit Angehörigen<br />
KH = Überleitungsverfahren bei<br />
Krankenhausaufenthalten<br />
STE = Sterbebegleitung in<br />
Pflegeeinrichtungen<br />
Ärzte = Kooperation mit<br />
niedergelassenen Ärzten<br />
NV = Nächtliche Versorgung<br />
Abb. 5:<br />
Qualitätsmaßstäbe<br />
bzw. Rahmenkonzepte<br />
– Umsetzung<br />
im Projektverlauf<br />
227
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
228 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Der Qualitätsmaßstab <strong>zum</strong> Einzug in eine Pflegeeinrichtung wurde von<br />
den Mitarbeitern/innen weitgehend positiv bewertet, obgleich einige Mitarbeiter/innen<br />
zunächst Skepsis hinsichtlich einer zusätzlichen Arbeitsbelastung äußerten.<br />
Knapp 60% der Befragten sahen eine Verbesserung des Heimeinzugsverfahrens aufgrund<br />
der umgesetzten Anforderungen. Auch weitere 50 narrative Interviews mit Mitarbeitern/innen<br />
zur Bewertung des Heimeinzugs nach Umsetzung der Anforderungen<br />
ergaben, dass die anfängliche Skepsis einer wachsenden Zufriedenheit der Mitarbeiter/innen<br />
mit der Umsetzung der Anforderungen dieses Qualitätsmaßstabs<br />
gewichen ist. Der Umsetzungsgrad dieses Qualitätsmaßstabs ist bis <strong>zum</strong> Ende der<br />
Projektlaufzeit vergleichsweise am weitesten voran geschritten. Nahezu alle Anforderungen<br />
konnten in den meisten Einrichtungen erfüllt werden. Lediglich die Erstellung<br />
der Pflegeplanung auf der Basis des pflegerischen Assessments konnte in einem Viertel<br />
der Einrichtungen noch nicht spätestens zwei Wochen nach dem Heimeinzug<br />
gewährleistet werden.<br />
Der Qualitätsmaßstab zur Zusammenarbeit mit Angehörigen wurde<br />
ebenfalls positiv bewertet, auch wenn zunächst wiederum bei einigen<br />
Mitarbeitern/innen Angst vor Überforderung vor der Erprobung von Bedeutung war.<br />
Etwa die Hälfte der befragten Mitarbeiter/innen registrierte bereits während der Projektlaufzeit<br />
Verbesserungen in der Zusammenarbeit mit Angehörigen durch die umgesetzten<br />
Anforderungen dieses Qualitätsmaßstabs. Lediglich bei Konflikten mit<br />
Angehörigen oder zwischen Bewohnern/innen und Angehörigen fühlten sich Mitarbeiter/innen<br />
häufig überfordert. Wie bereits oben beschrieben, werden in diesem<br />
Zusammenhang mangelnde Gesprächsführungskompetenzen angezeigt und sollten<br />
künftig mit Blick auf die Qualifizierung von Mitarbeiter/innen stärker berücksichtigt<br />
werden. Einige Einrichtungen sehen weiteren Aufholbedarf: beispielsweise gelang<br />
die Ermittlung von Wünschen und Beschwerden von Angehörigen bis <strong>zum</strong> Ende der<br />
Projektlaufzeit in einem Viertel der Einrichtungen nicht.<br />
Der Qualitätsmaßstab zur nächtlichen Versorgung wurde vergleichsweise<br />
spät eingeführt, so dass die diesbezüglichen Veränderungen weniger fortschreiten<br />
konnten. Die Reaktionen der Mitarbeiter/innen auf die Einführung bzw. Erprobung<br />
dieses Qualitätsmaßstabs waren sehr unterschiedlich, da sie meistenteils mit einer<br />
Veränderung von Dienstzeiten einherging. Einige Einrichtungen haben Zwischendienste<br />
eingeführt, die Dienstzeiten bzw. das Schichtsystem verändert. Darauf hat ein<br />
Teil der Mitarbeiter/innen mit deutlichem Widerstand reagiert, andere wiederum<br />
haben die Veränderungen positiv aufgenommen. Dennoch geben immerhin knapp<br />
30% der befragten Mitarbeiter/innen <strong>zum</strong> Ende der Projektlaufzeit an, dass sich seit<br />
der Einführung des Qualitätsmaßstabs Verbesserungen bei der nächtlichen Versorgung<br />
der Bewohner/innen eingestellt haben. Etwa die Hälfte der Befragten gab an,<br />
dass eine weitere Umsetzung dieses Konzeptbausteins ohne größere Probleme erfolgen<br />
könne.<br />
Trotz der vergleichsweise späten Einführung dieses Konzeptbausteins konnte<br />
während der Projektlaufzeit ein Teil der Anforderungen erprobt werden. Nicht zuletzt<br />
sollten Angebote <strong>für</strong> die Bewohner/innen in den Abend- und Nachstunden geschaffen<br />
werden. Da mit der Umsetzung dieses Qualitätsmaßstabs teilweise einschneidende<br />
Veränderungen der Arbeitszeiten und -planung verbunden waren, konnten die<br />
Anforderungen in den meisten Einrichtungen noch nicht in der gewünschten Form<br />
umgesetzt werden. Derartige Umstrukturierungen bei der Angebotsentwicklung und<br />
der Personaleinsatzplanung hätten in einigen Einrichtungen mehr (Projektlauf-)Zeit<br />
benötigt. Dennoch konnten in einem Viertel der Einrichtungen z.B. Angebote in den<br />
Abendstunden entwickelt und auch die Flexibilisierung der Zeiten des Aufstehens<br />
bzw. Zubettgehens durch die Einführung von Zwischendiensten oder veränderten<br />
Schichtdiensten erreicht werden.
Der Qualitätsmaßstab zur Sterbebegleitung wurde von den Mitarbeitern/<br />
innen positiv aufgenommen. Mehr als ein Drittel der Befragten hat während der Projektlaufzeit<br />
Verbesserungen bei der Sterbebegleitung feststellen können, mehr als<br />
zwei Drittel gaben an, die Anforderungen des Qualitätsmaßstabs ohne gravierende<br />
Probleme weiterhin umzusetzen. Aus 15 narrativen Interviews mit Mitarbeitern/innen<br />
ging darüber hinaus hervor, dass die Zuständigen Pflegefachkräfte die Koordination<br />
der Sterbebegleitung weitgehend übernehmen konnten, sofern der Sterbeprozess<br />
nicht akut einsetzte und der/die Bewohner/in schnell verstarb. Eine verbesserte<br />
Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten/innen hatte in diesem Zusammenhang<br />
auch zur Folge, dass Krankenhausaufenthalte vermieden werden konnten,<br />
sofern sie nicht unbedingt notwendig waren. Aus Sicht der Modellbeauftragten hatte<br />
darüber hinaus eine verbesserte Einbindung von Angehörigen und freiwilligen Helfern/innen<br />
eine Entlastung der Mitarbeiter/innen zur Folge. Bei vergleichsweise<br />
guten Ausgangsvoraussetzungen konnte der Qualitätsmaßstab in der Mehrheit der<br />
Einrichtungen vollständig umgesetzt werden; nur vereinzelt befanden sich Anforderungen<br />
<strong>zum</strong> Abschluss der Projektlaufzeit noch in der Bearbeitung.<br />
Der Qualitätsmaßstab zur Kooperation mit niedergelassenen<br />
Ärzten/innen wurde im Vergleich zu den anderen Bausteinen ebenfalls später eingeführt.<br />
Von den befragten Mitarbeitern/innen registrierten etwas weniger als ein<br />
Drittel bereits Verbesserungen bezüglich der Kooperation mit Ärzten/innen. Den<br />
Angaben der Modellbeauftragten zufolge nahmen die Mitarbeiter/innen noch keine<br />
gravierenden Veränderungen wahr, da sie bei fehlender Einhaltung von Absprachen<br />
(z.B. Arztbesuche, die während der Morgen- oder Abendpflege bzw. Übergaben<br />
stattfanden) die Leidtragenden waren. Die Mehrheit der Mitarbeiter/innen sah keine<br />
größeren Probleme bei der weiteren Umsetzung der Anforderungen zur Zusammenarbeit<br />
mit niedergelassenen Ärzten/innen, sofern die Kooperationsbereitschaft der<br />
Ärzte/innen vorhanden sein würde. Die Leitungskräfte stellten während der Erprobung<br />
des Qualitätsmaßstabs eine leichte Verbesserung der Zusammenarbeit mit den<br />
Ärzten/innen fest, wobei die Kooperation mit den Fachärzten/innen tendenziell besser<br />
beurteilt wurde als mit den Hausärzten/innen. Zum Abschluss der Projektlaufzeit<br />
wurden im Vergleich zu den anderen Konzeptbausteinen am wenigsten Anforderungen<br />
umgesetzt. Dies mag <strong>zum</strong> einen darauf zurückzuführen sein, dass dieser Qualitätsmaßstab<br />
später eingeführt wurde und <strong>zum</strong> anderen darauf, dass die Terminabsprachen<br />
mit den Ärzten/innen besonders aufwändig bzw. schwierig waren.<br />
Der Qualitätsmaßstab zu Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten<br />
wurde, laut Angaben der Modellbeauftragten, zunächst weder besonders<br />
positiv noch negativ bewertet. Während der Erprobung beurteilten die Leitungskräfte<br />
und die Mitarbeiter/innen die Kooperation mit den Krankenhäusern zunehmend<br />
besser. Etwas weniger als die Hälfte der befragten Mitarbeiter/innen stellte am<br />
Projektende eine Verbesserung der Verfahren zur Krankenhausüberleitung fest. Die<br />
stärkere Einbindung von Angehörigen wurde als Entlastung erlebt, die mangelnde<br />
Auskunftsbereitschaft einiger Krankenhäuser dagegen als problematisch. Nach der<br />
Entlassung aus dem Krankenhaus wurden die Bewohner/innen häufig intensiver<br />
begleitet als früher und auch die Pflegeplanung konnte häufiger zeitnah angepasst<br />
werden. Detaillierte Rückmeldungen erfolgten mittels 76 narrativen Interviews mit<br />
Mitarbeitern/innen: Diese berichten, dass zwar die Zuständigkeiten <strong>für</strong> die Verfahren<br />
geklärt seien, jedoch insbesondere bei Notfällen immer wieder Abweichungen<br />
notwendig würden. Auch sei die Vorbereitungszeit bei den meisten Krankenhauseinweisungen<br />
knapp, wobei die erstellten Checklisten hilfreich waren. Es habe positive<br />
Rückmeldungen aus den Krankenhäusern gegeben, da die Überleitungsbögen besser<br />
ausgefüllt gewesen seien. Annähernd alle Anforderungen konnten von den meisten<br />
Einrichtungen umgesetzt werden bzw. fanden sich <strong>zum</strong> Abschluss der Projektlaufzeit<br />
in der Bearbeitung. Auch hier zeigt sich, dass die Umsetzungsfortschritte in den einzelnen<br />
Einrichtungen unterschiedlich waren.<br />
229
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
230 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
Wie bereits eingangs beschrieben, war es ein wichtiges Ziel des Projektes fachliche<br />
Anforderungen zu entwickeln, die auch in der Pflegepraxis anschlussfähig sind.<br />
Daher galt dem Projekt eine weitere zentrale Forschungsfrage:<br />
Wie ist die praktische Anschlussfähigkeit der Konzeptbausteine zu<br />
bewerten?<br />
Einerseits war das Projektdesign so angelegt, dass Wissenschaft, Organisationsberatung<br />
und die Modellbeauftragten der Einrichtungen gemeinsam gearbeitet<br />
haben. Diese Vorgehensweise hat grundsätzlich die Anschlussfähigkeit befördert.<br />
Die Evaluationsergebnisse haben darüber hinaus gezeigt, unter welchen Voraussetzungen<br />
die Anschlussfähigkeit gegeben ist: diese besteht vor allem dann, wenn eine<br />
etablierte Kommunikationsstruktur und -kultur vorhanden ist, wenn Zuständigkeiten<br />
und Controlling-Systeme geklärt sind, wenn Mitarbeitermotivation und -beteiligung<br />
vorhanden sind und die Leitungskräfte sowie der Träger maßgeblich an dem Projektmanagement<br />
mitwirken. Während des Projektes stand den Einrichtungen nicht nur<br />
eine refinanzierte Stelle <strong>für</strong> die Modellbeauftragten, sondern auch ein/e Organisationsberater/in<br />
zur Verfügung. Diese Ausstattung wird Einrichtungen, die den Anforderungen<br />
der Konzeptbausteine insgesamt folgen wollen, nicht zur Verfügung stehen.<br />
Umso wichtiger ist es mit Blick auf die Anschlussfähigkeit, dass Träger von Einrichtungen,<br />
Leitungskräfte und Qualitätsmanagementbeauftragte bei einem solchen Vorhaben<br />
Einigkeit erzielen und maßgeblich unterstützend mitwirken.<br />
Die Installation eines Projektmanagements ist dabei von besonderer Bedeutung 67 .<br />
Auch die Einführung der Konzeptbausteine parallel in mehreren Einrichtungen einer<br />
Region wäre von großem Vorteil, denn so ließen sich Arbeitsgruppen einrichten, die<br />
ähnlich der Regionalgruppen im Projekt gemeinsam arbeiten, sich austauschen und<br />
wechselseitige Unterstützung bieten können. Die Projektlaufzeit von ca. zwei Jahren<br />
<strong>für</strong> die Entwicklung und Erprobung der Konzepte war kurz. Nachfolgende Einrichtungen<br />
dürften deutlich mehr Zeit einplanen, hätten allerdings auch den Vorteil, die Reihenfolge,<br />
die Geschwindigkeit und Einführung der Konzeptbausteine selbst bestimmen<br />
zu können.<br />
Die Evaluationsergebnisse haben gezeigt, welche Voraussetzungen förderlich sind<br />
bzw. geschaffen werden müssen, wenn Einrichtungen beabsichtigen, die Konzeptbausteine<br />
einzuführen. Zeitdruck und Personalmangel sind seit langem zentrale Themen<br />
in der Diskussion um die Qualitätsentwicklung in der vollstationären Altenpflege.<br />
Auch in den Einrichtungen, die sich an der Erprobung beteiligt waren, herrschten<br />
Zeitdruck und personelle Engpässe vor. Die Modellbeauftragten und die Mitarbeiter/innen<br />
haben projektbedingte zusätzliche Belastungen auf sich genommen. Die<br />
abschließende Mitarbeiterbefragung hat jedoch gezeigt, dass sich die Bewertung<br />
der Arbeitsbedingungen und -belastungen trotz der Teilnahme an dem Projekt nicht<br />
verschlechtert hat. Diese Ergebnisse waren nicht erwartungsgemäß, denn die Zusatzbelastungen<br />
hätten eher ein schlechteres Ergebnis erwarten lassen. Die Unterschiedlichkeit<br />
der Referenzeinrichtungen bezogen auf zahlreiche Aspekte wie Größe,<br />
Bewohner- und Mitarbeiterstruktur, formaler Stand des Qualitätsmanagements etc.<br />
hat keinen nennenswerten Einfluss auf die Umsetzung der Anforderungen im Vergleich<br />
der Einrichtungen gehabt. Eine Korrelation zwischen strukturellen Rahmenbedingungen<br />
der Einrichtungen und einer erfolgreichen Umsetzung lässt sich, wie oben<br />
bereits beschrieben, nicht nachweisen. Vielmehr hängt es weitgehend von den o.g.<br />
Voraussetzungen wie der Mitarbeitermotivation, einer etablierten Kommunikationsstruktur<br />
und -kultur und einem „gelebten“ Qualitätsmanagement ab, wie erfolgreich<br />
die Einrichtungen bei der Umsetzung waren.<br />
67 Vgl. hierzu ausführlich MAGS (Hrsg.) (2007): „<strong>Referenzmodell</strong>e …“. Teil B
Angesichts der Evaluationsergebnisse zu den einzelnen Konzeptbausteinen hat sich<br />
gezeigt, dass die Anforderungen praxistauglich umgesetzt werden können. Lediglich<br />
die Stellvertretungsregelung <strong>für</strong> eine längerfristige Abwesenheit der Zuständigen Pflegefachkräfte<br />
bereitete allen Einrichtungen mehr oder weniger große Probleme.<br />
Trends zu mehr Teilzeitbeschäftigung sowie ein hoher Anteil von Pflegehilfskräften<br />
lagen nicht nur in den Referenzeinrichtungen vor, sondern lassen sich in der Landschaft<br />
der stationären Pflegeeinrichtungen insgesamt ausmachen. Dennoch hat die<br />
Erprobung gezeigt, dass Einrichtungen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und<br />
damit auch mit unterschiedlicher personeller Ausstattung die Umsetzung der fachlichen<br />
Anforderungen bewältigt haben, wobei eine deutliche Qualitätsentwicklung<br />
erreicht wurde. Einige Einrichtungen mit vergleichsweise ungünstigen Voraussetzungen<br />
haben sogar sehr deutliche Fortschritte machen können und den Stand der Qualitätsentwicklung<br />
in anderen Einrichtungen überholt.<br />
Eine letzte zentrale Forschungsfrage bezieht sich auf die Versorgung und Betreuung<br />
der Bewohner/innen:<br />
Welche Auswirkungen konnten durch die Interventionen auf die<br />
Pflege- und Lebensqualität der Bewohner/innen festgestellt werden?<br />
Ein zentrales Ziel des Forschungsprojektes bestand darin, eine Verbesserung der Versorgung<br />
der Bewohner/innen zu erreichen. Es sei vorweggenommen, dass die<br />
Ergebnisqualität nicht im Sinne teilnehmender Beobachtung und Begutachtung<br />
geprüft werden konnte, dennoch lassen sich angesichts der schriftlichen und mündlichen<br />
Befragungen der Bewohner/innen und Mitarbeiter/innen sowie der Leistungserfassungen<br />
während der Projektlaufzeit <strong>zum</strong>indest Tendenzen aufzeigen, die Verbesserungen<br />
der Pflege- und Lebensqualität andeuten.<br />
Eine verbesserte Betreuung von demenzkranken bzw. kognitiv beeinträchtigten<br />
Bewohnern/innen konnte dahingehend erzielt werden, dass psychosoziale Leistungen<br />
gerechter auf die Bewohnergruppen mit unterschiedlichen Einschränkungsgraden<br />
verteilt wurden. Außerdem lassen sich eine stärkere Mobilisierung der<br />
Bewohner/innen sowie eine Ausweitung von Freizeitangeboten bzw. Angeboten im<br />
Bereich der psychosozialen Betreuung und eine tendenziell vermehrte Ressourcenorientierung<br />
erkennen. Diese zeigt sich auch dahingehend, dass sich manche Bewohner/innen<br />
über die geringere Übernahme von Hilfeleistungen beschwerten. Dies<br />
wurde nicht als Ressourcenförderung wahrgenommen, sondern als mangelnde Hilfeleistung<br />
seitens der Pflegekräfte. Diese Reaktionen zeigen, dass sich Veränderungen<br />
von Hilfeformen seitens der Pflegekräfte, die aus fachlicher Sicht wünschenswert<br />
sind, durch einige Bewohner/innen als eine mangelnde Unterstützung erlebt werden.<br />
Diese Bewertung einiger Bewohner/innen dürfte auch darin begründet liegen, dass<br />
sich diese Veränderungen noch nicht langfristig in der Pflegepraxis durchgesetzt<br />
haben. Wichtig ist es daher, den Zweck der Ressourcenförderung entsprechend zu<br />
vermitteln, um Missverständnissen vorzubeugen.<br />
Eine stärkere Biografieorientierung hat laut Angaben der meisten Modellbeauftragten<br />
zu einer individuelleren Planung von Maßnahmen und einer stärkeren Berücksichtigung<br />
von Aktivitäten und Gewohnheiten geführt. Die Einrichtungen haben zunehmend<br />
Biografiebögen eingeführt und auch biografische Informationen in den Pflegedokumentationen<br />
berücksichtigt. Die Befragungsergebnisse haben aber auch<br />
gezeigt, wie bedeutsam ein sensibler Umgang bei der Erfassung und Nutzung biografischer<br />
Informationen ist, da Bewohner/innen sich nicht nur über ein gesteigertes<br />
Interessen an ihrer Person freuen, sondern es auch Bedenken und Zurückhaltung<br />
(„der gläserne Bewohner“) gibt, die akzeptiert werden wollen. Insgesamt jedoch ist<br />
die biografische Arbeit während des Projektzeitraums vorangeschritten, wobei das<br />
Fortschreiben von biografischen Informationen auch nach dem Heimeinzug in der<br />
Hälfte der Einrichtungen <strong>für</strong> alle, in den meisten übrigen Einrichtungen <strong>zum</strong>indest <strong>für</strong><br />
einen Teil der Bewohner/innen erfolgen konnte. Um eine angemessene Gesprächs-<br />
231
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
232 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
führung mit den Bewohnern/innen gewährleisten zu können, bedarf es einer entsprechenden<br />
Qualifizierung der zuständigen Pflegekräfte. Dieser Bedarf wurde angesichts<br />
der Überforderungen einiger Mitarbeiter/innen sehr deutlich.<br />
In der Tendenz haben die Anforderungen an die Zuständigen Pflegefachkräfte durch<br />
deren Steuerungsfunktion in der Pflegeprozess- und Versorgungskoordination zu<br />
einer verbesserten Planung der Pflege und Kontinuität des Pflegeprozesses geführt.<br />
Dies hat sich beispielsweise in den zugeteilten Zuständigkeiten der Fachkräfte <strong>für</strong><br />
bestimmte Bewohnergruppen gezeigt und sich darüber hinaus positiv auf die Versorgung<br />
im Rahmen von Krankenhausaufenthalten oder durch niedergelassene<br />
Ärzte/innen ausgewirkt. Darüber hinaus konnten in einigen Einrichtungen vermehrt<br />
Angehörige und freiwillige Helfer/innen in die Betreuung eingebunden werden.<br />
Deren verstärktes Engagement stellte nicht nur eine Entlastung <strong>für</strong> einige<br />
Mitarbeiter/innen dar, sondern kam auch der Versorgung der Bewohner/innen<br />
zugute. Dies hat sich bei der Entwicklung von Angeboten <strong>für</strong> die Bewohner/innen<br />
aber auch im Rahmen der Sterbebegleitung gezeigt.<br />
Neben einer vermehrten Mobilisierung, Ressourcenförderung und Biografieorientierung<br />
wurden auch zusätzliche Angebote entwickelt, die u.a. der Förderung von Sozialkontakten<br />
dienen (z.B. Grillnachmittag, Kaffeetrinken, hauseigene Caféteria). Bei<br />
der Überprüfung der Angebote und deren Erprobung wurde insbesondere darauf<br />
geachtet, dass auch immobile und demenzkranken Bewohner/innen eingebunden<br />
wurden. Darüber hinaus hat es einige Verbesserungen in Bezug auf die Freizeitangebote<br />
in den Abend- und Nachtstunden gegeben, dabei handelte es sich überwiegend<br />
um häufigere Film- und Fernsehabende, „Klönabende“ oder Stammtischveranstaltungen,<br />
die gut von den Bewohnern/innen angenommen wurden. Dennoch<br />
wünschten sich einige Bewohner/innen mehr Kontakte und eine stärker familiär<br />
geprägte Atmosphäre.<br />
Angesichts der Evaluationsergebnisse, die trotz der zahlreichen Anforderungen und<br />
der vergleichsweise kurzen Projektlaufzeit insgesamt als ausgesprochen positiv<br />
bewertet werden können, stellt sich die Frage danach, welche Voraussetzungen künftig<br />
in stationären Einrichtungen zu schaffen sein werden, um die Qualitätsentwicklung<br />
im Sinne der Konzeptbausteine zu befördern:<br />
Welche Schlussfolgerungen ergeben sich im Hinblick auf die zukünftige<br />
Ausgestaltung der Versorgungsstrukturen in stationären Einrichtungen?<br />
Diese Frage sollte mit Blick auf die oben genannten notwendigen Voraussetzungen,<br />
die <strong>für</strong> die weitere Qualitätsentwicklung in stationären Einrichtungen erforderlich<br />
erscheinen und auf den Ergebnissen des gesamten Projektes basieren, zu einem<br />
großen Teil beantwortet sein. Dennoch ist die stationäre pflegerische Versorgung älterer<br />
und pflegebedürftiger Menschen in einen gesamtgesellschaftlichen und politischen<br />
Kontext eingebunden, so dass sie nicht losgelöst davon betrachtet werden<br />
kann. Daher zeigt der folgende Ausblick die Anforderungen an die im Kontext verbundenen<br />
Arbeitsfelder und Institution auf.
4. Ausblick<br />
Angesichts der demografischen Veränderungen und der Morbiditätsentwicklung im<br />
Alter wird auch die stationäre pflegerische Versorgung zunehmend an Bedeutung<br />
gewinnen. Die Pflegeversicherung hat als ein Versicherungszweig in den vergangenen<br />
Jahren eine finanzielle Grundlage geboten und steht vor einer Reform, an die<br />
die Hoffnung geknüpft ist, bestehende Mängel wie z.B. die unzureichende Berücksichtigung<br />
von Leistungen <strong>für</strong> demenzkranke Menschen, zu beheben. Die zu erwartenden<br />
Verbesserungen sollen bei den pflegebedürftigen Menschen ankommen. Stationäre<br />
Pflegeeinrichtungen sind daher gefordert, bestehende Defizite und Mängel<br />
auszuräumen und sich bei der Qualitätsentwicklung an fachlichen Vorgaben zu orientieren.<br />
Die Träger von stationären Pflegeeinrichtungen stehen in der Verantwortung,<br />
gemeinsam mit ihren Einrichtungen die Weiterentwicklung der pflegerischen<br />
Versorgung zu übernehmen.<br />
Ein zentrales Ziel bei der Weiterentwicklung der Qualität in stationären Pflegeeinrichtungen<br />
ist die Sicherung der Lebensqualität älterer pflegebedürftiger Menschen, die<br />
in der Regel ihren letzten Lebensabschnitt in der Einrichtung verbringen. Die Konzeptbausteine<br />
und Hinweise zu ihrer Anwendung 68 geben Trägern und stationären Pflegeinrichtungen<br />
eine wichtige Hilfestellung und weisen das anzustrebende Qualitätsniveau<br />
pflegerischer Versorgung aus. Die vorhandenen Rahmenkonzepte wurden von<br />
Wissenschaft und Praxis gemeinsam weiterentwickelt und in 20 Referenz-einrichtungen<br />
erprobt. Sie sind daher anschlussfähig <strong>für</strong> andere Einrichtungen, die sich auf den<br />
Weg machen, um die eigene Qualitätsentwicklung und -sicherung voranzutreiben.<br />
Auch die Referenzeinrichtungen haben im Rahmen des Modellprojektes mit unterschiedlichen<br />
Voraussetzungen die Umsetzung begonnen, so dass eine Übernahme<br />
der Konzeptbausteine <strong>für</strong> Einrichtungen unterschiedlicher Größe und Trägerschaft<br />
sowie mit unterschiedlichem Stand des Qualitätsmanagements möglich ist. Nicht<br />
zuletzt verhilft die Weiterentwicklung der Qualität den Pflegeeinrichtungen zu mehr<br />
gesellschaftlicher Anerkennung der Altenpflege und zur Etablierung auf dem zunehmend<br />
umkämpften Markt pflegerischer Dienstleistungen. Dabei sollen die Bewohnerwünsche<br />
und die Einbindung ihrer Angehörigen im Mittelpunkt der Bemühungen stehen.<br />
Darüber hinaus bieten die Konzeptbausteine Transparenz <strong>für</strong> alle Beteiligten. Nicht<br />
zuletzt liefern die Projektergebnisse eine Basis <strong>für</strong> die Abstimmung mit externen Prüfinstanzen<br />
wie dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) und der<br />
Heimaufsicht sowie <strong>für</strong> andere an der pflegerischen Versorgung beteiligten Institutionen.<br />
Die Leistungsbeschreibungen, die Entwicklung von Angeboten <strong>für</strong> die psychosoziale<br />
Betreuung sowie die Anforderungen an die Arbeitsprozesse bezüglich des Heimeinzugs,<br />
der Angehörigenarbeit, der nächtlichen Versorgung, der Sterbebegleitung,<br />
der Zusammenarbeit mit Ärzten/innen und Krankenhäusern ermöglichen die<br />
Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgung in vollstationären Pflegeeinrichtungen<br />
und bieten gleichermaßen die Möglichkeit, eine Vergleichbarkeit des Leistungsspektrums<br />
herzustellen. Darüber hinaus liefern die Anforderungen konkrete Anhaltspunkte<br />
<strong>für</strong> die Gestaltung der internen Kooperation von Mitarbeitern/innen verschiedener<br />
Berufsgruppen und in den unterschiedlichen Funktionen in einer Einrichtung<br />
sowie <strong>für</strong> ein verbessertes Schnittstellenmanagement mit externen Institutionen.<br />
Bei der Bearbeitung und Veränderung von Strukturen und Prozessen in der Einrichtung<br />
ist die Einbindung der Belegschaft wichtig, denn sie verhilft zur Identifikation mit<br />
der Einrichtung und den Konzepten und das wiederum stärkt die Arbeitsmotivation.<br />
Nicht zuletzt können Arbeitsbelastungen durch Transparenz und die Verbindlichkeit<br />
68 Vgl. MAGS (Hrsg.) (2007): „<strong>Referenzmodell</strong>e – Qualitätsverbesserung in der vollstationären Pflege<br />
233
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
234 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
von Regelungen reduziert werden. Durch geregelte Zuständigkeiten können eine verbesserte<br />
Beziehung zu Bewohnern/innen und eine Entlastung der Mitarbeiter/innen<br />
erfolgen. Weitere Entlastungspotentiale bieten die qualifikationsorientierte Arbeitsteilung<br />
und eine verbesserte Pflegedokumentationsform sowie geklärte Arbeitsschritte<br />
bei konkreten Prozessen (z.B. Überleitung in ein Krankenhaus), die darüber hinaus<br />
einen Beitrag zur Entbürokratisierung leisten können. Hier stehen die Einrichtungen<br />
in Zukunft vor der Herausforderung, eine Aufgabenteilung zwischen den verschiedenen<br />
Berufsgruppen und Arbeitsbereichen herzustellen.<br />
Die Pflegeprozesssteuerung und die Koordination der da<strong>für</strong> notwendigen Arbeitsprozesse<br />
sind Aufgaben von Pflegefachkräften. Die Umsetzung der Rahmenkonzepte<br />
wird zukünftig die Anforderungen an Leitungskräfte und die Zuständigen Pflegefachkräfte<br />
in vielerlei Hinsicht erhöhen. Während Heim-, Pflegedienst- und Wohnbereichsleitungen<br />
sowie Qualitätsbeauftragte maßgeblich <strong>für</strong> die Einführung und Kontrolle<br />
verbesserter Arbeitsabläufe zuständig sind, werden Zuständige Pflegefachkräfte<br />
zunehmend stärker die Steuerungsverantwortung <strong>für</strong> den Pflegeprozess der Bewohner/innen<br />
übernehmen und die Arbeitsteilung mit anderen Berufsgruppen und externen<br />
Beteiligten koordinieren.<br />
Die vorliegenden Rahmenkonzepte und Hinweise zu ihrer Umsetzung 69 ermöglichen<br />
eine Qualitätsentwicklung auf einem fachlich notwendigen und <strong>für</strong> alle Beteiligten<br />
transparenten Niveau. Die Erfahrungen der 20 Referenzeinrichtungen haben<br />
gezeigt, dass die Umsetzung der fachlichen Anforderungen an die Qualitätsentwicklung<br />
mit vorhandenen personellen Ressourcen gelingen kann, wobei eine entsprechende<br />
Qualifizierung wichtig ist. Ein gutes Qualitätsmanagement durch die Leitungskräfte<br />
und eine ausreichende Unterstützung durch z.B. Qualitätsbeauftragte<br />
sollte diesen Prozess maßgeblich unterstützen.<br />
Die weitere Qualitätsentwicklung wirkt sich somit auf zukünftige Qualifikationsanforderungen<br />
und die Personalentwicklung aus: Leitungskräfte sind gefordert, die Umsetzung<br />
mit den Einrichtungsträgern und internen Beteiligungsorganen sowie externen<br />
Prüfstellen zu koordinieren. Ein verbindlicher Umgang mit den Regelungen und eine<br />
veränderte Arbeitsorganisation sind nur dann möglich, wenn Leitungskräfte notwendige<br />
Projektstrukturen etablieren und die Einrichtung im Sinne einer lernenden Organisation<br />
führen. Darüber hinaus gilt es, entsprechende Controlling-Systeme in der Einrichtung<br />
unter Beteiligung der Belegschaft aufzubauen. Die Bewältigung von Anforderungen<br />
an die Pflegefachkräfte sind durch interne und externe Schulungen sicher<br />
zustellen. Die Förderung von Kompetenzen, die nicht nur die fachlichen Kompetenzen,<br />
sondern insbesondere methodische, sozial-kommunikative und personale Kompetenzen<br />
in den Vordergrund rückt, ist dabei von besonderer Bedeutung. Nicht<br />
zuletzt gilt es, im Rahmen der Personalentwicklung die richtige Auswahl der Mitarbeiter/innen<br />
zu treffen und diese im Sinne eines lebenslangen Lernens weiter zu<br />
qualifizieren. Auch die Fort- und Weiterbildung z.B. in den Bereichen Gerontopsychiatrie,<br />
Angehörigenarbeit, Gesprächsführung, Pflegeplanung und Pflegedokumentation,<br />
Schnittstellenmanagement, Sterbebegleitung bzw. Palliativpflege und Zeitmanagement<br />
werden weiter an Bedeutung gewinnen. Des Weiteren wurde deutlich,<br />
dass die Einrichtungen bereits im Vorfeld, nämlich bei der Mitarbeiterauswahl, entscheidende<br />
Weichen stellen können und zukünftig müssen. So ist bei Neueinstellung<br />
u.a. gründlicher auf die Fähigkeit der Bewerber/innen zur Übernahme von Verantwortung<br />
und auf Steuerungskompetenzen zu achten, wie sie der Funktion der Zuständigen<br />
Pflegefachkräfte entsprechen.<br />
69 Vgl. MAGS (Hrsg.) (2007): „<strong>Referenzmodell</strong>e …“, Teile A und B.
Eine abschließende Betrachtung der Evaluationsergebnisse zeigt, dass strukturelle<br />
Merkmale der Einrichtung nicht direkt mit der Qualitätsentwicklung einer Einrichtung<br />
in Verbindung stehen. Vielmehr lassen sich die genannten Merkmale auf der qualitativen<br />
Ebene herausstellen, die einer Qualitätsentwicklung förderlich sind.<br />
Eine kritische Auseinandersetzung mit den Leistungsbeschreibungen und ihrer<br />
Anwendung hat bereits vor der eigentlichen Erprobung in einigen Einrichtungen zu<br />
der Erkenntnis geführt, dass einige Bewohner/innen aus unterschiedlichen Gründen<br />
von bestimmten – insbesondere psychosozialen – Angeboten ausgegrenzt werden.<br />
Im Hinblick auf die Bewohner/innen soll künftig die Verteilungsgerechtigkeit des Leistungsgeschehens<br />
noch deutlich stärker berücksichtigt werden. Bereits 2002 haben<br />
Wingenfeld und Schnabel 70 darauf hingewiesen. Bestimmte Leistungen sind <strong>für</strong> einige<br />
Bewohnergruppen schwer zugänglich. Immobile und kognitiv eingeschränkte Bewohner/innen<br />
sollten häufiger an Freizeitangeboten teilnehmen. Mobilisierende, ressourcenfördernde<br />
und biografieorientierte Maßnahmen sollen <strong>für</strong> alle erreichbar sein, die<br />
diese Maßnahmen benötigen und wünschen. Demzufolge sollte das Leistungsgeschehen<br />
in stationären Einrichtungen von diesen selbstkritisch geprüft und<br />
ggf. angepasst werden.<br />
Darüber hinaus wird es nicht ausreichen, dass stationäre Pflegeeinrichtungen die<br />
Qualitätsentwicklung mit Hilfe des <strong>Referenzkonzept</strong>es betreiben. In der weiteren<br />
fachlichen Diskussion ist es notwendig, auch die unterschiedlichen Optionen zu diskutieren,<br />
die zu veränderten Rahmenbedingungen beitragen. Die zukünftige Debatte<br />
sollte sich insbesondere auf die Qualifikationsanforderungen im Bereich der pflegerischen<br />
Versorgung älterer Menschen konzentrieren. Dies betrifft Mitarbeiter/innen in<br />
unterschiedlichen Funktionen in Diensten und Einrichtungen (Hilfs- und Fachkräfte,<br />
Heim-, Wohnbereichs- und Pflegedienstleitungen, Sozialer Dienst etc.), aber auch<br />
verschiedene andere Berufsgruppen (z.B. Physio- und Ergotherapeuten). Eine weitere<br />
Auseinandersetzung mit der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Pflegefachkräften<br />
sowie mit den (Fach-)Hochschulstudiengängen in Bereichen Sozialarbeit, Sozialpädagogik,<br />
Pflegemanagement und -pädagogik sowie Medizin ist unbedingt dahingehend<br />
erforderlich, dass Grundlagen <strong>für</strong> die Qualitätsentwicklung in der stationären<br />
Pflege verstärkt Eingang finden. Daher ist es wünschenswert, dass die Rahmenkonzepte<br />
und die Hinweise zu ihrer Umsetzung bzw. die entsprechenden<br />
Grundlagen da<strong>für</strong> <strong>für</strong> zukünftige Berufsausbildungen, Studiengänge und entsprechende<br />
Qualifizierungsmaßnahmen in Fort- und Weiterbildungsstätten diskutiert und<br />
dort eingebunden werden.<br />
Vor dem Hintergrund der Morbiditätsentwicklung im Alter wird auch die Diskussion<br />
hinsichtlich differenzierter Wohn- und Lebensformen weitergeführt werden müssen,<br />
nicht zuletzt, um neben der stationären pflegerischen Versorgung auch andere Wohnund<br />
Lebensformen weiter zu etablieren (z.B. Wohngemeinschaften, Betreutes Wohnen).<br />
In diesem Zusammenhang sollte die Diskussion über homogene Wohngruppen<br />
oder integrierte Konzepte (z.B. <strong>für</strong> demenzkranke Menschen) durchaus vor dem Hintergrund<br />
der Projektergebnisse weiterentwickelt werden.<br />
Weitere Überlegungen zur Zusammenarbeit von Pflegeeinrichtungen und niedergelassenen<br />
Ärzten/innen wären zukünftig gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen<br />
anzustellen. Auch die Diskussionen über eine zukünftige Bereitstellung von<br />
hausinternen Ärzten/innen in Pflegeeinrichtungen sollten weitergeführt werden. Weitere<br />
Kooperationsmöglichkeiten mit Krankenhäusern und anderen Einrichtungen des<br />
Gesundheitswesens (z.B. Apotheken, Therapeuten/innen, Rehabilitationseinrichtungen)<br />
sind zukünftig ebenfalls von zunehmender Bedeutung. Auch werden die Kommunen<br />
mehr denn je ihre Verantwortung <strong>für</strong> die Weiterentwicklung ihrer Konzepte <strong>für</strong><br />
Seniorinnen und Senioren in den Blick nehmen müssen. Dabei werden die unter-<br />
70 a.a.O.<br />
235
Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />
236 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
schiedlichen Bereiche der Stadtentwicklung wie Wohnen, Soziales, Bildung und Kultur,<br />
Gesundheitsförderung und pflegerische Versorgung etc. in ihrem Zusammenspiel<br />
an Bedeutung gewinnen. Die regionale Vernetzung von Angeboten, Diensten und<br />
Einrichtungen spielt dabei eine zentrale Rolle.<br />
Im Hinblick auf die Reform der Pflegeversicherung trifft das Projekt wesentliche<br />
Punkte im Kern, die in der Diskussion darüber angesprochen sind, wie z.B. die psychosoziale<br />
Betreuung, präventives und rehabilitatives Handeln, den Abbau von<br />
Schnittstellenproblemen etwa durch ein verbessertes Entlassungsmanagement oder<br />
Entbürokratisierungspotential durch eine verbesserte Pflegedokumentationsformen.<br />
Durch die Leistungsbeschreibungen, die auch psychische und soziale Problemlagen<br />
und entsprechende Maßnahmen beinhalten, ein biografieorientiertes Arbeiten, eine<br />
verstärkte Ressourcenförderung, präventiv und rehabilitativ orientiertes Handeln wird<br />
es möglich, einen umfassenden Pflegebegriff in der Praxis wirken zu lassen. Zudem<br />
setzen weitere Vorschläge zur Reform – wie etwa die Frage der Konkretisierung des<br />
Unterstützungsbedarfs von Menschen mit Demenz oder die weitere Stärkung des<br />
ehrenamtlichen Engagements – eine Transparenz des Leistungsgeschehens voraus,<br />
wie sie durch die hier vorliegenden Konzeptbausteine sicher gestellt wird. Für eine<br />
Weiterentwicklung der Regelungen zur Qualitätssicherung im Rahmen des SGB XI bilden<br />
die genannten Aspekte daher eine unabdingbare Voraussetzung.
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Untersuchung im Auftrag des Landespflegeausschusses Nordrhein-Westfalen. Duisburg, WAZ-Druck.<br />
237
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit,<br />
Gesundheit und Soziales des<br />
Landes Nordrhein-Westfalen<br />
40190 Düsseldorf<br />
Internet: www.mags.nrw.de<br />
e-mail: info@mail.mags.nrw.de<br />
Inhaltliche Bearbeitung:<br />
K. Wingenfeld (IPW)<br />
D. Heitmann (IPW)<br />
U. Korte-Pötters (IPW)<br />
Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit<br />
der Landesregierung Nordrhein-<br />
Westfalen herausgegeben. Sie darf weder von<br />
Parteien noch von Wahlwerberinnen und -werbern<br />
oder Wahlhelferinnen und -helfern<br />
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Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt <strong>für</strong><br />
Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen<br />
sowie auch <strong>für</strong> die Wahl der Mitglieder des<br />
Europäischen Parlaments.<br />
238 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />
B. Rehling (ISS)<br />
unter Mitarbeit von<br />
H. Heinrich (ISS)<br />
M. Krohn (ISS)<br />
R. Bernards (ISS)<br />
A. Zacharias (ISS)<br />
M. Menke (FFG)<br />
U. Vogelwiesche (FFG)<br />
A. Kuhlmann (FFG)<br />
I. Kowalski (FFG)<br />
E. Schnabel (FFG)<br />
unter Mitarbeit von<br />
L. Oesterlen (FFG)<br />
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Düsseldorf, Dezember 2007<br />
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239
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