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Vom Referenzmodell zum Referenzkonzept - Ministerium für ...

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6<br />

<strong>Vom</strong> <strong>Referenzmodell</strong> <strong>zum</strong> <strong>Referenzkonzept</strong><br />

Abschlussberichte der beteiligten Institute<br />

2004–2006<br />

Gefördert von:<br />

Spitzenverbände<br />

der Pflegekassen


6<br />

<strong>Vom</strong> <strong>Referenzmodell</strong> <strong>zum</strong> <strong>Referenzkonzept</strong><br />

Abschlussberichte der beteiligten Institute<br />

2004–2006<br />

erstellt vom<br />

Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW)<br />

Verfasser/innen: Klaus Wingenfeld, Dieter Heitmann und Ursula Korte-Pötters<br />

Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt a. M. (ISS)<br />

Verfasser/innen: Brigitte Rehling<br />

unter Mitarbeit von Hildegard Heinrich, Manfred Krohn, René Bernards,<br />

Annegret Zacharias, Marion Menke<br />

Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund (FFG)<br />

Verfasser/innen: Marion Menke, Uta Vogelwiesche, Andrea Kuhlmann, Ingo Kowalski, Eckart Schnabel<br />

unter Mitarbeit von Lena Oesterlen


2 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6


Vorwort<br />

Der vorliegende sechste Band der Veröffentlichungsreihe des Projektes<br />

„<strong>Referenzmodell</strong>e zur Förderung der qualitätsgesicherten Weiterentwicklung<br />

der vollstationären Pflege“ beschreibt den Weg vom<br />

Projekt <strong>zum</strong> Konzept. Das Konzept wurde im Band fünf vorgelegt.<br />

In dieser Veröffentlichung kann man erfahren, wie das Konzept entstanden<br />

ist, also etwas zu den Methoden und den Prozessen. Zur<br />

Herstellung einer größtmöglichen Transparenz haben wir die<br />

Abschlussberichte der mit der Projektdurchführung beauftragten<br />

Institute der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie zeigen auf, was<br />

die Akteure in den Jahren 2004 bis 2006 alles geleistet haben und<br />

lassen erahnen, wie viel persönliches Engagement sie in das Projekt<br />

eingebracht haben.<br />

Da<strong>für</strong> danke ich im Namen des Landespflegeausschusses den Leitungen<br />

und Mitarbeitenden in den Einrichtungen, insbesondere den<br />

Modellbeauftragten, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern<br />

des Instituts <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld und des Instituts<br />

<strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund sowie den Beraterinnen und Beratern<br />

des Instituts <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt a.M. Unser Dank gilt<br />

auch den Vertretern der Kostenträger, der Betroffenenvertretungen und der Leistungserbringer,<br />

die das Projekt beratend in den Gremien begleitet haben. Besonders<br />

danken wir auch dem Bundesministerium <strong>für</strong> Gesundheit, dem <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit,<br />

Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen sowie den Spitzenverbänden<br />

der Pflegekassen, dass sie mit Ihren bewilligten Mitteln, das Projekt überhaupt<br />

erst ermöglicht haben.<br />

Der Landespflegeausschuss wird das Anliegen des Projektes weiter begleiten und Sorge<br />

<strong>für</strong> die Umsetzung der Projektergebnisse tragen. Über die praktische Umsetzung hinaus<br />

wünsche ich mir, dass die Ergebnisse auch als Grundlage der Erforschung weiter<br />

Fragen der Pflegewissenschaft und der Versorgungsforschung genutzt werden.<br />

Pastor Günther Barenhoff<br />

Vorsitzender des Landespflegeausschusses<br />

3


4 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6


Einführung<br />

Der vorliegende Abschlussbericht <strong>zum</strong> Projekt „<strong>Referenzmodell</strong>e zur Förderung der<br />

qualitätsgesicherten Weiterentwicklung der vollstationären Pflege (2004–2006)“<br />

besteht aus mehreren Teilberichten. Dies beruht auf der Tatsache, dass an dem Forschungsprojekt<br />

drei unterschiedliche Institute mit verschiedenen Aufgabenschwerpunkten<br />

beteiligt waren. Das Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld<br />

(IPW) war <strong>für</strong> die Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung zuständig,<br />

das Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt a. M. (ISS) hat die<br />

Organisationsberatung in den 20 Referenzeinrichtung durchgeführt und das Institut<br />

<strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund (FfG) war <strong>für</strong> die Koordination des Projektes<br />

und die Evaluation verantwortlich. Daher liegt nun ein Bericht vor, der die Projektergebnisse<br />

vor dem Hintergrund der jeweiligen Arbeitsschwerpunkte der Institute<br />

darlegt.<br />

In einem ersten Teil werden Zusammenfassungen der Teilberichte dargelegt. In einem<br />

zweiten Teil erfolgt eine ausführliche Beschreibung der Teilergebnisse aus der jeweiligen<br />

Perspektive der beteiligten Institute. Der erste Teilbericht (FfG) beschreibt den<br />

Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens, wobei die Zielsetzungen des Projektes, die<br />

Beteiligten und ihre Aufgaben sowie der Zeitplan vorgestellt werden. Der zweite Teilbericht<br />

(IPW) beschreibt die Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung.<br />

Dieser beinhaltet das methodische Vorgehen bei der Konzeptentwicklung. Darüber<br />

hinaus werden Aufbau und Funktionen der konzeptionellen Kernelemente sowie die<br />

Vorgehensweise bei der Implementationsbegleitung dargelegt. Der dritte Teilbericht<br />

(ISS) beschreibt die Vorgehensweise der Organisationsberatung in den 20 Referenzeinrichtungen<br />

und die Ergebnisse, wobei insbesondere auf die Weiterentwicklung<br />

des Qualitätsmanagements, die Steuerung von Pflegeleistungen und die wichtigsten<br />

Hindernisse und Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung der Konzeptbausteine Bezug<br />

genommen wird. Der vierte Teilbericht (FfG) umfasst das methodische Vorgehen im<br />

Rahmen der Evaluation. Anschließend wird die Ausgangssituation in den Referenzeinrichtungen<br />

beschrieben und es erfolgt eine abschließende Bewertung der Evaluationsergebnisse.<br />

Im nachfolgenden Ausblick wird auf die zukünftigen Möglichkeiten<br />

der Weiterentwicklung der vollstationären Pflege vor dem Hintergrund der Projektergebnisse<br />

hingewiesen.<br />

5


6 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6


Inhalt<br />

Zusammenfassung der Abschlussberichte<br />

Seite<br />

Teilbericht 1:<br />

Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens (FFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11<br />

1. Zielsetzungen des Modellvorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14<br />

2. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15<br />

3. Zeitplan und Ablauf (2004–2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16<br />

Teilbericht 2:<br />

Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung (IPW) . . . . . . . . . . . . . . . .17<br />

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20<br />

2. Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20<br />

3. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21<br />

4. Ergebnisse der Entwicklungsarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22<br />

4.1 Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen<br />

in der vollstationären Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22<br />

4.2 Übergeordnete Qualitätsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22<br />

4.3 Optimierung des Pflegeprozesses und der Versorgungskoordination . . . . . . . . . .24<br />

5. Implementationsbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27<br />

6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28<br />

Teilbericht 3:<br />

Organisationsentwicklung (ISS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29<br />

1. Auftrag und Ziel der Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32<br />

1.1 Konzept und methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33<br />

1.2 Beratungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34<br />

2. Wichtige Entwicklungen und Verbesserungen in den Einrichtungen<br />

– Schwerpunkte der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35<br />

2.1 Entwicklungen im Zusammenhang mit der Zuständigen Pflegefachkraft . . . . . . . .35<br />

2.2 Entwicklungen im Zusammenhang mit den Leistungsbeschreibungen . . . . . . . . . .36<br />

2.3 Entwicklungen im Zusammenhang mit dem pflegerischen Assessment,<br />

der Biografieerfassung und den Empfehlungen zur Pflegeplanung . . . . . . . . . . .37<br />

2.4 Entwicklungen im Zusammenhang mit den Rahmenkonzepten<br />

zur Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38<br />

3. Zusammenfassung: Die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Umsetzungsprozess . . . . . . . . .43<br />

Teilbericht 4:<br />

Bewertung der Evaluationsergebnisse (FFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .45<br />

1. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48<br />

2. Ausgangssituation in den Referenzeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48<br />

3. Abschließende Bewertung der Evaluationsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50<br />

7


Inhalt<br />

Abschlussberichte<br />

8 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Seite<br />

Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens (FfG) . . . . . . . . . . . . . .55<br />

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58<br />

1. Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59<br />

2. Organisation des Modellvorhabens und Aufgaben der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . .60<br />

3. Zeitplan (2004–2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62<br />

Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung (IPW) . . . .65<br />

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68<br />

1. Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69<br />

2. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .70<br />

3. Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen in der vollstationären Pflege 72<br />

3.1 Problemhintergrund und Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .72<br />

3.2 Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .73<br />

3.3 Zum Charakter der Leistungsbeschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74<br />

3.4 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .75<br />

3.5 Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .77<br />

3.6 Zentrale Anforderungen an die Versorgungsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .79<br />

3.7 Abschließende Konzeptmodifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82<br />

4. Übergeordnete Qualitätsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84<br />

4.1 Zur Auswahl der Themenfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84<br />

4.2 Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .85<br />

4.3 Funktion und Charakter der Qualitätsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .86<br />

4.4 Qualitätsmaßstab „Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung“ . . . . . .88<br />

4.5 Qualitätsmaßstab „Zusammenarbeit mit Angehörigen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .91<br />

4.6 Qualitätsmaßstab „Nächtliche Versorgung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .94<br />

4.7 Qualitätsmaßstab: „Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen“ . . . . . . . . . . . . . . .98<br />

4.8 Qualitätsmaßstab „Kooperation mit niedergelassenen Ärzten“ . . . . . . . . . . . . .100<br />

4.9 Qualitätsmaßstab „Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten“ . . . . . .103<br />

5. Pflegeprozesssteuerung und Versorgungskoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .107<br />

5.1 Funktion und Aufgaben der „Zuständigen Pflegefachkraft“ (ZPFK) . . . . . . . . . . .107<br />

5.2 Kriterienkatalog „Pflegerisches Assessment“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .111<br />

5.3 Erfassung von Informationen zur Biografie und Lebenssituation . . . . . . . . . . . .114<br />

5.4 Verbesserte Dokumentationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .117<br />

6. Implementationsbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .121<br />

7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .123<br />

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126<br />

Teilbericht 3: Organisationsentwicklung (ISS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .131<br />

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136<br />

1. Konzept der Organisationsberatung und Vorgehensweisen in den Einrichtungen . . . .137<br />

1.1 Das Beraterteam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137<br />

1.2 Ziele der Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137<br />

1.3 Systemischer Ansatz der Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .138<br />

1.4 Methoden der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .139<br />

1.5 Schwerpunkte der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141


Seite<br />

2. Die Organisationsentwicklung in den Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .142<br />

2.1 Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation: Zielangemessenheit,<br />

Eindeutigkeit und Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .142<br />

2.2 Die „Zuständige Pflegefachkraft“ als Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Pflegeorganisation .143<br />

2.2.1 Vorhandene Probleme der Bezugspflegepraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .143<br />

2.2.2 Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation im Sinne der<br />

Zuständigen Pflegefachkraft – Beispielhafte Lösungswege . . . . . . . . . . .144<br />

2.2.3 Probleme im Umsetzungsprozess und wie sie bewältigt wurden . . . . . . .149<br />

2.2.4 Die Kooperation zwischen Pflege und Sozialem Dienst . . . . . . . . . . . . .150<br />

2.2.5 Strukturelle Hindernisse <strong>für</strong> Zusammenarbeit und die Umsetzung<br />

des <strong>Referenzkonzept</strong>es . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .150<br />

2.2.6 Lösungswege: Optimierte Vernetzung zwischen Pflege und Sozialem Dienst .153<br />

2.2.7 Dezentralisierung des Sozialen Dienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .153<br />

3. Qualitätsmanagement in der stationären Altenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .155<br />

3.1 Gute Pflege und einrichtungsinternes Qualitätsmanagement . . . . . . . . . . . . . . .156<br />

3.2 Leistungsbeschreibungen: das Leistungsprofil der stationären Altenpflege . . . . . .157<br />

3.2.1 Bestandsaufnahme zu den unmittelbar bewohnerbezogenen<br />

Leistungsbeschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .157<br />

3.2.2 Berufsbegleitende fachliche Qualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .159<br />

3.2.3 Bedarfsgerechte Unterstützung bei psychischen und sozialen Problemlagen .161<br />

3.2.4 Bedarfsgerechte Mobilitätserhaltung und -förderung . . . . . . . . . . . . . . .163<br />

3.2.5 Verinnerlichung von Leitorientierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .163<br />

3.3 Pflegerisches Assessment und Biografieerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .164<br />

3.3.1 Entwicklung von Instrumenten bzw. Formularen . . . . . . . . . . . . . . . . . .165<br />

3.3.2 Regelmäßige Aktualisierung des pflegerischen Assessments . . . . . . . . . .165<br />

3.3.3 Zugang zu relevanten Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .166<br />

3.3.4 Fachkompetenz <strong>für</strong> biografieorientierte Pflege und<br />

bedarfsangemessene psychosoziale Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . .166<br />

3.3.5 Schulungen der Mitarbeiter/innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168<br />

3.4 Pflegeplanung und Pflegedokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168<br />

3.4.1 Einführung verbesserter Planungs- und Dokumentationsformen . . . . . . . .169<br />

3.5 Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung in zentralen Arbeitsfeldern<br />

stationärer Pflegeeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .170<br />

3.5.1 Konzepterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .171<br />

3.5.2 Mitarbeiterbeteiligung und mögliche Vorgehensweisen . . . . . . . . . . . . .172<br />

3.5.3 Sinnvermittlung und Ergebnisrückkoppelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .172<br />

3.6 Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .173<br />

3.6.1 Internes Schnittstellenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .174<br />

3.6.2 Begleitung der Eingewöhnungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .174<br />

3.6.3 Das Integrationsgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .175<br />

3.7 Zusammenarbeit mit Angehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .175<br />

3.7.1 Konzepterstellung und Verbesserung von Verfahrensstandards . . . . . . . .176<br />

3.7.2 Entwicklung von Angeboten <strong>für</strong> Angehörige: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .176<br />

3.7.3 Möglichkeiten und Grenzen bei Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .177<br />

3.8 Nächtliche Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178<br />

3.8.1 Verbesserung von Arbeitsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178<br />

3.8.2 Änderung von Dienstzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .179<br />

3.8.3 Kooperation von Tag- und Nachtdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .179<br />

3.8.4 Entwicklung von Angeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .180<br />

9


Inhalt<br />

10 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Seite<br />

3.9 Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .181<br />

3.9.1 Kontinuierliche Begleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .182<br />

3.9.2 Zusammenarbeit mit Hospizdiensten und freiwilligen Helfern/innen . . . .182<br />

3.9.3 Absprachen mit Angehörigen und Ärzten/innen . . . . . . . . . . . . . . . . .182<br />

3.9.4 Schulungen der Mitarbeiter/innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .183<br />

3.10 Kooperation mit niedergelassenen Ärzten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .184<br />

3.10.1 Die Ausgangssituation und damit verbundene Problemlagen . . . . . . . . .185<br />

3.10.2 Kontaktaufnahme und Verhandlungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .186<br />

3.10.3 Kontaktaufnahme und Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .187<br />

3.10.4 Vorbereitung von Arztbesuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .187<br />

3.10.5 Gegenseitige Erreichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188<br />

3.11 Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188<br />

3.11.1 Die Ist-Analyse als Voraussetzung <strong>für</strong> Verbesserungen . . . . . . . . . . . . .189<br />

3.11.2 Ergebnisse der Bestandsaufnahme und damit verbundene Problemlagen 189<br />

3.11.3 Kontaktaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .191<br />

3.11.4 Problemlösungen im Kooperationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .191<br />

4. Steuerung der Pflegeleistung und Mitarbeiterführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .193<br />

4.1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .194<br />

4.2 Verantwortung der Leitungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195<br />

4.3 Regelmäßige und geregelte Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195<br />

4.3.1 Überprüfung der Steuerungsleistung der WBL . . . . . . . . . . . . . . . . . . .196<br />

4.3.2 Wohnbereichsbezogene Audits und Hospitationen . . . . . . . . . . . . . . . .197<br />

4.3.3 Hospitation in den Wohnbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .197<br />

5. Zusammenfassung: Die wichtigsten Hindernisse und Erfolgsfaktoren<br />

im Umsetzungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .200<br />

5.1 Zieleinverständnis zwischen Träger, Einrichtungs- und Pflegedienstleitung . . . . .200<br />

5.2 Zielangemessenheit, Eindeutigkeit und Transparenz der<br />

Aufbau- und Ablauforganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .202<br />

5.3 Verbindliches Qualitätsmanagement und kompetente Mitarbeiterführung . . . . . .203<br />

5.3.1 Personalentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .204<br />

5.4 Kompetenzen der Modellbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .204<br />

6. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .206<br />

Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse (FfG) . . . . . . . . . . . . . . . .207<br />

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .210<br />

1. Methodischen Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .210<br />

2. Ausgangssituation in den Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .213<br />

3. Abschließende Bewertung der Evaluationsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .217<br />

4. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .233<br />

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .237<br />

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .238


Zusammenfassung<br />

Teilbericht 1:<br />

Aufbau und Ablauf<br />

des Modellvorhabens<br />

Verfasser/innen:<br />

Marion Menke, Eckart Schnabel, Uta Vogelwiesche<br />

Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund (FFG)<br />

11


Zusammenfassung Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />

12 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6


Inhalt<br />

1. Zielsetzungen des Modellvorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14<br />

2. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15<br />

3. Zeitplan und Ablauf (2004–2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16<br />

13


Zusammenfassung Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />

1. Zielsetzungen des Modellvorhabens<br />

14 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Der Landespflegeausschuss hat im Januar 2002 beschlossen, aufbauend auf den<br />

Untersuchungsergebnissen der Studie „Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären<br />

Pflegeeinrichtungen“ (Wingenfeld & Schnabel, 2002), 1 eine weitere<br />

Verbesserung der Qualität der Pflege in den vollstationären Pflegeeinrichtungen<br />

anzustreben und dazu geeignete Maßnahmen zu fördern. Die damalige Studie hat<br />

erstmals auf einer breiten empirischen Basis verdeutlichen können, wie sich das<br />

gegenwärtige Leistungsgeschehen in der vollstationären Pflege darstellt und welche<br />

Defizite, aber auch welche Verbesserungsmöglichkeiten und Entwicklungspotenziale<br />

sich in der Pflege alter Menschen verorten lassen. Anknüpfend an diese Vorarbeiten<br />

wurde die Durchführung des hier vorgestellten Modellvorhabens beschlossen, dessen<br />

Vorbereitung im Frühjahr 2004 begonnen und das im Sommer 2006 abgeschlossen<br />

wurde. Mit dem Modellvorhaben sollten geeignete Voraussetzungen zur Verbesserung<br />

der Situation pflegebedürftiger Menschen in vollstationären Einrichtungen<br />

geschaffen werden. Die Zielsetzungen des Vorhabens sind nachfolgend aufgeführt:<br />

Primäres Ziel des Projektes war es, vollstationäre Pflegeeinrichtungen bei der<br />

Qualitätsentwicklung in der Pflege und der Weiterentwicklung qualitätsgesicherter<br />

Versorgungsformen zu unterstützen. Das im Rahmen des Modellvorhabens entwickelte<br />

Instrumentarium zur Verbesserung der Qualität sollte auf andere Einrichtungen<br />

übertragbar sein („Anschlussfähigkeit“) und allen an diesem Prozess Beteiligten<br />

eine Orientierungshilfe bei der Einführung pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse,<br />

der Weiterentwicklung der fachlichen Arbeit, der Optimierung von<br />

qualitätsgesicherten Arbeitsabläufen und der hierzu erforderlichen sachlichen und<br />

personellen Ausstattung bieten.<br />

Darüber hinaus sollte das Vorhaben einen Bezugsrahmen <strong>für</strong> den Abschluss von<br />

Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen erarbeiten.<br />

Es wurden außerdem Problemlösungen entwickelt, die auf eine Optimierung der<br />

Ablaufprozesse gerichtet sind und eine zügige sowie unbürokratische Umsetzung<br />

zulassen. Insoweit haben die Referenzeinrichtungen auch Beratung und Unterstützung<br />

zur Prüfung und ggf. Optimierung in den Bereichen Ablauforganisation, Personaleinsatz<br />

und Kooperation mit externen Personen bzw. Institutionen erhalten.<br />

Im Mittelpunkt des Vorhabens standen die Entwicklung, Implementierung und Evaluation<br />

von folgenden konzeptionellen Kernelementen:<br />

Pflegeprozesssteuerung und Versorgungskoordination („Zuständige Pflegefachkraft“);<br />

Anforderungen an das pflegerische Assessment und die Biografieerfassung;<br />

Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen <strong>für</strong> die pflegerische<br />

Versorgung in vollstationären Pflegeeinrichtungen;<br />

1 Wingenfeld, K. & Schnabel, E. (2002). Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Eine Untersuchung im<br />

Auftrag des Landespflegeausschusses. Duisburg: WAZ-Druck.


2. Beteiligte<br />

Rahmenkonzepte <strong>für</strong><br />

• den Heimeinzug,<br />

• die Angehörigenarbeit,<br />

• die nächtliche Versorgung,<br />

• die Sterbebegleitung,<br />

• die Kooperation mit niedergelassenen Ärzteninnen sowie<br />

• die Überleitung bei Krankenhausaufenthalten;<br />

Empfehlungen zur verbesserten Pflegeplanung und -dokumentation. 2<br />

Diese Konzeptbausteine des so genannten <strong>Referenzkonzept</strong>s wurden in 20 vollstationären<br />

Pflegeeinrichtungen (Referenzeinrichtungen) in Nordrhein-Westfalen erprobt.<br />

Das Vorhaben wurde von den Spitzenverbänden der Pflegekassen, dem Bundesministerium<br />

<strong>für</strong> Gesundheit (BMG) und dem <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) finanziert. Das Diakonische Werk Westfalen<br />

e.V. war Projektträger. Die Durchführung des komplexen Modellvorhabens<br />

erforderte das Zusammenwirken unterschiedlicher Personen bzw. Institutionen in verschiedenen<br />

Gremien sowie eine organisierte Kommunikationsstruktur, die die effiziente<br />

Zusammenarbeit aller Beteiligten ermöglichte. Im Projekt <strong>Referenzmodell</strong>e wirkten<br />

verschiedene Gremien bzw. Institute mit. Es handelt sich dabei um den Steuerungskreis,<br />

den Begleitausschuss, verschiedene Expertenrunden, die Projektsteuerung<br />

(FfG: Forschungsgesellschaft <strong>für</strong> Gerontologie e.V./Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der<br />

Universität Dortmund), die wissenschaftliche Begleitung (IPW: Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft<br />

an der Universität Bielefeld und FfG), die Organisationsberatung (ISS: Institut<br />

<strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt a. M.) und die Modellbeauftragten<br />

(MB) aus den 20 Referenzeinrichtungen.<br />

2 Vgl. <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, MAGS (Hrsg.) (2007). <strong>Referenzmodell</strong>e – Praxisleitfaden zur Qualitätsentwicklung<br />

in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Teil A. Düsseldorf.<br />

15


Zusammenfassung Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />

3. Zeitplan und Ablauf (2004 –2006)<br />

16 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die Auswahl der Referenzeinrichtungen war im Frühjahr 2004 abgeschlossen. Im Juli<br />

2004 fand das erste Zusammentreffen der Heimleitungen und Modellbeauftragten<br />

aus den Referenzeinrichtungen mit Vertretern/innen der beteiligten Institute statt, um<br />

die gemeinsame Arbeit aufzunehmen. In der ursprünglichen Projektplanung war die<br />

Projektlaufzeit von 24 Monaten in drei Phasen aufgeteilt:<br />

1. Vorbereitungsphase (ca. 6 Monate): Abstimmung der geplanten Maßnahmen,<br />

Schulungsmaßnahmen <strong>für</strong> die Modellbeauftragten und organisatorische Vorbereitungen<br />

in den Einrichtungen.<br />

2. Einführungsphase (ca. 6 Monate): Umsetzung der Maßnahmen, Anleitung des<br />

Einrichtungspersonals, ggf. organisatorische Anpassungen.<br />

3. Erprobungs- und Evaluationsphase (ca. 12 Monate): In dieser Phase sollte überprüft<br />

werden, ob sich die entwickelten Leistungsdefinitionen, Qualitätskriterien<br />

und übergeordnete Qualitätsmaßstäbe im Versorgungsalltag bewähren und inwieweit<br />

sie ggf. modifiziert werden müssen.<br />

Aufgrund der nacheinander zu entwickelnden Konzeptbausteine, die nicht alle<br />

während der ersten sechs Monate vorgelegt werden konnten, haben sich diese Phasen<br />

nicht als drei aufeinander folgende Phasen erwiesen, sondern sie verliefen<br />

schließlich <strong>für</strong> die einzelnen Konzeptbausteine parallel bzw. haben sich überschnitten.<br />

Nachdem die ersten Bausteine entwickelt worden waren, wurden sie in den Einrichtungen<br />

erprobt. Während einzelne Konzeptbausteine bereits erprobt wurden,<br />

konnten andere gerade erst eingeführt werden und wieder andere befanden sich<br />

noch in der Entwicklung. Die Entwicklung der Konzeptbausteine hat sich u.a. deshalb<br />

ausgedehnt, da eine inhaltliche Abstimmung zwischen wissenschaftlicher Begleitung<br />

und den Modellbeauftragten (in den Regionalgruppen) bzw. deren Einrichtungen<br />

erfolgt ist. Darüber hinaus musste der Steuerungskreis zustimmen und der Begleitausschuss<br />

bzw. Expertinnen und Experten waren in die Beratungen eingebunden.


Zusammenfassung<br />

Teilbericht 2:<br />

Konzeptentwicklung<br />

und Implementationsbegleitung<br />

Verfasser/innen:<br />

Klaus Wingenfeld, Dieter Heitmann und Ursula Korte-Pötters<br />

Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW)<br />

17


Zusammenfassung Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

18 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6


Inhalt<br />

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20<br />

2. Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20<br />

3. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21<br />

4. Ergebnisse der Entwicklungsarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22<br />

4.1 Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen<br />

in der vollstationären Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22<br />

4.2 Übergeordnete Qualitätsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22<br />

4.3 Optimierung des Pflegeprozesses und der Versorgungskoordination . . . . . . . . . .24<br />

5. Implementationsbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27<br />

6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28<br />

19


Zusammenfassung Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

1. Einleitung<br />

20 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Im Mittelpunkt des Modellprojekts <strong>Referenzmodell</strong>e zur Förderung der qualitätsgesicherten<br />

Weiterentwicklung der vollstationären Pflege (im Folgenden kurz: „<strong>Referenzmodell</strong>e“)<br />

stand die Entwicklung und Erprobung von transparenten, nachvollziehbaren<br />

und an die Praxis anschlussfähigen Konzepten zur Förderung der Lebens- und Versorgungsqualität.<br />

Die Konzeptentwicklung und fachliche Begleitung der Referenzeinrichtungen<br />

erfolgte durch das Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld<br />

(IPW). Der vorliegende zusammenfassende Abschlussbericht des IPW stellt das Vorgehen<br />

und die Ergebnisse der Konzeptentwicklung zusammenfassend dar. Die Konzepte<br />

selbst werden mit einer gesonderten Publikation der Öffentlichkeit vorgelegt 3 .<br />

2. Aufgabenstellung<br />

Das Modellvorhaben sollte Wege aufzeigen, wie ein nachhaltiger Prozess der Qualitätsentwicklung<br />

in vollstationären Pflegeeinrichtungen initiiert werden kann. Dementsprechend<br />

sollten die Konzepte den Pflegeeinrichtungen ein Instrumentarium zur<br />

Bewältigung aktueller Versorgungsanforderungen zur Verfügung stellen sowie eine<br />

Grundlage <strong>für</strong> den Abschluss von Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen (oder<br />

anderen Vereinbarungen) in Form einer Systematik von Leistungsbeschreibungen und<br />

Qualitätskriterien bereitstellen. Die Konzepte sollten so ausgestaltet sein, dass sie<br />

einerseits fachlichen Standards genügen, andererseits unproblematisch in den Versorgungsalltag<br />

integriert werden können, d. h. anschlussfähig sind, die gegebenen<br />

fachlichen Ressourcen in den Einrichtungen nicht überfordern und eine möglichst<br />

zügige und unbürokratische Umsetzung ermöglichen. Hiervon ausgehend wurden folgende<br />

Konzeptbausteine entwickelt:<br />

1. Eine Leistungssystematik („Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen<br />

in der vollstationären Pflege“), die das Profil des Leistungsangebotes, das<br />

heute in den Pflegeeinrichtungen vorgehalten werden sollte, näher definiert.<br />

2. Ein System zur Bedarfsklassifikation, das Verkürzungen, wie sie der Pflegestufensystematik<br />

nach dem SGB XI vorgehalten werden, vermeidet (die Entwicklung der<br />

Bedarfsklassifikation bleibt im vorliegenden Bericht unberücksichtigt).<br />

3. Sogenannte übergeordnete Qualitätsmaßstäbe, die sich auf die Gestaltung der<br />

Rahmenbedingungen und Verfahrensweisen in ausgewählten, wichtigen Segmenten<br />

des Versorgungsalltags beziehen (z. B. Angehörigenarbeit, nächtliche Versorgung).<br />

4. Konzepte zur Optimierung der Steuerung des individuellen Pflegeprozesses.<br />

Über die Entwicklungsarbeiten hinaus kam dem IPW die Aufgabe zu, die Referenzeinrichtungen<br />

bei der Umsetzung der Konzepte im Rahmen der praktischen Erprobung<br />

fachlich zu begleiten. Diese Implementationsbegleitung sollte Hilfestellungen<br />

geben, um Anpassungen im Versorgungsalltag auf eine Art und Weise durchzuführen,<br />

die den Anforderungen der Konzepte entspricht.<br />

3 Korte-Pötters, U./Wingenfeld, K./Heitmann, D. (2007): Konzepte zur Sicherstellung der Versorgungsqualität in vollstationären Pflegeeinrichtungen.<br />

In: <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW (Hg.): <strong>Referenzmodell</strong>e – Praxisleitfaden zur Qualitätsentwicklung<br />

in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Düsseldorf


3. Methodisches Vorgehen<br />

Das besondere Merkmal des Modellvorhabens bestand in der Zusammenarbeit zwischen<br />

Wissenschaft und Praxis, die sich sowohl auf die Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte<br />

als auch die Implementation dieser Konzepte erstreckte. Darüber<br />

hinaus erfolgte die Konzeptentwicklung in Abstimmung mit verschiedenen Gremien<br />

und Arbeitsgruppen. Alle Akteure, die maßgeblich an der Gestaltung der stationären<br />

pflegerischen Versorgung mitwirken, waren in die Begleitung des Modellvorhabens<br />

eingebunden und erhielten damit Gelegenheit, ihre jeweilige Problemsicht einzubringen.<br />

Die Entwicklungsarbeiten waren dementsprechend eingebettet in eine relativ komplexe<br />

Struktur begleitender Gremien und anderer Arbeitszusammenhänge. Hierzu<br />

gehörten die vier Regionalgruppen, in denen jeweils fünf Modellbeauftragte der<br />

Referenzeinrichtungen und ein Vertreter der beteiligten Institute zusammentrafen (sie<br />

bildeten <strong>für</strong> die Konzeptentwicklung den zentralen Ort der Abstimmung zwischen<br />

Wissenschaft und Praxis), der Steuerungskreis, der Begleitausschuss, der die Konzeptentwürfe<br />

vor Beginn der praktischen Erprobung eingehend diskutierte, sowie Expertenrunden,<br />

die jeweils zur Bearbeitung oder Diskussion ausgewählter Themen einberufen<br />

wurden.<br />

Die Referenzeinrichtungen wurden in den meisten Fällen intensiv in die Entwicklungsarbeiten<br />

einbezogen. Diese folgten im Großen und Ganzen dem gleichen Muster:<br />

1. In einem ersten Schritt entwickelte das IPW auf der Basis verschiedener Vorarbeiten<br />

Konzeptentwürfe.<br />

2. Diese Entwürfe durchliefen umfangreiche Abstimmungsprozesse, in die sowohl<br />

die Referenzeinrichtungen als auch die projektbegleitenden Gremien einbezogen<br />

waren.<br />

3. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Abstimmungsprozesse erfolgte noch einmal<br />

eine inhaltliche und formale Anpassung. Die daraus hervorgegangenen Konzepte<br />

wurden den Einrichtungen zur praktischen Erprobung übergeben.<br />

4. An die Erprobung, d. h. <strong>zum</strong> Ende des Modellvorhabens schloss sich eine gemeinsame<br />

Auswertung der Erprobungserfahrungen mit den Modellbeauftragten an.<br />

Daraus resultierten nochmalige Konzeptmodifikationen. Sie umfassten insgesamt<br />

nur wenige inhaltliche Anpassungen, allerdings viele Ergänzungen bzw. Veränderungen<br />

auf der Ebene von Erläuterungen und Kommentierungen.<br />

Die auf diesem Weg optimierten Konzepte wurden schließlich noch einmal <strong>für</strong> die<br />

Publikation im Rahmen eines umfangreichen Praxisleitfadens aufbereitet.<br />

Die fachliche Implementationsbegleitung zur Unterstützung der Einrichtungen bei der<br />

Konzeptumsetzung erfolgte in unterschiedlichen Formen. Auch in dieser Hinsicht kam<br />

den regelmäßig tagenden Regionalgruppen ein hoher Stellenwert zu. Darüber hinaus<br />

leistete das IPW kontinuierlich eine einrichtungsindividuelle Beratung, teils in<br />

Form längerer, direkter Arbeitsgespräche, teils auf telefonischem Weg. Die Implementationsbegleitung<br />

erwies sich als sehr wichtig, um den Einrichtungen eine Orientierungshilfe<br />

zur Verfügung zu stellen, mit der sie a) Schritte der Qualitätsentwicklung<br />

auf der Basis der Konzepte zielgerichtet einleiten und b) Detailprobleme fachlicher<br />

Art, die erst im Verlauf von Veränderungen im Arbeitsalltag sichtbar werden und die<br />

je nach Einrichtung unterschiedlich ausfallen, bewältigen konnten.<br />

21


Zusammenfassung Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

4. Ergebnisse der Entwicklungsarbeiten<br />

4.1 Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen in der vollstationären<br />

Pflege<br />

22 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die Leistungsbeschreibungen bilden das Profil eines Leistungsangebots ab, mit dem<br />

auf die <strong>für</strong> die heutige Situation typischen Problem- und Bedarfslagen von Heimbewohnern<br />

adäquat reagiert werden kann. Sie fordern u.a.<br />

eine stärkere Gewichtung von Unterstützungsleistungen, die auf psychische Problemlagen<br />

und Bedürfnisse ausgerichtet sind,<br />

eine Akzentuierung ressourcenfördernder bzw. -erhaltender Maßnahmen,<br />

eine konsequent bedarfsorientierte Pflege, die neben akuten Bedarfslagen die<br />

Gesamtsituation des Bewohners und eine vorausschauende Strategie der Hilfe bei<br />

der Bewältigung von Krankheit und Pflegebedürftigkeit in den Mittelpunkt stellt.<br />

Die Leistungsbeschreibungen stellen ein Klassifikationssystem dar, das Leistungen<br />

bzw. Maßnahmen ordnet und definiert, inhaltlich voneinander abgrenzt und in seiner<br />

Gesamtheit ein Leistungsprofil definiert, das den Problem- und Bedarfslagen der<br />

Bewohner vollstationärer Pflegeeinrichtungen gerecht wird. Es ist bewusst übersichtlich<br />

gehalten und soll dadurch die Transparenz von Leistungsangebot und Leistungsgeschehen<br />

fördern. Vor allem in diesem Punkt, aber auch hinsichtlich seiner Funktion<br />

<strong>für</strong> den Versorgungsalltag unterscheidet es sich von anderen Klassifikationssystemen.<br />

Die Leistungsbeschreibungen unterscheiden zwei große Maßnahmenbereiche: Im<br />

Bereich der unmittelbar bewohnerbezogenen Maßnahmen, d. h. der Maßnahmen,<br />

die in direktem Kontakt mit Bewohnern durchgeführt werden, werden insgesamt 32<br />

Leistungen unterschieden. Sie umfassen nicht nur die Hilfe bei der Durchführung<br />

körperlicher Verrichtungen, sondern auch Unterstützung bei psychischen und sozialen<br />

Problemlagen der Bewohner. Darüber hinaus werden insgesamt 12 mittelbar<br />

bewohnerbezogene Leistungen definiert, die konkrete Empfehlungen <strong>für</strong> eine qualifikationsorientierte<br />

Arbeitsteilung beinhalten.<br />

Aufgrund der Erprobungserfahrungen sind abschließend einige Modifikationen der<br />

Leistungsbeschreibungen vorgenommen worden. Sie umfassten u.a. die Zusammenfassung<br />

von zwei Leistungen, deren Abgrenzung <strong>für</strong> die Mitarbeiter in den Einrichtungen<br />

schwer nachzuvollziehen war, und die Ausdifferenzierung von zwei neuen<br />

Leistungen (hier wurden Aspekte zusammengeführt, die ursprünglich anderen Leistungen<br />

zugeordnet waren).<br />

Ansonsten beschränkten sich die Modifikationen auf geringfügige inhaltliche Ergänzungen,<br />

sprachliche Überarbeitungen und eine Ausweitung der einführenden Erläuterungen<br />

und Kommentierungen zu den Leistungsbeschreibungen. Diese Ausweitung<br />

erwies sich allerdings als besonders wichtig, um das Verständnis der Leistungsbeschreibungen<br />

bei ihrer Nutzung im Versorgungsalltag sicherzustellen.<br />

4.2 Übergeordnete Qualitätsmaßstäbe<br />

Die übergeordneten Qualitätsmaßstäbe stellen Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung<br />

in zentralen Aufgabenfeldern dar, die jeweils auf bestimmten Qualitätskriterien<br />

beruhen. Mit dem Modellvorhaben wurden insgesamt sechs Qualitätsmaßstäbe erarbeitet<br />

und erprobt. Ihnen kommt eine doppelte Funktion zu:


Sie stellen Anforderungskataloge zur Ausgestaltung der betreffenden Arbeitsfelder<br />

in vollstationären Pflegeeinrichtungen dar, mit denen ein bestimmtes Qualitätsniveau<br />

angestrebt wird. Die verschiedenen Abstimmungen im Verlauf des Modellprojekts<br />

dienten u.a. dazu, einen gewissen Konsens über dieses Qualitätsniveau<br />

herzustellen. Die Qualitätsmaßstäbe sind insofern auch als Ergebnis eines Diskussionsprozesses<br />

zu verstehen, in dem sich die Beteiligten darum bemühten, einen<br />

tragfähigen Kompromiss zwischen dem Wünschenswerten und dem Machbaren<br />

zu finden.<br />

Die Qualitätsmaßstäbe stellen darüber hinaus eine Arbeitshilfe <strong>für</strong> die Einrichtungen<br />

dar. Sie liefern ihnen eine Grundlage zur Überprüfung und Weiterentwicklung<br />

ihrer bisherigen Konzepte bzw. ihrer Praxis.<br />

Auf die Funktion der Qualitätsmaßstäbe als Arbeitshilfe, aber auch auf das Ziel der<br />

Anschlussfähigkeit an die Praxis ist es zurückzuführen, dass sich die Anforderungen<br />

der Maßstäbe <strong>zum</strong> Teil auf unterschiedlichem Abstraktionsniveau bewegen. Zum Teil<br />

finden sich sehr konkrete Formulierungen und differenzierte Vorgaben, und zwar<br />

immer zu Fragen, bei denen es aus der Sicht der beteiligten Einrichtungen oder aufgrund<br />

der Erprobungserfahrungen notwendig erschien, <strong>für</strong> die Praxis größtmögliche<br />

Klarheit zu schaffen.<br />

Aus ähnlichen Gründen wurde davon Abstand genommen, die Unterscheidung zwischen<br />

Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität zu verwenden. Erste Versuche in diese<br />

Richtung zu Beginn der Entwicklungsarbeiten wurden alsbald aufgegeben, da diese<br />

Gliederungsform nicht mit der Handlungslogik im Versorgungsalltag in Einklang zu<br />

bringen ist.<br />

Qualitätsmaßstab „Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung“<br />

Mit diesem Qualitätsmaßstab werden Maßgaben <strong>für</strong> die Gestaltung des Übergangs<br />

von Pflegebedürftigen aus dem häuslichen Umfeld oder aus einem Krankenhaus in eine<br />

stationäre Pflegeeinrichtung definiert. Er formuliert Vorgaben <strong>für</strong> die Organisation des<br />

Heimeinzugs in Verbindung mit Maßnahmen zur Unterstützung des Bewohners.<br />

Qualitätsmaßstab „Zusammenarbeit mit Angehörigen“<br />

Der Qualitätsmaßstab „Zusammenarbeit mit Angehörigen“ zielt darauf ab, eine konzeptgestützte,<br />

bewusste und planvolle Angehörigenarbeit zu fördern. Zentrale Anliegen<br />

sind die Mitwirkung der Angehörigen und die Förderung des Kontakts zwischen<br />

Bewohner und Angehörigen. Angehörigenarbeit soll aber auch dazu beitragen, dass<br />

Bewohner in belastenden Situationen (wie z.B. Heimeinzug oder Krankenhausaufenthalt)<br />

Begleitung durch vertraute, <strong>für</strong> sie besonders wichtige Bezugspersonen erfahren.<br />

Qualitätsmaßstab „Nächtliche Versorgung“<br />

Dieser Qualitätsmaßstab formuliert vor allem Anforderungen an die Kooperation zwischen<br />

den Mitarbeitern, an die Organisation und an die direkte Versorgung und<br />

Betreuung der Bewohner. Die Einrichtungen werden u.a. aufgefordert, mindestens<br />

einmal jährlich zu überprüfen, inwieweit ihr Versorgungsangebot dem am Abend und<br />

in der Nacht anfallenden Bedarf der Bewohner entspricht. Bei fehlender Entsprechung<br />

sollen geeignete Schritte zu konzeptionellen Anpassungen eingeleitet werden.<br />

Qualitätsmaßstab „Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen“<br />

Mit diesem Qualitätsmaßstab werden Wege aufgezeigt, die Begleitung Sterbender<br />

in vollstationären Pflegeeinrichtungen zu verbessern und grundlegende Voraussetzungen<br />

zur Bewältigung dieser Aufgabe herzustellen. Er soll den Mitarbeitern Handlungssicherheit<br />

in einem schwierigen Aufgabenfeld geben, indem ein fachlicher und<br />

organisatorischer Rahmen <strong>für</strong> die Begleitung Sterbender abgesteckt wird. Das Rahmenkonzept<br />

versteht sich als Initiative zur Förderung einer Qualitätsentwicklung,<br />

deren langfristige Ziele weiter reichen sollten als die Ziele, die dem Rahmenkonzept<br />

selbst zugrunde liegen.<br />

23


Zusammenfassung Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

24 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Qualitätsmaßstab „Kooperation mit niedergelassenen Ärzten“<br />

Der Qualitätsmaßstab „Kooperation mit niedergelassenen Ärzten“ soll dazu beitragen,<br />

die Kooperationsbeziehungen auf eine transparente und verlässliche Basis zu<br />

stellen und den Pflegekräften in den Einrichtungen mehr Sicherheit in der Zusammenarbeit<br />

mit Ärzten zu geben. Es geht nicht zuletzt um die Integration pflegerischer und<br />

ärztlicher Maßnahmen mit dem Ziel, den Bewohnern eine ihren Problemlagen entsprechende<br />

und aufeinander abgestimmte medizinische und pflegerische Versorgung<br />

zugänglich zu machen.<br />

Qualitätsmaßstab „Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten“<br />

Ein geregeltes Entlassungsmanagement der Krankenhäuser, wie es der Nationale<br />

Expertenstandard vorsieht, sollte durch entsprechende Bemühungen auf Seiten der<br />

Pflegeeinrichtungen ergänzt werden. Bislang existierten <strong>für</strong> die vollstationäre Pflege<br />

jedoch keine vergleichbaren Handlungsrichtlinien. Der vorliegende Qualitätsmaßstab<br />

soll dazu beitragen, diese Lücke zu schließen, und Versorgungskontinuität fördern.<br />

Er benennt die wichtigsten Anforderungen, die sich bei der Aufnahme von<br />

Bewohnern in ein Krankenhaus, während ihres dortigen Aufenthaltes und bei ihrer<br />

Rückkehr ergeben.<br />

4.3 Optimierung des Pflegeprozesses und der Versorgungskoordination<br />

Die Umsetzung der Leistungsbeschreibungen und Qualitätsmaßstäbe setzt Arbeitsstrukturen<br />

voraus, die sich in der heutigen Praxis nicht durchgängig wiederfinden.<br />

Insofern stellte sich auch den Referenzeinrichtungen die Aufgabe, die notwendigen<br />

Voraussetzungen <strong>für</strong> die Konzeptumsetzung zunächst herzustellen. Zu einigen zentralen<br />

Handlungsfeldern wurden zur Unterstützung dieses Prozesses ebenfalls Konzepte<br />

entwickelt.<br />

Ausgestaltung von Funktion und Aufgaben der „Zuständigen Pflegefachkraft“<br />

(ZPFK)<br />

Die Umsetzung fast aller Konzepte, die im Rahmen des Projekts „<strong>Referenzmodell</strong>e“<br />

entwickelt worden sind, ist auf klare Definitionen und personelle Zuordnungen von<br />

Zuständigkeiten angewiesen. Die Empfehlungen beschreiben das Aufgabenprofil von<br />

Pflegefachkräften, die <strong>für</strong> die zielgerichtete, planvolle Gestaltung des individuellen<br />

Pflegeprozesses und <strong>für</strong> weitergehende Steuerungs- und Koordinationsaufgaben bei<br />

einer bestimmten Anzahl von Bewohnern verantwortlich sind. Für diese Pflegefachkräfte<br />

wurde der eher neutrale Ausdruck „Zuständige Pflegefachkraft“ gewählt, da<br />

andere Begriffe inhaltlich bereits „besetzt“ sind und Missverständnisse vermieden<br />

werden sollten.<br />

Die Empfehlungen gehen davon aus, dass nicht jede Pflegefachkraft über die Kompetenzen<br />

verfügt, die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben erforderlich sind. Zu den<br />

Qualifikationsanforderungen gehören nicht nur Fachwissen und pflegerische Fertigkeiten,<br />

sondern auch Steuerungs-, Koordinations-, Anleitungs-, Beratungs- und Problemlösungskompetenz<br />

und nicht zuletzt sprachliche Kompetenz (angemessene<br />

mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit). Zuständige Pflegefachkräfte müssen,<br />

damit sie ihre Aufgaben wahrnehmen können, von anderen Arbeiten entlastet werden.<br />

Insbesondere bewohnerferne Tätigkeiten, <strong>für</strong> die keine Fachqualifikation erforderlich<br />

ist, sollten so weit wie möglich von anderen Mitarbeitern übernommen werden.<br />

Die Leistungsbeschreibungen zu den mittelbar bewohnerbezogenen Maßnahmen<br />

zeigen hierzu Möglichkeiten auf.


Kriterienkatalog „Pflegerisches Assessment“<br />

Dieser Kriterienkatalog beinhaltet Anforderungen an die Informationserhebung und<br />

Einschätzung der Problem- und Bedarfslagen, sowie der individuellen Ressourcen der<br />

Bewohner. Er umfasst eine Zusammenfassung von Kriterien, die seit langem aus pflegefachlicher<br />

Sicht als notwendig erachtet werden. Er versteht sich als Anforderungsprofil<br />

und Arbeitshilfe, mit der die Einrichtungen im Rahmen eines Soll-Ist-Vergleichs<br />

ihr vorhandenes Assessment auf Vollständigkeit überprüfen und gegebenenfalls<br />

ergänzen bzw. anpassen können. Der Kriterienkatalog umfasst folgende Punkte:<br />

1. Organisatorische Voraussetzungen (Zuständigkeiten, Bereitstellung zeitlicher Ressourcen<br />

<strong>für</strong> die Durchführung des Assessments, Kooperation)<br />

2. Inhalte des Assessments (unter besonderer Berücksichtigung kognitiver Fähigkeiten,<br />

psychischer Problemlagen und individueller Bedürfnisse)<br />

3. Zeitpunkt der Erstellung und Aktualisierung sowie Anlässe der Aktualisierung.<br />

Zu den einzelnen Gliederungspunkten finden sich zusätzliche Erläuterungen. Sie<br />

basieren wesentlich auf den gemeinsamen Diskussionen mit den Modellbeauftragten<br />

und der daraus resultierenden Einschätzung des Bedarfs an Erklärungen und Kommentierungen.<br />

Kriterienkatalog zur Erfassung von Informationen zur Biografie und<br />

Lebenssituation<br />

Die Erfassung biografischer Informationen als Bestandteil des pflegerischen Assessments<br />

ist Voraussetzung <strong>für</strong> eine biografieorientierte Pflege und Versorgung, wie sie<br />

z.B. die Leistungsbeschreibungen vorsehen. Auch die Anforderungen der Qualitätsmaßstäbe<br />

nehmen Bezug auf die Erfassung bzw. die Berücksichtigung biografischer<br />

Kenntnisse in der Versorgung und Begleitung.<br />

Die Grundsätze und Kriterien des Katalogs beschreiben ein Mindestprofil, das die<br />

Verfügbarkeit von Informationen als Grundlage <strong>für</strong> eine biografieorientierte Pflege<br />

sicherstellen soll. Der Katalog umfasst <strong>zum</strong> einen Grundsätze, die sich auf die Bereitstellung<br />

geeigneter Dokumentationsinstrumente, Zeitpunkte der Erfassung, Kennzeichnung<br />

von Informationsquellen, Verfahrensweisen und Verantwortlichkeiten beziehen.<br />

Zum anderen enthält er eine Auflistung der <strong>für</strong> die Biografieerfassung relevanten<br />

Informationen.<br />

Verbesserte Dokumentationsformen<br />

Der Konzeptbaustein „Verbesserte Dokumentationsformen“ zielt darauf ab, die Pflegedokumentation<br />

auf ihre fachliche Funktion zurückzuführen und dabei auf nicht<br />

begründbaren Dokumentationsaufwand zu verzichten. In diesem Sinne wurden im<br />

Projekt „<strong>Referenzmodell</strong>e“ Kriterien und Maßgaben zusammengestellt, die an verbesserte<br />

Dokumentationsformen zu stellen sind. Abweichend von vergleichbaren Initiativen<br />

in anderen Bundesländern wurde auf die Entwicklung einer Musterdokumentation<br />

verzichtet. Vielmehr wurden Grundsätze bzw. Anforderungen und Vorraussetzungen<br />

<strong>für</strong> die Einführung verbesserter Pflegedokumentationsformen erarbeitet, deren<br />

konkrete Ausgestaltung den Einrichtungen überlassen bleiben sollte. Die Grundsätze<br />

beziehen sich insbesondere auf<br />

Rahmenbedingungen und Voraussetzungen (einschl. personeller Zuständigkeiten),<br />

die Identifizierung vorrangiger Problemlagen (Assessment),<br />

die Formulierung von Pflegezielen,<br />

die Erstellung eines Tagesplans (Maßnahmenplanung),<br />

Durchführungs-/Leistungsnachweise.<br />

25


Zusammenfassung Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

26 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Aufwandsreduzierung soll vor allem dadurch erreicht werden, dass sich die Formulierung<br />

von Pflegezielen auf wesentliche Problem- und Bedarfslagen beschränkt, ein<br />

übersichtlicher, individueller Tagesplan <strong>für</strong> jeden Bewohner erstellt wird und statt Einzelnachweisen<br />

<strong>für</strong> erbrachte Leistungen – mit Ausnahme ärztlich verordneter Maßnahmen<br />

– ein Handzeichen je Maßnahmenkomplex ausreichend ist.<br />

Eine zentrale Bedeutung kommt der Erstellung eines individuellen Tagesplans <strong>für</strong> die<br />

Bewohner zu. Dieser Tagesplan soll eine strukturierte Übersicht über alle zu leistenden<br />

Maßnahmen bieten und alle Informationen enthalten, die <strong>für</strong> die Durchführung<br />

einer bedarfs- und bedürfnisgerechten Pflege benötigt werden.


5. Implementationsbegleitung<br />

Dem IPW kam neben der Konzeptentwicklung auch die Aufgabe der wissenschaftlichen<br />

Implementationsbegleitung zu, d. h. die Aufgabe, den Einrichtungen fachliche<br />

Hilfestellung zu leisten, um Anpassungen auf eine Art und Weise durchzuführen, die<br />

den Anforderungen der Konzepte entspricht. Zwar hatten die Einrichtungen die Möglichkeit,<br />

auf eine professionelle Organisationsberatung zurückzugreifen, doch war<br />

von vornherein absehbar, dass eine ergänzende fachliche Beratung erforderlich sein<br />

würde. Die wissenschaftliche Implementationsbegleitung erstreckte sich dabei auf folgende<br />

Punkte:<br />

Prozesssteuerung: Da die Konzeptbausteine in vielfältiger Weise aufeinander<br />

Bezug nehmen, waren die Praxiseinrichtungen in hohem Maße auf Orientierungshilfen<br />

bei der Umsetzung angewiesen, sowohl was die zeitliche Organisation der<br />

einzelnen Umsetzungsschritte angeht als auch im Blick auf inhaltliche Anforderungen.<br />

Ergebnissicherung bei einzelnen Implementationsschritten: Trotz Einbeziehung in<br />

die konzeptionellen Entwicklungsarbeiten bestand ein mitunter ausgeprägtes<br />

Bedürfnis der Praxis, sich zu vergewissern, mit der Konzeptumsetzung auf dem<br />

richtigen Weg zu sein und Anpassungen oder Problemlösungen in Übereinstimmung<br />

mit den Intentionen der Konzepte vorgenommen zu haben.<br />

Kontinuierliche „Übersetzungsarbeit“ in Detailfragen: Eine ebenso wichtige Funktion<br />

der Implementationsbegleitung bestand in fortgesetzten Erläuterungen zu einzelnen<br />

inhaltlichen Aspekten der Konzepte. Dieses Erfordernis ergab sich u.a.<br />

daraus, dass ein in der Praxis handhabbares Konzept nicht alle Einzelheiten kommentieren<br />

und erklären kann, die <strong>für</strong> die Umsetzung von Bedeutung sein können.<br />

Definition von Grenzen <strong>für</strong> kreative Lösungen: Keiner der im Modellvorhaben entwickelten<br />

Konzeptbausteine legte die Referenzeinrichtungen bei der Umsetzung<br />

auf starre Lösungen fest. Gerade deshalb war es <strong>für</strong> sie gelegentlich schwer zu<br />

entscheiden, mit welchen Umsetzungsschritten sie möglicherweise die Grenze der<br />

Übereinstimmung mit den konzeptionellen Vorgaben überschreiten würden.<br />

Legitimation von Handlungsinitiativen der Modellbeauftragten: Die Modellbeauftragten<br />

mussten in ihren Einrichtungen oftmals intensive Überzeugungsarbeit leisten<br />

und ggf. auch Kompromisse aushandeln. In diesem Zusammenhang hatte die<br />

Implementationsbegleitung eine Funktion von eher strategischem Charakter: Sie<br />

unterstützte die Arbeit der Modellbeauftragten, indem sie deren Handeln indirekt<br />

durch ihre konzeptionellen Vorgaben gegenüber anderen Mitarbeitern der Einrichtungen<br />

legitimierte.<br />

Die wissenschaftliche Implementationsbegleitung war insofern eine unerlässliche Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> die erfolgreiche Konzeptumsetzung. Sie konnte auch nur durch eine<br />

Instanz geleistet werden, die mit den Zielsetzungen, inhaltlichen Verästelungen und<br />

Interdependenzen der Konzeptbausteine und der Modellkonzeption insgesamt gut<br />

vertraut und fachlich in der Lage war, sich mit der Praxis rasch und sachgerecht zu<br />

verständigen.<br />

27


Zusammenfassung Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

6. Fazit<br />

28 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Im Gesamtbild lässt sich aufgrund der Erprobungserfahrungen festhalten, dass das<br />

Ziel, mit den Konzeptbausteinen eine trotz relativ hoher fachlicher Ansprüche realistische<br />

Strategie der Qualitätsentwicklung zur Verfügung zu stellen, erreicht wurde.<br />

Die notwendigen Anpassungen der Versorgung erwiesen sich als nicht einfach, aber<br />

machbar.<br />

Die im Modellvorhaben gewählte Strategie der Konzeptentwicklung und -abstimmung<br />

hat sich im Großen und Ganzen bewährt. Die Kooperation zwischen Wissenschaft<br />

und Praxis verlief keineswegs spannungsfrei, aber doch reibungsloser als zu Beginn<br />

des Projektes erwartet. Eine produktive und von gegenseitiger Akzeptanz geprägte<br />

Zusammenarbeit setzt nach den Projekterfahrungen voraus, dass sich beide Seiten<br />

am Leitbild einer professionellen Pflege orientieren. Dadurch existiert auf fachlicher<br />

Ebene eine gemeinsame Basis <strong>für</strong> die Entwicklungsarbeiten. Der Praxis müssen<br />

außerdem Freiräume <strong>für</strong> konzeptionelle „Feinarbeiten“ verbleiben, die sicherstellen,<br />

dass die Umsetzung von Konzepten nicht als Störung bewährter interner Abläufe,<br />

sondern als Bereicherung erfahren wird.<br />

Aufgrund der Erprobungserfahrungen wurden alles in allem nur wenige Modifikationen<br />

der Konzepte erforderlich. Auf die moderate Veränderung des Aufbaus der<br />

Leistungsbeschreibungen wurde bereits hingewiesen. Ansonsten lagen Anpassungserfordernisse<br />

vorrangig auf der Ebene der Kommentierung und Erläuterung der konzeptionellen<br />

Vorgaben. Diesen Modifikationen bzw. Erweiterungen und Präzisierungen<br />

kommt allerdings im Hinblick auf die Praxistauglichkeit der Konzepte ein hoher<br />

Stellenwert zu.<br />

Die Konzepte des Modellvorhabens sind <strong>für</strong> andere Einrichtungen im Grundsatz<br />

unmittelbar verwertbar. Ihre praktische Umsetzung stellt allerdings eine nicht zu<br />

unterschätzende Herausforderung dar, zu deren Bewältigung viele Einrichtungen auf<br />

einen geeigneten Rahmen und auf externe Unterstützung angewiesen sein dürften.<br />

Wesentliche Elemente eines solchen Rahmens lassen sich aus der Organisation des<br />

Projekts „<strong>Referenzmodell</strong>e“ ableiten. Dazu gehören u.a. erfahrene Multiplikatoren<br />

(die in den Einrichtungen <strong>für</strong> eine stetige und zielgerichtete Konzeptumsetzung sorgen,<br />

analog zu den Modellbeauftragten der Referenzeinrichtungen), die Einbindung<br />

in einen einrichtungsübergreifenden Arbeitszusammenhang, ggf. Unterstützung bei<br />

der Organisationsentwicklung und nicht zuletzt eine kompetente fachliche Begleitung:<br />

Die <strong>Referenzkonzept</strong>e zielen nicht auf isolierte Schritte zur Verbesserung von<br />

Teilaspekten der Versorgung, sondern auf grundlegende Qualitätsverbesserungen in<br />

Kernbereichen der vollstationären Pflege. Diese Verbesserungen bzw. die Umsetzung<br />

der Konzepte setzen eine Fachlichkeit voraus, deren Herstellung von einem Teil der<br />

Einrichtungen bzw. ihrer Träger erhebliche Anstrengungen verlangt.


Zusammenfassung<br />

Teilbericht 3:<br />

Organisationsentwicklung<br />

Verfasser/innen:<br />

Brigitte Rehling<br />

unter Mitarbeit von Hildegard Heinrich, Manfred Krohn, René Bernards,<br />

Annegret Zacharias, Marion Menke<br />

Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt a. M. (ISS)<br />

29


Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

30 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6


Inhalt<br />

1. Auftrag und Ziel der Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32<br />

1.1 Konzept und methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33<br />

1.2 Beratungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34<br />

2. Wichtige Entwicklungen und Verbesserungen in den Einrichtungen<br />

– Schwerpunkte der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35<br />

2.1 Entwicklungen im Zusammenhang mit der Zuständigen Pflegefachkraft . . . . . . . .35<br />

2.2 Entwicklungen im Zusammenhang mit den Leistungsbeschreibungen . . . . . . . . . .36<br />

2.3 Entwicklungen im Zusammenhang mit dem pflegerischen Assessment,<br />

der Biografieerfassung und den Empfehlungen zur Pflegeplanung . . . . . . . . . . .37<br />

2.4 Entwicklungen im Zusammenhang mit den Rahmenkonzepten zur Qualitätssicherung .38<br />

3. Zusammenfassung: Die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Umsetzungsprozess . . . . . . . . .43<br />

31


Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

1. Auftrag und Ziel der Organisationsberatung<br />

32 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

In Übereinstimmung mit den Modellzielen war die Arbeit der Organisationsberatung<br />

darauf gerichtet, die Referenzeinrichtungen bei der Umsetzung der Konzeptanforderungen<br />

zu unterstützen. Die zentrale Zielsetzung der Organisationsberatung, auf die<br />

Umsetzung der Konzeptbausteine in den Referenzeinrichtungen hinzuwirken, war mit<br />

weiteren Zielen verbunden, die sich aus der konkreten Situation und dem spezifischen<br />

Entwicklungsbedarf der einzelnen Referenzeinrichtungen ableiteten.<br />

Im Unterschied zu anderen Organisationsberatungsprozessen wurden die Entwicklungsanforderungen,<br />

die sich aus der oben beschriebenen Zielstellung des Modellprojektes<br />

ergaben, nicht durch die Einrichtungen selbst sondern durch das Institut <strong>für</strong><br />

Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW) formuliert. Auch wenn dies mit<br />

dialogischer Rückkoppelung zu den 20 Referenzeinrichtungen geschah, so konnte<br />

unter diesen Umständen eine vorbehaltlose Identifikation der Leitungsebenen und<br />

Modellbeauftragten mit bestimmten Zielvorstellungen nicht immer vorausgesetzt werden.<br />

Auch das ISS und seine Organisationsberater/innen wurde nicht direkt von den<br />

Einrichtungen oder Trägern sondern von den Auftraggebern und Geldgebern des<br />

Modellprojekts ausgewählt und beauftragt.<br />

Für die Organisationsberatung beinhaltete diese Ausgangslage eine doppelte Verpflichtung:<br />

Zum einen fühlten sich die Berater/innen von Beginn an den Zielsetzungen<br />

des Modellprojekts verpflichtet, waren also nicht neutral. Auch bei tendenziell<br />

skeptischer Positionierung der Einrichtungen zu einzelnen Anforderungen hatten sie<br />

um ein Zieleinverständnis zu werben und auf die Umsetzung der Konzeptbausteine<br />

hinzuwirken. Zum anderen war ein vertrauensvolles Arbeitsbündnis mit den Einrichtungen<br />

zu etablieren, bei dem sich Modellbeauftragte, Leitungskräfte und Mitarbeiter/innen<br />

der Loyalität der Berater/innen sicher sein konnten.<br />

Gelingen konnte diese Balance, weil sich die ISS-Berater/innen dem Grundprinzip<br />

und Leitziel der Bewohnerorientierung verpflichtet fühlten, welches letztlich auch die<br />

Träger und Leitungskräfte bewogen hatte, sich <strong>für</strong> eine Teilnahme am Modellprojekt<br />

zu entscheiden. In diesem Grundkonsens traf man sich und konnte auch in schwierigen<br />

Situationen produktiv zusammenarbeiten. Mit dem Begriff der Bewohnerorientierung<br />

ist hier gemeint, dass die Pflege von Bewohnern/innen in der stationären Altenpflege<br />

biografieorientiert, ressourcenfördernd und -erhaltend sein soll,<br />

Risiken <strong>für</strong> Gesundheit und Unversehrtheit durch Prophylaxen ausschließt bzw.<br />

mindert,<br />

dem individuellen Unterstützungsbedarf aller Bewohner/innen auch der demenziell<br />

Erkrankten und Immobilen gerecht werden muss,<br />

sich nicht nur auf physische Unterstützung und Versorgung beschränkt sondern<br />

auch psychosoziale Begleitung bietet,<br />

auf der Grundlage einer respektvollen, wertschätzenden Haltung gegenüber<br />

Bewohner/innen und Angehörigen erbracht wird.


1.1 Konzept und methodisches Vorgehen<br />

Grundsätzlich ist Beratung immer eine Dienstleistung, die durch den Auftrag und die<br />

Kooperationsbereitschaft des Gegenübers gesteuert wird. Der Beratungserfolg ist nie<br />

eine nur vom Berater erbrachte Leistung, sondern immer das Ergebnis einer gelungenen<br />

Kooperation: nur wer sich beraten lassen will wird von einem Beratungsprozess<br />

auch profitieren können.<br />

Die Beratung der Einrichtungen erfolgt auf der Grundlage eines systemischen Organisationsverständnisses,<br />

das sich in folgenden Thesen skizzieren lässt:<br />

Die Wirklichkeit der Organisation, ihre Identität, ihr Leistungsniveau, ihre Kultur<br />

wird von allen Organisationsmitgliedern in wechselseitigem Bezug und in wechselseitiger<br />

Abhängigkeit gestaltet. Eine Steuerung ist nur möglich, wenn diese<br />

Komplexität durch klare Aufbaustrukturen und Ablaufregeln reduziert wird. Für<br />

die Beratung bedeutet dies, immer auch die Eindeutigkeit, Transparenz und Angemessenheit<br />

der jeweiligen Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Kulturen der<br />

Einrichtungen in den Blick zu nehmen.<br />

Eine lineare Logik, die davon ausgeht, dass eine bestimmte Intervention eine berechenbare<br />

Wirkung erzielt, wird der wechselwirksamen Interaktion aller Organisationsmitglieder<br />

nicht gerecht. Vielmehr ist es nötig – analog zu einem ökologischen<br />

Blick auf Zusammenhänge in der Natur – mögliche Wechsel- und Rückwirkungen<br />

hypothetisch einzukalkulieren. Auch reicht es nicht aus, sich bei der<br />

Umsetzung von Entwicklungszielen z.B. auf die verhaltenssteuernde Wirkung von<br />

Anweisungen und Regeln zu verlassen. Vielmehr ist es notwendig, dass tatsächliche<br />

Geschehen zu prüfen, Widerstände und unliebsame „Nebenwirkungen“ korrigierend<br />

zu bearbeiten. Für die Beratung folgt daraus, sich immer wieder um den<br />

Blick auf „das Ganze“ zu bemühen und dem Steuerungshandeln der Leitungsebenen<br />

besondere Aufmerksamkeit zu schenken.<br />

Es gibt keinen Standort, von dem aus die Komplexität von Organisationen objektiv<br />

eingeschätzt werden kann. Hierarchischer und informeller Status sowie die<br />

jeweils spezifischen Aufgaben bestimmen die Perspektive der einzelnen Akteure<br />

und lassen sie Unterschiedliches wahrnehmen. Für die Beratung bedeutet dies,<br />

den eigenen externen Blick möglichst durch die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen<br />

Akteuren und damit unterschiedlichen Perspektiven zu vernetzen, um sich<br />

einem vollständigen Bild <strong>zum</strong>indest zu nähern.<br />

Die formelle und informelle Ordnung, die jede Organisation entwickelt, entscheidet<br />

darüber, was wichtig und was weniger wichtig genommen wird, welche Fragestellungen<br />

und Herausforderungen wahrgenommen werden und welche nicht.<br />

Der externe Standort der Organisationsberater/innen macht es möglich, ein<br />

System zur Auseinandersetzung mit Fragestellungen anzuregen, die bisher vernachlässigt<br />

wurden.<br />

Das systemische Prinzip, dass Systeme zwar beeinflussbar, nicht aber „beherrschbar“<br />

sind, gilt auch <strong>für</strong> die Interaktion zwischen Berater und System: Beratungsinterventionen,<br />

die aus Ratschlägen bestehen, dem Gegenüber also Handlungs- und<br />

Verhaltensrezepte offerieren, sind nicht immer der wirksamste Weg <strong>für</strong> eine erfolgreiche<br />

Beratung. Die Akteure in Organisationen, deren Auftrag es ist, Entwicklungen<br />

zu betreiben und zu steuern, werden solche Ratschläge nur dann aufgreifen,<br />

wenn sie mit der eigenen Perspektive und Einschätzung kompatibel sind.<br />

Wenn nicht, werden sie überhört, uminterpretiert oder bekämpft.<br />

Das Prinzip der Ressourcenorientierung bedeutet, von der Hypothese auszugehen,<br />

dass Systeme prinzipiell fähig sind, Lösungen <strong>für</strong> Probleme zu finden, bzw. dass<br />

die erfolgreiche Bearbeitung von Mängeln und Defiziten nur dann nachhaltig<br />

gelingen kann, wenn es sich aus Sicht des Systems um eigene Problemdefinitionen<br />

und Lösungen handelt. Insofern ist jeder Beratungsprozess immer ein Akt der<br />

„Geburtshilfe“, der das implizite Wissen der Organisation über die eigenen Stärken<br />

und Schwächen sowie die grundsätzlich vorhandene Problemlösungskompetenz<br />

zu Tage fördert.<br />

33


Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

1.2 Beratungsmethoden<br />

34 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die schrittweise Einführung der Konzeptbausteine des <strong>Referenzkonzept</strong>s konkretisierte<br />

und präzisierte auch das Konzept der Organisationsberatung. Erst durch den<br />

Abgleich vorhandener Strukturen und gelebter Praxis mit den Konzeptbausteinen<br />

wurden die konkreten Entwicklungsbedarfe in den Einrichtungen deutlich, die dann<br />

<strong>zum</strong> Gegenstand der Beratung wurden.<br />

Um die vorhandene Organisationswirklichkeit einschätzen zu können, eröffneten sich<br />

die Organisationsberater/innen Zugänge aus unterschiedlichen Perspektiven durch<br />

Gespräche mit den Modellbeauftragten, den Einrichtungs- und Pflegedienstleitern/innen,<br />

vielfach auch den Wohnbereichsleitern/innen. Darüber hinaus hospitierten sie bei<br />

Übergaben und Fallbesprechungen und prüften exemplarisch Pflegedokumentationen.<br />

Kennzeichnend <strong>für</strong> die Gespräche mit den Akteuren in den Einrichtungen war es,<br />

dass die Berater/innen deren Einschätzung und Bewertung wichtiger Sachverhalte<br />

durch entsprechende Fragen erhoben. Dies bedeutete gleichzeitig, dass die<br />

Gesprächspartner/innen zu kritischer Reflexion vorhandener Umstände angeregt<br />

wurden und dabei sowohl auf Stärken wie auch auf vorhandene Schwächen und Entwicklungsbedarfe<br />

aufmerksam wurden.<br />

Ob ein vorhandener Mangel erfolgreich bearbeitet werden kann, hängt nicht zuletzt<br />

davon ab, wie klar und eindeutig beschrieben ist, aus welchen Gründen er vorhanden<br />

ist und wie konkret das Ziel benannt ist, zu dem man gelangen will. Zu fragen<br />

ist auch, wie man selbst dazu beigetragen hat, dass dieses Ziel bisher nicht erreicht<br />

wurde. In diesem Sinne regten die Organisationsberater/innen die Modellbeauftragten,<br />

teilweise aber auch die Leitungskräfte in den Einrichtungen dazu an, die hausspezifischen<br />

Entwicklungsziele so exakt wie möglich zu beschreiben und zu begründen,<br />

um dann die Umsetzungsschritte planen zu können. Auch die Frage danach, ob<br />

und wie sich das eigene Handeln verfestigend auf vorhandene Defizite auswirken<br />

könnte, wurde mit wichtigen Partner/innen in den Einrichtungen mehrfach reflektiert.<br />

Beratung ist immer eine Dienstleistung auf Zeit, gerade auch im Rahmen eines klar<br />

befristeten Modellprojekts. Umso wichtiger war es, durch die Technik des Fragens die<br />

Einrichtungen ihre eigenen Antworten und damit auch nachhaltige Problemlösungen<br />

finden zu lassen.<br />

Das Expertenwissen, dass die Berater/innen, in die Entwicklungsprozesse einbrachten,<br />

bezog sich weniger auf pflegefachliche Fragen, sondern auf Schwerpunkte des<br />

Organisationsmanagements. Dazu gehörten unterschiedliche Bereiche, wie etwa Fragen<br />

der Organisationsstruktur und Ablaufregelungen, des Qualitäts- und Projektmanagements,<br />

der Mitarbeiterführung und der Teamentwicklung. Es ging darum, günstige,<br />

absichernde Voraussetzungen und Rahmenbedingungen <strong>für</strong> die erfolgreiche<br />

Umsetzung der fachlichen Anforderungen des <strong>Referenzkonzept</strong>es zu schaffen oder<br />

zu stärken und zu erhalten.


2. Wichtige Entwicklungen und Verbesserungen in den<br />

Einrichtungen – Schwerpunkte der Beratung<br />

Die Bearbeitung jedes einzelnen Konzeptbausteins begann mit einer Soll-Ist-Analyse,<br />

bei der überprüft wurde, welche Anforderungen des jeweiligen Konzepts durch die<br />

Einrichtung bereits erfüllt wurden und welche noch nicht. Die konkreten einrichtungsbezogenen<br />

Entwicklungsziele – und damit gleichzeitig die Beratungsschwerpunkte –<br />

ergaben sich <strong>zum</strong> einen aus den bei diesen Analysen festgestellten Lücken und<br />

Abweichungen und deren Ursachen, <strong>zum</strong> anderen auch aus Hindernissen und<br />

Schwierigkeiten, die sich im weiteren Verlauf der Konzepterprobung und -umsetzung<br />

zeigten.<br />

Viele der Entwicklungsprozesse und erzielten Ergebnisse wurden durch die Bearbeitung<br />

einzelner Konzeptbausteine angestoßen. Deshalb ist es möglich, in den folgenden<br />

Absätzen eine Verbindung zwischen einzelnen Bausteinen und erzielten Verbesserungen<br />

herzustellen. Meist blieben die positiven Wirkungen aber nicht auf diese<br />

Konzeptelemente beschränkt, vielmehr beförderten sie auch die Umsetzung weiterer<br />

Bausteine. In einem weiteren Abschnitt dieses Kapitels soll der Tatsache Rechnung<br />

getragen werden, dass es darüber hinaus auch Entwicklungsergebnisse gab, bei<br />

denen eine solche Zuordnung nicht möglich ist.<br />

2.1 Entwicklungen im Zusammenhang mit der Zuständigen Pflegefachkraft<br />

Die Aufbau- und Ablauforganisation ist gewissermaßen das Gerüst, das den Leistungskräften,<br />

den Mitarbeitern und Bewohner/innen im Alltag Halt geben und planvolles,<br />

zielgerichtetes Handeln auf Dauer sichern soll. Grundsätzlich kann dies nur<br />

ein struktureller Rahmen leisten, der die Kriterien der Zielangemessenheit, der Eindeutigkeit<br />

und der Transparenz erfüllt.<br />

Bei den Soll-Ist-Analysen <strong>zum</strong> Konzeptbaustein der „Zuständigen Pflegefachkraft“<br />

wurden in vielen Referenzeinrichtungen Mängel entdeckt. Vorhandene Regelungen<br />

waren teilweise lückenhaft, teilweise missverständlich. Die Klärung von Zuständigkeiten<br />

und Verantwortlichkeiten, die durch diesen Konzeptbaustein initiiert wurde, hat<br />

sich auch <strong>für</strong> die Umsetzung der Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung als hilfreich<br />

erwiesen. Insbesondere wurde im Zusammenhang mit diesem Konzeptbaustein das<br />

Anforderungsprofil der Bezugspflegefachkräfte geschärft.<br />

Zentrale Verbesserungen, die im Zusammenhang mit diesem Baustein erfolgten,<br />

bezogen sich darauf, den Bezugspflegefachkräften eindeutig die Steuerungsverantwortung<br />

<strong>für</strong> die Pflegeprozesse der ihnen zugeordneten Bewohner/innen zuzuweisen.<br />

Mit der Anpassung der Tätigkeitsprofile war darüber hinaus verbunden, dass<br />

die Vertretungsfrage geregelt wurde: so wurden etwa alle „zuständigen Pflegefachkräfte“<br />

eines Wohnbereichs in ein System wechselseitiger Vertretung eingebunden.<br />

die hierarchische Positionierung der examinierten Zuständigen Pflegefachkräfte<br />

und der nicht examinierten Pflege- und Hilfskräfte zueinander geregelt wurde: die<br />

Steuerungs- und Koordinierungsverantwortung schloss in gewissem Maße auch<br />

Weisungsbefugnisse der Zuständigen Pflegefachkraft und deren direkte Kommunikation<br />

mit Mitarbeitern anderer Dienstbereiche (Sozialer Dienst, Küche, Hauswirtschaft,<br />

Haustechnik) ein. Soweit von solchen Diensten auch unmittelbar bewohnerbezogene<br />

Leistungen erbracht wurden, gehörten diese ebenfalls in die Steuerungsverantwortung<br />

der Zuständigen Pflegefachkraft.<br />

35


Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

36 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

In einzelnen Einrichtungen wurden parallel auch die Tätigkeitsprofile der Wohnbereichsleitungen<br />

in Abgrenzung <strong>zum</strong> Aufgabenkatalog der „Zuständigen Pflegefachkraft“<br />

entsprechend optimiert.<br />

Als Hindernisse im Umsetzungsprozess erwiesen sich u.a. ungünstige Teilzeitverträge<br />

und Dienstzeiten, mangelnde Kompetenz der Pflegefachkräfte <strong>für</strong> die Steuerungsaufgaben<br />

und deren Belastung durch pflegefremde (Hilfs-)Tätigkeiten. Viele Referenzeinrichtungen<br />

investierten deshalb viel Anstrengung und Zeit in Schulungsprogramme<br />

und veränderten – nach eingehenden Gesprächen mit den Wohnbereichsteams und<br />

einzelnen Mitarbeitern/innen – auch Dienstzeiten und die Verteilung des Stellenkontingents.<br />

Als hilfreich, weil mit Zeit- und Ressourcengewinn verbunden, erwies sich<br />

auch die Umsetzung der qualifikationsorientierten Arbeitsteilung, die im Konzeptbaustein<br />

der Leistungsbeschreibungen (hier der „mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen“)<br />

empfohlen wurde.<br />

2.2 Entwicklungen im Zusammenhang mit den Leistungsbeschreibungen<br />

Viele der Leistungen, die im Konzeptbaustein „Leistungsbeschreibungen“ beschrieben<br />

sind, wurden von den Referenzeinrichtungen schon zu Beginn des Modellprojekts<br />

erbracht. Gleichwohl machte die Bestandsaufnahme auf Mängel aufmerksam,<br />

die sich <strong>zum</strong> einen auf einzelne Leistungen (z.B. Einzel- und Gruppenangebote zur<br />

Mobilitätsförderung oder zur biografieorientierten psychosozialen Begleitung) bezogen,<br />

<strong>zum</strong> anderen aber auch auf Mängel in der Bedarfsgerechtigkeit (psychosoziale<br />

Angebote erreichten immobile und demente Bewohner/innen nicht in ausreichendem<br />

Maß) und auf die unzureichende Kooperation und Vernetzung von Pflege und Sozialem<br />

Dienst.<br />

Die im Modellprojekt realisierten Verbesserungen bezogen sich deshalb auf eine<br />

Vielzahl unterschiedlicher Schwerpunkte:<br />

Vorhandene Fortbildungspläne <strong>für</strong> die Pflegekräfte wurden überarbeitet und den<br />

herausgearbeiteten fachlichen Qualifizierungsbedarfen angepasst. Eine besondere<br />

Rolle spielte dabei das Stichwort der biografieorientierten Pflege. Vielfach<br />

wurden dabei vorhandene Kompetenzen einzelner Fachkräfte genutzt, die als<br />

Multiplikatoren eingesetzt wurden.<br />

Die Dienstzeiten des Sozialen Dienstes wurden mancherorts verändert, um psychosoziale<br />

Angebote auch in den Abendstunden oder am Wochenende realisieren<br />

zu können.<br />

In einigen Einrichtungen wurde damit begonnen, die Trennung der Bereiche<br />

„Pflege“ und „Sozialer Dienst“ weitgehend aufzuheben und die Fachkräfte des<br />

Sozialen Dienstes den Wohnbereichen zuzuordnen. In anderen Einrichtungen<br />

wurden auch hier die Zuständigkeitsregelungen geschärft und Ablaufregelungen<br />

<strong>für</strong> den wechselseitigen Austausch von Informationen und Erfahrungen sowie<br />

gemeinsame Fallbesprechungen eingeführt.<br />

Neben der zeitlichen gab es vielfach auch eine inhaltliche Ausdifferenzierung von<br />

Angeboten, um auch die bisher tendenziell vernachlässigten Bewohner/innen zu<br />

erreichen. Die Frage, wer durch das vorhandene Angebotsspektrum erreicht<br />

wurde und wer nicht, wurde in vielen Einrichtungen als eine regelmäßig zu wiederholende<br />

systematische Analyse eingeführt.


2.3 Entwicklungen im Zusammenhang mit dem pflegerischen Assessment, der Biografieerfassung<br />

und den Empfehlungen zur Pflegeplanung<br />

Durch den Konzeptbaustein <strong>zum</strong> pflegerischen Assessment entdeckten einige Referenzeinrichtungen<br />

<strong>zum</strong> einen Lücken im bisherigen Verfahren zur Prüfung von Problemen<br />

und Ressourcen ihrer Bewohner/innen. Durch das Projekt wurde das Verfahren in<br />

einigen Einrichtungen deutlich optimiert und erweitert. Dazu wurden oft ergänzende<br />

Erhebungsinstrumente etwa zur Einschätzung kognitiver Einschränkungen, von Dekubitus-<br />

und Sturzrisiken, Schmerz und des Risikos einer Mangelernährung (z.B. Expertenstandards)<br />

in das veränderte Assessmentverfahren integriert. Beim Auffinden solcher<br />

Instrumente gab es Unterstützung seitens des IPW. Darüber hinaus half hier aber<br />

auch der intensive Austausch der Modellbeauftragten untereinander. Aufgenommen<br />

wurde auch die Anforderung, das Assessment regelmäßig zu wiederholen.<br />

Das Konzeptelement zur Erfassung biografischer Informationen war vielfach Auslöser<br />

<strong>für</strong> eine gründliche Überarbeitung und Erweiterung der bis dahin genutzten „Biografiebögen“.<br />

Auch dies war wiederum verbunden mit entsprechenden Schulungen <strong>für</strong><br />

die Pflegefachkräfte. Als hilfreich <strong>für</strong> Verbesserungen erwiesen sich auch hier die<br />

bereits angestoßenen Regelungen zur Vernetzung von Pflege und Sozialem Dienst.<br />

So wurde etwa da<strong>für</strong> gesorgt, dass die biografischen Informationen, die von Pflegekräften<br />

und Fachkräften des Sozialen Dienstes erhoben wurden, tatsächlich zusammengeführt<br />

wurden und in die Pflegeplanung einfließen konnten.<br />

Bezogen auf die Anforderung einer biografieorientierten Pflege sind in vielen den<br />

Referenzeinrichtungen Schulungen zu diesem Schwerpunkt durchgeführt worden.<br />

Besonders nachhaltig wirkten dabei solche Schulungen, die sich nicht auf Vorträge<br />

und kognitive Wissensvermittlung beschränkten, sondern die Bedeutung der Biografieorientierung<br />

über unmittelbares Erleben vermittelten. Exemplarisch da<strong>für</strong> waren Maßnahmen<br />

in einer Einrichtung, wo die Pflegekräfte aufgefordert wurden, den überarbeiteten<br />

Biografiebogen selbst auszufüllen und darüber zu diskutieren, welche Wünsche<br />

und Erwartungen sie selbst an eine biografieorientierte Pflege knüpfen würden.<br />

Zusätzlich zu diesen Schulungen dienten die in vielen Einrichtungen neu etablierten<br />

Fallbesprechungen von Pflege- und Sozialdienstmitarbeiter/innen dazu, die Fortschreibung<br />

biografischer Informationen und deren angemessene Berücksichtigung in<br />

der Pflegeplanung und -praxis zu sichern.<br />

Die Auseinandersetzung mit der vorhandenen Qualität von Pflegeplanung und Pflegedokumentation<br />

hat in vielen Referenzeinrichtungen beträchtlichen Raum eingenommen.<br />

Dabei spielten Fragen, die sich auf die Reduzierung des Dokumentationsaufwandes<br />

bezogen, eine geringere Rolle. Im Vordergrund stand vielmehr die Tauglichkeit<br />

der Ziel- und Maßnahmeplanung <strong>für</strong> die Steuerung des Pflegeprozesses. Dazu<br />

gehörten u.a. Schulungen der Pflegefachkräfte zur Verbesserung der Bedarfsangemessenheit<br />

und des logischen Zusammenhangs von Problemen, Ressourcen,<br />

Zielen und Maßnahmen, sowie die Einführung von Tagesablaufplänen. Verbessert<br />

wurde vielfach auch die Erstellung von Tagesberichten: Maßgabe war hier, nicht nur<br />

Ereignisse oder gar die Durchführung geplanter Maßnahmen festzuhalten, sondern<br />

solche Besonderheiten, die <strong>für</strong> die nachfolgende Schicht wichtige Hinweise <strong>für</strong> die<br />

Pflege und die Pflegeprozesssteuerung hergaben.<br />

37


Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

2.4 Entwicklungen im Zusammenhang mit den Rahmenkonzepten zur Qualitätssicherung<br />

38 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die „Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung in zentralen Arbeitsfeldern“ umfassen<br />

– wie bereits erwähnt – sechs Einzelkonzepte zu den Schwerpunkten:<br />

Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung,<br />

Zusammenarbeit mit Angehörigen,<br />

Nächtliche Versorgung,<br />

Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen,<br />

Kooperation mit niedergelassenen Ärzten/innen,<br />

Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten<br />

Die Anforderungen der Konzeptbausteine beziehen sich auf die Gestaltung eindeutiger<br />

Rahmenbedingungen und Zuständigkeitsregelungen und auf die inhaltliche<br />

Gestaltung bestimmter Schritte in diesen Prozessabläufen. Sie sind durchaus als Rahmenkonzepte<br />

<strong>für</strong> die Abfassung von QM-Handbuchkapitel zu „Schlüsselprozessen“<br />

in jeder stationären Altenpflegeeinrichtung anzusehen. Die Referenzeinrichtungen<br />

mit einem bereits recht weit entwickelten Qualitätsmanagement verfügten deshalb<br />

schon zu Beginn des Projekts über entsprechende Kapitel und Abschnitte in ihren<br />

QM-Handbüchern. Andere Einrichtungen profitierten davon, die Einzelkonzepte zu<br />

erstellen und so das noch unvollständige Qualitätsmanagement zu erweitern und zu<br />

qualifizieren.<br />

Die zahlreichen Entwicklungen und Verbesserungen, die durch die Rahmenkonzepte<br />

zur Qualitätssicherung angestoßen wurden, können in den folgenden Abschnitten<br />

nur bezogen auf die wichtigsten Aspekte skizziert werden.<br />

Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung<br />

Die wichtigsten Veränderungen, die bezogen auf dieses Konzeptelement in Referenzeinrichtungen<br />

realisiert wurden, richteten sich auf ein verbessertes Schnittstellenmanagement<br />

und auf die intensivere und sorgfältigere Begleitung und Auswertung der<br />

Integrationsphase.<br />

Was das Schnittstellenmanagement betraf, so ging es – neben der auch hier wieder<br />

notwendigen Kooperation zwischen Sozialem Dienst und Pflege – um das koordinierte<br />

Zusammenwirken dieser Bereiche auch mit Verwaltung und Hauswirtschaft.<br />

Von vielen Einrichtungen wurden <strong>für</strong> die Begleitung der Eingewöhnungsphase Prozessstandards<br />

definiert, durch die gesichert wurde, dass mit neuen Bewohner/innen<br />

regelmäßig über ihrer Befindlichkeit in der ungewohnten Umgebung und ihre Wünsche<br />

gesprochen wurde.<br />

Manche Einrichtungen haben sich darauf verständigt, dass in Übergaben und bei<br />

Fallgesprächen neue Bewohner/innen immer besonders zu berücksichtigen sind.<br />

Man tauschte sich z.B. darüber aus,<br />

ob es Äußerungen oder Hinweise darauf gibt, dass ein/e neue/r Bewohner/in<br />

sich wohl fühlt oder nicht, bzw. ob die Angehörigen zufrieden sind und wie diese<br />

in der Begleitung genutzt bzw. abgestellt werden können,<br />

ob Be<strong>für</strong>chtungen, Ängste, Beschwerden formuliert werden und wie darauf zu reagieren<br />

ist,<br />

ob es Themen, Interessen, Formen der Kontaktaufnahme o.ä. gibt, die dem/der<br />

Bewohner/in besonders wichtig sind,<br />

welche Verhaltensweisen der/die Bewohner/in an den Tag legt und wie diese zu<br />

verstehen sind,<br />

welche biografischen Informationen <strong>für</strong> die ressourcenorientierte und psychosoziale<br />

Unterstützung und Begleitung des(der) Bewohner/in relevant sein könnten.


Eine weitere Lücke in den vorhandenen QM-Handbüchern bzw. In der Pflegepraxis<br />

betraf das vom Rahmenkonzept geforderte Integrationsgespräch, das innerhalb der<br />

ersten sechs Wochen nach Einzug eines(einer) neuen Bewohners/in durchzuführen<br />

ist. Umgesetzt wurde diese Anforderung in vielen Referenzeinrichtungen durch die<br />

Verbindung dieses Integrationsgesprächs mit der ersten Pflegevisite bzw. Pflegeevaluation.<br />

Zusammenarbeit mit Angehörigen<br />

Das Rahmenkonzept zur Zusammenarbeit mit Angehörigen beinhaltet Anforderungen,<br />

die deutlich machen, dass zwar an erster Stelle die Bewohner/innen selbst, darüber<br />

hinaus aber auch die Angehörigen als Leistungsadressaten und in gewisser<br />

Weise auch als Mitwirkende am Leistungsgeschehen betrachtet werden.<br />

Schon vor Projektbeginn wurde in allen Referenzeinrichtungen gut mit den meisten<br />

Angehörigen von Bewohnern/innen zusammengearbeitet. Abweichungen von den<br />

Anforderungen des Rahmenkonzepts bezogen sich vor allem auf die folgenden<br />

Punkte:<br />

Eine überwiegend konzeptkonforme gelebte Praxis war nicht durch Verfahrensanweisungen<br />

bzw. QM-Handbuchkapitel standardisiert und somit nicht hinreichend<br />

verlässlich.<br />

Die Dokumentation relevanter Gesprächinhalte nach Kontakten mit Angehörigen<br />

fand vielfach nicht statt.<br />

Die Einbeziehung von Angehörigen in die Pflegeplanung, vor allem aber in die<br />

Pflegepraxis war in einem Teil der Einrichtungen entwicklungsbedürftig. Ersteres<br />

beschränkte sich vielfach auf Gespräche im Rahmen der Pflegevisite, der zweite<br />

Punkt wurde allzu zufällig realisiert und war z.B. abhängig von Fragen des Zeitdrucks<br />

<strong>für</strong> die Pflegekräfte in bestimmten Pflegephasen oder auch von dem jeweils<br />

individuellen Bezug einzelner Pflegekräfte zu einzelnen Angehörigen.<br />

In einigen Häusern fühlten sich die Pflegekräfte nicht kompetent genug, um auch<br />

schwierige und konfliktträchtige Kontakte mit Angehörigen zu meistern.<br />

Zur Behebung dieser Mängel haben viele der Referenzeinrichtungen ihre Verfahrensstandards<br />

<strong>für</strong> den Umgang mit Angehörigen und <strong>für</strong> ein kundenorientiertes Beschwerdemanagement<br />

entsprechend der Vorgaben überarbeitet und konkretisiert. Um den<br />

Kontakt zwischen Pflegekräften und Angehörigen zu intensivieren, wurden darüber<br />

hinaus in vielen Einrichtungen bestehende zentrale Angebote (z.B. zentrale<br />

Angehörigenabende) zugunsten wohnbereichsbezogener Treffen abgeschafft oder<br />

minimiert. Diese wohnbereichsbezogenen Angebote führten oft zu einer merklichen<br />

Klimaverbesserung zwischen Pflegekräften und Angehörigen und beugten möglichen<br />

Konflikten vor.<br />

Nächtliche Versorgung<br />

Das Rahmenkonzept zur nächtlichen Versorgung wurde relativ spät im Projektverlauf<br />

vorgelegt. In dieser Zeit waren die Referenzeinrichtungen damit beschäftigt, die vorher<br />

eingebrachten Konzeptbausteine einzuführen und zu erproben. Deshalb ist es<br />

nicht allen Einrichtungen schon während der Modelllaufzeit gelungen, ein schriftliches<br />

Konzept zu diesem Baustein zu erarbeiten und umzusetzen.<br />

Allerdings hat die Auseinandersetzung, die in den meisten Einrichtungen <strong>zum</strong> Thema<br />

Nachtdienst stattgefunden hat, an verschiedenen Stellen <strong>für</strong> Verbesserungen gesorgt.<br />

Die Mitarbeiter/innen wurden da<strong>für</strong> sensibilisiert, sich so zu verhalten, dass sie die<br />

Nachtruhe von Bewohner/innen – etwa durch quietschendes Schuhwerk oder zu<br />

helle Lampen u.a. – nicht störten. Vielfach wurden die Arbeitsabläufe genauer analysiert<br />

und optimiert. Manche mittelbar bewohnerbezogenen Tätigkeiten – wie das<br />

Stellen der Medikamente oder das Herauslegen von Kleidungsstücken <strong>für</strong> das Ankleiden<br />

am Morgen u.ä. – konnte in den vorausgehenden bzw. folgenden Dienst verla-<br />

39


Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

40 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

gert werden. Dadurch gewannen die Nachtdienstmitarbeiter/innen Zeit <strong>für</strong> persönliche<br />

Gespräche und Kontakte mit Bewohner/innen, insbesondere mit solchen, deren<br />

Tag-Nacht-Rhythmus verändert war und die sich über eine persönliche Kontaktaufnahme<br />

freuten.<br />

Gleichzeitig waren die Nachtdienstmitarbeiter/innen angehalten, genau auf das Verhalten<br />

von Bewohner/innen während der Nacht zu achten und Besonderheiten in<br />

den Tagesberichten zu dokumentieren. Für Bewohner/innen, die in der Nacht wach<br />

und aktiv waren, wurde auf den Wohnbereichen die Möglichkeit geschaffen, sich mit<br />

Getränken und einem Imbiss zu versorgen. Wo dies durch die Architektur möglich<br />

war, wurden auch separate Sitzecken oder Räume <strong>für</strong> ein spätes Zusammensitzen<br />

oder Fernsehen eingerichtet.<br />

Einige Referenzeinrichtungen veränderten die Dienstzeiten von Spät-, Früh- und<br />

Nachtdienst. Durch eine Verlängerung des Spätdienstes oder den früheren Arbeitsbeginn<br />

am Morgen wurde die Voraussetzung da<strong>für</strong> geschaffen, dass die<br />

Bewohner/innen in stärkerem Maße selbst bestimmen konnten, wann sie zu Bett<br />

gehen oder aufstehen wollten.<br />

Einige Einrichtungen haben wechselseitige Hospitationen von Tag- und Nachtdienst<br />

eingeführt. Teilweise waren dies nicht nur Ausnahmeregelungen. Vielmehr waren die<br />

Pflegekräfte die tagsüber bzw. in der Nacht arbeiteten, gefordert, in jedem Jahr<br />

einen definierten Zeitraum in der jeweils anderen Schicht Dienst zu tun. Zur Verbesserung<br />

der Kommunikation zwischen Nacht- und Tagdienst trug auch die Regelung<br />

bei, dass in den Teamsitzungen der Wohnbereiche künftig ein/e Nachtdienstmitarbeiter/in<br />

einbezogen sein sollte.<br />

In manchen Referenzeinrichtungen war der Konzeptbaustein zur nächtlichen Versorgung<br />

Auslöser oder Ansporn <strong>für</strong> weit reichende Veränderungen bzw. Planungen.<br />

Diese bezogen sich auf das Konzept der „24-Stunden-Pflege“: Mittelfristig soll<br />

erreicht werden, dass alle Pflegekräfte alle Dienstzeiten abdecken und es keine<br />

eigene Mitarbeitergruppe <strong>für</strong> den Nachtdienst mehr gibt. Die 24-Stunden-Pflege wird<br />

durch das Konzeptelement nicht eingefordert, allerdings erleichtert sie die Umsetzung<br />

einiger inhaltlicher Anforderungen.<br />

Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen<br />

Aus der Sicht der Modellbeauftragten und Einrichtungen bestanden Schwierigkeiten<br />

vor allem in Bezug auf die Anforderung einer kontinuierlichen Begleitung eines(einer)<br />

sterbenden Bewohners/in. Aus Sicht der Organisationsberatung gab es darüber hinaus<br />

auch Unterschiede in Bezug auf die Kompetenz der Pflegekräfte, dem(der)<br />

Bewohner/in in dieser schwierigen Phase beizustehen.<br />

Für die angemessene Begleitung eines sterbenden Menschen und seiner Angehörigen<br />

mussten entsprechende Rahmenbedingungen in den Einrichtungen geschaffen<br />

werden. Festgelegt wurde z.B., dass die Sterbebegleitung Vorrang vor anderen<br />

Tätigkeiten erhalten sollte. Kündigte sich das Versterben eines/einer Bewohners/in<br />

an, musste eine unverzügliche Anpassung der individuellen Versorgung erfolgen.<br />

Um die Begleitung sterbender Bewohner aber auch die Sensibilisierung und Qualifizierung<br />

der Pflegekräfte zu sichern, kooperierten einige der Referenzeinrichtungen<br />

mit Hospizdiensten und freiwilligen Helfern/innen. Teil solcher Kooperationen war<br />

manchmal auch die systematische Fortbildung einiger Multiplikatoren/innen – in einigen<br />

Einrichtungen auch aller Mitarbeiter/innen.


Kooperation mit niedergelassenen Ärzten und Überleitungsverfahren<br />

bei Krankenhausaufenthalten<br />

Im Unterschied zu den anderen Rahmenkonzepten des <strong>Referenzmodell</strong>s ging es hier<br />

nicht nur um die Entwicklung solcher Qualitätsstandards, die in der alleinigen Verantwortung<br />

der Einrichtungen lagen. Vielmehr setzte die Umsetzung der Anforderungen<br />

eine grundlegende Kooperationsbereitschaft der externen Partner voraus. Diese zu<br />

erreichen war insbesondere bezogen auf die Ärzte schwierig und nicht immer erfolgreich.<br />

Das zentrale Ergebnis der Bearbeitung dieser Konzeptbausteine bestand in der intensiven<br />

Auseinandersetzung mit hausinternen Mängeln und Schwächen, die zu Kooperationsproblemen<br />

beitrugen. Solche Ergebnisse waren aus zwei Gründen wichtig.<br />

Zum Einen zeigten sie Handlungsspielräume <strong>für</strong> eigene, selbst zu gestaltende Verbesserungen<br />

auf und entkräfteten die manchmal wahrzunehmende Haltung, die Verantwortung<br />

<strong>für</strong> vorhandene Schwierigkeiten einseitig den externen Kooperationspartnern<br />

zuzuschieben.<br />

Zum Anderen boten sie die Basis <strong>für</strong> eine kompetente Verhandlungsführung mit dem<br />

jeweiligen Gegenüber. Indem man die Bearbeitung und Eliminierung der in der eigenen<br />

Institution vorhandenen Mängel ankündigte oder bereits vollzogen hatte, formulierte<br />

man nicht nur Wünsche, sondern konnte auch Angebote unterbreiten, die <strong>für</strong><br />

die Bewohner/innen, aber auch <strong>für</strong> Ärzte und Krankenhäuser von Nutzen waren.<br />

Umgesetzte Verbesserungen in der Kooperation mit niedergelassenen Ärzten bezogen<br />

sich im Einzelnen auf die<br />

bessere inhaltliche und personelle Vorbereitung und Koordination von Arztbesuchen<br />

in der Einrichtung,<br />

Sicherung gegenseitiger Erreichbarkeit im Notfall.<br />

Realisierte Verbesserungen in der Überleitung bei Krankenhausaufenthalten bezogen<br />

sich im Einzelnen auf<br />

die gemeinsame Überarbeitung der Überleitungsbögen,<br />

eine qualitative Verbesserung beim Ausfüllen der Überleitungsbögen (dies beinhaltete<br />

auch eine größere Sensibilisierung der Mitarbeiter/innen und eine verstärkte<br />

Kontrolle durch die Wohnbereichsleitungen),<br />

ein einheitliches Fax-Formular <strong>für</strong> die Kontakte zwischen Pflegeeinrichtungen und<br />

Krankenhäusern,<br />

die Bereitstellung von Notfalltaschen und Erstellung entsprechender Checklisten,<br />

sowie die Versorgung der Bewohner/innen im Krankenhaus mit Wäsche etc.,<br />

die Aufrechterhaltung von Kontakten zu Bewohner/innen in Krankenhäusern,<br />

den laufenden Informationsaustausch durch die Benennung fester Ansprechpartner/innen<br />

<strong>für</strong> die Krankenhäuser in den Altenpflegeeinrichtungen. Meist war dies<br />

die Pflegedienstleitung,<br />

umgehende gegenseitige Kontaktaufnahme bei dem Verdacht von pflegerischen<br />

Problemen,<br />

eine umgehende Anpassung der Pflegeplanung nach der Krankenhausentlassung.<br />

41


Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

2.5 Übergreifende Aspekte der Organisationsentwicklung<br />

42 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Jeder Organisationsentwicklungsprozess braucht entsprechende Rahmenbedingungen.<br />

Die entstehenden Anforderungen sind im Rahmen gegebener Aufbaustrukturen<br />

und Ablaufregelungen nicht zu bewältigen. Deshalb war die erste Phase des Modellprojekts<br />

dadurch gekennzeichnet, viele der Referenzeinrichtungen zu einem angemessenen<br />

Projektmanagement zu befähigen. Nicht alle brachten aus früheren Prozessen<br />

entsprechende Kompetenzen bereits mit. Aufgabe der Berater/innen war es,<br />

gemeinsam mit den Modellbeauftragten die Projektinstanzen (Steuerungsgruppe,<br />

hausinterne Projektleitung, operative Projektgruppen mit Mitarbeiterbeteiligung) zu<br />

installieren und teilweise auch zu qualifizieren. Diese Strukturen und der erzielte<br />

Kompetenzgewinn haben nicht nur die erzielten Entwicklungsergebnisse ermöglicht,<br />

sie erleichtern es den Referenzeinrichtungen auch, noch nicht abgeschlossene Entwicklungen<br />

weiter zu verfolgen.<br />

In den Prozessen der Erprobung und Umsetzung der Konzeptbausteine wurde deutlich,<br />

dass die Steuerung der Leistungsprozesse im Sinne eines fachlichen Controllings<br />

in einigen Punkten verbesserungsbedürftig war. Im Projekt wurde deshalb darauf hingewirkt,<br />

die Nachhaltigkeit der Konzeptumsetzung im Rahmen eines verbindlichen<br />

Qualitätsmanagements zu sichern. Um dies zu erreichen wurden in mehreren Referenzeinrichtungen<br />

klare Vorgaben <strong>für</strong> die Vollständigkeits- und Plausibilitätsprüfung<br />

von Pflegeplanungen, die Evaluation der Pflegeplanung und die Pflegevisite, aber<br />

auch <strong>für</strong> die alltägliche Leistungskontrolle und Mitarbeiterführung erarbeitet. In den<br />

Einrichtungen, die schon zuvor über ein weit entwickeltes Qualitätsmanagement verfügten,<br />

wurden die Veränderungen in das bestehende Steuerungsreglement integriert.<br />

In solchen Einrichtungen, in denen sich das Qualitätsmanagement noch im<br />

Aufbau befand oder vorhandene Regelungen noch nicht verbindlich genug eingehalten<br />

und überprüft wurden, konnten entsprechende Verfahren eingeführt oder reaktiviert<br />

werden.


3. Zusammenfassung:<br />

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Umsetzungsprozess<br />

Die Referenzeinrichtungen starteten mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in<br />

das Modellprojekt. Es lag nahe zu vermuten, dass in solchen Einrichtungen, in denen<br />

vorab bereits viele Anforderungen der Konzeptbausteine erfüllt waren, die Umsetzung<br />

der Elemente, die noch zu verändern waren, reibungsloser vor sich gehen würde.<br />

Überwiegend bestätigte sich dies, aber in Einzelfällen wurde auch deutlich, dass<br />

einige Einrichtungen mit ungünstigerer Ausgangssituation die Anforderungen schneller<br />

und erfolgreicher bearbeiten konnten als solche, die bessere Voraussetzungen<br />

hatten. Auch bei Einrichtungen mit weitgehend ähnlicher Ausgangssituation zeigten<br />

sich deutliche Unterschiede im Prozess der Erprobung und Umsetzung. Manche Referenzeinrichtungen<br />

legten in der Projektlaufzeit einen bemerkenswert weiten Entwicklungsweg<br />

zurück, in anderen vollzogen sich die Prozesse deutlich langsamer und hatten<br />

mehr Hindernisse zu bewältigen.<br />

Die in den folgenden Abschnitten beschriebenen Merkmale waren in den Referenzeinrichtungen<br />

in vielen unterschiedlichen Kombinationen vorhanden. Es gab praktisch<br />

keine Einrichtung, in der alle Merkmale nur in positiver oder nur in negativer<br />

Ausprägung vorhanden waren. Mehrfach war beobachtbar, dass ein paar der eher<br />

hinderlichen Faktoren durch das Vorhandensein positiver Merkmale in ihrer Wirkung<br />

abgeschwächt wurden – und umgekehrt.<br />

Aus Sicht der Organisationsberatung waren es die folgenden Merkmale, die <strong>für</strong> den<br />

zügigen Entwicklungsfortschritt besonders bedeutsam waren:<br />

Ein nicht nur oberflächliches, sondern konkret entwickeltes Zieleinverständnis zwischen<br />

Träger, Einrichtungs- und Pflegedienstleitung sorgte in den Referenzeinrichtungen<br />

<strong>für</strong> Handlungsfähigkeit und <strong>für</strong> beschleunigte Prozesse der Abstimmung<br />

und Entscheidung.<br />

Mangelnde Eindeutigkeit, Zielangemessenheit und Transparenz der Aufbau- und<br />

Ablauforganisation sorgte in manchen Einrichtungen <strong>für</strong> Verzögerungen der<br />

Umsetzungsprozesse. Günstige Voraussetzungen hatten hier die Referenzeinrichtungen,<br />

• bei denen Zuständigkeiten und Kompetenzen eindeutig geklärt waren, mit<br />

besonderem Augenmerk auf den Schnittstellen zwischen Pflege, Sozialem Dienst<br />

und Hauswirtschaft,<br />

• die eine enge Zusammenarbeit zwischen Sozialem Dienst und Pflege bereits vor<br />

Beginn des Modellprojekts verwirklicht hatten,<br />

• die bereits vor dem Projekt mit einem Bezugspflegesystem arbeiteten, das auch<br />

bei Ausfällen und Störungen eingehalten wurde.<br />

In einigen Einrichtungen gab es zwar sinnvolle Ablaufregelungen <strong>für</strong> wichtige Prozesse<br />

im Sinne des Qualitätsmanagements, es wurde aber kaum auf die Einhaltung<br />

dieses Reglements geachtet. Hilfreich war dagegen, wenn das vorhandene<br />

Qualitätsmanagement im Alltag tatsächlich handlungsleitende Funktion hatte.<br />

Als ein positiver Einflussfaktor ist eine gute Mitarbeiterführung zu betrachten.<br />

Kompetentes Führungshandeln, wie es in vielen der Referenzeinrichtungen zu<br />

beobachten war, zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass<br />

• Vorhandene Regelungen verbindlich eingehalten und ihre Einhaltung von den<br />

Mitarbeiter/innen auch unmissverständlich eingefordert wurde,<br />

• den Mitarbeiter/innen grundsätzlich wertschätzend begegnet wurde,<br />

• die Beteiligung der Mitarbeiter/innen am Prozess der Organisationsentwicklung<br />

gesichert und Ergebnisse solcher Beteiligung ernst genommen wurde,<br />

• Leistungsmängel frühzeitig und angemessen thematisiert und bearbeitet wurden.<br />

43


Zusammenfassung Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

44 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Zu den förderlichen Faktoren gehörte schließlich auch die Personalentwicklung. In<br />

den Referenzeinrichtungen, die durch ein umfassenderes Verständnis von Personalentwicklung<br />

gekennzeichnet waren, war beobachtbar, dass<br />

• die Personalauswahl mit großer Sorgfalt betrieben wurde,<br />

• systematische Fortbildungspläne erstellt wurden, an deren Inhalten die Mitarbeiter/innen<br />

beteiligt waren,<br />

• die kompetente Pflegeprozesssteuerung regelmäßig durch die Leitungskräfte<br />

überprüft und bei Mängeln nachgeschult wurde,<br />

• interne Multiplikatoren/innen systematisch aufgebaut und eingesetzt wurden,<br />

• Anstrengungen zur Erweiterung fachlicher Kompetenz einher gingen mit der<br />

Bearbeitung von Haltungsfragen (Bewohnerorientierung, Biografieorientierung,<br />

Ressourcenorientierung)<br />

• Ehrenamtliche Unterstützung systematisch eingeworben und begleitet wurde.<br />

Von Bedeutung waren schließlich auch Kompetenz und Status der Modellbeauftragten.<br />

Hier hatten es diejenigen leichter, die aus der zuvor ausgeübten Funktion<br />

als Qualitätsbeauftragte oder als Leitungskräfte bereits Übung und Erfahrung mit<br />

vergleichbaren Aufgabenstellungen mitbrachten. Auch wenn nicht jeder mit solchen<br />

Voraussetzungen startete, so haben alle einen enormen Entwicklungsprozess<br />

gemeistert, der auch die Entwicklung eigener fachlicher Kompetenzen und „soft<br />

skills“ einschloss. Ohne die Modellbeauftragten wäre es nicht möglich gewesen,<br />

die anspruchsvollen Ziele des Modellprojekts zu verwirklichen. Sie waren die<br />

„change agents“ in den Einrichtungen.


Zusammenfassung<br />

Teilbericht 4:<br />

Bewertung der<br />

Evaluationsergebnisse<br />

Verfasser/innen:<br />

Marion Menke, Uta Vogelwiesche, Andrea Kuhlmann, Ingo Kowalski,<br />

Eckart Schnabel unter Mitarbeit von Lena Oesterlen<br />

Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund (FFG)<br />

45


Zusammenfassung Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

46 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6


Inhalt<br />

1. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48<br />

2. Ausgangssituation in den Referenzeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48<br />

3. Abschließende Bewertung der Evaluationsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50<br />

47


Zusammenfassung Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

1. Methodisches Vorgehen<br />

48 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Um die Implementierung und Umsetzung der konzeptionellen Kernelemente in den<br />

20 Referenzeinrichtungen analysieren zu können, wurde ein umfassendes Evaluationskonzept<br />

umgesetzt. Folgende Aspekte wurden dabei berücksichtigt: formative<br />

und summative Evaluation, Messwiederholungsdesign, Erhebung und Auswertung<br />

qualitativer und quantitativer Daten, Befragung unterschiedlicher Quellen (Mitarbeiter/innen,<br />

Bewohner/innen, Angehörige, freiwillige Helfer/innen, Leitungskräfte,<br />

Modellbeauftragte); Einsatz verschiedener Datenerhebungsmethoden (schriftliche<br />

Befragung, mündliche Befragung, Verlaufsprotokolle, Dokumentenanalyse).<br />

2. Ausgangssituation in den Referenzeinrichtungen<br />

Wie sind die Einrichtungsstrukturen zu beschreiben?<br />

Für die Durchführung des Modellprojektes wurden in Nordrhein-Westfalen 20 Einrichtungen<br />

der vollstationären Altenpflege ausgewählt. Die Größe der Einrichtungen,<br />

gemessen an der Zahl der verfügbaren Plätze, lag zwischen 60 und 206 Plätzen, im<br />

Mittel bei 110. In den Modellheimen wurden im Durchschnitt 108 Pflegebedürftige<br />

betreut. Erwartungsgemäß überwog in den Einrichtungen mit durchschnittlich 82,4%<br />

der Anteil der Bewohnerinnen. Des Weiteren war Hochaltrigkeit kennzeichnend <strong>für</strong><br />

die Bewohnerschaft: das Alter der Bewohner/innen lag im Durchschnitt bei 83,2 Jahren<br />

4 . Die gegenwärtige durchschnittliche Verweildauer betrug nach eigenen Berechnungen<br />

der Heime 42 Monate 5 . In den Referenzeinrichtungen überwog die Pflegestufe<br />

II mit im Mittel 42%, gefolgt von den Pflegestufen I (29%) und III (21%), die Pflegestufe<br />

0 war mit ca. 7% eher selten. In fünf Einrichtungen waren Bewohner/innen<br />

in Pflegestufe III (Härtefallregelung); ihr Anteil fiel im Durchschnitt mit 2,8% sehr<br />

gering aus. Die Verteilung der Pflegebedürftigen nach Pflegestufen in den zwanzig<br />

Modelleinrichtungen stimmte mit geringfügigen Abweichungen mit der landesdurchschnittlichen<br />

Pflegestufenverteilung der Pflegebedürftigen in Pflegeheimen in Nordrhein-Westfalen<br />

(Statistisches Bundesamt, 2005) überein.<br />

Für die Beschreibung der Mitarbeiterstruktur in den Referenzeinrichtungen werden<br />

die Qualifikation und das Beschäftigungsverhältnis, die Fachkraftquote, die gemäß<br />

Heimpersonalverordnung mindestens 50% betragen muss, und die Betreuungsrelation<br />

dargestellt. Zum Projektbeginn überwogen in der Gruppe der Pflegefachkräfte<br />

die Altenpfleger/innen mit einem Anteil von 40% am gesamten betreuenden Personal.<br />

Auf Krankenpfleger/innen entfielen 10%. Bei den Hilfskräften stellten die angelernten<br />

Mitarbeiter/innen den größten Anteil (31%), gefolgt von einjährig qualifizierten<br />

Hilfskräften (Alten- und Krankenpflegehelfer/innen) (8%). Betrachtet man die Mitarbeiter/innen<br />

6 der beteiligten Einrichtungen nach Beschäftigungsverhältnis, fällt auf,<br />

dass die meisten Fachkräfte über ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis verfügten oder<br />

mit mehr als 50% Beschäftigungsumfang einer Teilzeitbeschäftigung nachgingen. Bei<br />

4 Die Einrichtungen wurden gebeten, nach eigenen Berechnungen Angaben <strong>zum</strong> durchschnittlichen Alter der Bewohnerschaft zu machen;<br />

hier liegen Angaben von 19 Einrichtungen vor. Eine Ausnahme stellt eine Einrichtung mit einem Angebotsschwerpunkt <strong>für</strong> junge Pflegebedürftige<br />

dar: hier beträgt das Alter der Bewohnerschaft durchschnittlich 72,8 Jahre.<br />

5 Hier lagen Angaben von 15 Einrichtungen vor.<br />

6 Die Berechnung schließt hier Mitarbeiter/innen der Arbeitsbereiche Pflege und der Sozialen Betreuung ein.


den Hilfskräften entfielen hingegen auf Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse<br />

(50% und weniger Beschäftigungsumfang) sowie geringfügig Beschäftigte<br />

jeweils etwas mehr als 20%.<br />

Die Fachkraftquote, d. h. der Anteil der Pflegefachkräfte am gesamten pflegerischen<br />

Personal lag <strong>zum</strong> Projektbeginn im Mittel bei 54,9 %. Neben der Fachkraftquote<br />

kommt dem Personalschlüssel – also der Gewichtung des Personalbestandes an der<br />

Zahl der betreuten Bewohner/innen – Bedeutung zu. Die Betreuungsrelation gibt an,<br />

wie viele Heimbewohner/innen (X) durchschnittlich von einer (1) Vollkraft (in der<br />

Pflege und Betreuung tätiges Personal, ohne Zivildienstleistende) betreut werden. In<br />

den Referenzeinrichtungen ergab sich im Durchschnitt eine Betreuungsrelation von<br />

1 : 2,5 Pflegebedürftigen (Pflegestufe 0– III) je Betreuungskraft (umgerechnet auf Vollzeitstellen,<br />

ohne Zivildienstleistende 7 ). Die Spannweite lag zwischen 1 : 1,9 und<br />

1 : 3,3.<br />

Es ist weitgehend – mit Ausnahme der Einrichtungsgröße – gelungen, die Referenzeinrichtungen<br />

so auszuwählen, dass sie als repräsentativ <strong>für</strong> alle Einrichtungen der<br />

stationären Altenpflege in Nordrhein-Westfalen angesehen werden können.<br />

Wie stellte sich die Situation in den Einrichtungen aus Sicht der Bewohner/innen<br />

und Mitarbeiter/innen dar?<br />

Die Bewohner/innen waren mit ihrer Lebenssituation im Heim zwar insgesamt zufrieden,<br />

äußerten im Detail jedoch Kritik in verschiedenen Bereichen, so dass aus ihrer<br />

Sicht Handlungsbedarf <strong>für</strong> eine Verbesserung der Strukturen und Prozesse bestand.<br />

Am häufigsten kritisierten die Bewohner/innen Mängel im Bereich des Umgangs der<br />

Mitarbeiter/innen mit den Bewohnern/innen sowie im Hinblick auf ihre sozialen<br />

Kontakte und die Mahlzeiten.<br />

Auch die Sicht der Mitarbeiter/innen war generell positiv: so beschrieben sie<br />

mäßige Arbeitsbelastungen, ein gutes Arbeitsklima und eine hohe Arbeitszufriedenheit.<br />

Als stark belastend wurde lediglich der Zeitdruck eingeschätzt. Besonderen<br />

Handlungsbedarf im Hinblick auf die Verbesserung der Bewohnersituation sahen die<br />

Mitarbeiter/innen bei der Betreuung und Versorgung demenziell erkrankter Bewohner/innen.<br />

Die interne Organisation und Kommunikation, verschiedene Qualitätssicherungsinstrumente<br />

sowie Angebote der Einrichtung <strong>für</strong> die Mitarbeiter/innen wurden<br />

ebenfalls gut bewertet – lediglich ein Supervisionsangebot wurde in der Regel<br />

nicht vorgehalten.<br />

Wie sind die konzeptionellen Grundlagen hinsichtlich der Projektbausteine<br />

in den Einrichtungen zu bewerten?<br />

In allen Modelleinrichtungen waren konzeptionelle Grundlagen vorhanden, auf welche<br />

im späteren Projektverlauf aufgebaut werden konnte. Anpassungen mussten allerdings<br />

in allen Einrichtungen erfolgen. Es gab dabei sowohl Häuser, die unter günstigen<br />

Ausgangsbedingungen in das Modellprojekt starteten und bereits viele der<br />

Anforderungen erfüllten, aber auch solche, die durch das Projekt mit einer Vielzahl<br />

neuer Anforderungen konfrontiert wurden. Und es gab Einrichtungen, bei denen<br />

bezogen auf einzelne Konzeptbausteine das eine, bezogen auf andere Bausteine<br />

aber auch das andere zutraf.<br />

7 Schüler/innen/Auszubildende, Teilnehmer/innen des Freiwilligen Sozialen Jahres sowie Praktikant/innen wurden nicht in die Berechnung<br />

einbezogen.<br />

49


Zusammenfassung Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

3. Abschließende Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

50 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Grundsätzlich sei dokumentiert, dass die Projektlaufzeit mit einer Dauer von ca. zwei<br />

Jahren sehr kurz erscheint, wenn man bedenkt, dass in dem Zeitraum die vielschichtigen<br />

Konzeptbausteine zunächst entwickelt und abgestimmt werden mussten, bevor<br />

sie in der Pflegepraxis erprobt werden konnten. Vor diesem Hintergrund soll<br />

grundsätzlich festgehalten werden, dass die Erprobung der Bausteine und die Veränderungen<br />

der Arbeitsorganisation mit Unterstützung der Organisationsberatung in<br />

einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum stattgefunden haben und die Einrichtungen<br />

insgesamt vielfältige Umsetzungsschritte geleistet haben. Der Stand der Umsetzung<br />

war in den Einrichtungen <strong>zum</strong> Ende der Projektlaufzeit unterschiedlich: Einige konnten<br />

bestimmte Konzeptbausteine vollständig umsetzen, waren da<strong>für</strong> bei der Umsetzung<br />

anderer Bausteine noch nicht so weit vorangeschritten, andere konnten aufgrund<br />

einer guten Ausgangslage die meisten Bausteine umsetzen, wieder andere<br />

haben zahlreiche Anforderungen aus allen Bausteinen umsetzen können, da<strong>für</strong> aber<br />

Bausteine mit empfehlendem Charakter zurückgestellt.<br />

Wie sind die strukturellen Rahmenbedingungen in den stationären<br />

Pflegeeinrichtungen zu bewerten und welche Schlussfolgerungen<br />

ergeben sich daraus <strong>für</strong> eine erfolgreiche Umsetzung der Konzeptbausteine?<br />

In den meisten Bereichen der Strukturdaten (z.B. Heimentgelte, Auslastung, Pflegestufenverteilung,<br />

Personalstruktur) waren am Projektende im Vergleich <strong>zum</strong> Projektbeginn<br />

nur geringfügige Veränderungen zu verzeichnen. So gab es lediglich deutliche<br />

Veränderungen hinsichtlich der Beschäftigungsverhältnisse: bei den Pflegefachkräften<br />

zeichnete sich ein Trend zu mehr Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen mit höherem<br />

Beschäftigungsumfang ab (mehr als 50% der regulären wöchentlichen Arbeitszeit).<br />

Darüber hinaus planten einzelne Heime, zukünftig aufbauorganisatorische Veränderungen<br />

und Anpassungen von Dienstzeiten der Beschäftigten im Arbeitsbereich<br />

Pflege (insbesondere Anpassung der Spät- und Nachtdienste) und <strong>für</strong><br />

Mitarbeiter/innen des Sozialen Dienstes (z.B. Einführung von Abend-/Wochenenddiensten)<br />

vorzunehmen. Da derartige strukturelle Anpassungen langfristige Vorbereitungen<br />

erfordern, konnten diese innerhalb der Projektlaufzeit nicht (mehr) in den Einrichtungen<br />

realisiert werden.<br />

Im Bereich der Qualitätsentwicklung/-sicherung berichteten alle Einrichtungen über<br />

positive Veränderungen; ungeachtet der jeweiligen Ausgangssituation und der z.T.<br />

aufwändigen Abstimmungsprozesse, z.B. mit übergeordneten Stellen der Träger,<br />

wurden die Projektanforderungen mehrheitlich als anschlussfähig bezeichnet. Aus<br />

Sicht der Einrichtungsleitungen wurde einerseits der Aufwand <strong>für</strong> die Einführung und<br />

Umsetzung der Konzeptbausteine als sehr hoch bis hoch bewertet; andererseits<br />

wurde der damit verbundene Nutzen jedoch überwiegend positiv gesehen.<br />

Eine Korrelation zwischen einzelnen strkuturellen Merkmalen und einer erfolgreichen<br />

Umsetzung der Konzeptbausteine lag nicht vor. Weder die Einrichtungsgröße, noch<br />

die Personal- oder Bewohnerstruktur sowie die Personalfluktuation erwiesen sich als<br />

Prädiktoren des Projekterfolgs. Vielmehr waren folgende Faktoren förderlich <strong>für</strong> die<br />

Konzeptumsetzung:<br />

eine gute Kooperation verschiedener Arbeitsbereiche (z.B. Pflege und Sozialer<br />

Dienst bzw. Hauswirtschaft),<br />

eine frühzeitige Beteiligung der Belegschaft an der Konzepterstellung,<br />

eine frühzeitige Beteiligung der Angehörigen und externen Kooperationspartner<br />

(z.B. Vertreter von Krankenhäusern, niedergelassene Ärzte),<br />

die Einbindung von Angehörigen und freiwilligen Helfern/innen,<br />

eine etablierte Besprechungsstruktur (z.B. Qualitätszirkel, Arbeitsgruppen),


ein „gelebtes“ Qualitätsmanagement (z.B. Bewusstsein der Mitarbeiter/innen <strong>für</strong><br />

die Qualitätsentwicklung, Controlling) und<br />

der Einsatz von Multiplikatoren (ausgewählte Mitarbeiter/innen, die an den Schulungen<br />

teilgenommen haben und weiterhin andere schulen bzw. Ansprechpartner<br />

waren).<br />

Die Erprobung der Bausteine hat gezeigt, dass Einrichtungen mit unterschiedlichen<br />

Voraussetzungen und unterschiedlicher personeller Ausstattung die Umsetzung der<br />

fachlichen Anforderungen bewältigt haben, wobei eine deutliche Qualitätsentwicklung<br />

erreicht wurde. Einige Einrichtungen mit vergleichsweise ungünstigen Voraussetzungen<br />

haben sogar sehr deutliche Fortschritte machen können und den Stand der<br />

Qualitätsentwicklung in anderen Einrichtungen überholt.<br />

Wie bewerten die Mitarbeiter/innen und Modellbeauftragten die veränderten<br />

Anforderungen?<br />

Am Projektende wurden die Mitarbeiter/innen und Modellbeauftragten zur Bewertung<br />

der verschiedenen Bausteine aufgefordert:<br />

Empfehlungen zur Zuständigen Pflegefachkraft (ZPFK)<br />

Die Anforderungen an die „Zuständige Pflegefachkraft“ wurden von der Belegschaft<br />

überwiegend positiv aufgenommen und in die Praxis umgesetzt. Allerdings gab es<br />

auch Konflikte bezüglich der zu klärenden Zuständigkeiten und der Frage danach,<br />

welche Pflegefachkräfte auch als Zuständige Pflegefachkräfte eingesetzt werden.<br />

Während des Projektzeitraums konnten die Aufgaben und Zuständigkeiten geklärt<br />

und die Arbeitsweise hinsichtlich der Funktion der Zuständigen Pflegefachkräfte<br />

erprobt werden. Schließlich fiel die Bewertung der Mitarbeiter/innen <strong>zum</strong> Projektende<br />

sehr positiv aus: Die Hälfte der befragten Mitarbeiter/innen in der Pflege,<br />

wobei sich an der Befragung Fach- und Hilfskräfte beteiligten, waren selbst Zuständige<br />

Pflegefachkräfte. Diese Zuständigen Pflegefachkräfte gaben an, dass sich die<br />

Versorgung der Bewohner/innen durch die Umsetzung dieses Konzeptbausteins<br />

bereits verbessert habe.<br />

Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen<br />

Die Mitarbeiter/innen reagierten auf die Einführung der Leistungsbeschreibungen<br />

innerhalb einer Einrichtung aber auch im Vergleich der Referenzeinrichtungen untereinander<br />

unterschiedlich. Trotz Verunsicherung und Angst vor Überforderung waren<br />

größtenteils positive Reaktionen zu verzeichnen. Die Schulungen haben gezeigt,<br />

dass die Leistungsbeschreibungen zu mehr Klarheit und Transparenz hinsichtlich des<br />

Leistungsprofils insgesamt und einzelner Maßnahmen geführt haben. Im Verlauf der<br />

Erprobung wurde deutlich, dass angesichts der qualifikationsorientierten Arbeitsteilung<br />

bei den mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen auch eine gewisse Konfliktfreudigkeit<br />

aufkam, da die Arbeitsteilung teilweise angepasst werden musste. Nach<br />

der Erprobung bewerteten die Mitarbeiter/innen die Leistungsbeschreibungen positiv:<br />

Die Mehrheit der Mitarbeiter/innen gab an, dass die Nutzung der Leistungsbeschreibungen<br />

<strong>für</strong> sie eine Verbesserung im Vergleich zur vorherigen Arbeitsweise<br />

darstellen. Bis <strong>zum</strong> Ende der Projektlaufzeit hat etwa ein Viertel der Einrichtungen<br />

die Anforderungen an eine qualifikationsorientierte Arbeitsteilung erfüllen<br />

können, etwa zwei Drittel der Einrichtungen stimmten überwiegend mit der qualifikationsorientierten<br />

Arbeitsteilung bei den mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen<br />

überein. Die Leistungsbeschreibungen haben zu einer reflektierten und zusammenhängenden<br />

Arbeits- und Pflegeplanung sowie zu einem größeren Bewusstsein <strong>für</strong> die<br />

Bedeutung der psychosozialen Betreuung der Bewohner/innen geführt. Darüber hinaus<br />

wurde eine bessere Kooperation zwischen den Hierarchieebenen bzw. den Mitarbeitern/innen<br />

der Pflege und des Sozialen Dienstes befördert. Die Angebote <strong>für</strong><br />

die Bewohner/innen wurden geprüft, die Schulungen der Mitarbeiter/innen führten<br />

zu einer vermehrten Durchführung von Prophylaxen, es konnte eine Qualitätssteigerung<br />

bei der Pflegedokumentation erreicht werden, die Bewohner/innen werden stärker<br />

ressourcenorientiert versorgt, und die Leistungen werden gerechter verteilt.<br />

51


Zusammenfassung Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

52 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Pflegerisches Assessment<br />

Auch die Reaktionen der Mitarbeiter/innen auf die Anforderungen an das pflegerische<br />

Assessment waren weitgehend positiv. Zum Projektende war den zuständigen<br />

Mitarbeitern/innen der Erhebungsbogen bekannt, wobei mehr als ein Drittel angab,<br />

dass sich die Qualität des Assessments durch die Anforderungen verbessert habe.<br />

Nahezu alle Einrichtungen konnten die Anforderungen an das pflegerische Assessment<br />

während der Projektlaufzeit umsetzen. Mehrere Modellbeauftragte gaben an,<br />

dass sich seit der Erprobung des angepassten Assessments das Risikomanagement<br />

deutlich verbessert hat. Insgesamt wurde der Nutzen von den Modellbeauftragten als<br />

ausgesprochen hoch bewertet. Die Anforderungen an das pflegerische Assessment<br />

legen „klare Richtlinien <strong>für</strong> Mitarbeiter“ fest, und die „Individualität der Bewohner tritt<br />

stärker in den Vordergrund“. Ein „sehr hoher Nutzen“ wurde seitens der Modellbeauftragten<br />

auch darin gesehen, „dass ein umfangreiches Assessment dauerhaft eine<br />

präventive und prophylaktische Pflege sichert“ und somit “bei kontinuierlicher Erhebung<br />

der Daten eine zeitnahe und qualitätsgesicherte Versorgung möglich ist“. 8<br />

Kriterienkatalog zur Erfassung biografischer Informationen<br />

Die Reaktionen auf den Kriterienkatalog zur Erfassung biografischer Informationen<br />

waren dagegen zunächst unterschiedlich. Einige Mitarbeiter/innen sahen die biografische<br />

Arbeit eher als zusätzliche Pflicht und Belastung an, wobei auch Überforderungen<br />

bei der Durchführung biografischer Gespräche deutlich wurden. Zum<br />

Abschluss erlebte die weit überwiegende Mehrheit das Wissen um biografische Informationen<br />

als hilfreich <strong>für</strong> den Umgang mit den Bewohnern/innen und mehrheitlich<br />

wurde eine Verbesserung der Biografiebögen benannt. Die weit überwiegende Mehrheit<br />

der Einrichtungen gibt <strong>zum</strong> Abschluss der Projektlaufzeit an, dass sie vollständig<br />

mit den Kriterienkatalog weiter arbeiten bzw. die noch fehlenden Anforderungen<br />

künftig umsetzen werden.<br />

Verbesserte Dokumentationsformen<br />

Die Empfehlungen <strong>für</strong> verbesserte Dokumentationsformen galten im Projekt nicht als<br />

verpflichtend hinsichtlich der Anwendung. Angesichts der Vielzahl der anderen Konzeptbausteine<br />

hatte sich daher die Hälfte der Einrichtungen entschlossen, diese Empfehlungen<br />

nicht umzusetzen. Die Mitarbeiter/innen der Einrichtungen, die ihre Dokumentationsformen<br />

entsprechend verändert haben, waren mehrheitlich der Ansicht,<br />

dass sich sowohl der Umfang der Pflegeplanung reduziert hat und die Tagesablaufpläne<br />

<strong>für</strong> die Versorgung der Bewohner/innen hilfreich waren als auch weniger Zeit<br />

<strong>für</strong> die Dokumentation benötigt wurde. Auch die Ergebnisse der Leistungserfassungen<br />

zeigen, dass der Aufwand <strong>für</strong> die Pflegedokumentation <strong>zum</strong>indest leicht rückläufig<br />

war. Die Modellbeauftragten gaben ebenfalls an, die Pflegedokumentation sei insgesamt<br />

übersichtlicher, transparenter und individueller geworden.<br />

Qualitätsmaßstäbe bzw. Rahmenkonzepte<br />

Alle Rahmenkonzepte wurden von den Mitarbeitern/innen überwiegend positiv<br />

bewertet und in der täglichen Arbeit umgesetzt, obwohl zunächst meist eine gewisse<br />

Skepsis beobachtbar war, dass diese eine zusätzliche Arbeitsbelastung darstellen.<br />

Dennoch wurde im Detail an einzelnen Anforderungen Kritik geübt:<br />

Hinsichtlich des Qualitätsmaßstabs <strong>zum</strong> Einzug in eine Pflegeeinrichtung erwies sich<br />

die Erstellung der Pflegeplanung auf der Basis des pflegerischen Assessments innerhalb<br />

von maximal zwei Wochen nach dem Heimeinzug als problematisch.<br />

Die Auseinandersetzung mit dem Qualitätsmaßstab zur Zusammenarbeit mit<br />

Angehörigen verdeutlichte gelegentlich mangelnde Gesprächsführungskompetenzen,<br />

die künftig im Rahmen der Qualifizierung von Mitarbeiter/innen stärker berücksichtigt<br />

werden sollten.<br />

8 Die hier zitierten Sätze entstammen der Abschlussbefragung der Modellbeauftragten.


Die Reaktionen der Mitarbeiter/innen auf den Qualitätsmaßstab zur nächtlichen Versorgung<br />

waren sehr unterschiedlich, da sie meistenteils mit einer Veränderung von<br />

Dienstzeiten einherging. Einige Einrichtungen haben Zwischendienste eingeführt und<br />

die Dienstzeiten bzw. das Schichtsystem verändert. Da derartige Umstrukturierungen<br />

eine längere Vorbereitungszeit benötigen, konnten die Anforderungen meist noch<br />

nicht in der gewünschten Form umgesetzt werden. Dennoch konnten in einem Viertel<br />

der Einrichtungen z.B. Angebote in den Abendstunden entwickelt und auch die Flexibilisierung<br />

der Zeiten des Aufstehens bzw. Zubettgehens durch die Einführung von<br />

Zwischendiensten oder veränderten Schichtdiensten erreicht werden.<br />

Der Qualitätsmaßstab zur Sterbebegleitung hatte aus Sicht der Modellbeauftragten<br />

eine verbesserte Einbindung von Angehörigen und freiwilligen Helfern/innen und<br />

damit eine Entlastung der Mitarbeiter/innen zur Folge.<br />

Trotz des Qualitätsmaßstabs zur Kooperation mit niedergelassenen Ärzten/innen<br />

erlebten die Mitarbeiter/innen weiterhin, dass sie bei fehlender Einhaltung von<br />

Absprachen (z.B. Arztbesuche, die während der Morgen- oder Abendpflege bzw.<br />

Übergaben stattfanden) die Leidtragenden waren. Zum Abschluss der Projektlaufzeit<br />

wurden im Vergleich zu den anderen Konzeptbausteinen am wenigsten Anforderungen<br />

umgesetzt. Dies mag <strong>zum</strong> einen darauf zurückzuführen sein, dass dieser Qualitätsmaßstab<br />

später eingeführt wurde und <strong>zum</strong> anderen darauf, dass die Terminabsprachen<br />

mit den Ärzten/innen besonders aufwändig waren.<br />

Während der Erprobung des Qualitätsmaßstabs zu Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten<br />

beurteilten die Leitungskräfte und die Mitarbeiter/innen die<br />

Kooperation mit den Krankenhäusern zunehmend besser. Die stärkere Einbindung<br />

von Angehörigen wurde als Entlastung erlebt, die mangelnde Auskunftsbereitschaft<br />

einiger Krankenhäuser dagegen als problematisch. Nach der Entlassung aus dem<br />

Krankenhaus wurden die Bewohner/innen häufig intensiver begleitet als früher und<br />

auch die Pflegeplanung konnte häufiger zeitnah angepasst werden.<br />

Welche Auswirkungen konnten durch die Interventionen auf die<br />

Pflege- und Lebensqualität der Bewohner/innen festgestellt werden?<br />

Ein zentrales Ziel des Forschungsprojektes bestand darin, eine Verbesserung der Versorgung<br />

der Bewohner/innen zu erreichen. Es sei vorweggenommen, dass die<br />

Ergebnisqualität nicht im Sinne teilnehmender Beobachtung und Begutachtung<br />

geprüft wurde; dennoch lassen sich angesichts der schriftlichen und mündlichen<br />

Befragungen der Bewohner/innen und Mitarbeiter/innen sowie der Leistungserfassungen<br />

während der Projektlaufzeit <strong>zum</strong>indest Tendenzen aufzeigen, die Verbesserungen<br />

der Pflege- und Lebensqualität andeuten.<br />

Eine verbesserte Betreuung von demenzkranken bzw. kognitiv beeinträchtigten<br />

Bewohnern/innen konnte dahingehend erzielt werden, dass psychosoziale Leistungen<br />

gerechter auf die Bewohnergruppen mit unterschiedlichen Einschränkungsgraden<br />

verteilt wurden. Außerdem lassen sich eine stärkere Mobilisierung der<br />

Bewohner/innen sowie eine Ausweitung von Freizeitangeboten bzw. Angeboten im<br />

Bereich der psychosozialen Betreuung und eine tendenziell vermehrte Ressourcenorientierung<br />

erkennen.<br />

Eine stärkere Biografieorientierung hat laut Angaben der meisten Modellbeauftragten<br />

zu einer individuelleren Planung von Maßnahmen und einer stärkeren Berücksichtigung<br />

von Aktivitäten und Gewohnheiten geführt. Die Einrichtungen haben zunehmend<br />

Biografiebögen eingeführt und auch biografische Informationen in den Pflegedokumentationen<br />

berücksichtigt. Die Befragungsergebnisse haben aber auch<br />

gezeigt, wie bedeutsam ein sensibler Umgang bei der Erfassung und Nutzung biografischer<br />

Informationen ist, da Bewohner/innen sich nicht nur über ein gesteigertes<br />

Interessen an ihrer Person freuen, sondern es auch Bedenken und Zurückhaltung<br />

(„der gläserne Bewohner“) gibt, die akzeptiert werden wollen.<br />

53


Zusammenfassung Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

54 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

In der Tendenz haben die Anforderungen an die Zuständigen Pflegefachkräfte durch<br />

deren Steuerungsfunktion in der Pflegeprozess- und Versorgungskoordination zu<br />

einer verbesserten Planung der Pflege und Kontinuität des Pflegeprozesses geführt.<br />

Dies hat sich beispielsweise in den zugeteilten Zuständigkeiten der Fachkräfte <strong>für</strong><br />

bestimmte Bewohnergruppen gezeigt und sich darüber hinaus positiv auf die Versorgung<br />

im Rahmen von Krankenhausaufenthalten oder durch niedergelassene<br />

Ärzte/innen ausgewirkt. Darüber hinaus konnten in einigen Einrichtungen vermehrt<br />

Angehörige und freiwillige Helfer/innen in die Betreuung eingebunden werden.<br />

Neben einer vermehrten Mobilisierung, Ressourcenförderung und Biografieorientierung<br />

wurden auch zusätzliche Angebote entwickelt, die u.a. der Förderung von Sozialkontakten<br />

dienen (z.B. Grillnachmittag, Kaffeetrinken, hauseigene Caféteria). Bei<br />

der Überprüfung der Angebote wurde insbesondere darauf geachtet, dass immobile<br />

und demenzkranken Bewohner/innen eingebunden wurden. Darüber hinaus hat es<br />

einige Verbesserungen in Bezug auf die Freizeitangebote in den Abend- und Nachtstunden<br />

gegeben, dabei handelte es sich überwiegend um häufigere Film- und Fernsehabende,<br />

„Klönabende“ oder Stammtischveranstaltungen, die von den Bewohnern/innen<br />

gut angenommen wurden. Dennoch wünschten sich einige Bewohner/<br />

innen mehr Kontakte und eine stärker familiär geprägte Atmosphäre.<br />

Fazit<br />

Die Konzeptbausteine sind anschlussfähig an die Praxis. Sie dienen der Optimierung<br />

von Arbeitsprozessen und der Verbesserung der pflegerischen Versorgung. Sie verbessern<br />

die zentralen Anforderungen an die Versorgungsqualität wie Mobilitätsförderung,<br />

stärkere Berücksichtigung psychischer-sozialer Problemlagen und Bedürfnisse<br />

sowie die Biografieorientierung.


Teilbericht 1:<br />

Aufbau und Ablauf<br />

des Modellvorhabens<br />

Verfasser/innen:<br />

Marion Menke, Eckart Schnabel, Uta Vogelwiesche<br />

Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund (FFG)<br />

55


Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />

56 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6


Inhalt<br />

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58<br />

1. Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59<br />

2. Organisation des Modellvorhabens und Aufgaben der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . .60<br />

3. Zeitplan (2004–2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62<br />

57


Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />

Einleitung<br />

58 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die Sicherung und Weiterentwicklung der Lebensqualität älterer pflegebedürftiger<br />

Menschen stellt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar. Vor dem Hintergrund des<br />

demografischen Wandels und den damit einhergehenden Veränderungen der Altersund<br />

Morbiditätsstruktur sowie abnehmender informeller Pflegepotenziale bleibt die<br />

Pflege und Versorgung von alten Menschen ein zentrales Thema und wird zugleich<br />

eine ständig wachsende Herausforderung nicht nur der Sozialpolitik.<br />

Auch über zehn Jahre nach Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes fehlen in<br />

Deutschland noch verbindliche und von Kosten- und Leistungsträgern gleichermaßen<br />

getragene Versorgungsstandards und Qualitätskriterien, die das anzustrebende Qualitätsniveau<br />

pflegerischer Versorgung und den entsprechend notwendigen Personalbedarf<br />

<strong>für</strong> vollstationäre Pflegeeinrichtungen bestimmen könnten und gleichzeitig<br />

transparent und nachvollziehbar wären. Unterschiedliche Perspektiven und Interessen<br />

der an der Pflege beteiligten Akteure legen es zudem nahe zu fragen, inwieweit die<br />

Perspektive der pflegebedürftigen Menschen stärker in diesen Prozess miteinbezogen<br />

werden kann. Fragen zur Lebensqualität und zur Qualität pflegerischer Versorgung<br />

sind ohne die gebührende Berücksichtigung der Nutzerperspektive nicht zu beantworten.<br />

Nur durch deren umfassende Einbeziehung kann es gelingen, fachliche und<br />

allgemein menschliche Forderungen an die Pflege mit den individuellen Wünschen<br />

und Bedürfnissen in Einklang zu bringen.<br />

Der Landespflegeausschuss hat unter diesen Gesichtspunkten im Januar 2002<br />

beschlossen, aufbauend auf den Untersuchungsergebnissen der Studie „Pflegebedarf<br />

und Leistungsstruktur in vollstationären Pflegeeinrichtungen” (Wingenfeld & Schnabel,<br />

2002) 9 eine weitere Verbesserung der Qualität der Pflege in den vollstationären<br />

Pflegeeinrichtungen anzustreben und dazu geeignete Maßnahmen zu fördern. Die<br />

damalige Studie hat erstmals auf einer breiten empirischen Basis verdeutlichen können,<br />

wie sich das gegenwärtige Leistungsgeschehen in der vollstationären Pflege darstellt<br />

und welche Defizite, aber auch welche Verbesserungsmöglichkeiten und Entwicklungspotenziale<br />

sich in der Pflege alter Menschen verorten lassen. Zudem konnten<br />

entsprechende Daten gewonnen werden, die geeignet sind, die Diskussion um<br />

die Personalbemessung wie auch um die im Rahmen des Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes<br />

(PQSG) geforderten Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen auf eine rationale<br />

Basis zu stellen.<br />

Anknüpfend an diese Vorarbeiten wurde die Durchführung des hier vorgestellten<br />

Modellvorhabens beschlossen, dessen Vorbereitung im Frühjahr 2004 begonnen und<br />

das im Sommer 2006 abgeschlossen wurde. Im Mittelpunkt des Vorhabens standen<br />

die Entwicklung, Implementierung und Evaluation von folgenden konzeptionellen Kernelementen:<br />

Pflegeprozesssteuerung und Versorgungskoordination („Zuständige Pflegefachkraft“);<br />

Anforderungen an das pflegerische Assessment und die Biografieerfassung;<br />

Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen <strong>für</strong> die pflegerische<br />

Versorgung in vollstationären Pflegeeinrichtungen;<br />

Rahmenkonzepte <strong>für</strong><br />

• den Heimeinzug,<br />

• die Angehörigenarbeit,<br />

• die nächtliche Versorgung,<br />

• die Sterbebegleitung,<br />

• die Kooperation mit niedergelassenen Ärzten/innen sowie<br />

9 Wingenfeld, K. & Schnabel, E. (2002). Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Eine Untersuchung im<br />

Auftrag des Landespflegeausschusses. Duisburg: WAZ-Druck.


1. Zielsetzungen<br />

• die Überleitung bei Krankenhausaufenthalten;<br />

• Empfehlungen zur verbesserten Pflegeplanung und -dokumentation. 10<br />

Diese Konzeptbausteine des so genannten <strong>Referenzkonzept</strong>s wurden in 20 vollstationären<br />

Pflegeeinrichtungen (Referenzeinrichtungen) in Nordrhein-Westfalen erprobt.<br />

Das Vorhaben wurde von den Spitzenverbänden der Pflegekassen, dem Bundesministerium<br />

<strong>für</strong> Gesundheit (BMG) und dem <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) finanziert. Das Diakonische Werk Westfalen<br />

e.V. war Projektträger. Die wissenschaftliche Begleitung erfolgte durch das Institut<br />

<strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW) und das Institut <strong>für</strong><br />

Gerontologie an der Universität Dortmund (FfG). Die 20 Referenzeinrichtungen wurden<br />

in Form von Organisationsberatung durch das Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik<br />

e.V. (ISS, Frankfurt a. M.) maßgeblich vor Ort unterstützt. 11<br />

Mit dem Modellvorhaben sollten geeignete Voraussetzungen zur Verbesserung der<br />

Situation pflegebedürftiger Menschen in vollstationären Einrichtungen geschaffen,<br />

und die oben genannten Konzeptbausteine praxisnah entwickelt und in den Pflegeeinrichtungen<br />

modellhaft erprobt werden: 12<br />

Primäres Ziel des Projektes ist es, vollstationäre Pflegeeinrichtungen bei der Qualitätsentwicklung<br />

in der Pflege und der Weiterentwicklung qualitätsgesicherter Versorgungsformen<br />

zu unterstützen. Das im Rahmen des Modellvorhabens entwickelte<br />

Instrumentarium zur Verbesserung der Qualität sollte auf andere Einrichtungen<br />

übertragbar sein („Anschlussfähigkeit“) und allen an diesem Prozess<br />

Beteiligten eine Orientierungshilfe bei Einführung der pflegewissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse, der Weiterentwicklung der fachlichen Arbeit, der Optimierung von<br />

qualitätsgesicherten Arbeitsabläufen und der hierzu erforderlichen sachlichen und<br />

personellen Ausstattung bieten.<br />

Darüber hinaus sollte das Vorhaben einen Bezugsrahmen <strong>für</strong> den Abschluss von<br />

Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen erarbeiten.<br />

Es wurden außerdem Problemlösungen entwickelt, die auf eine Optimierung der<br />

Ablaufprozesse gerichtet sind und eine zügige sowie unbürokratische Umsetzung<br />

zulassen. Insoweit haben die Referenzeinrichtungen auch Beratung und Unterstützung<br />

zur Prüfung und ggf. Optimierung in den Bereichen Ablauforganisation, Personaleinsatz<br />

und Kooperation mit externen Personen bzw. Institutionen erhalten.<br />

10 Vgl. <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, MAGS (Hrsg.) (2007). <strong>Referenzmodell</strong>e – Praxisleitfaden zur Qualitätsentwicklung<br />

in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Teil A. Düsseldorf.<br />

11 Die während des Projektverlaufs veröffentlichten Projektbroschüren bezüglich der Projektbeschreibung (Nr. 1), der Leistungsbeschreibungen<br />

(Nr. 2), der übergeordneten Qualitätsmaßstäbe (Nr. 3) und einer Tagungsdokumentation mit Zwischenergebnissen (Nr. 4) sowie<br />

aktuelle Hinweise <strong>zum</strong> Thema befinden sich auf der Homepage des Projektes unter www.referenzmodelle-nrw.de<br />

12 Die folgenden Zielsetzungen und auch die Struktur des Modellprojektes entsprechen weitgehend den in der ersten Projektbroschüre dargelegten<br />

Inhalten, da sich dahingehend keine Veränderungen ergeben haben. Dort finden sich außerdem die Portraits der beteiligten<br />

Pflegeeinrichtungen. Vgl. hierzu <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW (Hrsg.) (2005). <strong>Referenzmodell</strong>e zur<br />

Förderung der qualitätsgesicherten Weiterentwicklung der vollstationären Pflege 2004–2006. Düsseldorf.<br />

59


Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />

2. Organisation des Modellvorhabens und Aufgaben<br />

der Beteiligten<br />

Abb. 1:<br />

Projektbeteiligte<br />

im Überblick<br />

60 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die Durchführung des komplexen Modellvorhabens erforderte das Zusammenwirken<br />

unterschiedlicher Personen bzw. Institutionen in verschiedenen Gremien sowie eine<br />

organisierte Kommunikationsstruktur, die die effiziente Zusammenarbeit aller Beteiligten<br />

ermöglichte. Im Projekt <strong>Referenzmodell</strong>e wirkten verschiedene Gremien bzw.<br />

Institute mit. Es handelt sich dabei um den so genannten Steuerungskreis, den Begleitausschuss,<br />

verschiedene Expertenrunden, die Projektsteuerung (FfG: Forschungsgesellschaft<br />

<strong>für</strong> Gerontologie e.V./ Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund),<br />

die wissenschaftliche Begleitung (IPW: Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der<br />

Universität Bielefeld und Forschungsgesellschaft <strong>für</strong> Gerontologie e.V./ Institut <strong>für</strong><br />

Gerontologie an der Universität Dortmund), die Organisationsberatung (ISS: Institut<br />

<strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpäsagogik in Frankfurt a. M.)und die Modellbeauftragten<br />

(MB) aus den 20 Referenzeinrichtungen (s. Abb. 1).<br />

Steuerungskreis Projektsteuerung<br />

(FFG) Wissenschaftliche<br />

Begleitung<br />

(IPW/FFG)<br />

Begleitausschuss<br />

Expertenrunden<br />

20 Einrichtungen<br />

Modellbeauftragte<br />

(MB)<br />

Organisationsberatung<br />

(ISS)<br />

Steuerungskreis:<br />

Dieses Gremium nahm eine allgemeine Steuerungsverantwortung wahr (initiierte z.B.<br />

bei Bedarf die Einberufung von Expertenrunden) und beschloss darüber hinaus bei<br />

Bedarf Modifikationen des Arbeits- und Zeitplans. Mitglieder des Steuerungskreises<br />

waren Vertreter/innen folgender Einrichtungen:<br />

Initiatoren: Landespflegeausschuss Nordrhein-Westfalen;<br />

Fördergeber: Spitzenverbände der Pflegekassen, <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit<br />

und Soziales des Landes NRW und das Bundesministerium <strong>für</strong> Gesundheit;<br />

Projektträger: Diakonisches Werk Westfalen e.V.;<br />

Wissenschaftliche Begleitung: Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund;<br />

Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld;<br />

Organisationsberatung: Institut <strong>für</strong> Sozialpädagogik und Soziale Arbeit in Frankfurt<br />

a. M.<br />

Begleitausschuss:<br />

Der Begleitausschuss wurde regelmäßig von den <strong>für</strong> die Projektsteuerung und die wissenschaftliche<br />

Begleitung Verantwortlichen über den Stand des Modellvorhabens<br />

informiert. Aufgabe des Begleitausschusses war es, die an der Modelldurchführung


Beteiligten in der Abstimmung und Klärung fachlicher Fragen zu unterstützen. Der<br />

Begleitausschuss setzte sich vorwiegend aus Vertretern/innen des Landespflegeausschusses<br />

Nordrhein-Westfalen zusammen.<br />

Wissenschaftliche Begleitung:<br />

Die wissenschaftliche Begleitung wurde vom Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität<br />

Dortmund (FfG) und vom Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld<br />

(IPW) übernommen und umfasste insbesondere folgende Aufgabenbereiche:<br />

Entwicklung der konzeptionellen Kernelemente in Abstimmung mit den anderen<br />

Beteiligten (IPW; vgl. Teilbericht 2),<br />

Mitwirkung bei Schulungsmaßnahmen <strong>für</strong> die Modellbeauftragten der Einrichtungen<br />

und beratende Unterstützung bei der Implementation (IPW; vgl. Teilbericht 2),<br />

Allgemeine beratende Funktionen während des gesamten Modellverlaufs<br />

Begleitende Evaluation (FfG; vgl. Teilbericht 4).<br />

Expertenrunden:<br />

Expertenrunden wurden bei Bedarf zu spezifischen Fragestellungen einberufen und<br />

haben eine beratende Funktion. Die Unterstützung durch Expertinnen und Experten<br />

war erforderlich, um die Kompatibilität der Standards mit den formalen Anforderungen<br />

zu gewährleisten. Im Verlauf des Projekts wurden beispielsweise Expertinnen und<br />

Experten zu folgenden den Themen „verbesserte Dokumentationsformen“ und zur<br />

„nächtliche Versorgung“ befragt.<br />

Projektsteuerung und -koordination:<br />

Die Modellsteuerung und -koordination wurde vom Institut <strong>für</strong> Gerontologie (FfG)<br />

wahrgenommen. Dabei standen insbesondere organisatorische Aufgaben im Vordergrund:<br />

die Auswahl der Modelleinrichtungen;<br />

die Beratung und Unterstützung der Einrichtungen bei der Personalauswahl<br />

(Modellbeauftragte);<br />

die Sicherstellung der Kommunikation zwischen allen Beteiligten;<br />

die Koordination von Sitzungsterminen, Expertentreffen und Schulungen;<br />

die Überwachung der ordnungsgemäßen Durchführung von inhaltlicher und zeitlicher<br />

Planung, insbesondere die Begleitung der Einrichtungen bzw. ihrer Modellbeauftragten;<br />

die Unterstützung der Einrichtungen bei Implementierungsproblemen organisatorischer<br />

Art (sofern ohne Einbeziehung der wissenschaftlichen Begleitung möglich);<br />

die Koordination der Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen und wissenschaftlicher<br />

Begleitung;<br />

die Zusammenführung von Rückmeldungen aus den Modelleinrichtungen.<br />

Organisationsberatung:<br />

Um die 20 Referenzeinrichtungen bei der Umsetzung der Ziele des Modellvorhabens<br />

zu unterstützen, hat das Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. in Frankfurt<br />

a. M. (ISS) die Aufgabe der Organisationsentwicklung und Organisationsberatung<br />

übernommen. Es gehörte zu den Aufgaben der Organisationsberatung, die Einrichtungen<br />

vor Ort zu beraten, den Beratungsprozess systematisch zu erfassen und<br />

wichtige Prozessstationen und -ereignisse in den Referenzeinrichtungen zu begleiten.<br />

Für jeweils fünf Modelleinrichtungen war ein/e Berater/in des ISS während des<br />

gesamten Projektverlaufs zuständig (vgl. Teilbericht 3).<br />

61


Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />

62 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Modellbeauftragte der Einrichtungen:<br />

Den Referenzeinrichtungen wurde <strong>für</strong> die Projektlaufzeit jeweils eine Mitarbeiterstelle<br />

refinanziert, so dass eine Person aus der Einrichtung (i.d.R. waren es Pflegefachkräfte,<br />

Wohnbereichs- oder Pflegedienstleitungen) <strong>für</strong> die vielfältigen Aufgaben im<br />

Rahmen des Modellvorhabens zur Verfügung stehen konnte. Diese so genannten<br />

Modellbeauftragten übernahmen in erster Linie<br />

Aufgaben der Schulung und Beratung der Mitarbeiter/innen in ihren jeweiligen<br />

Einrichtungen,<br />

die Verantwortung <strong>für</strong> die Implementierung der entwickelten Leistungsbeschreibungen<br />

und Rahmenkonzepte,<br />

die Durchführung der organisatorischen Anpassungen im Rahmen der einrichtungsinternen<br />

Qualitätsentwicklung und<br />

die Aufgaben im Rahmen der Kooperation zwischen der jeweiligen Einrichtung,<br />

der wissenschaftlichen Begleitung und der Organisationsberatung.<br />

Während des Modellvorhabens fanden regelmäßige Arbeitstreffen zwischen Modellbeauftragten,<br />

wissenschaftlicher Begleitung und Organisationsberatung statt. Diese<br />

Arbeitstreffen waren in vier Regionalgruppen organisiert: die Modellbeauftragten<br />

von je fünf Referenzeinrichtungen trafen sich mit Vertretern/innen der wissenschaftlichen<br />

Begleitung (IPW und FfG) und einem/einer Organisationsberater/in des ISS.<br />

Diese Regionalgruppen tagten monatlich und dienten der Diskussion der Konzeptbausteine<br />

(vgl. Teilbericht 2), der Umsetzungsstrategien und dem wechselseitigen<br />

Austausch von Erfahrungen und konkreten Instrumenten zur Umsetzung der Qualitätsanforderungen.<br />

Dabei berichteten die Modellbeauftragten in regelmäßigen Abständen<br />

über den Stand der Implementierung und Erprobung. Schließlich sorgten sie in<br />

ihren Einrichtungen <strong>für</strong> die notwendigen Voraussetzungen zur Durchführung der<br />

begleitenden Evaluation.<br />

Zusätzlich fanden in größeren zeitlichen Abständen gemeinsame Treffen von allen<br />

beteiligten Modellbeauftragten statt, an denen <strong>zum</strong> Teil auch die Heim- und/oder<br />

Pflegedienstleitungen beteiligt waren. Je nach Modellphase dienten diese Arbeitstreffen<br />

der Schulung, dem Austausch und der Auswertung von Erfahrungen und der Rückmeldung<br />

von Zwischenergebnissen der Evaluation.<br />

3. Zeitplan (2004 –2006)<br />

Die Auswahl der Referenzeinrichtungen war im Frühjahr 2004 abgeschlossen. Im Juli<br />

2004 fand das erste Zusammentreffen der Heimleitungen und Modellbeauftragten<br />

aus den Referenzeinrichtungen mit Vertretern/innen der beteiligten Institute statt, um<br />

die gemeinsame Arbeit aufzunehmen. In der ursprünglichen Projektplanung war die<br />

Projektlaufzeit von 24 Monaten in drei Phasen aufgeteilt:<br />

1. Vorbereitungsphase (ca. 6 Monate): Abstimmung der geplanten Maßnahmen,<br />

Schulungsmaßnahmen <strong>für</strong> die Modellbeauftragten und organisatorische Vorbereitungen<br />

in den Einrichtungen.<br />

2. Einführungsphase (ca. 6 Monate): Umsetzung der Maßnahmen, Anleitung des<br />

Einrichtungspersonals, ggf. organisatorische Anpassungen.


3. Erprobungs- und Evaluationsphase (ca. 12 Monate): In dieser Phase sollte überprüft<br />

werden, ob sich die entwickelten Leistungsdefinitionen, Qualitätskriterien<br />

und übergeordnete Rahmenkonzepte im Versorgungsalltag bewähren und inwieweit<br />

sie ggf. modifiziert werden müssen.<br />

Aufgrund der nacheinander zu entwickelnden Konzeptbausteine, die nicht alle<br />

während der ersten sechs Monate vorgelegt werden konnten, haben sich diese Phasen<br />

nicht als drei aufeinander folgende Phasen erwiesen, sondern sie verliefen schließlich<br />

<strong>für</strong> die einzelnen Konzeptbausteine parallel bzw. haben sich überschnitten. Nachdem<br />

die ersten Bausteine entwickelt worden waren, wurden sie in den Einrichtungen<br />

erprobt. Während einzelne Konzeptbausteine bereits erprobt wurden, konnten andere<br />

gerade erst eingeführt werden und wieder andere befanden sich noch in der Entwicklung.<br />

Die Entwicklung der Konzeptbausteine hat sich u.a. deshalb ausgedehnt, da<br />

eine inhaltliche Abstimmung zwischen wissenschaftlicher Begleitung und den Modellbeauftragten<br />

(in den Regionalgruppen) bzw. deren Einrichtungen erfolgt ist. Darüber<br />

hinaus musste außerdem der Steuerungskreis zustimmen und der Begleitausschuss<br />

bzw. Expertinnen und Experten waren in die Beratungen eingebunden.<br />

Die folgende Tabelle bietet einen Überblick, wann die jeweilige Entwicklung eines<br />

konzeptionellen Kernelements abgeschlossen werden konnte. Daran schlossen sich in<br />

den Einrichtungen die Einführungs- und Erprobungsphase <strong>für</strong> den jeweiligen Baustein<br />

an. Daraus ergibt sich, dass die Erprobungszeit <strong>für</strong> die einzelnen Konzeptbausteine<br />

unterschiedlich ausfiel, so dass sich die Dauer der Erprobung der zuletzt abgestimmten<br />

Bausteine auf wenige Monate erstreckt. Hinzu kommt, dass die Einrichtungen die<br />

Bausteine vor dem Hintergrund des einrichtungsspezifischen Bedarfs bzw. abhängig<br />

von dem jeweiligen Stand der Qualitätsentwicklung mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung<br />

bearbeitet haben.<br />

Zwischen Juli und September 2004 erfolgte zunächst der Aufbau der organisatorischen<br />

Strukturen der Zusammenarbeit aller Beteiligten. Währenddessen wurden seitens<br />

des Instituts <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW) die ersten<br />

Bausteine entwickelt und in den Regionalgruppen diskutiert bzw. den anderen<br />

genannten Gremien abgestimmt.<br />

Konzept Vorlage der zu<br />

erprobenden Version<br />

Kriterienkatalog zur Biografieerfassung Oktober 2004<br />

Leistungsbeschreibungen Januar 2005<br />

Rahmenkonzept zu Überleitungsverfahren<br />

bei Krankenhausaufenthalten<br />

Januar 2005<br />

Katalog der mittelbar bewohnerbezogene Leistungen Februar 2005<br />

Rahmenkonzept zur Unterstützung des Heimeinzugs Februar 2005<br />

Rahmenkonzept zur Sterbebegleitung Februar 2005<br />

Empfehlungen zur Zuständigen Pflegefachkraft Juni 2005<br />

Verbesserte Dokumentationsformen Juli 2005<br />

Rahmenkonzept zur Angehörigenarbeit September 2005<br />

Anforderungen an das pflegerische Assessment September 2005<br />

Rahmenkonzept zur Kooperation mit<br />

niedergelassenen Ärzten/innen<br />

September 2005<br />

Rahmenkonzept zur nächtlichen Versorgung Dezember 2005<br />

Die konkrete Vorgehensweise mit Blick auf die Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

wird nachfolgend dargelegt.<br />

Tab. 1: Übersicht<br />

über den zeitlichen<br />

Projektverlauf<br />

63


Teilbericht 1: Aufbau und Ablauf des Modellvorhabens<br />

64 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6


Teilbericht 2:<br />

Konzeptentwicklung<br />

und Implementationsbegleitung<br />

Verfasser/innen:<br />

Klaus Wingenfeld, Dieter Heitmann und Ursula Korte-Pötters<br />

Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW)<br />

65


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

66 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6


Inhalt<br />

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68<br />

1. Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69<br />

2. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .70<br />

3. Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen in der vollstationären Pflege 72<br />

3.1 Problemhintergrund und Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .72<br />

3.2 Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .73<br />

3.3 Zum Charakter der Leistungsbeschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74<br />

3.4 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .75<br />

3.5 Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .77<br />

3.6 Zentrale Anforderungen an die Versorgungsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .79<br />

3.7 Abschließende Konzeptmodifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82<br />

4. Übergeordnete Qualitätsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84<br />

4.1 Zur Auswahl der Themenfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84<br />

4.2 Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .85<br />

4.3 Funktion und Charakter der Qualitätsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .86<br />

4.4 Qualitätsmaßstab „Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung“ . . . . . .88<br />

4.5 Qualitätsmaßstab „Zusammenarbeit mit Angehörigen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .91<br />

4.6 Qualitätsmaßstab „Nächtliche Versorgung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .94<br />

4.7 Qualitätsmaßstab: „Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen“ . . . . . . . . . . . . . . .98<br />

4.8 Qualitätsmaßstab „Kooperation mit niedergelassenen Ärzten“ . . . . . . . . . . . . .100<br />

4.9 Qualitätsmaßstab „Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten“ . . . . . .103<br />

5. Pflegeprozesssteuerung und Versorgungskoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .107<br />

5.1 Funktion und Aufgaben der „Zuständigen Pflegefachkraft“ (ZPFK) . . . . . . . . . . .107<br />

5.2 Kriterienkatalog „Pflegerisches Assessment“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .111<br />

5.3 Erfassung von Informationen zur Biografie und Lebenssituation . . . . . . . . . . . .114<br />

5.4 Verbesserte Dokumentationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .117<br />

6. Implementationsbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .121<br />

7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .123<br />

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126<br />

67


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

Einleitung<br />

68 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und den damit einhergehenden<br />

Veränderungen der Alters- und Morbiditätsstruktur stellt die Sicherung und Weiterentwicklung<br />

der Lebens- und Versorgungsqualität in stationären Pflegeeinrichtungen eine<br />

zunehmend wichtige Herausforderung dar. Um sie zu bewältigen, bedarf es verstärkter<br />

Anstrengungen aller beteiligten Akteure. Die Notwendigkeit einer nachhaltigen<br />

Qualitätsentwicklung in der vollstationären Pflege wird schon seit langem intensiv diskutiert,<br />

allerdings stehen durchgreifende Veränderungen in der Versorgungspraxis<br />

noch aus. In den vergangenen Jahren wurde zunehmend deutlich, dass gängige Konzepte<br />

der Qualitätssicherung zu einseitig auf Anforderungen externer Qualitätsprüfungen<br />

ausgerichtet sind und manche Kernfragen der Sicherstellung einer fachgerechten<br />

pflegerischen Versorgung zu wenig berücksichtigen. Nach wie vor fehlt es an<br />

grundlegenden, allgemein akzeptierten Standards, Maßstäben und Kriterien, die das<br />

anzustrebende Qualitätsniveau bestimmbar machen und damit Orientierungshilfen<br />

<strong>für</strong> eine zielgerichtete Qualitätsentwicklung, aber auch <strong>für</strong> eine Bestimmung des Personalbedarfs<br />

liefern könnten.<br />

Das nordrhein-westfälische Modellprojekt <strong>Referenzmodell</strong>e zur Förderung der qualitätsgesicherten<br />

Weiterentwicklung der vollstationären Pflege (im Folgenden kurz:<br />

„<strong>Referenzmodell</strong>e“) sollte solche Grundlagen bereitstellen und konkrete Wege aufzeigen,<br />

wie sich Qualitätsverbesserungen in zentralen Versorgungsfeldern trotz schwieriger<br />

Rahmenbedingungen erreichen lassen. Von Mitte des Jahres 2004 bis Ende<br />

2006 arbeiteten in diesem Projekt Wissenschaftler, Berufspraktiker, Vertreter von Trägerverbänden,<br />

Kostenträgern, Medizinischen Diensten, Betroffenenorganisationen<br />

und andere Akteure zusammen, um tragfähige Konzepte zur Gestaltung der stationären<br />

pflegerischen Versorgung zu entwickeln (vgl. MGSFF 2005).<br />

Das Modellprojekt entstand aufgrund einer Initiative des nordrhein-westfälischen Landespflegeausschusses.<br />

Dieser beschloss im Januar 2002, aufbauend auf den Untersuchungsergebnissen<br />

der Studie „Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären<br />

Pflegeeinrichtungen“ (Wingenfeld/Schnabel 2002) eine weitere Verbesserung<br />

der Qualität der Versorgung in vollstationären Pflegeeinrichtungen anzustreben<br />

und dazu geeignete Maßnahmen zu fördern. Die Studie hatte auf einer breiten empirischen<br />

Basis verdeutlicht, wie sich Bedarfslagen und das Leistungsgeschehen in der<br />

vollstationären Pflege gegenwärtig darstellen.<br />

Anknüpfend an diese Studie wurde die Durchführung des Modellvorhabens „<strong>Referenzmodell</strong>e“<br />

beschlossen. Im Mittelpunkt des Vorhabens stand die Entwicklung von<br />

transparenten, nachvollziehbaren und an die Praxis anschlussfähigen Leistungsbeschreibungen<br />

und Qualitätsmaßstäben, die in 20 vollstationären Pflegeeinrichtungen<br />

in Nordrhein-Westfalen erprobt und evaluiert wurden (vgl. MGSFF 2005). Das Vorhaben<br />

wurde von den Spitzenverbänden der Pflegekassen, dem Bundesministerium<br />

<strong>für</strong> Gesundheit und dem <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales finanziert.<br />

Das Diakonische Werk Westfalen e.V. übernahm die Projektträgerschaft. Die Konzeptentwicklung<br />

und fachliche Begleitung der Referenzeinrichtungen erfolgte durch<br />

das Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW), die Evaluation<br />

durch das Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund (IfG). Die 20 Referenzeinrichtungen<br />

wurden außerdem durch das Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik<br />

(ISS) bei der Umsetzung der Konzepte beratend unterstützt.<br />

Der vorliegende Abschlussbericht des IPW stellt das Vorgehen und die Ergebnisse<br />

der Konzeptentwicklung vor und beschreibt die Projekterfahrungen im Zusammenhang<br />

mit der fachlichen Begleitung bei der Konzeptumsetzung. Die Ausführungen zu


den einzelnen Konzeptbausteinen beschränken sich dabei auf grundlegende Fragen,<br />

da die Bausteine mit einer gesonderten Publikation der Öffentlichkeit vorgelegt werden<br />

13 . Ausgenommen bleibt der Konzeptbaustein „Bedarfsklassifikation“.<br />

1. Aufgabenstellung<br />

Das Modellvorhaben sollte Wege aufzeigen, wie ein nachhaltiger Prozess der Qualitätsentwicklung<br />

in vollstationären Pflegeeinrichtungen initiiert werden kann. Dabei<br />

waren Lösungen anzustreben, die mehreren dringlichen Aufgaben Rechnung tragen.<br />

Entsprechend der Vorgaben der Modellkonzeption zielte das Vorhaben darauf ab,<br />

den Pflegeeinrichtungen ein Instrumentarium zur Bewältigung aktueller Versorgungsanforderungen<br />

zur Verfügung zu stellen,<br />

eine Grundlage <strong>für</strong> den Abschluss künftiger Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen<br />

(oder anderer Vereinbarungen) in Form einer Systematik von Leistungsbeschreibungen<br />

und Qualitätskriterien bereitzustellen 14 ,<br />

Wege zur Optimierung der Nutzung fachlicher und organisatorischer Ressourcen<br />

aufzuzeigen.<br />

Die Konzepte sollten so ausgestaltet sein, dass sie einerseits fachlichen Standards<br />

genügen, andererseits unproblematisch in den Versorgungsalltag integriert werden<br />

können, d. h. anschlussfähig sind, die gegebenen fachlichen Ressourcen in den Einrichtungen<br />

nicht überfordern und eine möglichst zügige und unbürokratische Umsetzung<br />

ermöglichen.<br />

Die Modellkonzeption vom 14.3.2003 legte die Anforderungen an die Bereitstellung<br />

bzw. Entwicklung von fachlichen Konzepten sowie an die Implementationsbegleitung<br />

bereits in groben Zügen fest. Hiervon ausgehend waren folgende Konzeptbausteine<br />

zu entwickeln:<br />

Eine Leistungssystematik („Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen<br />

in der vollstationären Pflege“), die das Profil des Leistungsangebotes, das heute<br />

in den Pflegeeinrichtungen vorgehalten werden sollte, näher definiert. Es handelt<br />

sich allerdings nicht allein um ein Klassifikationssystem. Die Leistungsbeschreibungen<br />

verstehen sich vielmehr auch als Arbeitshilfe <strong>für</strong> die individuelle Pflege.<br />

Ein System zur Bedarfsklassifikation, mit dem Aussagen zu Art und Umfang des<br />

Unterstützungsbedarfs in Abhängigkeit vom individuellen Profil der Pflegebedürftigkeit<br />

getroffen werden können und das Verkürzungen, wie sie der Pflegestufensystematik<br />

nach dem SGB XI aus<strong>zum</strong>achen sind (vgl. Landtag NRW 2005: 29ff),<br />

zu vermeiden versucht.<br />

So genannte übergeordnete Qualitätsmaßstäbe, die sich auf die Gestaltung der<br />

Rahmenbedingungen und Verfahrensweisen in ausgewählten, besonders wichtigen<br />

Segmenten des Versorgungsalltags beziehen, und zwar auf<br />

13 Korte-Pötters, U./Wingenfeld, K./Heitmann, D. (2007): Konzepte zur Sicherstellung der Versorgungsqualität in vollstationären Pflegeeinrichtungen.<br />

In: <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW (Hg.): <strong>Referenzmodell</strong>e – Praxisleitfaden zur Qualitätsentwicklung<br />

in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Düsseldorf<br />

14 Das Projekt sollte also Ergebnisse bereitstellen, mit denen sich die <strong>für</strong> die Gestaltung der pflegerischen Versorgung maßgeblichen Stellen<br />

auf Landes-, ggf. auch auf Bundesebene über Qualitätsanforderungen, Fragen des Leistungsprofils und der Personalausstattung in der<br />

vollstationären Pflege auf einer rationalen Basis verständigen können.<br />

69


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

70 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

• Verfahrensweisen im Zusammenhang mit dem Einzug neuer Bewohner,<br />

• die Zusammenarbeit mit Angehörigen,<br />

• die Sicherstellung einer bedarfsgerechten nächtlichen Versorgung,<br />

• die Gestaltung des Übergangs von Bewohnern in ein Akutkrankenhaus,<br />

• die Kooperation mit niedergelassenen Ärzten,<br />

• die fachgerechte Begleitung sterbender Heimbewohner.<br />

Konzepte zur Optimierung der Steuerung des individuellen Pflegeprozesses, insbesondere<br />

• Empfehlungen zur Gestaltung von Funktion und Aufgaben der prozesssteuernden<br />

Pflegefachkraft und zur Umsetzung einer qualifikationsorientierten Arbeitsteilung,<br />

• Anforderungen an die Gestaltung des pflegerischen Assessments,<br />

• Anforderungen an die Erfassung von Informationen zur Biographie und Lebenssituation<br />

des Bewohners vor dem Heimeinzug und<br />

• ein Konzept zur Ausgestaltung neuer Formen der Pflegedokumentation.<br />

Über die Entwicklungsarbeiten hinaus kam dem IPW die Aufgabe zu, die Referenzeinrichtungen<br />

bei der Umsetzung der Konzepte im Rahmen der praktischen Erprobung<br />

fachlich zu begleiten. Diese Implementationsbegleitung sollte Hilfestellungen<br />

geben, um Anpassungen im Versorgungsalltag auf eine Art und Weise durchzuführen,<br />

die den Anforderungen der Konzepte entspricht.<br />

2. Methodisches Vorgehen<br />

Das besondere Merkmal des Modellvorhabens bestand in der Zusammenarbeit zwischen<br />

Wissenschaft und Praxis, die sich sowohl auf die Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte<br />

als auch die Implementation dieser Konzepte erstreckt.<br />

Darüber hinaus erfolgte die Konzeptentwicklung in Abstimmung mit verschiedenen<br />

Gremien und Arbeitsgruppen. Das Modellvorhaben sollte am Ende praktisch<br />

erprobte Konzepte der Qualitätsentwicklung bereitstellen, die nicht nur von einzelnen<br />

Pflegeeinrichtungen aufgegriffen werden, sondern in der pflegerischen Versorgung<br />

insgesamt Breitenwirkung entfalten können. Eine der daraus resultierenden Konsequenzen<br />

besteht in einem dichten Geflecht aus Gremien und Abstimmungsprozessen,<br />

in das die wissenschaftlich gestützte Konzeptentwicklung eingebunden war. Alle<br />

Akteure, die maßgeblich an der Gestaltung der stationären pflegerischen Versorgung<br />

mitwirken, sollten in die Begleitung des Modellvorhabens eingebunden werden und<br />

damit Gelegenheit erhalten, ihre jeweilige Problemsicht einzubringen.<br />

Die Entwicklungsarbeiten waren dementsprechend eingebettet in eine relativ komplexe<br />

Struktur begleitender Gremien und anderer Arbeitszusammenhänge. Hierzu<br />

gehörten<br />

vier Regionalgruppen, in denen jeweils fünf Modellbeauftragte der Referenzeinrichtungen<br />

und ein Vertreter der beteiligten Institute zusammentrafen. Sie tagten in<br />

regelmäßigen Abständen und bildeten <strong>für</strong> die Konzeptentwicklung den zentralen<br />

Ort der Abstimmung zwischen Wissenschaft und Praxis.


der Steuerungskreis, der sich aus den beteiligten Instituten, den Fördergebern,<br />

dem Vorsitzenden des Landespflegeausschusses und dem Projektträger zusammensetzte,<br />

eine allgemeine Steuerungsverantwortung wahrnahm und zudem als<br />

Forum der inhaltlichen Abstimmung fungierte.<br />

ein Begleitausschuss, der die Konzeptentwürfe vor Beginn der praktischen Erprobung<br />

eingehend diskutierte. Die Mitglieder des Begleitausschusses wurden vom<br />

nordrhein-westfälischen Landespflegeausschuss benannt und repräsentierten insofern<br />

die dort vertretenen Akteure.<br />

Expertenrunden, die jeweils zur Bearbeitung oder Diskussion ausgewählter Themen<br />

einberufen wurden. So erfolgte die Entwicklung des Qualitätsmaßstabs zur<br />

Zusammenarbeit der Einrichtungen mit niedergelassenen Ärzten in enger Kooperation<br />

mit Dr. med. Dipl.-Psych. Barbara Höft (Institutsambulanz Gerontopsychiatrie,<br />

Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, ehem. Landesärztin <strong>für</strong><br />

Gerontopsychiatrie) und Dr. med. Wolfgang Seyfarth (ehemaliger Grundsatzreferent<br />

Pflegeversicherung beim MDK Nordrhein). In Vorbereitung des Qualitätsmaßstabs<br />

zur nächtlichen Versorgung wurde ein Workshop gemeinsam mit Vertretern<br />

aus mehreren (nicht am Modellprojekt beteiligten) Einrichtungen durchgeführt, die<br />

auf diesem Gebiet bereits interessante Konzepte erarbeitet und umgesetzt hatten.<br />

Ferner ist auf die Kooperation mit dem Institut <strong>für</strong> Pflegewissenschaft an der Universität<br />

Witten/Herdecke hinzuweisen, das um eine fachliche Stellungnahme zu<br />

den Konzeptentwürfen gebeten wurde 15 . Schließlich gab es noch verschiedene<br />

weitere Arbeitskontakte, die <strong>zum</strong>eist dem fachlichen Austausch dienten.<br />

Ausgehend von der Zielsetzung, anschlussfähige Konzepte zu erarbeiten, waren die<br />

beteiligten Referenzeinrichtungen in den meisten Fällen intensiv in die Entwicklungsarbeiten<br />

einbezogen. Je nach Konzeptbaustein ergab sich dabei ein anderes konkretes<br />

Vorgehen, das im Verlauf der folgenden Ausführungen genauer geschildert wird. Im<br />

Großen und Ganzen folgten jedoch alle Entwicklungsarbeiten dem gleichen Muster:<br />

In einem ersten Schritt entwickelte das IPW auf der Basis verschiedener Vorarbeiten<br />

Konzeptentwürfe.<br />

Diese Entwürfe durchliefen umfangreiche Abstimmungsprozesse, in die sowohl<br />

die Referenzeinrichtungen als auch die projektbegleitenden Gremien einbezogen<br />

waren.<br />

Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Abstimmungsprozesse erfolgte noch einmal<br />

eine inhaltliche und formale Anpassung. Die daraus hervorgegangenen Konzepte<br />

wurden den Einrichtungen zur praktischen Erprobung übergeben 16 .<br />

An die Erprobung, d. h. <strong>zum</strong> Ende des Modellvorhabens, schloss sich eine<br />

gemeinsame Auswertung der Erprobungserfahrungen mit den Modellbeauftragten<br />

an. Daraus resultierten nochmalige Konzeptmodifikationen, die im Gesamtbild<br />

nur wenige inhaltliche Anpassungen, allerdings viele Ergänzungen bzw. Veränderungen<br />

auf der Ebene von Erläuterungen und Kommentierungen umfassten.<br />

Die auf diesem Weg optimierten Konzepte wurden schließlich noch einmal <strong>für</strong> die<br />

Publikation im Rahmen eines umfangreichen Praxisleitfadens aufbereitet, der in der<br />

ersten Jahreshälfte 2007 der interessierten Fachöffentlichkeit übergegeben werden<br />

soll (Korte-Pötters et al. 2007).<br />

15 Namentlich: Frau Prof. Dr. S. Bartholomeyczik, Frau M. Peters (MScN) und Frau D. Renner (MScN).<br />

16 Einige dieser Konzeptversionen (Leistungsbeschreibungen und Qualitätsmaßstäbe) sind bereits vor Abschluss der Erprobung veröffentlicht<br />

worden (vgl. Korte-Pötters/Wingenfeld 2005 und Wingenfeld et al. 2006).<br />

71


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

72 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die fachliche Implementationsbegleitung zur Unterstützung der Einrichtungen bei der<br />

Konzeptumsetzung erfolgte in unterschiedlichen Formen. Auch in dieser Hinsicht kam<br />

den regelmäßig tagenden Regionalgruppen ein hoher Stellenwert zu. Darüber hinaus<br />

leistete das IPW kontinuierlich eine einrichtungsindividuelle Beratung, teils in<br />

Form längerer, direkter Arbeitsgespräche, teils auf telefonischem Weg. Die Implementationsbegleitung<br />

erwies sich als sehr wichtig, um den Einrichtungen eine Orientierungshilfe<br />

zur Verfügung zu stellen, mit der sie a) Schritte der Qualitätsentwicklung<br />

auf der Basis der Konzepte zielgerichtet einleiten konnten und b) Detailprobleme<br />

fachlicher Art, die erst im Verlauf von Veränderungen im Arbeitsalltag sichtbar werden<br />

und die je nach Einrichtung unterschiedlich ausfallen, bewältigen konnten.<br />

3. Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen<br />

in der vollstationären Pflege<br />

Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Entwicklung der „Leistungsbeschreibungen“ waren einige<br />

Ergebnisse und methodische Vorarbeiten des Forschungsprojekts „Pflegebedarf und<br />

Leistungsstruktur in der vollstationären Pflege“ (Wingenfeld/Schnabel 2002 – im Folgenden<br />

kurz: NRW-Studie). Dieses Projekt ging zurück auf eine Initiative des Landespflegeausschusses<br />

Nordrhein-Westfalen und wurde in der Zeit von 1999 bis 2001<br />

durchgeführt. Es sollte einen Beitrag dazu leisten, die in vielen Bereichen noch<br />

lückenhafte Informationsgrundlage zur Beschreibung und Beurteilung von Strukturen<br />

der Pflegebedürftigkeit und des Leistungsgeschehens in stationären Pflegeeinrichtungen<br />

zu verbessern. Die Untersuchung erstreckte sich auf insgesamt 27 Pflegeeinrichtungen<br />

in Nordrhein-Westfalen, dort jeweils auf eine Wohnetage/Pflegegruppe und<br />

damit auf rund 730 Bewohner.<br />

3.1 Problemhintergrund und Zielsetzungen<br />

Die Ergebnisse der NRW-Studie dokumentieren u.a. eine einseitige Konzentration<br />

der pflegerischen Versorgung auf körperliche Bedarfslagen. Fragen der Bewältigung<br />

psychischer Erkrankungen und ihrer Folgeprobleme, die aufgrund des hohen Anteils<br />

dementiell Erkrankter den Lebensalltag in den Heimen stark prägen, werden danach<br />

zwar nicht gänzlich vernachlässigt, aber auch nicht systematisch aufgegriffen und in<br />

Form einer planvollen, individuellen Interventionsstrategie <strong>zum</strong> Gegenstand der<br />

Pflege gemacht. Vielmehr wird auf psychische bzw. verhaltensbezogene Problemlagen<br />

vorrangig „spontan“ reagiert, vor allem in Situationen, in denen sich Gefährdungen,<br />

Störungen, psychische Überforderungen oder andere problematische Situationen<br />

anbahnen oder bereits manifestiert haben. Die Versorgung ist den Untersuchungsergebnissen<br />

zufolge also durch ein Handeln geprägt, welches in erster Linie<br />

auf akute, von den Mitarbeitern unmittelbar wahrnehmbare Bedarfslagen ausgerichtet<br />

ist. In engem Zusammenhang damit steht die Beobachtung, dass sich die Aufmerksamkeit<br />

der Mitarbeiter auf solche Bewohner konzentriert, die in der Lage sind, ihre<br />

Bedürfnisse an die Pflegenden heranzutragen oder Situationen herzustellen, in denen<br />

eine unmittelbare Intervention erforderlich wird. Je weniger mobil die Bewohner, also


3.2 Methodisches Vorgehen<br />

je weniger ihre Bedürfnisse und psychischen Problemlagen im Wohnbereichsalltag<br />

präsent sind, umso seltener erhalten sie außerhalb von körperbezogenen Pflegehandlungen<br />

Unterstützung.<br />

Die Studie zeigte des Weiteren, dass der Grundsatz einer ressourcenfördernden<br />

bzw. ressourcenerhaltenden Pflege im Versorgungsalltag wenig <strong>zum</strong> Zuge kommt.<br />

Entsprechende Ansätze konzentrieren sich auf Personen, bei denen davon auszugehen<br />

ist, dass sich die jeweilige Pflegehandlung nicht in die Länge zieht. Zeitlich<br />

umfangreiche Anleitungssequenzen besitzen im Versorgungsalltag Seltenheitswert.<br />

Nicht zuletzt aufgrund der in vielen Fällen angespannten Personalsituation hat sich<br />

vielmehr eine Praxis herausgebildet, in der die Mitarbeiter danach streben, Maßnahmen<br />

so rasch wie möglich zu erledigen und dabei ggf. auch Eigenaktivität von<br />

Bewohnern zurückzuweisen.<br />

Diese und andere Untersuchungsergebnisse stehen im Einklang mit anderen Bestandsaufnahmen<br />

der Versorgungsqualität in stationären Pflegeeinrichtungen (vgl. z.B.<br />

Landtag NRW 2005). Sie bildeten einen wesentlichen Bezugspunkt <strong>für</strong> die Entwicklung<br />

der Leistungsbeschreibungen: Diese sollten das Profil eines Leistungsangebots<br />

abbilden, mit dem auf die Problem- und Bedarfslagen der heutigen Heimbewohner<br />

adäquat reagiert werden kann. Sowohl die Art und Weise, wie Leistungen definiert<br />

und voneinander abgegrenzt werden, als auch die Erläuterungen und Maßgaben zur<br />

Anwendung der Systematik weisen konkrete Bezüge zu den skizzierten Problemfeldern<br />

auf, die mit der NRW-Studie abgebildet wurden. Sie fordern beispielsweise<br />

eine stärkere Gewichtung von Unterstützungsleistungen, die auf psychische Problemlagen<br />

und Bedürfnisse ausgerichtet sind,<br />

eine Akzentuierung ressourcenfördernder bzw. -erhaltender Maßnahmen,<br />

eine konsequent bedarfsorientierte Pflege, d. h. eine Pflege, die neben akuten<br />

Bedarfslagen die Gesamtsituation des Bewohners und eine vorausschauende Strategie<br />

der Hilfe bei der Bewältigung von Krankheit und Pflegebedürftigkeit in den<br />

Mittelpunkt stellt.<br />

Die Leistungsbeschreibungen ließen sich aus den Ergebnissen der NRW-Studie nicht<br />

unmittelbar ableiten. Vielmehr mussten zahlreiche weitere Wissensbestände einbezogen<br />

werden, sowohl wissenschaftliche als auch nichtwissenschaftliche.<br />

Allerdings dienten jene Leistungskategorien als Ausgangspunkt der Entwicklungsarbeiten,<br />

die den empirischen Erhebungen, die mit der Studie durchgeführt worden<br />

waren, unterlegt waren: Aufgrund der methodischen Anlage der NRW-Studie hatte<br />

sich damals die Notwendigkeit ergeben, bei der Erhebung mit Kategorien zu arbeiten,<br />

die überschaubar waren und von den Mitarbeitern in der Praxis gut nachvollzogen<br />

werden konnten. In dieser Hinsicht hatte sich das Kategorienraster im Großen<br />

und Ganzen gut bewährt, so dass der Gedanke nahe lag, es in einer modifizierten<br />

Form auch dem Leistungsklassifikationssystem zugrunde zu legen.<br />

So entstand ein erster Entwurf der Leistungsbeschreibungen, der dann in die Abstimmung<br />

mit den Modellbeauftragten der Referenzeinrichtungen eingebracht wurde. In<br />

mehreren Diskussionsrunden wurde der Entwurf Punkt <strong>für</strong> Punkt beraten und gemeinsam<br />

geprüft. Im Mittelpunkt standen dabei folgende Fragen:<br />

73


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

74 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Decken die Leistungsbeschreibungen das Spektrum der Maßnahmen, die heute im<br />

Versorgungsalltag erbracht werden, vollständig ab? Wird es den Mitarbeitern in<br />

den Einrichtungen ohne größere Probleme möglich sein, ihr pflegerisches Handeln<br />

den Leistungskategorien zuzuordnen?<br />

Berücksichtigen und gewichten die Leistungsbeschreibungen in ausreichendem<br />

Maße auch solche Unterstützungsleistungen, die fachlich gesehen einen hohen<br />

Stellenwert besitzen, im heutigen Versorgungsalltag aber zu wenig berücksichtigt<br />

werden?<br />

Ist die Systematik so aufgebaut und sprachlich so formuliert, dass sie ohne<br />

größere Probleme von der Praxis nachvollzogen werden kann? Welche Unterschiede<br />

zu den Leistungsbeschreibungen weisen die sprachlichen bzw. die Dokumentationsgepflogenheiten<br />

in den Einrichtungen auf?<br />

Die Bewertung der Entwürfe erfolgte allerdings nicht allein im Rahmen der Diskussion<br />

mit den Modellbeauftragten. Diese wurden vielmehr gebeten, die angesprochenen<br />

und noch einige weitere Fragen in ihrer jeweiligen Einrichtung – vorrangig in Form<br />

von internen Beratungen und stichpunktartiger Auswertung der Pflegedokumentation<br />

– zu prüfen. Hierbei wurden beispielsweise Maßnahmen identifiziert, die in den Leistungsbeschreibungen<br />

aufgeführt, aber in der Praxis nicht oder nur selten erbracht<br />

wurden. Insofern lieferte dieses Vorgehen den Einrichtungen bereits erste Anhaltspunkte<br />

<strong>für</strong> spätere Anpassungen ihres Angebotsprofils, denn sie mussten da<strong>für</strong> Sorge<br />

tragen, dass bei der späteren praktischen Erprobung sämtliche vom Klassifikationssystem<br />

definierten Leistungen bei Bedarf auch tatsächlich erbracht werden können.<br />

Im weiteren Verlauf wurden die Entwürfe in die Beratungen mit den Begleitgremien<br />

des Modellvorhabens eingebracht. Wie oben angemerkt, zielt das Modellvorhaben<br />

auf die Erarbeitung von Konzepten, die Breitenwirkung entfalten sollen. Die Konzepte<br />

sind daher nicht nur auf Akzeptanz der einzelnen Einrichtungen, sondern beispielsweise<br />

auch der Trägerverbände und Kostenträger angewiesen, deren Vertreter<br />

in den Begleitgremien mitwirkten.<br />

Auf diese Art und Weise, also im Zuge eines mehrstufigen Prüfungs- und Abstimmungsverfahrens<br />

und nach mehrfachen Modifikationen, entstand schließlich jene Version<br />

der Leistungsbeschreibungen, die im Rahmen des Modellvorhabens praktisch<br />

erprobt wurde 17 .<br />

3.3 Zum Charakter der Leistungsbeschreibungen<br />

Die Leistungsbeschreibungen stellen ein Klassifikationssystem dar, das Leistungen<br />

bzw. Maßnahmen ordnet und definiert, inhaltlich voneinander abgrenzt und in seiner<br />

Gesamtheit ein Leistungsprofil definiert, das den Problem- und Bedarfslagen der<br />

Bewohner vollstationärer Pflegeeinrichtungen gerecht wird. Es ist bewusst übersichtlich<br />

gehalten und soll dadurch die Transparenz von Leistungsangebot und Leistungsgeschehen<br />

fördern. Vor allem in diesem Punkt, aber auch hinsichtlich seiner Funktion<br />

<strong>für</strong> den Versorgungsalltag unterscheidet es sich von anderen Klassifikationssystemen.<br />

Herkömmliche Pflegeklassifikationssysteme dienen dazu, den Gegenstandsbereich<br />

der Pflege „durch möglichst umfassende Auflistung und Definition relevanter Begrifflichkeiten“<br />

zu erfassen (Stemmer 2003: 53). Hierdurch soll u.a. eine einheitliche,<br />

standardisierte Pflegefachsprache als Grundlage <strong>für</strong> Forschung, Management, Lehre<br />

und Praxis geschaffen werden (Fafflock et al. 2003; Goossen 2001). Drei Hauptgruppen<br />

von Pflegeklassifikationen lassen sich unterscheiden:<br />

17 Diese Version wurde bereits Mitte des Jahres 2005 der Öffentlichkeit vorgestellt (vgl. Korte-Pötters/Wingenfeld 2005).


3.4 Aufbau<br />

Klassifikationen von Pflegediagnosen stellen eine systematische Darstellung von<br />

Pflegeproblemen dar, auf deren Grundlage Maßnahmen geplant werden können<br />

(Wingenfeld 2000; Georg 2005). Bekanntestes Beispiel hier<strong>für</strong> sind die Pflegediagnosen<br />

der „North American Nursing Diagnosis Association“ (NANDA).<br />

Interventionsklassifikationssysteme beschreiben Pflegehandlungen, die von Pflegenden<br />

durchgeführt werden, um den Gesundheitszustand der zu Pflegenden zu<br />

beeinflussen. Das System NIC (Nursing Intervention Classification) <strong>zum</strong> Beispiel<br />

stellt jede Pflegeintervention differenziert mit Titel, Definition und einer Liste von<br />

Aktivitäten dar, die im Zusammenhang mit dieser Intervention durchgeführt werden<br />

können (McCloskey Docherman et al. 2003).<br />

Klassifikationssysteme <strong>für</strong> Pflegeergebnisse wie die NOC (Nursing Outcomes<br />

Classification) benennen „Patientenergebnisse/-zustände“, die auf pflegerisches<br />

Handeln zurückzuführen sind (Stemmer 2003: 55; Johnson et al. 2005).<br />

Die Entwicklung der Leistungsbeschreibungen folgte u.a. der Zielsetzung, ein an den<br />

Bedarfslagen und Bedürfnissen der Bewohner orientiertes Leistungsprofil in übersichtlicher<br />

und nachvollziehbarer Form abzubilden. Dementsprechend können sie nicht mit<br />

den genannten Klassifikationssystemen gleichgesetzt werden. Selbst gegenüber dem<br />

oben beispielhaft aufgeführten Pflegeinterventionsklassifikationssystem gibt es erhebliche<br />

Unterschiede: Die Leistungsbeschreibungen beziehen sich explizit auf die Versorgungssituation<br />

in der vollstationären Langzeitversorgung. Eine Verwendung in anderen<br />

Pflegesettings würde eine Reihe von Modifikationen erforderlich machen. Zudem<br />

wurde bewusst eine zusammenfassende, übersichtliche Form der Darstellung der Leistungen<br />

gewählt, um die Verwendung in der Praxis zu erleichtern. Die Leistungsbeschreibungen<br />

unterscheiden insgesamt 32 unmittelbar bewohnerbezogene Maßnahmen.<br />

Das System NIC hingegen führt – getreu der Zielsetzung einer umfassenden und<br />

differenzierten Darstellung – über 500 Pflegeinterventionen auf.<br />

Auch hinsichtlich der gewählten Ordnungsstruktur, die sich an der jeweiligen Zielsetzung<br />

einer Klassifikation orientiert (Goossen 2001), bestehen Unterschiede. Auf ein<br />

Ordnungssystem entsprechend der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL), Aktivitäten<br />

und existentiellen Erfahrungen des Lebens (AEDL) oder Lebensaktivitäten (LA) wurde<br />

verzichtet, um die Leistungsbeschreibungen unabhängig von einem Pflegemodell universal<br />

einsetzbar zu machen. Die Verknüpfung von Leistungsbeschreibungen und<br />

dem in der Einrichtung genutzten Pflegemodell ist daher, wie auch die Erfahrungen<br />

der Referenzeinrichtungen zeigen, durchaus möglich.<br />

Die Leistungsbeschreibungen unterscheiden zwei große Maßnahmenbereiche: unmittelbar<br />

und mittelbar bewohnerbezogene Leistungen.<br />

Im Bereich der unmittelbar bewohnerbezogenen Maßnahmen, d. h. der Maßnahmen,<br />

die in direktem Kontakt mit Bewohnern durchgeführt werden, werden insgesamt 32<br />

Leistungen unterschieden. Sie umfassen nicht nur die Hilfe bei der Durchführung körperlicher<br />

Verrichtungen, sondern auch Unterstützung bei psychischen und sozialen<br />

Problemlagen der Bewohner.<br />

75


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

76 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Darüber hinaus werden insgesamt 12 mittelbar bewohnerbezogene Leistungen unterschieden<br />

18 . Ihre Definition erfolgte ebenfalls auf der Basis der in der NRW-Studie entwickelten<br />

Leistungskategorien. Abgesehen von geringfügigen Anpassungen wurde<br />

die bewährte Systematik beibehalten und auf alternative Formen der Einteilung der<br />

mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen (vgl. z.B. KDA 2005) verzichtet.<br />

In der Regel werden mittelbar bewohnerbezogene Leistungen nicht in direktem Kontakt<br />

mit Bewohnern erbracht. Dennoch ist es <strong>für</strong> das Verständnis der Abgrenzung zwischen<br />

unmittelbar und mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen wichtig zu wissen,<br />

dass es hiervon einige wenige Ausnahmen gibt, z.B. die Erhebung von Informationen<br />

im Rahmen des pflegerischen Assessments, die Erfassung biografischer Informationen<br />

oder die Abstimmung der Pflegeplanung mit dem Bewohner. Auch die Zusammenarbeit<br />

mit Angehörigen kann im Beisein des Bewohners erfolgen, z.B. bei<br />

gemeinsamen Gesprächen oder bei der Teilnahme von Angehörigen an der Bewohnerversorgung.<br />

Allerdings handelt es sich dabei nicht um Versorgungsleistungen im<br />

engeren Sinne. Maßnahmen des Qualitätsmanagements (soweit nicht auf den einzelnen<br />

Bewohner bezogen), Fortbildungen/Schulungen, hauswirtschaftliche Leistungen,<br />

Verwaltungsarbeiten oder technische Dienste der Mitarbeiter, die nicht direkt in die<br />

Bewohnerversorgung einbezogen sind, bilden eigenständige Leistungsbereiche und<br />

blieben daher unberücksichtigt.<br />

Der besseren Übersichtlichkeit halber, aber auch aus anderen Gründen wurden <strong>für</strong><br />

unmittelbar und mittelbar bewohnerbezogene Leistungen unterschiedliche Darstellungsformen<br />

gewählt:<br />

Unmittelbar bewohnerbezogene Leistungen<br />

Um eine einfache Orientierung zu ermöglichen, sind Maßnahmen, die in unmittelbarem<br />

Kontakt mit dem Bewohner durchgeführt werden, insgesamt sechs Untergruppen<br />

zugeordnet. Es handelt sich um die Maßnahmenbereiche<br />

Mobilität<br />

Ernährung<br />

Ausscheidungen<br />

Körperpflege<br />

Psychische und soziale Problemlagen und Bedürfnisse<br />

Spezielle Pflege.<br />

Jede der insgesamt 32 Leistungen ist mit einem Titel („Leistungskategorie“) und einer<br />

Abkürzung versehen. Die Abkürzung kann im Rahmen der Pflegedokumentation<br />

genutzt werden, um die Zuordnung von individuell geplanten Maßnahmen zu einer<br />

Leistungsbeschreibung direkt erkennbar zu machen. Eine thematische Einführung<br />

beschreibt in kurzer Form den Gegenstand der Leistung, weist auf besonders wichtige<br />

Aspekte und – sofern erforderlich – Abgrenzungen zu anderen Leistungen hin.<br />

Die jeweiligen Leistungen beinhalten nicht einzelne Maßnahmen, sondern jeweils ein<br />

Bündel verschiedener Handlungen, die notwendig sind, um den Bewohner bei der<br />

Bewältigung eines Problems oder einer Anforderung zu unterstützen. Die Unterstützung<br />

bei der Nahrungsaufnahme kann z.B. sowohl die Hilfe beim Aufsuchen des Essplatzes,<br />

das Anreichen der Nahrung sowie weitere Teilhandlungen umfassen. Dementsprechend<br />

beschreiben die aufgeführten Teilhandlungen die einzelnen Elemente<br />

bzw. den möglichen Ablauf der Maßnahme 19 . Die Teilhandlung „Unterstützung bei<br />

18 Pflegeplanung und -dokumentation; Stellen der ärztlich verordneten Medikation; Zusammenarbeit mit externen Stellen; Arbeitsbesprechungen<br />

(einrichtungsintern); Koordination, Organisation, Verwaltung; Kontakte zu Angehörigen/Bezugspersonen der Bewohner; Kooperation<br />

mit freiwilligen Helfern; Wäscheversorgung; Mahlzeitenversorgung; Aufräum-, Reinigungs- und Wartungsarbeiten; Tätigkeiten zur Vorund<br />

Nachbereitung von unmittelbar bewohnerbezogenen Maßnahmen; sonstige mittelbar bewohnerbezogene Leistungen.<br />

19 Die Beschreibungen der unmittelbar bewohnerbezogenen Maßnahmen können nicht mit prozessorientierten Pflegestandards (vgl. u.a.<br />

Marhold/Happe 1999) gleich gesetzt werden. Zwar enthalten sie Hinweise zu Teilhandlungen einer Maßnahme, machen aber im Unterschied<br />

zu Pflegestandards keine konkreten Angaben <strong>zum</strong> Ablauf einzelner Tätigkeiten.


3.5 Funktionen<br />

der Fortbewegung“ beispielsweise ist <strong>für</strong> mehrere Leistungsbeschreibungen relevant.<br />

Entscheidend <strong>für</strong> die Zuordnung ist die Zielsetzung, die mit dieser Unterstützung verfolgt<br />

wird, also z.B. Aufsuchen des Speiseraums zur Einnahme einer Mahlzeit, Unterstützung<br />

beim Gang zur Toilette oder beim Aufsuchen eines Raums zur Teilnahme an<br />

einem Gruppenangebot. Zur Gewährleistung einer übersichtlichen Darstellung der<br />

Leistungen werden grundlegende Teilhandlungen (z.B. maßnahmenbezogene Information<br />

des Bewohners), die selbstverständlicher Bestandteil jeder Maßnahme sein<br />

sollten, nicht in jeder Leistungsbeschreibung explizit aufgeführt.<br />

Um die Anzahl der Leistungen in einem überschaubaren Rahmen zu halten, wurden<br />

nicht nur Teilhandlungen, sondern auch verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten<br />

einer Maßnahme zusammengefasst (Variationen der Maßnahme) 20 . Auch hierbei<br />

handelt es sich nicht um eine vollständige Auflistung, sondern um die Benennung<br />

gängiger Formen.<br />

Ergänzend zu diesen Ausführungen, die im engeren Sinne als Beschreibung von<br />

Maßnahmen bzw. Leistungen zu verstehen sind, beinhaltet jede Leistungsbeschreibung<br />

Hinweise auf Hauptkriterien <strong>für</strong> den Bedarf, vorrangige Pflegeziele und Hinweise<br />

zur Ressourcenförderung, die <strong>für</strong> die Ausgestaltung des individuellen Pflegeprozesses<br />

Hilfestellungen bieten können. Es handelt sich hierbei allerdings nicht um<br />

eine vollständige, abschließende Darstellung. Die Hinweise stellen vielmehr eine Auswahl<br />

besonders wichtiger Aspekte dar, mitunter auch nur wichtige „Merkpunkte“.<br />

Letzteres gilt beispielsweise <strong>für</strong> den Verweis auf besondere interventionsrelevante<br />

Faktoren, die als solche in einem gesonderten Abschnitt der Leistungsbeschreibungen<br />

aufgeführt sind. Darunter fallen beispielsweise körperliche Merkmale (Schmerz, Einschränkungen<br />

der Mobilität etc.), psychischer Status (Ängstlichkeit, Apathie etc.)<br />

oder bestimmte Verhaltensweisen (etwa Abwehr von Unterstützung).<br />

Mittelbar bewohnerbezogene Leistungen<br />

Die Beschreibungen mittelbar bewohnerbezogener Maßnahmen weichen in ihrem<br />

Aufbau von den anderen Leistungsbeschreibungen deutlich ab und beinhalten lediglich<br />

eine Zuordnung von Maßnahmen ohne nähere Erläuterungen. Eine differenziertere<br />

Darstellung der mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen ist nicht erforderlich,<br />

da sie nicht als von den Einrichtungen zu erfüllendes Anforderungsprofil verstanden<br />

werden sollte. Vielmehr geht es darum, das gesamte Versorgungsgeschehen – und<br />

eben nicht nur die unmittelbar bewohnerbezogenen Leistungen – abzubilden.<br />

Der Katalog der mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen enthält außerdem Empfehlungen,<br />

wie eine Arbeitsteilung entsprechend der Mitarbeiterqualifikation vorgenommen<br />

werden sollte, d. h. welche Leistungen ausschließlich von Pflegefachkräften, von<br />

„Nicht-Fachkräften“ bzw. sowohl von Pflegefachkräften als auch „Nicht-Fachkräften“<br />

erbracht werden sollten. Diese Zuordnungen orientieren sich an dem Grundsatz,<br />

dass Mitarbeiter mit einer Fachqualifikation nach Möglichkeit Arbeiten übernehmen<br />

sollten, <strong>für</strong> die eben diese Fachqualifikation erforderlich ist, und umgekehrt nicht<br />

durch Tätigkeiten beansprucht werden sollten, die auch von Mitarbeitern mit anderen<br />

Qualifikationen durchgeführt werden können.<br />

Die Leistungsbeschreibungen bilden ein Leistungsprofil ab, welches angesichts der<br />

gesundheitlichen Problem- und Bedarfslagen der Bewohner von den Einrichtungen<br />

prinzipiell vorgehalten werden sollte. Sie stellen ein Anforderungsprofil dar, welches<br />

20 So werden z.B. Ganz-, Teilkörperwaschung, Waschung am Waschbecken oder im Bett einer einzigen Leistungsbeschreibung zugeordnet.<br />

77


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

78 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

als sinnvoll und notwendig zur angemessenen Versorgung der Bewohner erachtet<br />

wird, aber dennoch in seiner Gesamtheit über die derzeitige Praxis hinausreicht. Pflegeeinrichtungen<br />

bieten zwar den überwiegenden Teil der beschriebenen Leistungen<br />

an, jedoch werden einige Maßnahmen nicht, selten oder nur ansatzweise erbracht<br />

und können somit noch nicht als regelhaftes Leistungsangebot gelten. Dies bezieht sich<br />

insbesondere auf Maßnahmen zur Förderung bzw. Erhaltung der Mobilität und zur<br />

Unterstützung bei psychischen und sozialen Problemlagen und Bedürfnissen.<br />

Die Leistungsbeschreibungen bieten den Einrichtungen daher eine Grundlage zur<br />

Überprüfung ihres Leistungsspektrums, d. h. zur Beantwortung der Frage, welche Leistungen<br />

sie zur Zeit erbringen bzw. im Bedarfsfall ohne zeitliche Verzögerung erbringen<br />

könnten und an welchen Stellen eine Weiterentwicklung des Leistungsspektrums<br />

angezeigt wäre. Sie lassen sich jedoch auch zur vertieften Beurteilung des Leistungsgeschehens<br />

im Versorgungsalltag verwenden, insbesondere im Hinblick auf die<br />

Berücksichtigung grundlegender Qualitätsanforderungen (Ressourcenförderung, biografieorientiertes<br />

Arbeiten, präventives Handeln) sowie die Beachtung von Besonderheiten<br />

bei der individuellen Versorgung. Sie regen außerdem dazu an, stärker zu<br />

beachten, dass alle Bewohner ihrer Bedarfslage entsprechend bei der Planung und<br />

Durchführung von Einzel-/Gruppenaktivitäten berücksichtigt werden. Wie die Ergebnisse<br />

der NRW-Studie sowie die Erfahrungen der Referenzeinrichtungen belegen,<br />

kann dies insbesondere bei stark mobilitätseingeschränkten und kognitiv beeinträchtigten<br />

Bewohnern nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden 21 .<br />

Die Beschreibungen der unmittelbar bewohnerbezogenen Leistungen lassen sich<br />

auch als Arbeitshilfe bei der Planung, Umsetzung und Dokumentation des Pflegeprozesses<br />

22 sowie als Grundlage <strong>für</strong> darauf bezogene Qualifizierungsmaßnahmen verwenden.<br />

Hierzu wurden die einzelnen Leistungsbeschreibungen mit folgenden,<br />

ergänzenden Hinweisen versehen:<br />

Ausgehend von den Ergebnissen des pflegerischen Assessements kann anhand<br />

der Hauptkriterien <strong>für</strong> den Bedarf überprüft werden, ob die jeweilige Leistung <strong>für</strong><br />

den Bewohner in Betracht kommt und welche Zielsetzung verfolgt wird.<br />

Die aufgeführten vorrangigen Ziele können hierbei ebenfalls als Hilfestellung<br />

genutzt werden 23 . Sie stellen allerdings lediglich eine Auswahl dar und decken<br />

nicht alle vorstellbaren Ziele ab.<br />

Die Mehrzahl der Leistungsbeschreibungen enthält Hinweise zur Ressourcenförderung.<br />

Viele Maßnahmen können, je nach Ausgestaltung, zur Ressourcenförderung<br />

genutzt werden.<br />

Jede Leistungsbeschreibung enthält einen Verweis darauf, dass ggf. besondere<br />

interventionsrelevante Faktoren zu berücksichtigen sind. Anhand einer Auflistung<br />

dieser Faktoren kann <strong>für</strong> jeden Bewohner überprüft werden, welche sich als zutreffend<br />

erweisen und ob es sich hierbei um Faktoren handelt, die eine spezielle Ausgestaltung<br />

der betreffenden Maßnahme erforderlich machen, oder um eigenständige<br />

Problemlagen, die unabhängig von der ursprünglich geplanten Maßnahme<br />

weitergehenden Handlungsbedarf nach sich ziehen.<br />

Wie die Erprobungserfahrungen zeigen, haben die Leistungsbeschreibungen dazu<br />

beigetragen, dass pflegerische Leistungen, insbesondere nicht körperbezogene Leistungen<br />

wie z.B. das Führen von Einzelgesprächen, „sichtbar“ und kommunizierbar<br />

21 Die letzte, überarbeitete Fassung der Leistungsbeschreibungen (Korte-Pötters et al. 2007) enthält weitergehende Hinweise zur Nutzung der<br />

Leistungsbeschreibungen <strong>für</strong> eine solche Bestandsaufnahme und eine entsprechende Anpassung des Leistungsangebots bzw. geschehens.<br />

22 Auf eine ausführliche Darstellung des Pflegeprozesses und der Anforderungen an eine angemessen gestaltete Pflegedokumentation wurde<br />

im Rahmen der Leistungsbeschreibungen allerdings bewusst verzichtet, da theoretische Grundlagen bereits Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen<br />

sind (u.a. MDS 2005; Kellnhauser et al. 2004; Menche/Bazlen 2004; Seel/Hurling 2001; Arets et al. 1996).<br />

23 Bei Leistungen, die der speziellen Pflege zuzurechnen sind, wurde auf Zielformulierungen verzichtet, da diese implizit in den ärztlichen<br />

Ver-/Anordnungen enthalten sind


werden. Neben der Nutzung der Leistungsbeschreibungen als Arbeitshilfe <strong>für</strong> die<br />

Erstellung der Pflegeplanung wurde auch der Stellenwert der Dokumentation ungeplanter<br />

Maßnahmen vermehrt in das Bewusstsein der Mitarbeiter gerückt.<br />

Die Leistungsbeschreibungen können des Weiteren als Grundlage <strong>für</strong> die Zuordnung<br />

von Maßnahmen und Fachqualifikationen dienen, da mit ihnen sämtliche an der Versorgung<br />

der Bewohner beteiligten Berufsgruppen angesprochen sind. Wird das Leistungsspektrum<br />

einer Einrichtung anhand der Leistungsbeschreibungen angepasst, so<br />

setzt dies ggf. Organisationsentwicklungsprozesse voraus, mit denen die Aufgabenteilung<br />

der Berufsgruppen neu zu ordnen ist. Dies gilt insbesondere <strong>für</strong> die Zusammenarbeit<br />

zwischen Pflege und Sozialem Dienst sowie <strong>für</strong> die Kooperation zwischen<br />

Fachkräften und anderen Mitarbeitern. Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass<br />

bestimmte Maßnahmen – etwa Maßnahmen der speziellen Pflege – ausschließlich in<br />

den Zuständigkeitsbereich von Pflegefachkräften fallen. Darüber hinaus unterstellen<br />

die Leistungsbeschreibungen jedoch implizit, dass eine nachhaltige Qualitätsentwicklung<br />

nicht ohne eine qualifikationsorientierte Arbeitsteilung auskommt. Pflegefachkräfte,<br />

die vorrangig mit der Steuerung und Koordination des individuellen Pflegeprozesses<br />

betraut sind, sollten soweit wie möglich von anderen Tätigkeiten, <strong>für</strong> die keine<br />

besondere Fachqualifikation erforderlich ist, entlastet werden.<br />

3.6 Zentrale Anforderungen an die Versorgungsqualität<br />

Defizite in der Versorgung immobiler Bewohner, von Bewohnern mit kognitiven Einbußen<br />

und/oder Verhaltensauffälligkeiten sowie eine wenig ausgeprägte ressourcenorientierte<br />

Pflege sind nach den Ergebnissen der NRW-Studie kennzeichnend <strong>für</strong><br />

das Leistungsgeschehen in vielen Pflegeeinrichtungen. Ausgehend von dieser Feststellung<br />

berücksichtigen die Leistungsbeschreibungen im besonderen Maße Leistungen<br />

zur Förderung bzw. Erhaltung der Mobilität und Leistungen, die auf die Bedarfslagen<br />

und Bedürfnisse demenziell bzw. psychisch erkrankter Bewohner zugeschnitten sind.<br />

Außerdem beinhalten sie die Aufforderung zu einer biografie- und präventiv orientierten<br />

sowie ressourcenerhaltenden/-fördernden Pflege.<br />

In diesen Punkten liegen zentrale inhaltliche Ziele der Leistungsbeschreibungen, aber<br />

auch die größten Herausforderungen bei der Verwendung der Leistungsbeschreibungen.<br />

Zwar stellen heute auch vergleichsweise einfache Versorgungsanforderungen<br />

(z.B. Sicherstellung einer ausreichenden Ernährung, Sturzprävention oder Dekubitusprophylaxe)<br />

ein wichtiges Thema im Versorgungsalltag und in der Qualitätsdiskussion<br />

dar, doch handelt es sich hierbei letztlich um fachliche Selbstverständlichkeiten<br />

bzw. Anforderungen, denen die Einrichtungen und ihre Mitarbeiter auch ohne weitreichende<br />

Anpassung von Qualifikationen, Arbeitsmethoden und Arbeitsorganisation<br />

gerecht werden können (sollten). Gleiches lässt sich <strong>für</strong> die Mobilitätsförderung und<br />

die Unterstützung der Bewohner bei der Bewältigung psychischer und sozialer Problemlagen<br />

allerdings nicht behaupten. Die Weiterentwicklung des Leistungsprofils in<br />

diesen Bereichen verlangt von vielen Einrichtungen, wie auch die Erfahrungen mit<br />

der Konzepterprobung zeigten, besondere Anstrengungen.<br />

Mobilitätsförderung<br />

Mobilitätseinbußen haben nicht nur erhebliche Auswirkungen auf nahezu alle alltäglichen<br />

Verrichtungen, sondern auch auf die gesamte individuelle Lebensgestaltung<br />

einschließlich der sozialen Teilhabe. Der Mobilität kommt daher eine zentrale Bedeutung<br />

<strong>für</strong> Lebensqualität und Wohlbefinden zu (Bourret et al. 2002; Stemper 2002).<br />

Auch wenn Kraft, Ausdauer, Koordination und Beweglichkeit nachlassen, ist die körperliche<br />

Leistungsfähigkeit selbst im hohen Alter trainierbar. Hierdurch lassen sich<br />

Risiken (z.B. Sturzrisiko) mindern und die selbständige Alltagsbewältigung fördern<br />

(Meusel 2000; Fiatarone et al. 1990). Maßnahmen zur Förderung der Mobilität soll-<br />

79


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

80 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

ten regelmäßig erfolgen (u.a. Oschütz/Belinová 2003) und alle Aspekte der körperlichen<br />

Leistungsfähigkeit umfassen. Nur so können sie den Ansprüchen einer gezielten<br />

Ressourcenförderung und Prävention gerecht werden. Sie sollten dementsprechend<br />

ein integraler Bestandteil der Pflegeplanung sein. Einrichtungen reagieren auf<br />

den Bedarf an Förderung bzw. Erhaltung der Mobilität jedoch meist mit verschiedenen<br />

Gruppenangeboten, deren Gestaltung aber in der Regel die individuellen Fähigkeiten<br />

der Bewohner kaum berücksichtigt und zudem nur einen Teil der Bewohner<br />

erreicht (Jenull-Schiefer/Janig 2004; Luxton 2002; Lazowski et al. 1999). Somit ist<br />

der Tagesablauf der meisten Bewohner insgesamt von geringer körperlicher Aktivität<br />

geprägt (Hauer 2000; Harper 2002). Diese Situation spitzt sich in Zeiten knapper Personalbesetzung,<br />

wie z.B. an den Wochenenden, noch zu (Bates-Jensen et al. 2004;<br />

Bourret et al. 2002). Nicht zwingend erforderliche Übernahme von Alltagsverrichtungen<br />

durch Mitarbeiter oder Äußerungen, die das Selbstvertrauen der Bewohner mindern,<br />

verringern zudem die Bereitschaft zur Eigenaktivität (Resnick 1999).<br />

Vor diesem Hintergrund weisen die Leistungsbeschreibungen den mobilitätsfördernden<br />

Maßnahmen einen hohen Stellenwert zu. Sie berücksichtigen sowohl Trainingseinheiten<br />

zur Erhaltung bzw. Förderung der Mobilität (Einzel-, Gruppenangebote) als<br />

auch die konsequente Nutzung von Bewegungsmöglichkeiten im Alltag (vgl. auch<br />

Jeschke/Zeilberger 2004; Hauer 2000):<br />

Gruppenangebote können sich in Abhängigkeit von der Zielgruppe und der<br />

jeweiligen Zielsetzung hinsichtlich Angebotsart, -dauer, -ort und Teilnehmerzahl<br />

stark voneinander unterscheiden. Die Leistungsbeschreibung „Gruppenaktivitäten<br />

zur Förderung/Erhaltung der Mobilität“ zeigt hierzu verschiedene Möglichkeiten<br />

auf 24 .<br />

Einzelangebote sind insbesondere <strong>für</strong> Bewohner relevant, die aus unterschiedlichen<br />

Gründen nicht an Gruppenaktivitäten teilnehmen können bzw. aufgrund<br />

bestehender individueller Problemlagen einer intensiveren Mobilitätsförderung<br />

bedürfen. Mit der Leistungsbeschreibung „Einzelaktivitäten zur Förderung/Erhaltung<br />

der Mobilität“ erfolgt eine Darstellung der unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten<br />

im Rahmen von Einzelangeboten.<br />

Da nahezu alle pflegerische Handlungen Bewegungselemente aufweisen (Darmann<br />

2002), können diese zur gezielten Förderung der körperlichen Aktivität ausgebaut<br />

werden. Die überwiegende Anzahl der Leistungsbeschreibungen berücksichtigt<br />

Mobilitätsförderung im Rahmen von pflegerischen Handlungen, indem<br />

u.a. bei der möglichen Ausgestaltung von Maßnahmen auf „Motivierung/Anleitung<br />

zur (teilweise) selbständigen Durchführung“ bzw. im Rahmen der Ressourcenförderung<br />

auf die selbständige Durchführung von Anteilen der Gesamtmaßnahme<br />

nach Anleitung hingewiesen wird.<br />

Eine gezielte Mobilitätsförderung stellt, wie die Erprobungserfahrungen zeigen, insbesondere<br />

bei Bewohnern, die nicht durch Gruppenangebote erreicht werden können,<br />

eine große Herausforderung dar. Bedarfsanalysen mit nachfolgender Umstrukturierung<br />

von Angeboten und veränderten personellen Zuständigkeiten haben in vielen<br />

Modelleinrichtungen erste Schritte zu Verbesserungen eingeleitet. In einigen<br />

Einrichtungen konnten beeindruckende Erfolge beobachtet werden (Mobilisierung<br />

von als „immobil“ geltenden Bewohnern). Dennoch bleibt festzuhalten, dass die<br />

gezielte Einzelförderung unter den gegebenen Rahmenbedingungen <strong>zum</strong> Teil an die<br />

Grenzen der verfügbaren Ressourcen stößt.<br />

24 Im Rahmen der SIMA-Studie (Oswald et al. 2002) konnte beispielsweise gezeigt werden, dass eine Kombination aus körperlichem Training<br />

und Gedächtnistraining bessere Effekte auf die Selbständigkeit des alten Menschen hat als ein isoliertes körperliches Training.


Stärkere Berücksichtigung psychischer/sozialer Problemlagen und<br />

Bedürfnisse<br />

Pflege wird häufig noch immer verengt als Hilfestellung bei körperlichen Einschränkungen<br />

verstanden. Fragen der Bewältigung psychischer Erkrankungen und ihrer Folgeprobleme,<br />

die den heutigen Lebensalltag in den stationären Pflegeeinrichtungen<br />

prägen, werden zwar nicht gänzlich vernachlässigt, aber auch nicht systematisch<br />

aufgegriffen (vgl. Wingenfeld/Schnabel 2002). Häufig fehlt das Bewusstsein <strong>für</strong><br />

kommunikationsintensive Leistungen, also beispielsweise da<strong>für</strong>, dass ein entlastendes<br />

Gespräch mit einem Bewohner, der unter starken Angstzuständen oder einer anderen<br />

Form von psychischem Druck leidet, eine pflegerische Maßnahme darstellt und<br />

nicht allein menschliche Zuwendung. Ist jedoch nicht bewusst, dass eine Handlung<br />

den Charakter einer pflegerischen Hilfestellung besitzt, kann diese Handlung auch<br />

nicht zielgerichtet als pflegerische Hilfestellung eingesetzt werden.<br />

Die Leistungsbeschreibungen zielen daher auf eine stärkere Gewichtung von Unterstützungsleistungen,<br />

die nicht auf körperliche Defizite, sondern auf psychische Problemlagen<br />

und Bedürfnisse ausgerichtet sind. Hierzu ist nicht nur ein entsprechendes<br />

Bewusstsein der Mitarbeiter erforderlich, sondern auch eine explizite Berücksichtigung<br />

psychischer/sozialer Problemlagen und Bedürfnisse bei den verschiedenen<br />

Schritten des Pflegeprozesses. Die Leistungsbeschreibungen definieren vor diesem<br />

Hintergrund zehn Leistungen zur „Unterstützung bei psychischen und sozialen Problemlagen<br />

und Bedürfnissen“. Die Weiterentwicklung des pflegerischen Handlungspotenzials<br />

in diesem Bereich stellt <strong>für</strong> die Einrichtungen eine mindestens ebenso<br />

große Herausforderung dar wie eine systematische Mobilitätsförderung.<br />

Biografieorientierung als Grundsatz der pflegerischen Versorgung<br />

Die Lebensgeschichte, ihre Verbindung zur Gegenwart und zur aktuellen Lebenssituation<br />

kann Hinweise auf derzeitige Bedürfnisse, Wünsche und Prioritäten des Bewohners<br />

geben (Clarke 2000). Eine personenzentrierte Haltung gegenüber Bewohnern<br />

beinhaltet die Berücksichtigung persönlicher Erfahrungen und des biografischen Hintergrunds<br />

des Bewohners in allen Alltagsbezügen. Das Ziel der Erhaltung und Förderung<br />

von Selbstwertgefühl, Identität und subjektivem Wohlbefinden sollte hierbei handlungsleitend<br />

sein. Die Leistungsbeschreibungen betonen daher die Bedeutung der Biografieorientierung<br />

<strong>für</strong> eine angemessene Versorgungssituation. Es handelt sich dabei<br />

allerdings um eine Arbeitsweise, nicht um eine einzelne Maßnahme oder Handlung<br />

der Mitarbeiter. Biografieorientierung macht sich insofern bei vielen Leistungen an der<br />

konkreten Ausgestaltung von Hilfen fest. Dementsprechend finden sich in den Leistungsbeschreibungen<br />

– neben grundsätzlichen Ausführungen <strong>zum</strong> biografieorientierten<br />

Arbeiten – vielfältige Hinweise zu den einzelnen Leistungen:<br />

Biografieorientierte Ausgestaltung von Alltagsverrichtungen: Im Rahmen der Körperpflege,<br />

der Nahrungsaufnahme oder anderen Alltagsverrichtungen können<br />

biografische Informationen gezielt genutzt werden, um die Unterstützung an<br />

Gewohnheiten und persönlichen Vorlieben des Bewohners anzupassen. Biografieorientiertes<br />

Arbeiten drückt sich u.a. durch eine entsprechende Gestaltung der<br />

Abläufe und Auswahl von Pflege- bzw. Hilfsmitteln aus.<br />

Biografieorientierung im Rahmen von Interventionen bei psychischen Problemlagen:<br />

Die angemessene Gestaltung von Unterstützung bei Wanderungstendenz,<br />

aber auch bei Selbst- und Fremdgefährdung oder anderen speziellen psychischen<br />

Problemlagen, kann durch die Beachtung biografischer Informationen erleichtert<br />

werden. Bei zahlreichen Verhaltensweisen psychisch erkrankter Bewohner kommt<br />

es in erster Linie darauf an, Hintergründe und fördernde Bedingungen des Verhaltens<br />

sorgfältig abzuklären und sich auf präventives Handeln zu konzentrieren.<br />

Häufig lässt sich motorische Unruhe bereits durch eine geeignete Tagesstrukturierung<br />

und ausreichende Bewegung/Beschäftigung reduzieren. Ausgehend von der<br />

Kenntnis des früheren Lebens-/Tagesrhythmus und der individuellen Empfindungen<br />

81


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

82 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

und Vorstellungen, die der Unruhe zugrunde liegen, kann im Vorfeld durch sorgsame<br />

zeitliche Planung von Hilfen und gezielte entlastende Maßnahmen wirksam<br />

Unterstützung geleistet werden.<br />

Biografieorientierte Gruppenangebote: Angebote zur Erhaltung personaler Identität<br />

und des subjektiv empfundenen Wohlbefindens sind vor allem <strong>für</strong> Bewohner<br />

mit kognitiven Einbußen äußerst wichtig (vgl. „Biografieorientierte Einzelaktivitäten“<br />

und „Biografieorientierte Gruppenaktivitäten“). Je nach Gestaltung des Angebots<br />

können, vergleichbar mit Angeboten zur Mobilitätsförderung, positive Nebeneffekte<br />

auftreten, so z.B. die Förderung sozialer Kontakte.<br />

Biografieorientierte Einzelaktivitäten haben insbesondere <strong>für</strong> Bewohner, die nicht<br />

an entsprechenden Gruppenaktivitäten teilnehmen und über eingeschränkte<br />

soziale Kontakte verfügen, eine hohe Relevanz (Graber-Dünow 2003). Zudem<br />

bietet eine Einzelaktivität im Vergleich zur Gruppenaktivität bessere Möglichkeiten,<br />

gezielt auf individuelle Bedürfnisse einzugehen.<br />

Die Entwicklung eines Grundverständnisses <strong>für</strong> den Stellenwert von Mobilitätsförderung<br />

und der Berücksichtigung biografischer Informationen im Rahmen der Versorgung<br />

von Bewohnern kann bei Mitarbeitern nicht ohne weiteres vorausgesetzt, sondern<br />

muss durch Schulungen, Fallbesprechungen etc. nachhaltig gefördert werden.<br />

Auch fachliche Inhalte sollten Gegenstand von Schulungen sein, damit Mitarbeiter in<br />

die Lage versetzt werden, entsprechende Maßnahmen bewohnerbezogen planen,<br />

durchführen und evaluieren zu können. Die Angebotsplanung sollte regelmäßig auf<br />

Bedarfsgerechtigkeit überprüft und ggf. der sich verändernden Bewohnerstruktur<br />

angepasst werden. Auch umgebungsbezogene Faktoren nehmen Einfluss auf die Realisierung<br />

einer mobilitätsfördernden und biografieorientierten Versorgung, wie z.B.<br />

Beleuchtung, bewegungs- und orientierungsfördernde Raumgestaltung, Verfügbarkeit<br />

von Hilfsmitteln, und sollten daher nicht unbeachtet bleiben.<br />

Diese Ausführungen verdeutlichen, dass die Leistungsbeschreibungen in mancher<br />

Hinsicht lediglich einen Rahmen darstellen, der einrichtungsindividuell aufgefüllt werden<br />

muss, wenn nachhaltige Qualitätseffekte erreicht werden sollen. Das „Arbeiten<br />

mit den Leistungsbeschreibungen“ geht insofern deutlich über die Ergänzung des<br />

Leistungsprofils um einzelne Maßnahmen hinaus.<br />

3.7 Abschließende Konzeptmodifikationen<br />

Auch wenn die zu erprobende Version der Leistungsbeschreibungen, wie aus der<br />

fachlichen Bewertung durch die Modellbeauftragten und den Rückmeldungen weiterer<br />

Einrichtungsmitarbeiter hervorgeht, das Versorgungsgeschehen in seiner Gesamtheit<br />

abbildete, sind aufgrund der Erprobungserfahrungen einige Modifikationen vorgenommen<br />

worden. Unberührt hiervon blieben die Empfehlungen zur qualifikationsorientierten<br />

Arbeitsteilung im Bereich der mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen<br />

und die grundsätzliche Gestaltung der Leistungsbeschreibungen (Kurzerläuterungen,<br />

stichwortartige Auflistungen). Hier wurde kein Änderungsbedarf festgestellt.<br />

Aufgrund der Rückmeldungen der Referenzeinrichtungen wurden die unmittelbar<br />

bewohnerbezogenen Leistungen stärker am Pflegeprozess ausgerichtet, indem eine<br />

veränderte Reihenfolge innerhalb des Aufbaus der einzelnen Leistungsbeschreibungen<br />

(Abfolge der Abschnitte) gewählt wurde.<br />

Außerdem wurde die Zuordnung einiger Maßnahmen zu Leistungsbeschreibungen<br />

als schwierig bezeichnet, so dass in der Überarbeitung des Klassifikationssystems folgende<br />

Modifikationen erfolgten:


Veränderte inhaltliche Zuordnung von Teilhandlungen bzw. Maßnahmenvariationen<br />

zu Leistungsbeschreibungen<br />

Zusammenfassung von zwei Leistungsbeschreibungen, deren Abgrenzung aufgrund<br />

der Ähnlichkeit der Inhalte <strong>für</strong> die Mitarbeiter in den Einrichtungen schwer<br />

nachzuvollziehen war<br />

Ausdifferenzierung von zwei neuen Leistungen („Einzel- und Gruppenaktivitäten<br />

zur Beschäftigung“ und „Orientierungs-/gedächtnisfördernde Einzel- und Gruppenaktivitäten“;<br />

hier wurden Aspekte zusammengeführt, die ursprünglich anderen<br />

Leistungen zugeordnet waren).<br />

Ansonsten beschränkten sich die Modifikationen auf geringfügige inhaltliche Ergänzungen,<br />

sprachliche Überarbeitungen und eine Ausweitung der einführenden Erläuterungen<br />

und Kommentierungen zu den Leistungsbeschreibungen. Diese Ausweitung<br />

erwies sich allerdings als besonders wichtig, um das Verständnis der Leistungsbeschreibungen<br />

bei ihrer Nutzung im Versorgungsalltag sicherzustellen.<br />

Im Gesamtbild lässt sich aufgrund der Erprobungserfahrungen festhalten, dass das<br />

Ziel, mit den Leistungsbeschreibungen eine trotz relativ hoher fachlicher Ansprüche<br />

überschaubare und praxistaugliche Systematik zur Verfügung zu stellen, erreicht<br />

wurde. Die Anpassung des Leistungsprofils und die Ausgestaltung der Versorgung<br />

erwiesen sich nicht als einfach, aber machbar. Allerdings zeigten die Erprobungserfahrungen<br />

auch, dass der hierzu erforderliche Zeitaufwand nicht zu unterschätzen<br />

ist. Um eine Versorgungsqualität nach den Maßgaben der Leistungsbeschreibungen<br />

realisieren zu können, sind <strong>zum</strong> Teil also Anpassungsprozesse von längerer Dauer<br />

einzukalkulieren – je nach Stand der Qualitätsentwicklung, den eine Einrichtung<br />

bereits erreicht hat. Dies gilt insbesondere <strong>für</strong> die Ressourcenförderung (vor allem<br />

Förderung/Erhaltung der Mobilität) und die Unterstützung bei psychischen und sozialen<br />

Problemlagen und Bedürfnissen. Als schwierig umsetzbar haben sich nicht zuletzt<br />

personalintensive Einzelaktivitäten jeglicher Art und die Gewährleistung einer regelhaften<br />

sowie krisenbedingten psychosozialen Begleitung erwiesen. Die Bemühungen<br />

und Erfahrungen der am Modellvorhaben beteiligten Referenzeinrichtungen zeigen<br />

aber Wege auf, wie trotz schwieriger Rahmenbedingungen Verbesserungen erreicht<br />

werden können.<br />

83


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

4. Übergeordnete Qualitätsmaßstäbe<br />

4.1 Zur Auswahl der Themenfelder<br />

84 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die übergeordneten Qualitätsmaßstäbe 25 stellen Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung<br />

in zentralen Aufgabenfeldern dar, die jeweils auf bestimmten Qualitätskriterien<br />

beruhen. Mit dem Modellvorhaben wurden insgesamt sechs Qualitätsmaßstäbe erarbeitet<br />

und erprobt:<br />

Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung<br />

Zusammenarbeit mit Angehörigen<br />

Nächtliche Versorgung<br />

Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen<br />

Kooperation mit niedergelassenen Ärzten<br />

Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten.<br />

Sie decken wichtige, jedoch sicherlich nicht alle relevanten Versorgungsaspekte ab,<br />

<strong>für</strong> die aus fachlicher Sicht zentrale, konsentierte Qualitätskriterien zur Verfügung stehen<br />

sollten. Aufgrund der Projektlaufzeit und der Rahmenbedingungen in den Referenzeinrichtungen<br />

musste jedoch eine Begrenzung erfolgen 26 . Die konkrete Festlegung<br />

berücksichtigte die Maßgaben der Modellkonzeption und die Ergebnisse der NRW-<br />

Studie. Die dahinter stehenden Überlegungen seien an dieser Stelle kurz erläutert.<br />

Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung<br />

Der Heimeinzug wird <strong>zum</strong>eist als ein kritisches Lebensereignis erlebt (Lee et al. 2002),<br />

dessen Bewältigung aber durch die Einrichtung gefördert werden kann. Voraussetzung<br />

hier<strong>für</strong> ist ein planvolles und strukturiertes Vorgehen im Heimeinzugsprozess. Die<br />

Weichen <strong>für</strong> die Qualität der zukünftigen Beziehung <strong>zum</strong> Bewohner und die Zusammenarbeit<br />

mit den Angehörigen werden häufig bereits zu diesem Zeitpunkt gestellt.<br />

Dem Prozess des Heimeinzugs kommt somit eine grundlegende Bedeutung zu.<br />

Zusammenarbeit mit Angehörigen<br />

Eine gelingende Zusammenarbeit mit Angehörigen hat sowohl <strong>für</strong> Bewohner und<br />

Angehörige als auch <strong>für</strong> die Mitarbeiter positive Auswirkungen (KDA 2000). Sie<br />

erfährt insbesondere im Hinblick auf die Zunahme demenziell erkrankter Bewohner<br />

einen Bedeutungszuwachs. Die NRW-Studie gibt Hinweise darauf, dass in den Einrichtungen<br />

wenig Zeit <strong>für</strong> Kontakte zu Angehörigen aufgewendet wird und es ist<br />

daher fraglich, ob der hohe Stellenwert der Angehörigenarbeit <strong>für</strong> die Qualität und<br />

Kontinuität der Versorgungssituation in der Praxis ausreichend Berücksichtigung<br />

erfährt. Viele Aspekte der Angehörigenarbeit sind außerdem <strong>für</strong> andere Aufgabenbereiche<br />

relevant, z.B. in Bezug auf den Heimeinzug, bei der Gestaltung des Pflegeprozesses,<br />

bei der Kooperation mit Ärzten und Krankenhäusern und nicht zuletzt in<br />

der Sterbephase des Bewohners.<br />

25 Der Ausdruck „übergeordnete Qualitätsmaßstäbe“ wurde bereits in der Konzeption des Modellvorhabens verwendet und während der<br />

Projektlaufzeit beibehalten. „Übergeordnet“ sollte <strong>zum</strong> Ausdruck bringen, dass die mit den Qualitätsmaßstäben angesprochenen Fragen<br />

grundlegende Aspekte der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität in einer Einrichtung und weniger die Ausgestaltung der Versorgung<br />

des individuellen Bewohners betreffen. Diese ist vielmehr Gegenstand der Leistungsbeschreibungen und der dort formulierten Qualitätsanforderungen.<br />

26 Zwei weitere wichtige Aufgabenfelder wurden zu Beginn des Modellvorhabens ins Auge gefasst, aber letztlich nicht weiter bearbeitet,<br />

um eine Überforderung der Einrichtungen zu vermeiden. Es handelte sich um den Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen und<br />

die Einbindung freiwilliger Helfer. Sie sollten aufgrund ihrer Bedeutung <strong>für</strong> eine angemessene Gestaltung der Versorgung Gegenstand<br />

zukünftiger Entwicklungsarbeiten sein.


4.2 Vorgehen<br />

Nächtliche Versorgung<br />

Wie die Ergebnisse der NRW-Studie aufzeigen, entspricht die nächtliche Versorgung<br />

häufig nicht den Bedarfslagen der Bewohner und weist in vielen Bereichen einen<br />

dringlichen Handlungsbedarf auf (Wingenfeld/Schnabel 2002). Die Entwicklung<br />

von Maßgaben zur Sicherstellung einer ausreichenden nächtlichen Versorgung ist<br />

daher unter Qualitätsgesichtspunkten sicherlich ein herausragendes Thema.<br />

Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen<br />

Als eine bereits bestehende Herausforderung, die zukünftig u.a. aufgrund der verkürzten<br />

Aufenthaltsdauer in Pflegeeinrichtungen noch an Bedeutung gewinnen wird,<br />

kann die Begleitung sterbender Bewohner bezeichnet werden. Das komplexe Aufgabenfeld<br />

der Sterbebegleitung umfasst neben der direkten Bewohnerversorgung auch<br />

die Zusammenarbeit mit Angehörigen, die Schaffung angemessener Rahmenbedingungen<br />

<strong>für</strong> alle Beteiligten und eine optimierte Zusammenarbeit mit externen Berufsgruppen.<br />

Um den heutigen und zukünftigen Anforderungen in Bezug auf die Gestaltung<br />

einer würdigen Sterbebegleitung gerecht werden zu können, wurden alle<br />

genannten Aspekte im entsprechenden Rahmenkonzept aufgegriffen.<br />

Kooperation mit niedergelassenen Ärzten und Überleitungsverfahren<br />

bei Krankenhausaufenthalten<br />

Die Zusammenarbeit mit externen Stellen, insbesondere die Kooperation mit niedergelassenen<br />

Ärzten und Krankenhäusern, ist <strong>für</strong> die Sicherstellung der Versorgung von<br />

großer Bedeutung, stellt aber die Einrichtungen immer wieder vor große Herausforderungen.<br />

Analog zu den Handlungsempfehlungen der Enquête-Kommission „Situation<br />

und Zukunft der Pflege in NRW“ (Landtag NRW 2005) wurden <strong>für</strong> beide Handlungsfelder<br />

Rahmenkonzepte entwickelt, die den von der Pflegeeinrichtung zu verantwortenden<br />

Anteil der Kooperation <strong>zum</strong> Gegenstand haben.<br />

Die Qualitätsmaßstäbe wurden ebenfalls unter Einbindung der Referenzeinrichtungen<br />

entwickelt. Zum Teil orientierten sich diese Arbeiten noch stärker an der Praxis als im<br />

Falle der Leistungsbeschreibungen. Die Entwürfe der meisten Qualitätsmaßstäbe entstanden<br />

auf der Grundlage bereits verfügbarer Ansätze aus der Praxis: Die Referenzeinrichtungen<br />

übermittelten die von ihnen schon früher erarbeiteten Konzepte und<br />

andere Handlungsmaßgaben (z.B. hausinterne Richtlinien) an das IPW und führten<br />

gleichzeitig eine Bestandsaufnahme durch, mit der wesentliche Problemfelder im<br />

jeweils zur Diskussion stehenden Handlungsfeld (z.B. Überleitungsverfahren bei<br />

Krankenhausaufenthalten) abgebildet wurden. Das IPW<br />

wertete diese Materialien aus,<br />

übernahm und systematisierte Elemente, die sich einpassen ließen (ggf. nach vorheriger<br />

Anpassung an das vorgesehene Abstraktionsniveau der Qualitätsmaßstäbe),<br />

ergänzte diese durch eigene Vorschläge (z.T. gestützt auf andere Wissensquellen),<br />

suchte ggf. gezielt nach Lösungen <strong>für</strong> die mit der Bestandsaufnahme sichtbar<br />

gewordenen Probleme,<br />

fasste die Ergebnisse dieser Arbeiten in ersten Entwürfen zusammen<br />

und brachte diese schließlich ähnlich wie bei den Leistungsbeschreibungen in die<br />

Beratung mit den Modellbeauftragten und anderen Projektbeteiligten ein.<br />

85


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

86 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Abweichungen von diesem Vorgehen gab es in zwei Fällen: Bei der Entwicklung des<br />

Maßstabs zur Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten sind wesentliche Teile<br />

des Qualitätsmaßstabs in gemeinsamen Beratungen zwischen dem IPW und zwei in<br />

dieser Thematik ausgewiesenen Experten entwickelt worden (vgl. Kapitel 3). Der<br />

Maßstab zur nächtlichen Versorgung greift zwar auf einige in den Referenzeinrichtungen<br />

verfügbare Ansätze zurück, enthält jedoch in weiten Teilen Anforderungen,<br />

die durch das IPW entwickelt wurden. In beiden Fällen boten die in den Einrichtungen<br />

verfügbaren Konzepte und Richtlinien eine deutlich schmalere Entwicklungsgrundlage<br />

als bei den anderen Themenfeldern.<br />

In den Entwicklungsprozess flossen somit handlungspraktisches Wissen, allgemeine<br />

Handlungsorientierungen aus der Qualitätsdiskussion sowie der Fachliteratur und,<br />

soweit verfügbar, Forschungsergebnisse ein 27 . Nach Abschluss und unter Berücksichtigung<br />

der vielfältigen Beratungen ist die jeweilige Version 1.0 der Qualitätsmaßstäbe<br />

erstellt worden, die den Einrichtungen zur Erprobung übergeben wurde (vgl.<br />

Wingenfeld et al. 2006). Ähnlich wie im Falle der Leistungsbeschreibungen erfolgten<br />

schließlich eine Überarbeitung anhand der Erprobungserfahrungen und eine<br />

redaktionelle Aufbereitung <strong>für</strong> die Publikation im Praxishandbuch.<br />

4.3 Funktion und Charakter der Qualitätsmaßstäbe<br />

Die Qualitätsmaßstäbe haben eine doppelte Funktion:<br />

Sie stellen Anforderungskataloge zur Ausgestaltung der betreffenden Arbeitsfelder<br />

in vollstationären Pflegeeinrichtungen dar, mit denen ein bestimmtes Qualitätsniveau<br />

angestrebt wird. Die oben erwähnten Abstimmungsschritte dienten u.a.<br />

dazu, einen gewissen Konsens über dieses Qualitätsniveau herzustellen. Die Qualitätsmaßstäbe<br />

sind insofern auch als Ergebnis eines Diskussionsprozesses zu verstehen,<br />

in dem sich die Beteiligten darum bemühten, einen tragfähigen Kompromiss<br />

zwischen dem Wünschenswerten und dem Machbaren zu finden. Die praktische<br />

Erprobung soll zeigen, inwieweit die Einrichtungen das angestrebte<br />

Qualitätsniveau unter den gegebenen Rahmenbedingungen erreichen können<br />

bzw. welche Veränderungen erforderlich sind, um dies sicherzustellen.<br />

Die Qualitätsmaßstäbe verstehen sich darüber hinaus als Arbeitshilfe <strong>für</strong> die Einrichtungen.<br />

Sie liefern ihnen eine Grundlage zur Überprüfung und Weiterentwicklung<br />

ihrer bisherigen Konzepte bzw. ihrer Praxis. Je nach Ausgangsbedingungen<br />

werden Einrichtungen eine mehr oder weniger große Übereinstimmung zwischen<br />

den Anforderungskatalogen und ihrer bisherigen Arbeitsweise feststellen. Zum Teil<br />

greifen die Qualitätsmaßstäbe Verfahrensweisen und Problemlösungen auf, die<br />

sich in der Praxis bereits vielfach bewährt haben, <strong>zum</strong> Teil formulieren sie jedoch<br />

Anforderungen, die bislang eher selten aufgegriffen worden sind.<br />

Auf die Funktion der Qualitätsmaßstäbe als Arbeitshilfe, aber auch auf das Ziel der<br />

Anschlussfähigkeit an die Praxis ist zurückzuführen, dass sich die Anforderungen der<br />

Maßstäbe <strong>zum</strong> Teil auf unterschiedlichem Abstraktionsniveau bewegen. Um den<br />

jeweiligen Voraussetzungen und Möglichkeiten der Einrichtungen Rechnung zu tragen,<br />

ist das Anforderungsprofil der Qualitätsmaßstäbe in Teilen relativ allgemein formuliert.<br />

Damit soll ermöglicht werden, die konkrete Ausgestaltung an die Bedingungen<br />

der Einrichtungen anzupassen, ohne ein definiertes Qualitätsniveau zu unterschreiten.<br />

An anderen Stellen wiederum finden sich sehr konkrete Formulierungen<br />

27 Berücksichtigung fanden schließlich auch Anregungen des Instituts <strong>für</strong> Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke, das um eine<br />

fachliche Bewertung des Entwurfs gebeten wurde (vgl. Kapitel 3).


und differenzierte Vorgaben, und zwar immer zu Fragen, bei denen es aus der Sicht<br />

der beteiligten Einrichtungen oder aufgrund der Erprobungserfahrungen notwendig<br />

erschien, <strong>für</strong> die Praxis größtmögliche Klarheit auf der Ebene der Handlungsanforderungen<br />

zu schaffen. Im Ergebnis führte dies zu einer gewissen Beeinträchtigung der<br />

formalen Stringenz und einige Anforderungen der Qualitätsmaßstäbe wirken vielleicht<br />

sogar etwas kleinteilig. Dies wurde jedoch bewusst in Kauf genommen bzw.<br />

gegenüber dem Ziel der Praxistauglichkeit bzw. Anschlussfähigkeit als nachrangig<br />

eingestuft.<br />

Aus dem gleichen Grunde wurde davon Abstand genommen, die verbreitete Unterscheidung<br />

zwischen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität zur Gliederung der Qualitätsmaßstäbe<br />

zu verwenden. Erste Versuche in diese Richtung zu Beginn der Entwicklungsarbeiten<br />

wurden alsbald aufgegeben, denn es erwies sich, dass diese Gliederungsform<br />

kaum mit der Handlungslogik im Versorgungsalltag in Einklang zu<br />

bringen ist und somit die Nutzung der Qualitätsmaßstäbe deutlich erschwert hätte.<br />

Im Rahmen des Modellvorhabens galten die Vorgaben, die in den Qualitätsmaßstäben<br />

enthalten sind, als Mindestanforderungen. Die beteiligten Einrichtungen waren<br />

also gehalten, sie vollständig umzusetzen, konnten und sollten allerdings, wenn sie<br />

es <strong>für</strong> sinnvoll hielten, einrichtungsindividuell weitergehende Qualitätsanforderungen<br />

formulieren und entsprechende Maßnahmen umsetzen.<br />

In Bezug auf das Qualitätsniveau, das die Qualitätsmaßstäbe abbilden, waren (auch<br />

in der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis) während der Konzeptentwicklung<br />

immer wieder Differenzen zu bearbeiten und Kompromisse auszuhandeln.<br />

Diese bezogen sich weniger auf fachlich-inhaltliche Aspekte als auf die Frage der<br />

Machbarkeit. Das Modellvorhaben verfolgte das Ziel, eine nachhaltige Qualitätsentwicklung<br />

anzustoßen, ohne die Praxis zu überfordern. Die Ausgangsbedingungen in<br />

den Referenzeinrichtungen unterschieden sich allerdings, <strong>zum</strong> Teil sogar ganz erheblich.<br />

Dies führte auch auf Seiten der beteiligten Einrichtungen zu abweichenden Einschätzungen<br />

in der Frage, wie hoch die mit den Konzeptbausteinen verknüpften Qualitätsanforderungen<br />

sinnvollerweise anzusetzen waren, um noch verkraftbar zu sein.<br />

Es gelang nicht immer, unter allen Beteiligten einen Kompromiss auszuhandeln. Unter<br />

diesen Umständen entschied das IPW, ob umstrittene Konzeptelemente Bestandteil<br />

bleiben und in die Erprobung gehen sollten oder nicht. Anhand der Erprobungsergebnisse<br />

sollte dann die Tragfähigkeit dieser Entscheidungen überprüft werden.<br />

Zum besseren Verständnis der Qualitätsmaßstäbe sollte schließlich berücksichtigt<br />

werden, dass sie sich auch auf solche Handlungsfelder beziehen, in denen Ergebnisqualität<br />

auf die erfolgreiche Kooperation der Einrichtungen mit anderen Personen<br />

bzw. Organisationen angewiesen ist. Ein Qualitätsmaßstab kann die Einrichtungen<br />

ebenso wenig wie vergleichbare Handlungsleitlinien dazu verpflichten, Qualität<br />

sicherzustellen, die maßgeblich vom Mitwirken anderer Akteure abhängt. Diese Problematik<br />

kommt besonders bei der Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten und<br />

beim Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten <strong>zum</strong> Tragen, aber auch in<br />

der Zusammenarbeit mit Angehörigen. Die Qualitätsmaßstäbe folgen in dieser Hinsicht<br />

dem Grundsatz, sich auf Maßgaben zu konzentrieren, deren Umsetzung sich<br />

von den Einrichtungen tatsächlich gestalten lässt. Sie fordern die Einrichtungen beispielsweise<br />

dazu auf, Angehörigen adäquate Unterstützungsangebote oder niedergelassenen<br />

Ärzten bestimmte Kooperationsangebote zu unterbreiten und hier<strong>für</strong> die<br />

notwendigen Voraussetzungen zu entwickeln. Inwieweit solche Angebote jedoch aufgegriffen<br />

werden und damit eine Verbesserung der Lebens- und Versorgungsqualität<br />

<strong>für</strong> den individuellen Bewohner bewirken, liegt nicht mehr im Einflussbereich der Einrichtungen.<br />

87


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

4.4 Qualitätsmaßstab „Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung“<br />

88 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Mit diesem Qualitätsmaßstab werden Maßgaben <strong>für</strong> die Gestaltung des Übergangs<br />

von Pflegebedürftigen aus dem häuslichen Umfeld oder aus einem Krankenhaus in<br />

eine stationäre Pflegeeinrichtung definiert. Er formuliert Vorgaben <strong>für</strong> die Organisation<br />

des Heimeinzugs in Verbindung mit Maßnahmen zur Unterstützung des Bewohners.<br />

Sie sollen dazu beitragen, die durch den Umzug verursachten Bewältigungsanstrengungen<br />

des Bewohners durch geeignete Rahmenbedingungen und direkte<br />

Betreuung zu fördern. Er umfasst außerdem zeitliche Vorgaben <strong>für</strong> die Durchführung<br />

des pflegerischen Assessments und die Erstellung einer Pflegeplanung während der<br />

ersten Aufenthaltsphase und weist somit Bezüge zu anderen Konzeptbausteinen auf.<br />

Problemhintergrund<br />

Der Einzug in eine Pflegeeinrichtung stellt ein „kritisches Lebensereignis“ dar (Lee et<br />

al. 2002; Kampfe 2002; vgl. Filipp 1995). Die Folgen eines nicht oder nur schlecht<br />

gelingenden Einlebens in das neue Lebensumfeld können gravierend sein. Psychische<br />

Belastungen als Folge des Umzugs sind keine Seltenheit. Sie treten in den ersten<br />

Wochen des Heimaufenthalts häufig in Form von ausgeprägter Hoffnungslosigkeit,<br />

geringer Lebenszufriedenheit und depressiver Stimmung auf (Thiele et al. 2002; Lee<br />

et al. 2002). Darüber hinaus wird über ein erhöhtes Unfallrisiko berichtet, insbesondere<br />

Stürze häufen sich (Saup 1993). Bei demenziell Erkrankten treten vermehrt Orientierungsprobleme,<br />

Wanderungstendenzen oder allgemeine motorische Unruhe auf<br />

(Algase 1999; Thomas 1997).<br />

Wie gut oder wie schlecht die mit dem Heimeinzug verbundenen Probleme und Belastungen<br />

bewältigt werden, hängt u.a. von den Vorstellungen des Betroffenen über<br />

das Heimleben ab. Personen mit einer realitätsangemessenen Vorstellung und eher<br />

positiven Grundhaltung gelingt dies besser als Personen, die damit Ängste und Verlustgefühle<br />

verbinden (Armer 1993). Allerdings setzen sich nur wenige Menschen<br />

prospektiv mit der Vorstellung auseinander, in eine Pflegeeinrichtung einzuziehen.<br />

Den Ergebnissen einer gerontologischen Studie zufolge ist der Anteil der über<br />

60jährigen Bundesbürger, die sich mit dem Gedanken an einen Heimeinzug schon<br />

einmal auseinandergesetzt haben, verschwindend gering (Lehr 2003). Im Allgemeinen<br />

verbinden ältere Menschen mit der Vorstellung eines Lebens in einem Heim überwiegend<br />

negative Aspekte. Verbesserungen der gesundheitlichen Versorgung und ein<br />

Mehr an Sicherheit sind zwar ebenfalls Bestandteil ihrer Erwartungshaltung, allerdings<br />

stehen eher Autonomieverlust, geringe Kontaktmöglichkeiten, Verschlechterungen<br />

der Wohnqualität und finanzielle Einschränkungen im Vordergrund ihrer Vorstellungen<br />

(Feichtinger et al. 2002).<br />

Forschungsarbeiten weisen auf weitere Faktoren hin, die das Belastungserleben im<br />

Verlauf des Heimeinzugs maßgeblich beeinflussen (Lehr 2003). Geplante Einzüge<br />

lassen mehr Zeit <strong>für</strong> eine gedankliche Auseinandersetzung als ungeplante Einzüge<br />

und werden von den Betroffenen daher als wesentlich weniger belastend empfunden.<br />

Außerdem gelingt das Einleben umso besser, je mehr die Betroffenen eine aktive,<br />

gestaltende Rolle übernehmen können. Häufig wird alten Menschen jedoch die<br />

Handlungskontrolle von den Angehörigen und/oder beteiligten beruflichen Helfern<br />

teilweise oder vollständig abgenommen 28 . Zudem finden Heimeinzüge größtenteils<br />

„ad hoc“ statt, so dass eine gedankliche Auseinandersetzung im Vorfeld kaum noch<br />

möglich ist und wenig Spielraum <strong>für</strong> die Entscheidungsautonomie besteht.<br />

28 In diesem Zusammenhang wird auch die Frage nach den Möglichkeiten der Auswahl einer Einrichtung diskutiert: Kann der betroffene<br />

alte Mensch selbst entscheiden, verringern sich die subjektiven Belastungen (Lee et al. 2002; Nolan et al. 1996; Reinardy 1992).


Die oben angesprochenen, negativen Vorstellungen vom Leben in einer Einrichtung<br />

sind durchaus nicht realitätsfern. Zu den beim Heimeinzug häufig erlebten Einschränkungen<br />

und Verlusten gehören insbesondere Einbußen der Autonomie und Privatheit,<br />

materielle bzw. finanzielle Verschlechterungen sowie der Verlust von sozialen Kontakten<br />

(Wilson 1997; Fiveash 1998; Nay 1995). Bei ihrer Bewältigung kommt gezielten<br />

Unterstützungsangeboten eine wichtige Funktion zu: Studien haben zeigen können,<br />

dass der Heimeinzug besser bewältigt wird, wenn er durch Information, Beratung und<br />

Erfahrungsmöglichkeiten begleitet bzw. vorbereitet wird (Lee et al. 2002; Nolan et al.<br />

1996; Pinquart/Devrient 1991). Für den Erfolg des langfristigen Einlebens sind insbesondere<br />

die ersten vier Wochen des Heimaufenthalts entscheidend.<br />

Diese Ausführungen machen deutlich, dass vielfältige Unterstützungsmaßnahmen<br />

erforderlich sind, die nicht auf den Tag des Einzugs beschränkt bleiben dürfen. Vielmehr<br />

ist unter Heimeinzug ein Prozess zu verstehen, der mit der ersten Kontaktaufnahme<br />

<strong>zum</strong> neuen Bewohner beginnt und sich über die ersten Wochen, <strong>zum</strong> Teil auch<br />

Monate des Aufenthalts erstreckt (Thiele et al. 2002; Saup 1993).<br />

Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau des Konzeptbausteins<br />

Das Rahmenkonzept „Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung“ ist in sieben<br />

Abschnitte unterteilt:<br />

1. Grundsätze: Die Grundsätze verweisen auf zwei zentrale Zielrichtungen der<br />

Unterstützung beim Heimeinzug: die Förderung der Integration des Bewohners in<br />

das neue Umfeld und die Reduzierung der mit dem Einzug verbundenen Belastungen.<br />

2. Verfügbarkeit einer schriftlichen Konzeption: Wie bei allen Qualitätsmaßstäben<br />

wird auch in diesem Fall die Erstellung eines einrichtungsbezogenen Konzepts<br />

gefordert.<br />

3. Personelle Zuständigkeiten: Die Bewohner sollen eine Pflegefachkraft als Hauptansprechpartner<br />

<strong>für</strong> die erste Zeit des Einlebens zur Seite gestellt bekommen. Diese<br />

soll den Einzugsprozess mit den anderen daran Beteiligten, wie z.B. den sozialen<br />

Diensten, koordinieren und direkte Hilfen zur Bewältigung leisten.<br />

4. Erstgespräch: Das Erstgespräch soll nach Möglichkeit im Vorfeld des Einzugs stattfinden,<br />

ggf. auch während eines Krankenhausaufenthaltes. Dessen Hauptfunktion<br />

besteht darin, dem neuen Bewohner und ggf. seinen Angehörigen erste Informationen<br />

zu vermitteln, auf Fragen einzugehen und <strong>für</strong> die Einrichtung versorgungsrelevante<br />

Informationen zu erfassen. Es werden auch Vorgaben <strong>für</strong> zentrale<br />

Inhalte des Erstgesprächs formuliert.<br />

5. Vorbereitung des Heimeinzugs: Dieser Abschnitt regelt vorbereitende Maßnahmen<br />

und Absprachen, die zwischen den einzelnen Leistungsbereichen zu treffen<br />

sind. Wichtig ist in diesem Zusammenhang beispielsweise, dass sich die Einrichtung<br />

um die Sicherstellung der Hilfsmittel- und Medikamentenversorgung bemüht.<br />

Die Vorbereitungen sollen auch eine Hausbesichtigung durch den Bewohner<br />

und/oder seine Angehörigen beinhalten.<br />

6. Einzugstag: Hier geht es unter anderem darum, den Bewohner und ggf. seine<br />

Angehörigen angemessen zu empfangen und zu begleiten. Daneben sollen im<br />

Rahmen eines Aufnahmegesprächs Erwartungen und Bedürfnisse thematisiert<br />

sowie weitere <strong>für</strong> die Versorgung wichtige Informationen erfasst werden.<br />

89


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

90 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

7. Erste Phase des Aufenthaltes: Diese Phase umfasst einen Zeitraum von vier bis<br />

sechs Wochen. Während dieser Zeit soll der neue Bewohner regelmäßig, ggf.<br />

auch täglich von seiner Bezugsperson aufgesucht werden. Darüber hinaus soll der<br />

Bewohner die Möglichkeit erhalten, die Einrichtung eingehend kennenzulernen.<br />

Erste Absprachen <strong>zum</strong> Tagesablauf und zu regelmäßigen Aktivitäten (z.B. Nutzung<br />

von Gruppenangebote) sind ebenfalls vorgesehen. Ein wichtiger Stellenwert<br />

kommt einem Integrationsgespräch <strong>zum</strong> Abschluss der ersten Aufenthaltsphase zu.<br />

Hiermit sollen die zurückliegenden Wochen reflektiert und sich daraus eventuell<br />

ergebende Anpassungserfordernisse <strong>für</strong> die Pflege und die weitergehende Unterstützung<br />

identifiziert werden.<br />

Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />

Aufgrund der Erprobungserfahrungen wurden nur wenige Veränderungen des Rahmenkonzepts<br />

notwendig:<br />

Probleme tauchten in einigen Einrichtungen bei der Umsetzung der Maßgaben <strong>zum</strong><br />

Erstgespräch auf. Es erwies sich als schwierig, die Zuständigkeit <strong>für</strong> das Erstgespräch<br />

konsequent der Pflegefachkraft zuzuordnen, die nach dem Heimeinzug die Versorgungsverantwortung<br />

<strong>für</strong> den jeweiligen Bewohner übernehmen sollte. Vor allem bei<br />

kurzfristigen Einzügen war es häufig nicht möglich, die Dienstplanung entsprechend<br />

anzupassen. Daher wurde die Möglichkeit, eine Zwischenlösung <strong>für</strong> die personelle<br />

Verantwortlichkeit zu wählen, nachträglich in das Konzept aufgenommen.<br />

Im Hinblick auf das Erstgespräch zeigten sich generell große Unterschiede zwischen<br />

den Einrichtungen. Während es einigen von ihnen gelang, bei sehr kurzfristig<br />

angekündigten Heimeinzügen ein Erstgespräch im Vorfeld zu führen, benötigten<br />

andere Einrichtungen einen Vorlauf von einer Woche. Zusätzliche Schwierigkeiten<br />

ergaben sich mitunter aufgrund von Personalengpässen oder durch große Entfernungen<br />

zwischen Wohnort und Einrichtung. Diese Erfahrungen führten dazu, in der Endfassung<br />

des Qualitätsmaßstabs größeren Spielraum <strong>für</strong> die Durchführung des Erstgesprächs<br />

vorzusehen. Kann das Gespräch aufgrund der Kurzfristigkeit des Heimeinzugs<br />

oder anderer wichtiger Faktoren nicht im Vorfeld des Heimeinzugs stattfinden,<br />

so sollen die Informationserfassung, Absprachen etc., die Gegenstand des Erstgesprächs<br />

sind, möglichst unmittelbar nach erfolgtem Heimeinzug erfolgen.<br />

Ansonsten lagen Anpassungserfordernisse aufgrund von Erprobungserfahrungen auf<br />

der Ebene der Kommentierung und Erläuterung. So zeigt sich, dass die Maßgabe,<br />

den Bewohner in der ersten Zeit des Aufenthalts regelmäßig durch den Hauptansprechpartner<br />

zu begleiten, Missverständnisse provozieren kann. Einige Einrichtungen<br />

fühlten sich hierdurch aufgefordert, jedem neuen Bewohner täglich und unabhängig<br />

vom tatsächlichen Bedarf Hilfestellungen <strong>zum</strong> Einleben in der Einrichtung<br />

anzubieten. Es war dementsprechend klarzustellen, dass der Bewohnerbedarf den<br />

Maßstab <strong>für</strong> die Häufigkeit der Kontakte und die zu leistende Unterstützung darstellt.<br />

Darüber hinaus war stärker die Vorläufigkeit der Absprachen mit dem Bewohner über<br />

seinen Tagesablauf zu betonen, die dem Qualitätsmaßstab zufolge spätestens am<br />

dritten Aufenthaltstag zu treffen sind. Welcher Tagesablauf den Bedürfnissen des<br />

Bewohners entspricht, lässt sich <strong>für</strong> die Mitarbeiter ebenso wie <strong>für</strong> den Bewohner<br />

selbst oftmals erst nach längerer Zeit absehen.<br />

Ein weiterer Punkt, der genauere Erläuterungen erforderlich machte, war die im Entwurf<br />

formulierte Anforderung <strong>zum</strong> initialen pflegerischen Assessment sowie zur Pflegeplanung.<br />

Es musste in den Kriterien sowie in den Erläuterungen darauf hingewiesen<br />

werden, dass es sich bei der spätestens nach zwei Wochen fertigzustellenden<br />

Pflegeplanung lediglich um eine erste Pflegeplanung handeln kann, die im weiteren<br />

Verlauf anzupassen ist.


4.5 Qualitätsmaßstab „Zusammenarbeit mit Angehörigen“<br />

Professionelle Angehörigenarbeit, d. h. der geplante und organisierte Umgang einer<br />

Einrichtung mit den Angehörigen der Bewohner (vgl. Daneke 2000), dient in erster<br />

Linie der Förderung der alltäglichen sozialen Unterstützung der Bewohner 29 . Zweifellos<br />

profitieren auch die Angehörigen selbst und die Beschäftigten der Einrichtung,<br />

wenn durch bewusste und zielgerichtete Angehörigenarbeit eine stabile und produktive<br />

Kooperation zwischen allen Beteiligten entsteht. Das vorrangige Ziel der<br />

Angehörigenarbeit leitet sich jedoch aus den Interessen und Bedürfnissen des Bewohners<br />

ab.<br />

Problemhintergrund<br />

Angehörigen kommt <strong>für</strong> die alltägliche soziale Unterstützung eine wichtige Bedeutung<br />

zu. Heimbewohner verfügen in der Regel nur noch über ein stark reduziertes<br />

soziales Netzwerk (Backes/Clemens 2003). Nicht allein aufgrund ihrer Einbindung<br />

in einen institutionell geprägten Lebenszusammenhang, sondern auch aufgrund körperlicher<br />

und/oder kognitiver Einschränkungen fällt ihnen die Aufrechterhaltung und<br />

Pflege sozialer Kontakte oftmals schwer. Sie sind daher in hohem Maße auf die Initiative<br />

anderer Personen, insbesondere der Angehörigen angewiesen (Kors/Seunke<br />

2001). Immerhin 90% der Bewohner erhalten Besuch, allerdings nur 47% regelmäßig<br />

(mindestens einmal wöchentlich) (KDA 2000). Regelmäßige Besuche können<br />

jedoch wesentlich zu einer Verbesserung des Wohlbefindens der Bewohner beitragen<br />

(Janzen 2001; Bauer/Nay 2003).<br />

Alltägliche soziale Unterstützung kann sowohl als psychische Unterstützung (z.B. Vermittlung<br />

von Geborgenheit, Nähe, Zugehörigkeit) wie auch als instrumentelle Unterstützung<br />

(z.B. durch finanzielle oder praktische Hilfen) erfolgen. Sie ist nicht nur in<br />

Krisensituationen von Relevanz, sondern kann zu allen Zeiten grundlegende Bedürfnisse<br />

„nach Zugehörigkeit, Wertschätzung, Zuneigung, Identität und Sicherheit<br />

befriedigen“ (Künzel-Schön 2000: 134; vgl. Mc Garry Logue 2003). Angehörige<br />

von Heimbewohnern übernehmen in vielen Fällen auch die Rolle von Fürsprechern<br />

des Pflegebedürftigen und vertreten seine Belange, wenn er selbst hierzu nicht mehr<br />

oder nur noch eingeschränkt in der Lage ist.<br />

Die Einbeziehung der Angehörigen kann ggf. jedoch auch als einschränkend, mitunter<br />

sogar als bedrohlich erlebt werden. Ist die Beziehung zwischen ihnen und dem<br />

Bewohner belastet und entwickelt dieser den Eindruck, dass sie mehr Einfluss auf die<br />

aktuelle Situation ausüben können als der Bewohner selbst, erscheint ihm die Situation<br />

möglicherweise unkontrollierbar 30 . Solche Konstellationen haben ihren Ausgangspunkt<br />

meist in der gemeinsamen Vergangenheit, ggf. verstärkt durch die Notwendigkeit<br />

pflegerischer Unterstützung durch Angehörige in der Zeit vor dem Heimeinzug<br />

(Fuchs 2000).<br />

Spannungsbeladene Beziehungen zwischen Angehörigen und Mitarbeitern können<br />

sich <strong>für</strong> den Bewohner ebenfalls nachteilig auswirken. „So entstehen Belastungen aus<br />

Konkurrenzgefühlen zwischen Angehörigen und Personal, durch Klagen über<br />

schlechte Versorgung durch das Personal oder über Verhaltensweisen von Bewohnern<br />

sowie durch unterschiedliche Ansichten zu Aufgaben und Pflichten der Beteiligten“<br />

(Backes/Clemens 2003: 251). Dies kann sogar zu einer geringeren Besuchshäufig-<br />

29 „Alltägliche soziale Unterstützung bezeichnet den Austausch von Hilfe, Zuneigung und Zuwendung zwischen Menschen außerhalb definierter<br />

beruflicher Zuständigkeiten“ (Sickendiek et al. 2002: 21f).<br />

30 Mitunter kann soziale Unterstützung das Gefühl von Ungleichgewicht hervorrufen: „Menschen in unserer Kultur scheinen (...) das Bedürfnis<br />

zu haben, Empfangenes zurückzugeben. Offenbar ist es uns nicht nur angenehm, etwas, das wir brauchen, zu bekommen, sondern<br />

das Erhalten von Unterstützung kann bei uns auch unangenehme Gefühle auslösen“ (Künzel-Schön 2000: 142). Dieser Sachverhalt gilt<br />

auch <strong>für</strong> Heimbewohner. Alte Menschen können die Unterstützung durch Angehörige umso besser akzeptieren, je mehr sie davon überzeugt<br />

sind, im Laufe ihres Lebens schon viel <strong>für</strong> die Familie getan zu haben und somit gewissermaßen in „Vorleistung“ getreten zu sein.<br />

91


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

92 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

keit der Angehörigen führen (Port 2004; McGarry Logue 2003). Auch unabhängig<br />

davon werden Kontakte zwischen Bewohner und Angehörigen negativ beeinflusst,<br />

wenn Konflikte mit Mitarbeitern <strong>zum</strong> beherrschenden Thema zwischen ihnen werden.<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Angehörige beim Einleben in der<br />

Einrichtung Unterstützung geben und eine Partnerfunktion <strong>für</strong> die Dauer des Heimaufenthaltes<br />

übernehmen können (Schmidt 2003; George/George 2003). Sie tragen<br />

folglich wesentlich zur Förderung des subjektiven Wohlbefindens und somit der<br />

Lebensqualität des Bewohners bei. Die von Angehörigen erbrachte soziale Unterstützung<br />

kann nicht durch professionelle Hilfe ersetzt werden (Backes/Clemens 2003),<br />

allerdings können Mitarbeiter die soziale Beziehung zwischen Bewohner und<br />

Angehörigen unterstützen und fördern. Soziale Bindungen sollten daher in der individuellen<br />

Pflege stets „mitgedacht“ werden 31 . Eine offene Kommunikation zwischen<br />

Angehörigen und Mitarbeitern trägt dazu bei, Missverständnisse und daraus resultierende<br />

Konflikte zu vermeiden (Janzen 2001).<br />

Angehörigenarbeit kann sich also in einem Spannungsfeld bewegen, in dem erst<br />

noch geeignete Formen der Einbeziehung unter Beachtung von Interessen und Bereitschaft<br />

der Beteiligten gefunden werden müssen. Ein Konzept zur Zusammenarbeit mit<br />

Angehörigen muss unterschiedlich zugeschnittene und flexibel gestaltete Angebote<br />

beinhalten, um möglichst viele Angehörige trotz <strong>zum</strong> Teil stark voneinander abweichender<br />

Erwartungen in das Versorgungsgeschehen einbinden zu können (Gaugler<br />

et al. 2005). Die Einrichtungen stehen folglich vor der Herausforderung, „mit den<br />

vielfältigen Einstellungen und Handlungsperspektiven, die durch Angehörige eingebracht<br />

werden, dynamisch und erprobend umzugehen“ (Steiner 2001: 87; vgl.<br />

Bauer/Nay 2003).<br />

Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau des Konzeptbausteins<br />

Der Qualitätsmaßstab „Zusammenarbeit mit Angehörigen“ zielt darauf ab, eine konzeptgestützte,<br />

bewusste und planvolle Angehörigenarbeit zu fördern. Hierdurch soll<br />

vorrangig eine kontinuierliche soziale Unterstützung durch Angehörige <strong>für</strong> Bewohner<br />

gesichert werden. Eine den Anforderungen des Qualitätsmaßstabs entsprechende<br />

Angehörigenarbeit trägt aber auch dazu bei, dass Bewohner in Situationen, die sie<br />

in der Regel als belastend erleben, wie z.B. Heimeinzug oder Krankenhausaufenthalt,<br />

Begleitung durch vertraute, d. h. <strong>für</strong> sie besonders wichtige Personen, erfahren.<br />

Der Qualitätsmaßstab gliedert sich in acht Abschnitte:<br />

1. Grundsätze: In den Grundsätzen werden als zentrale Anliegen der Angehörigenarbeit<br />

a) die Mitwirkung und Integration der Angehörigen und b) die Förderung<br />

des Kontakts zwischen Bewohner und Angehörigen betont.<br />

2. Verfügbarkeit einer schriftlichen Konzeption<br />

3. Personelle Zuständigkeiten: Angehörigen soll ein fester Ansprechpartner zur Verfügung<br />

stehen, der im Idealfall mit der <strong>für</strong> den Bewohner Zuständigen Pflegefachkraft<br />

(vgl. Kapitel 6.1) identisch ist.<br />

4. Förderung des Kontaktes zwischen Bewohner und Angehörigen: Dieser Abschnitt<br />

zielt vor allem auf die Berücksichtigung der Kontaktförderung in der Pflegeplanung,<br />

die Vermittlung zwischen Bewohner und Angehörigen bei auftretenden Differenzen,<br />

die Unterstützung des Bewohners bei der Pflege des Kontaktes und die<br />

Gewährleistung eines geeigneten Rahmens <strong>für</strong> den Kontakt zwischen Bewohner<br />

und Angehörigen sowie gemeinsame Aktivitäten in der Einrichtung (z.B. Feiern).<br />

31 „In gewisser Weise nimmt das Pflegeheim nicht nur den Bewohner auf, sondern auch seine Familie“ (Kors/Seunke 2001).


5. Allgemeine Angebote: Veranstaltungen <strong>für</strong> Angehörige und die Einbindung der<br />

Angehörigen in einrichtungsinterne Aktivitäten sollen regelmäßig angeboten werden.<br />

Der Qualitätsmaßstab betont, dass diese Art der Einbeziehung von<br />

Angehörigen sorgfältige Überlegungen zur inhaltlichen Ausgestaltung und zu<br />

organisatorischen Formen erfordert 32 .<br />

6. Individuelle Angehörigenarbeit: Dieser Punkt beinhaltet vor allem die Anforderung,<br />

ein geeignetes Informations- und Beratungsangebot <strong>für</strong> Angehörige (unter<br />

Einschluss geplanter und ungeplanter Gespräche) vorzuhalten und geeignete Voraussetzungen<br />

<strong>für</strong> die Beteiligung der Angehörigen an der individuellen Versorgung<br />

zu schaffen (Einbeziehung in das pflegerische Assessment, die Pflegeplanung,<br />

die pflegerische und sonstige Unterstützung sowie Abstimmung in schwierigen<br />

Versorgungssituationen). Angehörigensprechstunden wurden nicht als<br />

Anforderung, sondern als eine mögliche Option formuliert, da ein solches Angebot<br />

nach den Erfahrungen der Referenzeinrichtungen kaum genutzt wird und der<br />

Bedarf an ungeplanten Gesprächen deutlich überwiegt.<br />

7. Verfahrensweisen in besonderen Situationen: Dieser Punkt bezieht sich auf die<br />

Informationsübermittlung und die Zusammenarbeit in Situationen wie beispielsweise<br />

anstehenden Krankenhausaufenthalten der Bewohner oder gravierenden<br />

gesundheitlichen Verschlechterungen.<br />

8. Umgang mit Kritik, Anregungen und Beschwerden: Hier wird auf die Notwendigkeit<br />

der Information der Angehörigen über das Beschwerdemanagement der Einrichtung<br />

und die regelmäßige Erfassung von Wünschen und Bedürfnissen der<br />

Angehörigen verwiesen.<br />

Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />

Im Gesamtbild ergab sich während der Erprobung eine verbesserte Zusammenarbeit<br />

mit Angehörigen in den Referenzeinrichtungen. Davon profitierten nicht nur Bewohner<br />

und Angehörige, positive Auswirkungen waren auch <strong>für</strong> die Mitarbeiter spürbar.<br />

Durch die Benennung fester Ansprechpartner erfolgte die Kommunikation unmittelbar<br />

mit der jeweils zuständigen Person. Hierdurch hat sich der Informationsfluss in den<br />

Einrichtungen verbessert. Die insgesamt verbesserte Zusammenarbeit hat dazu beigetragen,<br />

dass Angehörige zunehmend als Partner in der Bewohnerversorgung<br />

wahrgenommen werden, wodurch auch, wie aus mehreren Einrichtungen berichtet<br />

wurde, konfliktträchtige Situationen seltener wurden.<br />

Die Erprobungserfahrungen zeigten (erwartungsgemäß) allerdings auch, dass die<br />

Umsetzung zahlreicher Anforderungen von der Bereitschaft der Angehörigen<br />

abhängt, mit der Einrichtung zusammenzuarbeiten. So reichen beispielsweise die<br />

Erfahrungen mit der Einbeziehung der Angehörigen in die Versorgung/Betreuung<br />

von „sehr positiv“ bis hin zu „fehlende Bereitschaft der Angehörigen“. Ebenso unterschiedlich<br />

fallen die Erfahrungen mit Veranstaltungsangeboten aus. So genannte<br />

Angehörigenabende wurden in einigen Einrichtungen gut frequentiert, andere<br />

berichteten auch hier über eine geringe Resonanz. Auch ist zu berücksichtigen, dass<br />

nicht alle Bewohner eine intensive Einbindung der Angehörigen in das Einrichtungsgeschehen<br />

wünschen bzw. Angehörige dies aus familiären bzw. beruflichen Gründen<br />

nicht zu leisten in der Lage waren. Der bei der Entwicklung des Qualitätsmaßstabs<br />

tragende Grundsatz, den Einrichtungen Freiraum <strong>für</strong> eigene Schwerpunktsetzungen<br />

zu lassen, hat sich insofern als sehr wichtig erwiesen.<br />

32 Auf die Unterscheidung zwischen wohnbereichsbezogenen und übergreifenden Angeboten wurde verzichtet. Wohnbereichsbezogene<br />

Angebote stoßen oftmals auf geringe Resonanz, so dass Aufwand und Nutzen in keinem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.<br />

Der Qualitätsmaßstab lässt offen, welche Formen gewählt werden sollen, und eröffnet hierdurch den Einrichtungen die Möglichkeit, sich<br />

jeweils basierend auf ihrem Erfahrungshintergrund <strong>für</strong> eine aus ihrer Sicht bewährte Form zu entscheiden.<br />

93


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

94 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die Ausgestaltung der individuellen Angehörigenarbeit nach den Vorgaben des Qualitätsmaßstabs<br />

(Punkt 6) erwies sich <strong>für</strong> viele Einrichtungen als große Herausforderung.<br />

Sie erfolgt meist in Form von Gesprächen zwischen Angehörigen und der<br />

jeweils Zuständigen Pflegefachkraft (Hauptansprechpartner). Diesen Gesprächen<br />

wird insbesondere von den Angehörigen der Vorrang gegenüber Gruppenangeboten<br />

gegeben. Auch wenn die Relevanz dieser Gespräche als hoch eingestuft wurde,<br />

konnten die Mitarbeiter sie nur unter großen Schwierigkeiten gewährleisten, da sie<br />

äußerst zeitintensiv sind und Flexibilität voraussetzen. Die Mehrzahl solcher<br />

Gespräche ist nicht geplant und kann daher auch nicht bei der Gestaltung der<br />

Arbeitsorganisation im Vorfeld berücksichtigt werden. Terminierte Gespräche werden<br />

von Angehörigen nur bedingt genutzt bzw. nachgefragt, sie bevorzugen Gespräche,<br />

die spontan stattfinden, wenn aus ihrer Sicht hierzu ein aktueller Bedarf besteht (vgl.<br />

hierzu auch Hertzberg et al. 2001). Die Mitarbeiter bewegen sich damit in einem<br />

Spannungsverhältnis zwischen dem aktuellen Gesprächsbedürfnis der Angehörigen<br />

und den Anforderungen des täglichen Versorgungsgeschehens. Dennoch sollte der<br />

Stellenwert ungeplanter Gespräche mit Angehörigen <strong>für</strong> eine gute Zusammenarbeit<br />

nicht unterschätzt werden und nichts unversucht bleiben, um diese – wenn auch ggf.<br />

im begrenzten zeitlichen Rahmen – zu ermöglichen. Die Aufforderung, auch ungeplante<br />

Gespräche anzubieten, wurde daher trotz der genannten Schwierigkeiten als<br />

Teil des Anforderungskatalogs beibehalten.<br />

Die Erprobungserfahrungen dokumentieren außerdem ein begrenztes Interesse von<br />

Angehörigen an einer Einbeziehung in das Assessment und die Pflegeplanung. Es gab<br />

zudem unterschiedliche Vorstellungen in den Einrichtungen, was unter Einbeziehung<br />

der Angehörigen bei der Erstellung der Pflegeplanung zu verstehen ist. Die Anwesenheit<br />

der Angehörigen bei der Verschriftlichung der Pflegeplanung und bei jeder weiteren<br />

Bearbeitung bzw. Evaluation ist sicherlich nicht erforderlich und sowohl von Seiten<br />

der Angehörigen als auch der Mitarbeiter kaum zu leisten. Als erfolgsversprechender<br />

erwiesen sich Gespräche zwischen Angehörigen und der jeweils Zuständigen<br />

Pflegefachkraft, die besondere bewohnerbezogene Problematiken <strong>zum</strong> Thema haben.<br />

Angehörige erhielten hierdurch die Gelegenheit, diese besser nachvollziehen und<br />

einen Beitrag zur Problemlösung beisteuern zu können. Auch kann eine mündliche<br />

Information über angestrebte Pflegeziele und hiermit verbundene Maßnahmen dazu<br />

führen, dass Angehörige zur Zielerreichung aktiver beitragen.<br />

Im Falle des Qualitätsmaßstabs „Zusammenarbeit mit Angehörigen“ hat sich aufgrund<br />

der Erprobungserfahrungen der Einrichtungen und der fachlichen Diskussion<br />

mit den Modellbeauftragten somit keine Notwendigkeit zu wesentlichen inhaltlichen<br />

Modifikationen ergeben. Die konzeptionellen Kernelemente haben sich mit anderen<br />

Worten in der Praxis gut bewährt. Lediglich sprachliche Präzisierungen wurden zur<br />

Vermeidung inhaltlicher Missverständnisse vorgenommen.<br />

4.6 Qualitätsmaßstab „Nächtliche Versorgung“<br />

Problemhintergrund<br />

Im Vordergrund des nächtlichen Leistungsgeschehens stehen in der Regel körperbezogene<br />

Leistungen, die Gewährleistung der Sicherheit der Bewohner und die Reduktion<br />

von Störungen (Wingenfeld/Schnabel 2002). Aufgrund der äußerst wechselhaften,<br />

d. h. im Vorfeld nicht absehbaren pflegerischen Anforderungen und einer<br />

gegenüber dem Tagdienst deutlich reduzierten Personalbesetzung wird besonderen<br />

Verhaltensweisen oder Bedürfnissen der Bewohner oftmals nicht in angemessener<br />

Form und ausreichendem Maße begegnet. „Nicht langanhaltende Ruhe ist das vorherrschende<br />

Kennzeichen der Nacht in stationären Pflegeeinrichtungen, sondern ein<br />

häufig auftretender Versorgungsbedarf aufgrund körperlicher, psychischer und verhaltensbezogener<br />

Probleme“ (Wingenfeld 2004: 40). Rund die Hälfte der Bewohner


weist nächtliche Unruhe und einen gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus auf (Wingenfeld/Schnabel<br />

2002), wobei diese oder andere Verhaltensweisen oftmals isoliert<br />

vom Tagesgeschehen betrachtet werden. Eine von Mitarbeitern des Tag- und Nachtdienstes<br />

gemeinsame Ermittlung von Bedarfslagen und Bedürfnissen – nach Möglichkeit<br />

unter Einbezug der Bewohner und/oder der Angehörigen – hat Seltenheitswert,<br />

ebenso fehlt vielfach ein hierauf aufbauendes adäquates Leistungsangebot.<br />

Langanhaltender Nachtschlaf stellt aus unterschiedlichen Gründen nicht den Regelfall<br />

<strong>für</strong> Bewohner vollstationärer Pflegeeinrichtungen dar und kann auch nicht durch<br />

medizinische oder pflegerische Interventionen erzwungen werden. Der Schlaf-Wach-<br />

Rhythmus unterliegt im Alter zahlreichen physiologischen Veränderungen: verkürzte<br />

Tiefschlafphasen, Zunahme nächtlicher Wachphasen und Schlafphasen am Tag,<br />

Zubettgehen und Aufstehen erfolgen zu früheren Zeiten als bei jüngeren Menschen<br />

(Juda et al. 2006) 33 . Krankheitsbedingt können Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus<br />

beispielsweise infolge einer Demenzerkrankung auftreten, wobei hiervon mehr als<br />

die Hälfte der demenziell erkrankten Bewohner in unterschiedlicher Ausprägung<br />

betroffen sind (Motohashi et al. 2000). Auch die Unfähigkeit, die gewünschte Schlafposition<br />

selbständig einzunehmen, Schmerzen, Angstzustände und depressive Stimmungen<br />

können Ursachen <strong>für</strong> einen gestörten Nachtschlaf darstellen (Morgan/Closs<br />

1999). Und schließlich kann eine Versorgungssituation, die durch fehlende Tagesstrukturierung,<br />

körperliche Inaktivität, reduzierte Lichtexposition während des Tages,<br />

unangemessen lange Aufenthalte im Bett etc. gekennzeichnet ist, ebenfalls negativen<br />

Einfluss auf den Nachtschlaf nehmen (Frohnhofen/Höltmann 2000). Die Tagesstrukturierung<br />

in den Einrichtungen orientiert sich oftmals eher an betrieblichen Abläufen<br />

als an individuellen Bedürfnissen der Bewohner (Wingenfeld/Schnabel 2002).<br />

Eine bedarfs- und bedürfnisorientierte Gestaltung der nächtlichen Versorgung setzt<br />

eine Analyse der individuellen Schlaf- bzw. Wachmuster, Problemlagen und Bedürfnisse<br />

(Späth/Matter 1998) sowie der bestehenden Versorgungssituation während<br />

des Tages und der Nacht voraus. Auf dieser Grundlage können bewohnerbezogene<br />

Pflegeziele festgelegt und bedarfsorientierte Angebote geplant werden 34 .<br />

Der Qualitätsmaßstab greift diese Problematik in Form von Anforderungen an die<br />

Kooperation zwischen den Mitarbeitern, die Organisation und die direkte Versorgung<br />

und Betreuung der Bewohner auf. Da Probleme der nächtlichen Versorgung<br />

nicht losgelöst vom Tagesgeschehen betrachtet werden können, beinhaltet der Qualitätsmaßstab<br />

auch solche Anforderungen, die Konsequenzen <strong>für</strong> die im Tagdienst<br />

eingesetzten Mitarbeiter haben.<br />

Entsprechend des Prinzips der Anschlussfähigkeit an die derzeitigen Praxisbedingungen<br />

sieht der Qualitätsmaßstab Maßnahmen vor, die unabhängig von der vorherrschenden<br />

Dienstorganisationsform zu einer Verbesserung der Versorgungssituation<br />

beitragen können. Zugleich bietet er die Grundlage <strong>für</strong> eine konzeptionelle Neuorientierung,<br />

d. h. den Übergang zu einer Dienstorganisation, die sich flexibel an den<br />

aktuellen Bedarfs- und Problemlagen der Bewohner ausrichtet.<br />

Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau<br />

Der Qualitätsmaßstab hat primär die Versorgungssituation in der Zeit vom Abend bis<br />

in die frühen Morgenstunden <strong>zum</strong> Gegenstand. Dennoch können und dürfen die Versorgung<br />

am Tag und in der Nacht nicht getrennt voneinander betrachtet werden, da<br />

sie sich gegenseitig beeinflussen und bedingen. Der Qualitätsmaßstab hebt deshalb<br />

33 Entgegen einer weit verbreiteten Annahme führen kurze Schlafphasen während des Tages in der Regel nicht zu einer Beeinträchtigung<br />

des Nachtschlafes (Campbell et al. 2005).<br />

34 Beispielsweise gibt es Hinweise darauf, dass der Schlaf-Wach-Rhythmus durch gezielte körperliche Aktivität während des Tages positiv<br />

beeinflusst werden kann (Namazi et al. 1995). Dieser Effekt lässt sich steigern, wenn entsprechende Maßnahmen mit einer Veränderung<br />

von Umgebungsfaktoren wie z.B. einer ausreichenden Beleuchtung während des Tages (Münch et al. 2005) oder Lärmreduzierung und<br />

Vermeidung von Schlafunterbrechungen aufgrund pflegerischer Tätigkeiten (Alessi et al. 1999) kombiniert werden.<br />

95


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

96 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

deutlich hervor, dass die nächtliche Versorgung ein integraler Bestandteil der Versorgung<br />

über 24 Stunden ist.<br />

Er enthält Anforderungen, deren Bedeutung <strong>für</strong> eine bedarfsgerechte nächtliche Versorgung<br />

erhebliche Unterschiede aufweist. Scheinbar selbstverständlich ist z.B. die<br />

Forderung nach der Verfügbarkeit von Materialien <strong>für</strong> die pflegerische Versorgung.<br />

Auch die Problematik der Durchführung der Körperpflege in den Nachtstunden<br />

wurde ungeachtet der bereits seit Jahren geführten Diskussion in den Qualitätsmaßstab<br />

aufgenommen. Dieses Vorgehen ist der Anschlussfähigkeit des Konzeptbausteins<br />

an die derzeitigen Praxisbedingungen geschuldet, da grundlegende Bedingungen<br />

und Vereinbarungen nicht durchgängig als gegeben vorausgesetzt werden können.<br />

Dem gegenüber stehen Anforderungen von grundlegender Bedeutung <strong>für</strong> die nächtliche<br />

Versorgung, z.B. die regelmäßige Durchführung von Bedarfsanalysen und die<br />

Entwicklung angemessener Versorgungsangebote, die ggf. auch eine Reorganisation<br />

der Dienstzeiten erforderlich machen.<br />

Die Ergebnisse eines Expertenworkshops mit Vertretern von Einrichtungen, die bereits<br />

erfolgreich Angebote zur Verbesserung der nächtlichen Versorgungssituation erprobt<br />

haben, bestätigten mehrheitlich die inhaltlichen Anforderungen des Qualitätsmaßstabs.<br />

Außerdem zeichnete sich ab, dass die langfristige Entwicklung zu einer<br />

bedarfsgerechten zeitnahen Anpassung der Personalplanung und einer verstärkten<br />

Personalbesetzung am Abend bzw. in der Nacht tendieren muss. Entsprechende Hinweise<br />

wurden daher in die Einleitung des Qualitätsmaßstabs aufgenommen.<br />

Im Einzelnen umfasst das Rahmenkonzept folgende Anforderungen:<br />

1. Grundsätze: Die Grundsätze benennen als Kernanforderungen die fachkompetente,<br />

bedarfsangemessene Versorgung und Betreuung der Bewohner über<br />

24 Stunden hinweg und die Kooperation zwischen Tag- und Nachtdienst bei der<br />

Planung der Versorgung und die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen <strong>für</strong><br />

eine ausreichende Nachtruhe der Bewohner.<br />

2. Verfügbarkeit einer schriftlichen Konzeption: Im Vergleich zu anderen Qualitätsmaßstäben<br />

werden höhere Anforderungen an die schriftliche Konzeption gestellt. Insbesondere<br />

soll sie Aussagen über Art und Umfang des Versorgungsangebotes sowie die<br />

Personalressourcen <strong>für</strong> die abendliche und nächtliche Versorgung enthalten.<br />

3. Bedarfsgerechtes abendliches/nächtliches Versorgungsangebot: Die Einrichtungen<br />

werden aufgefordert, mindestens einmal jährlich zu überprüfen, inwieweit ihr<br />

Versorgungsangebot dem am Abend und in der Nacht anfallenden Bedarf der<br />

Bewohner entspricht. Bei fehlender Entsprechung sollen geeignete Schritte zu konzeptionellen<br />

Anpassungen eingeleitet werden.<br />

4. Rahmenbedingungen: Dieser Abschnitt bezieht sich auf Rahmenbedingungen, die<br />

die Nachtruhe der Bewohner und die nächtliche Versorgung beeinflussen (Vermeidung<br />

von Lärm und störenden Lichtquellen, Verfügbarkeit von Materialien zur pflegerischen<br />

Versorgung, Entlastung der Mitarbeiter des Nachtdienstes von mittelbar<br />

bewohnerbezogenen Leistungen, Sicherheitsvorkehrungen und Verfügbarkeit<br />

eines Gemeinschaftsraums <strong>für</strong> die Bewohner).<br />

5. Personelle Regelungen: Die Anforderungen an personelle Regelungen erstrecken<br />

sich auf die Vorgehensweise beim Ausfall von Mitarbeitern, die Aufgabenteilung<br />

im Nachtdienst und die kurzfristige Anpassung der Dienstplanung an außergewöhnlichen<br />

Unterstützungsbedarf in der Nacht 35 .<br />

35 Die Anforderung einer kurzfristigen Anpassung des Mitarbeitereinsatzes in der Nacht bei sich bereits während des Tages abzeichnendem<br />

außergewöhnlich hohem Unterstützungsbedarf wurde als sinnvoll, von den Modellbeauftragten jedoch als kaum realisierbar eingestuft.<br />

Den Bedenken der Praxis wurde durch eine entsprechend angepasste Formulierung („...bemüht sich die Einrichtungsleitung bzw.<br />

Pflegedienstleitung, die Planung des Mitarbeitereinsatzes kurzfristig daran anzupassen“) Rechnung getragen.


6. Pflegerische Versorgung und Betreuung: Die Bewohner sollen über die Nutzung<br />

des Gemeinschaftsraums am Abend bzw. in der Nacht und den Zeitpunkt des<br />

Zubettgehens entscheiden können. Zudem ist festgelegt, dass nächtliche Kontrollgänge<br />

sich am individuellen Bedarf der Bewohner orientieren sollen und die morgendliche<br />

Körperpflege nur auf ausdrücklichen Wunsch des Bewohners während<br />

des Nachtdienstes erfolgt.<br />

7. Information, Dokumentation und Pflegeplanung: Der Informationstransfer zwischen<br />

den Mitarbeitern unterschiedlicher Schichten muss ebenso geregelt sein wie<br />

die Einbeziehung von Nachtdienstmitarbeitern bei der Erstellung der Pflegeplanung.<br />

Insbesondere sollen Schlafverhalten, nächtliche Bedürfnisse und Problemlagen<br />

der Bewohner stärker in der Pflegeplanung berücksichtigt werden.<br />

8. Förderung der Kommunikation zwischen den Mitarbeitern: Sie soll u.a. dadurch<br />

erreicht werden, dass Nachtdienstmitarbeiter (<strong>zum</strong>indest während der Einarbeitungszeit)<br />

auch im Tagdienst eingesetzt werden, sie konsequent in einrichtungsinterne<br />

Aktivitäten und gemeinsame Besprechungen aller Mitarbeiter mit einbezogen<br />

werden 36 .<br />

9. Verfahrensweisen in besonderen Situationen: Diese Verfahrensweisen betreffen<br />

z.B. medizinische Notfallsituationen, das Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten,<br />

den Umgang mit neu eingezogenen Bewohnern, die Sterbebegleitung<br />

und technische Notfälle.<br />

Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />

Der Qualitätsmaßstab zur nächtlichen Versorgung ging relativ spät in die praktische<br />

Erprobung. Dessen ungeachtet genügen die praktischen Erfahrungen, um die besonderen<br />

Herausforderungen zu benennen, mit denen bei der Umsetzung zu rechnen ist.<br />

Es handelt sich in erster Linie um die Entwicklung von Versorgungskonzepten auf der<br />

Grundlage einer Bedarfsanalyse und die Kooperation von Tag- und Nachtdienstmitarbeitern.<br />

Die vom Qualitätsmaßstab vorgesehene Ermittlung des Bedarfs an abendlicher bzw.<br />

nächtlicher Versorgung bildet die Grundlage <strong>für</strong> die Überprüfung des bestehenden<br />

Versorgungsangebots. Diese mindestens jährlich durchzuführende Analyse erscheint<br />

nach den Erprobungserfahrungen nur dann realisierbar, wenn das <strong>für</strong> eine solche<br />

Analyse erforderliche Know-How verfügbar ist und Zuständigkeiten und Abläufe konkret<br />

festgelegt sind. Die Verantwortung sollte bei der Pflegedienstleitung liegen, in<br />

deren Aufgabenbereich auch die Initiierung von Anpassungen des Angebots liegt.<br />

Ein späterer Dienstbeginn oder Zwischendienste am Abend können wesentlich dazu<br />

beitragen, die Versorgungssituation positiv zu beeinflussen, werden von den Mitarbeitern<br />

allerdings häufig als besonders einschneidende Veränderungen erlebt. Um<br />

neue Angebote entwickeln und in den Versorgungsalltag integrieren zu können, sind<br />

neben einer veränderten Dienstorganisation auch entsprechend qualifizierte Mitarbeiter<br />

erforderlich. Mitarbeiter, die ständig im Nachtdienst tätig sind, nehmen jedoch<br />

in geringerem Ausmaß als ihre Kollegen an Fortbildungen teil.<br />

Pflegeplanungen, die eine Tagesstrukturierung über 24 Stunden berücksichtigen,<br />

erfordern die Zusammenarbeit von Tag- und Nachtdienstmitarbeitern. Nachtdienstmitarbeiter<br />

scheinen nicht selten die hiermit verbundene Verantwortungsübernahme<br />

zu scheuen. Informationsdefizite und mangelnde Teamintegration können hier<strong>für</strong> mit-<br />

36 Die ursprünglich ins Auge gefasste Anforderung, aus den Reihen der Nachtdienstmitarbeiter einen Sprecher zu bestimmen, der die Interessen<br />

der Mitarbeiter in Besprechungen o. ä. vertritt, hat sich als entbehrlich erwiesen. In vielen Einrichtungen sind Nachtdienstmitarbeiter<br />

einzelnen Wohnbereichen zugeordnet und in deren Kommunikationsstrukturen eingebunden, so dass ein wohnbereichsübergreifender<br />

Nachtdienstsprecher nicht erforderlich ist. Für Einrichtungen mit anderen Organisationsstrukturen wurde aber ein entsprechender Hinweis<br />

im Sinne einer Empfehlung in die Erläuterungen aufgenommen.<br />

97


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

98 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

verantwortlich sein und erschweren die Kooperation. Als positiv wurden daher die<br />

Forderungen nach einer Einarbeitung der künftigen Nachtdienstmitarbeiter auch im<br />

Tagdienst bewertet. Auch die Abkehr von einer Dienstplanung, bei der nur bestimmte<br />

Mitarbeiter im Nachtdienst eingesetzt werden (zugunsten eines Rotationssystems),<br />

kann zu einer verbesserten Kooperation führen, stößt nach den Erfahrungen der Einrichtungen<br />

allerdings bei den Mitarbeitern aus unterschiedlichen Gründen auf Widerstand.<br />

Diese Erprobungserfahrungen dokumentieren, dass die konsequente Ausrichtung der<br />

nächtlichen Versorgung an den Bedarfslagen und Bedürfnissen der Bewohner häufig<br />

einen längeren Prozess erfordert, der Maßnahmen der Personalentwicklung einschließt.<br />

Da es sich um zentrale Qualitätsanforderungen handelt, blieben die entsprechenden<br />

Maßgaben des Rahmenkonzepts trotz der mit ihnen verbundenen Herausforderungen<br />

unverändert.<br />

Aufgrund der Erprobungserfahrungen haben sich somit nur einige sprachliche Veränderungen,<br />

erweiterte Erläuterungen und eine inhaltliche Erweiterung in Bezug auf die<br />

bei der Erstellung der Pflegeplanung besonders zu berücksichtigenden Aspekte als<br />

erforderlich erwiesen 37 .<br />

4.7 Qualitätsmaßstab: „Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen“<br />

Problemhintergrund<br />

Entgegen des Wunsches weiter Bevölkerungsteile, die letzte Lebenszeit zu Hause zu<br />

verbringen (Dreßel et al. 2001; Enquête-Kommission Demographischer Wandel<br />

2002), verbringen Menschen ihr Lebensende überwiegend in Institutionen, vor allem<br />

in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen 38 .<br />

Die Begleitung Sterbender gehört zu den zunehmend wichtigen Aufgaben vollstationärer<br />

Pflegeeinrichtungen. Die durchschnittliche Verweilzeit alter Menschen, die in<br />

eine Einrichtung umziehen, ist in den letzten Jahren stetig gesunken. Die Pflegeeinrichtungen<br />

haben sich mehr und mehr von Stätten langjährigen Wohnens zu Einrichtungen<br />

der Pflege und Krankheitsbewältigung in den Spät- und Endstadien chronischer<br />

Krankheiten entwickelt (Schaeffer/Wingenfeld 2004; Salis Gross 2005), und<br />

es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend im Zuge des demografischen Wandels weiter<br />

fortsetzt.<br />

Bereits 1990 hat die WHO wichtige konzeptionelle Elemente der Palliativversorgung<br />

in einem Positionspapier zusammengetragen (WHO 1990). Danach handelt es sich<br />

um eine multidisziplinäre, einrichtungsübergreifende Aufgabe, bei der der Pflege<br />

jedoch allein aufgrund ihrer Nähe zu den Betroffenen im Versorgungsalltag eine<br />

wichtige Funktion zukommt (Ewers/Schaeffer 2005; Johnston 1999). Die WHO versteht<br />

Palliativversorgung als „aktive, umfassende Versorgung von Patienten, deren<br />

Erkrankung einer kurativen Behandlung nicht länger zugänglich ist. Die Linderung<br />

von Schmerzen, die Kontrolle anderer Symptome sowie die Bewältigung psychischer,<br />

sozialer und spiritueller Probleme sind handlungsleitend. Ziel ist die Herstellung der<br />

bestmöglichen Lebensqualität <strong>für</strong> die Patienten und ihre Familien“. Eine zentrale Stel-<br />

37 Hier wurden neben biografischen Hintergrundkenntnissen und einer angemessenen Tagesstrukturierung zusätzlich Rituale/Gewohnheiten am<br />

Abend bzw. in der Nacht aufgenommen und im Gegenzug auf den ursprünglichen Passus „Einsatz schlaffördernder Rituale/Maßnah¬men“<br />

verzichtet.<br />

38 Einer Untersuchung von Ochsmann et al. (1997) aus Rheinland-Pfalz zufolge sterben etwa 13% der Menschen in einer Pflegeeinrichtung.<br />

Bickel (1998) kommt <strong>für</strong> die Stadt Mannheim auf eine Größenordnung von rd. 29%.


lung in der WHO-Konzeption nehmen Angehörige ein. Sie gelten als Mitwirkende im<br />

Rahmen der Versorgung, aber auch als Adressaten von Unterstützung (WHO 1990;<br />

Lugton/Pearce 1999).<br />

Mit dem Qualitätsmaßstab der <strong>Referenzmodell</strong>e werden Wege aufgezeigt, die<br />

Begleitung Sterbender in vollstationären Pflegeeinrichtungen zu verbessern und<br />

grundlegende Voraussetzungen zur Bewältigung dieser Aufgabe herzustellen. Er soll<br />

den Akteuren Handlungssicherheit in einem schwierigen Aufgabenfeld geben, indem<br />

ein fachlicher und organisatorischer Rahmen <strong>für</strong> die Begleitung Sterbender abgesteckt<br />

wird. Dabei ist allerdings zu betonen, dass er dem Grundsatz folgt, die heutigen<br />

Bedingungen der Versorgung in vollstationären Pflegeeinrichtungen zu beachten.<br />

Eine idealtypische Begleitung Sterbender und ihrer Angehörigen, wie sie sich aus<br />

Verlautbarungen der WHO ableiten ließe, wird daher nicht <strong>zum</strong> Maßstab erhoben.<br />

Das Rahmenkonzept versteht sich eher als Initiative zur Förderung einer Qualitätsentwicklung,<br />

deren langfristige Ziele weiter reichen sollten als die Ziele, die dem Rahmenkonzept<br />

selbst zugrunde liegen. Dies ist einer der Gründe, weshalb das Rahmenkonzept<br />

auf den Begriff Sterbebegleitung zurückgreift und nicht von Palliativversorgung<br />

gesprochen wird.<br />

Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau<br />

Der formale Aufbau des Konzeptbausteins ähnelt dem der anderen Qualitätsmaßstäbe.<br />

Er umfasst sechs Abschnitte:<br />

1. Grundsätze: Die Grundsätze betonen die Notwendigkeit, geeignete Rahmenbedingungen<br />

<strong>für</strong> eine Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen sicherzustellen. Dies<br />

schließt vor allem fachkompetente und einfühlsame Unterstützung der Bewohner<br />

und Angehörigen bei der Gestaltung und Bewältigung des Sterbeprozesses ein –<br />

unter Berücksichtigung des individuellen biografischen, kulturellen und religiösen<br />

Hintergrundes.<br />

2. Verfügbarkeit einer schriftlichen Konzeption<br />

3. Personelle Zuständigkeiten: Wie in allen Qualitätsmaßstäben wird auch hier auf<br />

die Notwendigkeit der Zuweisung personeller Verantwortung hingewiesen, die<br />

bei der Sterbebegleitung aufgrund oftmals umfangreicher koordinierender Tätigkeiten<br />

besonders wichtig ist. Die Steuerungs- und Koordinationsverantwortung<br />

wird der <strong>für</strong> den Bewohner Zuständigen Pflegefachkraft zugewiesen.<br />

4. Begleitung des Sterbeprozesses: Neben der unverzüglichen Information der<br />

Angehörigen und des zuständigen Arztes nach dem plötzlichen Versterben oder<br />

bei einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes werden<br />

hier zwei wichtige Aufgabenbereiche unterschieden: die Unterstützung des<br />

Bewohners selbst und die Unterstützung der Angehörigen. Hierzu gehören die<br />

Anpassung der individuellen Versorgung unter Berücksichtigung der Notwendigkeit<br />

einer bedarfsgerechten medizinischen Versorgung, die Prüfung der Notwendigkeit,<br />

weitere Personen oder Institutionen (v.a. Hospizdienste) einzubeziehen<br />

und die Sicherstellung einer möglichst kontinuierlichen Begleitung des sterbenden<br />

Bewohners. Für die Angehörigen soll ein Ansprechpartner, der über den betreffenden<br />

Bewohner kompetent Auskunft geben kann, jederzeit kurzfristig erreichbar<br />

sein. Ausgehend von einer Einschätzung ihres Unterstützungsbedarfs soll ihnen<br />

kompetente Hilfe in Form von Information und Beratung angeboten und bei Bedarf<br />

Kontakt zu anderen Stellen vermittelt werden. Überprüft werden soll u.a. die Möglichkeit<br />

und Bereitschaft der Angehörigen, unter Anleitung aktiv in die Versorgung<br />

des Sterbenden einbezogen zu werden.<br />

5. Maßnahmen im Todesfall: In diesem Punkt geht es nicht nur um die Versorgung<br />

des Verstorbenen, sondern auch um die Information von Angehörigen, Ärzten,<br />

Mitarbeitern und Mitbewohnern. Auch die Begleitung der Angehörigen (Einschät-<br />

99


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

100 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

zung ihrer Situation, Beratung) findet hier noch einmal Berücksichtigung. Darüber<br />

hinaus sollen geeignete Voraussetzungen <strong>für</strong> die Trauerbewältigung hergestellt<br />

werden.<br />

6. Reflexions- und Entlastungsangebote <strong>für</strong> Mitarbeiter: Hier werden die Einrichtungen<br />

aufgefordert, den Mitarbeitern einen geeigneten Rahmen zur Aufarbeitung<br />

ihrer Erfahrungen und Belastungen zur Verfügung zu stellen. Dieser Punkt gewinnt<br />

angesichts des Umstands, dass das Sterben mehr und mehr <strong>zum</strong> Alltag in den Einrichtungen<br />

wird, zunehmend an Bedeutung.<br />

Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />

Aufgrund der Erprobungserfahrungen wurde vor allem die Notwendigkeit konkretisierender<br />

Erläuterungen im Qualitätsmaßstab deutlich. So war einigen Einrichtungen<br />

zu wenig bewusst, dass medizinische, seelsorgerische oder psychologische Stellen<br />

Angehörige bei der Sterbebegleitung informieren und beraten können. Schwierigkeiten<br />

bereitete das Verständnis der Anforderung, den Unterstützungsbedarf von<br />

Angehörigen nach dem Versterben des Bewohners zu erfassen und beratend tätig zu<br />

werden. Dieses Kriterium ist daher genauer erläutert worden. Eine weitere Präzisierung<br />

erfolgte bei der Anforderung, Angehörige bei der Versorgung des Verstorbenen<br />

einzubeziehen. Es galt u.a. darauf hinzuweisen, dass Angehörige nicht vorbehaltlos<br />

beteiligt werden sollten, sondern dass dies von ihrem Wunsch abhängig gemacht<br />

werden und eine professionelle Einschätzung vorausgehen sollte, ob die Einbeziehung<br />

ggf. mit Überforderung verbunden sein könnte.<br />

Schwierig erschien einigen Einrichtungen aufgrund ihrer angespannten Personalsituation,<br />

Mitarbeitern grundsätzlich die Teilnahme an der Beerdigung von verstorbenen<br />

Bewohnern zu ermöglichen. Diese Anforderung wurde abgeschwächt.<br />

Im Hinblick auf den Aufbau einer Abschiedskultur war es den Referenzeinrichtungen<br />

wichtig, klarzustellen, dass Mitarbeiter nicht „gezwungen“ werden dürfen, sich mit<br />

dem Thema Tod und Sterben in einem organisierten Rahmen auseinanderzusetzen.<br />

Diese Anregung wurde ebenfalls aufgegriffen.<br />

Die Erfahrungen der Einrichtungen zeigen ferner, dass Schwierigkeiten bestehen,<br />

eine kontinuierliche Begleitung sterbender Bewohner personell abzudecken, insbesondere<br />

wenn keine Angehörigen zu finden sind, die <strong>für</strong> die Sterbebegleitung<br />

gewonnen werden könnten. Die Einrichtungen sind daher gefordert, nach Alternativen<br />

Ausschau zu halten und beispielsweise verstärkt ehrenamtliche Mitarbeiter bzw.<br />

Hospizdienste einzubinden.<br />

Somit ergaben sich im Falle dieses Rahmenkonzepts ebenfalls nur sehr wenige inhaltliche<br />

Anpassungen aufgrund der Erprobungserfahrungen, allerdings eine ganze<br />

Reihe an ergänzenden Erläuterungen, die das Verständnis der Anforderungen<br />

erleichtern, aber auch Anregungen <strong>für</strong> Problemlösungen zur Verfügung stellen.<br />

4.8 Qualitätsmaßstab „Kooperation mit niedergelassenen Ärzten“<br />

Problemhintergrund<br />

Hausärztliche und fachärztliche Betreuung in Pflegeeinrichtungen nehmen einen<br />

wichtigen Stellenwert in der Versorgung der Bewohner ein. Eine funktionierende<br />

Kooperation zwischen stationären Pflegeeinrichtungen und niedergelassenen Ärzten<br />

ist <strong>für</strong> die Sicherstellung der medizinischen Versorgung besonders wichtig, da die<br />

Bewohner in der Regel Unterstützung bei der Inanspruchnahme benötigen.


Hallauer et al. (2005) zeigten mit einer Studie zahlreiche Lücken in der medizinischen<br />

Versorgung auf. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass nur etwa 20% der<br />

Heimbewohner eine Arztpraxis eigenständig aufsuchen können. Bei Bewohnern, die<br />

eine Arztpraxis nicht aufsuchen können, stellen die Pflegekräfte den Zugang zur<br />

medizinischen Versorgung sicher. Die Versorgung erfolgt ganz überwiegend durch<br />

Allgemeinmediziner, wobei die große Anzahl verschiedener Ärzte die Einrichtungen<br />

vor erhebliche Koordinationsprobleme stellt (ebd.; Becker et al. 2005). Als besonders<br />

defizitär wird die fachärztliche Versorgung in Pflegeheimen angesehen. Die Versorgung<br />

durch Frauenärzte, Augenärzte und HNO-Ärzte fehlt der Untersuchung<br />

zufolge fast vollständig. Selbst von Neurologen und Psychiatern wird den Ergebnissen<br />

zufolge nur etwa ein Drittel der Bewohner erreicht, obwohl die Prävalenz demenzieller<br />

Erkrankungen in den untersuchten Einrichtungen bei rund 53% lag. Die Autoren<br />

fordern daher unter anderem, Lösungen <strong>für</strong> die Unterversorgung auf der Ebene<br />

der Ärzteverbände und Kostenträger zu entwickeln (Hallauer et al. 2005). Betrachtet<br />

man die Ursachen <strong>für</strong> eine Krankenhauseinweisung von Pflegeheimbewohnern, so<br />

wird die Notwendigkeit einer Optimierung der Zusammenarbeit zwischen Ärzten<br />

und Pflegepersonal ebenfalls deutlich (Specht-Leible et al. 2003).<br />

Der Pflege kommt eine doppelte Bedeutung im Rahmen der medizinischen Versorgung<br />

zu: Zum Einen behebt sie Zugangsbarrieren zur medizinischen Versorgung <strong>für</strong><br />

mobilitätseingeschränkte und kognitiv eingeschränkte Bewohner. Zum Anderen kann<br />

sie dazu beitragen, eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung sicherzustellen,<br />

indem bei altersspezifischen Problemlagen gezielt die Zusammenarbeit mit den Ärzten<br />

gesucht wird.<br />

In diesem Sinne sind in dem Qualitätsmaßstab „Kooperation mit niedergelassenen<br />

Ärzten“ Kriterien zusammengetragen worden, deren Umsetzung dazu beitragen soll,<br />

die Qualität der gesundheitlichen Versorgung von Heimbewohnern und die Kooperation<br />

zwischen Pflege und Medizin zu verbessern. Er soll dazu beitragen, die Kooperationsbeziehungen<br />

auf eine transparente und verlässliche Basis zu stellen und den<br />

Pflegekräften in den Einrichtungen mehr Sicherheit in der Zusammenarbeit mit Ärzten<br />

zu geben. Es geht nicht zuletzt um die Integration pflegerischer und ärztlicher Maßnahmen<br />

mit dem Ziel, den Bewohnern eine ihren Problemlagen entsprechende und<br />

aufeinander abgestimmte medizinisch-pflegerische Versorgung zugänglich zu<br />

machen (vgl. Schaeffer/Moers 2003).<br />

Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau<br />

Konzeptionelle Grundlagen zur ärztlichen Versorgung waren in den Referenzeinrichtungen<br />

rar. Auch in der Literatur fanden sich kaum konzeptionelle oder empirische<br />

Arbeiten zur ärztlichen Versorgung in Pflegeheimen. Deshalb und um von vornherein<br />

auch die ärztliche Perspektive zu berücksichtigen, ist bei der Entwicklung dieses Konzeptbausteins<br />

ein besonderes Vorgehen gewählt worden: Ein erster Konzeptentwurf<br />

wurde in Kooperation zwischen dem IPW und zwei Ärzten mit ausgewiesener Expertise<br />

im Hinblick auf Fragen der medizinischen Versorgung in Pflegeeinrichtungen<br />

erstellt. Das weitere Verfahren glich dem der anderen Qualitätsmaßstäbe.<br />

Ein besonderes Kennzeichen dieses Qualitätsmaßstabs besteht darin, dass die Ergebnisse<br />

der Kooperationsbemühungen von Pflegeeinrichtungen immer auch von der<br />

Bereitschaft und dem Interesse der niedergelassenen Ärzte abhängig sind. Insofern<br />

ist es <strong>für</strong> die Einrichtungen zwar möglich, die Anforderungen des Qualitätsmaßstabs<br />

umzusetzen, ihren Erfolg können sie aber nicht allein sicherstellen, vielmehr ist hierzu<br />

die Mitarbeit der Ärzte erforderlich.<br />

Der Qualitätsmaßstab umfasst folgende Inhalte:<br />

101


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

102 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

1. Grundsätze: Die Grundsätze benennen in allgemeiner Form die Rolle und Aufgaben<br />

der Einrichtungen im Rahmen der medizinischen Versorgung der Bewohner<br />

sowie die Ziele, die <strong>für</strong> die Einrichtung und ihre Mitarbeiter handlungsleitend sein<br />

sollten. Betont wird die Unterstützung des Bewohners bei der Erhaltung, Wiederherstellung<br />

und Förderung von Gesundheit sowie das Ziel, pflegerische, diagnostische,<br />

präventive und therapeutische Maßnahmen so weit wie möglich aufeinander<br />

abzustimmen.<br />

2. Verfügbarkeit einer schriftlichen Konzeption: Abweichend von anderen Qualitätsmaßstäben<br />

werden die Einrichtungen hier u.a. explizit dazu aufgefordert, ihre<br />

Konzeption gegenüber Dritten, in diesem Fall also gegenüber den Ärzten in<br />

geeigneter Form transparent zu machen.<br />

3. Personelle Zuständigkeiten: Wie in anderen Qualitätsmaßstäben wird auch in diesem<br />

Fall die Steuerungs- und Koordinationsverantwortung der <strong>für</strong> den jeweiligen<br />

Bewohner Zuständigen Pflegefachkraft betont.<br />

4. Kooperation mit Ärzten zur Verbesserung der Versorgung: Hierbei geht es vorrangig<br />

um einzelne Verfahrensweisen im Rahmen der Kooperation. So soll beispielsweise<br />

Ärzten, die erstmals in eine Kooperation mit der Einrichtung eintreten, ein<br />

initiales Kooperationsgespräch angeboten werden. Auch Absprachen zu bestimmten<br />

Fragen der ärztlichen Versorgung werden an dieser Stelle thematisiert, so z.B.<br />

zur Beobachtung von Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten.<br />

5. Pflegeplanung und -dokumentation: Angesprochen wird in diesem Abschnitt u.a.<br />

die Dokumentation ärztlicher An- und Verordnungen und die Dokumentation medizinisch<br />

relevanter Informationen. Die behandelnden Ärzte sollen auf Wunsch Einsicht<br />

in die Pflegedokumentation und Gelegenheit zu einem Gespräch zur Abstimmung<br />

von Pflegeplanung und medizinischer Therapie erhalten.<br />

6. Arztbesuche: In diesem Punkt geht es <strong>zum</strong> Einen darum, von Seiten der Einrichtung<br />

auf bedarfsgerechte Konsultationen hinzuwirken, <strong>zum</strong> Anderen um Fragen<br />

der Organisation von Arztbesuchen, beispielsweise um die Begleitung des<br />

Bewohners in eine Arztpraxis.<br />

7. Notfallsituationen: Für den Umgang mit Notfällen sollen funktionale und transparente<br />

Verfahrensweisen geschaffen werden. Auch Fragen der Weitergabe medizinischer<br />

Informationen sowie die Information Angehöriger werden in diesem Punkt<br />

behandelt.<br />

8. Qualifikation: Abschließend werden die Einrichtungen dazu aufgefordert, im Rahmen<br />

der Personalentwicklung und Fortbildung sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter<br />

über ausreichende Kenntnisse, Fertigkeiten und pflegediagnostische Kompetenzen<br />

verfügen, die zu einer fachgerechten Durchführung ärztlich<br />

verordneter/angeordneter Maßnahmen und zur Beobachtung ihrer Wirkungen<br />

und Nebenwirkungen erforderlich sind.<br />

Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />

Die Erfahrungen mit der Umsetzung dieses Qualitätsmaßstabs sind vergleichsweise<br />

gering, da er erst spät im Verlauf des Modellvorhabens von den Einrichtungen<br />

erprobt werden konnte. Gleichwohl ist der Nutzen des Konzeptbausteins als hoch<br />

eingeschätzt worden und in den Modelleinrichtungen, die ihn erprobt haben, wurden<br />

überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Andererseits handelt es sich um<br />

eines der schwierigsten Themen, derer sich das Modellvorhaben angenommen hat.


Aufgrund der oftmals großen Anzahl an niedergelassenen Ärzten, mit denen die Einrichtungen<br />

zusammenarbeiten, hat es sich als schwierig erwiesen, zu zentralen Fragen<br />

der Bewohnerversorgung Absprachen zu treffen. Ähnliches gilt <strong>für</strong> das Angebot<br />

eines einführenden Kooperationsgesprächs.<br />

Ein weiteres Problem haben die Modelleinrichtungen darin gesehen, darauf hinzuwirken,<br />

dass alle Bewohner ihrem Bedarf entsprechend regelmäßig Arztbesuche<br />

erhalten. Da die niedergelassenen Ärzte die Frequenz ihrer Konsultationen eigenständig<br />

bestimmen, ist an dieser Stelle eine Grenze <strong>für</strong> die Einrichtungen erreicht, so<br />

dass sie lediglich ihre Bewohner oder deren Angehörige über die Bedeutung regelmäßiger<br />

Arztbesuche beraten können.<br />

Die Anforderung, die Begleitung des Arztes bei der Visite der <strong>für</strong> den jeweiligen<br />

Bewohner Zuständigen Pflegefachkraft vorzubehalten, wurde trotz der Bedenken<br />

einiger Einrichtungen beibehalten. Zugleich wird in den Erläuterungen aber darauf<br />

hingewiesen, dass eine Begleitung durch die Zuständige Pflegefachkraft bei ungeplanten<br />

Visiten nicht immer organisiert werden kann und nochmals auf die Bedeutung<br />

entsprechender Vereinbarungen hingewiesen.<br />

Ein nach wie vor ungelöstes Problem, das allerdings die Reichweite des Qualitätsmaßstabs<br />

übersteigt, liegt aus der Sicht der Einrichtungen bei der ärztlichen Dokumentation,<br />

da ärztliche An- und Verordnungen oftmals nicht schriftlich erfolgten und<br />

zu einem hohen Arbeitsaufwand bei der Pflege führten. Ungeregelte Visitenzeiten der<br />

vielen verschiedenen Ärzte werfen ebenfalls Probleme auf.<br />

Die Erprobungserfahrungen unterstreichen die Bedeutung geregelter Verfahrensweisen<br />

in der Kooperation zwischen Einrichtungen und Ärzten, die der Qualitätsmaßstab<br />

anstrebt. Sie dokumentieren allerdings auch, dass eine fruchtbare Zusammenarbeit<br />

„wachsen“ muss und Zeit erforderlich ist, bis sich beide Seiten in neue Kooperationsroutinen<br />

eingefunden haben.<br />

4.9 Qualitätsmaßstab „Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten“<br />

Problemhintergrund<br />

Beim Übergang zwischen verschiedenen Institutionen des Gesundheitswesens treten<br />

häufig Versorgungsbrüche auf, so dass eine auf die Belange des Einzelnen abgestimmte<br />

kontinuierliche Versorgung nicht gewährleistet ist. Begründet liegt dies in<br />

einem Versorgungsalltag, der sich eher durch „ein unkoordiniertes Nebeneinander,<br />

denn Zielgemeinsamkeit und Abstimmung der Gesundheitsprofessionen“ auszeichnet<br />

(Schaeffer/Moers 2003: 463).<br />

Bewohner von Pflegeeinrichtungen müssen überdurchschnittlich häufig im Krankenhaus<br />

behandelt werden. Schätzungen gehen davon aus, dass sich mehr als die<br />

Hälfte der Bewohner mindestens einmal jährlich zur stationären Versorgung in einem<br />

Krankenhaus aufhält (Specht-Leible et al. 2003; Deutsches Zentrum <strong>für</strong> Alternsforschung<br />

2003).<br />

Besonders <strong>für</strong> ältere Menschen bringen Krankenhausaufenthalte hohe Belastungen<br />

mit sich. Es fällt ihnen häufig schwerer als jüngeren Menschen, sich in der <strong>für</strong> sie<br />

ungewohnten Umgebung, Tagesstruktur und Kommunikation zurechtzufinden. Bei<br />

demenziell erkrankten Menschen potenziert sich dieses Belastungserleben, da allein<br />

der Umgebungswechsel als Krise erlebt werden kann (Kleina/Wingenfeld 2006; Kirchen-Peters<br />

2005). Pflegebedürftige in höherem Alter erleben mit dem Krankenhausaufenthalt<br />

zudem häufig einen weiteren Verlust ihrer ohnehin eingeschränkten Selbständigkeit.<br />

Forschungsergebnisse zeigen, dass körperliche, ggf. auch kognitive Ein-<br />

103


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

104 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

bußen charakteristische Begleiterscheinungen sind und <strong>zum</strong> Teil noch lange nach der<br />

Entlassung andauern (vgl. z.B. Hansen et al. 1999; Rosswurm/Lanham 1998; Kresevic<br />

et al. 1997; Severson et al. 1994).<br />

Da eine bedarfsgerechte Versorgung bei Übergängen zwischen verschiedenen Versorgungsumgebungen<br />

oftmals nicht gewährleistet ist (Wingenfeld 2005; Schaeffer<br />

2000), sind Abstimmungen und gemeinsame Bemühungen zwischen Krankenhaus<br />

und Pflegeeinrichtung dringend erforderlich. Fehlende oder mangelhafte Informationen<br />

gefährden die Qualität der Versorgung (Bartholomeyczik 2000). Information<br />

dient neben der Sicherung der Versorgungskontinuität, d. h. Fortführung ärztlicher,<br />

pflegerischer und therapeutischer Maßnahmen, auch der Berücksichtigung der individuellen<br />

Lebenssituation der betroffenen Person (Wingenfeld 2002; Schönlau et al.<br />

2005). Mit Hilfe geeigneter Informationen kann eine auf Bedürfnisse und Selbsthilfefähigkeiten<br />

ausgerichtete Begleitung und Versorgung ermöglicht werden, die sich<br />

nicht nur auf die aus medizinischer Sicht erforderlichen Maßnahmen begrenzt.<br />

Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich dadurch, dass die Mehrzahl der Krankenhausaufenthalte<br />

aufgrund von akuten Geschehnissen, wie z.B. Verletzungen und<br />

Infektionen notwendig werden (Specht-Leible et al. 2003) und somit keine langfristige<br />

Planung zulassen. Die gegenseitige Übermittlung relevanter Informationen,<br />

auch bei kurzfristig anberaumten Krankenhausaufnahmen bzw. -entlassungen, ist <strong>für</strong><br />

die jeweilige Institution Grundvoraussetzung zur Gewährleistung von Versorgungskontinuität.<br />

Zahlreiche Projekte und Konzepte, einschließlich des Nationalen Expertenstandards<br />

„Entlassungsmanagement in der Pflege“ (DNQP 2004), richten den Fokus oftmals ausschließlich<br />

auf die Entlassung aus dem Krankenhaus und hier insbesondere auf die<br />

anschließende Betreuung im häuslichen Bereich (vgl. u.a. Deutsches Institut <strong>für</strong> angewandte<br />

Pflegeforschung 2004; Wingenfeld 2005). Darüber hinaus besteht aber auch<br />

die Notwendigkeit, vergleichbare Konzepte <strong>für</strong> Pflegeeinrichtungen zu entwickeln<br />

(vgl. u.a. Landtag NRW 2005). Ein geregeltes Entlassungsmanagement der Krankenhäuser,<br />

wie es der Nationale Expertenstandard vorsieht, sollte durch entsprechende<br />

Bemühungen auf Seiten der Pflegeeinrichtungen ergänzt werden. Bislang existierten<br />

<strong>für</strong> die vollstationäre Pflege jedoch keine vergleichbaren Handlungsrichtlinien.<br />

Der vorliegende Qualitätsmaßstab soll dazu beitragen, diese Lücke zu schließen und<br />

eine Versorgungskontinuität, die auch individuelle Bedürfnisse und die besondere<br />

Lebenssituation pflegebedürftiger Heimbewohner berücksichtigt, zu fördern. Er<br />

benennt die wichtigsten Anforderungen an Pflegeeinrichtungen, die sich bei der Aufnahme<br />

von Bewohnern in ein Krankenhaus, während ihres dortigen Aufenthaltes und<br />

bei ihrer Rückkehr ergeben.<br />

Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau<br />

In den Qualitätsmaßstab konnten nur Anforderungen aufgenommen werden, die im<br />

Gestaltungsbereich der Pflegeeinrichtungen liegen. Diesem Umstand sind manche<br />

Formulierungen geschuldet: Beispielsweise wird in Bezug auf Kooperationsbeziehungen<br />

mit Krankenhäusern nicht von der Sicherstellung einer Kooperation, sondern von<br />

konkreten Schritten zur Herstellung von Kooperation gesprochen.<br />

Der Qualitätsmaßstab ist folgendermaßen aufgebaut:<br />

1. Grundsätze: Die Grundsätze verweisen auf die Notwendigkeit der Sicherstellung<br />

einer bedarfsgerechten Versorgung der Bewohner vor und nach Krankenhausaufenthalten,<br />

einschließlich der bereits erwähnten Informationsweitergabe, und auf den<br />

anzustrebenden Aufbau von Kooperationsbeziehungen zu den Krankenhäusern.<br />

2. Verfügbarkeit einer schriftlichen Konzeption


3. Personelle Zuständigkeiten: Initiativen <strong>zum</strong> Kooperationsaufbau liegen in der<br />

Zuständigkeit der Leitungsebene. Die Steuerungsverantwortung <strong>für</strong> den gesamten<br />

Prozess der Überleitung, d. h. vom Bekanntwerden einer anstehenden Krankenhausaufnahme<br />

bis zu zwei Wochen nach Rückkehr des Bewohners in die Pflegeeinrichtung,<br />

obliegt dagegen der jeweils Zuständigen Pflegefachkraft 39 .<br />

4. Übergang in das Krankenhaus: Beim Übergang in das Krankenhaus steht die<br />

Betreuung des Bewohners bis zu dem Zeitpunkt, an dem er den Wohnbereich verlässt,<br />

im Vordergrund der Bemühungen. Die Begleitung bis in das Krankenhaus<br />

kann aufgrund der Personalsituation nur in besonderen Situationen durch Mitarbeiter<br />

der Einrichtung erfolgen und sollte daher, soweit möglich, durch<br />

Angehörige übernommen werden 40 . Organisatorische Aufgaben, Aufgaben der<br />

Informationsweitergabe und Dokumentation sind ebenfalls im Rahmen einer Krankenhausaufnahme<br />

zu berücksichtigen. Die Informationsweitergabe schließt neben<br />

medizinisch-pflegerischen im Bedarfsfall auch weitere Informationen, z.B. <strong>zum</strong><br />

Umgang mit Verhaltensweisen und zur gewohnten Tagesstrukturierung, ein.<br />

5. Aufgaben während des Krankenhausaufenthalts: Während des Krankenhausaufenthaltes<br />

soll die Einrichtung durch Kontakte <strong>zum</strong> Bewohner, seinen Angehörigen<br />

und/oder <strong>zum</strong> Krankenhaus regelmäßig Informationen <strong>zum</strong> aktuellen Zustand des<br />

Bewohners einholen und den genauen Entlassungstermin so frühzeitig wie möglich<br />

in Erfahrung bringen.<br />

6. Rückkehr in die Pflegeeinrichtung: Termingerechte und vollständig durchgeführte<br />

Vorbereitungen <strong>für</strong> die Rückkehr des Bewohners, wie z.B. Informationsweiterleitung<br />

über die Entlassung an alle beteiligten Personen, Vorbereitung des Bewohnerzimmers,<br />

sind an die Verfügbarkeit der oben genannten Informationen gekoppelt.<br />

Die mit der Entlassung des Bewohners verbundenen Aufgaben am Tag der<br />

Rückkehr sollen durch eine entsprechend angepasste Arbeitsorganisation Berücksichtigung<br />

erfahren: Die Zuständige Pflegefachkraft benötigt Zeit <strong>zum</strong> Empfang<br />

des Bewohners, zur Überprüfung der Aktualität der Pflegeplanung, ggf. zur kurzfristigen<br />

Anpassung der Maßnahmenplanung und <strong>für</strong> sonstige Aufgaben der<br />

Dokumentation und Informationsweitergabe. Spätestens zwei Wochen nach der<br />

Rückkehr des Bewohners sollte abschließend das pflegerische Assessment und<br />

nachfolgend die Pflegeplanung aktualisiert werden.<br />

Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />

Die zur Sicherstellung der Versorgungskontinuität erforderliche Kooperation zwischen<br />

Krankenhaus und Pflegeeinrichtung ist oftmals mit Problemen behaftet, da fehlende<br />

oder nicht eingehaltene Absprachen mehrheitlich das Bild der Zusammenarbeit<br />

prägen (vgl. Domscheit/Wingenfeld 1996). Daher nahmen die Einrichtungen die<br />

Anforderung der Initiierung von Kooperation mit gemischten Gefühlen auf. Erfolge<br />

bzw. Misserfolge bei der Einleitung einer Kooperation mit Krankenhäusern waren<br />

abhängig vom konkreten Kooperationspartner. Die Erfahrungen reichten von einer<br />

Verbesserung der Kommunikation bis hin zu einer als gleichbleibend unbefriedigend<br />

39 Im Rahmen der Informationsübermittlung kommt der strukturierten Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den Pflegenden beider<br />

Institutionen eine herausragende Rolle zu (Cortes et al. 2004). „Überleitung nach allgemeinen pflegefachlichem Verständnis sollte ein<br />

durch ‚Pflege’ zu moderierender und zu gestaltender Prozess sein“ (Dangel/Korporal 2001: 475). Eine vergleichbare Orientierung gibt<br />

auch der Nationale Expertenstandard und geht, vor dem Hintergrund der Ergebnisse internationaler Studien, davon aus, „dass im Entlassungsprozess<br />

die Pflegefachkraft aufgrund ihrer Nähe zu Patienten und Angehörigen die entscheidende Koordinationsfunktion einnimmt“<br />

(DNQP 2004: 47). Dies trifft auch auf die Situation in Pflegeeinrichtungen zu, so dass die Steuerungsverantwortung <strong>für</strong> das Überleitungsverfahren<br />

den jeweils zuständigen Pflegefachkräften übertragen werden sollte.<br />

40 Die Begleitung des Bewohners durch Mitarbeiter bis in das Krankenhaus wurde in der Entwicklungsphase des Qualitätsmaßstabs von den<br />

Modellbeauftragten äußerst kontrovers diskutiert. Die Notwendigkeit der Begleitung wurde zwar betont, zugleich aber angemahnt, dass<br />

dies unter den bestehenden Rahmenbedingungen nur in wenigen Ausnahmefällen realisiert werden kann. Das IPW hat sich entschlossen,<br />

diese Anforderung dennoch aufzunehmen, da der Betreuungsbedarf im Rahmen der Überleitung einiger Bewohner eine Begleitung aus<br />

fachlicher Sicht erforderlich macht. Dies trifft z.B. bei ausgeprägten Angstzuständen oder schweren kognitiven Einschränkungen zu. Um<br />

dennoch die Begrenzungen der derzeitigen Praxis nicht zu vernachlässigen, wurde die entsprechende Anforderung mit der Bedingung<br />

verknüpft, dass durch die Begleitung die Versorgung anderer Bewohner nicht gefährdet werden darf.<br />

105


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

106 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

erlebten Zusammenarbeit. Dennoch wurde ein Kooperationsaufbau grundsätzlich als<br />

sinnvoll und grundlegend <strong>für</strong> alle weiteren Aspekte der Zusammenarbeit eingestuft.<br />

Da sowohl Pflegeeinrichtungen als auch Krankenhäuser mit jeweils mehreren Institutionen<br />

kooperieren, erscheint es sinnvoll, dass sich Einrichtungen einer Region auf<br />

ein gemeinsames Überleitungsverfahren einigen. Hierdurch werden Prozesse sowohl<br />

in den Pflegeeinrichtungen als auch Krankenhäusern vereinfacht und Reibungsverluste<br />

reduziert.<br />

Anders als bei terminierten Untersuchungen und Operationen bieten kurzfristig anberaumte<br />

Krankenhausaufenthalte wenig Spielraum <strong>für</strong> Planungen. Aus Sicht der Pflegeeinrichtungen<br />

sind Maßnahmen im Zusammenhang mit der Entlassung ebenfalls<br />

schwer planbar, da das Krankenhaus entsprechende Informationen oftmals erst<br />

unmittelbar vor der Entlassung weiterleitet. Zur Entschärfung dieser Problematik<br />

haben sich Kooperationsvereinbarungen, die konkrete Verfahrensregeln festschreiben,<br />

als sinnvoller Weg erwiesen. Sie sollten u.a. die telefonische Informationsweitergabe<br />

regeln, die immer wieder als problematisch bezeichnet wurde, da z.B.<br />

Ansprechpartner fehlen oder telefonische Auskünfte generell abgelehnt werden.<br />

Die Begleitung von Bewohnern bis in das Krankenhaus stellte die Einrichtungen insbesondere<br />

bei ungeplanten Krankenhausaufnahmen vor organisatorische Probleme.<br />

Im Gegensatz zu geplanten Aufnahmen kann im Vorfeld keine Begleitung organisiert<br />

werden (z.B. durch Angehörige oder freiwillige Helfer). Eine Begleitung durch Mitarbeiter<br />

kann jedoch nur dann erfolgen, wenn die Versorgung anderer Bewohner<br />

hierdurch nicht gefährdet ist. Daher ist in jedem Einzelfall eine Überprüfung der Notwendigkeit<br />

und Realisierbarkeit einer Begleitung durch Mitarbeiter erforderlich. Trotz<br />

der zweifellos erheblichen Schwierigkeiten ist die Begleitung von Bewohnern auch<br />

bei ungeplanten Krankenhauseinweisungen in bestimmten Situationen (z.B. ausgeprägte<br />

Angstzustände, massiver Verlust der situativen Orientierung) dringend angezeigt.<br />

Aus diesem Grunde blieb der Qualitätsmaßstab an dieser Stelle unverändert.<br />

Erfolge auf dem Feld der Angehörigenarbeit, die im Verlauf der Erprobung erzielt<br />

werden konnten, haben dazu beigetragen, die Voraussetzungen zur Begleitung des<br />

Bewohners zu verbessern. Einige Einrichtungen berichteten über eine intensivere Einbeziehung<br />

der Angehörigen bei anstehenden Krankenhausaufenthalten, da diese<br />

umgehend informiert wurden und häufig <strong>für</strong> Unterstützung in Form der Zusammenstellung<br />

von Kleidung etc. und eben auch <strong>für</strong> eine Begleitung zur Verfügung standen.<br />

Wie die Erprobungserfahrungen zeigen, kommt dem Kooperationsaufbau zwischen<br />

Pflegeeinrichtung und Krankenhaus ein herausragender Stellenwert zu. Um eine stabile<br />

Grundlage <strong>für</strong> das Überleitungsverfahren zu schaffen, bedarf es nicht allein des<br />

Engagements einiger Mitarbeiter. Diesem Sachverhalt wurde bei der Konzeptüberarbeitung<br />

Rechnung getragen, indem die Zuständigkeit der Leitungsebene <strong>für</strong> den<br />

Kooperationsaufbau in Form einer neu aufgenommenen Anforderung betont wurde.<br />

Davon abgesehen konzentrierte sich die Überarbeitung auf Präzisierungen bzw.<br />

ergänzende Erläuterungen zu einzelnen Anforderungen.


5. Pflegeprozesssteuerung und Versorgungskoordination<br />

Die Umsetzung der Leistungsbeschreibungen und Qualitätsmaßstäbe setzt Arbeitsstrukturen<br />

voraus, die sich in der heutigen Praxis nicht durchgängig wiederfinden. Damit<br />

angesprochen ist u.a. die Organisation der individuellen Versorgung nach dem Muster<br />

des Pflegeprozesses als international anerkanntem Handlungsmodell zur Gestaltung<br />

pflegerischer Versorgung (vgl. WHO Regional Office for Europe 1982, Brobst et al.<br />

1996). In vielen Einrichtungen mangelt es an Qualität des pflegerischen Assessments,<br />

der Formulierung von Pflegezielen, der Dokumentation und der Überprüfung von Pflegeergebnissen<br />

(vgl. z.B. Abt-Zegelin et al. 2003, Fischbach/Stinner 2001).<br />

Insofern stellte sich den Einrichtungen die Aufgabe, die notwendigen Voraussetzungen<br />

<strong>für</strong> die Konzeptumsetzung erst noch herzustellen. Zu einigen zentralen Handlungsfeldern<br />

wurden zu Unterstützung dieses Prozesses ebenfalls Konzepte entwickelt, die<br />

sich auf inhaltliche, formale und organisatorische Aspekte der Versorgung beziehen.<br />

Ihnen kommt allerdings auch losgelöst von den anderen Konzeptbausteinen ein hoher<br />

Stellenwert zu, da es sich durchweg um zentrale Grundlagen einer fachgerechten Versorgung<br />

handelt.<br />

5.1 Funktion und Aufgaben der „Zuständigen Pflegefachkraft“ (ZPFK)<br />

Problemhintergrund<br />

Arbeitsorganisation und Aufgabenverteilung sind zentrale Aspekte in der pflegerischen<br />

Versorgung. Die Umsetzung fast aller Konzepte, die im Rahmen des Projektes<br />

„<strong>Referenzmodell</strong>e“ entwickelt worden sind, ist auf klare Definitionen und personelle<br />

Zuordnungen von Zuständigkeiten angewiesen. Doch nicht allein die Notwendigkeit<br />

der Neudefinition von Zuständigkeiten, die aus den Anforderungen einzelner Konzeptbausteine<br />

erwächst, gab den Anstoß zur Entwicklung der Empfehlungen. Sie greifen<br />

vielmehr eine generelle Problematik der vollstationären Pflege in Deutschland auf:<br />

In Pflegeeinrichtungen zeigt sich häufig eine Diskrepanz zwischen dem Anspruch<br />

einer planvollen und bedürfnisgerechten Versorgung und der Versorgungswirklichkeit<br />

(Wingenfeld/Schnabel 2002). Dem Anspruch nach ist die Pflege in den meisten Einrichtungen<br />

nach den Grundsätzen der Bezugspflege organisiert: Eine Pflegefachkraft<br />

übernimmt die Versorgungsverantwortung <strong>für</strong> mehrere Bewohner und führt einen<br />

möglichst großen Teil aller unmittelbar bewohnerbezogenen Maßnahmen selbst<br />

durch (Andraschko 1996; Seibold/Köther 2005; Menche/Bazlen 2004). Allerdings<br />

wird der Begriff „Bezugspflege“ nicht einheitlich verwendet, und die konkrete organisatorische<br />

Ausgestaltung in der Praxis weist erhebliche Unterschiede auf. Erfahrungen<br />

innerhalb wie auch außerhalb des Modellprojekts zeigen, dass es nicht „das“<br />

Bezugspflegesystem gibt, sondern verschiedene Varianten der Ausgestaltung, die<br />

den zentralen Grundsätzen – eindeutige personelle Zuordnung der Steuerungsverantwortung<br />

sowie Integration von Steuerungsverantwortung und Durchführung der<br />

Pflege – <strong>zum</strong> Teil nur bedingt folgen. Hinter dem Etikett „Bezugspflege“ steht also<br />

nicht immer eine entsprechende Arbeitsorganisation. Verantwortlich hier<strong>für</strong> ist nicht<br />

allein der allgegenwärtige Zeitdruck im Versorgungsalltag. Häufig findet sich auch<br />

eine Verteilung von Aufgaben und Zuständigkeiten, die vorrangig auf pragmatischen<br />

Überlegungen und gewohnten Arbeitsroutinen beruht. Insbesondere die Frage, welcher<br />

Mitarbeiter mit welcher Qualifikation welche Aufgaben übernehmen soll, ist oftmals<br />

nicht hinreichend geklärt (Müller 2001). Hinzu kommt, dass die Bedeutung der<br />

Pflegeplanung und die fachlichen Anforderungen, die sich bei der Entwicklung einer<br />

Pflegeplanung stellen, häufig unterschätzt werden.<br />

107


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

108 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Vor diesem Hintergrund ist eine Konkretisierung von Organisationskonzepten erforderlich,<br />

die sowohl eine zielgerichtete Steuerung als auch eine ausreichende Koordination<br />

der Unterstützung des einzelnen Bewohners gewährleistet. Nachhaltige Qualitätsentwicklung<br />

setzt voraus, dass das fachliche Können von Mitarbeitern richtig eingesetzt<br />

und die Steuerung und Koordination der Versorgung optimiert wird.<br />

Der Ansatz des <strong>Referenzkonzept</strong>es<br />

Die Empfehlungen zur Gestaltung der Arbeitsorganisation und Kooperation innerhalb<br />

der pflegerischen Versorgung, die im Rahmen des Modellprojekts entwickelt wurden,<br />

beschreiben das Aufgabenprofil von Pflegefachkräften, die <strong>für</strong> die zielgerichtete, planvolle<br />

Gestaltung des individuellen Pflegeprozesses <strong>für</strong> eine bestimmte Anzahl von<br />

Bewohnern verantwortlich sind. Ihnen werden weitergehende Steuerungs- und Koordinationsaufgaben<br />

zugewiesen, so beispielsweise im Rahmen des Heimeinzugsverfahrens,<br />

der individuellen Angehörigenarbeit, der Kooperation mit Ärzten oder anderen<br />

externen Berufsgruppen. Absprachen über die Ausgestaltung der Versorgung und die<br />

Überwachung der Qualität zählen ebenfalls zu den Aufgaben.<br />

Für die Pflegefachkraft, welche <strong>für</strong> diese Aufgaben verantwortlich ist, wurde der eher<br />

neutrale Ausdruck „Zuständige Pflegefachkraft“ gewählt. Dies erfolgte vor dem Hintergrund,<br />

dass bisher verwendete Begriffe inhaltlich bereits „besetzt“ sind und daher<br />

inhaltliche Missverständnisse vermieden werden sollten 41 .<br />

Unterschieden wird zwischen zwei Aufgabenbereichen. Zu den Aufgaben, die der<br />

Zuständigen Pflegefachkraft vorbehalten bleiben sollten, gehören:<br />

Regelmäßige Durchführung des pflegerischen Assessments unter Einbeziehung<br />

biografischer Informationen<br />

Formulierung von Pflegezielen<br />

Erstellung einer auf den Pflegezielen aufbauenden Maßnahmenplanung, einschl.<br />

Entwicklung einer geeigneten Tagesstrukturierung und Herstellung des Zugangs zu<br />

ressourcenfördernden Einzel-/Gruppenaktivitäten und zu Beschäftigungsangeboten<br />

Anleitung und Beratung anderer Mitarbeiter zur Durchführung der Pflege nach<br />

den Vorgaben der jeweiligen Pflegeplanung<br />

Information, Anleitung und Beratung von Angehörigen und freiwilligen Helfern<br />

Regelmäßige Überprüfung der Maßnahmenplanung und ihrer Umsetzung, Aktualisierung<br />

der Pflegeplanung<br />

Regelmäßige Prüfung der Qualität und Vollständigkeit der Pflegedokumentation.<br />

Aufgaben, die ggf. von anderen Mitarbeitern erledigt werden können, bei denen die<br />

Zuständige Pflegefachkraft aber die Verantwortung <strong>für</strong> die Durchführung trägt, umfassen:<br />

Sicherstellung der Medikamentenverteilung/-verabreichung<br />

Sicherstellung einer bedarfs-, bedürfnisgerechten und sicheren Lebensumgebung<br />

<strong>für</strong> den Bewohner<br />

Sicherstellung der Verfügbarkeit geeigneter Hilfsmittel, der vom Bewohner bevorzugten<br />

Körperpflegemittel und anderer Utensilien<br />

Sicherstellung, dass der Bewohner entsprechend seines kognitiven und emotionalen<br />

Zustands über das Geschehen in der Einrichtung und alle Sachverhalte, die<br />

Einfluss auf das Leben des Bewohners nehmen, ausreichend informiert wird (z.B.<br />

neue Bewohner/Mitarbeiter, veränderte Abläufe in der Einrichtung/im Wohnbereich<br />

etc.).<br />

41 Die Gestaltung von Arbeitsabläufen im Rahmen der pflegerischen Versorgung wird in der Literatur mit Hilfe zahlreicher Begriffe – wie z.B.<br />

Pflegesystem, Pflegeorganisationsform bzw. -modell, Funktionspflege, Bezugspflege, Primary Nursing – beschrieben (vgl. z.B. Stähling<br />

2000). Mehrheitlich beziehen sich diese Begriffe auf Organisationsmodelle, die ursprünglich auf die Pflege im Akutkrankenhaus zugeschnitten<br />

waren und später in anderen Versorgungsbereichen übernommen wurden. Trotz bestehender Unterschiede werden einige von<br />

ihnen synonym verwendet (Glaser/Büssing 1996; Mischo-Kelling 2005). Erschwerend kommt hinzu, dass einige Begriffe nur theoretisch<br />

voneinander abgrenzbar und in der Praxis häufig Mischformen anzutreffen sind (Schlettig/von der Heide 1995; Ersser/Tutton 2000).


Hinzu kommen Steuerungs- und Koordinationsaufgaben, und zwar in den Bereichen:<br />

Heimeinzugsverfahren<br />

Angehörigenarbeit<br />

Zusammenarbeit mit Ärzten<br />

Sterbebegleitung<br />

Überleitungsverfahren bei notwendigen Krankenhausaufenthalten.<br />

Die Empfehlungen gehen davon aus, dass nicht jede Pflegefachkraft über die Kompetenzen<br />

verfügt, die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben erforderlich sind. Zu den<br />

Qualifikationsanforderungen gehören nicht nur Fachwissen und pflegerische Fertigkeiten,<br />

sondern auch Steuerungs-, Koordinations-, Anleitungs-, Beratungs- und Problemlösungskompetenz<br />

und nicht zuletzt sprachliche Kompetenz (angemessene<br />

mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit). Zuständige Pflegefachkräfte müssen<br />

darüber hinaus über die Bereitschaft verfügen, die mit dieser Funktion verknüpfte Verantwortung<br />

und eine herausgehobene Rolle in der Kooperation mit anderen Mitarbeitern<br />

zu übernehmen. Teilzeitbeschäftigte Pflegefachkräfte können vom Grundsatz<br />

her die Funktion einer Zuständigen Pflegefachkraft übernehmen, allerdings nur <strong>für</strong><br />

einen entsprechend kleinen Bewohnerkreis und unter der Voraussetzung, dass sie<br />

regelmäßig in der Einrichtung anzutreffen sind und somit auch als Ansprechpartner<br />

zu Verfügung stehen.<br />

Die Anzahl der Bewohner, <strong>für</strong> welche die Zuständige Pflegefachkraft Steuerungs- und<br />

Koordinationsverantwortung übernimmt, muss individuell anhand der jeweiligen Rahmenbedingungen<br />

in den Einrichtungen bestimmt werden. Hierzu zählen beispielsweise<br />

nicht nur die zur Verfügung stehenden Mitarbeiter, die die Voraussetzungen<br />

zur Übernahme einer solchen Verantwortung erfüllen, sondern auch die Komplexität<br />

des Versorgungsbedarfs der Bewohner. Im Rahmen des Projektes bzw. aufgrund der<br />

Erprobungserfahrungen konnte die Größe des Bewohnerkreises nicht exakt definiert,<br />

aber ein Richtwert ermittelt werden. Eine vollzeitbeschäftigte Zuständige Pflegefachkraft<br />

kann danach die Steuerungs- und Koordinationsverantwortung <strong>für</strong> eine Gruppe<br />

von zehn Bewohnern übernehmen, wenn<br />

rund die Hälfte dieser Bewohner einen vergleichsweise geringen Versorgungsbedarf<br />

aufweist und dadurch der Steuerungs- und Koordinationsaufwand in einem<br />

moderaten Rahmen bleibt,<br />

die betreffende Zuständige Pflegefachkraft durch eine optimale qualifikationsorientierte<br />

Arbeitsteilung weitgehend und nachhaltig von anderen Aufgaben entlastet<br />

wird und<br />

die Zuständige Pflegefachkraft über eine entsprechende Erfahrung mit den ihr<br />

übertragenen Aufgaben verfügt.<br />

Ist eine Pflegefachkraft ausschließlich <strong>für</strong> die Versorgung hochgradig pflegebedürftiger<br />

Bewohner bzw. <strong>für</strong> Bewohner mit komplexen Problemlagen verantwortlich, kann<br />

diese Richtgröße sicherlich nicht zugrunde gelegt werden. Es ist deshalb zu betonen,<br />

dass die angegebene Gruppengröße nur ein grober Anhaltswert sein kann und in<br />

jeder Einrichtung überprüft werden muss, welche Lösung unter den jeweiligen konkreten<br />

Rahmenbedingungen tragfähig sein kann. Zudem ist zu bedenken, dass Zuständige<br />

Pflegefachkräfte ggf. zugleich auch Vertretungsaufgaben übernehmen und hierdurch<br />

Arbeitszeit entsprechend gebunden ist.<br />

Zuständige Pflegefachkräfte müssen, damit sie ihre Aufgaben wahrnehmen können,<br />

von anderen Arbeiten entlastet werden. Insbesondere bewohnerferne Tätigkeiten, <strong>für</strong><br />

die keine Fachqualifikation erforderlich ist, sollten so weit wie möglich von anderen<br />

Mitarbeitern übernommen werden. Die Leistungsbeschreibungen zu den mittelbar<br />

bewohnerbezogenen Maßnahmen zeigen hierzu Möglichkeiten auf. Auch die Durchführung<br />

von unmittelbar bewohnerbezogenen Maßnahmen sollte durch die Zuständige<br />

Pflegefachkraft nur in dem zeitlichen Umfang erfolgen, der erforderlich ist, um<br />

109


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

110 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

sich ein verlässliches Bild vom Bewohner im Rahmen der alltäglichen Versorgung<br />

machen zu können. Dies ergibt sich aus der (im Rahmen der praktischen Erprobung<br />

bestätigten) Überlegung, dass in den meisten Einrichtungen nicht genügend geeignete<br />

Fachkräfte zur Verfügung stehen, um beide Aufgabenfelder ausreichend abzudecken.<br />

Insbesondere die letzte Forderung scheint dem wichtigen Grundsatz einer personenorientierten<br />

Pflege zu widersprechen, <strong>für</strong> den Bewohner größtmögliche personelle<br />

Kontinuität in der Pflege zu gewährleisten. Tatsächlich ist diese Kontinuität auch heute<br />

schon nur in engen Grenzen gegeben. Das dokumentieren u.a. die Ergebnisse der<br />

Studie „Pflegebedarf und Leistungsstruktur“ (Wingenfeld/Schnabel 2002). Allein<br />

wechselnde Dienste führen zu einer verhältnismäßig stark ausgeprägten Personenfluktuation.<br />

Im Übrigen kann eine entsprechende Dienstplanung da<strong>für</strong> Sorge tragen,<br />

dass die Durchführung unmittelbar bewohnerbezogener Maßnahmen bevorzugt<br />

immer durch bestimmte Mitarbeiter erfolgt. Auf diesem Weg kann personelle Kontinuität<br />

auch unabhängig von der Person der Zuständigen Pflegefachkraft sichergestellt<br />

werden.<br />

Entwicklungsschritte<br />

Ausgehend von den Ergebnissen der NRW-Studie zu Fragen der Arbeitsorganisation,<br />

den Erfahrungen der Modelleinrichtungen und der Auswertung von Fachliteratur entwickelte<br />

das IPW in einem ersten Schritt Thesen zur Funktion und zu Aufgaben der<br />

Zuständigen Pflegefachkraft. Diese Thesen beinhalteten bereits alle Kernpunkte einer<br />

qualifikationsorientierten Arbeitsteilung, die sich in der Endfassung der Empfehlungen<br />

wiederfinden. Sie dienten als Grundlage <strong>für</strong> die Diskussion mit den Modellbeauftragten<br />

und <strong>für</strong> die einrichtungsinterne Diskussion von Fragen der Arbeitsteilung<br />

und Pflegeprozesssteuerung. Die Einrichtungen signalisierten prinzipielle Zustimmung<br />

und bewerteten die Thesen als hilfreich und praktikabel, wenngleich die Einführung<br />

einer konsequent qualifikationsorientierten Arbeitsteilung als große Herausforderung<br />

gesehen wurde.<br />

Zum Charakter der Empfehlungen<br />

Die Empfehlungen zur Ausgestaltung der Funktion und Aufgaben der Zuständigen Pflegefachkraft<br />

zielen auf die Förderung einer planvollen Versorgung und einer durchdachten<br />

Arbeitsteilung in vollstationären Pflegeeinrichtungen, die erforderlich ist, um<br />

eine individuell bedarfs- und bedürfnisgerechte Versorgung sicherzustellen. Sie galten<br />

im Rahmen des Projektes als Orientierungshilfe <strong>für</strong> die Einrichtungen, nicht als verpflichtender<br />

Anforderungskatalog. Denn es war absehbar, dass eine entsprechende<br />

Reorganisation der Arbeitsteilung je nach Ausgangslage in den Einrichtungen ggf.<br />

eine langfristig angelegte Personalentwicklung erfordern würde. Alle Einrichtungen<br />

waren allerdings gehalten, bestehende Regelungen personeller Zuständigkeiten zu<br />

überprüfen und bei Bedarf an die Anforderungen anzupassen, die sich aus anderen<br />

Konzeptbausteinen, insbesondere aus den Qualitätsmaßstäben ergaben.<br />

Die Empfehlungen beschreiben Aufgaben im Rahmen der Pflegeprozesssteuerung,<br />

sind jedoch – wenngleich sie eine Reihe von Elementen aufweisen, die an das Primary<br />

Nursing 42 und die Bezugspflege 43 erinnern – nicht mit einem spezifischen Pflegesystem<br />

oder Pflegeorganisationssystem vergleichbar. Ein Pflegesystem lässt sich<br />

anhand des jeweiligen Pflegeprinzips und der Pflegeorganisationsform beschreiben<br />

(vgl. Glaser/Büssing 1996; Elkeles 1997; Büssing 1997). Ein Pflegeprinzip benennt<br />

42 Primary Nursing wurde in den USA entwickelt und weist zahlreiche Parallelen, aber auch einige Unterschiede zur Bezugspflege auf<br />

(Schlettig/von der Heide 1995; Schlettig 1997; Mischo-Kelling 2005).<br />

43 Bei der Bezugspflege liegt die Gesamtverantwortung <strong>für</strong> den Pflegeverlauf ausgewählter Bewohner bei einer Pflegekraft (Schlettig/von<br />

der Heide 1995). In der Regel wird hierbei der Kontinuität der Beziehung zwischen Bewohner und Pflegekraft eine besondere Bedeutung<br />

zugeschrieben.


die inhaltliche Orientierung, d. h. die Ausrichtung der Versorgung eher an Funktionen<br />

oder eher an Personen (Patienten bzw. Bewohnern). Eine Pflegeorganisationsform<br />

beschreibt die organisatorischen Zuständigkeiten, z.B. innerhalb eines Wohnbereichs.<br />

Pflegesysteme können anhand der Kombination aus der jeweiligen inhaltlichen<br />

Orientierung (funktionell – personenzentriert) und organisatorischen Zuständigkeit<br />

(z.B. Pflegegruppe, Wohnbereich, Zimmer oder bestimmte Personen) klassifiziert<br />

werden. So wird z.B. von der traditionellen Funktionspflege gesprochen, wenn die<br />

Pflege innerhalb eines gesamten Wohnbereichs „funktionszentriert“ organisiert ist.<br />

Im Projekt <strong>Referenzmodell</strong>e wurde bewusst davon Abstand genommen, eine Konzeption<br />

zu entwickeln, die sich auf dieser Ebene bewegt. Es bestand also nicht die<br />

Absicht, einen neuen Ansatz zu entwickeln. Vorrangig ging es vielmehr darum, ein<br />

Raster zur Verfügung zu stellen, mit dem die Organisation der Pflege – durchaus<br />

innerhalb verschiedener Systeme – unter Beachtung des Grundsatzes einer qualifikationsorientierten<br />

Arbeitsteilung optimiert werden kann.<br />

Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />

Aufgrund der Projekterfahrungen wurden nur geringfügige Modifikationen der Empfehlungen<br />

vorgenommen. Die Einrichtungen unterstrichen in der Regel die Relevanz<br />

des Konzeptes <strong>für</strong> die Gestaltung der Arbeitsorganisation und dessen Praxistauglichkeit.<br />

Ebenso zeigte sich jedoch, dass der Übergang zu einer Arbeitsteilung nach den<br />

Maßgaben der Empfehlungen relativ viel Zeit und vor allem eine längerfristige Personalentwicklung<br />

erfordert.<br />

Ausgehend von den Projekterfahrungen wurden die Angaben zur Größe des Bewohnerkreises<br />

konkretisiert, <strong>für</strong> den die Zuständige Pflegefachkraft zuständig sein soll. In<br />

der Entwurfsfassung wurde eine Gruppengröße von fünf bis sechs Bewohnern als<br />

erstrebenswert, aber unter den gegebenen Bedingungen als nicht realistisch bezeichnet.<br />

Diese Einschätzung hat sich im Projektverlauf bestätigt (s.o.).<br />

Darüber hinaus wurden die Ausführungen über Vertretungsregelungen modifiziert<br />

bzw. konkretisiert. Die Endversion der Empfehlungen enthält nicht nur allgemeine<br />

Hinweise, sondern zeigt konkrete Möglichkeiten <strong>für</strong> Vertretungsregelungen auf.<br />

5.2 Kriterienkatalog „Pflegerisches Assessment“<br />

Zu den grundlegenden Voraussetzungen <strong>für</strong> die Umsetzung der Konzeptbausteine<br />

des Modellvorhabens, insbesondere der „Leistungsbeschreibungen“, gehört ein strukturiertes<br />

und systematisches Verfahren zur Einschätzung der Ressourcen, Bedürfnisse<br />

und Problemlagen der Bewohner. Es war zu erwarten, dass die in den Einrichtungen<br />

genutzten Instrumente und das jeweilige Vorgehen bei der Einschätzung des Pflegebedarfs<br />

daraufhin überprüft werden müssen, ob bzw. inwieweit sie eine geeignete<br />

Grundlage <strong>für</strong> die Qualitätsentwicklung darstellen. Jüngere Untersuchungen deuten<br />

darauf hin, dass die Qualität pflegerischer Assessmentverfahren und ihrer Ergebnisse<br />

sehr heterogen ausfällt (Bartholomeyczik/Morgenstern 2004; Heitmann/Bonato<br />

2006). Darauf weisen auch Qualitätsberichte der Medizinischen Dienste hin (vgl.<br />

MDS 2004).<br />

Die Notwendigkeit eines pflegerischen Assessments ergibt sich aus fachlicher Perspektive<br />

primär aus den Anforderungen des Pflegeprozesses (Wingenfeld 2000).<br />

Dieser bildet den Handlungsrahmen, um in der Pflege eine ziel- und bedarfsgerechte<br />

Versorgung zu gewährleisten. Als Problemlösungsprozess angelegt, stellt er eine<br />

Systematik bereit, die die Einschätzung von Pflegeproblemen und -ressourcen (pflegerisches<br />

Assessment), die darauf aufbauende Definition von Pflegezielen und Planung<br />

von pflegerischen Maßnahmen, die Durchführung der Pflegemaßnahmen sowie<br />

deren Evaluation umfasst (Brobst et al. 1999; Needham 1996). Den Ergebnissen der<br />

111


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

112 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

pflegerischen Einschätzung kommt somit ein hoher Stellenwert <strong>für</strong> alle weiteren<br />

Schritten des Pflegeprozesses zu, insbesondere bei der Zielformulierung und Maßnahmenplanung.<br />

Der Kriterienkatalog „Pflegerisches Assessment“, der im Rahmen des Modellvorhabens<br />

entwickelt wurde, beinhaltet Anforderungen an die Informationserhebung und<br />

Einschätzung der Problem- und Bedarfslagen sowie der individuellen Ressourcen der<br />

Bewohner. Er umfasst eine Zusammenfassung von Kriterien, die seit langem aus pflegefachlicher<br />

Sicht als notwendig erachtet werden (Arets et al. 1996). Der Kriterienkatalog<br />

stellt kein eigenständiges Instrument zur Durchführung eines pflegerischen<br />

Assessments dar. Er versteht sich als Anforderungsprofil und Arbeitshilfe, mit der die<br />

Einrichtungen im Rahmen eines Soll-Ist-Vergleichs ihr vorhandenes Assessment auf<br />

Vollständigkeit überprüfen und gegebenenfalls ergänzen bzw. anpassen können.<br />

In der stationären Langzeitversorgung ist es besonders wichtig, neben den somatischen<br />

Funktions- und Gesundheitsstörungen der Bewohner deren psychosoziale Problemlagen<br />

in den Blick zu nehmen (Wingenfeld/Schnabel 2002). Konkret handelt es<br />

sich dabei vor allem um Orientierungs- und Gedächtnisstörungen, kommunikative<br />

Einschränkungen, Beeinträchtigungen der Urteilsfähigkeit, Persönlichkeitsveränderungen<br />

sowie herausfordernde Verhaltensweisen, die insbesondere im Verlauf von<br />

demenziellen Erkrankungen auftreten und einen spezifischen Unterstützungsbedarf<br />

nach sich ziehen. Der Kriterienkatalog weist diesen Aspekten einen hohen Stellenwert<br />

zu.<br />

Vorgehen im Modellvorhaben<br />

Auch bei diesem Konzeptbaustein folgten die Entwicklungsarbeiten dem Grundsatz<br />

der Anschlussfähigkeit an die Praxis. Die Modellbeauftragten führten zu Beginn des<br />

Vorhabens eine Bestandsaufnahme in ihrer jeweiligen Einrichtung durch, mit der sich<br />

sowohl Probleme und Handlungsnotwendigkeiten als auch bewährte Vorgehensweisen<br />

herauskristallisierten. Die Ergebnisse zeigten, dass die in den Referenzeinrichtungen<br />

gängigen Assessmentverfahren nicht nur formal, sondern auch inhaltlich sehr<br />

unterschiedlich gestaltet waren. Während einige Einrichtungen bereits ein sehr<br />

umfassendes Assessment durchführten, zeigte sich bei anderen die Notwendigkeit <strong>für</strong><br />

Anpassungen.<br />

Um den unterschiedlichen Möglichkeiten und Grenzen der Einrichtungen Rechnung<br />

zu tragen, wurde davon Abstand genommen, ein einheitliches Assessmentinstrument<br />

vorzugeben. Vielmehr wurde ein Katalog mit Kriterien <strong>für</strong> die inhaltliche Ausgestaltung<br />

und Vorgehensweise entworfen, der sich an fachlich anerkannten Instrumenten<br />

zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit orientiert. Dieser erste Entwurf ist den Modellbeauftragten<br />

zur Verfügung gestellt worden, mit der Bitte, den Katalog in eine Diskussion<br />

innerhalb der Einrichtungen einzubringen und zu prüfen. Die Ergebnisse wurden<br />

in den Regionalkonferenzen zusammengetragen und vom IPW ausgewertet. Der<br />

im Anschluss erstellte überarbeitete Konzeptentwurf wurde schließlich den Referenzeinrichtungen<br />

<strong>für</strong> die Einführung und Erprobung übergeben.<br />

Aufbau des Konzeptbausteins<br />

Der Kriterienkatalog enthält zu Beginn allgemeine Erläuterungen zur Informationssammlung<br />

und Einschätzung des Pflegebedarfs. Sie umfassen inhaltliche Eingrenzungen<br />

sowie einige begriffliche Klärungen 44 . Darüber hinaus gehen sie auf die Bedeu-<br />

44 So wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass der gängige Begriff „Pflegeanamnese“ streng genommen lediglich einen Teilbereich<br />

des pflegerischen Assessments umfasst, wobei es sich um die Informationssammlung, nicht aber deren Einschätzung handelt.


tung und Inhalte, den Charakter und die Informationsquellen sowie die unterschiedlichen<br />

Formen des pflegerischen Assessments ein. Im Anschluss folgt der eigentliche<br />

Kriterienkatalog, der folgende Punkte umfasst:<br />

Organisatorische Voraussetzungen (Regelungen von Zuständigkeiten, Bereitstellung<br />

zeitlicher Ressourcen <strong>für</strong> die Durchführung des Assessments, Einbeziehung<br />

von Kooperationspartnern)<br />

Inhalte des Assessments (unter besonderer Berücksichtigung kognitiver Fähigkeiten,<br />

psychischer Problemlagen und individueller Bedürfnisse)<br />

Zeitpunkt der Erstellung und Aktualisierung sowie Anlässe der Aktualisierung 45 .<br />

Zu den einzelnen Gliederungspunkten finden sich zusätzliche Erläuterungen. Sie<br />

basieren wesentlich auf den gemeinsamen Diskussionen mit den Modellbeauftragten<br />

und der daraus resultierenden Einschätzung des Bedarfs an Erklärungen und Kommentierungen.<br />

Schlussfolgerungen aus den Erprobungserfahrungen<br />

Der Nutzen des Konzeptbausteins als Arbeitshilfe <strong>für</strong> die Überprüfung des in den Einrichtungen<br />

praktizierten pflegerischen Assessments wurde von den Modellbeauftragten<br />

überwiegend als hoch eingeschätzt. Aus den Erprobungserfahrungen ergab sich<br />

vergleichsweise wenig Änderungsbedarf. Er betraf größtenteils die Erläuterungen,<br />

nicht die Kriterien bzw. Anforderungen selbst.<br />

Größere Schwierigkeiten bereitete die zeitliche Festlegung des initialen pflegerischen<br />

Assessments, das in vielen Einrichtungen zuvor erst vier oder sogar sechs Wochen<br />

nach Einzug des Bewohners erfolgte. Es erschien jedoch aus Gründen der Qualitätssicherung<br />

ratsam, an dieser Vorgabe festzuhalten. Dem Ziel, zeitnah (spätestens<br />

zwei Wochen nach Heimeinzug) zentrale Informationen zu sammeln und (wenn auch<br />

nur vorläufige) Einschätzungen vorzunehmen, ist im Hinblick auf eine zielgerichtete<br />

und bedarfsgerechte Versorgung hohe Priorität bei<strong>zum</strong>essen. Dass sich der Zustand<br />

des Bewohners ändern und die Informationssammlung an der einen oder anderen<br />

Stelle noch Lücken aufweisen kann, wiegt demgegenüber weniger schwer. Die zeitliche<br />

Vorgabe macht unter Umständen eine Aktualisierung des initialen pflegerischen<br />

Assessments notwendig und kann <strong>für</strong> die Einrichtungen daher einen gewissen<br />

Arbeitsaufwand mit sich bringen.<br />

In der endgültigen Fassung des Kriterienkatalogs wurde auf den ergänzenden „Fragenkatalog<br />

zur Entwicklung von Pflegezielen und Maßnahmenplanung auf der<br />

Grundlage des pflegerischen Assessments“ verzichtet. Dieser verstand sich als Orientierungshilfe<br />

<strong>für</strong> die Nutzung von Assessmentergebnissen bei den weiteren Schritten<br />

des Pflegeprozesses. Systematisch sind diese Aspekte jedoch nicht dem pflegerischen<br />

Assessment zuzuordnen. Sie werden daher in anderen Kontexten, insbesondere im<br />

Konzeptbaustein „Leistungsbeschreibungen“ inhaltlich berücksichtigt.<br />

45 Der Katalog unterscheidet zwischen einem initialen (erstmaligen) pflegerischen Assessment und nachfolgenden Assessments im Abstand<br />

von sechs Monaten. Das initiale Assessment dient dazu, den Status des Bewohners beim Einzug als Grundlage <strong>für</strong> das Erstellen einer<br />

ersten Pflegeplanung einzuschätzen. Es soll spätestens zwei Wochen nach dem Einzug abgeschlossen und innerhalb von sechs Wochen<br />

aktualisiert werden.<br />

113


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

5.3 Erfassung von Informationen zur Biografie und Lebenssituation<br />

114 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Biografisches Hintergrundwissen verhilft den Mitarbeitern zu besserem Verständnis<br />

von Verhaltensweisen, Handlungen oder Äußerungen der Bewohner, insbesondere<br />

demenziell erkrankter Bewohner (Maciejewski/Sowinski 2000; Kitwood 2000). Entsprechende<br />

Informationen sind außerdem <strong>für</strong> die individuelle Planung und Durchführung<br />

der Versorgung unerlässlich (Clarke 2000). Die Dokumentation biografischer<br />

Informationen weist allerdings große Defizite auf (Bartholomeyczik/Morgenstern<br />

2004). Informationen sind häufig nur bruchstückhaft aufgeführt bzw. beschränken<br />

sich auf die Ansammlung von Lebensdaten.<br />

Der Kriterienkatalog zur Erfassung von Informationen zur Biografie und Lebenssituation<br />

vor dem Heimeinzug greift diese Problematik auf und macht Aussagen zu erforderlichen<br />

Rahmenbedingungen und zu Aspekten, die erfasst und dokumentiert werden<br />

sollten.<br />

Problemhintergrund<br />

Menschen sind „Experten“ ihrer eigenen Biografie und bleiben dies auch in Zeiten<br />

gesundheitlicher Einschränkungen. Sie sollten insofern „als Autoren ihrer Lebensgeschichte<br />

betrachtet und behandelt werden“ (Remmers 2006: 189). Dies trifft auch<br />

auf Menschen mit psychisch-geistigen Einschränkungen zu (Kricheldorff 2005). Oftmals<br />

wird jedoch versäumt, den Bewohner in dieser Rolle in die Gestaltung des Versorgungsgeschehens<br />

einzubeziehen. Um ein entsprechendes Bewusstsein auf Seiten<br />

der Mitarbeiter zu schaffen, ist eine biografieorientierte Haltung erforderlich, die<br />

geprägt ist durch grundsätzliches Interesse an den Bewohnern und deren Lebensgeschichte<br />

(ebd.; Friebe 2004). Wichtig ist auch das Wissen um die Bedeutung der<br />

Lebensgeschichte u.a. <strong>für</strong> die Gegenwart: „Die Vergangenheit ist in ihren subjektiv<br />

bedeutsamen Aspekten in der Gegenwart präsent: Aus diesem Grund ist das Studium<br />

der Biographie – die auch als Deutung des Lebenslaufs durch das Individuum verstanden<br />

werden kann – eine Voraussetzung <strong>für</strong> das Verständnis des aktuellen Erlebens<br />

und Verhaltens“ (Kruse 2000: 90). Die Dokumentation biografischer Informationen<br />

sollte daher nicht nur Daten über Ereignisse, sondern insbesondere das Erleben aus<br />

Bewohnersicht, d. h. seine persönliche Lebensbeschreibung umfassen (Kerkhoff<br />

2002).<br />

Die Erfassung biografischer Informationen als Bestandteil des pflegerischen Assessments,<br />

ist Voraussetzung <strong>für</strong> eine biografieorientierte Pflege und Versorgung, wie sie<br />

z.B. die Leistungsbeschreibungen vorsehen. Auch die Anforderungen der Qualitätsmaßstäbe<br />

nehmen Bezug auf die Erfassung bzw. die Berücksichtigung biografischer<br />

Kenntnisse in der Versorgung und Begleitung. Weist bereits die Erfassung bzw. Dokumentation<br />

biografischer Informationen Mängel auf, so können einige Vorgaben der<br />

Konzeptbausteine nicht bzw. nur teilweise umgesetzt werden.<br />

Eine Analyse der Biografieerfassung durch die Modellbeauftragten, die zu Beginn<br />

des Projekts <strong>Referenzmodell</strong>e erfolgte, zeigte im Ergebnis große Unterschiede bei<br />

den verwendeten Biografieerfassungsbögen und den Verfahrensweisen zur Erfassung<br />

biografischer Informationen. Zum Teil gab es auch innerhalb einer Einrichtung abweichende<br />

Vorgehensweisen (Unterschiede zwischen Wohnbereichen). Diskrepanzen<br />

zwischen den Vorgaben der Einrichtungen und der praktischen Umsetzung waren<br />

ebenfalls feststellbar.<br />

Von den Modellbeauftragten wurde die Erfassung und Dokumentation biografischer<br />

Informationen als problematisch bewertet. Hier<strong>für</strong> gaben sie zahlreiche Gründe an, z.B.<br />

die Relevanz biografischer Informationen wird nicht von allen Mitarbeitern<br />

erkannt,


auch Bewohner bzw. Angehörige können die Relevanz der Informationen <strong>für</strong> die<br />

pflegerische Versorgung nicht immer nachvollziehen,<br />

Bewohner können keine Auskunft geben und Angehörige verfügen nicht über entsprechende<br />

Informationen,<br />

der Informationsfluss innerhalb der Einrichtung ist nicht gewährleistet, d. h. Informationen<br />

werden nicht, nicht vollständig oder verspätet an die zuständigen Personen<br />

weitergegeben (v.a. wenn unterschiedliche Personen/Berufsgruppen beteiligt<br />

sind),<br />

die Erfassung von Informationen erfolgt vorrangig im Rahmen des Heimeinzugs,<br />

während des Heimaufenthaltes werden relevante Informationen nicht mehr systematisch<br />

erfasst und gehen dadurch verloren,<br />

die Erfassung relevanter Informationen vor bzw. unmittelbar nach dem Heimeinzug<br />

kann nicht gewährleistet werden und wird auch nicht als sinnvoll erachtet.<br />

Die Referenzeinrichtungen verfügten also über kein vergleichbares Qualitätsniveau<br />

bei der Biografieerfassung und -dokumentation. Daher war es erforderlich, eine<br />

gemeinsame Grundlage <strong>für</strong> die Umsetzung weiterer konzeptioneller Bausteine in<br />

allen Einrichtungen zu schaffen. Aber auch unabhängig von anderen <strong>Referenzkonzept</strong>en<br />

kann der Kriterienkatalog eingesetzt werden, um die Biografieerfassung zu<br />

verbessern.<br />

Entwicklungsschritte<br />

Das IPW erstellte unter Berücksichtigung der Analyseergebnisse, nach Sichtung diverser<br />

Biografieerfassungsbögen und der Fachliteratur einen ersten Entwurf des Kriterienkatalogs<br />

„Erfassung von Informationen zur Biografie und Lebenssituation vor dem<br />

Heimeinzug“. Dabei wurde nicht das Ziel verfolgt, einen einheitlichen Biografieerfassungsbogen<br />

<strong>für</strong> alle 20 Modelleinrichtungen zu entwickeln. Vielmehr sollten auf der<br />

Grundlage einheitlicher Kriterien die bestehenden Biografieerfassungsbögen der Einrichtungen<br />

geprüft und ggf. modifiziert werden. Diese Vorgehensweise wurde<br />

gewählt, um die Anschlussfähigkeit an die derzeit bestehende Praxis zu gewährleisten.<br />

Der erste Entwurf des Kriterienkatalogs wurde mit den Modellbeauftragten diskutiert,<br />

nachfolgend durch das IPW um einige wenige Aspekte ergänzt und anschließend<br />

in den Einrichtungen eingeführt und erprobt.<br />

Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau<br />

Die Grundsätze und Kriterien des Katalogs beschreiben ein Mindestprofil, das die<br />

Verfügbarkeit von Informationen als Grundlage <strong>für</strong> eine biografieorientierte Pflege<br />

sicherstellen soll. Hierzu sind neben Kenntnissen zu Lebensdaten auch Aussagen <strong>zum</strong><br />

individuellen Erleben des Menschen zu dokumentieren. Auch wenn der Kriterienkatalog<br />

einige Vorschläge zur inhaltlichen Gestaltung eines Biografieerfassungsbogens<br />

enthält, ist er nicht mit einem solchen Instrument vergleichbar. Ziel ist vielmehr, eine<br />

Überprüfung einrichtungsintern verwendeter Formulare auf Vollständigkeit bzw.<br />

deren Anpassung anhand der Kriterien zu ermöglichen.<br />

Der Katalog beschreibt <strong>zum</strong> einen Grundsätze, die sich auf die Bereitstellung geeigneter<br />

Dokumentationsinstrumente, Zeitpunkte der Erfassung, Kennzeichnung von<br />

Informationsquellen, Verfahrensweisen und Verantwortlichkeiten beziehen. Zum<br />

anderen umfasst er eine Auflistung der <strong>für</strong> die Biografieerfassung relevanten Kriterien,<br />

mit der folgende Bereiche erfasst werden:<br />

Versorgung vor dem Heimeinzug (Wohn- und Versorgungssituation unmittelbar vor<br />

dem Heimeinzug),<br />

personenbezogene Aspekte (z.B. Besonderheiten/Gewohnheiten in Bezug auf<br />

Ernährung, Kommunikation, Tages-/Wochenstruktur),<br />

115


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

116 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

weitere personenbezogene Aspekte (z.B. familiäre und weitergehende soziale<br />

Kontakte/Beziehungen, individuelle Bedeutung der Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft<br />

bzw. Religionsausübung, Wünsche in Bezug auf die Sterbephase<br />

bzw. den Todesfall) und<br />

lebensgeschichtliche Informationen (z.B. bezogen auf Kindheit und Jugend,<br />

Erwachsenen-, Rentenalter, prägende Lebensereignisse).<br />

Die Unterteilung in diese vier Bereiche ist verbunden mit einer Unterscheidung hinsichtlich<br />

des Zeitpunkts der Ersterfassung dieser Informationen. Die beiden ersten<br />

Themenbereiche umfassen Informationen, die im engen zeitlichen Zusammenhang<br />

mit dem Heimeinzug benötigt werden, um eine bewohnerorientierte Versorgung planen<br />

zu können. Aspekte der beiden anderen Themenbereiche können zu späteren<br />

Zeitpunkten erfasst werden (Staffelung von sechs Wochen nach dem Heimeinzug bis<br />

hin zur fortlaufenden Erfassung während des Heimaufenthaltes), da hierzu in der<br />

Regel ein gewisser Grad von Vertrautheit zwischen Bewohner und Mitarbeitern erforderlich<br />

ist.<br />

Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />

Ungeachtet diverser Schwierigkeiten im Rahmen der Erprobung fand der Kriterienkatalog<br />

große Zustimmung in den beteiligten Modelleinrichtungen. Die grundsätzliche<br />

inhaltliche Ausrichtung des Kriterienkatalogs (Grundsätze, zu erfassende Kriterien,<br />

Vorgaben <strong>zum</strong> Zeitpunkt der Erfassung) hat sich bewährt und zur Optimierung der<br />

Biografieerfassung und einer verbesserten Dokumentationsqualität in den Einrichtungen<br />

erheblich beigetragen.<br />

Die Erfahrungen der Einrichtungen haben gezeigt, dass erweiterte Erläuterungen<br />

<strong>zum</strong> Kriterienkatalog unabdingbar sind. Beispielsweise berichteten die Modellbeauftragten,<br />

dass die Bedeutung biografischer Informationen <strong>für</strong> den Versorgungsalltag<br />

nicht als bekannt vorausgesetzt werden kann und häufig nicht einmal gewährleistet<br />

ist, dass dokumentierte Informationen Eingang in die Pflegeplanung finden. Auch die<br />

Vorgehensweisen einzelner Mitarbeiter bei der Erfassung biografischer Informationen<br />

wurden als problematisch beschrieben. Da sich Verständnisprobleme insbesondere<br />

auf die im Kriterienkatalog aufgeführten Grundsätze bezogen, waren diese im<br />

Zuge der Konzeptüberarbeitung ausführlicher zu erläutern. Zusätzlich wurde eine<br />

Kurzeinführung in das Thema Biografie und Biografiearbeit aufgenommen 46 .<br />

Aufgrund der Erprobungserfahrungen wurden außerdem einige Kriterien ergänzt<br />

(z.B. Kommunikation, Wünsche in Bezug auf die Sterbephase/im Todesfall) und die<br />

Zuordnung von Aspekten zu Themenbereichen verändert. Um eine differenziertere<br />

zeitliche Staffelung zu ermöglichen, wurden die Aspekte auf die bereits genannten<br />

vier Themenbereiche aufgeteilt und mit unterschiedlichen Zeitvorgaben versehen 47 .<br />

Die Erprobungserfahrungen dokumentieren jedoch auch einen erheblichen Bedarf an<br />

Kompetenzerweiterung, etwa durch Schulung/Anleitung oder Fallbesprechungen.<br />

Sie zeigen, dass das Vorhalten eines am Kriterienkatalog ausgerichteten Biografieerfassungsbogens<br />

relativ unproblematisch zu gewährleisten ist. Um jedoch die Dokumentation<br />

aussagekräftiger biografischer Informationen zu gewährleisten, müssen in<br />

vielen Einrichtungen noch grundlegende Voraussetzungen geschaffen werden.<br />

Die Annahme beispielsweise, Biografiearbeit ende mit der Erfassung biografischer<br />

Informationen, ist bedauerlicherweise noch weit verbreitet. Es gibt Mitarbeiter, die<br />

primär das Ziel verfolgen, einen Biografieerfassungsbogen so vollständig und so<br />

46 Eine vertiefende Auseinandersetzung mit der Verwendung biografischer Informationen bei der Ausgestaltung der konkreten Versorgungssituation<br />

erfolgt außerdem im Rahmen der Leistungsbeschreibungen.<br />

47 Die zu erfassenden Aspekte waren ursprünglich in zwei Themenbereiche untergliedert und mit Angaben über zeitliche Fristen zur Erfassung<br />

versehen worden. Diese Zeitvorgaben haben sich in der Praxis teilweise als problematisch erwiesen, da einige Aspekte nicht zu<br />

Beginn des Heimaufenthaltes in Erfahrung gebracht werden konnten (<strong>zum</strong>eist weil hierzu die erforderliche Vertrauensbasis zwischen<br />

Bewohner bzw. Bezugspersonen und Mitarbeiter noch fehlte).


frühzeitig wie möglich auszufüllen und dabei eine dem Bewohner und seiner Lebensgeschichte<br />

zugewandte Grundhaltung vermissen lassen. Auch ist die Zielsetzung der<br />

Erfassung von Informationen nicht immer bewusst. Häufig bleibt ihnen die Entscheidung<br />

überlassen, welche Informationen sie weitergeben. Oftmals wird der Stellenwert<br />

von Beobachtungen unterschätzt (z.B. Reaktionen der Bewohner auf die Durchführung<br />

von Pflegehandlungen, Hinweise auf Vorlieben und/oder Abneigungen). Sie<br />

spielen insbesondere bei demenziell erkrankten Bewohnern, die sich nur noch eingeschränkt<br />

verbal mitteilen können, eine große Rolle. Wenn diese Bewohner keine<br />

Bezugspersonen haben bzw. diese keine Auskünfte geben können, stellen Beobachtungen<br />

oftmals die einzige Möglichkeit des Zugangs zu biografierelevanten Informationen<br />

dar. Der Kriterienkatalog fordert außerdem eine fortlaufende Erfassung biografischer<br />

Informationen. Mitarbeiter sammeln durch regelmäßige Kontakte zu<br />

Bewohnern in der Regel immer bessere Kenntnisse, dokumentieren diese aber nicht<br />

immer, da sie sie nicht als bedeutsam ansehen.<br />

Mitarbeiter benötigen daher neben einer biografieorientierten Grundhaltung besondere<br />

Kenntnisse zur Gestaltung von Gesprächssituationen zur Biografieerfassung, eine<br />

geschulte Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, ermittelte Informationen so zu dokumentieren,<br />

dass sie <strong>für</strong> die weitere Pflegeprozessgestaltung Verwendung finden können.<br />

5.4 Verbesserte Dokumentationsformen<br />

Der Konzeptbaustein „Verbesserte Dokumentationsformen“ greift ein Thema von<br />

hoher Aktualität in der Diskussion um Überregulierungen in der pflegerischen Versorgung<br />

auf (DZA 2005; Schönberg/Schnabel 2003). Verbesserte Dokumentationsformen<br />

stellen eine von mehreren möglichen Maßnahmen <strong>zum</strong> Abbau unnötiger Bürokratie<br />

im Pflegebereich dar (Wipp 2004; Mybes 2005). Hierbei geht es in erster<br />

Linie darum, die Pflegedokumentation auf ihre fachliche Funktion zurückzuführen und<br />

dabei auf nicht begründbaren Dokumentationsaufwand zu verzichten. In diesem<br />

Sinne wurden im Projekt <strong>Referenzmodell</strong>e Kriterien und Maßgaben zusammengestellt,<br />

die an verbesserte Dokumentationsformen, unabhängig von einem bestimmten<br />

Dokumentationssystem, zu stellen sind. Insofern stellt der Konzeptbaustein eine<br />

Arbeitshilfe <strong>für</strong> Pflegeeinrichtungen dar, die sich auf den Weg machen wollen, ihre<br />

Dokumentation zu entbürokratisieren und zugleich qualitativ zu verbessern.<br />

Ähnlich wie bei den Empfehlungen zur „Zuständigen Pflegefachkraft“ stand es den<br />

Referenzeinrichtungen frei, ihre Arbeitsweise und Instrumente nach den Vorgaben<br />

des Konzeptbausteins „Verbesserte Dokumentationsformen“ auszugestalten. Die wissenschaftliche<br />

Begleitung hat die Einrichtungen jedoch ausdrücklich dazu ermutigt,<br />

da hiermit u.a. eine wesentlich höhere Kompatibilität mit Leistungsbeschreibungen<br />

erreicht werden konnte als im Falle herkömmlicher Dokumentationsformen.<br />

Problemhintergrund<br />

Die Anforderungen an Dokumentationsaufgaben ergeben sich <strong>zum</strong> einen aus einer<br />

fachlich-informativen und <strong>zum</strong> anderen aus einer rechtlich-administrativen Zielsetzung<br />

(Heering 2004; Müller 2001). Die primäre, fachlich-informative Funktion resultiert<br />

in erster Linie aus dem Pflegeprozess, der nachvollziehbar in der Pflegedokumentation<br />

abgebildet werden muss (Heering 2004; Sauter et al. 2004; Bartholomeyczik<br />

2005). Die heutige Dokumentationspraxis orientiert sich jedoch häufig einseitig<br />

an (vermuteten) rechtlich-administrativen Anforderungen. Hiervon ist <strong>zum</strong> einen der<br />

Nachweis erbrachter Leistungen betroffen, der <strong>zum</strong> Teil in Form von seitenlangen Auflistungen<br />

einzelner Tätigkeiten erfolgt (Mybes 2005; BMFSFJ 2005). Zum anderen ist<br />

bei der Anwendung von Modellen der Aktivitäten (ATL, AEDL, Lebensaktivitäten) mitunter<br />

festzustellen, dass ein bestimmtes Pflegeproblem gleichzeitig unterschiedlichen<br />

117


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

118 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Bereichen zugeordnet wird. Dieses Vorgehen, das Doppel- und Mehrfachdokumentationen<br />

und somit einen erhöhten Aufwand nach sich zieht (<strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Soziales,<br />

Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein 2005), resultiert<br />

häufig aus der Überzeugung, es sei notwendig, um den Forderungen der Prüfinstanzen<br />

zu genügen (MDK und/oder Heimaufsicht). Neuere Untersuchungen kommen<br />

allerdings zu dem Schluss, dass diese Annahme <strong>zum</strong> Teil auf Missverständnissen<br />

beruht (BMFSFJ 2005).<br />

Eine weitere Folge besteht darin, dass die informativ-fachliche Qualität der Dokumentation<br />

und ihre Strukturiertheit und Nachvollziehbarkeit in Mitleidenschaft gezogen<br />

werden. Außerdem wird die Pflegedokumentation von den Pflegekräften häufig nicht<br />

als wichtiges Arbeitsmittel gesehen, sondern als lästige Notwendigkeit mit wenig<br />

Nutzen <strong>für</strong> die praktische Pflege (Däbritz 2003).<br />

An dieser Stelle setzen Maßnahmen zur Verbesserung der Pflegedokumentation an,<br />

die bereits in anderen Bundesländern in unterschiedlichen Formen modellhaft umgesetzt<br />

wurden (Wipp 2004; Kamm 2004; <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Soziales, Familie<br />

und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz 2006). Gemeinsames Kennzeichen dieser<br />

Initiativen ist, dass eine Reduzierung des Dokumentationsaufwandes bei gleichzeitiger<br />

Erfüllung der gesetzlichen Regelungen und Abbildung des Pflegeprozesses in<br />

verbesserter Qualität erreicht werden soll.<br />

Vorgehen im Modellvorhaben<br />

In einem ersten Schritt trug das IPW die Zielsetzungen und Anforderungen, aber<br />

auch die Erfahrungen mit verbesserten Dokumentationsformen aus den oben genannten<br />

Projekten anderer Bundesländer zusammen und brachte sie in die Diskussion mit<br />

den Modellbeauftragten ein. Einige Einrichtungen hatten bereits verbesserte Dokumentationsformen<br />

umgesetzt und konnten daher eigene Erfahrungen beisteuern.<br />

Die Referenzeinrichtungen wurden daraufhin gebeten, intern die Möglichkeiten der<br />

Einführung verbesserter Dokumentationsformen zu überprüfen und hierzu eine Rückmeldung<br />

an die wissenschaftliche Begleitung zu geben. Die meisten Modelleinrichtungen<br />

signalisierten eine grundsätzliche Bereitschaft zur Umstellung ihrer Pflegedokumentation.<br />

Im Anschluss wurde durch das IPW ein Grundsatzpapier entwickelt,<br />

das kommentierte Kernanforderungen <strong>für</strong> neue Dokumentationsformen umfasste.<br />

Parallel dazu ist das IPW in einen Dialog mit den Medizinischen Diensten der Krankenversicherung<br />

auf Landesebene eingetreten. Diese Gespräche dienten u.a. zur Einschätzung<br />

der Frage, in welchen Punkten sich möglicherweise Abweichungen zu den<br />

Anforderungen bei Qualitätsprüfungen und der Begutachtung nach dem SGB XI ergeben<br />

könnten. Mit ähnlicher Absicht wurden einzelne Heimaufsichtsbehörden angesprochen.<br />

Im Ergebnis zeigte sich ein hoher Grad an Übereinstimmung mit den Eckpunkten<br />

zur Verbesserung der Dokumentation, die im Modellvorhaben zugrunde<br />

gelegt werden sollten.<br />

Inhaltliche Kernpunkte und Aufbau des Konzeptbausteins<br />

Abweichend von vergleichbaren Initiativen in anderen Bundesländern wurde auf die<br />

Entwicklung einer Musterdokumentation verzichtet. Vielmehr wurden Grundsätze<br />

bzw. Anforderungen und Vorraussetzungen <strong>für</strong> die Einführung verbesserter Pflegedokumentationsformen<br />

erarbeitet, deren konkrete Ausgestaltung den Einrichtungen<br />

überlassen bleiben sollte. Ausschlaggebend hier<strong>für</strong> war das Ziel, Flexibilität zu<br />

gewährleisten und die Möglichkeit zu schaffen, anstelle der Einführung eines völlig<br />

neuen Dokumentationssystems Modifizierungen des jeweils genutzten Systems vorzunehmen<br />

und damit Verbesserungen mit möglichst geringem Aufwand zu erreichen.


Es wurden also Grundsätze entwickelt, die sich an den oben skizzierten Zielsetzungen<br />

verbesserter Dokumentationsformen orientieren und die zugleich fachlichen<br />

Anforderungen und Empfehlungen (auch denen des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände<br />

der Krankenkassen – vgl. MDS 2005) genügen. Diese Grundsätze<br />

beziehen sich insbesondere auf<br />

Rahmenbedingungen und Voraussetzungen (einschl. personeller Zuständigkeiten),<br />

die Identifizierung vorrangiger Problemlagen (Assessment),<br />

die Formulierung von Pflegezielen,<br />

die Erstellung eines Tagesplans (Maßnahmenplanung),<br />

Durchführungs-/Leistungsnachweise.<br />

Eine Aufwandsreduzierung sollte vor allem dadurch erreicht werden, dass sich die<br />

Formulierung von Pflegezielen auf wesentliche Problem- und Bedarfslagen<br />

beschränkt, ein übersichtlicher, individueller Tagesplan <strong>für</strong> jeden Bewohner erstellt<br />

wird und statt Einzelnachweisen <strong>für</strong> erbrachte Leistungen – mit Ausnahme ärztlich<br />

verordneter Maßnahmen – ein Handzeichen je Maßnahmenkomplex ausreichend ist.<br />

Eine zentrale Bedeutung kommt der Erstellung eines individuellen Tagesplans <strong>für</strong> die<br />

Bewohner zu. Dieser Tagesplan soll eine strukturierte Übersicht über alle zu leistenden<br />

Maßnahmen bieten und alle Informationen enthalten, die <strong>für</strong> die Durchführung<br />

einer bedarfs- und bedürfnisgerechten Pflege benötigt werden.<br />

Erprobungserfahrungen und Konzeptmodifikationen<br />

Nur wenige Referenzeinrichtungen verzichteten darauf, die Möglichkeit zur Umstellung<br />

ihrer Pflegedokumentation auf verbesserte Formen zu nutzen. Zwei Gründe<br />

spielten hierbei eine Rolle: Zum Teil erschien ihnen der Rahmen des Modellprojektes<br />

nicht hinreichend sicher; einige Einrichtungen be<strong>für</strong>chteten Probleme im Rahmen von<br />

Qualitätsprüfungen und bei Begutachtungen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit.<br />

In anderen Fällen war ausschlaggebend, dass eine bereits vorhandene EDV-gestützte<br />

Dokumentation zu wenig Möglichkeiten zur Umstellung nach den Maßgaben der<br />

Grundsätze bot.<br />

Die Einrichtungen, die sich zu einer Umstellung ihrer Pflegedokumentation entschlossen,<br />

berichteten durchweg von positiven Erfahrungen. Allerdings waren oftmals zeitintensive<br />

Vorbereitungen notwendig (z.B. Mitarbeiterschulung, Umschreiben der vorhandenen<br />

Bewohnerdokumentationen). Der im Zuge der Umstellung anfallende Aufwand<br />

hing <strong>zum</strong> Teil aber auch damit zusammen, dass in einigen Einrichtungen die<br />

Pflegeplanungen Qualitätsdefizite aufwiesen. Die Entwicklung verbesserter Formen<br />

der Pflegedokumentation wurde also auch genutzt, um die Qualität der Pflegeplanung<br />

insgesamt zu verbessern.<br />

Die neuen Dokumentationsformen führten dazu, dass sich sowohl die Qualität der<br />

Pflegeplanung als auch die Nachvollziehbarkeit des Pflegeprozesses deutlich verbesserten<br />

und die Dokumentation vermehrt wieder als Arbeitsmittel von den Pflegekräften<br />

genutzt wurde. Hiervon wiederum haben die Bewohner profitiert, da ihre individuellen<br />

Bedürfnisse und Gewohnheiten, die aus den Tagesplänen hervorgehen, bei<br />

der täglichen Versorgung stärker Berücksichtigung fanden. Ein weiterer Vorteil aus<br />

Sicht der Praxis hat sich aus der Reduzierung der vormals ausufernden Menge an<br />

Handzeichen zur Dokumentation der Maßnahmendurchführung ergeben.<br />

Probleme bereitete den Mitarbeitern der Einrichtungen anfangs die Identifizierung<br />

prioritärer Problemlagen der Bewohner und die Festlegung darauf bezogener Pflegeziele.<br />

Es zeigten sich auch Schwierigkeiten bei der Erstellung der Tagespläne, da<br />

anfangs nicht klar war, wie detailliert diese ausfallen sollten. Die Modellbeauftragten<br />

betonten außerdem die Notwendigkeit, <strong>für</strong> die Erstellung der Pflegedokumentation<br />

zeitliche Ressourcen bereits im Rahmen der Dienstplanung einzuräumen.<br />

119


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

120 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Im Gesamtbild hat sich der im Modellprojekt gewählte Ansatz zur Verbesserung und<br />

Vereinfachung der Dokumentation sehr gut bewährt. Grundlegende inhaltliche Modifikationen<br />

waren vor dem Hintergrund der oben skizzierten Erfahrungen nicht notwendig,<br />

da<strong>für</strong> jedoch umfangreiche Erläuterungen, die in die überarbeitete, <strong>für</strong> den Praxisleitfaden<br />

vorgesehene Fassung eingeflossen sind. Diese Fassung ist wesentlich ausführlicher<br />

als das ursprüngliche Grundsatzpapier und bietet damit auch Einrichtungen, die<br />

nicht auf eine fachliche Begleitung wie im Modellprojekt zurückgreifen können, eine<br />

ausreichende Basis <strong>für</strong> die Weiterentwicklung ihrer Pflegedokumentation.


6. Implementationsbegleitung<br />

Dem IPW kam neben der Konzeptentwicklung auch die Aufgabe der wissenschaftlichen<br />

Implementationsbegleitung zu, d. h. die Aufgabe, den Einrichtungen fachliche<br />

Hilfestellungen zu leisten, um Anpassungen auf eine Art und Weise durchzuführen,<br />

die den Anforderungen der Konzepte entspricht. Zwar hatten die Einrichtungen die<br />

Möglichkeit, auf eine professionelle Organisationsberatung zurückzugreifen, doch<br />

war von vornherein absehbar, dass eine ergänzende fachliche Beratung erforderlich<br />

sein würde. Die wissenschaftliche Implementationsbegleitung erstreckte sich dabei<br />

auf folgende Punkte:<br />

Prozesssteuerung: Es blieb zwar den Einrichtungen überlassen, wie sie ihre Handlungsplanung<br />

zur Konzeptumsetzung gestalteten und Implementationsprozesse im<br />

Einzelnen organisierten, allerdings gab die wissenschaftliche Begleitung durch<br />

das IPW eine grobe zeitliche Abfolge vor – schon allein dadurch, dass Konzeptentwicklung<br />

und Konzeptumsetzung <strong>zum</strong> Teil zeitlich parallele Arbeitsstränge darstellten.<br />

Der enge Zeitrahmen, in dem das Modellvorhaben durchgeführt wird,<br />

gestattete es angesichts der zeitintensiven Abstimmungsprozesse nicht, mit der<br />

Umsetzung in der Praxis so lange zu warten, bis sämtliche Konzeptbausteine ausgereift<br />

waren. Da diese jedoch in vielfältiger Weise aufeinander Bezug nehmen<br />

und ihre Verschränkung allein von der wissenschaftlichen Begleitung überblickt<br />

werden konnte, waren die Praxiseinrichtungen in hohem Maße auf Orientierungshilfen<br />

bei der Umsetzung angewiesen, sowohl was die zeitliche Organisation der<br />

einzelnen Umsetzungsschritte angeht als auch im Blick auf inhaltliche Anforderungen.<br />

Ergebnissicherung bei einzelnen Implementationsschritten: Trotz Einbeziehung in<br />

die konzeptionellen Entwicklungsarbeiten bestand ein mitunter ausgeprägtes<br />

Bedürfnis der Praxis, sich zu vergewissern, mit der Konzeptumsetzung auf dem<br />

richtigen Weg zu sein und Anpassungen oder Problemlösungen in Übereinstimmung<br />

mit den Intentionen vorgenommen zu haben, auf denen die Konzepte beruhen.<br />

Diese Rückversicherung war sinnvoll und notwendig zugleich: Konzepte wie<br />

die Leistungsbeschreibungen müssen, um von der Praxis aufgenommen werden zu<br />

können, verhältnismäßig schlank ausfallen und können unmöglich <strong>für</strong> jede denkbare<br />

Detailfrage der Umsetzung eine Antwort bereithalten. Abgesehen davon<br />

mussten die Konzepte ihre Praxistauglichkeit im Verlauf der modellhaften Umsetzung<br />

erst noch unter Beweis stellen. Ungeachtet der intensiven Beratungen im Vorfeld<br />

der Umsetzung offenbarten sich im Verlauf der Erprobung Unschärfen, dysfunktionale<br />

Zuordnungen, Inkonsistenzen und andere Schwachstellen. Hier hatte<br />

die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis die wichtige Funktion, zu<br />

prüfen, ob Implementationsschwierigkeiten auf konzeptimmanente Probleme oder<br />

Adaptionsprobleme auf Seiten der Praxis zurückzuführen waren.<br />

Kontinuierliche „Übersetzungsarbeit“ in Detailfragen: Eine ebenso wichtige Funktion<br />

der Implementationsbegleitung bestand in fortgesetzten Erläuterungen zu einzelnen<br />

inhaltlichen Aspekten der Konzepte. Auch dieses Erfordernis ergab sich<br />

daraus, dass ein in der Praxis handhabbares Konzept nicht alle Einzelheiten kommentieren<br />

und erklären kann, die <strong>für</strong> die Umsetzung von Bedeutung sein können.<br />

Hinzu kommen Schwierigkeiten auf begrifflicher Ebene. Wenngleich sich Wissenschaft<br />

und Praxis im Rahmen der geschilderten konzeptionellen Entwicklungsarbeiten<br />

auf sprachlicher Ebene angenähert haben, blieben die Konzeptbausteine,<br />

vor allem die Leistungsbeschreibungen „durchsetzt“ von sprachlichen Gepflogenheiten<br />

der Wissenschaft – unter anderem deshalb, weil es als wichtig erachtet<br />

wurde, auch auf sprachlicher Ebene eine dem aktuellen Stand der pflegefachlichen<br />

und pflegewissenschaftlichen Diskussion entsprechende Lösung zu finden.<br />

121


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

122 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Definition von Grenzen <strong>für</strong> kreative Lösungen: Keiner der im Modellvorhaben entwickelten<br />

Konzeptbausteine legte die Referenzeinrichtungen bei der Umsetzung<br />

auf starre Lösungen fest. Es bestand <strong>für</strong> sie immer ein gewisser Spielraum zur Ausgestaltung,<br />

der <strong>zum</strong> Teil sogar sehr breit ausfiel. Gerade deshalb war es jedoch<br />

<strong>für</strong> die Einrichtungen gelegentlich schwer zu entscheiden, mit welchen Umsetzungsschritten<br />

sie möglicherweise die Grenze der Übereinstimmung mit den konzeptionellen<br />

Vorgaben überschreiten würden.<br />

Legitimation von Handlungsinitiativen der Modellbeauftragten: Den Modellbeauftragten<br />

kam innerhalb der Referenzeinrichtungen eine wichtige, zugleich aber<br />

schwierige und <strong>zum</strong> Teil sogar prekäre Funktion zu. Sie stießen Prozesse in Handlungsfeldern<br />

an, deren Gestaltung außerhalb des Modellkontextes in den Zuständigkeitsbereich<br />

anderer Mitarbeiter fiel (vor allem Pflegedienst- und Wohnbereichsleitungen).<br />

Sie mussten daher oftmals intensive Überzeugungsarbeit leisten<br />

und ggf. auch Kompromisse aushandeln. In diesem Zusammenhang hatte die<br />

Implementationsbegleitung eine Funktion von eher strategischem Charakter: Sie<br />

unterstützte die Arbeit der Modellbeauftragten, indem sie deren Handeln indirekt<br />

durch ihre konzeptionellen Vorgaben gegenüber anderen Mitarbeitern der Einrichtungen<br />

legitimierte.<br />

Die wissenschaftliche Implementationsbegleitung war insofern eine unerlässliche Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> die erfolgreiche Konzeptumsetzung. Sie konnte auch nur durch eine<br />

Instanz geleistet werden, die mit den Zielsetzungen, inhaltlichen Verästellungen und<br />

Interdependenzen der Konzeptbausteine und der Modellkonzeption insgesamt gut<br />

vertraut und fachlich in der Lage war, sich mit der Praxis rasch und sachgerecht zu<br />

verständigen.


7. Fazit<br />

Das Projekt „<strong>Referenzmodell</strong>e zur qualitätsgesicherten Weiterentwicklung der vollstationären<br />

Pflege“ weist im Vergleich zu anderen Vorhaben, die das Ziel der Qualitätsentwicklung<br />

verfolgen, einige wichtige Besonderheiten auf. Erstens ist das Projekt<br />

aus einer gemeinsamen Initiative des nordrhein-westfälischen Landespflegeausschusses,<br />

der Spitzenverbände der Pflegekassen, des Bundesministeriums <strong>für</strong> Gesundheit<br />

und des <strong>Ministerium</strong>s <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW hervorgegangen. Es<br />

handelt sich insofern um eine Qualitätsentwicklungsinitiative, die sich im Grundsatz<br />

auf eine relativ breite Basis stützen kann. Zweitens folgte das Projekt dem Anspruch,<br />

Konzepte und Problemlösungen in enger Kooperation mit der Praxis zu entwickeln<br />

und somit von vornherein ein Maximum an Anschlussfähigkeit anzustreben. Drittens<br />

schließlich umfasste das Modellvorhaben ein ganzes Bündel von Maßnahmen der<br />

Qualitätsentwicklung, die sich nicht auf äußere Rahmenbedingungen konzentrieren,<br />

sondern direkt auf das Handlungsfeld beziehen, in dem Qualität letztlich realisiert<br />

wird: auf die tägliche individuelle Unterstützung der Bewohner.<br />

Mit der Entwicklung der Leistungsbeschreibungen wurde das Profil eines Versorgungsangebotes<br />

definiert, das auf die typischen Anforderungen zugeschnitten ist,<br />

die aus den gesundheitlichen und sozialen Problemlagen der heutigen Heimbewohner<br />

erwachsen. Sie weisen den psychischen Problemlagen der Bewohner einen<br />

hohen Stellenwert zu und akzentuieren das Ziel einer ressourcenfördernden und biografieorientierten<br />

Versorgung. Sie folgen zudem dem Grundsatz, fachlich anspruchsvolle,<br />

aber unkomplizierte und unbürokratische Lösungen zu entwickeln.<br />

Mit insgesamt sechs Rahmenkonzepten bzw. Qualitätsmaßstäben griff das Modellprojekt<br />

weitere wichtige Herausforderungen <strong>für</strong> die Qualitätsentwicklung auf. Sie zielen<br />

darauf ab,<br />

neue Bewohner bei der Bewältigung des Einzugs in eine Pflegeeinrichtung, der in<br />

aller Regel als tiefgreifender Einschnitt erfahren wird und hohe psychische Belastungen<br />

mit sich bringt, wirksam zu unterstützen,<br />

eine bessere Einbindung der Angehörigen in den Alltag der Einrichtungen zu<br />

erreichen und den Kontakt zwischen Bewohnern und Angehörigen zu fördern,<br />

eine bedarfs- und bedürfnisgerechte nächtliche Versorgung sicherzustellen und zu<br />

diesem Zweck das abendliche und nächtliche Unterstützungsangebot weiterzuentwickeln,<br />

elementare Voraussetzungen <strong>für</strong> eine adäquate Begleitung sterbender Heimbewohner<br />

sicherzustellen, damit ein Sterben in Würde zu ermöglichen und Krankenhausaufenthalte<br />

in der Sterbephase so weit wie möglich zu vermeiden,<br />

geeignete Voraussetzungen zur Verbesserung der Kooperation mit niedergelassenen<br />

Ärzten zu schaffen und damit auch einen Beitrag zur Verbesserung der medizinischen<br />

Versorgung zu leisten,<br />

die Unterstützung der Bewohner bei notwendigen Krankenhausaufenthalten und<br />

die Kooperation zwischen Krankenhaus und Pflegeeinrichtung im Rahmen des<br />

Überleitungsverfahrens zu verbessern.<br />

Weitere Konzeptbausteine greifen andere Kernfragen der Versorgungsqualität auf.<br />

Dazu gehören die Förderung einer qualifikationsorientierten Arbeitsteilung und die<br />

personelle Zuordnung von Steuerungsverantwortung <strong>für</strong> den Pflegeprozess. Das IPW<br />

hat in Form von Empfehlungen <strong>für</strong> die Referenzeinrichtungen (Aufgaben und Funktion<br />

der „Zuständigen Pflegefachkraft“) die Grundzüge einer Arbeitsteilung beschrieben,<br />

in der die Steuerungs- und Koordinationsverantwortung <strong>für</strong> die Unterstützung des einzelnen<br />

Bewohners klar definiert und personell zugeordnet wird. Ferner wurden<br />

Kriterienkataloge <strong>für</strong> das pflegerische Assessment und die Erfassung biografischer<br />

Informationen entwickelt. Schließlich wurden Grundlagen <strong>für</strong> eine verbesserte Pflegedokumentation<br />

erarbeitet, die auf Entbürokratisierung und zugleich auf Qualitäts-<br />

123


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

124 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

verbesserung abzielen. Mit ihnen kann die Pflegedokumentation nicht nur von unnötigem<br />

Ballast befreit, sondern auf ihre ursprüngliche Funktion zurückgeführt werden<br />

und damit wieder als wichtige Orientierungshilfe und Handlungsgrundlage <strong>für</strong> die<br />

zielgerichtete pflegerische Versorgung dienen.<br />

Sämtliche Konzeptbausteine wurden in Abstimmung mit den beteiligten Modelleinrichtungen<br />

und den projektbegleitenden Gremien entwickelt, <strong>zum</strong> Teil unter Hinzuziehung<br />

externer Expertise. Die <strong>Referenzkonzept</strong>e sind letztlich nicht allein das Ergebnis<br />

fachlicher Überlegungen bzw. wissenschaftlicher Arbeiten, sondern das Resultat<br />

einer wissensbasierten Konzeptentwicklung, in die sowohl wissenschaftliches als<br />

auch berufspraktisches Wissen eingeflossen ist.<br />

Die im Modellvorhaben gewählte Strategie der Konzeptentwicklung und -abstimmung<br />

hat sich im Großen und Ganzen bewährt. Die Kooperation zwischen Wissenschaft<br />

und Praxis verlief keineswegs spannungsfrei, aber doch reibungsloser als zu Beginn<br />

des Projektes erwartet. Eine produktive und von gegenseitiger Akzeptanz geprägte<br />

Zusammenarbeit setzt nach den Projekterfahrungen allerdings voraus, dass<br />

sich beide Seiten am Leitbild einer professionellen Pflege orientieren und dadurch<br />

auf fachlicher Ebene eine gemeinsame Basis <strong>für</strong> die Entwicklungsarbeiten existiert,<br />

die Wissenschaft ein ausreichendes Verständnis <strong>für</strong> die Arbeitsbedingungen und<br />

Probleme, die den Versorgungsalltag prägen, und eine entsprechende Lernbereitschaft<br />

entwickelt,<br />

die Rollen von Wissenschaft und Praxis, der Kontext und die jeweiligen Handlungsspielräume<br />

von Beginn an klar definiert sind,<br />

der Praxis Freiräume <strong>für</strong> konzeptionelle „Feinarbeiten“ verbleiben, die sicherstellen,<br />

dass die Umsetzung von Konzepten nicht als Störung bewährter interner<br />

Abläufe, sondern als Bereicherung erfahren wird.<br />

Das Projekt <strong>Referenzmodell</strong>e ist angetreten, konkrete Wege der Qualitätsentwicklung<br />

aufzuzeigen, denen andere folgen können. Viele Ergebnisse des Modellvorhabens<br />

sind <strong>für</strong> die Einrichtungen unmittelbar verwertbar. Sie liefern konzeptionelle Grundlagen<br />

und reichhaltige Erfahrungen im Umgang mit zahlreichen und oft schwierigen<br />

Herausforderungen bei der Umsetzung. Dabei handelt es sich allerdings um ein<br />

anspruchsvolles Unterfangen: Die <strong>Referenzkonzept</strong>e zielen nicht auf eng begrenzte<br />

Schritte zur Verbesserung von Teilaspekten der Versorgung, sondern auf grundlegende<br />

Qualitätsverbesserungen. Man darf trotz des großen Engagements der Einrichtungen<br />

und insbesondere ihrer Modellbeauftragten nicht vergessen, dass die Umsetzung in<br />

einen Modellrahmen eingebettet war, der anderen Einrichtungen in dieser Form nicht<br />

zur Verfügung stehen wird. Folgendes kennzeichnete diesen Rahmen:<br />

Es existierte eine wissenschaftliche Implementationsbegleitung und damit die<br />

Möglichkeit, bei der Umsetzung von Konzepten in inhaltlichen Fragen Rücksprache<br />

zu halten. Dies erwies sich insbesondere dort als wichtig, wo relativ komplexe<br />

Fragen der Umsetzung zu bearbeiten waren.<br />

Die Umsetzung wurde unterstützt durch eine externe Organisationsberatung.<br />

Nachhaltige Qualitätsentwicklung in Einrichtungen ist ohne organisatorische<br />

Anpassungen nicht denkbar.<br />

Die Modellbeauftragten der Referenzeinrichtungen waren in eine Kooperation mit<br />

anderen Modellbeauftragten eingebunden. Sie können von deren Erfahrungen<br />

profitieren und sich gegenseitig Anregungen in Umsetzungsfragen geben. Dies<br />

hat sich im Verlauf des Modellvorhabens als sehr fruchtbar erwiesen.<br />

Die Arbeit der einzelnen Referenzeinrichtungen war in eine übergeordnete Projektplanung<br />

eingebunden. Es existierte dadurch eine Anforderung von außen, die<br />

Stetigkeit förderte. Diese Konstellation war <strong>zum</strong> Teil hilfreich, wenn interne Hürden<br />

bzw. Widerstände überwunden werden mussten. Der Modellrahmen stärkte


die Legitimation von Veränderungen und drängte dazu, sich mit Fragen auseinanderzusetzen,<br />

die ohne Einbindung in ein Modellprojekt vielleicht weniger intensiv<br />

aufgegriffen würden.<br />

Nicht zuletzt ist auf die wichtige Funktion der Modellbeauftragten hinzuweisen –<br />

Mitarbeiter der Einrichtungen, die ausschließlich mit Aufgaben betraut waren, die<br />

aus dem Projekt erwuchsen. Innovationen in Pflegeeinrichtungen sind in hohem<br />

Maße auf solche Mitarbeiter angewiesen, die über die fachliche Kompetenz wie<br />

auch über ausreichende zeitliche Spielräume verfügen, um Veränderungen zu initiieren,<br />

Prozesse zu steuern oder zu koordinieren, zu informieren und bei Bedarf<br />

auch anzuleiten. Sie sind die wichtigsten Träger und Multiplikatoren von Entwicklungsprozessen.<br />

Die erreichten Erfolge in den Einrichtungen wären ohne diesen Modellrahmen nicht<br />

möglich gewesen. Vermutlich kann der Weg der <strong>Referenzmodell</strong>e von den meisten<br />

anderen Pflegeeinrichtungen nur dann erfolgreich beschritten werden, wenn ihnen<br />

ein annähernd vergleichbarer Rahmen zur Verfügung steht – kein Modellprojekt,<br />

aber ein Kooperationszusammenhang, der die notwendigen Voraussetzungen <strong>für</strong><br />

eine nachhaltige Qualitätsentwicklung bietet. Die zentralen Punkte wurden oben<br />

benannt: Geeignete Formen der Kooperation und der gegenseitigen Unterstützung,<br />

die Einbindung in einen einrichtungsübergreifenden Arbeitszusammenhang, Unterstützung<br />

bei der Organisationsentwicklung, eine fachliche Implementationsbegleitung<br />

und erfahrene Multiplikatoren, die in den Einrichtungen <strong>für</strong> eine stetige und zielgerichtete<br />

Konzeptumsetzung sorgen.<br />

125


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

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(Hg.): Ambulant vor stationär. Perspektiven <strong>für</strong> eine integrierte ambulante Pflege Schwerkranker. Bern: Huber,<br />

336–364<br />

129


Teilbericht 2: Konzeptentwicklung und Implementationsbegleitung<br />

130 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Wingenfeld, K. (2004): Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen: Nachtdienste detailliert dokumentieren. Altenheim 6,<br />

40–43<br />

Wingenfeld, K. (2005): Die Entlassung aus dem Krankenhaus. Institutionelle Übergänge und gesundheitlich bedingte<br />

Transitionen. Bern: Huber<br />

Wingenfeld, K./Korte-Pötters, U./Heitmann, D. (2006): Qualitätsmaßstäbe <strong>für</strong> die vollstationäre Pflege, Version 1.0. Heft<br />

3 der Schriftenreihe „<strong>Referenzmodell</strong>e zur qualitätsgesicherten Weiterentwicklung der vollstationären Pflege<br />

2004–2006, hg. vom <strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

(MAGS). Düsseldorf<br />

Wingenfeld, K./Schnabel, E. (2002): Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Eine<br />

Untersuchung im Auftrag des Landespflegeausschusses Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf<br />

Wipp, M. (2004): Abschlussbericht. Teilbericht des Projekts „Entbürokratisierung der Pflegedokumentation“, hg. vom<br />

Bayerischen Staatsministerium <strong>für</strong> Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. München<br />

(http://www.stmas.bayern.de/pflege/stationaer/entbuero.htm, 26.05.2006)


Teilbericht 3:<br />

Organisationsentwicklung<br />

Verfasser/innen:<br />

Brigitte Rehling<br />

unter Mitarbeit von Hildegard Heinrich, Manfred Krohn, René Bernards,<br />

Annegret Zacharias, Marion Menke<br />

Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt a. M. (ISS)<br />

131


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

132 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6


Inhalt<br />

Seite<br />

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136<br />

1. Konzept der Organisationsberatung und Vorgehensweisen in den Einrichtungen . . . .137<br />

1.1 Das Beraterteam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137<br />

1.2 Ziele der Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137<br />

1.3 Systemischer Ansatz der Organisationsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .138<br />

1.4 Methoden der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .139<br />

1.5 Schwerpunkte der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141<br />

2. Die Organisationsentwicklung in den Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .142<br />

2.1 Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation: Zielangemessenheit,<br />

Eindeutigkeit und Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .142<br />

2.2 Die „Zuständige Pflegefachkraft“ als Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Pflegeorganisation .143<br />

2.2.1 Vorhandene Probleme der Bezugspflegepraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .143<br />

2.2.2 Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation im Sinne der<br />

Zuständigen Pflegefachkraft – Beispielhafte Lösungswege . . . . . . . . . . .144<br />

2.2.3 Probleme im Umsetzungsprozess und wie sie bewältigt wurden . . . . . . .149<br />

2.2.4 Die Kooperation zwischen Pflege und Sozialem Dienst . . . . . . . . . . . . .150<br />

2.2.5 Strukturelle Hindernisse <strong>für</strong> Zusammenarbeit und die Umsetzung<br />

des <strong>Referenzkonzept</strong>es . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .150<br />

2.2.6 Lösungswege: Optimierte Vernetzung zwischen Pflege und Sozialem Dienst .153<br />

2.2.7 Dezentralisierung des Sozialen Dienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .153<br />

3. Qualitätsmanagement in der stationären Altenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .155<br />

3.1 Gute Pflege und einrichtungsinternes Qualitätsmanagement . . . . . . . . . . . . . . .156<br />

3.2 Leistungsbeschreibungen: das Leistungsprofil der stationären Altenpflege . . . . . .157<br />

3.2.1 Bestandsaufnahme zu den unmittelbar bewohnerbezogenen<br />

Leistungsbeschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .157<br />

3.2.2 Berufsbegleitende fachliche Qualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .159<br />

3.2.3 Bedarfsgerechte Unterstützung bei psychischen und sozialen Problemlagen .161<br />

3.2.4 Bedarfsgerechte Mobilitätserhaltung und -förderung . . . . . . . . . . . . . . .163<br />

3.2.5 Verinnerlichung von Leitorientierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .163<br />

3.3 Pflegerisches Assessment und Biografieerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .164<br />

3.3.1 Entwicklung von Instrumenten bzw. Formularen . . . . . . . . . . . . . . . . . .165<br />

3.3.2 Regelmäßige Aktualisierung des pflegerischen Assessments . . . . . . . . . .165<br />

3.3.3 Zugang zu relevanten Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .166<br />

3.3.4 Fachkompetenz <strong>für</strong> biografieorientierte Pflege und<br />

bedarfsangemessene psychosoziale Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . .166<br />

3.3.5 Schulungen der Mitarbeiter/innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168<br />

3.4 Pflegeplanung und Pflegedokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168<br />

3.4.1 Einführung verbesserter Planungs- und Dokumentationsformen . . . . . . . .169<br />

3.5 Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung in zentralen Arbeitsfeldern<br />

stationärer Pflegeeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .170<br />

3.5.1 Konzepterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .171<br />

3.5.2 Mitarbeiterbeteiligung und mögliche Vorgehensweisen . . . . . . . . . . . . .172<br />

3.5.3 Sinnvermittlung und Ergebnisrückkoppelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .172<br />

3.6 Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .173<br />

3.6.1 Internes Schnittstellenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .174<br />

3.6.2 Begleitung der Eingewöhnungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .174<br />

3.6.3 Das Integrationsgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .175<br />

133


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

134 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6


Seite<br />

3.7 Zusammenarbeit mit Angehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .175<br />

3.7.1 Konzepterstellung und Verbesserung von Verfahrensstandards . . . . . . . .176<br />

3.7.2 Entwicklung von Angeboten <strong>für</strong> Angehörige: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .176<br />

3.7.3 Möglichkeiten und Grenzen bei Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .177<br />

3.8 Nächtliche Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178<br />

3.8.1 Verbesserung von Arbeitsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178<br />

3.8.2 Änderung von Dienstzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .179<br />

3.8.3 Kooperation von Tag- und Nachtdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .179<br />

3.8.4 Entwicklung von Angeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .180<br />

3.9 Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .181<br />

3.9.1 Kontinuierliche Begleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .182<br />

3.9.2 Zusammenarbeit mit Hospizdiensten und freiwilligen Helfern/innen . . . .182<br />

3.9.3 Absprachen mit Angehörigen und Ärzten/innen . . . . . . . . . . . . . . . . .182<br />

3.9.4 Schulungen der Mitarbeiter/innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .183<br />

3.10 Kooperation mit niedergelassenen Ärzten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .184<br />

3.10.1 Die Ausgangssituation und damit verbundene Problemlagen . . . . . . . . .185<br />

3.10.2 Kontaktaufnahme und Verhandlungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .186<br />

3.10.3 Kontaktaufnahme und Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .187<br />

3.10.4 Vorbereitung von Arztbesuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .187<br />

3.10.5 Gegenseitige Erreichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188<br />

3.11 Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188<br />

3.11.1 Die Ist-Analyse als Voraussetzung <strong>für</strong> Verbesserungen . . . . . . . . . . . . .189<br />

3.11.2 Ergebnisse der Bestandsaufnahme und damit verbundene Problemlagen 189<br />

3.11.3 Kontaktaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .191<br />

3.11.4 Problemlösungen im Kooperationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .191<br />

135


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

Einleitung<br />

136 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Im Juni 2004 wurde das Institut <strong>für</strong> Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. (ISS) mit<br />

der Organisationsberatung im Rahmen des Modellprojekts „<strong>Referenzmodell</strong>e zur Förderung<br />

der qualitätsgesicherten Weiterentwicklung der vollstationären Pflege“ beauftragt.<br />

Neben der Aufgabe, die beteiligten Referenzeinrichtungen bei der Umsetzung<br />

des <strong>Referenzkonzept</strong>es zu beraten und zu begleiten, war es ein explizites Ziel des<br />

ISS-Frankfurt a. M., aus der Auswertung der Beratungs- und Entwicklungsprozesse<br />

Hinweise <strong>für</strong> einen Transfer der Konzeptbausteine in nicht beteiligte Einrichtungen<br />

stationärer Altenpflege zu gewinnen.<br />

In den ersten Monaten nach Beendigung der Erprobungs- und Umsetzungsphase in<br />

den Referenzeinrichtungen wurde deshalb in enger Kooperation mit dem Institut <strong>für</strong><br />

Gerontologie an der Universität Dortmund ein umfassender Teilbericht <strong>für</strong> den „Praxisleitfaden<br />

zur Qualitätsentwicklung in vollstationären Pflegeeinrichtungen“ 48 erstellt. Für<br />

diesen Praxisleitfaden wurden die ausgewerteten Erfahrungen der Organisationsberater/innen<br />

in Empfehlungen <strong>für</strong> die Übernahme des <strong>Referenzkonzept</strong>es übersetzt.<br />

Berücksichtigt wurden dabei an einigen Stellen auch solche Erkenntnisse der Organisationsberatung,<br />

die prinzipiell als hilfreich erachtet wurden, in der Arbeit mit den<br />

Referenzeinrichtungen jedoch nicht oder noch nicht <strong>zum</strong> Tragen gekommen waren.<br />

Der hier vorgelegte Abschlussbericht ist inhaltlich weitgehend identisch mit dem Praxisleitfaden,<br />

denn er gibt ebenfalls die im Beratungsprozess gewonnenen Erkenntnisse<br />

der Organisationsberatung wieder. Er fokussiert jedoch in stärkerem Maße die<br />

Entwicklungsprozesse, wie sie in den Referenzeinrichtungen tatsächlich stattgefunden<br />

haben und schildert vorgefundene Ausgangssituationen, Hindernisse im Umsetzungsprozess<br />

und wie sie gelöst wurden.<br />

Ebenso wenig wie der Praxisleitfaden werden in diesem Bericht die Konzeptbausteine<br />

des <strong>Referenzkonzept</strong>s detailliert wiedergegeben. Die Kenntnis der Bausteine<br />

ist eine unverzichtbare Voraussetzung <strong>für</strong> das Verständnis der hier beschrieben Prozesse<br />

und Lösungswege.<br />

Die in diesem Bericht wiedergegebenen Einsichten und Einschätzungen sind in intensiver<br />

Kooperation mit allen Beteiligten am Modellprojekt entstanden. Wir bedanken<br />

uns bei allen Modellbeauftragten, den Pflegedienst- und Einrichtungsleiter/innen,<br />

den Wohnbereichsleiter/innen und Pflegekräften <strong>für</strong> die produktive und vertrauensvolle<br />

Zusammenarbeit. Unser Dank gilt auch den Kollegen und Kolleginnen der beteiligten<br />

Institute. Die Rückkoppelung mit ihnen war unverzichtbar <strong>für</strong> die Beratung in<br />

den Einrichtungen. Schließlich bedanken wir uns bei den Mitgliedern des Steuerungskreises<br />

und des Begleitausschusses, die unsere Arbeit durch stärkende wie<br />

kritische Hinweise und Fragen unterstützt haben.<br />

48 Teil B: Qualitäts- und Organisationsentwicklung – Hinweise <strong>für</strong> den Ergebnistransfer. Teil A dieser Veröffentlichung enthält alle Konzeptbausteine<br />

mit ausführlichen Erläuterungen.


1. Konzept der Organisationsberatung und Vorgehensweisen<br />

in den Einrichtungen<br />

1.1 Das Beraterteam<br />

Die Organisationsberatung in den Einrichtungen wurde von vier Beratern/innen<br />

wahrgenommen. Eine der Berater/innen übte die Funktion der ISS-internen Projektleitung<br />

aus. Die Projektleiterin vertrat und verantwortete die Arbeit des ISS nach außen<br />

und zur Institutsleitung des ISS. Die mit dem Projekt verbundene Gremienarbeit und<br />

Abstimmung mit den anderen beteiligten Instituten sowie den Auftraggebern lag<br />

ebenfalls in ihrer Verantwortung.<br />

Das Beratungsteam des ISS wurde von einer Teamleiterin unterstützt, welche die<br />

Dienst- und Fachaufsicht innehatte. Diese moderierte und dokumentierte die wöchentlichen<br />

Teamsitzungen und singulären Klausuren und entwickelte die Instrumente zur<br />

Erfassung und Bewertung des Projekt- und Beratungsverlaufs in Abstimmung mit der<br />

Projektleitung und dem Team.<br />

Wie in den vorausgehenden Teilberichten bereits dargestellt, waren die Referenzeinrichtungen<br />

vier Regionalgruppen zugeordnet. Jede(r) der vier Berater/innen<br />

begleitete jeweils fünf Referenzeinrichtungen, die zu einer Regionalgruppe gehörten.<br />

1.2 Ziele der Organisationsberatung<br />

In Übereinstimmung mit den Modellzielen war die Arbeit der Organisationsberatung<br />

darauf gerichtet, die Referenzeinrichtungen bei der Umsetzung der Konzeptanforderungen<br />

zu unterstützen. Die zentrale Zielsetzung der Organisationsberatung, auf die<br />

Umsetzung der Konzeptbausteine in den Referenzeinrichtungen hinzuwirken, war mit<br />

weiteren Zielen verbunden, die sich aus der konkreten Situation und dem spezifischen<br />

Entwicklungsbedarf der einzelnen Referenzeinrichtungen ableiteten.<br />

Grundsätzlich ist Beratung immer eine Dienstleistung, die durch den Auftrag und die<br />

Kooperationsbereitschaft des Gegenübers gesteuert wird. Der Beratungserfolg ist nie<br />

eine nur vom Berater erbrachte Leistung, sondern immer das Ergebnis einer gelungenen<br />

Kooperation: nur wer sich beraten lassen will wird von einem Beratungsprozess<br />

auch profitieren können.<br />

Im Unterschied zu anderen Organisationsberatungsprozessen wurden die Entwicklungsanforderungen,<br />

die sich aus der oben beschriebenen Zielstellung des Modellprojektes<br />

ergaben, nicht durch die Einrichtungen selbst sondern durch das Institut <strong>für</strong><br />

Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW) formuliert. Auch wenn dies mit<br />

dialogischer Rückkoppelung zu den 20 Referenzeinrichtungen geschah, so konnte<br />

unter diesen Umständen eine vorbehaltlose Identifikation der Leitungsebenen und<br />

Modellbeauftragten mit bestimmten Zielvorstellungen nicht immer vorausgesetzt werden.<br />

Auch das ISS und seine Organisationsberater/innen wurde nicht direkt von den<br />

Einrichtungen oder Trägern sondern von den Auftraggebern und Geldgebern des<br />

Modellprojekts ausgewählt und beauftragt.<br />

Für die Organisationsberatung beinhaltete diese Ausgangslage eine doppelte Verpflichtung:<br />

Zum Einen fühlten sich die Berater/innen von Beginn an den Zielsetzungen<br />

des Modellprojekts verpflichtet, waren also nicht neutral. Auch bei tendenziell<br />

skeptischer Positionierung der Einrichtungen zu einzelnen Anforderungen hatten sie<br />

um ein Zieleinverständnis zu werben und auf die Umsetzung der Konzeptbausteine<br />

137


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

138 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

hinzuwirken. Zum Anderen war ein vertrauensvolles Arbeitsbündnis mit den Einrichtungen<br />

zu etablieren, bei dem sich Modellbeauftragte, Leitungskräfte und Mitarbeiter/innen<br />

der Loyalität der Berater/innen sicher sein konnten.<br />

Gelingen konnte diese Balance, weil sich die ISS-Berater/innen dem Grundprinzip<br />

und Leitziel der Bewohnerorientierung verpflichtet fühlten, welches letztlich auch die<br />

Träger und Leitungskräfte bewogen hatte, sich <strong>für</strong> eine Teilnahme am Modellprojekt<br />

zu entscheiden. In diesem Grundkonsens traf man sich und konnte auch in schwierigen<br />

Situationen produktiv zusammenarbeiten. Mit dem Begriff der Bewohnerorientierung<br />

ist hier gemeint, dass die Pflege von Bewohnern/innen in der stationären Altenpflege<br />

biografieorientiert, ressourcenfördernd und -erhaltend sein soll,<br />

Risiken <strong>für</strong> Gesundheit und Unversehrtheit durch Prophylaxen ausschließt bzw.<br />

mindert,<br />

dem individuellen Unterstützungsbedarf aller Bewohner/innen auch der demenziell<br />

Erkrankten und Immobilen gerecht werden muss,<br />

sich nicht nur auf physische Unterstützung und Versorgung beschränkt sondern<br />

auch psychosoziale Begleitung bietet,<br />

auf der Grundlage einer respektvollen, wertschätzenden Haltung gegenüber<br />

Bewohner/innen und Angehörigen erbracht wird.<br />

1.3 Systemischer Ansatz der Organisationsberatung<br />

Die Beratung der Einrichtungen erfolgt auf der Grundlage eines systemischen Organisationsverständnisses,<br />

das sich in folgenden Thesen skizzieren lässt:<br />

Die Wirklichkeit der Organisation – ihre Identität, ihr Leistungsniveau, ihre Kultur –<br />

wird von allen Organisationsmitgliedern in wechselseitigem Bezug und in wechselseitiger<br />

Abhängigkeit gestaltet. Eine Steuerung ist nur möglich, wenn diese<br />

Komplexität durch klare Aufbaustrukturen und Ablaufregeln reduziert wird. Für<br />

die Beratung bedeutet dies, immer auch die Eindeutigkeit, Transparenz und Angemessenheit<br />

der jeweiligen Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Kulturen der<br />

Einrichtungen in den Blick zu nehmen.<br />

Eine lineare Logik, die davon ausgeht, dass eine bestimmte Intervention eine berechenbare<br />

Wirkung erzielt, wird der wechselwirksamen Interaktion aller Organisationsmitglieder<br />

nicht gerecht. Vielmehr ist es nötig – analog zu einem ökologischen<br />

Blick auf Zusammenhänge in der Natur – mögliche Wechsel- und Rückwirkungen<br />

hypothetisch einzukalkulieren. Auch reicht es nicht aus, sich bei der<br />

Umsetzung von Entwicklungszielen z.B. auf die verhaltenssteuernde Wirkung von<br />

Anweisungen und Regeln zu verlassen. Vielmehr ist es notwendig, dass tatsächliche<br />

Geschehen zu prüfen, Widerstände und unliebsame „Nebenwirkungen“ korrigierend<br />

zu bearbeiten. Für die Beratung folgt daraus, sich immer wieder um den<br />

Blick auf „das Ganze“ zu bemühen und dem Steuerungshandeln der Leitungsebenen<br />

besondere Aufmerksamkeit zu schenken.<br />

Es gibt keinen Standort, von dem aus die Komplexität von Organisationen objektiv<br />

eingeschätzt werden kann. Hierarchischer und informeller Status sowie die<br />

jeweils spezifischen Aufgaben bestimmen die Perspektive der einzelnen Akteure<br />

und lassen sie Unterschiedliches wahrnehmen. Für die Beratung bedeutet dies,<br />

den eigenen externen Blick möglichst durch die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen<br />

Akteuren und damit unterschiedlichen Perspektiven zu vernetzen, um sich<br />

einem vollständigen Bild <strong>zum</strong>indest zu nähern.<br />

Die formelle und informelle Ordnung, die jede Organisation entwickelt, entscheidet<br />

darüber, was wichtig und was weniger wichtig genommen wird, welche Fragestellungen<br />

und Herausforderungen wahrgenommen werden und welche nicht.


1.4 Methoden der Beratung<br />

Der externe Standort der Organisationsberater/innen macht es möglich, ein<br />

System zur Auseinandersetzung mit Fragestellungen anzuregen, die bisher vernachlässigt<br />

wurden.<br />

Das systemische Prinzip, dass Systeme zwar beeinflussbar, nicht aber „beherrschbar“<br />

sind, gilt auch <strong>für</strong> die Interaktion zwischen Berater und System: Beratungsinterventionen,<br />

die aus Ratschlägen bestehen, dem Gegenüber also Handlungs- und<br />

Verhaltensrezepte offerieren, sind nicht immer der wirksamste Weg <strong>für</strong> eine erfolgreiche<br />

Beratung. Die Akteure in Organisationen, deren Auftrag es ist, Entwicklungen<br />

zu betreiben und zu steuern, werden solche Ratschläge nur dann aufgreifen,<br />

wenn sie mit der eigenen Perspektive und Einschätzung kompatibel sind.<br />

Wenn nicht, werden sie überhört, uminterpretiert oder bekämpft.<br />

Das Prinzip der Ressourcenorientierung bedeutet, von der Hypothese auszugehen,<br />

dass Systeme prinzipiell fähig sind, Lösungen <strong>für</strong> Probleme zu finden, bzw. dass<br />

die erfolgreiche Bearbeitung von Mängeln und Defiziten nur dann nachhaltig<br />

gelingen kann, wenn es sich aus Sicht des Systems um eigene Problemdefinitionen<br />

und Lösungen handelt. Insofern ist jeder Beratungsprozess immer ein Akt der<br />

„Geburtshilfe“, der das implizite Wissen der Organisation über die eigenen Stärken<br />

und Schwächen sowie die grundsätzlich vorhandene Problemlösungskompetenz<br />

zu Tage fördert.<br />

Die schrittweise Einführung der Konzeptbausteine des <strong>Referenzkonzept</strong>s konkretisierte<br />

und präzisierte auch das Konzept der Organisationsberatung. Erst durch den<br />

Abgleich vorhandener Strukturen und gelebter Praxis mit den Konzeptbausteinen<br />

wurden die konkreten Entwicklungsbedarfe in den Einrichtungen deutlich, die dann<br />

<strong>zum</strong> Gegenstand der Beratung wurden. Zu diesen Beratungsschwerpunkten formulierten<br />

die Organisationsberater/innen konzeptionelle Prämissen und Positionierungen,<br />

mit denen die gerade skizzierte systemische Grundhaltung konkretisiert und ergänzt<br />

wurde.<br />

Die 20 Referenzeinrichtungen starteten mit unterschiedlichen Ausgangssituationen in<br />

das Modellprojekt. Diese Heterogenität bezog sich nicht nur auf die Qualität der Pflegeleistung<br />

und den Umfang der vorab bereits erfüllten Anforderungen, sondern auch<br />

auf Aspekte der Aufbau- und Ablauforganisation, der vertikalen und horizontalen<br />

Kooperationskultur und den alltäglichen Umgang mit Bewohnern/innen, Angehörigen<br />

und externen Kooperationspartnern. Aus diesem Grund mussten auch die Beratungsprozesse<br />

unterschiedlich und prozessorientiert gestaltet werden. Gleichwohl lassen<br />

sich bestimmte Schwerpunkte identifizieren, die in allen oder der Mehrheit der<br />

Einrichtungen die Vorgehensweise der Berater/innen prägten.<br />

Informationsgewinnung zur „Organisationswirklichkeit“<br />

Um die Situation in den Einrichtungen möglichst ganzheitlich einschätzen zu können,<br />

arbeiteten die Berater/innen nicht nur mit den Modellbeauftragten zusammen, sondern<br />

suchten auch den Kontakt zu den Leitungskräften. In allen Häusern ist es gelungen,<br />

Beratungsgespräche mit den Einrichtungsleitern/innen und<br />

Pflegedienstleitern/innen zu führen; bei gut der Hälfte der Einrichtungen erstreckte<br />

sich die Kooperation auch auf die Ebene der Wohnbereichsleitungen. Darüber hinaus<br />

haben die Organisationsberater/innen im Projekt bei einzelnen Kooperationsprozessen<br />

hospitiert, etwa bei Übergaben, Fallbesprechungen, einrichtungsinternen<br />

Schulungs- und Informationsveranstaltungen, Dienstgesprächen und Fallbesprechungen.<br />

Hinzu kam die Prüfung von Pflegedokumentationen, die gemeinsam mit den<br />

Modellbeauftragten vorgenommen wurde. Aus all diesen Informationsquellen leiteten<br />

die Organisationsberater/innen Einschätzungen zur Prozess- und Verlaufsbewertung<br />

des Modellprojekts und der Qualität der hausinternen Rahmenbedingungen ab.<br />

139


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

140 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Aufforderung zur kritischen Selbsteinschätzung<br />

Das wichtigste Medium der Organisationsberatung, um zu einer Einschätzung der<br />

„Organisationswirklichkeit“ zu gelangen, bestand darin, in den Kontakten mit den<br />

Kooperationspartnern/innen immer wieder Fragen nach deren Einschätzung und<br />

Bewertung wichtiger Sachverhalte zu stellen. Dies bedeutete gleichzeitig, dass die<br />

Akteure in den Einrichtungen zu kritischer Reflexion vorhandener Umstände angeregt<br />

wurden und dabei sowohl auf Stärken wie auch auf vorhandene Schwächen und Entwicklungsbedarfe<br />

aufmerksam wurden.<br />

„Konfrontative Irritation“<br />

Um gewohnte Routinen, Positionierungen und Sichtweisen zu verlassen bedarf es bei<br />

Individuen wie Systemen nicht selten einer gewissen Erschütterung, der nicht immer<br />

angenehmen Einsicht, dass das Gewohnte nicht gleichzeitig auch das Angemessenste<br />

ist. In diesem Sinne irritierend <strong>für</strong> die Einrichtungen waren <strong>zum</strong> einen die<br />

inhaltlichen Innovationsanforderungen, die sich aus den unterschiedlichen Konzeptbausteinen<br />

des IPW und den durch die Soll-Ist-Analysen entdeckten Defiziten und<br />

Mängeln herleiteten. Zum anderen ergaben sich solche Verunsicherungen dadurch,<br />

dass die Berater/innen die Einrichtungen mit wahrgenommenen Entwicklungsbedarfen<br />

bezogen auf Steuerungs- und Leistungsmängel oder problematische strukturelle<br />

oder kulturelle Merkmale konfrontierten.<br />

Anregung der Problemlösungskompetenz der Einrichtungen<br />

Ob ein vorhandener Mangel erfolgreich bearbeitet werden kann, hängt nicht zuletzt<br />

davon ab, wie klar und eindeutig beschrieben ist, aus welchen Gründen er vorhanden<br />

ist und wie konkret das Ziel benannt ist, zu dem man gelangen will. Zu fragen<br />

ist auch, wie man selbst dazu beigetragen hat, dass dieses Ziel bisher nicht erreicht<br />

wurde. In diesem Sinne regten die Organisationsberater/innen die Modellbeauftragten,<br />

teilweise aber auch die Leitungskräfte in den Einrichtungen dazu an, die hausspezifischen<br />

Entwicklungsziele so exakt wie möglich zu beschreiben und zu begründen,<br />

um dann die Umsetzungsschritte planen zu können. Auch die Frage danach, ob<br />

und wie sich das eigene Handeln verfestigend auf vorhandene Defizite auswirken<br />

könnte, wurde mit wichtigen Akteuren in den Einrichtungen mehrfach reflektiert.<br />

Beratung ist immer eine Dienstleistung auf Zeit, gerade auch im Rahmen eines klar<br />

befristeten Modellprojekts. Umso wichtiger ist es, durch die Technik des Fragens die<br />

Einrichtungen ihre eigenen Antworten finden zu lassen. Ratschläge können zwar<br />

dann und wann auch hilfreich sein, sind aber nicht immer der nachhaltigste Weg,<br />

ein Problem zu lösen.<br />

Einbringen der eigenen fachlichen Expertise<br />

Das Expertenwissen der Berater/innen bezog sich nicht auf pflegefachliche Fragen<br />

sondern auf Schwerpunkte des Organisationsmanagements. Dazu gehörten unterschiedliche<br />

Bereiche, wie etwa Fragen der Organisationsstruktur, des Qualitäts- und<br />

Projektmanagements, der Mitarbeiterführung und der Teamentwicklung.<br />

Förderung von Synergieeffekten<br />

Dem Prinzip der Ressourcenorientierung im systemischen Ansatz wurde auch<br />

dadurch Rechnung getragen, dass die Berater/innen bewusst den Austausch zwischen<br />

den Modellbeauftragten innerhalb der Regionalgruppe, aber auch darüber<br />

hinaus, förderten. Innovative Praxisaspekte und Problemlösungen einzelner Einrichtungen<br />

wurden seitens der Berater/innen nicht nur dort gewürdigt und verstärkt, sondern<br />

möglichst auch an andere Einrichtungen weitergegeben.<br />

Coaching und Supervision


Auf ausdrücklichen Wunsch der Beteiligten in unterschiedlichen Referenzeinrichtungen<br />

leistete die Organisationsberatung auch individuelle Beratung <strong>für</strong> die Ausübung<br />

der Leitungsrolle (Coaching) und eine Supervision von Teams. Anlass <strong>für</strong> diese Beratungsformen,<br />

die nur in Einzelfällen realisiert wurden, waren jeweils konkrete Probleme,<br />

Fragestellungen und Konflikte.<br />

Fortbildung und Mentoring <strong>für</strong> die Modellbeauftragten<br />

So unterschiedlich wie die Ausgangslage der Einrichtungen war auch die Kompetenz<br />

und Qualifikation der Modellbeauftragten <strong>für</strong> ihre anforderungsreiche Rolle. Die<br />

Organisationsberatung unterstützte sie wie erwähnt durch Angebote zur Rollenklärung<br />

und zentrale Fortbildungen. Dazu gehörten eintägige Seminare zu den<br />

Themen „Moderation“, „Präsentation“ „Projektmanagement“ und „Verhandlungsführung“<br />

sowie die Bearbeitung spezifischer Fragestellungen in zusätzlichen Regionalgruppensitzungen.<br />

Beides trug auch dazu bei, die wechselseitige Unterstützung<br />

der Modellbeauftragten anzuregen.<br />

Mit einigen der Modellbeauftragten wurden bestimmte Vorhaben, wie etwa die<br />

Moderation von projektbezogenen Arbeitsgruppen und Qualitätszirkeln oder schwierige<br />

Gespräche mit Leitungskräften, detailliert vorbereitet. Teilweise nahmen die<br />

Berater/innen auch an den jeweils ersten Sitzungen teil, um anschließend Stärken<br />

und Schwächen gemeinsam mit den Modellbeauftragten zu reflektieren.<br />

Die Bearbeitung jedes einzelnen Konzeptbausteins begann mit einer Soll-Ist-Analyse,<br />

bei der überprüft wurde, welche Anforderungen des jeweiligen Konzepts durch die<br />

Einrichtung bereits erfüllt wurden und welche noch nicht. Die konkreten einrichtungs-<br />

1.5 Schwerpunkte der Beratung<br />

bezogenen Ziele der Organisationsberatung ergaben sich <strong>zum</strong> einen aus den bei<br />

diesen Analysen festgestellten Lücken und Abweichungen und deren Ursachen, <strong>zum</strong><br />

anderen auch aus Hindernissen und Schwierigkeiten, die sich im weiteren Verlauf<br />

der Konzepterprobung und -umsetzung zeigten. Im Rückblick lässt sich feststellen,<br />

dass sich die Beratung in den Referenzeinrichtungen vor allem auf die folgenden<br />

Schwerpunkte bezogen hat:<br />

Gestaltung der organisatorischen Voraussetzungen <strong>für</strong> die Umsetzung der Modellziele<br />

durch die Strategien und das Instrumentarium des Projektmanagements,<br />

Qualifizierung der Modellbeauftragten <strong>für</strong> ihre Funktion und ihre Aufgaben,<br />

Sicherung der Beteiligung der Fachkräfte in den Referenzeinrichtungen an der<br />

Konzepterprobung und -umsetzung,<br />

Optimierung der Aufbau- und Ablauforganisation in einzelnen Einrichtungen zur<br />

angemessenen, eindeutigen und transparenten Klärung von Zuständigkeiten und<br />

Verantwortlichkeiten, zur Steigerung von Effizienz bei Arbeitsabläufen sowie zur<br />

Verbesserung des internen Schnittstellenmanagements (Pflege, Soziale Dienste,<br />

Hauswirtschaft),<br />

Sicherung einer nachhaltigen Konzeptumsetzung im Rahmen eines verbindlichen<br />

Qualitätsmanagements,<br />

Verbesserung der Strategien zur Personalentwicklung,<br />

Verbesserung der Vorgehensweisen zur Leistungssteuerung und Mitarbeiterführung.<br />

141


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

2. Die Organisationsentwicklung in den Einrichtungen<br />

2.1 Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation: Zielangemessenheit, Eindeutigkeit<br />

und Transparenz<br />

142 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die Aufbau- und Ablauforganisation ist gewissermaßen das Gerüst, das den Leistungskräften,<br />

den Mitarbeitern und Bewohner/innen im Alltag Halt geben und planvolles,<br />

zielgerichtetes Handeln auf Dauer sichern soll. Grundsätzlich kann dies nur<br />

eine struktureller Rahmen, der die Kriterien der Zielangemessenheit, der Eindeutigkeit<br />

und der Transparenz erfüllt.<br />

Zielangemessen sind Aufbau- und Ablaufregelungen dann, wenn sich die Logik, mit<br />

der Arbeitsbereiche definiert und Koordination und Kommunikation festgelegt werden,<br />

an den zentralen Zielsetzungen einer Altenpflegeeinrichtung orientiert. Wenn<br />

beispielsweise zu diesen Zielen gehört, dass die Bewohner/innen eine bedarfsgerechte<br />

psychosoziale Betreuung erfahren sollen, kann sich dies <strong>zum</strong> einen im Vorhandensein<br />

eines Sozialen Dienstes, darüber hinaus aber auch in Regeln zur Art der<br />

Arbeitsteilung und zur notwendigen Abstimmung zwischen Pflegekräften und Sozialem<br />

Dienst spiegeln. Es ist dann nicht allein dem Engagement und der individuellen<br />

Entscheidung einzelner Fachkräfte überlassen, ob und in welchem Umfang von beiden<br />

Bereichen Leistungen der psychosozialen Begleitung erbracht und miteinander<br />

vernetzt werden.<br />

Eindeutigkeit und Transparenz sind dann vorhanden, wenn die Regelungen unmissverständlich<br />

schriftlich fixiert, allen Beschäftigten bekannt und jederzeit mühelos auffindbar<br />

und nachzulesen sind.<br />

Die Bestandsaufnahmen zu den Konzeptbausteinen haben viele der Referenzeinrichtungen<br />

auf Schwächen der vorhandenen Aufbau- und Ablauforganisation aufmerksam<br />

gemacht und oftmals dazu geführt, die vorhandenen Strukturen und Regelungen<br />

im Sinne der gerade skizzierten Gütekriterien zu optimieren. Deshalb wollen wir in<br />

den folgenden Abschnitten darstellen,<br />

welche strukturbezogenen Innovationsanforderungen mit einzelnen Modellbausteinen<br />

verbunden sind.<br />

auf welche typischen Ausgangsbedingungen in Referenzeinrichtungen diese<br />

Anforderungen trafen,<br />

auf welche Weise die aufbau- und ablauforganisatorischen Festlegungen verändert<br />

und Schwierigkeiten im Umsetzungsprozess erfolgreich bearbeitet werden<br />

konnten.<br />

So bedeutsam eine angemessene, eindeutige und transparente Aufbau- und Ablauforganisation<br />

als Weichenstellung ist, so ist doch festzuhalten, dass sie gute Arbeit im<br />

Alltag zwar unterstützt, aber nicht automatisch hervorruft. Die in nachfolgenden<br />

Abschnitten dargestellten Lösungswege konnten ihre produktive Wirkung in den Referenzeinrichtungen<br />

deshalb entfalten, weil sie von weiteren Maßnahmen – etwa der<br />

Personalentwicklung, der Mitarbeiterführung oder der systematischen Leistungssteuerung<br />

– begleitet wurden. Auf diese Aspekte werden wir in nachfolgenden Kapiteln<br />

dieses Handbuches ausführlich eingehen.


2.2 Die „Zuständige Pflegefachkraft“ als Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Pflegeorganisation<br />

Die Empfehlungen zur Zuständigen Pflegefachkraft (ZPFK) skizzieren eine Organisationsform<br />

der stationären Altenpflege, bei der einzelne examinierte Pflegefachkräfte<br />

jeweils umfassende Planungs- und Steuerungsvorantwortung <strong>für</strong> die Pflege bestimmter<br />

Bewohner/innen übernehmen. Die folgenden Inhalte des Konzeptpapiers sind<br />

von besonderer Relevanz <strong>für</strong> die Aufbau- und Ablauforganisation:<br />

Die Zuständige Pflegefachkraft<br />

„ist verantwortlich <strong>für</strong> die zielgerichtete, planvolle Gestaltung des individuellen<br />

Pflegeprozesses“ 49 , d. h. sie erstellt die bedarfsangemessene Pflegeplanungen <strong>für</strong><br />

„ihre“ Bewohner/innen, übernimmt selbst entsprechende pflegerischer Aufgaben<br />

und stellt sicher, dass die Pflegeleistungen jederzeit mit der beschriebenen Qualität<br />

erbracht werden,<br />

koordiniert alle „Personen und Stellen bzw. Institutionen, die in die Versorgung<br />

und Unterstützung des jeweiligen Bewohners mit einbezogen sind“ 50 ,<br />

soll durch Entlastung von anderen – insbesondere bewohnerfernen aber auch pflegerischen<br />

Tätigkeiten – entlastet werden, um über ausreichend Zeit <strong>für</strong> den erhöhten<br />

Planungs-, Steuerungs- und Koordinationsaufwand zu verfügen,<br />

soll bei Abwesenheit so vertreten werden, dass die Kontinuität der Aufgabenwahrnehmung<br />

gewährleistet ist,<br />

soll bei vollständiger Wahrnehmung aller Aufgaben und Verantwortlichkeiten<br />

unter den gegebenen personellen Bedingungen <strong>für</strong> maximal etwa zehn Bewohner/innen<br />

zuständig sein.<br />

Auch die Rahmenkonzepte <strong>zum</strong> Heimeinzug, zur Kooperation mit Angehörigen, zur<br />

Zusammenarbeit mit Ärzten, zur Überleitung bei Krankenhausaufenthalten und zur<br />

Sterbebegleitung fordern die eindeutige Zuordnung eines jeden Bewohners zu einem<br />

„Hauptansprechpartner“. Idealerweise sollte dies die Zuständige Pflegefachkraft<br />

sein. Damit ergeben sich weitere inhaltliche Aufgaben, die mit den jeweiligen Prozessen<br />

verbunden sind. (Zu weiteren Einzelheiten und zur konzeptionellen Begründung<br />

des Konzeptbausteins zur Zuständigen Pflegefachkraft vgl. Teil A des Praxisleitfadens.)<br />

2.2.1 Vorhandene Probleme der Bezugspflegepraxis<br />

Obwohl der Konzeptbaustein zur Zuständigen Pflegefachkraft empfehlenden Charakter<br />

hatte, wurde in allen Referenzeinrichtungen dazu gearbeitet. Auch wenn nicht<br />

alle Elemente des Konzeptbausteins in allen Einrichtungen umgesetzt wurden, so<br />

haben doch kritische Bestandsaufnahmen der vorhandenen Praxis stattgefunden, die<br />

zu deutlichen Verbesserungen geführt haben.<br />

Viele der Referenzeinrichtungen gaben zu Beginn der Modelllaufzeit an, nach dem<br />

Bezugspflegesystem zu arbeiten, das – <strong>zum</strong>indest in einigen Veröffentlichungen –<br />

viele Übereinstimmungen mit dem Konzept der Zuständigen Pflegefachkraft aufweist.<br />

Die durch das Konzept initiierten genaueren Analysen relativierten diese Aussagen<br />

jedoch. In der Praxis zeigte sich, dass der Begriff „Bezugspflege“ uneindeutig ist und<br />

offensichtlich Unterschiedliches darunter verstanden wird.<br />

In vielen Referenzeinrichtungen war der Pflegealltag eher geprägt durch eine<br />

Mischung von Bereichs- und Bezugspflege, d. h. bei Krankheitsausfällen von Bezugspflegefachkräften<br />

oder anderen besonderen Vorkommnissen war das System außer<br />

Kraft gesetzt, manchmal zeitlich über diesen auslösenden Anlass hinaus.<br />

49 Vgl. „<strong>Referenzmodell</strong>e: Praxisleitfaden zur Qualitätsentwicklung in vollstationären Pflegeeinrichtungen“<br />

50 ebd.<br />

143


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

144 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Vertretungsregelungen waren, wenn überhaupt vorhanden, unzureichend. Zuständigkeiten<br />

der Bezugspflegefachkräfte konzentrierten sich vor allem auf die Pflegeplanung<br />

und auf Kurzberichte zu „ihren“ Bewohner/innen in Übergabesituationen.<br />

Nicht immer ging damit auch die Verantwortung <strong>für</strong> die regelmäßige Evaluation und<br />

Anpassung der Planung einher. In Einzelfällen – dort, wo es zu Beginn des Projektes<br />

keinen Bezugspflegeansatz gab, – oblag die Pflegeplanung ausschließlich den<br />

Wohnbereichsleitungen.<br />

Meist war den Bezugspflegefachkräften keine Koordinations- und Steuerungsverantwortung<br />

zugeordnet. Diese oblag vielmehr den Wohnbereichs- bzw. Pflegedienstleitungen.<br />

Definierte Zeiträume <strong>für</strong> den Steuerungs- und Koordinationsaufwand gab es nicht.<br />

2.2.2 Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation im Sinne der<br />

Zuständigen Pflegefachkraft – Beispielhafte Lösungswege<br />

Soll-Ist-Analyse und konzeptioneller Diskurs zur Zielklärung und Zielverständigung<br />

Wenn eingangs gesagt wurde, dass die Aufbau- und Ablauforganisation zielangemessen<br />

sein soll, so ergibt sich daraus, dass die grundlegenden Ziele von strukturellen<br />

(und anderen) Veränderungen geklärt, definiert und kommuniziert sein müssen.<br />

Einzelne Referenzeinrichtungen, in denen die Organisation der Pflege auf der Grundlage<br />

des Konzeptbausteins der Zuständigen Pflegefachkraft verändert wurde, haben<br />

zunächst einen konzeptionellen Diskurs initiiert, um zu besprechen, warum das bestehende<br />

System verändert werden und was dadurch erreicht werden soll. Aus Sicht der<br />

Organisationsberatung war ein solches Vorgehen nicht nur sinnvoll, sondern auch<br />

notwendig. Eine vorhandene Alltagspraxis, wie auch immer sie gestaltet ist, wird von<br />

den Beschäftigten automatisch mit Sinn unterlegt und gerechtfertigt. Angestrebte Veränderungen<br />

entwerten gewissermaßen diese Sinnkonstruktionen und können deshalb<br />

leicht Widerstand produzieren. Die diskursive Zielverständigung konnte solchen<br />

Reaktionen vorbeugen. Nur auf ein bestehendes aber schon vor langer Zeit formuliertes<br />

Leitbild zu verweisen, reichte ebenso wenig aus wie eine Anordnung ohne<br />

Begründung.<br />

Beispielhaft erscheint eine Zielverständigung, die in den Referenzeinrichtungen in<br />

mehreren Schritten erfolgte. Zunächst haben sich Träger, Einrichtungsleitung und Pflegedienstleitung<br />

über die angestrebten Optimierungen und deren Zielsetzung und<br />

Begründung ausgetauscht, und verständigt. Im zweiten Schritt wurden die Wohnbereichsleitungen<br />

ins Boot geholt. Dies war besonders wichtig, weil das Konzept der<br />

Zuständigen Pflegefachkraft – wie sich in mehreren Referenzeinrichtungen zeigte –<br />

Verantwortlichkeiten und Kompetenzen von der Ebene der Wohnbereichsleitung auf<br />

die Ebene der Pflegefachkräfte verlagert. Genutzt wurden <strong>für</strong> die Verständigung mit<br />

den Wohnbereichsleitungen die üblichen regelmäßigen Sitzungen zwischen Wohnbereichs-<br />

und Pflegedienstleitung. Im dritten Schritt schließlich wurden die examinierten<br />

und nichtexaminierten Pflegekräfte auf ihr verändertes Aufgabenprofil und die<br />

veränderte Verantwortung eingestimmt. Dies geschah im Rahmen von Dienstbesprechungen,<br />

an denen die Pflegedienstleitung und teilweise auch die Einrichtungsleitung<br />

teilnahm.<br />

Zum Einen dienten diese Verständigungsprozesse dazu, die konzeptionelle Begründung<br />

<strong>für</strong> das Konzept der Zuständigen Pflegefachkraft zu verdeutlichen und gemeinsam<br />

zu konkretisieren („Warum hat es <strong>für</strong> unser Haus Sinn? Was genau wollen wir<br />

dadurch erreichen?“). Zum Anderen ermöglichten sie es den Leitungskräften der<br />

unterschiedlichen Ebenen, die bisher geleistete Arbeit ausdrücklich wertzuschätzen,<br />

den Mitarbeiter/innen Gelegenheit zu geben, Be<strong>für</strong>chtungen und Bedenken einzubringen,<br />

gemeinsam Lösungen da<strong>für</strong> zu skizzieren und ein deutliches Unterstützungsangebot<br />

zu formulieren.


Bereichsbezogene Analyse der vorhandenen Personal- und Bewohnerstruktur und der<br />

Arbeitsorganisation<br />

Um an Flexibilität zu gewinnen, beschäftigen viele Altenpflegeeinrichtungen eine<br />

beachtliche Zahl der Pflege(fach)kräfte in Teilzeit. In den Referenzeinrichtungen war<br />

es deshalb kaum möglich, nur solchen Fachkräften die Funktionen der Zuständigen<br />

Pflegefachkraft zuzuordnen, die Vollzeit beschäftigt waren. Mindestens mittelfristig<br />

mussten bei der Umsetzung des Konzepts auch solche examinierten Kräfte die Funktionen<br />

der Zuständigen Pflegefachkraft übernehmen, die mit einem deutlich geringeren<br />

Zeitanteil beschäftigt waren. Hier handelte es sich um eine Abweichung von den<br />

Konzeptvorgaben, die auch aus Sicht der Organisationsberatung vertretbar war.<br />

Dies bedeutete, dass hinsichtlich der Unterstützungskontinuität, die unter anderem<br />

durch die Zuständige Pflegefachkraft erreicht werden sollte, zwangsläufig größere<br />

Lücken in Kauf genommen werden mussten.<br />

Um gleichwohl die bestmögliche Konstruktion zu finden und um Informationen <strong>für</strong><br />

eine zukunftsweisende Organisationsgestaltung zu erhalten, war es in mehreren Einrichtungen<br />

notwendig, die Personalstruktur, die Arbeitsorganisation und die Bewohnerstruktur<br />

wohnbereichsbezogen genau zu betrachten und miteinander zu vergleichen.<br />

Die erkenntnisleitenden Fragestellungen in einer solchen Analyse waren:<br />

Ist die Verteilung des vorhandenen Stellenkontingents auf die beschäftigten Personen<br />

so optimal wie möglich? Können wir daran – möglichst im Einverständnis mit<br />

Betroffenen – etwas verbessern?<br />

Dies hat in einzelnen Einrichtungen dazu geführt, dass mit Einverständnis der<br />

jeweils Betroffenen deren Beschäftigungsumfang verändert werden konnte.<br />

Wie verteilen sich die Dienstzeiten der examinierten Fachkräfte? Lässt sich die<br />

Betreuungskontinuität verbessern, indem wir ihre Dienstzeiten stärker ausdifferenzieren?<br />

(vgl. auch den weiter unten folgenden Abschnitt „Anpassung der Dienstzeiten“)<br />

Gibt es – bezogen auf Wohnbereiche aber auch auf einzelne Fachkräfte – signifikante<br />

Unterschiede in der Leistungsdokumentation, die sich insbesondere auch<br />

an Ergebnissen von Höherstufungsanträgen bemerkbar machen? Falls ja, hatte<br />

dies Auswirkungen auf das verfügbare Personalkontingent. Nur eine regelmäßige<br />

Evaluation der Pflegeplanung und eine vollständige und aussagefähige Dokumentation<br />

der erbrachten Leistungen konnte sichern, dass die Einstufung von Bewohnern/innen<br />

dem zu leistenden Pflegeaufwand entsprach. Entdeckte man<br />

Schwächen in diesem Punkt, konnte durch geeignete Maßnahmen (z.B. Nachschulungen,<br />

Zielvereinbarungen, Kritikgespräche) gegengesteuert werden.<br />

Dieser Frage sind einige Referenzeinrichtungen besonders im Zusammenhang mit<br />

den Empfehlungen zur Pflegedokumentation nachgegangen. In den Einrichtungen,<br />

in denen besonders intensiv an einer Optimierung der Pflegeplanung und<br />

-dokumentation gearbeitet wurde, wurde deutlich, dass die Pflegeplanung <strong>für</strong><br />

einige Bewohner/innen zu verändern war und die – teilweise bereits seit einiger<br />

Zeit schon erbrachten – Leistungen besser zu dokumentieren waren. Dadurch<br />

wurde dann ein höherer Pflegeaufwand sichtbar und damit auch die Notwendigkeit,<br />

eine höhere Pflegestufe zu beantragen. Faktisch wurde diesen Anträgen in<br />

jedem Fall entsprochen.<br />

Ist das Kompetenz- und Leistungsniveau der Wohnbereichsteams ähnlich oder gibt<br />

es deutliche Unterschiede? Könnte eine andere Verteilung der examinierten Fachkräfte<br />

auf die Wohnbereiche günstig sein? Diese zweite Frage wurde seltener diskutiert<br />

als die erste, weil man bei Eingriffen in Teams unbedingt Vorsicht walten<br />

lassen wollte. Wenn Umbesetzungen gegen den ausdrücklichen Wunsch der<br />

Beschäftigten erfolgen, können sie zur Demotivation bisher funktionierender<br />

Teams führen und sind kontraproduktiv.<br />

145


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

146 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

So wurde in einer Einrichtung eine Umverteilung der Beschäftigten vorgenommen,<br />

weil gleichzeitig Teams zusammengefasst und Leitungskräfte neu zugeordnet wurden.<br />

Auf diese Weise geriet das ganze System in Bewegung und musste sich neu<br />

orientieren. Spezifische Benachteiligungen oder Bevorzugungen konnten vermieden<br />

werden. In einem anderen Fall kam eine Umsetzung durch das Einverständnis<br />

aller Beteiligten zu Stande und war geprägt von dem Bemühen, eine bessere<br />

Verteilung von Pflegefachkräften mit ausreichendem Beschäftigungsumfang in den<br />

vorhandenen Wohnbereichen zu erzielen.<br />

Gibt es Unterschiede zwischen den Wohnbereichen in Bezug auf die Anzahl der<br />

Mehrarbeitsstunden? Wenn ja, könnte dies ein Hinweis auf Unterschiede in der<br />

Effizienz der Arbeitsorganisation sein und einen Ansatz <strong>für</strong> mögliche Verbesserungen<br />

liefern. Dabei ist jedoch zu beachten, dass solche Unterschiede auch anders,<br />

etwa in langfristigen Krankheitsausfällen von Fachkräften, begründet sein können.<br />

Diese Fragestellung tauchte in einer Referenzeinrichtung gegen Ende der Modelllaufzeit<br />

auf. Es wurden weiter gehende Analysen vereinbart, die jedoch <strong>zum</strong> Zeitpunkt<br />

der Berichtslegung noch nicht abgeschlossen waren.<br />

Zeit- und Ressourcengewinn durch qualifikationsorientierte Arbeitsteilung<br />

Hilfreich <strong>für</strong> die Umsetzung des Konzeptes der Zuständigen Pflegefachkraft war in<br />

mehreren Referenzeinrichtungen, dass die Konzeptempfehlungen zu den mittelbar<br />

bewohnerbezogenen Leistungen mit den darin enthaltenen Hinweisen zu einer qualifikationsorientierten<br />

Arbeitsteilung gleichzeitig umgesetzt wurden. Die Bestandsaufnahme<br />

zu diesem Konzeptbaustein zeigte auf, dass die qualifikationsorientierte<br />

Arbeitsteilung durchaus verbesserungsbedürftig war. In nicht geringem Umfang wurden<br />

Arbeiten, <strong>für</strong> deren Ausführung keine besondere Qualifikation erforderlich war,<br />

von Pflege(fach)kräften ausgeführt. Obwohl etwa in allen Referenzeinrichtungen<br />

hauswirtschaftliche Servicekräfte in den Wohnbereichen tätig waren, übernahmen<br />

Pflegefachkräfte nicht selten den Transport von Essenswagen und -tabletts (bei der<br />

Weitläufigkeit mancher Häuser eine zeitraubende Angelegenheit) oder Tätigkeiten<br />

der Wäscheversorgung oder Reinigung. Reibungsverluste tauchten vereinzelt auch<br />

dadurch auf, dass die hauswirtschaftlichen Kräfte der Küchen- oder Hauswirtschaftsleitung<br />

unterstellt waren und unklar war, ob sie Anweisungen zur Aufgabenerfüllung<br />

von Seiten der Wohnbereichsleitung zu befolgen hatten.<br />

In den mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen ist eindeutig ausgeführt, welche<br />

Aufgaben und Tätigkeiten nur von ausgewiesenen Fachkräften (überwiegend Pflegefachkräfte,<br />

teilweise aber auch Fachkräfte des Sozialen Dienstes) übernommen werden<br />

sollten, und welche auch von „Nicht-Fachkräften“ geleistet werden können 51 .<br />

Möglichkeiten der Steuerung ergaben sich auch in Bezug auf die Tätigkeiten, die<br />

sowohl von Fachkräften wie auch von Nicht-Fachkräften ausgeübt werden können.<br />

Auch hier konnten Einrichtungen durch genaue Prüfung der eigenen Praxis im Alltag<br />

Zuordnungen vornehmen, die einen Zeitgewinn bewirkten.<br />

Ohne genau zu wissen, an welchen Punkten und unter welchen Bedingungen im Alltag<br />

Effizienz mindernde Reibungsverluste auftauchen, ist eine Gegensteuerung kaum<br />

möglich. Passgenaue Lösungen <strong>für</strong> solche Probleme konnten in den Referenzeinrichtungen<br />

dadurch gefunden werden, dass sich Qualitätszirkel, die bereichsübergreifend<br />

besetzt waren, mit der Ist-Analyse und der Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen<br />

befasst haben. Dazu gehörte u.a. auch die Klärung der Weisungsbefugnisse<br />

von Wohnbereichsleitungen gegenüber den Hilfskräften aus anderen<br />

Bereichen: sind diese nicht im Sinne einer angestrebten Multiprofessionalität sowieso<br />

Mitglieder der Wohnbereichsteams, so unterstehen sie während ihrer Anwesenheit<br />

auf den Wohnbereichen der Wohnbereichsleitung.<br />

51 Zu diesen Nicht-Fachkräften zählt das Konzept z.B. Krankenpflegehelfer/innen, Pflegehelfer/innen, Zivildienstleistende und Praktikanten/innen.


Die Bearbeitung des Konzeptbausteins der mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen<br />

hat in einigen Einrichtungen dazu beigetragen, die Zuständige Pflegefachkraft von<br />

Hilfstätigkeiten zu entlasten und so Zeitkontingente <strong>für</strong> das veränderte Aufgabenprofil<br />

zu schaffen.<br />

Kompetenzanforderungen an die Zuständige Pflegefachkraft<br />

Neben der Qualifikation als Pflegefachkraft braucht die Zuständige Pflegefachkraft<br />

auch die Kompetenz <strong>für</strong> Steuerungs- und Koordinationsaufgaben.<br />

In den Referenzeinrichtungen waren nicht alle examinierten Fachkräfte den veränderten<br />

Anforderungen bei der Einführung der Zuständigen Pflegefachkraft bzw. der<br />

Erweiterung des vorhandenen Bezugspflegesystems gewachsen. Deshalb wurden in<br />

mehreren Referenzeinrichtungen die examinierten Pflegekräfte praxisnah unterstützt.<br />

Diese Begleitung geschah nicht nur durch kompakte Fortbildungen <strong>für</strong> kleine Gruppen,<br />

sondern durchaus auch durch Einzelschulungen und kontinuierlich über mehrere<br />

Wochen. Teilweise haben die Modellbeauftragten diese Qualifizierungen übernommen.<br />

Aber selbst wenn diese Aufgabe durch interne Qualitätsbeauftragte, Wohnbereichs-<br />

oder Pflegedienstleiter/innen übernommen wurde, so ist doch festzuhalten,<br />

dass die besonderen Modellbedingungen und die damit zur Verfügung stehenden<br />

erweiterten zeitlichen und personellen Ressourcen diesen Aufwand ermöglicht haben.<br />

Gleichwohl gab es in einzelnen Referenzeinrichtungen auch Pflegefachkräfte, bei<br />

denen trotz aller Qualifizierungsbemühungen kein Lernfortschritt erreicht werden<br />

konnte. Für die Berater/innen rückte dieses Problem die Frage nach systematischer<br />

Personalentwicklung ins Blickfeld, die in diesen Einrichtungen mit Modellbeauftragten<br />

und Leitungskräften thematisiert wurde.<br />

Bildung von „Pflegetandems“<br />

Einige der Referenzeinrichtungen haben die Bezugspflege bzw. das Konzept der Zuständigen<br />

Pflegefachkraft durch die Bildung von Pflegeteams umgesetzt: einer Pflegefachkraft<br />

und einer nichtexaminierte Pflegekraft waren oder wurden im Verlauf des Modells eine<br />

bestimmte Anzahl von Bewohner/innen zugeordnet. Selbstverständlich war die Funktion<br />

der Zuständigen Pflegefachkraft der examinierten Kraft vorbehalten. Trotzdem konnten<br />

solche Tandems die Kontinuität der Unterstützung in höherem Maße sichern als die Organisation<br />

der Pflege auf einzelne Zuständige Pflegefachkräfte. Außerdem konnten auf diese<br />

Weise Kompetenzen besser vernetzt werden.<br />

Anpassung der Stellenbeschreibungen/Tätigkeitsprofile<br />

Die oben skizzierte Ausgangssituation, auf die das Konzept der Zuständigen Pflegefachkraft<br />

in den Referenzeinrichtungen traf, deutet es schon an: obwohl in der<br />

großen Mehrheit der 20 Einrichtungen nach dem Bezugspflegesystem gearbeitet<br />

wurde, waren in einigen Einrichtungen Anpassungen der Stellenbeschreibungen<br />

bzw. der Tätigkeitsprofile erforderlich. Das Konzeptpapier mit seiner detaillierten<br />

Beschreibung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten bot da<strong>für</strong> eine gute Grundlage.<br />

Inhaltlich bezogen sich die vorgenommen Anpassungen insbesondere auf die Steuerungs-<br />

und Koordinierungsleistungen, die von der Zuständigen Pflegefachkraft zu<br />

erbringen sind und auf die Funktion, als solche auch als „Hauptansprechpartner/in“<br />

im Zusammenhang mit den Rahmenkonzepten zu fungieren. Die oben bereits<br />

erwähnte genauere Analyse der jeweils gegebenen Ausgangslage hat dazu verholfen,<br />

auch die Zeitkorridore aufzufinden, in denen diese Leistungen erbracht werden<br />

konnten.<br />

Mit der Anpassung der Stellenbeschreibung bzw. Tätigkeitsprofile war verbunden, dass<br />

die Vertretungsfrage geregelt wurde: so wurden etwa alle Zuständigen Pflegefachkräfte<br />

eines Wohnbereichs in ein System wechselseitiger Vertretung eingebunden.<br />

147


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

148 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

die hierarchische Positionierung der examinierten Zuständigen Pflegefachkräfte<br />

und der nicht examinierten Pflege- und Hilfskräfte zueinander geregelt wurde: die<br />

Steuerungs- und Koordinierungsverantwortung schloss in gewissem Maße auch<br />

Weisungsbefugnisse der Zuständigen Pflegefachkraft und deren direkte Kommunikation<br />

mit Mitarbeitern anderer Dienstbereiche (Sozialer Dienst, Küche, Hauswirtschaft,<br />

Haustechnik) ein. Soweit von solchen Diensten auch unmittelbar bewohnerbezogene<br />

Leistungen erbracht wurden, gehörten diese ebenfalls in die Steuerungsverantwortung<br />

der Zuständigen Pflegefachkraft.<br />

In einzelnen Einrichtungen wurden parallel auch die Tätigkeitsprofile der Wohnbereichsleitungen<br />

entsprechend optimiert. Dazu wurde beispielsweise eine tabellarische<br />

Übersicht erstellt, bei der in zwei Spalten die Aufgaben, Befugnisse und Verantwortlichkeiten<br />

der Wohnbereichsleitung und der Zuständigen Pflegefachkraft einander<br />

gegenübergestellt wurden. Auf diese Weise ließ sich gut verdeutlichen, dass die<br />

Zuständige Pflegefachkraft die Wohnbereichsleitung nicht überflüssig macht. Vorgebeugt<br />

wurde damit auch der Gefahr, dass sich Wohnbereichsleitungen durch die<br />

Umsetzung des Konzeptbausteins entwertet fühlen könnten.<br />

Anpassung der Dienstzeiten<br />

Auch eine vollzeitbeschäftigte Zuständige Pflegefachkraft kann nicht rund um die Uhr<br />

tätig sein. Um ihrer Funktion als Hauptansprechpartnerin und als „Navigatorin des<br />

Pflegeprozesses“ gerecht werden zu können, ist es günstig, wenn sie die ihr zugeordneten<br />

Bewohner/innen zu unterschiedlichen Tageszeiten und auch am Wochenende<br />

erlebt.<br />

In einigen Häusern gab es examinierte Kräfte, die nur oder schwerpunktmäßig in<br />

bestimmte Schichten – z.B. im Frühdienst oder nur in Ausnahmefällen an Wochenenden<br />

– tätig waren. Die Mehrzahl der Häuser beschäftigte Mitarbeiter/innen, die ausschließlich<br />

die Nachtdienste übernahmen.<br />

Bei der Umsetzung des Konzepts der Zuständigen Pflegefachkraft haben einige der<br />

Einrichtungen solche Merkmale der Arbeitsorganisation verändert, wobei die<br />

Gründe <strong>für</strong> Veränderungen manchmal nicht oder nicht nur in den Innovationsanforderungen<br />

des Modellprojekts zu verorten waren. In einigen Häusern fügten sich<br />

diese Anforderungen passgenau in Planungen auf der Trägerebene oder unabhängig<br />

vom Referenzprojekt begonnene Entwicklungsprozesse ein.<br />

Ziel der veränderten Dienstplangestaltung war es, ausreichend flexible Dienstzeiten<br />

<strong>für</strong> die Zuständigen Pflegefachkräfte bzw. Pflegetandems festzulegen. Dazu gehörte<br />

<strong>zum</strong> Einen die Festlegung, dass die Pflege(fach)kräfte in Zukunft sowohl Früh- als auch<br />

Spätdienste zu übernehmen hatten. Einzelne Einrichtungen begannen im Projektverlauf<br />

damit, den reinen Nachtdienst abzubauen und alle Pflege(fach)kräfte in allen<br />

Schichten einzusetzen (Dreischichtsystem oder 24-Stunden-Pflege). Zum Anderen<br />

wurde in einzelnen Einrichtungen auch über den Beschäftigungsumfang der Zuständigen<br />

Pflegefachkräfte verhandelt, um allzu geringe Teilzeitstellen zu erweitern.<br />

Möglich war dies nach intensiven Gesprächen mit den Beschäftigten, in denen die<br />

Einrichtungs- und Pflegedienstleitung die Veränderung begründet und um deren Einverständnis<br />

geworben haben. Unverzichtbar war dabei, mindestens vorübergehend<br />

individuelle Lösungen <strong>für</strong> Mitarbeiter/innen in besonderen Lebensumständen zu finden.<br />

Auf diese Weise wurde der Gefahr begegnet, die Pflege(fach)kräfte zu demotivieren<br />

und in ihnen den Eindruck zu erwecken, Verlierer der Entwicklung zu sein.<br />

Verdeutlichung der Zuordnung gegenüber Bewohner/-innen und Angehörigen<br />

Für Angehörige oder interne und externe Kooperationspartner und manchmal auch<br />

<strong>für</strong> die einzelnen Bewohner/-innen war in den Referenzeinrichtungen eine Bezugspflege<br />

nicht immer erkennbar. Da bestimmte Tätigkeiten, wie die der Pflegeplanung<br />

oder die Information von Kollegen in der Übergabe von diesen Personen nicht wahr-


genommen wurden, musste es aus ihrer Perspektive so scheinen, als seien viele<br />

Pflege(fach)kräfte – nämlich immer die im Dienst befindlichen – zuständig. Hinzu<br />

kam, dass bei komplizierten Fragen, Problemen oder Beschwerden in vielen Fällen<br />

an die Wohnbereichs- oder Pflegedienstleitung verwiesen wurde bzw. verwiesen<br />

werden musste.<br />

Wo dies nicht schon vor Projektbeginn selbstverständlich war, wurde in einigen Referenzeinrichtungen<br />

eindeutig festgelegt, dass sich die Zuständige Pflegefachkraft<br />

gegenüber „ihren“ Bewohnern/innen, deren Angehörigen und allen wichtigen internen<br />

und externen Kooperationspartner auch als solche zu präsentieren hatte. Darüber<br />

hinaus wurde da<strong>für</strong> gesorgt, dass sich der Name der Zuständigen Pflegefachkraft<br />

auf allen Schriftstücken befand, die <strong>zum</strong> jeweils einzelnen Bewohner weitergegeben<br />

wurden, z.B. wurde eine angehängte Visitenkarte dem Informationsmaterial <strong>für</strong><br />

Angehörige neuer Bewohner/innen beigefügt. Natürlich wurde der Name der<br />

Zuständigen Pflegefachkraft auch auf dem Überleitungsbogen bei Krankenhausaufenthalten<br />

vermerkt.<br />

Einige Häuser haben außen neben der Zimmertür der Bewohner/innen oder innen an<br />

einer Zimmerwand Schilder mit den Namen der Bezugspflegekräfte angebracht. Solche<br />

Maßnahmen mögen verglichen mit anderen banal wirken, sie beinhalteten aber<br />

eine nicht zu unterschätzende heimliche Botschaft. Für Bewohner/innen und<br />

Angehörige sagten sie: in dieser Einrichtung gibt es jemanden, der sich besonders<br />

intensiv kümmern wird, der bei Problemen und Fragen angesprochen werden kann.<br />

Nach innen, gegenüber den Pflege(fach)kräften und allen anderen Beschäftigten steckt<br />

darin die Aussage: wir meinen es ernst mit der Zuordnung der Verantwortlichkeiten.<br />

2.2.3 Probleme im Umsetzungsprozess und wie sie bewältigt wurden<br />

Je nach Ausgangslage in den Referenzeinrichtungen hat das Konzept der Zuständigen<br />

Pflegefachkraft gravierend nicht nur in die vorhandene Arbeitsorganisation, sondern<br />

auch in das vorhandene berufliche Selbstverständnis der Pflegekräfte eingegriffen und<br />

deren Selbstwertgefühl tangiert. Entsprechend hoch war in manchen Fällen die Verunsicherung<br />

und entsprechend heftig ein daraus resultierender Widerstand. Auch kam<br />

es manchmal durch Veränderungen der Positionierung und der Arbeitsteilung zu Reibungen<br />

zwischen examinierten und nicht examinierten Pflegekräften. Auch wenn es<br />

zur Verhinderung solcher Schwierigkeiten keine Patentrezepte gibt, so lassen sich<br />

doch aus den Erfahrungen der Referenzeinrichtungen bestimmte Faktoren benennen,<br />

die Unruhe und Unmut dämpften und eine erfolgreiche Umsetzung beförderten.<br />

Von wesentlicher Bedeutung war in den Referenzeinrichtungen die Beteiligung der<br />

Mitarbeiter/innen an der Ausgestaltung der neuen Arbeitsorganisation. Die Einbindung<br />

der Pflegekräfte bei der Formulierung des Anforderungsprofils der<br />

Zuständigen Pflegefachkraft, bei der Bildung der Bewohnergruppen sowie bei der<br />

Gestaltung der Arbeitsteilung zwischen examinierten und nicht examinierten Kräften<br />

hat die Akzeptanz des Konzepts deutlich befördert.<br />

Um den Be<strong>für</strong>chtungen von Fachkräften, den veränderten Aufgaben nicht gewachsen<br />

zu sein, entgegenzuwirken, haben Leitungskräfte in Referenzeinrichtungen<br />

da<strong>für</strong> gesorgt, dass Unsicherheiten oder Fehler ohne Angst vor Sanktionen eingestanden<br />

werden konnten. Statt mit kritischen Bewertungen oder Rügen zu regieren,<br />

wurde in solchen Fällen überlegt, wie unterstützt bzw. der Fehler zukünftig<br />

vermieden werden könnte.<br />

Bei grundlegenden Veränderungen der Anforderungen benötigen Mitarbeiter/innen<br />

Zeit, diese zu verinnerlichen. Deshalb war es eine empfehlenswerte<br />

Strategie, eine Zeitphase der Erprobung und des Hineinwachsens festzulegen,<br />

in der die konkreten Erfahrungen häufig besprochen und ausgewertet wurden.<br />

Die Erprobungszeit ist durch die Leitungskräfte eng begleitet worden, d. h.<br />

die Wohnbereichsleitungen mussten aufmerksam beobachten, wie die Fachkräfte<br />

mit den Veränderungen zu Recht kommen und deren Erfahrungen in Einzel- und<br />

Teamgesprächen immer wieder erfragen. Der Stand der Erprobung war während<br />

149


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

150 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

dieser Zeit regelmäßiger Tagesordnungspunkt bei Besprechungen zwischen Pflegedienst-<br />

und Wohnbereichsleitung. Zusätzlich wurden die Erfahrungen in<br />

gemeinsamen Sitzungen von WBL, PDL und Pflegeteam ausgewertet.<br />

Als Fazit lässt sich feststellen, dass das ZPFK-Konzept <strong>für</strong> die Bewohner/innen und<br />

deren Angehörige die Chance verbessert hat, eine vertrauensvolle Beziehung zu<br />

„ihrer“ Pflegefachkraft aufzubauen. Die vorgenommenen Entlastungen der Zuständigen<br />

Pflegefachkräfte von pflegerischen Aufgaben stellte keine Reduzierung des Kontakts<br />

<strong>zum</strong>/zur Bewohner/in dar, sondern verlagerte und intensivierte ihn. Um ihre<br />

Planungs- und Steuerungsaufgaben gut erfüllen zu können, musste die Zuständige<br />

Pflegefachkraft jederzeit darüber informiert sein, wie es „ihren“ Bewohner/innen<br />

ging und ob die Qualität der Pflegeleistung ihrem Bedarf und ihren Bedürfnissen entsprach.<br />

Dies konnte sie nur, wenn sie in regelmäßigem und intensivem Kontakt<br />

<strong>zum</strong>/zur einzelnen Bewohner/in stand.<br />

Ängste und Widerstände einzelner Fachkräfte konnten durch die Begleitung und<br />

Schulung abgebaut oder gemindert werden. Aus Sicht der Organisationsberatung<br />

waren fast alle Referenzeinrichtungen <strong>zum</strong> Ende der Projektlaufzeit dem Ziel der Konzeptumsetzungen<br />

sehr nahe gekommen. Dass nicht überall eine vollständige Realisierung<br />

erreicht werden konnte, lag daran, dass einige der dargestellte Hindernisse<br />

noch eine zusätzliche Bearbeitungszeit benötigen.<br />

2.2.4 Die Kooperation zwischen Pflege und Sozialem Dienst<br />

Bei der Bearbeitung des Modellkonzeptes sind viele der Referenzeinrichtungen bei<br />

der Soll-Ist-Analyse mehrerer unterschiedlicher Konzeptbausteine auf Unzulänglichkeiten<br />

in der Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen gestoßen. In besonderem<br />

Maße galt dies <strong>für</strong> die Kooperation zwischen Pflege und Sozialem Dienst. Eine<br />

gute Vernetzung von Pflege und Sozialem Dienst ist von wesentlicher Bedeutung <strong>für</strong><br />

die Umsetzung von Anforderungen, die mit den Konzepten <strong>zum</strong> pflegerischen Assessment<br />

und der damit verbundenen Erhebung von biografischen Informationen, mit<br />

den Leistungsbeschreibungen und den Rahmenkonzepten <strong>zum</strong> Heimeinzug und zur<br />

Angehörigenarbeit einher gehen. Eine erfolgreiche Umsetzung dieser Konzeptbausteine<br />

kann nur gelingen, wenn<br />

<strong>für</strong> die Planung unterschiedliche Informationen zur Bedarfslage des Bewohners<br />

miteinander in Verbindung gebracht und genutzt werden,<br />

alle Fachkräfte, die mit dem Bewohner und seinen Angehörigen vor und nach<br />

dem Heimeinzug zu tun haben und auf unterschiedlichen Wegen Kenntnis zu seiner<br />

Biografie, seinen Ressourcen und Problemen erhalten, ihr Wissen systematisch<br />

und regelmäßig austauschen, so dass es in die Pflegeplanung und deren regelmäßige<br />

Evaluation einfließen kann,<br />

die Durchführung von Leistungen zwischen unterschiedlichen beteiligten Diensten<br />

gut koordiniert und abgestimmt werden.<br />

Die Ausgangslage in vielen Referenzeinrichtungen stellte sich anders dar.<br />

2.2.5 Strukturelle Hindernisse <strong>für</strong> Zusammenarbeit und die Umsetzung<br />

des <strong>Referenzkonzept</strong>es<br />

Die Sammlung von Informationen zur Bedarfslage von Bewohner/innen, die Erbringung<br />

von Leistungen der Ressourcenförderung und -erhaltung, biografieorientierte<br />

Angebote und die Begleitung von Angehörigen sind Querschnittsaufgaben, die meist<br />

von mehreren Arbeitsbereichen erbracht werden, z.B. von Pflege und Sozialem<br />

Dienst sowie Physiotherapeuten, anderen Berufsgruppen und nicht zuletzt auch<br />

Ehrenamtlichen. Für die Leitungsebenen ist es eine wichtige Aufgabe da<strong>für</strong> zu sorgen,<br />

dass die Leistungen der verschiedenen Dienste aufeinander abgestimmt werden.<br />

In vielen der Referenzeinrichtungen fanden sich Strukturen, die eine solche Koordination<br />

eher behinderten als förderten. Pflege und Sozialer Dienst gehörten oft unterschiedlichen<br />

Abteilungen an und hatten unterschiedliche Vorgesetzte. Die Pflege-


kräfte arbeiteten wohnbereichsbezogen, der Soziale Dienst überwiegend einrichtungsübergreifend.<br />

Es gab keinen systematischen Austausch, durch den sich die<br />

unterschiedlichen Professionen mit ihren verschiedenen und teilweise konkurrierenden<br />

fachlichen Vorstellungen hätten näher kommen können.<br />

Es ist in der Fachwelt unstrittig, dass die Pflegeversicherung in ihrer derzeitigen Form<br />

ein verkürztes Pflegeverständnis fördert. Für die Einstufung von Bewohner/innen in<br />

Pflegestufen und damit <strong>für</strong> die Entgelte der Einrichtungen werden praktisch nur Leistungen<br />

berücksichtigt, die einer medizinisch-somatischen Betreuung zuzurechnen<br />

sind. Entsprechend arbeiteten auch die Einrichtungen der Altenpflege nach diesem<br />

verkürzten Pflegeverständnis, das die somatischen und die medizinischen Leistungen<br />

in Zuständigkeit der Pflege ansiedelt, die psychosozialen Leistungen beim Sozialen<br />

Dienst. Einzelgespräche wurden zwar selbstverständlich auch vom Pflegepersonal<br />

geführt, meist aber nicht als geplante regelmäßige zielgerichtete Leistung (wie in den<br />

Leistungsbeschreibungen gefordert), sondern wenn Zeit war, in Verbindung mit Hilfen<br />

bei den alltäglichen Verrichtungen. Pflegesystem und Pflegekonzept bezogen sich<br />

im Verständnis der meisten Heime nur auf das Pflegepersonal und deren Aufgaben.<br />

Die Arbeit des Sozialen Dienstes fand fast völlig isoliert von der Pflege statt. Die<br />

Angebote <strong>für</strong> die Bewohner/innen wurden in der Pflegeprozessplanung nicht berücksichtigt;<br />

umgekehrt folgte die eigenständige Angebotsplanung des Sozialen Dienstes<br />

nicht dem Pflegeprozessmodell. Eine Zusammenarbeit bei der Erstellung individueller<br />

Pflegeplanungen und bei deren Evaluation war nicht vorhanden.<br />

In vielen Einrichtungen waren es die Fachkräfte des Sozialen Dienstes, die biografische<br />

Informationen beim Heimeinzug erhoben. Nicht selten geschah dies, indem ein entsprechender<br />

Fragebogen an die Angehörigen eines Bewohners weitergegeben wurde mit<br />

der Bitte ihn auszufüllen. Der Rücklauf wurde kaum kontrolliert. Ausgefüllte Bögen wurden<br />

oft auch nicht an die Pflegekräfte weitergegeben. Kontinuierliche Fortschreibung<br />

und biografisches Arbeiten als Element des Pflegeverständnisses gab es zwar als Proklamation<br />

in Konzeptionen, aber nicht systematisch umgesetzt in der Praxis.<br />

Fast allen Häusern fehlte der Überblick, ob Leistungen der psychosozialen Intervention<br />

und der Mobilitätsförderung wirklich bedarfsangemessen erbracht wurden, d. h.<br />

ob alle Bewohner/innen, die solcher Maßnahmen bedurften, diese auch erhielten.<br />

Wie sich nach genauerer Analyse zeigte, kamen insbesondere demente und in der<br />

Mobilität eingeschränkte Bewohner/innen deutlich zu kurz, ein großer Teil dieser<br />

Bewohner/innen erhielt auch in den Häusern mit höherem Leistungsniveau keine<br />

geplanten Leistungen dieser Art. Umgekehrt wurde jedoch teilweise auch eine Vielzahl<br />

von „Betreuungen“ nebenbei erbracht, die den Mitarbeitern/innen nicht als Leistungen<br />

bewusst waren, ohne Planung und Absprachen und ohne Dokumentation.<br />

2.2.6 Lösungswege:<br />

Optimierte Vernetzung zwischen Pflege und Sozialem Dienst<br />

Aus Sicht der Organisationsberatung war eine bessere Kooperation und Koordination<br />

von Pflege und Sozialem Dienst von zentraler Bedeutung <strong>für</strong> die erfolgreiche<br />

Umsetzung der Konzeptbausteine. Aus diesem Grund wurden, bezogen auf diesen<br />

Schwerpunkt besondere Beratungsleistungen erbracht. In Bezug auf die oben skizzierten<br />

Probleme und ihre Bedeutung wurde eine schriftliche Handreichung erstellt,<br />

die Grundlage war <strong>für</strong> intensive Diskussionen bei Regionalgruppensitzungen und den<br />

Gesprächen in den Einrichtungen vor Ort sowie <strong>für</strong> bereichsübergreifende Workshops,<br />

die in mehreren Einrichtungen durchgeführt wurden.<br />

In einer Reihe von Einrichtungen wurden die in der Handreichung aufgeführten Fragestellungen<br />

bearbeitet. Fast überall wurden Bestandsaufnahmen durchgeführt, um<br />

zu prüfen, wo in der Zusammenarbeit zwischen Sozialem Dienst und Pflege Probleme<br />

auftreten und welche Bewohner/innen durch psychosoziale Angebote erreicht wurden<br />

und welche nicht. Diese Analysen deckten Entwicklungsbedarfe auf, die in allen<br />

Häusern angegangen wurden, allerdings wurden manchmal weiterreichende struktu-<br />

151


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

152 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

relle Änderungen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und erst gegen Ende der<br />

Modelllaufzeit in Angriff genommen. In manchen Fällen war die Veränderung auch<br />

erst <strong>für</strong> die Zeit nach dem Projekt vorgesehen.<br />

Um die Anforderungen einer biografieorientierten und ressourcenfördernden Pflege<br />

im Alltag besser als bisher umzusetzen, sind unterschiedliche Wege möglich. Im Rahmen<br />

dieses Kapitels soll dargestellt werden, wie durch die Gestaltung der Aufbauund<br />

Ablauforganisation die strukturellen Voraussetzungen <strong>für</strong> eine Vernetzung von<br />

Pflege und Sozialem Dienst geschaffen wurden.<br />

Zu unterscheiden sind <strong>für</strong> solche Strukturinterventionen im Wesentlichen zwei Varianten.<br />

Die Erste zielte auf die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Pflege,<br />

Sozialem Dienst und ggf. weiteren Berufsgruppen und beschränkte sich auf Veränderungen<br />

der Ablauforganisation. Die Zweite veränderte die Aufbauorganisation, weil<br />

Fachkräfte unterschiedlicher Dienste in die Pflegeteams der Wohnbereiche integriert<br />

wurden.<br />

Um herauszufinden, ob und wie die vorhandenen Regelungen die Zusammenarbeit<br />

zwischen Pflege und Sozialem Dienst stützten oder nicht, wurde in den Referenzeinrichtungen<br />

mit einer kritischen Bestandsaufnahme des Prozesses zur Erhebung biografischer<br />

Informationen neuer Bewohner/innen begonnen. Bei der Veränderungen<br />

dieser Ablaufregelungen im Sinne der ersten Variante verblieb die Erstberatung von<br />

Bewohner/innen und Angehörigen in Zusammenhang mit einem vorgesehenen Heimeinzug<br />

i.d.R. in der Zuständigkeit der zuvor verantwortlichen Stelle, etwa dem<br />

Sozialen Dienst oder einer der Heimleitung meist direkt unterstellten Heimeinzugsberatung.<br />

Festgelegt wurde dann,<br />

wie Angehörigen und zukünftigen Bewohner/innen die Bedeutung der Erhebung<br />

biografischer Informationen nahe zu bringen ist,<br />

auf welche Weise die Kontrolle des Rücklaufes von Fragebögen erfolgt,<br />

wann und auf welche Weise der Biografiebogen an die Pflege übermittelt und zu<br />

einer der Grundlagen der Pflegeplanung und <strong>zum</strong> Bestandteil der Pflegedokumentation<br />

wird,<br />

dass der Biografiebogen fortlaufend zu ergänzen ist und sich nicht nur auf die<br />

Vergangenheit beziehen soll: die Biografie endet nicht mit dem Heimeinzug!<br />

In den Referenzeinrichtungen waren <strong>für</strong> diese Schritte meist nur wenige kleine Korrekturen<br />

oder Konkretisierungen der vorhandenen Ablaufregelungen erforderlich.<br />

Schwieriger war die Frage zu lösen, wie neue Kenntnisse, die unterschiedliche Mitarbeiter/innen<br />

im Kontakt mit einzelnen Bewohner/innen erhielten, transparent<br />

gemacht werden konnten. Nur einige der Referenzeinrichtungen verfügten über eine<br />

EDV-gestützte Pflegedokumentation, die <strong>für</strong> die unterschiedlichen Dienste zugänglich<br />

war und in die von unterschiedlichen Stellen eingetragen werden konnte. Aber selbst<br />

wenn dies überall der Fall gewesen wäre, ist damit das eigentliche Problem nicht<br />

gelöst. Schriftlich dokumentierte Informationen stellen notwendigerweise immer Verkürzungen<br />

dar. Selbst wenn sie gut gelungen sind, besteht die Gefahr von Lücken,<br />

Missverständnissen und Fehldeutungen. Die Vernetzung des Wissens unterschiedlicher<br />

Personen braucht auch eine mündliche Kommunikation. In solchen Diskursen<br />

können nicht nur Informationen zusammengetragen, sondern kann auch über deren<br />

Bedeutung <strong>für</strong> den einzelnen Bewohner und seine Unterstützung und Begleitung<br />

reflektiert werden.<br />

Ziel war es also, die Kommunikation aller relevanten Fachkräfte zu verdichten. Um<br />

dies zu erreichen, wurden in vielen Referenzeinrichtungen regelmäßige und systematische<br />

gemeinsame Fallbesprechungen von Pflegeteams und Sozialem Dienst eingeführt<br />

und da<strong>für</strong> gesorgt, dass Mitarbeiter/innen des Sozialen Dienstes regelmäßig an<br />

Übergaben in den Wohnbereichen teilnahmen.


Besonders gelungen scheint eine Regelung aus einigen Referenzeinrichtungen, nach<br />

der Fallbesprechungen zu jedem neuen Bewohner wenige Wochen nach seinem Einzug<br />

stattzufinden haben. Eine schriftliche Ergänzung biografischer Informationen<br />

erfolgte nach dieser Besprechung durch die Zuständige Pflegefachkraft oder von dieser<br />

koordiniert.<br />

Diese gemeinsamen Fallbesprechungen wurden in Referenzeinrichtungen – die diese<br />

Form systematischer Reflexion vorher nicht kannten – zu einem festen Bestandteil der<br />

Besprechungsmatrix. Um Zeit da<strong>für</strong> zu gewinnen, wurden andere Besprechungsforen<br />

genutzt und deren Ablauf neu festgelegt. So gab es etwa die Lösung, einmal<br />

wöchentlich die normalerweise halbstündige Übergabe zwischen Früh- und Spätdienst<br />

auf 20 Minuten zu verkürzen, insgesamt aber um fünf Minuten zu verlängern<br />

um dadurch 15 Minuten <strong>für</strong> die Fallbesprechung eines Bewohners zu gewinnen.<br />

Oder die Teambesprechungen der Wohnbereiche wurden inhaltlich konzentriert und<br />

von allem befreit, was auch schriftlich z.B. über interne Hausmail mitgeteilt werden<br />

konnte. Auf diese Weise gewann man ebenfalls Zeit <strong>für</strong> Fallbesprechungen.<br />

Da die Anzahl der Fallbesprechungen auf diese Weise höher war als Neueinzüge<br />

von Bewohner/innen, war es wichtig, ein Auswahlsystem <strong>für</strong> die zu besprechenden<br />

Bewohner/innen festzulegen. Auch hier gab es unterschiedliche Vorgehensweisen.<br />

Da der Sinn der Fallbesprechung letztlich darin besteht, die individuelle Pflege so<br />

bewohnerorientiert und bedarfsangemessen wie möglich zu gestalten, war es wichtig,<br />

ein Prinzip zu finden, durch das möglichst alle Bewohner/innen irgendwann<br />

erreicht werden. Wird die Auswahl den Pflegekräfte überlassen, besteht die Gefahr,<br />

dass immer wieder nur solche Bewohner/innen besprochen werden, bei deren Pflege<br />

Probleme auftauchen. Die regelmäßig anstehende Evaluation der Pflegeplanung<br />

könnte eine Lösung darstellen, aber wenn deren Zahl nicht in Einklang zu bringen ist<br />

mit den Zeitressourcen <strong>für</strong> die Fallbesprechungen muss auch hier wieder ein Auswahlprinzip<br />

her. Einzelne Einrichtungen haben deshalb den Weg gewählt, bei<br />

Besprechungen unabhängig von Neueinzügen – die immer Vorrang haben – im<br />

Wechsel vorzugehen: immer ein Bewohner wurde entsprechend einer alphabetischen<br />

Reihenfolge ausgewählt, der nächste konnte bei Bedarf von den Pflegekräften aufgrund<br />

eines aktuellen Anlasses vorgeschlagen werden, bei der folgenden Fallbesprechung<br />

war dann wieder die alphabetische Reihenfolge gültig.<br />

2.2.7 Dezentralisierung des Sozialen Dienstes<br />

Einige Referenzeinrichtungen haben die Zielsetzung der zweiten Variante gewählt<br />

und auch die Aufbauorganisation verändert, den Sozialen Dienst dezentralisiert und<br />

den Wohnbereichen zugeordnet. Die Mitarbeiter/innen des Sozialen Dienstes wurden<br />

Mitglieder der Wohnbereichsteams und unterstanden damit der Wohnbereichsleitung.<br />

Verändert wurden auch die Aufgabenbeschreibungen: zentrale wohnbereichsübergreifende<br />

Angebote <strong>für</strong> Bewohnergruppen und insbesondere solche <strong>für</strong><br />

Bewohner/innen mit relativ geringen gesundheitlichen Einschränkungen wurden<br />

reduziert zugunsten von wohnbereichsbezogenen Angeboten – insbesondere auch<br />

solchen, durch die bisher eher vernachlässigte immobile und demente<br />

Bewohner/innen erreicht werden konnten. Um dies zu gewährleisten wurden auch<br />

die Dienstzeiten bedarfsangemessen angepasst: Unterstützungsangebote sollten<br />

idealerweise an sieben Wochentagen und auch in den Abendstunden erbracht werden<br />

können.<br />

Manche Referenzeinrichtungen konnten eine solche Veränderung der Aufbauorganisation<br />

im Projektverlauf noch nicht umsetzen, weil die vorhandene personelle Besetzung<br />

des Sozialen Dienstes (etwa: zwei Mitarbeiter, vier Wohnbereiche) dies unmöglich<br />

machte. In dem erwähnten Strategiepapier der Organisationsberatung wird auf<br />

die Möglichkeit mittelfristiger strategischer Zielsetzung und Personalplanung verwiesen:<br />

bei Ausscheiden von Fachkräften besteht die Möglichkeit, vorhandene Stellen<br />

mit Teilzeitkräften zu besetzen, um so die Flexibilität zu erhöhen.<br />

153


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

154 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die Integration von Mitarbeiter/innen des Sozialen Dienstes in die Wohnbereiche<br />

machte die Wahrnehmung übergreifender Aufgaben nicht überflüssig. Einige Referenzeinrichtungen<br />

haben deshalb mit den Fachkräften des Sozialen Dienstes individuelle<br />

fachliche Schwerpunktsetzungen und die Weiterentwicklung vorhandener Konzepte<br />

(Arbeit mit demenziell Erkrankten, Palliativpflege, Werbung und Begleitung<br />

von Ehrenamtlichen u.ä.) vereinbart. Verbunden mit solchen Schwerpunktsetzungen<br />

war auch die Anforderung, einrichtungsintern als Multiplikator des erweiterten Fachwissens<br />

zu fungieren.


3. Qualitätsmanagement in der stationären Altenpflege<br />

Die Umsetzung des <strong>Referenzkonzept</strong>es hat in hohem Maße das Qualitätsmanagement<br />

(QM) der Referenzeinrichtungen berührt. Man kann sagen, dass die Umsetzung<br />

der Konzeptbausteine schließlich einen gewichtigen Teil des QM der Einrichtungen<br />

ausgemacht und bereits vorhandene Standards erweitert, teils auch korrigiert hat.<br />

Ein überwiegender Teil der stationären Altenpflegeeinrichtungen verfügt über ein<br />

systematisches QM-System oder ist dabei, ein solches aufzubauen. Unter den 20<br />

Referenzeinrichtungen gab es aber immerhin vier, die noch nicht mit dem Aufbau<br />

eines QM-Systems begonnen hatten.<br />

Als QM wird in den Einrichtungen der stationären Altenpflege sowohl die Gesamtheit<br />

des Führungshandelns – das „managen der Leistungsqualität“ –, als auch die<br />

Summe der Verfahren bezeichnet, welche die Sicherung und Weiterentwicklung der<br />

Leistungsqualität regeln. Zu den Grundpfeilern der Qualitätsphilosophie gehört die<br />

Orientierung am „Kunden“, d. h. an den Bedürfnissen, Wünschen, Bewertungskriterien<br />

der Adressaten einer Leistung. Zugrunde liegt diesem Prinzip <strong>zum</strong> einen ein legitimes<br />

marktpolitisches Kalkül: ein hoher Grad von Kundenzufriedenheit hilft, die<br />

Marktchancen eines Unternehmens zu sichern. In den sozialen Arbeitsfeldern, wie<br />

auch in der Altenpflege, ist dieses Prinzip klar verbunden mit grundlegenden ethischen<br />

Prämissen, einem bestimmten Menschenbild und sozialpolitischen Zielorientierungen:<br />

„Kunden“-, also Bewohnerorientierung in Altenpflegeheimen wird nicht nur<br />

verstanden als Mittel, um im Wettbewerb mit anderen Anbietern die Belegung der<br />

eigenen Plätze zu sichern. Vielmehr ist sie gleichzeitig und unverzichtbar Ausdruck<br />

einer Haltung, die prinzipiell menschenwürdiges Leben gewährleisten will. Konkret<br />

wird dies in einem pflegerischen Handeln, das alle Kontakte zu Bewohner/innen<br />

respektvoll, empathisch und fachkompetent gestaltet und sich dabei an den Leitprinzipien<br />

der Biografie- und Präventionsorientierung und Ressourcenerhaltung und -Förderung<br />

ausrichtet.<br />

Für die praktische Realisierung von QM-Systemen können unterschiedliche Modelle<br />

herangezogen werden. Als das verbreitetste Qualitätsmanagementsystem in der stationären<br />

Altenpflege ist das Modell DIN-EN-ISO 9000 ff: 2000 anzusehen, das auch<br />

einigen trägerspezifischen Ansätzen (AWO, Diakonie) als Grundlage dient. 52<br />

Die Anforderungen <strong>für</strong> ein QM-System – hier dargestellt am Beispiel des DIN-EN-ISO<br />

9001 Modells – beziehen sich auf vier zentrale Bereiche, die in einem Unternehmen<br />

dazu dienen, die Erbringung von Dienstleistungen sicher zu stellen:<br />

Die Verantwortung der Leitung <strong>für</strong> die gesamte Gestaltung des QM-Systems entsprechend<br />

des Steuerungskreislaufes der Planung, Ausführung, Überprüfung, und<br />

Verbesserung,<br />

das Managen der Ressourcen, insbesondere Personalmanagement und Personalentwicklung,<br />

aber auch die Sorge <strong>für</strong> die benötigten Arbeits- und Sachmittel,<br />

die Sicherung der „Produktrealisierung“, also aller Prozesse, durch welche die<br />

Dienstleistungen eines Unternehmens erbracht werden,<br />

die Messung, Analyse und Verbesserung der Dienstleistungen.<br />

Das QM-System eines Unternehmens ist in einem QM-Handbuch schriftlich darzulegen.<br />

52 Einen guten Überblick über unterschiedliche Modelle und Vorgehensweisen bieten die Veröffentlichungen von C.Loffing/S. Geise (Hrsg.):<br />

Management und Betriebswirtschaftslehre in der ambulanten und stationären Altenpflege, Bern, 1. Auflage 2005 und von P. Gerull:<br />

Qualitätsmanagement sozialer Dienstleistungen, vom Autor als CD-Rom vertrieben und 2003 erschienen; erhältlich über www.petergerull.de<br />

155


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

3.1 Gute Pflege und einrichtungsinternes Qualitätsmanagement<br />

156 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die Normanforderungen von QM-Systemen regeln nicht die Qualität im Sinne der<br />

Güte einer Dienstleistung. Sie stellen vielmehr auf überprüfbar gesicherte Rahmenbedingungen<br />

und Verlässlichkeitsnachweise <strong>für</strong> die Dienstleistungsprozesse ab. D. h.<br />

die Normanforderungen beziehen sich nicht auf die inhaltliche Güte eines Prozesses<br />

(wie etwa die Begleitung des Einzugs eines neuen Bewohners) sondern darauf, dass<br />

Regelungen <strong>für</strong> diesen Prozess nachweislich existieren und eingehalten werden. Zum<br />

Nachweis dienen entsprechende Dokumentationsinstrumente (Checklisten, Protokolle)<br />

und Prüfverfahren wie interne und externe Audits. Die inhaltliche Gestaltung der Prozesse<br />

mit ihren impliziten Gütekriterien bleibt den Unternehmen selbst überlassen. Im<br />

Unterschied dazu beinhalten die Konzeptbausteine sowohl Anforderungen <strong>für</strong> die<br />

organisatorischen Ablaufregelungen als auch <strong>für</strong> deren fachlich-inhaltliche Gestaltung.<br />

In der Praxis zeigte sich, dass die Mehrzahl der Referenzeinrichtungen, die bereits<br />

vor Beginn des Projektes über ein systematisches QM-System und ein gültiges QM-<br />

Handbuch verfügten, eine größere Zahl der Konzeptanforderungen bereits erfüllte.<br />

Dies ist als ein Hinweis darauf zu werten, dass ein QM-System tatsächlich zur Sicherung<br />

der Leistungsqualität, auch im Sinne der Güte der Leistung, einen wichtigen Beitrag<br />

leistet.<br />

Bei einigen Einrichtungen wurde bei den Bestandsaufnahmen jedoch festgestellt,<br />

dass die Anforderungen nur auf dem Papier erfüllt waren. Die in den QM-Handbüchern<br />

getroffenen Regelungen wurden im Alltag nicht verbindlich eingehalten. Das<br />

heißt, die Existenz eines QM-Handbuches allein ist noch keine hinreichende Bedingung<br />

<strong>für</strong> ein hohes Qualitätsniveau.<br />

Selbst in Einrichtungen, in denen das Qualitätsmanagement tatsächlich die alltäglichen<br />

Abläufe steuerte, war es nicht so, dass die noch zu leistenden Verbesserungen<br />

schnell und zügig voranschritten. In manchen Einrichtungen mit QM-System und QM-<br />

Handbuch gestalteten sich die vergleichsweise geringen Anpassungen eher schwierig<br />

und langwierig. Andere Einrichtungen, die zu Beginn wenige der Konzeptanforderungen<br />

bereits erfüllten, kamen schneller vorwärts.<br />

Ein Grund da<strong>für</strong> war, dass in vielen Einrichtungen das QM-System nicht in der alleinigen<br />

Verantwortung der Hausleitungen lag, sondern wesentlich auf der regionalen<br />

Trägerebene durch einen dort angesiedelten QM-Stab gesteuert wurde. Dieser war<br />

nicht nur <strong>für</strong> eine einzelne Einrichtung, sondern <strong>für</strong> alle Altenpflegehäuser in der<br />

Region oder dem Bezirk zuständig. Teilweise war dies mit einer bereits vollzogenen<br />

oder angestrebten Verbundzertifizierung dieser Einrichtungen verknüpft. Seitens der<br />

Träger gab es deshalb ein großes Interesse daran, möglichst gleichartige QM-Standards<br />

<strong>für</strong> die Einrichtungen des Verbundes bzw. der Region festzulegen. Geplante<br />

Veränderungen und Erweiterungen des QM-Handbuches einer einzelnen Einrichtung<br />

erforderten manchmal langwierige Abstimmungen.<br />

Aus Sicht der Organisationsberatung gab es <strong>für</strong> Verzögerungen einen weiteren<br />

Grund, der weniger offensichtlich ist: Gerade die ausgefeiltesten QM-Systeme, die in<br />

einzelnen Einrichtungen etabliert wurden, hatten einen beträchtlichen Aufwand an<br />

Zeit und Einsatz gekostet. Zu Recht waren nach solchen Arbeitsprozessen alle Beteiligten<br />

froh, es geschafft zu haben und stolz auf das Ergebnis. Dies konnte bei<br />

Beschäftigten auf Leitungs- und Mitarbeiterebene zu einer gewissen Unbeweglichkeit<br />

führen. Dabei ging es nicht einmal darum, dass man sich nicht in Frage stellen lassen<br />

wollte. Es war vielmehr eine Frage der Wahrnehmung. Überzeugt davon, dass<br />

alles Wichtige bereits geregelt wäre, wurden in den Konzeptbausteinen des Modellprojektes<br />

vor allem die bestätigenden Übereinstimmungen entdeckt. Details, die von<br />

den bereits vorhandenen Standards abwichen oder deren Ergänzung forderten, wurden<br />

nicht bzw. erst durch hartnäckige Hinweise der externen Beratung gesehen. Auf


solche Sachverhalte weist eine in Kapitel 2.3 aufgeführte Prämisse der Organisationsberatung<br />

ausdrücklich hin: die selbstorganisierte Ordnung einer Organisation schließt<br />

die Wahrnehmung bestimmter Sachverhalte aus, die zu dieser Ordnung nicht passen.<br />

Ein weiterer Grund kam hinzu: Insbesondere die QM-Systeme auf der Basis der ISO-<br />

Normen betonen den Qualitätssicherungsaspekt auf stärkere Weise, als den Aspekt<br />

der Qualitätsentwicklung. Praktisch bedeutet dies, dass der betriebene Aufwand<br />

beim Aufbau eines QM-Systems und beim fortlaufenden Controlling sich vorrangig<br />

auf den Sicherungsaspekt konzentrierte. Die Entwicklung der Standards verfolgten<br />

das Ziel, Abläufe und Prozesse auf eine bestimmte Art und Weise festzuschreiben,<br />

das Controlling überprüfte, ob die Festlegungen eingehalten wurden. Zum System<br />

gehörten zwar auch solche Foren, deren Aufgabe es war, die „Verbesserung der<br />

Dienstleistungen“ (s.o.) sicher zu stellen. Im Alltag konnte dieses Ziel jedoch zu Gunsten<br />

der angestrebten Verlässlichkeit eines einmal definierten Qualitätsniveaus<br />

schnell ins Hintertreffen geraten.<br />

Vor dem Hintergrund dieses Begründungszusammenhangs ist es aus Sicht der Organisationsberatung<br />

nicht verwunderlich, dass den „weitesten Entwicklungsweg“ im<br />

Modellprojekt solche Referenzeinrichtungen zurückgelegt haben, die zu Beginn der<br />

Laufzeit verhältnismäßig wenige der Anforderungen bereits erfüllten und bei denen<br />

der Aufbau eines QM-Systems erst in den Anfängen steckte. Auch muss die oben formulierte<br />

These erweitert werden. Ein etabliertes Qualitätsmanagement leistet einen<br />

wichtigen Beitrag zur Sicherung und Entwicklung der Leistungsqualität, wenn im Alltag<br />

sowohl die Festlegungen <strong>für</strong> die Abläufe verbindlich gelebt werden und gleichzeitig<br />

regelmäßig auf Verbesserungspotentiale hin überprüft werden.<br />

3.2 Leistungsbeschreibungen: das Leistungsprofil der stationären Altenpflege<br />

Die Leistungsbeschreibungen erfassen alle unmittelbar und mittelbar bewohnerbezogenen<br />

Leistungen, die eine Einrichtung der stationären Altenpflege prinzipiell vorhalten<br />

sollte. Sie sind ein Klassifikationssystem, das die Einzelleistungen „inhaltlich voneinander<br />

abgrenzt und übersichtlich darstellt“ 53 . Ein besonderes Merkmal der unmittelbar<br />

bewohnerbezogenen Leistungen ist dabei, dass sie grundsätzlich zielbezogen<br />

beschrieben sind. Das heißt, unterschiedliche Verrichtungen, die auf ein gleiches Pflegeziel<br />

gerichtet sind, gehören zu einer Leistung.<br />

Wie auch andere Elemente des <strong>Referenzkonzept</strong>s gehen die Leistungsbeschreibungen<br />

von grundlegenden Qualitätszielen aus, welche die Praxis jeder Pflegeeinrichtung<br />

prägen sollten. „Diese beziehen sich auf die Anforderung einer biografie- und<br />

präventionsorientierten und ressourcenerhaltenden/-fördernden Pflege 54 .“<br />

3.2.1 Bestandsaufnahme zu den unmittelbar bewohnerbezogenen<br />

Leistungsbeschreibungen<br />

Bei der Umsetzung der Leistungsbeschreibungen wurde im Rahmen der Soll-Ist-Analyse<br />

geprüft, ob das vorhandene Leistungsprofil einer Einrichtung alle „Maßnahmebündel“<br />

vollständig umfasste, und ob diese Leistungen bedarfsgerecht und auf hinreichendem<br />

Qualitätsniveau erbracht wurden. Die Soll-Ist-Analysen wurden durch die<br />

Modellbeauftragten <strong>zum</strong> einen anhand zufällig ausgewählter Pflegedokumentationen,<br />

<strong>zum</strong> anderen durch Befragungen in den Wohnbereichen durchgeführt.<br />

53 Vgl. Praxisleitfaden Teil A<br />

54 ebd.<br />

157


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

158 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

In einigen der Referenzeinrichtungen deckte diese Analyse Mängel der Pflegeplanung<br />

und -dokumentation auf. Auf diese Punkte und daraus resultierende Entwicklungsziele<br />

und Veränderungsstrategien werden wir in Kapitel 3.4 eingehen.<br />

Im Modellprojekt zeigte sich, dass eine nicht geringe Anzahl der Leistungen von den<br />

Einrichtungen prinzipiell erbracht werden konnte und überwiegend auch erbracht<br />

wurde. Dazu wurden grundsätzlich auch solche Leistungen bzw. Einzelverrichtungen<br />

der speziellen Pflege gezählt, die nicht von Fachkräften der Einrichtung geleistet wurden<br />

(z.B. die Katheterisierung beim Mann oder intramuskuläre oder intravenöse<br />

Injektionen), bei denen das Heim durch Kooperation mit Ärzten jedoch sicherstellte,<br />

dass sie bei Bedarf zügig und bedarfsgerecht erbracht werden konnten. Gleichwohl<br />

verwies dieses Modellergebnis auf eine Problematik, die über das Projekt hinausweist:<br />

die Frage nämlich, über welche Fachkompetenz vollstationäre Altenpflegeheime<br />

in Zukunft verfügen sollten und ob dazu auch eine stärker medizinisch ausgerichtete<br />

Kompetenz gehören müsste.<br />

Bei den Entwicklungsbedarfen, die sich in den Referenzeinrichtungen zeigten, ließen<br />

sich drei Kategorien unterscheiden.<br />

Zum Einen ging es um Lücken der fachlichen Kompetenz von Pflege- und anderen<br />

Fachkräften, die in die Unterstützung und Begleitung von Bewohner/innen eingebunden<br />

waren. Solche Kompetenzmängel zeigten sich etwa bei Varianten des Lagerns<br />

(LA) und den Einzel- und Gruppenaktivitäten zur Erhaltung/Förderung der Mobilität<br />

(MOB und GAM). Auch <strong>für</strong> einige Leistungen der angemessenen psychosozialer<br />

Begleitung reichte die vorhandene Fachlichkeit oft nicht aus. Beispiele da<strong>für</strong> sind die<br />

„Interventionen bei Wanderungstendenzen“ (IWT), die Einzelbetreuung bei Selbstund<br />

Fremdgefährdung (EBG) und die „Interventionen bei besonderen psychischen<br />

Problemlagen“ (ISP). Auch in Bezug auf die Durchführung biografieorientierter Einzel-<br />

und Gruppenaktivitäten (BE und GAB) fühlten sich manche Fachkräfte der Pflege<br />

und der Sozialen Dienste fachlich überfordert.<br />

Wenn die fachliche Kompetenz nicht angemessen ist, werden bestimmte Leistungen<br />

gar nicht oder nicht in ausreichender Qualität erbracht. Dadurch, aber auch aus<br />

anderen Gründen können Mängel in Bezug auf die Bedarfsgerechtigkeit auftreten.<br />

Wie schon in Kapitel 6.3 erwähnt, bestätigte sich in einigen der Referenzeinrichtungen,<br />

was schon in der Studie „Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären<br />

Pflegeeinrichtungen“ festgestellt worden war: die vorhandenen psychosozialen<br />

Unterstützungsangebote erreichten eher die mobilen Bewohner/innen, bzw. solche,<br />

die ein entsprechendes Interesse deutlich artikulieren konnten oder durch ihr Verhalten<br />

auf einen Bedarf aufmerksam machten. Zu kurz kamen vielfach die bettlägerigen<br />

immobilen und die wegen demenzieller Veränderung verhaltensauffälligen Bewohner/innen.<br />

Schließlich hingen in Einzelfällen Versorgungsmängel auch damit zusammen, dass<br />

die Leitprinzipien zur Ressourcenorientierung und Biografieorientierung von den Pflegekräften<br />

zu wenig verinnerlicht waren.<br />

Auf der Grundlage dieser Analyseergebnisse richteten sich die wichtigsten Veränderungsziele<br />

in Bezug auf die Leistungsbeschreibungen in den Referenzeinrichtungen auf<br />

die Steigerung der fachlichen Kompetenz,<br />

Verbesserungen hinsichtlich einer bedarfsgerechten Versorgung,<br />

die Verinnerlichung und Operationalisierung eines ressourcenorientierten und biografieorientierten<br />

Pflegeleitbilds.<br />

Hinzu kam, dass die Mitarbeiter/innen generell <strong>für</strong> den Umgang mit den Leistungsbeschreibungen<br />

zu schulen waren.


3.2.2 Berufsbegleitende fachliche Qualifizierung<br />

Steigerung der fachlichen Kompetenz<br />

Um die Fachkompetenz der Mitarbeiter/innen zu steigern wurden in den Referenzeinrichtungen<br />

die Lücken möglichst genau identifiziert und daraus passgenaue Qualifizierungsthemen<br />

und Aufträge abgeleitet. Nach Erarbeitung diese Themenliste<br />

einigte man sich auf eine Rang- und Reihenfolge der Bearbeitung.<br />

Geprüft wurde sodann, auf welche Weise eine berufsbegleitende Fortbildung am<br />

wirksamsten und kostengünstigsten durchgeführt werden konnte. Bei vielen Referenzeinrichtungen<br />

zeigte sich, dass nicht wenige über einzelne spezialisierte Mitarbeiter/innen<br />

in den Wohnbereichen, beim Sozialen Dienst und auch auf Leitungsebene<br />

verfügten, die in der Lage waren, ihre Kenntnisse als Multiplikatoren/innen zur Verfügung<br />

zu stellen.<br />

In einigen Referenzeinrichtungen wurden Kompetenzlücken bei der bedarfsgerechten<br />

Lagerung von Bewohner/innen oder bei Fragen medizinischer Behandlungspflege<br />

durch Inhouse-Schulungen bearbeitet, <strong>für</strong> die kooperierende Ärzte bzw. Fachkräfte<br />

aus Sanitätshäusern oder Apotheken unentgeltlich oder mit geringfügiger Honorierung<br />

gewonnen werden konnten. Andere Themen, wie z.B. die Umsetzung einer biografieorientierten<br />

Praxis oder die psychosoziale Versorgung demenziell veränderter<br />

Bewohner/innen konnten durch entsprechend geschulte Fachkräfte beim Träger oder<br />

auch durch eigene interne Multiplikatoren/innen angeboten werden. In einzelnen<br />

Referenzeinrichtungen wurden sogar mehrteilige Fortbildungen zur Pflege dementer<br />

Bewohner/innen angeboten, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckten.<br />

Einzelne Referenzeinrichtungen haben auch die Möglichkeit genutzt, bestimmte Fachkräfte<br />

mit spezifischem Qualifikationsprofil einzustellen und in ihre Stellenbeschreibung<br />

von Beginn an aufzunehmen, dass sie <strong>zum</strong> überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit<br />

als Multiplikatoren/innen tätig sein sollen. So hat eine Referenzeinrichtung die<br />

Stelle einer Pflegefachkraft mit einer Fachkraft <strong>für</strong> Physiotherapie besetzt. Diese Fachkraft<br />

hat vor allem den Auftrag, die Pflegekräfte zu schulen und zu qualifizieren, um<br />

diese in die Lage zu versetzen, selbst mobilitätsfördernde Maßnahmen im Alltag<br />

durchzuführen und Alltagsverrichtungen, etwa bei Lagerungen, der Körperpflege, bei<br />

den Mahlzeiten und vielen anderen Anlässen mobilitätsfördernd zu gestalten.<br />

Unterstützung der Fachkräfte bei der Anwendung der Leistungsbeschreibungen<br />

Im Unterschied zu anderen Konzeptbausteinen, bei denen der Einstieg in den Transfer<br />

durch die Soll-Ist-Analyse erfolgte, war es bei den Leistungsbeschreibungen nicht<br />

nur möglich sondern auch notwendig, parallel mit der Schulung der Pflegekräfte zu<br />

beginnen. Ziel solcher Schulungen, die von den Modellbeauftragten durchgeführt<br />

wurden, war zunächst, dass sich die Mitarbeiter/innen mit der Systematik der Leistungsbeschreibungen<br />

vertraut machten.<br />

Um die Mitarbeiter/innen im Hinblick auf die Anwendung zu schulen, war nicht nur<br />

das Verständnis <strong>für</strong> die Leistungsbeschreibungen zu schaffen, sondern der konkrete Nutzen<br />

und die Anwendung <strong>für</strong> die Pflegedokumentation 55 zu verdeutlichen. Dabei sollten<br />

die Leistungsbeschreibungen <strong>für</strong> die Pflegeplanung entsprechend genutzt werden.<br />

Referenzeinrichtungen mit einer EDV-gestützten Pflegedokumentation haben die Leistungsbeschreibungen<br />

– sofern das technisch möglich war – in das System eingepflegt.<br />

Dabei wurden z.B. im System die einzelnen Beschreibungen mit ihren Kürzeln<br />

als Textbausteine hinterlegt. Wenn also bei der Pflegeplanung <strong>für</strong> eine/n<br />

Bewohner/in eine Maßnahme im Tagesablaufplan eingetragen werden sollte, konnte<br />

der Text der entsprechenden Leistungsbeschreibung aufgerufen und in die Planung<br />

eingefügt werden. Allerdings war dabei immer eine auf den/die individuelle Bewoh-<br />

55 Der Zusammenhang zwischen Leistungsbeschreibungen und Pflegedokumentation wird in Teil A Kapitel des Praxisleitfadens verdeutlicht.<br />

159


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

160 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

ner/in bezogene Konkretisierung vorzunehmen, die im Textbaustein noch nicht enthalten<br />

war. Die Kürzel wurden außerdem in einer Suchmaske hinterlegt, so dass die<br />

einzelnen Leistungen auch über die Kürzel gesucht und gefunden werden konnten.<br />

Angesichts der Systematik der Leistungsbeschreibungen haben einige Einrichtungen<br />

– wie bereits oben beschrieben – eine Neuordnung der bislang genutzten Systematik<br />

nach den ATL/AEDL vorgenommen und die Systematik der Leistungsbeschreibungen<br />

in den Vordergrund gerückt.<br />

Im Rahmen der Mitarbeiterschulungen der Referenzeinrichtungen wurde der Pflegeprozess<br />

in den Vordergrund gestellt und ein Bewusstsein <strong>für</strong> die unterschiedlichen<br />

Leistungen geschaffen. Insbesondere wurde die Bedeutung der psychosozialen<br />

Betreuung in den Schulungen hervorgehoben, aber auch die notwendige Arbeitsteilung<br />

im Hinblick auf unmittelbar und mittelbar bewohnerbezogene Leistungen.<br />

Um die tägliche Arbeit mit den Leistungsbeschreibungen zu erleichtern, haben die<br />

Modellbeauftragten den Katalog kopiert und jedem Wohnbereich einen entsprechenden<br />

Ordner bzw. jedem/jeder Mitarbeiter/in eine Kopie zur Verfügung gestellt. So<br />

konnte jede/r Mitarbeiter/in bei Bedarf darauf zurückgreifen. Auch wurden kleine<br />

„Taschenkarten“ mit einer Auflistung der Leistungsbeschreibungen im Überblick<br />

erstellt. Diese Taschenkarten bestanden aus einem laminierten Papier in Postkartengröße,<br />

welches jede/r Mitarbeiter/in bei sich tragen konnte. Diese Taschenkarten<br />

waren <strong>für</strong> die Mitarbeiter/innen sehr hilfreich, da sie bei Bedarf die Auflistung der<br />

Leistungsbeschreibungen vor Augen hatten und diese zunehmend in die tägliche<br />

Arbeit einbinden konnten.<br />

Wie zu erwarten war, haben die Mitarbeiter/innen über einen längeren Zeitraum<br />

Übung und kritische Begleitung benötigt, bis sie die Leistungsbeschreibungen korrekt<br />

verwenden konnten. In den Referenzeinrichtungen haben die Modellbeauftragten<br />

unterschiedliche Möglichkeiten gewählt, die kontinuierliche Arbeit mit den Leistungsbeschreibungen<br />

zu überprüfen. Beispielsweise haben sie regelmäßig an Dienstbesprechungen,<br />

Fallbesprechungen, Übergaben und teilweise auch an Pflegevisiten teilgenommen.<br />

Darüber hinaus haben sie Checklisten erstellt und eine kontinuierliche,<br />

stichprobenartige Kontrolle der Pflegedokumentationen mit einer anschließenden<br />

Rückmeldung an die entsprechenden Mitarbeiter/innen durchgeführt.<br />

Umsetzungsprobleme in der Pflegepraxis sind zunächst in der Abgrenzung einiger<br />

Leistungsbeschreibungen voneinander aufgetreten. Zum Beispiel wurde von Schwierigkeiten<br />

aus den Referenzeinrichtungen berichtet, die Leistungsbeschreibungen BE<br />

(Biografieorientierte Einzelaktivitäten) und EG (Einzelgespräch) bzw. IWT (Interventionen<br />

bei Wanderungstendenz) und ISP (Interventionen bei speziellen psychischen<br />

Problemlagen) in der täglichen Praxis voneinander zu unterscheiden. Ebenso konnten<br />

sich Maßnahmen der Leistungsbeschreibung SOK (Unterstützung bei sozialen<br />

Kontakten/sozialer Teilhabe) mit der Unterstützung bei der Ernährung (z.B. NA:<br />

Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme) in der Pflegepraxis überschneiden. Einige<br />

Mitarbeiter/innen haben z.B. darauf hingewiesen, sie würden bestimmte Leistungen<br />

im Rahmen anderer pflegerischer Tätigkeiten durchführen. Dies gelte beispielsweise<br />

<strong>für</strong> MOB (Einzelaktivitäten zur Förderung/Erhaltung der Mobilität), wenn Bewohner/innen<br />

nicht im Rollstuhl <strong>zum</strong> Speiseraum gefahren würden, sondern bei dieser<br />

Gelegenheit mit ihnen das Gehen trainiert würde.<br />

Für die erfolgreiche Bewältigung solcher Schwierigkeiten war es wichtig, dass die<br />

Modellbeauftragten auf die Begleitung des Einführungsprozesses gut vorbereitet worden<br />

waren. Dies geschah über die ausführliche Bearbeitung der Leistungsbeschreibungen<br />

und zugehörigen Erläuterungen in den Regionalgruppensitzungen, aber<br />

auch durch unmittelbare Anfragen einzelner Modellbeauftragter bei den<br />

Kollegen/innen des IPW. Auch die Organisationsberater/innen wurden hier von den<br />

IPW-Kollegen/innen unterstützt, und konnten sich auf diese Weise die erforderlichen


Fachkenntnisse aneignen. Mit der Zeit war es so zunehmend möglich, dass auch die<br />

Organisationsberater/innen Fragen unmittelbar beantworten und Unsicherheiten<br />

ausräumen konnten.<br />

Ein zentrales Hindernis <strong>für</strong> die richtige Verwendung der Leistungsbeschreibungen<br />

war ein stark maßnahmenbezogenes Denken der Pflegekräfte. Mehrfach musste<br />

erläutert werden, dass es <strong>für</strong> die richtige Zuordnung einer Verrichtung auf das zentrale<br />

Ziel ankommt, auf das sich diese Tätigkeit bezieht. So zielt etwa die Begleitung<br />

eines Bewohners <strong>zum</strong> Speiseraum i.d.R. auf die Ermöglichung der Nahrungsaufnahme<br />

und gehört deshalb zur Leistung NA. In einem konkreten Fall wurden Bewohner/innen<br />

jedoch bewusst zu Fuß statt im Rollstuhl den recht langen Weg <strong>zum</strong> Speiseraum<br />

begleitet, um auf diese Weise ihre Mobilität zu erhalten und zu fördern. Der<br />

erheblich höher Zeitaufwand <strong>für</strong> die Pflegekräfte wurde dabei in Kauf genommen.<br />

D.h. hier stand das Ziel der Mobilitätsförderung im Vordergrund und die erbrachte<br />

Leistung gehörte zu MOB. Selbstverständlich musste dieses Ziel und diese sowie weitere<br />

zugehörigen Leistungen entsprechend auch in der Pflegeplanung hinterlegt sein.<br />

Dass bei Mahlzeiten auf dem Wohnbereich die Mitarbeiter/innen mit den Bewohner/innen<br />

sprachen, gehörte dagegen zu den Selbstverständlichkeiten guter Pflege,<br />

die im Konzept den Leistungsbeschreibungen vorangestellt sind und nicht eigens bei<br />

jeder Leistung neu aufgeführt werden.<br />

Es war die Klärung solcher Fragen im Praxisalltag, die den Mitarbeitern/innen mit<br />

der Zeit ein stärker zielorientiertes Denken nahe brachten. Bei den wenigsten hat<br />

eine einzige Schulung und Information ausgereicht. Von besonderer Bedeutung war<br />

dabei auch die Einbindung der Nachtdienstmitarbeiter/innen, da diese in manchen<br />

Referenzeinrichtungen häufiger unzureichend dokumentiert hatten.<br />

Auch die Planung und Dokumentation der psychosozialen Betreuungsleistungen<br />

durch die Pflegekräfte hat in der Einführungsphase Probleme bereitet. In vielen Referenzeinrichtungen<br />

musste durch mehrfache Gespräche und Rückmeldungen zu<br />

geprüften Pflegeplanungen und -dokumentationen das Bewusstsein da<strong>für</strong> entwickelt<br />

und gestärkt werden, auch <strong>für</strong> solche Leistungen zuständig zu sein.<br />

3.2.3 Bedarfsgerechte Unterstützung bei psychischen und sozialen<br />

Problemlagen<br />

Wie schon ausgeführt, war eine bessere Vernetzung von Pflege und Sozialem Dienst<br />

eine wichtige Basis <strong>für</strong> Verbesserungen, reichte aber noch nicht aus.<br />

In Bezug auf die Interventionen zur psychosozialen Unterstützung war es wichtig,<br />

sich zunächst einen Überblick darüber zu verschaffen,<br />

welche Angebote zur psychosozialen Unterstützung im eigenen Haus überhaupt<br />

vorgehalten wurden (Art der Aktivität, durchgeführt von welchen Fachkräften oder<br />

Ehrenamtlichen),<br />

wo und wie diese stattfanden (wohnbereichsbezogen oder hauszentral, <strong>für</strong><br />

kleine/größere Gruppen oder Einzelangebot),<br />

wann sie stattfanden (gab es Angebote abends, an den Wochenenden, in den<br />

Nachtstunden 56 ),<br />

welche Bewohner dadurch erreicht wurden und welche nicht (wurden mit einem<br />

großen Teil der Angebote vielleicht immer die gleichen wenig beeinträchtigten<br />

Bewohner/innen erreicht und andere überhaupt nicht?)<br />

In einigen Referenzeinrichtungen wurde durch die Prüfung dieser Fragen festgestellt,<br />

dass die Angebote überwiegend zentral <strong>für</strong> größere Gruppen von Interessierten und<br />

in den Nachmittagsstunden durchgeführt und immobile Bewohner/innen kaum<br />

56 An dieser Stelle sind die Leistungsbeschreibungen auch verbunden mit dem Konzeptbaustein zur „Nächtlichen Versorgung“, vgl. Kapitel 3.8<br />

161


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

162 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

erreicht wurden. Entsprechend war die Weiterentwicklung darauf gerichtet, das<br />

Angebot inhaltlich und zeitlich auszudifferenzieren und bisher tendenziell vernachlässigte<br />

Bewohner/innen besser zu berücksichtigen.<br />

Diese Einrichtungen haben Verbesserungen u.a. dadurch erreicht, dass sie die<br />

Anzahl und Art von kurzzeitigen Angeboten deutlich erhöhten. Einzelne Häuser<br />

haben als Qualitätsziel festgelegt, dass jede/r Bewohner/in mindestens zweimal pro<br />

Woche ein geplantes Angebot erhalten sollte, ob es sich nun um eine 10-Minuten-<br />

Aktivierung, Einzelgespräche, eine Kontaktaufnahme mit geeigneten Materialien,<br />

Spaziergänge im Sinnesgarten, die Teilnahme an einem Gruppenangebot oder ähnliches<br />

handelte. Manche Einrichtungen haben festgestellt, dass ein liebevoll eingerichteter<br />

zentraler „Snoezel-Raum“ im Alltag schlechter zu nutzen war als ein Snoezel-Rollwagen<br />

auf jedem Wohnbereich, den man zu Einzelgesprächen auf die<br />

Bewohnerzimmer mitnehmen konnte. Durch verbesserte Arbeitsorganisation, wie<br />

etwa die Reduzierung zentraler zu Gunsten dezentraler Angebote, und eine stärkere<br />

Anbindung bzw. Integration des Sozialen Dienstes an/in die Wohnbereiche konnte<br />

die Zeit <strong>für</strong> solche Angebotserweiterungen gewonnen werden.<br />

Natürlich hing die Ausdifferenzierung des Angebotes eng mit der Qualifikation der<br />

Fachkräfte zusammen. Aber auch wenn hier Entwicklungsbedarf festgestellt wurde,<br />

ist mit den ersten Schritten nicht gewartet worden, bis Schulungen stattgefunden hatten<br />

oder gar abgeschlossen waren. Über eine Basisqualifikation verfügen alle Fachkräfte<br />

der Pflege und der Sozialen Dienste. In bereichs- und hierarchieübergreifenden<br />

Qualitätszirkeln konnte dies vorhandene Wissen produktiv vernetzt werden. Oft<br />

entstanden aus solchen Diskursen kreative Ideen, z.B. dazu, wie fachliches Wissen,<br />

verbunden mit individuellen Interessen und Hobbies dazu beitragen kann, dass<br />

Angebot zu erweitern.<br />

Erwähnenswert ist hier das Beispiel einer Referenzeinrichtung, die Mängel beim<br />

Umgang mit solchen Bewohner/innen feststellte, die aufgrund ihrer demenziellen Veränderung<br />

Wanderungstendenzen aufwiesen. Die Projektgruppe entwickelte hier den<br />

Vorschlag, diese Bewohner/innen tagsüber immer ein Namensschild tragen zu lassen.<br />

Gleichzeitig wurde die Zielsetzung formuliert, dass alle Mitarbeiter/innen der<br />

Einrichtung, auch die aus Hauswirtschaft, Verwaltung und Haustechnik, sowie<br />

die Ehrenamtlichen über Basiskompetenzen <strong>für</strong> den Umgang mit dementen Bewohner/innen<br />

verfügen sollten. Aufgrund dieser Überlegungen wurde eine Verfahrensanweisung<br />

zur Realisierung der Namensschilder verfasst und hausinterne Schulungen<br />

<strong>für</strong> alle Mitarbeitergruppen durchgeführt. Das Ergebnis fasste die zuständige Modellbeauftragte<br />

folgendermaßen zusammen:<br />

„Die Bewohner erhalten bei auftretender Wanderungstendenz Unterstützung in Form<br />

von Einzelgesprächen oder biografieorientierten Einzelaktivitäten, oder sie werden<br />

in andere Aktivitäten eingebunden. Verlässt ein Bewohner den Wohnbereich, reagieren<br />

die Mitarbeiter anderer Arbeitsbereiche angemessen; frühere Tendenzen, das<br />

Problem zu ignorieren, konnten überwunden werden. Bewohner mit Wanderungstendenz<br />

haben inzwischen einen „Sonderstatus“: Jeder kennt sie und kann sie mit<br />

Namen ansprechen. Sie nehmen dies sehr positiv auf und zeigen weniger Unsicherheit.<br />

Nach wie vor kommt es vor, dass Bewohner die Einrichtung verlassen, allerdings<br />

werden sie – aufgrund der Öffentlichkeitsarbeit in der Nachbarschaft – meistens<br />

von Einwohnern der Umgebung <strong>zum</strong> … zurückgebracht.“ 57<br />

Die oben skizzierte Grobanalyse <strong>zum</strong> Angebotsspektrum und zu den erreichten Zielgruppen<br />

beantwortete noch nicht die Frage, ob jede/r einzelne Bewohner/in seinem/ihrem<br />

individuellen Bedarf entsprechend unterstützt und begleitet wurde. Diese<br />

57 Dieses Beispiel aus einer Referenzeinrichtung wurde bei der Fachtagung <strong>zum</strong> <strong>Referenzkonzept</strong> im Februar 2006 in Essen von einer<br />

Modellbeauftragten vorgestellt.


individuelle Bedarfsgerechtigkeit war abhängig von der Güte des Assessments sowie<br />

der Pflegeplanung und -dokumentation. Da auch dazu im Modellprojekt Konzeptbausteine<br />

entwickelt wurden, werden wir in nachfolgenden Abschnitten darauf eingehen.<br />

3.2.4 Bedarfsgerechte Mobilitätserhaltung und -förderung<br />

Die Bestandsaufnahme zu den Leistungsbeschreibungen in den Referenzeinrichtungen<br />

machte auch aufmerksam auf Mängel in Bezug auf die Umsetzung mobilitätsfördernder<br />

und erhaltender Maßnahmen, obwohl fast alle das Leitziel der Ressourcenerhaltung<br />

und -förderung ausdrücklich in das eigene Leitbild aufgenommen hatten.<br />

Diese Unzulänglichkeiten hatten nicht ausschließlich mit der schon behandelten Fachkompetenz<br />

der Fachkräfte zu tun. Wichtig war auch, welche Zeitressourcen <strong>für</strong> eine<br />

systematische Mobilitätsförderung zur Verfügung standen. Eigentlich wäre es bei vielen<br />

Bewohner/innen sinnvoll und notwendig gewesen, zusätzlich zu eigenständigen<br />

Maßnahmen viele pflegerische Verrichtungen mobilitätsfördernd zu gestalten. Gleichwohl<br />

kam es in der Praxis offensichtlich immer wieder zu Abweichungen, die damit<br />

zu tun hatten, dass eine mobilitätsfördernde Pflege mehr Zeit und Geduld braucht als<br />

ein Vorgehen, bei dem die Pflegekräfte den Bewohner/innen viele – und bei genauerer<br />

Prüfung zu viele – Aktivitäten abnehmen.<br />

Auch hier bestand ein enger Zusammenhang mit der Güte von Assessment und Pflegeplanung.<br />

Das Pflegeziel der Mobilitätsförderung musste dem individuellen Bewohnerbedarf<br />

angepasst und in aussagefähiger Beschreibung operationalisiert werden.<br />

Veränderungsziele in einigen Referenzeinrichtungen bezogen sich – ähnlich wie<br />

beim Konzeptbaustein zur Zuständigen Pflegefachkraft – auch auf Verbesserungen in<br />

der Arbeitsorganisation und Dienstplanung. So wurde z.B. geprüft, ob<br />

sich besonders zeitaufwändige Phasen des Tages (z.B. am Morgen) durch Zwischendienste<br />

und eine veränderte Dienstplanung besser besetzen ließen,<br />

die Anforderungen zur qualifikationsorientierten Arbeitsteilung umgesetzt waren.<br />

Einige der Referenzeinrichtungen begannen auch während des Modellprojekts mit<br />

der Entwicklung bedarfshomogenerer Wohnbereiche oder deren Unterteilung in entsprechende<br />

Gruppen. Ein solches Ziel ist jedoch nur mittel- und langfristig umzusetzen,<br />

so dass aus dem Modellprojekt noch keine Erfahrungen zu den Auswirkungen<br />

vorliegen. Es ist aber zu vermuten, dass eine solche Veränderung die bedarfsgerechte<br />

Begleitung und Unterstützung der Bewohner/innen erhöhen kann und auch<br />

die Möglichkeiten eines effizienten Personaleinsatzes verbessert.<br />

3.2.5 Verinnerlichung von Leitorientierungen<br />

Die Güte der Pflegeleistung in einer Einrichtung ist nicht nur von der Fachkompetenz<br />

der Pflegekräfte abhängig, sondern auch davon, ob die Mitarbeiter/innen die Leitprinzipien<br />

einer zeitgemäßen bewohnerorientierten Pflege wirklich verinnerlicht<br />

haben. Es sei vorweggenommen, dass dies in den Referenzeinrichtungen aus Sicht<br />

der Organisationsberatung in hohem Maße der Fall war – nur vereinzelt wurde von<br />

den Modellbeauftragten auch Bedenkliches berichtet.<br />

Die Haltung, mit der Mitarbeiter/innen aller Bereiche Bewohner/innen und ihren<br />

Angehörigen begegnen, lässt sich auf vielfältige Art und Weise im Alltag beobachten.<br />

Sind sie in ihren Interaktionen freundlich zugewandt, hilfsbereit und respektvoll, oder<br />

häufiger eher abweisend, ziehen sich wenn eben möglich darauf zurück, nicht zuständig<br />

zu sein und reagieren gereizt auf anstrengende Verhaltensweisen von<br />

Bewohner/innen und Angehörigen? Die Fragestellungen ließen sich sicher erheblich<br />

erweitern, wir wollen hier jedoch zusätzlich nur noch einen Aspekt hervorheben, den<br />

wir <strong>für</strong> besonders aussagefähig halten. Genaueres Hinschauen bei der Haltungsfrage<br />

hielten wir im Projekt dann <strong>für</strong> angebracht, wenn sich Mitarbeiter/innen oder auch<br />

Teams immer wieder nur in einer „Opferrolle“ präsentierten. Ob es um Interaktionssituationen<br />

mit Bewohner/innen und Angehörigen oder, bei der Konzeptumsetzung, um<br />

163


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

164 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Veränderungen und Verbesserungen der Pflegepraxis und -organisation ging: die Mitarbeiter/innen<br />

sahen sich vorwiegend als diejenigen, denen übel mitgespielt wurde,<br />

die unter unzulänglichen Arbeitsbedingungen zu leiden hatten. An Schwächen waren<br />

ausschließlich andere schuld. Solche Haltungen sind fatal, wenn sie nicht nur von einzelnen<br />

Mitarbeiter/innen sondern von Teams oder Gruppen gezeigt werden. Sie können<br />

sich dort verfestigen und sind dann kaum noch bearbeitbar.<br />

Einzelne Referenzeinrichtungen, die an diesem Punkt Mängel entdeckten, haben den<br />

Weg gewählt, ganze Teams Konzepte zur Operationalisierung solcher Leitorientierungen<br />

erarbeiten zu lassen. So war eine zu bearbeitende Fragestellung etwa: „Was<br />

bedeutet <strong>für</strong> uns konkret der Begriff der Bewohnerorientierung?<br />

Wenn solche Haltungsfragen bearbeitet werden, sind Effekte meist erst nach längerer<br />

Zeit abzusehen. Die Vorlage eines schriftlichen Konzepts, die in einzelnen Einrichtungen<br />

abgeschlossen werden konnte, war ein erster wichtiger Schritt. Auf der<br />

Grundlage einer solchen Vorlage muss aber mit den Mitarbeiter/innen kontinuierlich<br />

weiter gearbeitet werden. Beobachtungen, die Konzeptabweichungen erkennen lassen,<br />

müssen von den Leitungskräften immer wieder angesprochen und eine Haltungsänderung<br />

eingefordert werden. Im Rahmen der Modelllaufzeit konnten die erwünschten<br />

Wirkungen noch nicht evaluiert werden.<br />

3.3 Pflegerisches Assessment und Biografieerfassung<br />

Das pflegerische Assessment beinhaltet eine systematische Sammlung von Informationen<br />

<strong>zum</strong> einzelnen Bewohner und deren Einschätzung. Es ist die Grundlage <strong>für</strong> die<br />

Ermittlung des individuellen Pflegebedarfs. Dabei ist es wichtig, „sich nicht auf körperliche<br />

Pflegeprobleme zu beschränken, sondern auch folgende Aspekte zu berücksichtigen:<br />

Person, Persönlichkeit und Biografie,<br />

psychischer/kognitiver Status,<br />

Werthaltungen und Einstellungen,<br />

soziales Umfeld, wichtige Bezugspersonen,<br />

Verhaltensweisen,<br />

Bedürfnisse, Vorlieben und Gewohnheiten,<br />

Wissensstand des Bewohners über seine gesundheitlichen Problemlagen.“<br />

(vgl. Praxisleitfaden Teil A)<br />

Im Rahmen des Modellprojekts waren die Referenzeinrichtungen gefordert,<br />

bestimmte Anforderungen zu den organisatorischen Rahmenbedingungen, den Inhalten<br />

und den Zeitpunkten der erstmaligen Erstellung und Aktualisierung des Assessments<br />

zu erfüllen. Ergänzt wurden diese Vorgaben durch den „Kriterienkatalog zur<br />

Erfassung von Informationen zur Biografie und Lebenssituation vor Heimeinzug.<br />

Bei der Bestandsaufnahme <strong>zum</strong> pflegerischen Assessment und <strong>zum</strong> Kriterienkatalog<br />

zur Erfassung biografischer Informationen wurden in Referenzeinrichtungen unterschiedliche<br />

Mängel und Entwicklungsbedarfe entdeckt: Zum Teil<br />

fehlten Instrumente bzw. Formulare zur Erfassung wichtiger Informationen oder<br />

erwiesen sich als unzureichend,<br />

wurde das Assessment nicht oder nicht regelmäßig aktualisiert und – bezogen auf<br />

die biografischen Informationen – fortgeschrieben,<br />

waren nicht alle wichtigen Informationen in gleicher Weise zugänglich,


fehlte manchen Pflegekräften die Kompetenz, die im Assessment gesammelten<br />

Informationen in eine bedarfsangemessene Pflegeplanung zu übersetzen. Dies<br />

galt insbesondere in Bezug auf eine biografieorientierte Pflege, aber auch in<br />

Bezug auf die psychosoziale Unterstützung demenziell Erkrankter.<br />

3.3.1 Entwicklung von Instrumenten bzw. Formularen<br />

Zunächst war ein Abgleich der Anforderungen an das pflegerisches Assessment mit<br />

der tatsächlichen Vorgehensweise in der jeweiligen Einrichtung vorzunehmen. Viele<br />

Einrichtungen hatten sich in ihren bisherigen Verfahren darauf beschränkt, <strong>für</strong> die<br />

Einschätzung des Pflegebedarfs – neben vorhandenen ärztlichen Diagnosen und Verordnungen<br />

– vorrangig die AEDL-Systematik zu nutzen. Entsprechend strukturiert sind<br />

auch einschlägige Formulare, z.B. von DAN oder Standard. Bezogen auf die in 12<br />

bis 15 Kategorien unterteilten „Aktivitäten (und existenziellen Erfahrungen) des täglichen<br />

Lebens“ (ATL/AEDL) wurden jeweils Ressourcen und Probleme des/der einzelnen<br />

Bewohners/in beschrieben und nachfolgend dann Pflegeziele und Pflegemaßnahmen<br />

formuliert.<br />

Durch das Projekt wurde dieses Verfahren in einigen Einrichtungen deutlich optimiert<br />

und erweitert. Dazu wurden oft ergänzende Erhebungsinstrumente etwa zur Einschätzung<br />

kognitiver Einschränkungen, von Dekubitus- und Sturzrisiken, Schmerz und des<br />

Risikos einer Mangelernährung (z.B. Expertenstandards) in das veränderte Assessmentverfahren<br />

integriert. Beim Auffinden solcher Instrumente gab es Unterstützung<br />

seitens des IPW. Darüber hinaus half hier aber auch der intensive Austausch der<br />

Modellbeauftragten untereinander.<br />

Zur Erfassung biografischer Informationen verfügten fast alle Referenzeinrichtungen<br />

zu Beginn des Projektes über ein entsprechendes Frageraster. In den meisten Fällen<br />

führten die Anforderungen des Modellprojekts jedoch dazu, dieses vorhandene<br />

Instrument zu überarbeiten und dadurch seine Aussagefähigkeit zu verbessern.<br />

3.3.2 Regelmäßige Aktualisierung des pflegerischen Assessments<br />

Der Anforderungskatalog <strong>zum</strong> pflegerischen Assessment gibt vor, dass unmittelbar<br />

nach dem Heimeinzug eines/einer Bewohners/in Angaben zu akuten Gefährdungen<br />

sowie weitere Informationen vorliegen, die <strong>für</strong> die Versorgung in den ersten Wochen<br />

relevant sind. Das so genannte „initiale pflegerische Assessment (…) wird in den<br />

ersten zwei Wochen nach dem Einzug abgeschlossen und innerhalb von sechs<br />

Wochen nach einem Einzug aktualisiert“. Dieses soll dann regelmäßig – in Abständen<br />

von höchstens sechs Monaten – vollständig durchgeführt werden. Dies gilt dann,<br />

wenn nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt wegen gesundheitlicher Veränderungen<br />

oder wichtiger Anlässe eine erneute Durchführung erforderlich ist (vgl. Praxisleitfaden<br />

Teil A).<br />

In einigen Referenzeinrichtungen herrschte allerdings zunächst eine andere Praxis<br />

vor: Dort wurde das pflegerische Assessment in der Regel nicht fortlaufend aktualisiert.<br />

Aktuelle Veränderungen wurden nur in die Pflegeplanung aufgenommen. Allerdings<br />

hat diese Praxis auch gezeigt, „dass in dieser Zeit gesammelte Informationen<br />

nicht immer dem wirklichen IST-Stand entsprechen bzw. zu lückenhaft sind oder aber<br />

auch schlicht falsch“ (vgl. Praxisleitfaden IPW-Konzept). Der Allgemeinzustand bzw.<br />

der Unterstützungsbedarf von Bewohnern/innen verändert sich häufig, insbesondere<br />

während der ersten Wochen nach dem Heimeinzug. Daher ist eine Aktualisierung<br />

des pflegerischen Assessments innerhalb der ersten sechs Wochen nach dem Heimeinzug<br />

und eine vollständige Durchführung bei wesentlichen Veränderungen oder<br />

wichtigen Anlässen unbedingt notwendig. Der Aufwand da<strong>für</strong> war zunächst hoch,<br />

jedoch haben die Erfahrungen gezeigt, dass die Vorgaben zur Durchführung des<br />

pflegerischen Assessments eine grundlegende Voraussetzung <strong>für</strong> eine bedarfsgerechte<br />

Steuerung des Pflegeprozesses darstellen.<br />

165


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

166 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Da es bei einer regelmäßigen Aktualisierung des pflegerischen Assessments im<br />

Abstand von „höchstens sechs Monaten“ darum geht, die vorhandenen Informationen<br />

auf ihre Aktualität zu überprüfen, kann die Prüfung bereits bestehender Informationen,<br />

die sich nicht verändert haben, lediglich auf dem vorhandenen Erhebungsbogen<br />

„kenntlich gemacht werden (z.B. Datum und Handzeichen auf dem Assessmentformular)“<br />

(vgl. Praxisleitfaden Teil A). Dadurch kann sich der zeitliche und<br />

personelle Aufwand <strong>für</strong> die Aktualisierung eines pflegerischen Assessments deutlich<br />

verringern.<br />

Einige Referenzeinrichtungen haben die regelmäßige Aktualisierung des Assessments<br />

mit der Pflegevisite verbunden und dadurch ihr internes fachliches Controlling optimiert.<br />

3.3.3 Zugang zu relevanten Informationen<br />

Mehrfach stießen Fachkräfte der Referenzeinrichtungen auch auf Hürden, die es<br />

schwierig machten, relevante Informationen zur Biografie und zu psychosozialen<br />

Besonderheiten zu erhalten. So konnten oder wollten manche Bewohner/innen sowie<br />

Angehörige zu wichtigen biografischen Erfahrungen keine Auskünfte geben; viele<br />

von ihnen waren in der ersten Zeit nach dem Einzug in eine Pflegeeinrichtung mit<br />

anderen Problemen beschäftigt, als dass sie Interesse an einer Einbindung bei der<br />

Planung der Pflege oder an einem biografischen Gespräch gehabt hätten. Berufsbetreuer/innen<br />

waren bei der Sammlung biografischer Angaben nicht immer eine Hilfe,<br />

da ihnen die Informationen häufig selbst fehlten. Insbesondere bei demenziell<br />

erkrankten Bewohnern/innen ohne Angehörige war es kaum möglich, Erkenntnisse<br />

über das frühere Leben der Bewohner/innen zu erhalten. Aber selbst wenn Bewohner/innen<br />

und Angehörige bereitwillig Auskunft gaben, stellte sich <strong>für</strong> die Zuständigen<br />

Pflegefachkräfte häufig das Problem, dass sie von diesen unterschiedliche – teilweise<br />

widersprüchliche – Informationen erhielten, so dass unklar blieb, welche Angaben<br />

richtig waren.<br />

Nur <strong>zum</strong> Teil ließen – und lassen – sich solche Schwierigkeiten beheben. Umso wichtiger<br />

war es daher, dass die Referenzeinrichtungen durch die Vorgaben gefordert<br />

waren, die Sammlung solcher Informationen nicht nach der Eingewöhnungsphase<br />

neuer Bewohner/innen aufzugeben, sondern fortzuschreiben. Im Laufe des Aufenthalts<br />

von Bewohnern/innen ergaben sich so manchmal neue Chancen, durch Etablierung<br />

eines Vertrauensverhältnisses zu Bewohnern/innen und Angehörigen oder auch<br />

durch die Beobachtung von Bewohnern/innen wichtige Hinweise <strong>für</strong> eine stärker biografieorientierte<br />

und dem psychosozialen Bedarf angemessenere Pflege zu erhalten.<br />

3.3.4 Fachkompetenz <strong>für</strong> biografieorientierte Pflege und bedarfsangemessene<br />

psychosoziale Unterstützung<br />

Der Schwerpunkt der Biografieorientierung im Zusammenhang mit den Assessmentanforderungen<br />

spielte im Beratungsprozess der Einrichtungen eine wichtige Rolle.<br />

Erfolgskriterium <strong>für</strong> die Berater/innen war nicht nur die Erstellung eines verbesserten<br />

Erhebungsbogens, der dem Kriterienkatalog genügte oder auch, ob die durch den<br />

neuen Erhebungsbogen detailliertere Informationserfassung nicht nur bei neu einziehenden<br />

Bewohner/innen erfolgte, sondern auch <strong>für</strong> die anderen nachgetragen<br />

wurde. Die Berater/innen legten den Modellbeauftragten vielmehr nahe zu prüfen,<br />

ob bzw. auf welche Weise biografische Informationen in die Pflegeplanung einflossen.<br />

In vielen Einrichtungen erfolgte eine gemeinsame Durchsicht zufällig ausgewählter<br />

Pflegeplanungen aus allen vorhandenen Wohnbereichen durch den/die Modellbeauftragten/n<br />

und den/die Berater/in.<br />

Diese Soll-Ist-Analyse deckte auf, dass sich viele Pflegefachkräfte schwer damit taten,<br />

den psychosozialen Unterstützungsbedarf insbesondere bei dementen Bewohner/<br />

innen angemessen wahrzunehmen und biografische Informationen bei der Planung<br />

der Pflegemaßnahmen ausreichend zu berücksichtigen.


Es wurde bereits beschrieben, dass durch Verbesserungen der Zusammenarbeit zwischen<br />

Pflege und Sozialem Dienst eine deutliche Ausdifferenzierung der psychosozialen<br />

Angebote und eine Optimierung der Versorgung von immobilen und dementen<br />

Heimbewohner/innen erreicht werden konnte. Gleichwohl wurde in einigen Referenzeinrichtungen<br />

deutlich, dass darüber hinaus auch eine gerontopsychiatrische<br />

Qualifizierung des Pflegepersonals, teilweise auch der Fachkräfte des Sozialen Dienstes<br />

anzustreben war. Einige Einrichtungen hatten bereits vor Projektbeginn solche Qualifizierungsstrategien<br />

eingeleitet oder taten dies im Projektverlauf. Hier wurden Fachkräften<br />

längerfristige externe Weiterbildungen ermöglicht oder entsprechend qualifizierte<br />

Fachkräfte dazu ermutigt, interne Schulungen <strong>für</strong> die Kollegen/innen anzubieten.<br />

Da solche Maßnahmen, sofern im Projektverlauf mit der Realisierung begonnen<br />

wurde, über die Laufzeit des Modellprogramms hinaus andauerten, waren erkennbare<br />

Effekte während des Projekts noch nicht aus<strong>zum</strong>achen.<br />

Die Bedeutung von Biografieorientierung als ein Leitprinzip <strong>für</strong> Pflegeplanung und<br />

Pflegepraxis war vielen Pflegekräften der Referenzeinrichtungen nicht wirklich<br />

bewusst. Viele hatten Mühe, wichtige von weniger wichtigen Informationen zu unterscheiden<br />

und konnten ihre Informationssammlung nicht ausreichend mit der Pflegeplanung<br />

in Verbindung bringen. Am ehesten gelang dies noch in Bezug z.B. auf Zeiten<br />

des Aufstehens und Zubettgehens von Bewohnern/innen oder in Zusammenhang<br />

mit den Ess- und Trinkgewohnheiten („Trinkt ein Bewohner seinen Kaffee lieber<br />

schwarz oder mit Milch und Zucker?“).<br />

In manchen Einrichtungen wurden außerdem Bedenken geäußert, eine zu umfassende<br />

Sammlung von Informationen zu biografischen Erfahrungen könnte einer Verletzung<br />

des Datenschutzes gleichkommen, weil die Pflegeplanungen auch externen<br />

(MDK, Heimaufsicht) zugänglich seien. Es gab auch Beispiele da<strong>für</strong>, dass Bewohner/innen<br />

wichtige, häufig schmerzvolle oder demütigende Erfahrungen einzelnen<br />

Pflegekräften mit der ausdrücklichen Bitte um Verschwiegenheit anvertrauten.<br />

Es ist jedoch nicht Sinn und Zweck der Erfassung biografischer Informationen, den<br />

„gläsernen Bewohner“ zu schaffen. Vielmehr lassen sich die Kernprinzipien der Nutzung<br />

biografischer Informationen in den folgenden Thesen zusammenfassen:<br />

Biografische Informationen sind kein Selbstzweck, sie sollen dazu dienen, den<br />

Bewohnern/innen den Übergang von einer bisher gewohnten Umgebung in die<br />

Einrichtung und die Beheimatung dort zu erleichtern und den/die einzelne/n<br />

Bewohner/in besser zu verstehen.<br />

Biografische Informationen und biografieorientierte Gespräche helfen den Fachkräften<br />

gerade auch in der Eingewöhnungsphase den Kontakt zu<br />

Bewohner/innen herzustellen, Anknüpfungspunkte <strong>für</strong> Gespräche und Angebote<br />

der psychosozialen Begleitung zu finden und nicht zuletzt auch, das Verhalten<br />

(u.a. auch von demenziell erkrankten) Bewohnern/innen besser verstehen zu können.<br />

Biografie endet nicht mit dem Heimeinzug. Vorlieben, Interessen, wichtige Erfahrungen<br />

und Bedürfnisse können sich auch weiterhin verändern und sind daher<br />

fortzuschreiben und bei der Evaluation von Pflegeplanungen immer wieder neu zu<br />

berücksichtigen.<br />

Die wichtigen Informationen bestehen oft nicht in den Fakten selbst, sondern in<br />

der Bedeutung dieser Fakten <strong>für</strong> die einzelnen Bewohner/innen. Wichtig ist z.B.<br />

nicht die Anzahl von Kindern, Verwandten, Freunden und Bekannten, sondern die<br />

Frage, zu welchen Personen der/die Bewohner/in auch weiterhin gern Kontakt<br />

hätte und welche Bedeutung die Beziehungen <strong>für</strong> ihn/sie haben. Es ist auch nicht<br />

notwendig, beispielsweise die Missbrauchserfahrung einer Bewohnerin während<br />

des Krieges schriftlich festzuhalten; die entscheidende Information kann hier etwa<br />

darin bestehen, dass die Bewohnerin bei bestimmten Pflegemaßnahmen von<br />

weiblichen und nicht von männlichen Kräften betreut werden möchte.<br />

167


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

168 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

3.3.5 Schulungen der Mitarbeiter/innen<br />

Bezogen auf die Anforderung einer biografieorientierten Pflege sind in vielen den<br />

Referenzeinrichtungen große Anstrengungen unternommen worden, die gerade skizzierten<br />

Probleme zu bearbeiten. Zum einen wurden fast überall Schulungen <strong>zum</strong><br />

Schwerpunkt Biografierorientierung durchgeführt. Als Schulungsleiter/innen standen<br />

da<strong>für</strong> teilweise entsprechend qualifizierte Mitarbeiter/innen in den Einrichtungen<br />

oder auf der übergeordneten Trägerebene zur Verfügung, teilweise wurden auch<br />

externe Experten mit der Durchführung beauftragt.<br />

Besonders nachhaltig wirkten dabei solche Schulungen, die sich nicht auf Vorträge und<br />

kognitive Wissensvermittlung beschränkten, sondern die Bedeutung der Biografieorientierung<br />

über unmittelbares Erleben vermittelten. Exemplarisch da<strong>für</strong> waren Maßnahmen<br />

in einer Einrichtung, in der die Pflegekräfte aufgefordert wurden, den überarbeiteten<br />

Biografiebogen selbst auszufüllen und darüber zu diskutieren, welche Wünsche<br />

und Erwartungen sie selbst an eine biografieorientierte Pflege knüpfen würden.<br />

Zusätzlich zu diesen Schulungen führten viele Einrichtungen gemeinsame Fallgespräche<br />

von Pflege- und Sozialdienstmitarbeiter/innen ein, die u.a. den ausdrücklichen<br />

Auftrag hatten, der Fortschreibung biografischer Informationen und einer angemessenen<br />

Berücksichtigung solcher Informationen in der Pflegeplanung und -praxis – und<br />

damit auch im alltäglichen Umgang mit dem jeweiligen Bewohner – zu dienen.<br />

Verstärkt bzw. teilweise neu eingeführt wurde in vielen Einrichtungen auch, dass die<br />

Pflegevisite auch die angemessene psychosozialen Unterstützung und die „Übersetzung“<br />

biografischer Informationen in die Pflegeplanung prüfte.<br />

Gegen Ende der Projektlaufzeit hatte sich die Erhebung biografischer Informationen<br />

in den meisten Einrichtungen deutlich verbessert, auch bei der Nutzung solcher Informationen<br />

<strong>für</strong> die Tagesstrukturierung und Maßnahmenplanung im Einzelfall waren<br />

erkennbare Fortschritte zu verzeichnen. Deutlich wurde hier aber auch, dass manche<br />

Fachkräfte relativ schnell in der Lage waren, die Veränderungen anzunehmen und<br />

praktisch umzusetzen, während andere dazu sehr viel mehr Zeit benötigen.<br />

3.4 Pflegeplanung und Pflegedokumentation<br />

Der Konzeptbaustein „Verbesserte Dokumentationsformen“ zielt darauf, „sowohl eine<br />

Qualitätsverbesserung als auch eine Vermeidung von unnötigem Dokumentationsaufwand“<br />

zu erreichen (vgl. Praxisleitfaden Teil A“). Er empfiehlt u.a.:<br />

eine Verdichtung und Priorisierung der im Assessment zusammengetragenen Probleme,<br />

Ressourcen und Bedürfnissen eines Bewohners, d. h., es soll deutlich kenntlich<br />

gemacht werden, welches die wesentlichsten Aspekte/Problemlagen sind.<br />

dass sich die zu formulierende Pflegeziele auf diese priorisierten Problemlagen<br />

beziehen und damit gleichzeitig auch quantitativ begrenzt werden können. Nicht<br />

alle notwendigen Maßnahmen in der Pflege benötigen die Verknüpfung mit einem<br />

Pflegeziel.<br />

die Maßnahmenplanung in Form eines chronologisch strukturierten Tagesplanes<br />

erfolgt.<br />

mit Ausnahme der stets in Form von Einzelnachweisen zu dokumentierenden Maßnahmen<br />

der speziellen Pflege (Behandlungspflege) die Leistungsnachweise <strong>für</strong> die<br />

Maßnahmen des Tagesplanes bezogen auf „Maßnahmenkomplexe“ erbracht werden<br />

können (Vgl. Praxisleitfaden Teil A).<br />

Auch bei diesem Konzeptbaustein handelte es sich um eine Empfehlung. Im Unterschied<br />

zu dem anderen Baustein mit Empfehlungscharakter, der Zuständigen Pflegefachkraft,<br />

zögerten hier viele der Referenzeinrichtungen, alle Inhalte umzusetzen.


Viele Einrichtungs- und Pflegedienstleiter/innen hatten die Be<strong>für</strong>chtung, ein Abzeichnen<br />

von Maßnahmekomplexen könnte Probleme bei MDK- und Heimaufsichtsprüfungen<br />

verursachen.<br />

Gleichwohl verstärkte dieser Konzeptbaustein in fast allen Referenzeinrichtungen die<br />

intensive Auseinandersetzung mit der Qualität der vorhandenen Pflegeplanung und<br />

-dokumentation, die auch durch andere Konzeptbausteine (Leistungsbeschreibungen,<br />

Assessment und Biografieorientierung) befördert wurde. Zwar haben nur einige Einrichtungen<br />

die Empfehlungen zu verbesserten Dokumentationsformen umgesetzt. In<br />

vielen Häusern hat aber dieser Konzeptbaustein zusammen mit anderen dazu geführt,<br />

Mängel der Ist-Situation zu entdecken und zu bearbeiten.<br />

Diese Schwächen bestanden darin, dass<br />

eine unübersichtliche Vielzahl von wenig aussagefähigen Pflegezielen formuliert<br />

wurde. Mancherorts war es übliche Praxis, zu jedem AEDL ein oder mehrere Ziele<br />

zu benennen;<br />

der logische Zusammenhang zwischen Zielen und Maßnahmen nicht immer<br />

ersichtlich war.<br />

erbrachte Leistungen – und hier insbesondere auch die von den Pflegekräften<br />

„nebenbei“ realisierte psychosoziale Begleitung von Bewohnern/innen – kaum<br />

dokumentiert wurde;<br />

die Tagesberichte kaum der schichtübergreifenden Information und der Evaluation<br />

und Steuerung des individuellen Pflegeprozesses dienten. Typische Mängel waren<br />

dabei, dass z.B. der Nachtdienst besondere Vorkommnisse allzu sparsam festhielt,<br />

dass zur emotionalen Befindlichkeit von Bewohnern/innen kaum etwas ausgesagt<br />

wurde, dass Verhaltensweisen von Bewohnern/innen unkommentiert und manchmal<br />

etikettierend enthalten waren. In Einzelfällen bestanden die Tagesberichte aus<br />

der Bennennung der tatsächlich durchgeführten Maßnahmen, auch dann, wenn<br />

diese bereits in der Pflegeplanung bzw. im Tagesablaufplan benannt waren.<br />

Auch in Einrichtungen, in denen keine wesentlichen Veränderungen am Dokumentationssystem<br />

vorgenommen wurden, waren solche Erkenntnisse zu vorhandenen Mängel<br />

Anlass <strong>für</strong> Schulungen. Teilweise wurden die entsprechenden Schulungsinhalte<br />

mit der Einführung anderer Anforderungen verknüpft, z.B. mit Qualifizierungsmaßnahmen<br />

<strong>zum</strong> Assessment, zu den Leistungsbeschreibungen oder zur Zuständigen<br />

Pflegefachkraft.<br />

3.4.1 Einführung verbesserter Planungs- und Dokumentationsformen<br />

Ein Aspekt der Verbesserungen, der auch dem Konzeptbaustein zu Dokumentationsformen<br />

zuzuordnen ist, wurde im Kapitel zu den Leistungsbeschreibungen bereits<br />

angesprochen. In einigen der Einrichtungen wurden <strong>für</strong> die Maßnahmeplanung Formulare<br />

entwickelt, die sich an der Systematik der Leistungsbeschreibungen orientierten<br />

und die AEDL dieser Systematik zuordneten.<br />

In den Beratungen spielten Fragen, die sich auf die Reduzierung des Dokumentationsaufwandes<br />

bezogen, eine geringere Rolle. Im Vordergrund stand vielmehr die Tauglichkeit<br />

der Ziel- und Maßnahmeplanung <strong>für</strong> die Steuerung des Pflegeprozesses. Aus Sicht der<br />

Organisationsberatung gehörte dazu – neben der Bearbeitung der im vorangegangenen<br />

Abschnitt skizzierten Mängel – auch die Einführung von Tagesablaufplänen.<br />

Nur zwei der Referenzeinrichtungen haben die Bearbeitung des Konzeptbausteins zu<br />

verbesserten Dokumentationsformen vollständig zurückgestellt, weil die Anstrengungen<br />

vorrangig auf die Umsetzung der anderen verbindlichen Konzeptbausteine<br />

gerichtet waren. In allen anderen Häusern fand eine Auseinandersetzung statt, die<br />

überwiegend dazu führte, dass die vorhandenen Planungs- und Dokumentationsformulare<br />

optimiert wurden teilweise bei gleichzeitiger Umstellung auf ein EDV-System.<br />

169


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

170 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die Bearbeitung vorgefundener Mängel und die Verbesserung der vorhandenen Dokumentationsinstrumente<br />

hat im Prozess der Organisationsentwicklung viel Zeit und Energie<br />

gekostet. Teilweise dauerte es mehrere Monate, sich mit der zuständigen Trägerebene<br />

zu verständigen, um die Veränderungen auch über die Projektlaufzeit hinaus<br />

abzusichern. Teilweise zogen sich Verhandlungen mit den Anbietern von Dokumentationssystemen<br />

recht lange hin. Ähnliches galt <strong>für</strong> die Umstellung auf ein EDV-gestütztes<br />

System oder dessen Anpassung. Vor allem wurde viel Zeit intensiviert, um veränderte<br />

Planungs- und Dokumentationsweisen den Mitarbeiter/innen zu vermitteln.<br />

In den meisten Referenzeinrichtungen, selbst in solchen, in denen die Konzeptempfehlungen<br />

bereits vor Projektbeginn ganz oder weitgehend erfüllt worden waren,<br />

waren in den letzten Monaten der Modelllaufzeit deutliche Verbesserungen zu erkennen:<br />

Pflegeziele wurden präziser formuliert, Maßnahmen konkreter beschrieben,<br />

Tagesberichte wurden aussagefähiger, psychosoziale Leistungen wurden besser<br />

geplant und dokumentiert. In mehreren Einrichtungen gab es auch ausdrücklich positive<br />

Rückmeldungen von Seiten der zuständigen Pflegefachkräfte, dass die Veränderungen<br />

die Schlüssigkeit der Planung verbessert und damit die Planung selbst erleichtert<br />

hätten. Auch sei durch die Einführung bzw. Verbesserung der Tagesablaufpläne<br />

eine höhere Betreuungskontinuität erreicht worden. Müsse beim Ausfall einer<br />

Pflege(fach)kraft eine Vertretung einspringen, könne sich diese sehr gut an den Tagesablaufplänen<br />

orientieren.<br />

3.5 Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung in zentralen Arbeitsfeldern stationärer<br />

Pflegeeinrichtungen<br />

Die „Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung in zentralen Arbeitsfeldern“ umfassen<br />

sechs Einzelkonzepte zu den Schwerpunkten:<br />

Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung,<br />

Zusammenarbeit mit Angehörigen,<br />

Nächtliche Versorgung,<br />

Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen,<br />

Kooperation mit niedergelassenen Ärzten/innen,<br />

Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten (vgl. zu den Details Praxisleitfaden<br />

Teil A IPW-Konzepte).<br />

Die Anforderungen der Konzeptbausteine beziehen sich auf die Gestaltung eindeutiger<br />

Rahmenbedingungen und Zuständigkeitsregelungen und auf die inhaltliche<br />

Gestaltung bestimmter Schritte in diesen Prozessabläufen. Sie sind durchaus als Rahmenkonzepte<br />

<strong>für</strong> die Abfassung von QM-Handbuchkapitel zu „Schlüsselprozessen“<br />

in jeder stationären Altenpflegeeinrichtung anzusehen. Die Referenzeinrichtungen<br />

mit einem bereits recht weit entwickelten Qualitätsmanagement verfügten deshalb<br />

schon zu Beginn des Projekts über entsprechende Kapitel und Abschnitte in ihren<br />

QM-Handbüchern.<br />

Aufgabe der Referenzeinrichtungen war es, die von der wissenschaftlichen Begleitung<br />

vorgelegten Rahmenkonzepte bezogen auf die eigene Einrichtung zu konkretisieren<br />

und in die Praxis umzusetzen. Einige Anforderungen waren in allen inhaltlichen<br />

Schwerpunkten benannt. Für alle sechs Rahmenkonzepte galt, dass die Einrichtungen<br />

<strong>für</strong> jede(n) Bewohner/in eine Hauptansprechpartner/in zu benennen hatten.<br />

Mit dieser Funktion wurden in allen Einrichtungen die Zuständigen Pflegefachkräfte<br />

betraut. Auf die damit verbundenen konkreten Aufgaben und auf die Umsetzungswege<br />

ist das vorangegangene Kapitel bereits eingegangen.


Darüber hinaus war <strong>für</strong> jedes Rahmenkonzept ein einrichtungsspezifisches schriftliches<br />

Konzept zu erstellen, das bezogen auf den jeweiligen Schwerpunkt<br />

über Grundsätze, Inhalte und personelle Zuständigkeiten Auskunft gibt,<br />

die im Rahmenkonzept formulierten Anforderungen enthält,<br />

allen Mitarbeitern/innen über Information und Schulungen nahe zu bringen ist.<br />

(Vgl. Praxisleitfaden Teil A)<br />

3.5.1 Konzepterstellung<br />

In einigen Referenzeinrichtungen zeigte sich, dass die Erstellung eines schriftlichen<br />

Konzeptes den Modellbeauftragten relativ schwer fiel. Am besten gelang dies den<br />

Modellbeauftragten, die vor dem Modellprojekt als Qualitätsbeauftragte tätig waren<br />

oder eine entsprechende Weiterbildung genossen hatten. Sie fassten die Konzepte<br />

im Stil von QM-Handbuchkapiteln ab und folgten damit einer Gliederung, die von<br />

den Organisationsberatern/innen auch den anderen Modellbeauftragten empfohlen<br />

wurde. Demnach sollte ein Konzept, das über die zentralen Elemente eines Schlüsselprozesses<br />

informiert, zu den folgenden Schwerpunkten Stellung nehmen:<br />

Grundsätze: Die Bedeutung des jeweiligen Prozesses und grundlegende Ziele lassen<br />

sich beispielsweise anhand folgender Fragen ermitteln: Warum ist der Einzug eines<br />

neuen Bewohners <strong>für</strong> die Einrichtung ein besonders wichtiger Prozess? Welche Ziele<br />

sollen durch die Regelung dieses Prozesses grundsätzlich (und ggf. auch durch<br />

bestimmte Prozessphasen) erreicht werden?<br />

Arbeitsprozess: Wie gliedert sich der Arbeitsprozess, durch den diese Ziele umgesetzt<br />

werden sollen? Diese Gliederung sollte der Strukturierung der Konzeptpapiere<br />

folgen. Die einzelnen Gliederungspunkte bilden die Überschriften <strong>für</strong> logisch zusammenhängende<br />

Arbeitsschritte. Bei komplexen Prozessen, müssen jeweils die einzelnen<br />

Ziele auch <strong>für</strong> diese Prozessphasen formuliert werden.<br />

Arbeitsschritte (bezogen auf jeden Gliederungspunkt): Was ist in welcher chronologischen<br />

Reihenfolge auf welche Weise zu tun, um die Ziele umzusetzen? Wer ist <strong>für</strong><br />

die Prozesssteuerung bzw. die operative Erledigung zuständig? Was ist auf welche<br />

Weise zu dokumentieren?<br />

Weitere („mitgeltende“) Dokumente: Welche anderen Konzepte bzw. QM-Handbuchkapitel<br />

weisen Überschneidungen zu diesem Konzept auf? Welche Protokollformulare<br />

und Checklisten sind zu verwenden und wo sind diese aufzufinden?<br />

Freigabe: Von welchem Zeitpunkt an ist das jeweilige Konzept verabschiedet und<br />

gültig?<br />

Kontrolle und Steuerung: Auf welche Weise wird überprüft, ob die getroffenen Regelungen<br />

auch tatsächlich einhalten werden? In QM-Handbüchern ist diese Aufgabe<br />

meist in eigenen Ablaufstandards („Messung“ der Dienstleistung) beschrieben.<br />

Aus Sicht der Organisationsberater/innen war <strong>für</strong> die Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit,<br />

mit der ein verabschiedetes Konzept – und QM-Regelungen überhaupt – im<br />

Alltag umgesetzt wird, besonders bedeutsam,<br />

ob Mitarbeiter/innen an der Konzepterarbeitung beteiligt waren und die Ergebnisse<br />

solcher partizipativen Arbeitsprozesse auch verwendet wurden und<br />

ob der Sinn des Qualitätsmanagements verständlich erläutert und vermittelt wurde.<br />

Diese Erfolgsfaktoren <strong>für</strong> ein nachhaltig wirksames QM waren zu Beginn des Projektes<br />

nicht in allen Referenzeinrichtungen gegeben. In einzelnen Häusern waren bereits<br />

vorhandene QM-Handbuchkapitel ohne Mitarbeiterbeteiligung durch Leitungskräfte<br />

erstellt worden. In anderen hatten zwar hierarchieübergreifend besetzte Arbeitsgruppen<br />

an der Erarbeitung einzelner Themen mitgewirkt, es fehlte jedoch an der Einbin-<br />

171


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

172 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

dung der nicht unmittelbar beteiligten Kollegen/innen. In wieder anderen Häusern<br />

hatten partizipative Qualitätszirkel zwar Ergebnisse erarbeitet, aber niemand kümmerte<br />

sich um die Einhaltung der entwickelten Regelungen.<br />

3.5.2 Mitarbeiterbeteiligung und mögliche Vorgehensweisen:<br />

Bei der Bearbeitung aller übergeordneten Rahmenkonzepte hat die Organisationsberatung<br />

da<strong>für</strong> plädiert, diejenigen, die später <strong>für</strong> die Umsetzung der Konzepte zuständig<br />

sein würden, an der hausspezifischen Konkretisierung der Rahmenanforderungen<br />

zu beteiligen. Unverzichtbar war dies auch deshalb, weil die immer wieder vorzunehmenden<br />

Vergleiche zwischen der vorhandenen Praxis (Ist) und den formulierten<br />

Anforderungen (Soll) nur dann vollständig sein konnten, wenn diejenigen daran<br />

beteiligt waren, die diese Abläufe selbst gestalteten und im Alltag beobachteten. Es<br />

ging ja nicht darum, vorhandene Regelungen auf dem Papier miteinander zu vergleichen,<br />

sondern das tatsächliche Geschehen zu den Anforderungen in Beziehung zu<br />

setzen.<br />

Wie schon erwähnt geschah die Beteiligung der Belegschaft in den Referenzeinrichtungen<br />

auf unterschiedliche Weise. Einige Häuser nutzten dazu bereichs- und hierarchieübergreifende<br />

Qualitätszirkel, andere teilten die einzelnen Rahmenkonzepte einzelnen<br />

Wohnbereichsteams zur Bearbeitung zu. Mit verschiedenen Berufsgruppen<br />

und Hierarchieebenen gemischte Qualitätszirkel hatten den Vorteil, dass hier unterschiedliche<br />

Perspektiven einbezogen werden und die Besetzung je nach inhaltlichem<br />

Auftrag verändert werden konnte. Die Beauftragung von Wohnbereichsteams war<br />

ebenfalls vorteilhaft, da in unterschiedlichen Teams mehrere Schwerpunkte gleichzeitig<br />

bearbeitet werden konnten und ein solcher Auftrag die Teamentwicklung positiv<br />

beeinflusst hat. Der zeitliche Aufwand hielt sich in Grenzen, weil bereits vorhandene<br />

Besprechungsforen genutzt wurden.<br />

3.5.3 Sinnvermittlung und Ergebnisrückkoppelung:<br />

Der Sinn der Qualitätssicherung leitet sich her aus einer grundsätzlichen Haltung der<br />

Dienstleistungsorientierung. Damit ist u.a. gemeint, dass Wünsche, Bedürfnisse und<br />

Kritik von Leistungsadressaten immer ernst zu nehmen und möglichst zu beantworten<br />

sind. Ziel ist, dass die Adressaten das, was getan wird, auch als Leistung, also als<br />

<strong>für</strong> sie hilfreich und nützlich wahrnehmen. Der Begriff der Dienstleistungsorientierung<br />

ist in der Altenpflege <strong>für</strong> die Beschäftigten häufig unverständlich, ist aber eng verknüpft<br />

mit der ursprünglichen Motivation, mit der die meisten Beschäftigten in der<br />

Altenpflege sich gerade dieses Berufsfeld ausgewählt haben: Die meisten Mitarbeiter/innen<br />

möchten mit Menschen arbeiten, wollen sie unterstützen und begleiten.<br />

Geschehen kann dies allerdings in der Realität auf sehr unterschiedliche Weise, also<br />

mit unterschiedlicher Leistungsqualität. Ziel jedes Qualitätsmanagements ist es, ein<br />

definiertes Qualitätsniveau verlässlich zu sichern. Die Bewohner/innen sollen sich<br />

auf eine bestimmte Leistungsgüte verlassen können, unabhängig davon, ob sie in dieser<br />

oder jener Pflegeeinrichtung, diesem oder jenem Wohnbereich, von dieser oder<br />

jener Pflegefachkraft betreut werden. Zu erreichen ist diese Verlässlichkeit nur durch<br />

die Standardisierung von Abläufen.<br />

Ein wichtiges Kriterium <strong>für</strong> die Einhaltung verlässlicher Qualitätsniveaus ist die Wirksamkeit<br />

(Effektivität) von entsprechenden Leistungen. Indikatoren da<strong>für</strong> werden abgeleitet<br />

aus den zentralen Pflegezielen und der physischen und psychischen Befindlichkeit<br />

der Bewohner/innen: Sind prophylaktische Maßnahmen und Behandlungspflege<br />

zielangemessen? Wird nachweislich darauf hingewirkt, dass vorhandene Fähigkeiten<br />

erhalten bzw. erweitert werden? Inwieweit entspricht ihre Versorgung und Betreuung<br />

ihrem tatsächlichen Bedarf?<br />

Ein weiteres übergeordnetes Kriterium ist das der Wirtschaftlichkeit (Effizienz). Darunter<br />

versteht man einen möglichst rationellen Einsatz von Personal, Zeit und Geld,<br />

um ein bestmögliches Leistungsniveau zu erhalten oder zu erreichen. Mit Blick auf ein<br />

definiertes Ziel ist die Umsetzung dann umso effizienter, je weniger Ressourcen


genutzt werden müssen. Mit Blick auf die Ressourcen wird dann effizient gearbeitet,<br />

wenn mit den vorhandenen Kontingenten an Personal, Zeit und Geld möglichst viel<br />

erreicht werden kann.<br />

Beim Aufbau bzw. der Weiterentwicklung des Qualitätsmanagements ist es wichtig,<br />

diese Begründungszusammenhänge den Beschäftigten nahe zu bringen und mit<br />

ihnen zu diskutieren, denn letztlich kann nur ihr alltägliches Handeln <strong>für</strong> eine verlässliche,<br />

effektive und effiziente Leistungsqualität sorgen. Den Beschäftigten muss deutlich<br />

gemacht werden, dass unter den gegebenen Bedingungen eine nachweisbare<br />

Wirksamkeit der Leistungen und nicht zuletzt die Wirtschaftlichkeit einer Einrichtung<br />

auch die Konkurrenzfähigkeit und damit die eigenen Arbeitsplätze sichern kann.<br />

Allerdings darf dies nicht in Frontalvorträgen geschehen, sondern auf eine Weise,<br />

welche die Mitarbeiter auffordert, sich mit den eigenen Meinungen, vielleicht auch<br />

Be<strong>für</strong>chtungen in einen Diskurs einzubringen. Sinnvermittlung ist mehr als Information,<br />

sondern ein Weg, eine bestimmte Haltung in der Einrichtung zu verankern. Dort,<br />

wo über Leistungsqualität und deren Verlässlichkeit, über Reibungsverluste und deren<br />

Vermeidung in Abständen immer wieder miteinander gesprochen wird, entwickelt<br />

sich ein gemeinsames Gefühl von Verantwortung <strong>für</strong> die zu erbringende Leistungsgüte,<br />

ein Qualitätsbewusstsein der gesamten Mitarbeiterschaft.<br />

Auch vor dem Hintergrund solcher Überlegungen, die in manchen Einrichtungen<br />

besprochen wurden, hielten die Organisationsberater/innen Formen der unmittelbaren<br />

Beteiligung von Mitarbeiter/innen <strong>für</strong> unverzichtbar. Allerdings konnte in den<br />

Referenzeinrichtungen unabhängig von den oben beschriebenen verschiedenen Beteiligungswegen<br />

immer nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Mitarbeitern/innen an<br />

der Entwicklung und Konkretisierung der Rahmenkonzepte in Form von schriftlichen<br />

Konzepten beteiligt werden. Umso wichtiger war es, die anderen Beschäftigten in<br />

Form von Sinnvermittlung und Ergebnisrückkoppelung einzubeziehen. Gerade weil es<br />

daran in manchen Einrichtungen in der Vergangenheit gemangelt hatte, fehlte dort<br />

vielen Mitarbeitern/innen das Bewusstsein <strong>für</strong> die tatsächliche Bedeutung des Qualitätsmanagements.<br />

Zu be<strong>für</strong>chten war, dass sie ohne einen hausinternen Diskurs und<br />

eine Rückkoppelung der Arbeitsergebnisse auch die Bearbeitung der Rahmenkonzepte<br />

bestenfalls <strong>für</strong> das Erfüllen einer externen Auflage halten würden.<br />

In den Beratungsgesprächen mit Modellbeauftragten, aber auch mit den Leitungskräften<br />

mancher Einrichtungen thematisierten die Organisationsberater/innen diese<br />

Gefahr und wirkten darauf hin, die vorhandenen Kommunikationsstrukturen und auch<br />

die Mitarbeiterschulungen <strong>für</strong> Sinnvermittlung und Ergebnisrückkoppelung zu nutzen.<br />

Wenn die schriftlichen Konzepte erarbeitet, ggf. in das QM-Handbuch aufgenommen<br />

und in den Einrichtungen verabschiedet waren, begann jeweils die Schulung der Mitarbeiter/innen,<br />

die von den Modellbeauftragten übernommen wurde. Anders als bei<br />

den Leistungsbeschreibungen war es hier nicht notwendig, dass sich alle<br />

Mitarbeiter/innen mit den Anforderungen der ursprünglichen Konzeptbausteine vertraut<br />

machten. Die Schulungen stellten das hausintern erarbeitete Konzept bzw. QM-<br />

Handbuchkapitel in den Vordergrund und zielten darauf, alle Mitarbeiter/innen über<br />

die Inhalte zu informieren und ihnen zu verdeutlichen, welche veränderten bzw. neuen<br />

Verfahrensweisen in Bezug auf jeden dieser Rahmenkonzepte in Zukunft zu beachten<br />

waren.<br />

3.6 Unterstützung beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung<br />

Dieses Rahmenkonzept <strong>zum</strong> Heimeinzug formuliert u.a. Anforderungen an eine gute und<br />

koordinierte Vorbereitung, an eine intensive und einfühlsame Begleitung des/der neuen<br />

Bewohners/in während der Eingewöhnung und an die Einhaltung von Fristen bezogen<br />

auf das vorzunehmende Assessment und die Erstellung der Pflegeplanung. In vielen Refe-<br />

173


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

174 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

renzeinrichtungen waren zu diesem Schwerpunkt bereits Festlegungen in Form von QM-<br />

Handbuchkapiteln oder Verfahrensanweisungen vorhanden. Gleichwohl gab es fast überall<br />

kleinere, manchmal auch größere Entwicklungsbedarfe. Gleichwohl konnte gerade<br />

bei diesem Rahmenkonzept gut an die vorhandene Praxis angeknüpft werden.<br />

3.6.1 Internes Schnittstellenmanagement<br />

In einigen Referenzeinrichtungen konnten durch die Soll-Ist-Analyse Schwachstellen in<br />

Bezug auf die koordinierte Zusammenarbeit zwischen der Pflege und anderen Dienstbereichen<br />

der Einrichtung entdeckt und bearbeitet werden. Zum Einen galt dies <strong>für</strong><br />

die Kooperation mit dem Sozialen Dienst, der vielfach <strong>für</strong> die Erhebung biografischer<br />

Informationen zuständig war. Welche Probleme es gab und wie sie bearbeitet wurden,<br />

wurde ausführlich dargestellt.<br />

Zum Anderen deckte die Bestandsaufnahme mehrfach Mängel in der Zusammenarbeit<br />

mit der Hauswirtschaft auf. Meist ging es nur um Kleinigkeiten, etwa, dass vergessen<br />

worden war, eine Flasche Mineralwasser aufs Zimmer zu stellen. Um hier<br />

Abhilfe zu schaffen, wurden in Qualitätszirkeln Checklisten neu entwickelt bzw. überarbeitet.<br />

Vor allem wurde da<strong>für</strong> gesorgt, dass die Checklisten tatsächlich auch<br />

genutzt und von der zuständigen Leitungskraft kontrolliert wurden.<br />

3.6.2 Begleitung der Eingewöhnungsphase<br />

Obwohl in den meisten Referenzeinrichtungen Regelungen zur Gestaltung des Heimeinzugs<br />

schriftlich festgelegt waren, fehlten bei vielen Standards zur Begleitung der<br />

Eingewöhnungsphase. Im Rahmenkonzept ist die Anforderung formuliert, dass „der<br />

Hauptansprechpartner in enger Kooperation mit dem Sozialen Dienst eine bedarfsund<br />

bedürfnisgerechte Begleitung der Bewohner während der ersten Phase des Heimaufenthalts“<br />

zu sichern hat. Konkret solle er oder seine Vertretung „regelmäßig, nach<br />

Möglichkeit täglich“ Kontakt aufnehmen (vgl. Praxisleitfaden Teil A).<br />

Dies ist ein Beispiel da<strong>für</strong>, dass sich Qualitätsmanagement nicht nur darauf beschränken<br />

darf, Festlegungen <strong>für</strong> standardisierbare Sachverhalte zu formulieren. Standardisierbar<br />

ist die Häufigkeit der Kontaktaufnahme und die Zuständigkeit. Was aber<br />

heißt eine „bedarfs- und bedürfnisgerechte Begleitung“ und wie unterscheidet sich<br />

dieser Ablauf vom Alltag und der Pflege von Bewohnern/innen, die bereits länger in<br />

der Einrichtung leben?<br />

Im Rahmen der Bearbeitung dieses Konzeptbausteins wurden diese Fragen in den<br />

Projektgruppen diskutiert und so das Qualitätsbewusstein der Beschäftigten<br />

geschärft.<br />

Manche Einrichtungen haben sich darauf verständigt, dass in Übergaben und bei<br />

Fallgesprächen neue Bewohner/innen immer besonders zu berücksichtigen sind.<br />

Man tauschte sich z.B. darüber aus,<br />

ob es Äußerungen oder Hinweise darauf gibt, dass ein/e neue/r Bewohner/in<br />

sich wohl fühlt oder nicht, bzw. ob die Angehörigen zufrieden sind und wie diese<br />

in der Begleitung genutzt bzw. abgestellt werden können,<br />

ob Be<strong>für</strong>chtungen, Ängste, Beschwerden formuliert werden und wie darauf zu reagieren<br />

ist,<br />

ob es Themen, Interessen, Formen der Kontaktaufnahme o.ä. gibt, die dem/der<br />

Bewohner/in besonders wichtig sind,<br />

welche Verhaltensweisen der/die Bewohner/in an den Tag legt und wie diese zu<br />

verstehen sind,<br />

welche biografischen Informationen <strong>für</strong> die ressourcenorientierte und psychosoziale<br />

Unterstützung und Begleitung des/der Bewohner/in relevant sein könnten.<br />

Wichtig war es in diesem Zusammenhang, immer wieder dazu aufzufordern, entsprechende<br />

Informationen auch in den Tagesberichten festzuhalten.


Die Erörterung solcher Fragen bei Übergaben und Fallgesprächen dienten der Sensibilisierung<br />

der Fachkräfte und führten nicht selten zu konkreten Hinweisen, wie der<br />

Kontakt zu einem/einer bestimmten Bewohner/in zu gestalten sei.<br />

3.6.3 Das Integrationsgespräch<br />

Eine weitere Lücke in den vorhandenen QM-Handbüchern betraf die vom Rahmenkonzept<br />

geforderte Durchführung eines Integrationsgesprächs innerhalb der ersten<br />

sechs Wochen nach Einzug eines/einer neuen Bewohners/in. Umgesetzt wurde<br />

diese Anforderung in vielen Referenzeinrichtungen durch die Verbindung dieses Integrationsgesprächs<br />

mit der ersten Pflegevisite bzw. Pflegeevaluation. Ähnlich wie bei<br />

der Begleitung der Eingewöhnungsphase war es auch hier wichtig, neben der Festlegung<br />

von Fristen und Zuständigkeiten die inhaltliche Durchführung mit den zuständigen<br />

Pflegefachkräften zu diskutieren. Allerdings konnte hier die Standardisierung<br />

weiter gehen als bei der Eingewöhnung. In einigen Referenzeinrichtungen wurden<br />

die vorhandenen Formulare <strong>für</strong> den Ergebnisbericht von Pflegevisite/Pflegeevaluation<br />

<strong>für</strong> diesen Anlass zu überarbeitet und erweitert, so dass die empfohlenen Themen<br />

<strong>für</strong> das Integrationsgespräch, wie die „Privatsphäre, Entscheidungsautonomie,<br />

Selbständigkeit, Informationsbedarf, soziale Kontakte, Angebote, Tagesstrukturierung,<br />

pflegerische und hauswirtschaftliche Versorgung“ angesprochen und dokumentiert<br />

werden konnten (vgl. Praxisleitfaden Teil A „Unterstützung beim Einzug in eine<br />

Pflegeeinrichtung“). Dabei wurde auch festgelegt, wer neben dem/der jeweiligen<br />

Bewohner/in und dem/der Hauptansprechpartner/in teilnimmt (z.B. Angehörige,<br />

Wohnbereichs-, Pflegedienstleitung).<br />

3.7 Zusammenarbeit mit Angehörigen<br />

Das Rahmenkonzept zur Zusammenarbeit mit Angehörigen beinhaltet Anforderungen,<br />

die deutlich machen, dass zwar an erster Stelle die Bewohner/innen selbst, darüber<br />

hinaus aber auch die Angehörigen als Leistungsadressaten und in gewisser<br />

Weise auch als Mitwirkende am Leistungsgeschehen betrachtet werden. Wo dies<br />

dem Wohl und Interesse des Bewohners dient, sollen die Einrichtungen u.a.<br />

den Kontakt zwischen Bewohnern/innen und Angehörigen unterstützen,<br />

Angehörigen gezielt in die Pflegeplanung und – wenn möglich – auch in die Pflegepraxis<br />

einbeziehen, was auch erfordert, dass die Gespräche mit Angehörigen<br />

zu dokumentieren sind,<br />

<strong>für</strong> ein hohes Maß an Informationstransparenz sorgen,<br />

den Angehörigen verlässliche Zugangswege <strong>für</strong> Kommunikation, Fragen, Kritik<br />

eröffnen.<br />

Schon vor Projektbeginn wurde in allen Referenzeinrichtungen gut mit den meisten<br />

Angehörigen von Bewohnern/innen zusammengearbeitet. Abweichungen von den<br />

Anforderungen des Rahmenkonzepts bezogen sich vor allem auf die folgenden Punkte:<br />

Eine überwiegend konzeptkonforme gelebte Praxis war nicht durch Verfahrensanweisungen<br />

bzw. QM-Handbuchkapitel standardisiert und somit nicht hinreichend<br />

verlässlich.<br />

Die Dokumentation relevanter Gesprächinhalte nach Kontakten mit Angehörigen<br />

fand vielfach nicht statt.<br />

Die Einbeziehung von Angehörigen in die Pflegeplanung, vor allem aber in die<br />

Pflegepraxis war in einem Teil der Einrichtungen entwicklungsbedürftig. Ersteres<br />

beschränkte sich vielfach auf Gespräche im Rahmen der Pflegevisite, der zweite<br />

Punkt wurde allzu zufällig realisiert und war z.B. abhängig von Fragen des Zeitdrucks<br />

<strong>für</strong> die Pflegekräfte in bestimmten Pflegephasen oder auch von dem jeweils<br />

individuellen Bezug einzelner Pflegekräfte zu einzelnen Angehörigen.<br />

175


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

176 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

In einigen Häusern fühlten sich die Pflegekräfte nicht kompetent genug, um auch<br />

schwierige und konfliktträchtige Kontakte mit Angehörigen zu meistern.<br />

3.7.1 Konzepterstellung und Verbesserung von Verfahrensstandards<br />

Die Bearbeitung des Rahmenkonzeptes zur Zusammenarbeit mit Angehörigen hat in<br />

etwa der Hälfte der Referenzeinrichtungen dazu geführt, dass wichtige Elemente dieser<br />

Kooperation festgeschrieben wurden. In einigen Fällen war dabei sehr gut auf<br />

einer schon vorhandenen Praxis aufzubauen. In den vielfach schon vor dem Projekt<br />

vorhandenen QM-Handbüchern waren Bedeutung und Stellenwert der Zusammenarbeit<br />

mit Angehörigen nicht immer herausgearbeitet. Teilweise lag dies auch an einer<br />

ungünstigen Systematik: Standards <strong>zum</strong> Umgang mit Angehörigen waren manchmal<br />

nicht in einem eigenen Kapitel zusammengefasst. Angaben dazu fanden sich vielmehr<br />

in der Beschreibung anderer bewohnerbezogener Prozesse (Heimeinzug, Sterbebegleitung<br />

u.a.) oder beschränkten sich auf Festlegungen <strong>zum</strong> Beschwerdemanagement<br />

und zur jährlichen Kundenbefragung. Durch die Konzepterarbeitung in den Einrichtungen<br />

kam es zur Zusammenfassung dieser elemente in einem eigenen QM-Kapitel.<br />

Zur Entwicklung und Erweiterung von Verfahrensstandards gehörte auch die Auseinandersetzung,<br />

auf welche Weise die Kontaktmöglichkeiten von Angehörigen und<br />

Pflegekräften zu regeln seien. Mehrere Einrichtungen hatten bereits vor dem Modellprojekt<br />

mit Angehörigensprechstunden experimentiert, einige taten dies angeregt<br />

durch den Konzeptbaustein. Die Erfahrung war durchgehend, dass die Angehörigen<br />

solche Angebote kaum annahmen.<br />

Es zeigte sich immer wieder, dass Angehörige gern unmittelbar mit einer Pflegekraft<br />

sprechen wollten, wenn sie Fragen hatten oder ein Problem aufgetaucht war. Sie<br />

wandten sich dann in „Tür-und-Angel-Gesprächen“ an die Person, die gerade „greifbar“<br />

war.<br />

Aus Sicht der Organisationsberatung sind solche spontanen Kontakte <strong>für</strong> die Gestaltung<br />

einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Pflegekräften und Angehörigen ein<br />

wichtiges Medium. Es ist bedeutsam, dass den Angehörigen in diesen Situationen die<br />

prinzipielle Kommunikations- und Hilfsbereitschaft der Pflegekräfte vermittelt wird.<br />

Deshalb durfte im Modellprojekt das Ziel nicht darin bestehen, solche spontanen<br />

Gespräche zu vermeiden. Vielmehr ging es in den Einrichtungen darum, die richtige<br />

Balance zu finden: wenn es im Einzelfall möglich war, sofort oder nach kurzer Wartezeit<br />

miteinander zu sprechen, dann sollte dies auch geschehen. Musste ein<br />

Gespräch aus zeitlichen oder auch inhaltlichen Gründen auf einen späteren Zeitpunkt<br />

verschoben werden, so sollte alles getan werden, um diesen Zeitpunkt zwischen<br />

dem jeweiligen Angehörigen mit dem <strong>für</strong> die Frage richtigen Gesprächspartner<br />

sofort zu vereinbaren.<br />

Selbstverständlich war bei diesen Diskussionen und Planungen zu berücksichtigen,<br />

dass spontane Gesprächswünsche von Angehörigen zu bestimmten Zeiten oder in<br />

besonderen Situationen auch zu einer empfindlichen Störung der pflegerischen Versorgung<br />

von Bewohnern/innen führen konnten. Umso wichtiger war es, die Informationstransparenz<br />

zu verbessern. Auch hier wurden von einigen Referenzeinrichtungen<br />

Veränderungen vorgenommen, etwa durch eine Überarbeitung und ergänzende Hinweise<br />

im vorhandenen Informationsmaterial, das Angehörigen bei Neueinzügen übergeben<br />

wurde. Dazu gehörte auch die Information darüber, wer die <strong>für</strong> sie zuständigen<br />

Pflege(fach)kräfte waren und wann diese am ehesten zu erreichen waren.<br />

3.7.2 Entwicklung von Angeboten <strong>für</strong> Angehörige:<br />

Zu den Verbesserungen, die durch den Konzeptbaustein zur Angehörigenarbeit realisiert<br />

wurden, gehörte auch die Optimierung von Angeboten <strong>für</strong> Angehörige.<br />

Zunächst war dazu die Unterstützung und Beratung beim Umgang mit dem/der<br />

Bewohner/in zu zählen. Oft fühlten sich Angehörige beim Umgang mit ihrem Verwandten<br />

hilflos und überfordert. Dies galt besonders dann, wenn es sich um demen-


ziell veränderte Bewohner/innen handelte oder solche, die nicht mehr sprachlich<br />

kommunizieren konnten und bettlägerig waren. Hilfreich war hier, den Angehörigen<br />

Möglichkeiten zu geben, bei Betreuungsmaßnahmen anwesend zu sein bzw. sie<br />

dabei zu beraten, wie sie den Kontakt gestalten könnten. In einigen Einrichtungen<br />

wurden Pflegekräfte auch aufgefordert, mit Angehörigen zu besprechen, wie sie<br />

durch das Mitbringen von Gegenständen und Materialien (Bilder, Fotos, aber auch<br />

andere Dinge zur Anregung der sinnlichen Wahrnehmung) die Kontaktaufnahme<br />

erleichtern und viel dazu beitragen können, das Umfeld ihres Verwandten freundlicher<br />

und anregungsreicher zu gestalten. Auch solche Hinweise waren geeignet,<br />

den Gefühlen von Hilflosigkeit und Überforderung entgegen zu wirken.<br />

Zur Qualitätsentwicklung der Angebote <strong>für</strong> Angehörige gehörte auch die Gestaltung<br />

von Angehörigenabenden. In einigen Einrichtungen war es schon vor dem Projekt<br />

übliche Praxis, solche Angebote auch wohnbereichsbezogen durchzuführen. In vielen<br />

Häusern wurden solche wohnbereichsbezogenen Angebote jedoch erst durch<br />

den Konzeptbaustein eingeführt. Der inhaltliche Schwerpunkt konnte dabei in stärkerem<br />

Maße auf die Beantwortung konkreter Fragen, den Austausch über Erfahrungen<br />

mit Bewohnern/innen und die Erläuterung spezifischer Versorgungsleistungen gelegt<br />

werden. Sehr gut waren die Erfahrungen in einer Einrichtung, in der die Pflegekräfte<br />

gefordert waren, Elemente ihrer Arbeit durch vorbereitete Präsentationen vorzustellen.<br />

3.7.3 Möglichkeiten und Grenzen bei Konflikten<br />

Die Probleme im Umgang mit „schwierigen“ Angehörigen, die im Rahmen der<br />

Bestandsaufnahme zu diesem Konzeptbaustein von Mitarbeitern/innen benannt wurden,<br />

waren in mehreren Referenzeinrichtungen auch Beratungsschwerpunkt. Sowohl<br />

in den Gesprächen mit den Modellbeauftragten als auch in Kontakten zu Wohnbereichsleitungen,<br />

in Einzelfällen auch mit ganzen Wohnbereichsteams wurde auf diese<br />

Fragen eingegangen.<br />

Deutlich wurde dabei, dass es den Pflegekräften teilweise an Kompetenzen <strong>für</strong> die<br />

Gesprächsführung in Konfliktsituationen mangelt. Zu einer solchen Gesprächsführungskompetenz<br />

gehört vor allem auch die Fähigkeit, das Anliegen des Gegenübers,<br />

auch wenn es sich um eine Beschwerde handelt, ernst zu nehmen und sich in<br />

dessen Situation hineinversetzen zu können. Als schwierig erleben die Pflegekräfte<br />

häufig solche Angehörige, die besondere – aus Sicht der Pflegenden „überzogene“<br />

– Anforderungen an die Pflegeleistungen stellen oder sich leicht beschweren, wenn<br />

nicht alles so läuft, wie sie sich das vorstellen. Ob Pflegekräfte sich in solchen konflikthaften<br />

Kontakten angegriffen oder zu Widerspruch gereizt fühlen, hängt nicht<br />

zuletzt davon ab, wie sie solches Verhalten deuten. Wenn sie es als Ausdruck einer<br />

persönlichen negativen Charaktereigenschaft verstehen, ist die Gefahr groß, dass sie<br />

darauf unangemessen – abweisend oder auch zu ängstlich – reagieren. Deuten sie<br />

es als Hinweis, darauf, dass solche Angehörige, wenn sie schon nicht die Pflege des<br />

Bewohners selbst übernehmen können, die eigene Fürsorglichkeit auf andere Weise<br />

zeigen möchten, fällt es viel leichter, verständnisvoll und zugewandt zu bleiben und<br />

die Sorge um das Wohl des Bewohners als die verbindende Gemeinsamkeit herauszustellen.<br />

Einige Referenzeinrichtungen haben durch das Modellprojekt die Notwendigkeit<br />

erkannt, diese Thematik in ihr Schulungsprogramm aufzunehmen bzw. inhaltlicher auszurichten<br />

und sich nicht nur auf die Informationsvermittlung <strong>zum</strong> neuen bzw. überarbeiteten<br />

Konzept oder zu den Verfahrenswegen beim Beschwerdemanagement zu<br />

beschränken. Allerdings haben solche Schulungen im Projektzeitraum erst spät begonnen<br />

oder waren wegen anderer Prioritätensetzung sogar erst <strong>für</strong> einen Zeitraum nach<br />

Projektende planbar, so dass Effekte noch nicht beobachtet werden konnten.<br />

177


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

3.8 Nächtliche Versorgung<br />

178 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Das Rahmenkonzept zur „Nächtlichen Versorgung“ forderte von den Referenzeinrichtungen<br />

die Sicherstellung einer fachkompetenten Versorgung und Betreuung über 24<br />

Stunden unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts (vgl. Praxisleitfaden Teil<br />

A „Nächtliche Versorgung“). Zu den zentralen Elementen des Konzeptbausteins<br />

gehört u.a., dass<br />

die Einrichtungen in stärkerem Maße als bisher auf individuelle Pflege- und Betreuungsbedürfnisse<br />

in den Abend- und Nachtstunden achtet und ein adäquates<br />

abendliches/nächtliches Versorgungsangebot sicher stellt,<br />

bei Organisationsformen mit nur im Nachtdienst arbeitenden Fachkräften die<br />

Beteiligung des Nachtdienstmitarbeiter/innen an der Pflegeplanung und die fachliche<br />

Kommunikation zwischen Nachtdienst und Tagdiensten gesichert sein muss,<br />

Störungsquellen (Lärm, Licht u.ä.) eliminiert werden,<br />

Nachtdienstmitarbeiter/innen von mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen entlastet<br />

sind.<br />

In einigen Referenzeinrichtungen deckte die Bestandsaufnahme vor allem bezogen<br />

auf diese Punkte Mängel auf. Sie wurden in den Sitzungen von Modellbeauftragten<br />

und jeweiligem Organisationsberater bearbeitet. In die Soll-Ist-Analysen und die Entwicklung<br />

von Problemlösungen waren in fast allen Einrichtungen Fachkräfte aus dem<br />

Nachtdienst einbezogen. Allerdings wurde das Rahmenkonzept zur nächtlichen Versorgung<br />

relativ spät im Projektverlauf vorgelegt. In dieser Zeit waren die Referenzeinrichtungen<br />

damit beschäftigt, die vorher eingebrachten Konzeptbausteine einzuführen<br />

und zu erproben. Je nach Ausgangssituation war dies mit viel Aufwand verbunden<br />

und hat in einigen Fällen dazu geführt, dass die Bearbeitung der nächtlichen<br />

Versorgung zurückgestellt wurde. Aus diesem Grund konnten einige Veränderungen,<br />

die bezogen auf diesen Schwerpunkt geplant wurden, im Rahmen der Projektlaufzeit<br />

noch nicht umgesetzt oder systematisch erprobt werden.<br />

Andererseits hatten einige Einrichtungen mit der Bearbeitung dieses Schwerpunktes<br />

bereits begonnen, bevor das Konzeptpapier vorlag. In gemeinsamen Workshops mit<br />

Mitarbeiter/innen aus der Tag- und Nachtdienste wurden Verbesserungsvorschläge<br />

entwickelt und umgesetzt. Es zeigte sich später, dass diese sich durchaus mit den formulierten<br />

Anforderungen deckten.<br />

3.8.1 Verbesserung von Arbeitsabläufen<br />

Unabhängig davon, ob es gelungen ist, noch in der Projektlaufzeit ein einrichtungsspezifisches<br />

Konzept zu erarbeiten und umzusetzen, hat die Auseinandersetzung,<br />

die in den meisten Einrichtungen <strong>zum</strong> Thema Nachtdienst stattgefunden hat, an verschiedenen<br />

Stellen <strong>für</strong> Verbesserungen gesorgt. Die Mitarbeiter/innen wurden da<strong>für</strong><br />

sensibilisiert, sich so zu verhalten, dass sie die Nachtruhe von Bewohner/innen –<br />

etwa durch quietschendes Schuhwerk oder zu helle Lampen u.a. – nicht störten. Vielfach<br />

wurden die Arbeitsabläufe genauer analysiert und optimiert. Manche mittelbar<br />

bewohnerbezogenen Tätigkeiten – wie das Stellen der Medikamente oder das Herauslegen<br />

von Kleidungsstücken <strong>für</strong> das Ankleiden am Morgen u.ä. – konnte in den<br />

vorausgehenden bzw. folgenden Dienst verlagert werden. Dadurch gewannen die<br />

Nachtdienstmitarbeiter/innen Zeit <strong>für</strong> persönliche Gespräche und Kontakte mit<br />

Bewohner/innen, insbesondere mit solchen, deren Tag-Nacht-Rhythmus verändert<br />

war und sich über eine persönliche Kontaktaufnahme freuten.<br />

Gleichzeitig waren die Nachtdienstmitarbeiter/innen gehalten, genau auf das Verhalten<br />

von Bewohner/innen während der Nacht zu achten und Besonderheiten in<br />

den Tagesberichten zu dokumentieren. Für Bewohner/innen, die in der Nacht wach<br />

und aktiv waren, wurde auf den Wohnbereichen die Möglichkeit geschaffen, sich mit


Getränken und einem Imbiss zu versorgen. Wo dies durch die Architektur möglich<br />

war, wurden auch abgegrenzte Sitzecken oder Räume <strong>für</strong> ein spätes Zusammensitzen<br />

oder Fernsehen eingerichtet.<br />

3.8.2 Änderung von Dienstzeiten<br />

Einige Referenzeinrichtungen veränderten die Dienstzeiten von Spät-, Früh- und<br />

Nachtdienst. Durch eine Verlängerung des Spätdienstes oder den früheren Arbeitsbeginn<br />

am Morgen wurde die Voraussetzung da<strong>für</strong> geschaffen, dass die<br />

Bewohner/innen in stärkerem Maße selbst bestimmen konnten, wann sie zu Bett<br />

gehen oder aufstehen wollten. Auch war eine Teilnahme an abendlichen Angeboten<br />

so besser zu organisieren. Dass sich die Dienste stärker zeitlich überschnitten, sorgte<br />

<strong>für</strong> eine Verbesserung der Übergabe und mehr Austausch zu einzelnen<br />

Bewohnern/innen.<br />

Einige Einrichtungen haben wechselseitige Hospitationen von Tag- und Nachtdienst<br />

eingeführt. Teilweise waren dies nicht nur Ausnahmeregelungen. Vielmehr waren die<br />

Pflegekräfte die tagsüber bzw. in der Nacht arbeiteten, gefordert, in jedem Jahr<br />

einen definierten Zeitraum in der jeweils anderen Schicht Dienst zu tun.<br />

In manchen Referenzeinrichtungen war der Konzeptbaustein zur nächtlichen Versorgung<br />

Auslöser oder Ansporn <strong>für</strong> weit reichende Veränderungen bzw. Planungen.<br />

Diese bezogen sich auf das Konzept der „24-Stunden-Pflege“: Mittelfristig soll<br />

erreicht werden, dass alle Pflegekräfte alle Dienstzeiten abdecken und es keine<br />

eigene Mitarbeitergruppe <strong>für</strong> den Nachtdienst mehr gibt. Die 24-Stunden-Pflege wird<br />

durch das Konzeptelement nicht eingefordert, allerdings erleichtert sie die Umsetzung<br />

einiger inhaltlicher Anforderungen. Manche Träger/Einrichtungen hatten diese<br />

Umstrukturierung unabhängig vom Modellprojekt als strategische Zielsetzung formuliert<br />

und begannen die Umsetzung in der Projektlaufzeit. Andere einigten sich auf<br />

dieses Ziel, nachdem sie sich mit dem Rahmenkonzept auseinander gesetzt hatten,<br />

verschoben die Umsetzung jedoch auf die Zeit nach Beendigung des Modellprojekts.<br />

In einzelnen Einrichtungen ging die Abschaffung des reinen Nachtdienstes mit einen<br />

Wechsel im Unterstellungsverhältnis einher. Meist waren die Nachtdienstmitarbeiter/innen<br />

vorher direkt der Pflegedienstleitung unterstellt. Mit der Umstrukturierung<br />

wurden sie Mitglieder der Wohnbereichsteams und unterstanden der Wohnbereichsleitung.<br />

Eine solche Regelung erleichterte auch die Organisation der Pflege nach<br />

dem Konzept der Zuständigen Pflegefachkraft, weil sich die Zahl der examinierten<br />

Fachkräfte, die auch im Tagdienst zur Verfügung standen, erhöhte.<br />

Die Veränderungen von Dienstzeiten und insbesondere die Abschaffung des Dreischichtsystems<br />

wurde in den Referenzeinrichtungen durch eine intensive Kommunikation<br />

mit den Mitarbeiter/innen in Team- und Einzelgesprächen vorbereitet und begleitet.<br />

Für manche Pflegekräfte griffen die veränderten zeitlichen Anforderungen merkbar<br />

in ihre familiäre Situation und Lebensorganisation ein. Wichtig war, dass nach<br />

flexiblen Lösungen <strong>für</strong> Probleme gesucht wurde und je nach Lebensumständen auch<br />

Übergangs- oder Ausnahmeregelungen möglich waren. Diese wurden auch in den<br />

Teams offen besprochen, um durch Transparenz dem Eindruck vorzubeugen, einzelne<br />

Mitarbeiter/innen würden bevorzugt behandelt.<br />

3.8.3 Kooperation von Tag- und Nachtdienst<br />

In der Mehrzahl der Referenzeinrichtungen blieb es in der Projektlaufzeit bei der<br />

Beschäftigung von Dauernachtwachen. Wie die Bestandsaufnahme gezeigt hatte,<br />

hatten sich auch hier vielfach zwei unterschiedliche Beschäftigtengruppen gebildet,<br />

die kaum miteinander kommunizierten und nebeneinander her arbeiteten: Der Tagdienst<br />

wusste nicht viel über die Erfahrungen des Nachtdienstes und umgekehrt. Die<br />

Fachkräfte im Tag- und Nachtdienst erlebten einzelne Bewohner/innen oft auf höchst<br />

179


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

180 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

unterschiedliche Weise, aber der Kommunikationsmangel und teilweise eher nachlässig<br />

und wenig informativ geführte Pflegeberichte füllten die Informationslücke nur<br />

unzulänglich.<br />

Um eine verbesserte Zusammenarbeit der Mitarbeiter/innen der Tag- und Nachtdienste<br />

zu erreichen, wurden <strong>zum</strong> einen in einigen Einrichtungen die bereits erwähnten<br />

wechselseitigen Hospitationen eingeführt und Dienstzeiten mit etwas ausgedehnterer<br />

Überlappung des Spät- bzw. Frühdienstes mit dem Nachtdienst definiert. Darüber<br />

hinaus wurden die Nachtdienstmitarbeiter/innen stärker als bisher in die Kommunikation<br />

der Wohnbereichsteams einbezogen, etwa durch Anwesenheit eines/r Nachtdienstvertreters/in<br />

in den Teamsitzungen der Wohnbereiche.<br />

Verbessert wurde vor allem die Einbeziehung des Nachtdienstes in die Pflegeplanung<br />

und -dokumentation. In mehreren Einrichtungen waren die Fachkräfte aus dem Nachtdienst<br />

erstmalig gefordert, in Kooperation mit der jeweiligen Zuständigen Pflegefachkraft<br />

an der Erstellung der Pflegeplanung mitzuwirken und dabei ihre Beobachtungen<br />

des individuellen Bewohnerverhaltens in die Planung einzubringen. In den Referenzeinrichtungen,<br />

die teilweise initiiert durch das Projekt mit Tagesablaufplänen arbeiteten,<br />

wurden die Planungen <strong>für</strong> die Nachtstunden detaillierter ausgearbeitet und den<br />

Bewohnerbedürfnissen in stärkerem Maße angepasst.<br />

3.8.4 Entwicklung von Angeboten<br />

Zur Entwicklung von Angeboten in den Abend- und Nachtstunden gab es viele Diskussionen<br />

in den Referenzeinrichtungen. Nicht selten waren die Pflegekräfte der Meinung,<br />

es bestünde kein Bedarf an solchen Angeboten. Tatsächlich machten nicht<br />

wenige die Erfahrung, dass Bewohner/innen relativ früh am Abend darauf drängten,<br />

ins Bett zu gehen und die da<strong>für</strong> individuell notwendigen Unterstützungsmaßnahmen<br />

deutlich einforderten.<br />

In der Beratung wurde jedoch immer wieder thematisiert, dass solches Verhalten von<br />

Bewohnern/innen auch vom vorhandenen Angebot abhängig sein kann. Sind<br />

Bewohner/innen entsprechende Angebote in den Abend- und Nachtstunden in der<br />

Einrichtung bislang nicht gewohnt, werden sie sich mit den Gegebenheiten abfinden<br />

und können häufig nicht von sich aus Ideen dazu entwickeln. Vielmehr galt es, die<br />

Situation auf den Wohnbereichen genau zu prüfen, biografische Informationen über<br />

die Bewohner/innen in den Blick zu nehmen und zusätzlich mit Bewohnern/innen<br />

und Angehörigen über abendliche und nächtliche Gewohnheiten und Wünsche zu<br />

sprechen. Auch die Schlafgewohnheiten der Bewohner/innen, nächtliche Aktivität<br />

oder Unruhe sowie die Verabreichung von Schlafmitteln wurden genauer geprüft. Im<br />

Ergebnis wurde in mehreren Referenzeinrichtungen damit experimentiert, Angebote<br />

auszudifferenzieren und einiges in die späten Nachmittags- und Abendstunden zu<br />

verlagern. Hilfreich waren dabei, die bereits in Zusammenhang mit den Leistungsbeschreibungen<br />

begonnenen Verbesserungen in der Kooperation von Pflege und Sozialem<br />

Dienst und die in manchen Einrichtungen vorgenommenen Strukturveränderungen<br />

im Zusammenhang mit dem Sozialen Dienst.<br />

Zum Schwerpunkt der nächtlichen Versorgung war <strong>für</strong> die Mitglieder des Steuerungskreises<br />

ein Expertenworkshop veranstaltet worden. Vertreter/innen aus Einrichtungen,<br />

die nicht am Modellprojekt beteiligt waren, hatten dort zu ihren Erfahrungen<br />

berichtet. Die Beobachtungen dieser Experten/innen deckte sich weitgehend mit den<br />

Erfahrungen solcher Referenzeinrichtungen, in denen die Anforderungen des Rahmenkonzepts<br />

schon in der Ausgangssituation des Projektes weitgehend erfüllt waren.<br />

In den Beratungsgesprächen gaben die Organisationsberater/innen solche Erkenntnisse<br />

in Form von Empfehlungen weiter. Dazu gehörten die folgenden Aspekte:<br />

Manche Schlafstörungen und Unruhezustände von Bewohner/innen können auch<br />

mit einer ungünstigen Tagesstruktur, Unterforderung und Mängeln der psychosozialen<br />

Begleitung zu tun haben. Einrichtungen, die systematisch da<strong>für</strong> sorgen,


dass jede/r Bewohner/in in Einzel- und bzw. oder Gruppenangebote einbezogen<br />

ist und in denen mehrmals wöchentlich auch in den Abendstunden solche Angebote<br />

stattfinden, berichten von weniger Störungen in der Nacht und einem deutlich<br />

geringeren Einsatz von Schlafmitteln.<br />

Gruppenangebote, insbesondere solche, die sich an demenziell veränderte<br />

Bewohner/innen richten, müssen gut begleitet und angeleitet werden. Es reicht<br />

nicht aus, in den Abendstunden die Cafeteria zu öffnen. Diese Form des „Nachtcafés“,<br />

die ein paar Einrichtungen vor dem Modellprojekt ausprobiert hatten,<br />

wird von den Bewohner/innen nicht angenommen. Vielmehr müssen<br />

Mitarbeiter/innen der Pflege, des sozialen Dienstes oder auch freiwillige<br />

Helfer/innen ein „Programm“ vorbereiten und Anreize/Anleitung <strong>für</strong> Beschäftigung<br />

und Kommunikation geben.<br />

Gruppenangebote sollten nicht nur als „offene“ Veranstaltungen angeboten werden.<br />

Vielmehr ist bei manchen Angeboten auf den Wohnbereichen gemeinsam zu<br />

überlegen, wer <strong>für</strong> eine Teilnahme in Frage kommt und wer möglicherweise nicht.<br />

Es nützt niemandem, wenn sich körperlich und geistig gesunde Bewohner/innen<br />

vom Verhalten dementer Bewohner/innen gestört fühlen. Bewährt hat sich in einigen<br />

Einrichtungen eine halboffene Form, bei der zu einem Kern fester Teilnehmer/innen<br />

auch zusätzliche Bewohner/innen kommen können. Bewährt hat sich<br />

dabei auch, einen jeweils relativ homogenen Kreis von Bewohner/innen je nach<br />

Gruppenart auszuwählen. Selbstverständlich soll es auch weiterhin solche Angebote<br />

geben, die sich an alle Bewohner/innen richten, wie etwa Feste, Musik- und<br />

Tanzangebote, Filmabende u.ä.<br />

Es ist zu unterscheiden zwischen Angeboten zur Einzelförderung und der Gestaltung<br />

von Gruppenangeboten in unterschiedlicher Zusammensetzung. Grundsätzlich<br />

ist darauf zu achten, dass Angebote in den Abend- und Nachtstunden nicht nur<br />

<strong>für</strong> rüstige Bewohner/innen konzipiert werden, sondern z.B. auch regelmäßige<br />

Angebote <strong>für</strong> immobile oder demenzkranke Bewohner/innen geschaffen werden.<br />

Aufgrund solcher Hinweise begannen einige Referenzeinrichtungen bereits im Projekt<br />

damit, ihr inhaltliches Angebot zu verändern (in anderen Einrichtungen ist dies <strong>für</strong><br />

die nahe Zukunft vorgesehen) und gingen gleichzeitig dazu über, den Einsatz von<br />

Seditativa als einen möglichen Indikator <strong>für</strong> Versorgungsmängel regelmäßig zu prüfen.<br />

Bei manchen Bewohner/innen, die auf Beruhigungs- oder Schlafmittel angewiesen<br />

waren, wurden diese später verabreicht, wenn deren Teilnahme an einer abendlichen<br />

Veranstaltung ermöglicht werden sollte. Für die Zukunft haben sich fast alle<br />

Referenzeinrichtungen vorgenommen, in regelmäßigen Abständen zu prüfen, ob alle<br />

Bewohner/innen durch Angebote der psychosozialen Begleitung erreicht werden<br />

und ob das inhaltliche Angebotsspektrum sowie die zeitliche Verteilung der Angebote<br />

auf Tages- und Abendstunden den Bedürfnissen der Bewohner/innen entspricht.<br />

3.9 Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen<br />

Der Qualitätsmaßstab zur Sterbebegleitung hat <strong>zum</strong> Ziel, „die Begleitung Sterbender<br />

in vollstationären Pflegeeinrichtungen zu verbessern und grundlegende Voraussetzungen<br />

zur Bewältigung dieser Aufgabe herzustellen“ (vgl. Praxisleitfaden Teil A).<br />

Genau wie der Einzug neuer Bewohner/innen gehört auch das Versterben von<br />

Bewohner/innen <strong>zum</strong> Alltag der stationären Pflege. Auch hier gab es zu Beginn des<br />

Modellprojekts in allen Referenzeinrichtungen Regelungen und Verfahrensweisen.<br />

Ein erster Schritt bestand wiederum darin, bereits vorhandene Regelungen oder Konzepte<br />

mit den Anforderungen des Rahmenkonzepts abzugleichen. Einige Referenzeinrichtungen<br />

haben <strong>für</strong> die Ausarbeitung eines verbesserten schriftlichen Konzeptes<br />

Kontakte zu externen Fachleuten (z.B. Seelsorgern/innen, Hospizdienste) hergestellt<br />

und diese eingebunden.<br />

181


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

182 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Aus Sicht der Modellbeauftragten und Einrichtungen bestanden Schwierigkeiten vor<br />

allem in Bezug auf die Anforderung einer kontinuierlichen Begleitung eines/einer<br />

sterbenden Bewohners/in. Aus Sicht der Organisationsberatung gab es darüber hinaus<br />

auch Unterschiede in Bezug auf die Kompetenz der Pflegekräfte, dem/der<br />

Bewohner/in in dieser schwierigen Phase beizustehen.<br />

In einigen wenigen Einrichtungen zeigten die Erfahrungen, dass die meisten Bewohner/innen<br />

im Krankenhaus verstarben. Dies konnte als Hinweis darauf gewertet werden,<br />

dass es nicht immer gelang, dem/der Bewohner/in ein würdevolles Sterben in<br />

vertrauter Umgebung zu ermöglichen und vermeidbare Krankenhausaufenthalte auszuschließen.<br />

Um dies leisten zu können, reichte es nicht aus, sich – wie einige Einrichtungen<br />

anführten – auf die Qualifikation examinierter Pflegekräfte zu verlassen. Als Erfolgsfaktoren<br />

<strong>für</strong> die Umsetzung des Rahmenkonzeptes erwiesen sich vielmehr die in den<br />

folgenden Abschnitten dargestellten Sachverhalte.<br />

3.9.1 Kontinuierliche Begleitung<br />

Für die angemessene Begleitung eines sterbenden Menschen und seiner Angehörigen<br />

mussten entsprechende Rahmenbedingungen in den Einrichtungen geschaffen<br />

werden. Gemeinsam mit den Mitarbeiter/innen in den Qualitätszirkeln und bei der<br />

Schulung des Projektes wurde bestimmt, dass die Sterbebegleitung Vorrang vor anderen<br />

Tätigkeiten erhalten sollte. Kündigte sich das Versterben eines/einer<br />

Bewohners/in an, musste eine unverzügliche Anpassung der individuellen Versorgung<br />

erfolgen. „Es darf auch Arbeit liegen bleiben“ fasste eine Fachkraft zusammen.<br />

Liegen gebliebene Tätigkeiten konnten dann von nachfolgenden Diensten – soweit<br />

wie möglich – aufgearbeitet werden. Die Vorgehensweise im Einzelfall wurde im<br />

Team festgelegt, so dass niemand ein schlechtes Gewissen haben musste, wenn<br />

er/sie bestimmte Tätigkeiten zu Gunsten einer Sterbebegleitung vernachlässigte.<br />

3.9.2 Zusammenarbeit mit Hospizdiensten und freiwilligen<br />

Helfern/innen<br />

Würdevolles Sterben und Abschiednehmen zu ermöglichen, ist ein Ziel, bei dessen<br />

Umsetzung Hospizvereine mit ihren Einrichtungen und ambulant und stationär tätigen<br />

Ehrenamtlichen seit Jahrzehnten spezifische Kompetenzen und Erfahrungen sammeln<br />

konnten. Hier standen ehrenamtliche Helfer/innen zur Verfügung, die <strong>zum</strong> einen die<br />

Pflegekräfte bei der Begleitung Sterbender konkret unterstützen und das real vorhandene<br />

zeitliche Problem der kontinuierlichen Begleitung mildern konnten. Einige Referenzeinrichtungen<br />

haben eine solche Zusammenarbeit, angeregt durch das Rahmenkonzept<br />

neu gesucht, bzw. die vorhandene Kooperation erweitert. Einige Einrichtungen<br />

hatten schon vor dem Modellprojekt die vorhandenen Qualifikationsangebote<br />

solcher Vereine <strong>für</strong> die Fortbildung der eigenen Fachkräfte genutzt. Eine Referenzeinrichtung<br />

hat über eine solche Vernetzung da<strong>für</strong> gesorgt, dass alle Pflegekräfte in<br />

der Begleitung sterbender Bewohner und ihrer Angehörigen geschult wurden. In<br />

anderen Einrichtungen fungierten einzelne speziell weitergebildete Fachkräfte als<br />

Multiplikatoren.<br />

3.9.3 Absprachen mit Angehörigen und Ärzten/innen<br />

Alle Referenzeinrichtungen kümmerten sich beim Einzug eines/einer neuen Bewohners/in<br />

darum, Informationen zu vorhandenen Verfügungen und Wünschen im<br />

Zusammenhang mit dem Sterben und Todesfall zu erhalten. Diese waren jedoch nicht<br />

immer zu bekommen oder eindeutig genug. Im Zweifelsfall konnte es z.B. vorkommen,<br />

dass die Zuständige Pflegefachkraft bei der Frage, ob z.B. ein/e sterbende/r<br />

Bewohner/in in der Einrichtung verbleiben könne, eine andere Einschätzung vertrat,<br />

als Angehörige oder auch behandelnde Ärzte/innen. Auch gab es einzelne Einrichtungen,<br />

in denen ein Sterben im Haus kaum vorkam, sondern die Bewohner/innen<br />

fast ausschließlich im Krankenhaus verstarben. Von Seiten der Organisationsbera-


tung wurde dies als Hinweis auf mögliche Unsicherheiten bei den Pflegekräften<br />

gewertet. In Einzelfällen wurde dies auch bestätigt. In einzelnen Einrichtungen vermieden<br />

es die Pflegekräfte überwiegend, eine vom Arzt beabsichtigte Krankenhauseinweisung<br />

zu hinterfragen, auch dann, wenn sie eigentlich meinten, dass diese vermeidbar<br />

sei.<br />

Empfohlen wurde deshalb über eine verstärkte Schulung der Fachkräfte hinaus, mit<br />

Angehörigen und Ärzten Prinzipien der Sterbebegleitung unabhängig vom konkreten<br />

Fall zu thematisieren, um zu einem grundsätzlichen Zieleinverständnis zu kommen.<br />

Gelegenheiten dazu konnte die sowieso erforderliche Bearbeitung der beiden Rahmenkonzepte<br />

zur Kooperation mit Angehörigen bzw. Ärzten bereit stellen.<br />

3.9.4 Schulungen der Mitarbeiter/innen<br />

Wie die Enquete-Kommission „Ethik und Recht in der modernen Medizin“ in einem<br />

Zwischenbericht 58 im Juni 2005 darlegt, gibt es in Deutschland erheblichen Verbesserungsbedarf<br />

in Bezug auf Palliativmedizin und Palliativpflege. Palliativpflege geht<br />

von einem ganzheitlichen Aufgabenverständnis aus, das nicht nur schmerztherapeutische<br />

Maßnahmen, sondern auch die psychosoziale Begleitung einschließt. Die<br />

Enquete-Kommission stellt unter anderem fest, dass die Palliativpflege in der Ausbildung<br />

des Fachpersonals – weder bei Ärzten/innen, noch bei Alten- oder Krankenpflegekräften<br />

– einen angemessenen Stellenwert einnimmt und empfiehlt entsprechende<br />

Veränderungen. Umso wichtiger ist es, dass Einrichtungen nicht allein auf die<br />

Qualifikation ihrer examinierten Fachkräfte vertrauen, sondern<br />

die Palliativpflege zu einem wichtigen Schwerpunkt im Rahmen der eigenen Personalentwicklung<br />

machen und<br />

sich aktiv um die Zusammenarbeit mit weitergebildeten Ärzten/innen im Bereich<br />

der Palliativmedizin bemühen.<br />

Für die Einführung des Rahmenkonzepts zur Sterbebegleitung war es generell förderlich,<br />

dass viele Mitarbeiter/innen eine hohe Sensibilität mit sich und anderen bezogen<br />

auf den Umgang mit Sterben, Tod und Verlustbewältigung aufwiesen. Gleichwohl<br />

bestand in manchen Einrichtungen der Bedarf, die Sensibilität der<br />

Mitarbeiter/innen und die Förderung ihrer Kompetenzen durch Fortbildungen im<br />

Bereich der Sterbe- und Trauerbegleitung weiter zu entwickeln. In einigen Einrichtungen<br />

geschah dies auch systematisch, wobei in hausinterne Schulungen durch weitergebildete<br />

Multiplikatoren/innen <strong>zum</strong> Teil auch Ehrenamtliche einbezogen wurden.<br />

Neben den fachlichen Anforderungen an die Palliativpflege sollten folgende Inhalte<br />

besonders beachtet werden:<br />

Setzt der Sterbeprozess eines Menschen akut ein, ist es häufig schwer, die Personaleinsatzplanung<br />

anzupassen. Auch Defizite bezüglich der Qualifikation von<br />

Mitarbeitern/innen sind da<strong>für</strong> verantwortlich, dass manche von ihnen nicht in der<br />

Lage sind zu erkennen, wenn ein/e Bewohner/in im Sterben liegt. In den Schulungen<br />

sollte daher verstärkt darauf geachtet werden, die Anzeichen <strong>für</strong> eine einsetzende<br />

Sterbephase und die Sterbephasen generell zu thematisieren.<br />

Darüber hinaus bedeutet nicht nur die Begleitung Sterbender und die häufige Konfrontation<br />

mit dem Tod eine hohe psychische Belastung <strong>für</strong> die Mitarbeiter/innen.<br />

Auch der Umgang mit trauernden Menschen wie den Angehörigen,<br />

Kollegen/innen oder anderen Bewohnern/innen erfordert ein hohes Maß an Sensibilität<br />

und an sozial-kommunikativen Kompetenzen. Hier gilt es, Schulungen<br />

anzubieten, die die persönlichen bzw. beruflichen Erfahrungen der Mitarbeiter/innen<br />

in den Mittelpunkt stellen, Maßnahmen zur Trauerbegleitung und Unterstützung<br />

bei der Verlustbewältigung aufzeigen und die Kommunikation mit ster-<br />

58 „Verbesserung der Versorgung Schwerstkranker und Sterbender in Deutschland durch Palliativmedizin und Hospizarbeit“ (BT-Drs.<br />

15/5858)<br />

183


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

184 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

benden Menschen und ihren Angehörigen fördern. Die Erfahrungen in den Referenzeinrichtungen<br />

haben auch gezeigt, dass die Mitarbeiter/innen im Rahmen<br />

von Fallbesprechungen gute Entlastungsmöglichkeiten <strong>für</strong> sich finden können.<br />

Im Rahmen der Schulungen sollte außerdem die Begleitung des Sterbeprozesses<br />

bei verwirrten bzw. demenzkranken Bewohnern/innen besonders in den Blick<br />

genommen werden.<br />

In den Beratungen wurde den Referenzeinrichtungen empfohlen, nach Möglichkeit<br />

Schmerztherapeuten/innen, Seelsorger/innen, Hospizdienste und qualifizierte freiwillige<br />

Helfer/innen in die Sterbegleitung und Trauerbewältigung einzubinden, wenn<br />

Bewohnern/innen bzw. Angehörigen sich nicht dagegen aussprechen. Auch sollten<br />

vorhandene Qualifikationsangebote dieser Personen bzw. Institutionen genutzt werden.<br />

Einige der Referenzeinrichtungen haben dies systematisch und erfolgreich<br />

durchgeführt.<br />

Darüber hinaus wurde den Referenzeinrichtungen nahe gelegt, das hausinterne Konzept<br />

zur Sterbebegleitung bei der Einarbeitung neuer Pflegekräfte und Mitarbeiter/innen<br />

des Sozialen Dienstes zu berücksichtigen.<br />

Die Umsetzung der Anforderungen hat in den Referenzeinrichtungen dazu geführt,<br />

dass eine insgesamt stärkere Berücksichtigung der Bewohnerwünsche erfolgen<br />

konnte. Die Thematisierung von Sterben, Tod und Trauer hat <strong>für</strong> viele Bewohner/innen,<br />

Angehörige und Mitarbeiter/innen mehr Sicherheit gebracht. Das Wissen,<br />

dass der Sterbeprozess gut unterstützt werden würde, hat zur Entlastung der Bewohner/innen<br />

geführt. Die Angehörigen fühlten sich durch die Begleitung gut aufgehoben<br />

und fanden die Beratung durch die Mitarbeiter/innen hilfreich. Schließlich hat<br />

die Einführung des Qualitätsmaßstabs den Mitarbeitern/innen mehr Möglichkeiten<br />

<strong>zum</strong> Austausch geboten und die kollegialen Gespräche haben sie zusätzlich entlastet.<br />

Insgesamt, so hat es ein/e Modellbeauftragte/r formuliert, „rundet das Konzept<br />

unsere Berufsethik ab“.<br />

3.10 Kooperation mit niedergelassenen Ärzten<br />

Zielsetzung dieses Rahmenkonzeptes ist es, zu einer optimalen ärztlichen Versorgung<br />

der Bewohner/innen beizutragen und eine gut koordinierte Zusammenarbeit zwischen<br />

niedergelassenen Ärzten und Altenheim zu gewährleisten, einschließlich der<br />

zugehörigen Kommunikation und Informationstransparenz.<br />

Im Unterschied zu den anderen Rahmenkonzepten des <strong>Referenzmodell</strong>s ging es hier<br />

nicht nur um die Entwicklung solcher Qualitätsstandards, die in der alleinigen Verantwortung<br />

der Einrichtungen lagen. Vielmehr setzte die Umsetzung der Anforderungen<br />

eine grundlegende Kooperationsbereitschaft der Ärzte/innen voraus, wobei „die<br />

Gestaltungsmöglichkeiten der Einrichtungen ihre Grenze an der ärztlichen Entscheidungsautonomie<br />

finden“ (vgl. Praxisleitfaden Teil A).<br />

Nicht in allen Referenzeinrichtungen ist es auf befriedigende Weise gelungen, diese<br />

Kooperationsbereitschaft einzuwerben. Aber alle haben sich darum bemüht, die<br />

eigenen Arbeitsabläufe im Sinne des Konzeptes zu verbessern.<br />

Die Hausärzte werden rechtlich grundsätzlich im Auftrag der Bewohner/innen tätig.<br />

Der Behandlungsvertrag besteht zwischen den frei praktizierenden Ärzten und den<br />

Bewohner/innen. Das Altenpflegeheim unterstützt die Behandlung durch die Bereitstellung<br />

von entsprechenden Räumen, Personal etc. Hausärzte sind grundsätzlich<br />

unabhängig freiberuflich tätig und können nicht – wie beispielsweise Krankenhausärzte<br />

– aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses in institutionelle Regelungen einge-


unden werden. Den Altenpflegeheimen bleibt somit nur die Möglichkeit, Regelungen<br />

mit frei praktizierenden Hausärzten auf der Basis der Freiwilligkeit und des guten<br />

Willens zu erzielen.<br />

Die Ärzteschaft zeigt sich in der Praxis überwiegend sehr sensibel bezüglich bindender<br />

Erklärungen oder Vereinbarungen. Diese Grundhaltung wird durch die hohe zeitliche<br />

Eingebundenheit von Hausärzten noch befördert. Die Wahrung ihrer Unabhängigkeit<br />

und Flexibilität hat <strong>für</strong> sie einen hohen Stellenwert. Es hat sich im Beratungsprozess<br />

herausgestellt, dass Zielvereinbarungen z.B. eher in Form von<br />

Protokollnotizen nach gemeinsamen Gesprächen zu erreichen waren als in formaler,<br />

vertraglicher Form.<br />

Vereinbarungen mit niedergelassenen Ärzten zu erzielen war eine ausgesprochen<br />

zeitaufwendige Herausforderung, die viel Geduld erforderte. In einigen Einrichtungen<br />

wurde das Thema als sehr heikel bezeichnet und deshalb die Organisationsberatung<br />

auch um eine Moderation bei Veranstaltungen mit Ärzten gebeten.<br />

Der Kontakt in den Altenpflegeheimen zu den niedergelassenen Ärzten war sehr<br />

unterschiedlich. Dies war zwar einerseits von den beteiligten Persönlichkeiten abhängig,<br />

andererseits schienen aber auch die unterschiedlichen sozialen Einbindungen im<br />

städtischen und ländlichen Kontext eine Rolle zu spielen. Im Beratungsprozess ist teilweise<br />

der Eindruck entstanden, dass in ländlichen Regionen tendenziell der Kontakt<br />

zwischen den Ärzten und den Altenpflegeheimen enger war als in den Städten.<br />

Andererseits konnte die geringere Anzahl von Ärzten im ländlichen Raum dazu<br />

führen, dass die niedergelassenen Mediziner kaum dazu zu bewegen waren, neue<br />

Patienten zu übernehmen, weil sie ihr Budget bereits annähernd ausgeschöpft hatten.<br />

Da nicht bei allen neuen Bewohner/innen feste Anbindungen an Haus- und<br />

Fachärzte existierten bzw. aufrecht erhalten werden konnten, stellte diese Sachlage<br />

<strong>für</strong> manche Bewohner/innen und Pflegeeinrichtungen ein großes Problem dar.<br />

3.10.1 Die Ausgangssituation und damit verbundene Problemlagen<br />

Die Kernprobleme im Schnittstellenmanagement mit den Ärzten lagen nach den<br />

Erfahrungen im Modellprojekt<br />

in der Schaffung von Verbindlichkeit und<br />

in der Verbesserung der Kommunikation.<br />

In den meisten Häusern regelten die vorhandenen Verfahrensanweisungen der QM-<br />

Systeme bereits<br />

die Vorbereitung der Arztbesuche<br />

die Begleitung der Arztvisiten<br />

die Bereitstellung der nötigen Unterlagen<br />

die Besprechung der gesundheitlichen Probleme der Bewohner/-innen etc.<br />

Die hauptsächliche Schwierigkeit bestand aus Sicht der Organisationsberatung <strong>für</strong><br />

die Altenpflegeheime darin, aufgrund der bei der Ärzteschaft nicht immer vorhandenen<br />

Bereitschaft zu verbindlichen Absprachen die vorhandenen Verfahrensanweisungen<br />

einzuhalten. Viele Altenpflegeeinrichtungen wünschten sich beispielsweise feste<br />

Visitentermine der Hausärzte, um die Visiten sachgerecht vorbereiten zu können und<br />

die verantwortlichen Pflegekräfte zur Verfügung zu haben. Faktisch waren aber viele<br />

Ärzte zu entsprechenden Absprachen nicht bereit und führten unangekündigt Visiten/Patientenbesuche<br />

durch.<br />

Es bedurfte viel zeitlichen und kontinuierlichen Aufwandes, um eine Kultur der Verbindlichkeit<br />

zu entwickeln. In einigen Häusern – tendenziell scheinbar eher in ländlichen<br />

Regionen – ist dies gelungen. In anderen Fällen waren die Ärzte auch im Rahmen<br />

von Kooperationsgesprächen nicht bereit, z.B. feste Visitentermine zu vereinbaren<br />

oder Besuche rechtzeitig anzukündigen.<br />

185


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

186 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Altenpflegeheime haben nach heutigem Haftungsrecht entsprechend dem Grundsatz<br />

der Beweislastumkehr die Pflicht, eine fachgerechte Pflege nachzuweisen. Dementsprechend<br />

war in der Regel in den Häusern z.B. über Verfahrensanweisungen vorgeschrieben,<br />

dass ärztliche Anordnungen (Medikation, medizinische Behandlungspflege)<br />

vom Arzt in die Pflegedokumentation eingetragen und abgezeichnet werden.<br />

In der Praxis erwies sich in den Häusern die Einhaltung dieser Verfahrensanweisungen<br />

aber als großes Problem, weil (z.B. aufgrund fehlender gesetzlicher Regelungen)<br />

die Pflegekräfte de facto nur an die Hausärzte appellieren konnten, entsprechende<br />

Eintragungen vorzunehmen.<br />

Zu den wichtigsten Aufgaben, die in den Altenpflegeheimen zu bearbeiten waren,<br />

gehörte in vielen Einrichtungen die Vorbereitung der Arztvisiten. Die Ärzte beklagten<br />

in den Gesprächen <strong>zum</strong> Teil die in der Praxis festzustellende unzureichende Vorbereitung<br />

der Pflegefachkräfte:<br />

im Vorwege wurden z.B. Vitalwerte nicht ermittelt,<br />

die fachlichen Informationen an die Ärzte waren teilweise verbesserungswürdig,<br />

Formulierungen waren zu allgemein gehalten, es fehlten Details,<br />

Beobachtungen – gerade aus dem Nachtdienst – waren ungenau („Bewohner war<br />

unruhig“),<br />

Es traten Fehleinschätzungen auf.<br />

In Kooperationsgesprächen empfahlen Ärzte den jüngeren Pflegekräften sogar offen,<br />

vor möglichen Arztrufen erfahrene hausinterne Pflegekräfte zusätzlich zu konsultieren.<br />

Auch die telefonische Erreichbarkeit der Pflegekräfte bei Nachfragen durch die Ärzte<br />

war nicht immer optimal geregelt. Hier halfen manchmal schon einfache Regelungen<br />

<strong>für</strong> den Gebrauch von mobilen Telefonen auf den Wohnbereichen.<br />

Ein spezieller Problempunkt in einigen Pflegeheimen war die Notfallversorgung von<br />

Bewohner/innen, bei denen eine unmittelbare Verschlechterung des Gesundheitszustands<br />

zu beobachten war, aber noch keine akute Krankenhauseinweisung vorgenommen<br />

zu werden brauchte. Hier war u.a die Erreichbarkeit der Ärzte ggf. auch<br />

am Abend oder am Wochenende zu regeln.<br />

In weniger akuten Fällen führte es bei Ärzten zu Verärgerung, wenn sie innerhalb<br />

einer Frist von einem oder zwei Tagen, aber unabgestimmt zu unterschiedlichen Zeiten<br />

zu Bewohner/innen verschiedener Wohnbereiche gerufen wurden.<br />

3.10.2 Kontaktaufnahme und Verhandlungsstrategie<br />

Grundsätzlich wurde festgestellt, dass die Realisierung des übergeordneten Qualitätsmaßstabes<br />

zur Kooperation mit Ärzten <strong>für</strong> die Referenzeinrichtungen die schwierigste<br />

Hürde darstellte und in kaum einer Einrichtung umfassend verwirklicht werden<br />

konnte. Hier handelt es sich um einen Aspekt der Versorgungsqualität, der auch<br />

außerhalb der Altenpflegeeinrichtungen in entsprechenden übergeordneten Gremien<br />

weiter zu beraten ist.<br />

Es hat sich im Beratungsprozess als hilfreich erwiesen, offensiv auf die Ärzte zuzugehen.<br />

Dies ist in den Häusern entweder durch<br />

Einzelgespräche oder<br />

Veranstaltungen <strong>für</strong> die Ärzte (günstig: kombiniert z.B. mit einem Weihnachtsessen<br />

u.ä.)


geschehen. Wenn nicht alle behandelnden Ärzte gewonnen werden konnten, so hat<br />

man sich richtigerweise zunächst auf diejenigen konzentriert, die ein Interesse an<br />

Kooperationsabsprachen signalisierten. Meist waren das die Mediziner, bei denen<br />

die wenigsten Reibungsverluste auftraten, so dass sich der Grad der Qualitätsverbesserung<br />

in Grenzen hielt.<br />

Eine wichtige Voraussetzung <strong>für</strong> einen erfolgreichen Kontakt zu den Ärzten war eine<br />

offene und ehrliche Ist-Analyse und die Bereitschaft zur Selbstkritik in den Referenzeinrichtungen.<br />

Günstig war es, wenn die hausinternen Verbesserungs- und Entwicklungsbedarfe<br />

vor der Kontaktaufnahme zu den Ärzten angegangen wurden und mindestens<br />

teilweise bereits umgesetzt worden waren. Damit war eine wichtige Vorleistung<br />

erbracht, auf die man sich dann bei den Erstgesprächen mit den Ärzten<br />

beziehen konnte.<br />

Wichtig war es, dass in den Referenzeinrichtungen jeweils eine entscheidungsbefugte<br />

Leitungskraft im Haus (Heimleitung, Pflegedienstleitung) die Schaffung von<br />

Regelungen mit den Ärzten zu „ihrer Sache“ gemacht hat. Das bei einigen Medizinern<br />

vorhandene ausgeprägte Bewusstsein eigener Unabhängigkeit und überlegener<br />

Fachkompetenz – und ebenso wirksam die Zuschreibung einer solchen Haltung –<br />

hätte es Pflegefachkräften oder manchen Modellbeauftragten vermutlich eher schwer<br />

gemacht, „auf Augenhöhe“ zu verhandeln.<br />

Hilfreich <strong>für</strong> die Kontaktaufnahme waren auch einrichtungsspezifische Informationsblätter<br />

oder -broschüren <strong>für</strong> die Ärzte/innen, die direkt in Verbindung mit einem<br />

ersten Kooperationsgespräch ausgehändigt werden konnten. Als günstig <strong>für</strong> das<br />

Kooperationsklima hat sich in einzelnen Einrichtungen auch eine Vereinbarung<br />

erwiesen, die besagte, dass Leitungskräfte bei Kooperationsproblemen jederzeit <strong>für</strong><br />

die Pflegemitarbeiter/innen und die Ärzte/innen ansprechbar wären.<br />

3.10.3 Kontaktaufnahme und Kooperation<br />

Es hat sich bewährt, die Ärzte/innen bereits frühzeitig in die geplanten Veränderungsprozesse<br />

einzubinden und sie in Form von Einzelgesprächen oder Gruppendiskussionen<br />

bei Informationsveranstaltungen zu beteiligen. Auch eine Beteiligung an<br />

Arbeitsgruppen zur Umsetzung der Anforderungen des Qualitätsmaßstabs zur<br />

Zusammenarbeit verlief in Einzelfällen erfolgreich. Darüber hinaus boten schriftliche<br />

oder persönliche Ärztebefragungen eine Methode der Beteiligung. Allerdings war<br />

die Resonanz auf derartige Kooperationsangebote in den Referenzeinrichtungen sehr<br />

unterschiedlich. In einzelnen Referenzeinrichtungen konnte die Kooperation mit den<br />

Ärzten/innen durch die umgesetzten Anforderungen des Rahmenkonzeptes so weit<br />

fortschreiten, dass einige Ärzte/innen regelmäßig an Fallbesprechungen von Bewohnern/innen<br />

teilnahmen.<br />

3.10.4 Vorbereitung von Arztbesuchen<br />

Die oben bereits genannten Kritikpunkte der Ärzteschaft deckten sich in mehreren<br />

Einrichtungen mit der vorgenommenen Bestandsaufnahme zu diesem Konzeptbaustein<br />

und wurden vielfach auch dort bearbeitet, wo Absprachen mit den Medizinern<br />

nicht erreicht werden konnten. Entsprechende Probleme konnten dort abgebaut werden,<br />

wo Arztbesuche durch frühzeitige Terminabsprachen angekündigt und nicht<br />

(mehr) überraschend erfolgten und <strong>für</strong> die Einrichtungen bzw. die Zuständigen Pflegefachkräfte<br />

ausreichend Zeit vorhanden war, die Visite vorzubereiten.<br />

Wo es gelungen ist, mit den zuständigen Hausärzten/innen regelmäßige Visitentermine<br />

<strong>für</strong> die Einrichtung zu vereinbaren, konnten die Besuche ausführlicher und<br />

sachgerechter vorbereitet werden. Auch konnte die Anwesenheit der Zuständigen<br />

Pflegefachkraft durch entsprechende Dienstplanung weitgehend sicher gestellt werden.<br />

187


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

188 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

3.10.5 Gegenseitige Erreichbarkeit<br />

Die wechselseitige Erreichbarkeit von Arzt und Zuständiger Pflegefachkraft stellt offenbar<br />

<strong>für</strong> beide Seiten ein Problem dar und wurde auch in den Referenzeinrichtungen<br />

häufig benannt. In verschriftlichten Vereinbarungen wurde deshalb die telefonische<br />

Erreichbarkeit der Zuständigen Pflegefachkräfte mit aufgenommen. Wenn Ärzte/innen<br />

Terminabsprachen vornehmen wollten oder wichtige Informationen benötigten bzw.<br />

an die Einrichtung weitergeben wollten, war die telefonische Erreichbarkeit der<br />

zuständigen Mitarbeiter/innen unerlässlich. Ärzte/innen haben im Rahmen ihrer<br />

Tätigkeit nicht immer die Möglichkeit, wiederholt die Einrichtung anzurufen, da sie<br />

fortlaufend mit der Behandlung von Patienten/innen in der Arztpraxis beschäftigt sind.<br />

Telefongespräche sind daher <strong>für</strong> die meisten Ärzte/innen am ehesten zu bestimmten<br />

Tageszeiten (z.B. vor oder nach den Sprechstunden) möglich. Bewährt hat sich deshalb<br />

der Gebrauch von mobilen Telefonen auf den Wohnbereichen.<br />

Ebenso wichtig waren im umgekehrten Fall Regelungen hinsichtlich der telefonischen<br />

Erreichbarkeit der Ärzte/innen <strong>für</strong> die Einrichtungen. In einigen Referenzeinrichtungen<br />

konnten solche individuelle Vereinbarungen mit Ärzten/innen (z.B. wichtige<br />

Zeiten der Erreichbarkeit, Ankündigung von Urlaubszeiten, frühzeitige Information<br />

von Arztbesuchen, Vorgehensweise im Notfall etc.) getroffen und dokumentiert werden.<br />

Besonders schwierig stellte sich in diesem Zusammenhang die Notfallversorgung von<br />

Bewohnern/innen dar. Zeichnete sich eine unmittelbare Verschlechterung des<br />

Gesundheitszustands eines/einer Bewohners/in ab, war eine zügige Erreichbarkeit<br />

des/der zuständigen Arztes/Ärztin von besonderer Bedeutung. Dies diente nicht<br />

zuletzt einer Vermeidung von unnötigen Krankenhausaufenthalten. Für die Notfallsituationen<br />

vereinbarten viele Referenzeinrichtungen hausinterne Abstimmungen<br />

(auch der Wohnbereiche untereinander).<br />

Alle getroffenen Regelungen wurden in den Einrichtungen so dokumentiert, dass sie<br />

jederzeit <strong>für</strong> die zuständigen Mitarbeiter/innen zugänglich waren.<br />

3.11 Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten<br />

Ein zentrales Ziel des Rahmenkonzepts besteht u.a. darin, „eine bedarfsgerechte<br />

Unterstützung der Bewohner vor und nach dem Krankenhausaufenthalt sicherzustellen<br />

und zu gewährleisten, dass dem Krankenhaus alle notwendigen Informationen<br />

zur Versorgung der Bewohner vorliegen“ (vgl. Praxisleitfaden Teil A „Überleitungsverfahren<br />

bei Krankenhausaufenthalten“). An der Schnittstelle zwischen Krankenhäusern<br />

und Pflegeeinrichtungen kommt es allerdings erfahrungsgemäß zu Reibungen und<br />

Konflikten zwischen den <strong>für</strong> die Überleitungsverfahren zuständigen<br />

Mitarbeiter/innen der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Ressourcen können<br />

daher häufig nicht ausreichend genutzt werden, Arbeitsabläufe geraten ins Stocken<br />

und die Qualität der Versorgung der pflegebedürftigen Menschen kann darunter leiden.<br />

Mögliche Ursachen <strong>für</strong> Probleme bei der Überleitung waren:<br />

eine mangelnde Koordination der Schnittstelle, die in den Einrichtungen nicht<br />

systematisch analysiert wurden;<br />

ein daraus folgender schlechter Informationsfluss zwischen den Einrichtungen und<br />

Krankenhäusern;<br />

keine abgestimmten Verfahrensweisen und Überleitungsdokumente;<br />

mangelnde gegenseitige Kenntnis der notwendigen Arbeitsabläufe;<br />

kein direkter Kontakt zwischen den beteiligten Fachkräften der unterschiedlichen<br />

Institutionen – es wurde oft nur übereinander geredet statt miteinander;


veränderte Anforderungen an die Krankenhäuser durch die DRGs (z.B. verkürzte<br />

Liegezeiten, Entlassungsdruck etc.).<br />

Ebenso wie beim Rahmenkonzept zur „Kooperation mit niedergelassenen Ärzten“<br />

ging es auch bei diesem Schwerpunkt um Qualitätsverbesserungen, die nicht allein<br />

durch die Einrichtungen erreicht werden konnten, sondern von der Kooperationsbereitschaft<br />

der Krankenhäuser abhängig waren.<br />

3.11.1 Die Ist-Analyse als Voraussetzung <strong>für</strong> Verbesserungen<br />

Den Ausgangspunkt bildete in den Referenzeinrichtungen wie immer eine ausführliche<br />

Ist-Analyse vorrangig unter Einsatz von themengebundenen Qualitätszirkeln.<br />

Durch diesen Schritt wurden auch die kleineren und größeren Defizite und Mängel<br />

deutlich, welche die eigenen Verfahrensabläufe kennzeichneten.<br />

Solche Ergebnisse waren aus zwei Gründen wichtig. Zum Einen zeigten sie Handlungsspielräume<br />

<strong>für</strong> eigene, selbst zu gestaltende Verbesserungen auf und entkräfteten<br />

die manchmal wahrzunehmende Haltung, die Verantwortung <strong>für</strong> vorhandene<br />

Schwierigkeiten einseitig den Krankenhäusern zuzuschieben. Zum Anderen boten sie<br />

die Basis <strong>für</strong> eine kompetente Verhandlungsführung mit dem Gegenüber. Wie bei<br />

den Kooperationsabsprachen mit Ärzten war es auch hier wichtig, sich in der Vorbereitung<br />

zu überlegen, wie die Verhandlungsziele auch dem Partner nützen können.<br />

Indem man die Bearbeitung und Eliminierung der in der eigenen Institution vorhandenen<br />

Mängel ankündigte, formulierte man nicht nur Wünsche, sondern konnte auch<br />

Angebote <strong>zum</strong> Nutzen der Bewohner/innen und beider Institutionen unterbreiten.<br />

Für die beteiligten Altenpflegeheime bestand ein weiterer Anreiz <strong>für</strong> die Bearbeitung<br />

der Schnittstelle zu den Krankenhäusern in dem damit verbundenen Marketingaspekt.<br />

Ein sehr großer Teil der Aufnahmen in den Pflegeeinrichtungen erfolgten<br />

direkt nach einem Krankenhausaufenthalt. Ein guter Kontakt zu den Krankenhäusern<br />

kann somit auch einen Wettbewerbsvorteil bedeuten.<br />

3.11.2 Ergebnisse der Bestandsaufnahme und damit verbundene Problemlagen<br />

Die bestehenden Kontakte zwischen den Altenpflegeeinrichtungen und Krankenhäusern<br />

waren unterschiedlich. Einige Altenpflegeheime berichteten über gute Kontakte<br />

zu den wichtigsten Krankenhäusern, andere berichteten von nicht sehr optimalen,<br />

teilweise frustrierenden Kontaktversuchen. Manche Einrichtungen wiesen selbstkritisch<br />

darauf hin, die Schnittstelle und die damit verbundenen Prozesse trotz vorhandener<br />

QM-Zertifizierung nicht systematisch bearbeitet zu haben.<br />

Oft konnten die beteiligten Altenpflegeheime nur grob schätzen, welche Krankenhäuser<br />

<strong>für</strong> sie eine besondere Relevanz haben und wie sich die Bewohner/innen bei Einweisungen<br />

auf die einzelnen Kliniken verteilen. Die später durchgeführten Analysen<br />

schwankten zwischen einem und 15 Krankenhäuser, mit denen die Pflegeheime faktisch<br />

zusammenarbeiteten. Erst nach einer genaueren Betrachtung und Gewichtung<br />

konnten im Projekt die Krankenhäuser ausgewählt werden, mit denen vorrangig aufgrund<br />

ihrer Wichtigkeit Kooperationsvereinbarungen geschlossen werden sollten.<br />

Die in den Häusern durchgeführten Ist-Analysen ergaben, dass nur in wenigen Altenheimen<br />

direkte Kontakte zu dem Qualitätsmanagement der <strong>für</strong> sie wichtigen Krankenhäuser<br />

bestanden. Gemeinsame Qualitätszirkel oder Fachgruppen zur Bearbeitung<br />

der Schnittstelle waren die Ausnahme. Bestehende Verfahrensanweisungen waren<br />

fast ausnahmslos in den Altenpflegeheimen ohne eine Rückkoppelung mit den Krankenhäusern<br />

entstanden und auch nicht gemeinsam überprüft worden. Einzelne Einrichtungen<br />

berichteten über frühere z.B. durch zentrales Pflegemanagement initiierte<br />

Versuche zu Kooperationen zu gelangen, die jedoch nicht selten gescheitert oder<br />

nicht mit Leben gefüllt worden waren. Die beteiligten Pflegeheime, die im Projektverlauf<br />

zu Vereinbarungen gelangten, betraten somit teilweise Neuland.<br />

189


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

190 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die Pflegeheime berichteten vielfach, dass nach Einführung der DRGs in den Krankenhäusern<br />

Bewohner/innen verstärkt an den Wochenenden oder auch fast zu jeder<br />

Uhrzeit entlassen würden. Da die Entlassungen darüber hinaus oft unangekündigt<br />

vorgenommen wurden, konnten sie Dienstpläne nicht angemessen anpassen, die<br />

Bewohnerzimmer nicht immer rechtzeitig herrichten und Angehörige nur kurzfristig<br />

informieren.<br />

Ein besonderes Problem stellte in diesem Zusammenhang der Kontakt zu den<br />

Hausärzten dar. Weil diese an den Wochenenden bzw. am Mittwochnachmittag<br />

nicht oder nur in Ausnahmefällen zu erreichen waren, konnte z.B. die Anschlussmedikation<br />

nicht immer zeitnah genug gesichert werden. Dies war besonders bei einem<br />

Wechsel der Medikation von erheblicher Bedeutung. Die Krankenhäuser entließen<br />

die Bewohner der Altenpflegeheime oft ohne einen kleinen „Sicherheitsvorrat“ an<br />

Medikamenten.<br />

Teilweise stellte sich heraus, dass die verwendeten Überleitungsbögen große Mängel<br />

aufwiesen. Viele der in der Praxis verwendeten Überleitungsbögen waren nach<br />

Angaben der Ärzte zu wenig aussagekräftig und berücksichtigten aus Sicht der<br />

Pflegeheime insbesondere die pflegerischen Aspekte nur unvollständig. Aber auch<br />

bei Vorhandensein praktikabler Überleitungsbögen wurden die Bögen auf beiden<br />

Seiten nicht immer und teilweise unvollständig ausgefüllt.<br />

Bei der Prüfung der Überleitungsbögen zeigte sich, dass die vorhandenen Listen nicht<br />

immer vollständig ausgefüllt waren. Dementsprechend war bei Verlusten von Bekleidung<br />

etc. in der Praxis nicht genau zu ermitteln, wo welches Bewohnereigentum verloren<br />

gegangen war.<br />

Nicht immer waren in den Einrichtungen Notfalltaschen <strong>für</strong> die Bewohner/innen vorhanden.<br />

Solche Taschen konnten vorab mit persönlichen Unterlagen, Hygieneutensilien<br />

und Bekleidung gepackt werden und sollten darüber hinaus eine Checkliste <strong>für</strong><br />

solche Gegenstände enthalten, die wegen täglicher Benutzung nicht dabei waren. Im<br />

Akutfall musste bei Fehlen einer solchen Tasche oft improvisiert werden, was in der<br />

Notfallsituation Zeit und Ressourcen band. Leicht konnte es dabei passieren, dass<br />

Wichtiges vergessen wurde.<br />

In den Altenpflegeeinrichtungen wurden oft unleserliche handschriftliche Arztbriefe<br />

aus den Krankenhäusern kritisiert, die eine angemessene medizinische und pflegerische<br />

Versorgung der Bewohner/innen nach der Rückkehr erschwerten. Teilweise<br />

gaben die Pflegekräfte an, auch keine Dokumente aus den Krankenhäusern erhalten<br />

zu haben.<br />

Bei der Auswertung der Arztbriefe war in manchen Referenzeinrichtungen der Eindruck<br />

entstanden, dass in den Krankenhäusern zu oft und zu schnell Dauerkatheter<br />

gelegt wurden, die in der anschließenden Versorgung in den Altenheimen große Probleme<br />

bereiteten. Weiterhin hatten die Fachkräfte der Pflegeheime den Eindruck, die<br />

Bewohner/innen würden in den Kliniken zu viel im Bett liegen und zu wenig mobilisiert<br />

werden. Dies widerspräche nicht nur einer bedarfsgerechten Versorgung sondern<br />

würde auch in den Pflegeheimen nach der Rückkehr einen erhöhten Arbeitsbedarf<br />

nach sich ziehen.<br />

Ebenso war in einigen Altenpflegeeinrichtungen der Eindruck entstanden, die Diagnose<br />

der Exsikkose (Austrocknung) werde auffällig häufig gestellt. Ob die Ursachen hier<strong>für</strong><br />

z.B. im mangelhaften Informationsgehalt der Überleitungsbögen aus den Altenpflegeeinrichtungen<br />

oder in verbesserungswürdigen geriatrischen Kenntnissen in den<br />

Allgemeinkrankenhäusern lag, konnte auch in den Gesprächen mit den Krankenhäusern<br />

nicht geklärt werden. Da aber eine solche Diagnose auf mögliche pflegerische


Fehler schließen ließ, bestand <strong>für</strong> die Altenpflegeeinrichtungen häufig nach einer<br />

Krankenhausentlassung die Notwendigkeit, den Angehörigen in Zusammenwirken<br />

mit den Hausärzten die fachgerechte Pflege nachzuweisen.<br />

Die Altenheime haben nach erfolgter Ist-Analyse teilweise erkannt, dass die Anpassung<br />

der Pflegeplanung an die veränderte Situation teilweise nicht zeitnah erfolgte.<br />

Entsprechende Änderungen und Überprüfungen gehörten zu den wesentlichen internen<br />

Aufgaben der Altenpflegeheime. Ebenso selbstkritisch erkannten einige Pflegeheime<br />

die Defizite bei der Organisation von Besuchen der Bewohner/innen, wenn<br />

sie <strong>für</strong> einen längeren Zeitraum im Krankenhaus verbleiben müssen.<br />

3.11.3 Kontaktaufnahme<br />

Die Organisationsberatung empfahl den Referenzeinrichtungen, bei der Bestandsaufnahme<br />

auch festzustellen, welches die wichtigsten Krankenhäuser waren, mit denen<br />

faktisch kooperiert wurde. Das „Pareto-Prinzip“ besagt, dass sich viele Gegebenheiten<br />

im Verhältnis 20 zu 80 verhalten, z.B. „20% der Zeit bringen 80% der Ergebnisse“.<br />

So war zu erwarten, dass es sich auch bei den Krankenhauseinweisungen auf<br />

ähnliche Weise verhielt: Etwa 80% der Krankenhausaufenthalte von Bewohner/innen<br />

finden in 20% der Krankenhäuser statt, mit denen eine Einrichtung insgesamt zu tun<br />

hat. Durch diesen Hinweis konnten Vorbehalte und Be<strong>für</strong>chtungen von Modellbeauftragten,<br />

die Umsetzung des Rahmenkonzeptes würde einen zu großen Zeitaufwand<br />

bedeuten, in manchen Einrichtungen entkräftet werden. Dies galt besonders <strong>für</strong> die<br />

Pflegheime, in denen sich wegen der großen Anzahl der potentiellen Kooperationspartner<br />

zunächst prinzipieller Widerstand gegen die Bearbeitung dieses Konzeptelements<br />

geregt hatte.<br />

3.11.4 Problemlösungen im Kooperationsprozess<br />

In der Regel wussten die Mitarbeiter/innen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen<br />

wenig über die jeweiligen Arbeitsprozesse der anderen Institution. Die Herstellung<br />

von gegenseitigen Kontakten, das Wahrnehmen und Ernstnehmen der Probleme<br />

der jeweils anderen Institution waren wichtige Voraussetzungen, die dort, wo die<br />

Kooperation gelang, zu einer Verbesserung des Kooperationsklimas zwischen den<br />

Beteiligten geführt hat.<br />

Die Erfahrungen in den Referenzeinrichtungen haben gezeigt, dass in den Kooperationsgesprächen<br />

konstruktive Verbesserungen erreicht werden konnten, die sowohl<br />

von den Krankenhäusern als auch von den Pflegeeinrichtungen positiv vermerkt wurden.<br />

Vor dem Hintergrund der oben genannten Belastungen der Krankenhäuser<br />

wurde allerdings auch deutlich, dass ein Zustandekommen von Vereinbarungen Zeit<br />

braucht. Die insgesamt erreichten Verbesserungen durch die Umsetzung des Rahmenkonzepts<br />

betrafen insbesondere<br />

die gemeinsame Überarbeitung der Überleitungsbögen,<br />

eine qualitative Verbesserung beim Ausfüllen der Überleitungsbögen (dies beinhaltete<br />

auch eine größere Sensibilisierung der Mitarbeiter/innen und eine verstärkte<br />

Kontrolle durch die Wohnbereichsleitungen),<br />

ein einheitliches Fax-Formular <strong>für</strong> die Kontakte zwischen Pflegeeinrichtungen und<br />

Krankenhäusern,<br />

die Bereitstellung von Notfalltaschen und Erstellung entsprechender Checklisten,<br />

sowie die Versorgung der Bewohner/innen im Krankenhaus mit Wäsche etc.,<br />

die Aufrechterhaltung von Kontakten zu Bewohner/innen in Krankenhäusern,<br />

den laufenden Informationsaustausch durch die Benennung fester Ansprechpartner/innen<br />

<strong>für</strong> die Krankenhäuser in den Altenpflegeeinrichtungen. Meist war dies<br />

die Pflegedienstleitung,<br />

umgehende gegenseitige Kontaktaufnahme bei dem Verdacht von pflegerischen<br />

Problemen,<br />

eine umgehende Anpassung der Pflegeplanung nach der Krankenhausentlassung.<br />

191


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

192 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die Krankenhäuser machten in den Gesprächen aber auch deutlich, wo ihre Grenzen<br />

liegen. So werden auch zukünftig Entlassungen an den Wochenenden aus<br />

Kostengründen vorgenommen werden müssen. Es konnte jedoch teilweise vereinbart<br />

werden, dass die Altenpflegeheime nach Möglichkeit vorab informiert werden. Auch<br />

konnte erreicht werden, dass die Krankenhäuser bei Entlassungen an Wochenenden<br />

oder vor Feiertagen den Bewohnern/innen <strong>zum</strong>indest einen Medikamentenvorrat <strong>für</strong><br />

die nächsten Tage mitgaben.<br />

Abschließend kann festgehalten werden, dass die Einführung und Umsetzung des<br />

Rahmenkonzepts <strong>für</strong> die meisten Referenzeinrichtungen insgesamt einen hohen Nutzen<br />

hatte. Dieser wurde vor allem darin gesehen, dass die Einrichtungen mittelfristig<br />

durch besser strukturierte Abläufe Zeitersparnisse verzeichnen konnten, auch wenn<br />

zunächst zeitliche Ressourcen in Absprachen innerhalb der Einrichtungen sowie zwischen<br />

Einrichtung und Krankenhäusern investiert wurden. Die gut strukturierten<br />

Arbeitsabläufe haben den Mitarbeitern/innen mehr Sicherheit bei Krankenhausüberleitungen<br />

geboten, die nicht nur bei Personalausfällen und Notfallsituationen wichtig<br />

war. Darüber hinaus stellten einige Einrichtungen fest, dass <strong>für</strong> die Bewohner/innen<br />

– insbesondere <strong>für</strong> demenziell erkrankte – aufgrund der umfassenden und besser ausgefüllten<br />

Überleitungsbögen eine größere Kontinuität des Pflegeprozesses erfolgen<br />

konnte. Mit der Umsetzung des Rahmenkonzepts gab es außerdem weniger<br />

Beschwerden seitens der Krankenhäuser.


4. Steuerung der Pflegeleistung und Mitarbeiterführung<br />

Zu den größten Problemen bei der Umsetzung der Modellanforderungen aber auch<br />

grundsätzlich bei der Realisierung eines erfolgreichen Qualitätsmanagements gehörte<br />

in einigen Referenzeinrichtungen, dass wichtige Regelungen zwar vorhanden waren<br />

oder im Projektverlauf eingeführt wurden, diese aber nicht verbindlich eingehalten<br />

wurden. Dieser Mangel an Verbindlichkeit betraf sowohl die Mitarbeiter/innen als<br />

auch Leitungskräfte auf unterschiedlichen Ebenen. Das heißt, in einigen Einrichtungen<br />

wurden nicht nur Regelungen <strong>für</strong> die operativen Prozesse missachtet, sondern auch die<br />

Vorgaben zu deren Überprüfung und <strong>zum</strong> Umgang mit Abweichungen.<br />

Es gibt wohl keine Organisation, die von sich behaupten könnte, das vorhandene<br />

Regelwerk in seiner Gesamtheit jederzeit und von allen Beteiligten einzuhalten. Es gibt<br />

immer wieder mal Gründe <strong>für</strong> Abweichungen. Besondere Ereignisse der unterschiedlichsten<br />

Art können Prioritäten verschieben oder kurzzeitig Belastungen so anwachsen<br />

lassen, dass die eine oder andere Vorschrift unbeachtet bleibt. Es kann sogar sein,<br />

dass beim Aufbau eines QM-Systems eine zu große Zahl an Standards, Checklisten,<br />

Dokumentationsformularen u.ä. entwickelt wurde, so dass es schwer fällt, den<br />

Überblick zu behalten und berechtigterweise geprüft werden muss, ob tatsächlich alle<br />

Regelungen der Sicherung und Entwicklung der Leistungsqualität dienen.<br />

Fatal wird es jedoch, wenn sich die Ausnahmesituationen häufen, wenn Abweichungen<br />

nicht nur geschehen, sondern auch nicht beachtet werden. Dies muss sich nicht<br />

unbedingt in deutlichen Pflegefehlern niederschlagen und nicht immer sind die externen<br />

Prüfinstanzen in der Lage, hier vorhandene Mängel zu erkennen.<br />

Wenn Standards und Vorgaben der Sicherung und Weiterentwicklung der Leistungsqualität<br />

dienen sollen, ist eine verbindliche Steuerung unerlässlich. Da<strong>für</strong> hat sich<br />

inzwischen der Begriff des Controlling eingebürgert. Controlling schließt zwar<br />

Schritte der Kontrolle mit ein, geht aber deutlich darüber hinaus. Der Begriff meint<br />

immer den gesamten Steuerungs-Regelkreis, weshalb die Begriffe Steuerung und<br />

Controlling synonym verwendet werden können. Dazu gehört<br />

die Festlegung der Sachverhalte und Schwerpunkte, auf die sich Controlling-<br />

Verfahren beziehen sollen,<br />

die Entwicklung von Verfahren der Informationsbeschaffung und Überprüfung,<br />

die Auswertung der so generierten Informationen und die Formulierung von<br />

Schlussfolgerungen,<br />

die Rückmeldung an das jeweils einbezogene Subsystem, ggf. auch die Umsetzung<br />

korrigierender Interventionen.<br />

Im Modellprojekt gerieten vorhandene Stärken aber auch die vorhandenen Mängel<br />

in der Leistungssteuerung nicht von Beginn an ins Blickfeld. In der ersten Phase konzentrierten<br />

sich alle Aktivitäten auf die Soll-Ist-Analyse, die Erstellung von Konzepten<br />

bzw. QM-Handbuchkapitel zu den Rahmenkonzepten und auf die Information und<br />

Schulung der Mitarbeiter/innen. Nach Beginn der Erprobungen berichteten jedoch<br />

Modellbeauftragte einiger Einrichtungen mehrfach, dass sie bei stichprobenartiger<br />

Überprüfung mehr oder minder schwerwiegende Abweichungen von den nunmehr<br />

gültigen Verfahrensregelungen festgestellt hatten.<br />

Vor diesem Hintergrund entwickelten die Organisationsberater/innen einen Diskussionsentwurf<br />

<strong>zum</strong> Schwerpunkt Controlling, dessen Inhalte in den Beratungssitzungen<br />

mit den Modellbeauftragten, teilweise auch im Gespräch mit Einrichtungs- und Pflegedienstleiter/innen<br />

besprochen wurde. Wo sich aufgrund dieser Beratungen der<br />

Wunsch entwickelte, vertieft in das Thema einzusteigen, wurden hausinterne Work-<br />

193


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

4.1 Voraussetzungen<br />

194 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

shops mit den Leitungskräften durchgeführt. Ein Ziel dieser Workshops war es, durch<br />

einen Vergleich des Diskussionsentwurfs mit der vorhandenen Praxis gemeinsam die<br />

vorhandenen Schwachstellen herauszufinden und Vereinbarungen zu alternativen<br />

Regelungen zu treffen. Darüber hinaus boten sowohl die vorausgehenden Gespräche<br />

als auch die Workshops den Organisationsberater/innen die Gelegenheit, mehrfach<br />

auf die zentrale Bedeutung der Leistungssteuerung <strong>für</strong> die Nachhaltigkeit der bis<br />

dahin erzielten Entwicklungen einzugehen. In einigen Einrichtungen waren es diese<br />

Beratungselemente, die <strong>für</strong> eine Verlagerung der Steuerungsaufgaben von den<br />

Modellbeauftragten auf die Linienvorgesetzten gesorgt haben.<br />

Um Steuerungsaufgaben im Rahmen des Modellprojekts erfüllen zu können, mussten<br />

in den Referenzeinrichtungen bestimmte Rahmenbedingungen vorhanden sein. Dazu<br />

gehörte, dass die Wohnbereichsleitung (WBL) über Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse<br />

gegenüber den Mitarbeitern/innen ihres Bereichs verfügte und die Grenzen<br />

dieser Befugnisse eindeutig geklärt waren.<br />

In vielen Einrichtungen war diese Voraussetzung durch eine Stellenbeschreibung <strong>für</strong><br />

die WBL vorhanden. Wie bereits erwähnt, wurden in einzelnen Einrichtungen im<br />

Zuge der Einführung der „Zuständigen Pflegefachkraft“ die Aufgaben der WBL weiter<br />

präzisiert und gegenüber den Aufgaben der Zuständigen Pflegefachkraft abgegrenzt.<br />

Entwicklungsbedarf bestand in mehreren Einrichtungen hinsichtlich der<br />

Frage, welcher Zeitanteil den WBL <strong>für</strong> Leitungstätigkeiten zur Verfügung steht. Viele<br />

WBL waren <strong>für</strong> die Leitungsfunktion nicht freigestellt, sondern selbst in der Pflege<br />

tätig. Ein festes Zeitkontingent <strong>für</strong> Leitungsaufgaben war dann oft nicht definiert,<br />

wurde sogar von einzelnen Trägern als nicht wünschenswert erachtet. Vielmehr<br />

erwartete man dort, dass sich die WBL durch ein gutes Selbst- und Zeitmanagement<br />

die Zeiten <strong>für</strong> Kontrollaufgaben und ggf. erforderliche Einzelgespräche zur Leistungssteuerung<br />

einplanen konnten. Faktisch bedeutete dies jedoch oft eine Überforderung<br />

der betroffenen Leitungskräfte. Die Doppelrolle als Fachkraft und Leitungskraft<br />

war im Alltag nicht immer leicht auszufüllen. Tendenziell war dabei eine Rollendiffusion<br />

gewissermaßen eingebaut, die es schwer machte die richtige Balance zwischen<br />

Distanz und Nähe <strong>zum</strong> Team zu finden. Dies galt in besonderem Maße <strong>für</strong> die durch<br />

das Modellprojekt angestoßene Organisations- und Qualitätsentwicklung, weil über<br />

die WBL neue – und von den Kollegen/innen nicht immer begrüßte – Anforderungen<br />

durchgesetzt werden mussten.<br />

Für viele Einrichtungen wäre es unrealistisch gewesen, die Freistellung ihrer WBL von<br />

der Pflege anzustreben. In den Sitzungen mit der Organisationsberatung wurde<br />

thematisiert, ob es nicht hilfreich sein könnte, Zeitanteile <strong>für</strong> die Leitungsaufgaben zu<br />

definieren, die WBL von Wochenenddiensten zu entlasten und sie regelmäßig zu Tagdiensten<br />

einzuteilen. Dabei würde sie die Pflegekräfte sowohl im Früh- als auch im Spätdienst<br />

erleben können und könnte ruhigere Phasen des Tages <strong>für</strong> Leitungsaufgaben<br />

nutzen. Einige Einrichtungen haben in diesem Sinne Veränderungen vorgenommen.<br />

Zu den Voraussetzungen gehörte außerdem die Aktualisierung der Stellenbeschreibung<br />

<strong>für</strong> die Bezugspflegefachkräfte im Sinne des ZPFK-Konzepts. Auch hier wurden<br />

in einigen Einrichtungen Anpassungen vorgenommen.


4.2 Verantwortung der Leitungskräfte<br />

Organisationsentwicklungen, bei denen gewohnte Routinen verändert werden und<br />

neue einzuüben sind, brauchen in der Regel eine Zeit des Übergangs. Erfahrungsgemäß<br />

dauert es eine Weile, bis die Veränderungen wirklich von allen Mitarbeitern/innen<br />

angenommen sind und umgesetzt werden. Damit dies geschieht, ist es<br />

notwendig, insbesondere die Phase der Einführung intensiv zu begleiten. Die damit<br />

zusammenhängenden Aufgaben der Steuerung konnten nicht allein von den Modellbeauftragten<br />

übernommen werden. Sie waren vielmehr bei den <strong>für</strong> den Pflegebereich<br />

wichtigsten Leitungsebenen der Pflegedienst- und Wohnbereichsleitung anzusiedeln.<br />

Die Umsetzung von Regelungen und Standards durch die Pflegekräfte musste von den<br />

Leitungskräften unmissverständlich eingefordert werden. Die Organisationberater/<br />

innen empfahlen, da<strong>für</strong> das Forum der Wohnbereichs-Besprechung zu nutzen und<br />

darauf zu achten, dass entsprechende Anforderungen der WBL im Protokoll ausdrücklich<br />

erscheinen. Empfohlen wurde auch, mit dem Wohnbereichsteam eine Zielvereinbarung<br />

zu treffen, die beinhaltet, was in Zukunft zu beachten und zu tun ist und<br />

zu welchem Zeitpunkt (etwa nach zwei bis drei Monaten) in der Teambesprechung<br />

gemeinsam diskutiert werden soll, wie gut es gelungen ist, sich an die Vorgaben zu<br />

halten.<br />

Vor allem in der ersten Zeit nach Einführung neuer Regelungen sollte den Pflegekräften<br />

ausdrücklich Gelegenheit gegeben werden, Fragen zu stellen und Unsicherheiten<br />

auszusprechen. Fehlerlosigkeit konnte erst nach einer Phase der Einübung erwartet<br />

werden. Für die Leitungskräfte war es wichtig zu erfahren, worauf genau sich Fragen<br />

und Unsicherheiten bezogen. In dieser Zeit sollte sich die WBL möglichst als erste<br />

Anlaufstelle <strong>für</strong> solche Fragen anbieten: auch wenn sie vielleicht andere Akteure (wie<br />

die hausinterne oder beim Träger angesiedelte Stelle/Abteilung <strong>für</strong> Qualitätsmanagement)<br />

ansprechen musste, um die richtige Antwort geben zu können, so verstärkte<br />

ihre Einbeziehung den beabsichtigten Aneignungs- und Lerneffekt, der bei der WBL<br />

ebenso stattfinden musste, wie bei den Pflegekräften.<br />

Aufgabe der PDL war es, die WBL in ihrer Steuerungsfunktion gegenüber den Teams<br />

anzuleiten, zu unterstützen und zu überprüfen. Hier sollte das Forum der Leitungsbesprechung<br />

(PDL und alle WBL) ebenfalls <strong>für</strong> eine Zielvereinbarung genutzt werden,<br />

die beinhaltete<br />

wie die Steuerung durch die WBL genau aussehen soll,<br />

welche Unterstützung und Anleitung sie von wem erhalten werden,<br />

wie viel an Zeitkontingent sie <strong>für</strong> ihre Steuerungsaufgaben veranschlagen können.<br />

4.3 Regelmäßige und geregelte Überprüfung<br />

Es gibt in den Einrichtungen unterschiedliche interne Prüfziele und Anlässe. Bezogen<br />

auf die Pflegeleistung kann sich der Fokus richten auf<br />

die Vollständigkeit der Pflegedokumentation;<br />

die Plausibilität, Qualität und Bedarfsangemessenheit von Assessment und Pflegeplanung<br />

kurze Zeit nach Einzug eines Bewohners sowie die Frage nach dem Verhältnis<br />

von Pflegeaufwand und Pflegestufe; später kommt die Evaluation der Pflegeplanung,<br />

d. h. die Überprüfung der Umsetzung formulierter Ziele, hinzu;<br />

195


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

196 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

den Gesundheitszustand des Bewohners, die Bedarfsangemessenheit der Pflegeplanung<br />

und -durchführung, die bewohnerbezogene Kooperation mit internen und<br />

externen Schnittstellen sowie die Zufriedenheit des/der Bewohner/in und der<br />

Angehörigen (entspricht der umfassenden Pflegevisite);<br />

die Bearbeitung von individuellen Pflegeproblemen und -fragen (z.B. durch Fallbesprechungen);<br />

die Kooperation unterschiedlicher Bereiche in der Einrichtung (z.B. in Bereichsleitungsbesprechungen<br />

oder Qualitätszirkeln).<br />

Für all diese Überprüfungsschritte sollte es in den Einrichtungen verbindliche Festlegungen<br />

geben, die regeln, wie oft und in welchen zeitlichen Abständen der jeweilige<br />

Schritt erfolgt und wer da<strong>für</strong> zuständig ist. Ratsam ist auch, Dokumentationslisten<br />

zu führen, in denen vermerkt wird, ob, wann, von wem und mit welchem Ergebnis<br />

die Überprüfung vorgenommen wurde.<br />

Der Diskussionsentwurf der Organisationsberatung enthielt eine Übersicht, welche<br />

Überprüfungsschritte <strong>für</strong> sinnvoll erachtet wurden und durch welche Leitfragen die<br />

jeweiligen Verfahrensweisen <strong>für</strong> die Überprüfung von Zielen des <strong>Referenzkonzept</strong>es<br />

genutzt werden konnten. Auf den nachfolgenden Seiten ist diese Übersicht dargestellt.<br />

4.3.1 Überprüfung der Steuerungsleistung der WBL<br />

Die Steuerungsfunktion der PDL gegenüber den WBL sollte auf mehrfache Weise<br />

umgesetzt werden. Dort wo die PDL allein <strong>für</strong> die Pflegevisite zuständig ist oder diese<br />

stichprobenartig durchführt, sollten die Ergebnisse selbstverständlich nicht nur mit der<br />

Zuständigen Pflegefachkraft, sondern auch mit der zuständigen Wohnbereichsleitung<br />

rückgekoppelt werden. Zu thematisieren wären dabei nicht nur die Ergebnisse hinsichtlich<br />

der Planungs- und Pflegequalität, sondern auch die Hinweise auf die<br />

Führungsqualitäten der WBL, die sich aus solchen Ergebnissen ableiten lassen. Je<br />

nach Art solcher Hinweise sollte Positives ausdrückliche Wertschätzung erfahren,<br />

während bei entdeckten Mängeln zu überlegen ist, welche Konsequenzen sich daraus<br />

<strong>für</strong> das Leitungshandeln der WBL ergeben. Diese sollten ggf. zu einer entsprechenden<br />

Zielvereinbarung zwischen PDL und einzelner WBL führen mit entsprechendem<br />

schriftlichen Vermerk und festgehaltenem Überprüfungstermin.<br />

Zum Anderen sollten die Steuerungserfahrungen bei der Umsetzung neuer Anforderungen<br />

in gemeinsamen Auswertungsgesprächen thematisiert werden, bei denen neben<br />

PDL und allen WBL auch die Projektleitung sowie die Einrichtungsleitung teilnimmt.<br />

Empfohlen wurde auch ein eigenes Forum des Austausches <strong>für</strong> die WBL, wo sie sich<br />

auf gleicher Hierarchieebene und ohne sich durch eine/n Vorgesetzte/n gewissermaßen<br />

kontrolliert zu fühlen austauschen und <strong>für</strong> den Umgang mit Schwierigkeiten<br />

voneinander lernen könnten. Bei effizienter Gesprächsführung wäre ein solches<br />

Forum zeitlich umzusetzen, wenn die in vielen Einrichtungen übliche gemeinsame<br />

Runde der WBL mit der PDL aufgeteilt wird, so dass den WBL ein Teil dieser sowieso<br />

<strong>für</strong> Besprechungen vorgesehenen Zeit <strong>für</strong> den eigenen Austausch zur Verfügung steht.<br />

In einzelnen Einrichtungen wurde diese Empfehlung umgesetzt. Ein solches Forum bot<br />

auch die Möglichkeit, dass sich die WBL über Anforderungen an die übergeordneten<br />

Leitungsebenen miteinander verständigen könnten, die „von unten nach oben“<br />

immer schwieriger vorzubringen sind als in umgekehrter Richtung. Ein positiver<br />

Nebeneffekt war dabei, dass die WBL sich durch einen solchen Austausch näher<br />

rückten und sich im Alltag bei Personal und Pflegeengpässen in den Wohnbereichen<br />

gegenseitig besser unterstützten.


4.3.2 Wohnbereichsbezogene Audits und Hospitationen<br />

Der Diskussionsentwurf enthielt auch Empfehlungen dazu, welche Überprüfungsmaßnahmen<br />

durch den/die Modellbeauftragte/n (oder auch durch den/die hausinternen<br />

Qualitätsbeauftrgate/n) durchgeführt werden sollten. Beginnend frühestens einen<br />

Monat nach Einführung neuer Standards sollten sie in jedem Wohnbereich in regelmäßigen<br />

Abständen kleine interne Audits anberaumen. Diese Veranstaltungen sollten<br />

nicht länger als eine halbe Stunde dauern und ggf. im Rahmen einer zeitlich erweiterten<br />

Übergabe stattfinden können.<br />

Für jedes Audit sollte vom Modellbeauftragten ein Fragekatalog entwickelt werden,<br />

der sich auf wichtige Bestandteile der zu überprüfenden Regelung bezog (z.B. „Was<br />

tun Sie, wenn ...?“). Die Mitarbeiter/innen könnten dann durch ihre Antworten zeigen,<br />

ob ihnen der jeweilige Ablaufstandard geläufig ist. Die Audits sollten sowohl<br />

prüfenden als auch schulenden/informierenden Charakter haben. Mit den WBL wäre<br />

anschließend zu besprechen, wie im Alltag auf die Bearbeitung noch vorhandener<br />

Wissens- und Praxislücken geachtet werden könnte.<br />

4.3.3 Hospitation in den Wohnbereichen<br />

In regelmäßigen festzulegenden Abständen sollten die Modellbeauftragten in der Einführungsphase<br />

neuer Standards in jedem Wohnbereich ihrer Einrichtung hospitieren<br />

und dabei wesentliche Zeiträume der unterschiedlichen Dienstzeiten – insbesondere<br />

auch den Nachtdienst – abdecken. Bei Umsetzung der Konzepte <strong>zum</strong> Heimeinzug,<br />

zur Überleitung ins Krankenhaus oder zur Sterbebegleitung ließ sich die Hospitation<br />

so durchführen, dass sie mit persönlichen Eindrücken zur Umsetzung der vereinbarten<br />

Standards verbunden werden konnte. Die persönliche Anwesenheit des/der Modellbeauftragten<br />

wurde insbesondere bezogen auf solche Abläufe/Standardisierungen<br />

empfohlen, die deutlich von der vor dem Projekt gewohnten Praxis abwichen. Sinn der<br />

Hospitation sollte weniger sein, den Mitarbeiter/innen kontrollierend oder gar strafend<br />

„auf die Finger zu schauen“, sondern vielmehr, etwas zu den konkreten Schwierigkeiten<br />

und Nöten des Alltags zu erfahren, die bei der Umsetzung auftauchen konnten.<br />

Hindernisse, die zu Abweichungen von den Standards führten und nicht unmittelbar<br />

abgebaut werden konnten, sollten vom Modellbeauftragten in die hausinterne<br />

Projektsteuerungsrunde eingebracht werden, damit dort Lösungen überlegt bzw.<br />

geeignete Strategien <strong>für</strong> die Bearbeitung des Problems entwickelt werden konnten.<br />

Die Bearbeitung dieses Diskussionsentwurfs hat in mehreren Referenzeinrichtungen<br />

dazu geführt, die Verfahrensweisen der Überprüfung und Steuerung des Leistungsgeschehens<br />

im Sinne der Empfehlungen zu präzisieren.<br />

197


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

Besonderheiten<br />

Fragestellungen im Zusammenhang mit Anforderungen<br />

und Empfehlungen des Modellprojekts1 Vorgehensweise Zuständigkeit Zeitliche<br />

Festlegung<br />

Auch bei sorgfältiger Dokumentation von wichtigen<br />

Informationen ist davon auszugehen, dass die schriftliche<br />

Fassung immer eine Verkürzung darstellt und dass<br />

manche Alltagsäußerungen <strong>für</strong> zu unwesentlich gehalten<br />

und nicht schriftlich erfasst werden. Deshalb wird<br />

eine mündliche Ergänzung des Dokumentationsmaterials<br />

empfohlen. Auch scheint es notwendig, dass die<br />

ZPFK in Übergaben ausdrücklich nach den Erfahrungen<br />

anderer Pflegekräfte mit ihrem neuen BW fragt und<br />

Rücksprache hält mit weiteren Fachkräften (z. B. des<br />

Sozialen Dienstes) oder auch Ehrenamtlichen, die mit der<br />

Betreuung des neuen BW zu tun hatten.<br />

Entspricht das Assessment den Anforderungen des <strong>Referenzkonzept</strong>es?<br />

Sind die biografischen Informationen und deren Bedeutung<br />

<strong>für</strong> den BW sorgfältig und so vollständig wie möglich erhoben?<br />

Sind Pflegeziele und Maßnahmen/Tagesstruktur bedarfsangemessen<br />

und plausibel? Orientiert sich die Maßnahmenplanung<br />

am Leistungskatalog der Leistungsbeschreibungen? Wird bei Pflegezielen<br />

und Maßnahmeplanung die Berücksichtigung biografischer<br />

Informationen deutlich? Ist ein etwaiger Bedarf an psychosozialer<br />

Betreuung in der Maßnahmenplanung berücksichtigt?<br />

Werden die Tagesberichte aussagefähig geführt und ggf. korrekt<br />

mit den Kürzeln der Leistungsbeschreibungen verbunden? Werden<br />

Grund- und Behandlungspflege sowie psychosoziale Betreuungsmaßnahmen<br />

ordnungsgemäß durchgeführt? Ist eine Veränderung/Konkretisierung<br />

von Zielen und Maßnahmen notwendig?<br />

Spätestens sechs<br />

Wochen nach Einzug<br />

eines BW<br />

ZPFK<br />

Kontrolle, ob dies geschieht,<br />

durch WBL mit Rückmeldung<br />

an PDL<br />

Erste Überprüfung der Pflegeplanung<br />

und -dokumentation<br />

kurz nach Einzug eines<br />

Bewohners (BW)<br />

198 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Sind alle erbrachten Leistungen vollständig dokumentiert und<br />

regelgerecht abgezeichnet? Sind Abweichungen und Besonderheiten<br />

in den Tagesberichten erfasst?<br />

ZPFK 2 x pro Monat<br />

und BW<br />

Regelmäßige Überprüfung der<br />

Pflegedokumentationen auf<br />

Vollständigkeit und Einhaltung<br />

von Standards<br />

Welches Maß an Verantwortung die Einrichtungen hier<br />

der jeweiligen ZPFK einräumen, kann durchaus unterschiedlich<br />

sein. Bei schon länger eingeführtem Bezugspflegesystem<br />

und entsprechenden Kompetenzen der<br />

Fachkräfte, weitgehende Verantwortung zu übernehmen,<br />

reichen Stichprobenkontrollen durch die WBL<br />

(z.B. Überprüfung je einer Pflegedokumentation jeder<br />

ZPFK). Müssen die Fachkräfte in diese Verantwortung<br />

erst hineinwachsen (was auch bei Neueinstellungen<br />

gilt) muss die Begleitung enger sein.<br />

Fragestellungen wie bei erster Überprüfung.<br />

Ergänzung:<br />

Wird der Biografiebogen fortgeschrieben?<br />

Mindestens 1 x<br />

pro Quartal und<br />

BW, anlassbezogen<br />

auch eher<br />

ZPFK<br />

Kontrolle, ob dies geschieht,<br />

durch WBL mit Rückmeldung<br />

an PDL<br />

Evaluation der<br />

Pflegeplanung<br />

Bei neu umgesetztem ZPFK-Konzept kann es günstig<br />

sein, die Pflegevisite als Selbstkontrolle durch die ZPFK<br />

durchführen zu lassen. Damit kann ein Hineinwachsen<br />

in die erweiterte Verantwortung gefördert werden. Voraussetzung<br />

da<strong>für</strong> ist allerdings eine gute Begleitung/<br />

Anleitung durch WBL und eine Kontrolle mit Rückmeldung<br />

durch die PDL. Dass die WBL in vielen Häusern<br />

nur über eine Teilfreistellung <strong>für</strong> Leitungsaufgaben verfügen<br />

und selbst ebenfalls als ZPFK tätig sind, schließt<br />

deren Zuständigkeit <strong>für</strong> die umfassende Pflegevisite<br />

nicht aus. Hier kann es von Vorteil sein, wenn die WBL<br />

bei entsprechender Zuständigkeit die Pflegevisite jeweils<br />

<strong>für</strong> BW eines anderen Wohnbereichs durchführen.<br />

Gefördert werden kann dadurch die gegenseitige Unterstützung<br />

der Wohnbereiche in Notsituationen.<br />

Fragestellungen wie bei erster Überprüfung.<br />

Die ZPFK, Sozialer Dienst, Angehörige des BW und<br />

ggf. weitere Kooperationspartner sind einzubeziehen.<br />

Mindestens 2 x<br />

im Jahr pro BW<br />

Pflegevisite PDL, WBL oder ZPFK.<br />

Rückmeldung und Qualitätskontrolle<br />

(ggf. über WBL)<br />

durch PDL


Besonderheiten<br />

Fragestellungen im Zusammenhang mit Anforderungen<br />

und Empfehlungen des Modellprojekts<br />

Vorgehensweise Zuständigkeit Zeitliche<br />

Festlegung<br />

Fallbesprechungen können unterschiedliche Ziele und<br />

Schwerpunktsetzungen haben, die wiederum durch unterschiedliche<br />

Fragestellungen strukturiert werden. Gemeinsam<br />

ist allen Fallbesprechungen, dass es immer auch<br />

darum geht, individuell vorhandenes Wissen <strong>für</strong> alle<br />

Beteiligten nutzbar zu machen und so die Kompetenz<br />

der jeweils Beteiligten insgesamt zu erhöhen.<br />

Mit Schwerpunkt „Biografieorienierung“: Zusammentragen des<br />

vorhandenen Wissens über einen BW und seine Biografie bzw.<br />

sein gegenwärtiges Erleben. Hier geht es insbesondere auch um<br />

die mündliche Ergänzung und Erläuterung der notwendigerweise<br />

immer verkürzenden Darstellung im Biografiebogen. Nach einem<br />

solchen Austausch ist zu fragen, welche Bedeutung die vorhandenen<br />

Informationen <strong>für</strong> die Pflege und psychosoziale Begleitung<br />

des BW haben können. Mit Schwerpunkt „Rahmenkonzepte <strong>für</strong><br />

zentrale Arbeitsfelder“: Vorgeschlagen wird, dass die internen<br />

Qualitätsbeauftragten (QB) in Absprache mit der zuständigen<br />

WBL Fallbesprechungen durchführen, die sich auf die zentralen<br />

Arbeitsfelder und die hausintern gültigen Konzepte beziehen. Vorbereitend<br />

sind ggf. vorhandene Checklisten prüfen. Der Schwerpunkt<br />

der Fallbesprechung sollte darauf liegen, den faktischen<br />

Ablauf zu schildern und Abweichungen festzustellen und Gründe<br />

da<strong>für</strong> herauszuarbeiten. Falls es solche Abweichungen gegeben<br />

hat ist – je nach Art der Gründe – mit den Fachkräften, der WBL,<br />

der PDL oder der hausinternen Steuerungsgruppe zu überlegen,<br />

wie sie in Zukunft vermieden werden können.<br />

1 x pro Monat<br />

im Rahmen der<br />

Teamgespräche<br />

in den WB;<br />

1 x pro Monat<br />

durch etwas verlängerteÜbergabe<br />

Fallbesprechungen WBL <strong>für</strong> die Sicherung der<br />

Durchführung; Welche BW<br />

jeweils besprochen werden,<br />

kann bei Übergaben<br />

gemeinsam festgelegt werden.<br />

Jede Fachkraft sollte<br />

darüber hinaus aber die<br />

Möglichkeit haben, BW<br />

<strong>für</strong> Fallbesprechungen vorzuschlagen.<br />

Zu sichern ist<br />

hier aber, dass nicht nur<br />

„Problemfälle“ besprochen<br />

werden und andere scheinbar<br />

unauffällige Bewohner<br />

fehlen. Eine günstige Lösung<br />

scheint hier eine<br />

gemischte, abwechselnde<br />

Auswahl zu sein: einmal<br />

alphabetisch, einmal vom<br />

Bereich vorgeschlagen.<br />

QZ sind in besonderer Weise geeignet, unter Beteiligung<br />

von Mitarbeitern vorhandene sach- und ablaufbezogene<br />

Reibungsverluste (z. B. in der bereichsübergreifenden<br />

Zusammenarbeit) zu bearbeiten. QZ prüfen<br />

die Gründe <strong>für</strong> solche Probleme und Reibungsverluste<br />

und erarbeiten Verbesserungsvorschläge. Anlässe können<br />

Beschwerden von BW, Angehörigen oder Mitarbeiter<br />

sein. QZ können auch dazu dienen, Detailfragen im<br />

Zusammenhang mit der Umsetzung der Rahmenkonzepte<br />

<strong>für</strong> zentrale Arbeitsfelder zu beantworten. Von<br />

Nutzen sind QZ nicht nur wegen ihrer Arbeitsergebnisse<br />

sondern auch wegen ihrer positiven Wirkung auf<br />

die Organisationskultur. Voraussetzung da<strong>für</strong> ist allerdings,<br />

dass QZ-Vorschläge immer gewürdigt und ernst<br />

genommen werden.<br />

Anlassbezogen. Fragestellungen <strong>für</strong> QZ im Rahmen der Umsetzung des <strong>Referenzkonzept</strong>es<br />

könnten sein: Entwicklung von Checklisten (als mit geltende<br />

Dokumente) <strong>für</strong> die Konzepte in zentralen Arbeitsfeldern.<br />

Zusammenarbeit zwischen Tagdiensten und Nachtdienst in der<br />

Pflege Gestaltung des Angebotsspektrums <strong>für</strong> die bedarfsgerechte<br />

psychosoziale Begleitung von BW, Bearbeitung von Beschwerden<br />

Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen <strong>für</strong> die interne (z. B.<br />

Pflege-Hauswirtschaft) und externe (z. B. Ärzte, Krankenhäuser,<br />

Ehrenamtliche) Schnittstellenkooperation.<br />

Qualitätszirkel (QZ) Einrichtungsleitung und/<br />

oder PDL <strong>für</strong> die Sicherung<br />

der Durchführung. Die personelle<br />

Zusammensetzung<br />

der QZ richtet sich nach<br />

dem jeweiligen Anlass.<br />

Moderation durch internen<br />

QB<br />

1 Da sich diese Spalte auf solche Fragestellungen beschränkt, die im Zusammenhang mit den Anforderungen des <strong>Referenzmodell</strong>s stehen, müssen die darüber hinausgehenden üblichen Prüffragen <strong>für</strong> Pflegeevaluation und Pflegevisite in den Einrichtungen ergänzt werden.<br />

199


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

5. Zusammenfassung: Die wichtigsten Hindernisse und<br />

Erfolgsfaktoren im Umsetzungsprozess<br />

200 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Wie eingangs bereits gesagt, starteten die Referenzeinrichtungen mit unterschiedlichen<br />

Ausgangsbedingungen in das Modellprojekt. Es lag nahe zu vermuten, dass<br />

in solchen Einrichtungen, in denen vorab bereits viele Anforderungen der Konzeptbausteine<br />

erfüllt waren, die Umsetzung der Elemente, die noch zu verändern waren,<br />

reibungsloser vor sich gehen würde.<br />

Überwiegend bestätigte sich dies, aber in Einzelfällen wurde auch deutlich, dass<br />

manche Einrichtungen mit ungünstigerer Ausgangssituation die Anforderungen<br />

schneller und erfolgreicher bearbeiten konnten als solche, die bessere Voraussetzungen<br />

hatten. Auch bei Einrichtungen mit weitgehend ähnlicher Ausgangssituation<br />

zeigten sich deutliche Unterschiede im Prozess der Erprobung und Umsetzung. Manche<br />

Referenzeinrichtungen legten in der Projektlaufzeit einen bemerkenswert weiten<br />

Entwicklungsweg zurück, in anderen vollzogen sich die Prozesse deutlich langsamer<br />

und hatten mehr Hindernisse zu bewältigen.<br />

Im Austausch der Organisationsberater/innen wurde deshalb mehrfach der Frage<br />

nachgegangen, welche Faktoren eine kontinuierlich fortschreitende Umsetzung der<br />

Konzeptbausteine in besonderer Weise begünstigt haben. Allerdings scheiterte der<br />

Versuch, die Referenzeinrichtungen anhand solcher Faktoren zu gruppieren. Die in<br />

den folgenden Abschnitten beschriebenen Merkmale waren in den Referenzeinrichtungen<br />

in vielen unterschiedlichen Kombinationen vorhanden. Es gab praktisch keine<br />

Einrichtung, in der alle Merkmale nur in positiver oder nur in negativer Ausprägung<br />

vorhanden waren. Mehrfach war beobachtbar, dass einige der eher hinderlichen<br />

Faktoren durch das Vorhandensein positiver Merkmale in ihrer Wirkung abgeschwächt<br />

wurden – und umgekehrt.<br />

Trotzdem mussten sich viele Referenzeinrichtungen mit einem beträchtlichen Teil ihrer<br />

personellen und zeitlichen Ressourcen darauf konzentrieren, Organisationsmängel<br />

zu beheben, um damit die Bedingungen zu schaffen, die eine erfolgreiche Zielumsetzung<br />

im Sinne des <strong>Referenzkonzept</strong>es zu ermöglichen. Solche Mängel waren bei Projektbeginn<br />

oft noch nicht bekannt. Sie wurden erst durch die tiefgehenden Analyseschritte<br />

<strong>für</strong> die Leitungskräfte, die Modellbeauftragten und die Organisationsberatung<br />

sichtbar. Je nach Art und Umfang solcher Mängel führte deren Bearbeitung<br />

dann dazu, dass sich die Umsetzung der Konzeptbausteine an der einen oder anderen<br />

Stelle verzögerte.<br />

5.1 Zieleinverständnis zwischen Träger, Einrichtungs- und Pflegedienstleitung<br />

Selbstverständlich brauchte die Einführung der Konzeptbausteine in den Referenzeinrichtungen<br />

nicht nur die Bereitschaft der jeweiligen Einrichtungs- und Pflegedienstleitung,<br />

sondern auch das grundlegende Einverständnis der Trägerebene. Obwohl<br />

diese Übereinstimmung im Modellprojekt bei allen Referenzeinrichtungen und ihren<br />

Trägern grundsätzlich vorhanden war, zeigte sich, dass im Prozess an genau dieser<br />

Stelle Reibungsverluste auftauchten, mit denen zu Beginn niemand gerechnet hatte.<br />

Wie bereits erwähnt berührte die Umsetzung der Konzeptbausteine das bei allen<br />

großen Trägern bereits vorhandene und in allen Einrichtungen mindestens im Aufbau<br />

befindliche Qualitätsmanagement (QM). Die Steuerung dieser QM-Systeme war in<br />

der Regel zentral bei den Trägern angebunden und wurde dort von Qualitätsmanage-


mentbeauftragten, meist unterstützt durch einrichtungsinterne Qualitätsbeauftragte,<br />

wahrgenommen. Auch die Verbundzertifizierungen, in die mehrere Referenzeinrichtungen<br />

eingebunden waren, wurden bereits erläutert.<br />

Für die Referenzeinrichtungen solcher Träger bedeutete dies, dass alle Veränderungen,<br />

die sich durch die Umsetzung der Konzeptanforderungen ergaben und in den<br />

QM-Handbüchern schriftlich festzuhalten waren, mit dem QM-Beauftragten und/oder<br />

zuständigen Gremien beim Träger abzustimmen waren. Trotz der grundlegenden<br />

Einigkeit zu Beginn des Projekts war diese Abstimmung, wenn es um die Details ging,<br />

nicht immer problemlos möglich.<br />

Vor allem große Träger haben die Beteiligung der Mitarbeiter/innen sowie der Leitungskräfte<br />

weitgehend institutionalisiert. So haben z.B. neben den Qualitätszirkeln<br />

in den Altenpflegeheimen teilweise trägerübergreifende Qualitätszirkel sowie<br />

Arbeitskreise der Einrichtungsleiter/innen und Fachkreise der Pflegedienstleitungen<br />

bestanden, die sich im Austauschprozess mit den hausinternen Qualitätsbeauftragten,<br />

den beim Träger angesiedelten Qualitätsmanagementbeauftragten und den <strong>für</strong><br />

das Referenzprojekt eingestellten Modellbeauftragten um eine Integration der Qualitätsstandards<br />

in das vorhandene QM-System bemühten. Hierbei waren alle Beteiligten<br />

bestrebt, Synergien zu erzielen und die Erkenntnisse aller beim Träger durchgeführten<br />

Projekte zu integrieren und damit <strong>für</strong> alle Häuser nutzbar zu machen.<br />

Derart institutionalisierte Beteiligungsprozesse waren jedoch in der Praxis nicht ohne<br />

Tücken. In Anlehnung an Paul Watzlawick, nach dem ein „Mehr desselben“ nicht<br />

immer auch ein „Mehr an Resultat“ bedeutet, konnte im Referenzprojekt in Ausnahmefällen<br />

das fast paradoxe Phänomen beobachtet werden, dass ein Mehr an Kommunikation<br />

und Austausch fast zu einer Blockade der Veränderungsprozesse geführt<br />

hätte. So wurden beispielsweise in einem Fall in einem festgelegten Verfahren Vorschläge<br />

<strong>für</strong> Verfahrensanweisungen in verschiedenen Arbeitskreisen diskutiert und<br />

zwischen den beteiligten Personen, die parallel mit verschiedenen QM-Prozessen<br />

befasst waren und unterschiedliche Prioritäten verfolgten, mehrfach ausgetauscht und<br />

abgestimmt. Als Folge des korrekt eingehaltenen Verfahrens verzögerten sich die projektbezogenen<br />

Entwicklungsprozesse nicht nur erheblich, sie kamen teilweise vollständig<br />

<strong>zum</strong> Erliegen. Ein Überblick über die inhaltliche Bearbeitung der einzelnen<br />

Projektelemente war nicht immer gegeben.<br />

Die Lösung des Problems bestand in diesem Fall darin, die grundsätzlich sinnvollen<br />

einzelnen Prozessschritte und Beteiligungen vor dem Hintergrund der begrenzten Projektlaufzeit<br />

abzukürzen und zu durchbrechen. In Abstimmung mit der Leitung und<br />

dem Träger konnten pragmatisch abgekürzte Verfahren zur Erstellung und Erprobung<br />

neuer Verfahrensanweisungen vereinbart werden, die in der beteiligten Altenpflegeeinrichtung<br />

zu einer zusätzlichen Qualitätsverbesserung führten.<br />

In einem anderen Haus blieb über mehrere Monate unklar, ob die im Sinne des <strong>Referenzkonzept</strong>es<br />

optimierte Pflegeplanung und -dokumentation über die Projektlaufzeit<br />

hinaus Bestand haben oder ob die angestrebte Verbundzertifizierung die Nutzung<br />

einer anderen Systematik erfordern würde. Diese Unklarheit dämpfte die Motivation<br />

der Mitarbeiter/innen und zeitweise auch das Engagement des/der Modellbeauftragten.<br />

Es kam schließlich zu einer günstigen Entscheidung, gleichwohl war auch<br />

hier eine verzögernde Wirkung zu beobachten.<br />

In manchen der Referenzeinrichtungen musste auch parallel <strong>zum</strong> Referenzprojekt an<br />

weiteren Innovationsprozessen gearbeitet werden. Teilweise waren diese Vorhaben<br />

nicht nur kompatibel mit den Zielen des <strong>Referenzkonzept</strong>s, sie begünstigten sie<br />

sogar. Dies betraf die Verstärkung biografieorientierter Pflege, die schrittweise<br />

Umstellung des Dienstplanes auf das Dreischicht-Modell und die Einführung des<br />

Hausgemeinschaftskonzepts. Zusätzliche Projekte bedeuteten aber immer auch<br />

201


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

202 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

zusätzlichen Aufwand. In der Folge fühlten sich die Mitarbeiter/innen in einigen dieser<br />

Einrichtungen überfordert. Auch die Einhaltung der Termine <strong>für</strong> die interne Steuerung<br />

des Referenzprojektes war nicht immer in wünschenswerter Weise gegeben, weil<br />

Zeit und Energie der Leitungskräfte auch durch andere Aufgaben beansprucht war.<br />

Bei anderen Einrichtungen war es von großem Vorteil, dass Träger, Einrichtungs- und<br />

Pflegedienstleitung dem Referenzprojekt von Beginn an eindeutig Priorität eingeräumt<br />

hatten und sich den Zielen gemeinsam verpflichtet fühlten.<br />

5.2 Zielangemessenheit, Eindeutigkeit und Transparenz der Aufbau- und Ablauforganisation<br />

Nicht in allen Referenzeinrichtungen erfüllte die vorhandene Aufbau- und Ablauforganisation<br />

die Gütekriterien der Zielangemessenheit, Eindeutigkeit und Transparenz.<br />

Es gab Referenzeinrichtungen, in denen die Zuständigkeiten und Kompetenzen<br />

und die Abläufe im Haus nur lückenhaft verschriftlicht waren. Dies führte zu Auseinandersetzungen<br />

und Reibungsverlusten zwischen Leitungskräften der verschiedenen<br />

Ebenen, zwischen Dienstbereichen und zwischen Fachkräften.<br />

Es gab zwar Einrichtungen, die bereits vor Projektbeginn mit dem Bezugspflegesystem<br />

gearbeitet hatten, doch wie bereits erwähnt deckte die Bestandsaufnahme zur<br />

„Zuständigen Pflegefachkraft“ in mehreren dieser Einrichtungen erhebliche Mängel<br />

auf. In Einzelfällen kam es sogar vor, dass die Einrichtungsleitungen bei Befragungen<br />

zur Struktur ein Bezugspflegesystem angegeben hatten, während die Befragung der<br />

Pflegekräfte ergab, dass ihnen ein solches System nicht bewusst war.<br />

In einzelnen Einrichtungen standen Träger und Hausleitung einer zu umfassenden „Verregelung“<br />

von Abläufen ausgesprochen kritisch gegenüber, mit dem Effekt, dass zu<br />

wenig klar geregelt war. Vorhandene Vorgaben, wie die, dass ausschließlich die<br />

Wohnbereichsleitungen <strong>für</strong> die Pflegeplanung zuständig war, hatten den Effekt, dass<br />

die examinierten Pflegekräfte über Jahre in nur geringem Maße Verantwortung zu übernehmen<br />

hatten und den damit einhergehenden Fähigkeiten gewissermaßen entwöhnt<br />

waren. Umso schwieriger gestaltete sich die Einführung der Zuständigen Pflegefachkraft.<br />

Zum Ende der Modelllaufzeit war das Konzept zwar formal weitgehend umgesetzt,<br />

es wird aber noch einige Zeit der Schulung und Begleitung dauern, bis die Pflegefachkräfte<br />

den veränderten Aufgaben in vollem Umfang gerecht werden können.<br />

Wie beschrieben war in vielen Referenzeinrichtungen die Vernetzung von Pflege und<br />

Sozialem Dienst in hohem Maße entwicklungsbedürftig. Zwar hat es hier in vielen<br />

Einrichtungen deutliche und weitreichende Verbesserungen gegeben, die sich positiv<br />

auf die Erprobung von Elementen des <strong>Referenzkonzept</strong>es – insbesondere bezogen<br />

auf die Leistungen der psychosozialen Begleitung ausgewirkt haben. Aber auch<br />

diese Veränderungen mussten mit Zeit- und Energieaufwand geplant und umgesetzt<br />

werden. Um dies leisten zu können, wurde die Bearbeitung einzelner Konzeptelemente<br />

des Referenzprojektes zeitweise zurückgestellt.<br />

Günstigere Voraussetzungen hatten hier die Referenzeinrichtungen,<br />

bei denen Zuständigkeiten und Kompetenzen eindeutig geklärt waren, mit besonderem<br />

Augenmerk auf den Schnittstellen zwischen Pflege, Sozialem Dienst und<br />

Hauswirtschaft,<br />

die eine enge Zusammenarbeit zwischen Sozialem Dienst und Pflege bereits vor<br />

Beginn des Modellprojekts verwirklicht hatten,<br />

die bereits vor dem Projekt mit einem Bezugspflegesystem arbeiteten, das auch<br />

bei Ausfällen und Störungen eingehalten wurde.


5.3 Verbindliches Qualitätsmanagement und kompetente Mitarbeiterführung<br />

Aus Sicht der Organisationsberatung hatte das Vorhandensein eines Qualitätsmanagementsystems<br />

beträchtlichen und positiven Einfluss auf den Prozess der Konzeptumsetzung.<br />

Eine wichtige Voraussetzung war jedoch, dass es nicht nur als formale Vorgabe<br />

auf dem Papier existierte, sondern im Alltag gelebt und konsequent zur Steuerung<br />

der Pflegeleistungen genutzt wurde. In Referenzeinrichtungen mit lebendigem<br />

Qualitätsmanagement tauchten deutlich weniger Reibungsverluste durch unklare<br />

Zuständigkeiten und Kompetenzen auf.<br />

So war eine der Referenzeinrichtungen, denen die Evaluation in allen Zwischenberichten<br />

gute Erfolge bescheinigte, durch eindeutige und klare Zuordnung von Zuständigkeiten<br />

und Kompetenzen bezogen auf die verschiedenen Bereiche und Funktionsträger<br />

gekennzeichnet. Abläufe der Pflegepraxis und sonstigen Korporationen<br />

und Kommunikation waren durch ein systematisches Qualitätsmanagement geregelt,<br />

teilweise standardisiert. Dieses Ablaufreglement wurde von Leitungskräften und<br />

Beschäftigten im Alltag mit hoher Verbindlichkeit beachtet, aber auch fortgeschrieben<br />

und weiterentwickelt, wenn es sich punktuell als unzulänglich erwies. Es war deshalb<br />

auch nicht verwunderlich, dass diese Einrichtung, zusammen mit einigen vergleichbaren<br />

Häusern, schon vor Projektbeginn viele der Konzeptanforderungen bereits<br />

erfüllte.<br />

Ob ein Qualitätsmanagement gelebt wird oder nur auf dem Papier existiert, ist eine<br />

Frage der Leitungskompetenz und Mitarbeiterführung. Auch hier gab es zwischen<br />

den Referenzeinrichtungen große Unterschiede. In Einzelfällen waren Führungsdefizite,<br />

die durch die Projektbearbeitung deutlich wurden, Anlass <strong>für</strong> Umbesetzungen.<br />

Kompetentes Führungshandeln, wie es in vielen der Referenzeinrichtungen zu beobachten<br />

war, zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass<br />

Vorhandene Regelungen verbindlich eingehalten und ihre Einhaltung von den Mitarbeiter/innen<br />

auch unmissverständlich eingefordert wurde,<br />

den Mitarbeiter/innen grundsätzlich wertschätzend begegnet wurde,<br />

die Beteiligung der Mitarbeiter/innen am Prozess der Organisationsentwicklung<br />

gesichert und Ergebnisse solcher Beteiligung ernst genommen wurde,<br />

Leistungsmängel frühzeitig und angemessen thematisiert und bearbeitet wurden.<br />

Aus Sicht der Organisationsberatung schienen insbesondere die Wohnbereichsleiter/innen<br />

auf Führungsaufgaben nur unzureichend vorbereitet zu sein. Sie waren<br />

<strong>für</strong> ihre Leitungsfunktion in vielen Einrichtungen nur teilweise freigestellt, mussten sich<br />

also in zwei Rollen bewegen: Kollege/in und Pflegefachkraft in dieser, Leitungskraft<br />

in jener Arbeitsphase. Bei den von der Organisationsberatung angebotenen Workshops<br />

berichteten fast alle Teilnehmer/innen von Schwierigkeiten und Unsicherheiten<br />

im Umgang mit Mitarbeiter/innen. Im Bemühen um die richtige Balance in den beiden<br />

Rollen neigten die einen dazu, sich eher als Kollege/in zu sehen und sich die<br />

Wertschätzung des Teams zu sichern, wodurch es ihnen schwer wurde, mit Leistungsmängeln<br />

in ihrem Team angemessen umzugehen. Andere neigten zur Hervorhebung<br />

der eigenen Autorität, mit der Gefahr, <strong>für</strong> die Pflegekräfte im Team zu wenig<br />

Wertschätzung zu zeigen und das Arbeitsklima zu stören.<br />

Im Rahmen des Projektes war es nicht möglich, diese Problematik so weitgehend zu<br />

bearbeiten, wie es in einigen Fällen notwendig gewesen wäre. Zu fragen ist hier<br />

auch, welchen Qualitätsstandards in Bezug auf Vermittlungsinhalte und Didaktik die<br />

angebotenen Weiterbildungen <strong>für</strong> Leitungsfunktionen in der stationären Altenpflege<br />

genügen müssten.<br />

203


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

204 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

5.3.1 Personalentwicklung<br />

Personalentwicklung als eine systematische und geplante Strategie war nur in wenigen<br />

Referenzeinrichtungen aufzufinden. Am ausgeprägtesten war noch die Erstellung<br />

von Fortbildungsplänen. Andere Elemente, die der Personalentwicklung zuzurechnen<br />

sind und die im Praxisleitfaden ausführlicher beschrieben sind, wurden eher zufällig<br />

als zielgerichtet verfolgt.<br />

Bezogen auf die Konzeptbausteine sind in allen Referenzeinrichtungen große<br />

Anstrengungen unternommen worden, das Kompetenz- und damit das Leistungsniveau<br />

anzuheben. Wünschenswert wäre, wenn diese Impulse auch über die Modelllaufzeit<br />

hinaus aufgegriffen werde.<br />

In den Referenzeinrichtungen, die durch ein umfassenderes Verständnis von Personalentwicklung<br />

gekennzeichnet waren, war beobachtbar, dass<br />

die Personalauswahl mit großer Sorgfalt betrieben wurde,<br />

systematische Fortbildungspläne erstellt wurden, an deren Inhalten die Mitarbeiter/innen<br />

beteiligt waren,<br />

die kompetente Pflegeprozesssteuerung regelmäßig durch die Leitungskräfte überprüft<br />

und bei Mängeln nachgeschult wurde,<br />

interne Multiplikatoren/innen systematisch aufgebaut und eingesetzt wurden,<br />

Anstrengungen zur Erweiterung fachlicher Kompetenz einher gingen mit der<br />

Bearbeitung von Haltungsfragen (Bewohnerorientierung, Biografieorientierung,<br />

Ressourcenorientierung)<br />

Ehrenamtliche Unterstützung systematisch eingeworben und begleitet wurde.<br />

Aus Sicht der Organisationsberatung haben diese Faktoren die Zielumsetzung im<br />

Modellprojekt erleichtert und befördert.<br />

5.4 Kompetenzen der Modellbeauftragten<br />

Eine zentrale Funktion hatten während des Projektes die Modellbeauftragten inne.<br />

Sie waren verantwortlich <strong>für</strong> die<br />

Rückkoppelung der Konzeptbausteine mit ihren Anforderungen,<br />

Durchführung der Soll-Ist-Analysen,<br />

Operationaliserung der einrichtungsspezifischen Entwicklungsziele (Handlungsplanung),<br />

Erstellung der einrichtungsspezifischen Konzepte,<br />

Schulung der Mitarbeiter/innen.<br />

Hinzu kam, dass sie auch die zahlreichen Evaluationsschritte (mehrfache Befragungen<br />

von Bewohner/innen und Mitarbeiter/innen, Leistungserfassungen, Statuserhebungen<br />

<strong>zum</strong> Entwicklungsfortschritt u.a.) vorbereitet und organisatorisch und inhaltlich<br />

begleitet haben.<br />

Die Modellbeauftragten hatten vor dem Modellprojekt unterschiedliche Funktionen<br />

inne. Zum Teil handelte es sich um Pflegedienst- oder Wohnbereichsleiter/innen, <strong>zum</strong><br />

Teil um Qualitätsbeauftragte und teilweise auch um examinierte Pflegekräfte. Um von<br />

den Leitungskräften und den Mitarbeitern/innen gehört und ernst genommen zu werden<br />

bedurfte es nicht nur der bereits skizzierten fachlichen Kompetenz <strong>für</strong> kompetentes<br />

Projektmanagements. Aus Sicht der Organisationsberatung gehörte dazu auch<br />

das Vorhandensein von Status und Autorität in der Einrichtung. Modellbeauftragte,


die auf Grund ihrer vorherigen Funktion schon vor dem Projekt in Entscheidungsprozesse<br />

einbezogen waren, denen auf allen Hierarchieebenen Respekt entgegengebracht<br />

wurde und die eine „wichtige Stimme“ in ihren Häusern hatten, konnten die<br />

Zustimmung von Einrichtungs- und Pflegedienstleitung <strong>für</strong> Vorschläge müheloser erreichen,<br />

als diejenigen, die vorher „nur“ als Pflegekräfte beschäftigt waren. Hinzu kam,<br />

dass die Funktion einer Leitungskraft oder eines Qualitätsbeauftragten mehr Gelegenheiten<br />

geboten hatte, wenigstens einen Teil der erforderlichen Projektmanagement-<br />

Kompetenzen bereits vor Projektbeginn im Alltag einzuüben.<br />

In einzelnen Häusern haben sich zwei Personen die Funktion des Modellbeauftragten<br />

geteilt, in einem Fall gehörte diesem Tandem eine in der Pflege ausgewiesenen<br />

Fachkraft und die Leitungskraft des Sozialen Dienstes an. Diese Lösung barg viele<br />

Vorteile. Die damit einhergehende Einbeziehung des Sozialen Dienstes in die Bearbeitung<br />

aller Konzeptbausteine hat den Blick erweitert und die bessere Vernetzung<br />

zwischen Pflege und Sozialem Dienst deutlich befördert. Auch wenn diese Lösung mit<br />

höherem Zeit- und Abstimmungsaufwand einherging, so überwogen aus Sicht der<br />

Beteiligten und auch aus Sicht der Organisationsberatung die Vorteile eindeutig.<br />

Es gab auch einzelne Häuser, in denen die ausgewählten Modellbeauftragten den<br />

Anforderungen dieser Funktion nicht gewachsen waren. Die von der Organisationsberatung<br />

angebotenen Fortbildungsbausteine reichten nicht aus, um die Mängel in<br />

kurzer Zeit nachhaltig abzubauen. Gelöst wurden solche Probleme entweder durch<br />

eine Neubesetzung der Funktion des Modellbeauftragten oder dadurch, dass<br />

dem/der in dieser Funktion tätigen Mitarbeiter/in eine weitere Fach- bzw. Leitungskraft<br />

unterstützend zur Seite gestellt wurde. Auch solche Probleme wirkten sich<br />

zunächst verzögernd auf den Entwicklungsfortschritt aus.<br />

Ohne die Modellbeauftragten wäre es nicht möglich gewesen, die anspruchsvollen<br />

Ziele des Modellprojekts zu verwirklichen. Sie waren die „change agents“ in den<br />

Einrichtungen. Auch wenn nicht alle mit vergleichbaren Voraussetzungen starteten,<br />

so haben alle einen enormen Entwicklungsprozess gemeistert, der auch die Entwicklung<br />

eigener fachlicher Kompetenzen und „soft skills“ einschloss.<br />

205


Teilbericht 3: Organisationsentwicklung<br />

Literatur<br />

206 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Ahlemeyer, Heinrich W.; Königswieser, Roswita (Hrsg.): Komplexität managen. Strategien, Konzepte, Fallbeispiele,<br />

Frankfurt/Main 1997<br />

Brückers, Rainer (Hrsg.): Tandem QM. Das integrierte Konzept in der Sozialen Arbeit, Bonn 2003<br />

Dopler, Klaus; Lauterburg, Christoph:Change Management. Den Unternehmenswandel gestalten. 5. Auflage, Frankfurt,<br />

New York 1996<br />

Gerull, Peter: Qualitätsmanagement sozialer Dienstleistungen, CD-Rom, 2003<br />

Grossmann, Ralph; Krainz, Ewald E.; Oswald, Margit (Hrsg.): Veränderung in Organisationen, Wiesbaden 1995<br />

Heintel, Peter; Krainz, Ewald E.: Projektmanagement, Wiesbaden 1988<br />

König, Jutta: Was die PDL wissen muss. Das etwas andere Qualitätshandbuch in der Altenpflege, 2. Auflage Hannover<br />

2003<br />

Königswieser, Roswita; Exner, Alexander: Systemische Intervention. Architekturen und Designs <strong>für</strong> Berater und Veränderungsmanager,<br />

Stuttgart 1998<br />

Kühl, Stefan: Wenn die Affen den Zoo regieren. Die Tücken der flachen Hierarchien, 5. aktualisierte und erweiterte Auflage,<br />

Frankfurt/Main, New York 1998<br />

Loffing, Christian; Geise, Stephanie (Hrsg.): Management und Betriebswirtschaft in der ambulanten und stationären Altenpflege,<br />

1. Auflage, Bern 2005<br />

Pepels, Werner: Qualitätscontrolling bei Dienstleistungen, München 1996<br />

Praxishandbuch Sozialmanagement, Bonn 2004<br />

Roth, Günter: Qualität in Pflegeheimen, Expertise im Auftrag des BMFSFJ, Forschungsgesellschaft <strong>für</strong> Gerontologie e.V.,<br />

Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund, 2002<br />

Sattelberger, Thomas (Hrsg.): Die lernende Organisation. Konzepte <strong>für</strong> eine neue Qualität der Unternehmensentwicklung,<br />

2. Aufl., Wiesbaden 1994<br />

Senge, Peter M.: Die fünfte Disziplin, Stuttgart 1997<br />

Staehle, Wolfgang H.: Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive, 5. Auflage München 1990<br />

Watzlawick, Paul: Menschliche Kommunikation, 7. Auflage Bern 1985<br />

Wimmer, Rudolf (Hrsg.): Organisationsberatung. Neue Wege und Konzepte, 1. Auflage, Wiesbaden 1992<br />

Fachzeitschriften:<br />

Altenpflege. Fachmagazin <strong>für</strong> die ambulante und stationäre Altenpflege<br />

Sozialwirtschaft. Zeitschrift <strong>für</strong> Sozialmanagement<br />

Informationsdienst <strong>für</strong> Altersfragen


Teilbericht 4:<br />

Bewertung der<br />

Evaluationsergebnisse<br />

Verfasser/innen:<br />

Marion Menke, Uta Vogelwiesche, Andrea Kuhlmann, Ingo Kowalski,<br />

Eckart Schnabel unter Mitarbeit von Lena Oesterlen<br />

Institut <strong>für</strong> Gerontologie an der Universität Dortmund (FFG)<br />

207


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

208 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6


Inhalt<br />

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .210<br />

1. Methodischen Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .210<br />

2. Ausgangssituation in den Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .213<br />

3. Abschließende Bewertung der Evaluationsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .217<br />

4. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .233<br />

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .237<br />

209


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

Einleitung<br />

210 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Die vorliegenden Evaluationsergebnisse sind umfangreich und in Bezug auf jede<br />

beteiligte Referenzeinrichtung sehr detailliert. Sie sind in einem umfassenden Forschungsbericht<br />

der FfG aufgearbeitet worden und stehen den Auftraggebern zur Verfügung.<br />

Aus den Projektergebnissen ist darüber hinaus ein Praxisleitfaden hervorgegangen,<br />

der die Konzeptbausteine enthält und Hinweise zur Umsetzung auf der Basis<br />

der Erfahrungen der Organisationsberatung und der Evaluationsergebnisse beinhaltet.<br />

Für die hier vorliegende Veröffentlichung wird auf eine detaillierte Version der Ergebnisdarstellung<br />

verzichtet, da ein Bericht von mehreren hundert Seiten den Rahmen<br />

sprengen würde. Daher wird im Folgenden eine kürzere Version dargelegt, die eine<br />

Beschreibung des methodischen Vorgehens (Kap. 4.1) und der Ausgangssituation in<br />

den Referenzeinrichtungen (Kap. 4.2) sowie eine abschließenden Bewertung der Forschungsergebnisse<br />

(Kap. 4.3) beinhaltet. Dabei wird auf die analytische Darstellung<br />

der Evaluationsergebnisse zugunsten einer deskriptiven Beantwortung der zentralen<br />

Forschungsfragen verzichtet. Zum Abschluss wird ein Ausblick auf die zukünftige<br />

Situation der vollstationären Pflege (Kap. 4.4) gegeben.<br />

1. Methodisches Vorgehen<br />

Um die Implementierung und Umsetzung der konzeptionellen Kernelemente in den<br />

20 Referenzeinrichtungen analysieren zu können, wurde ein umfassendes Evaluationskonzept<br />

umgesetzt. Folgende Aspekte wurden dabei berücksichtigt:<br />

Formative und summative Evaluation,<br />

Messwiederholungsdesign,<br />

Erhebung und Auswertung qualitativer und quantitativer Daten,<br />

Befragung unterschiedlicher Quellen: Mitarbeiter/innen, Bewohner/innen, Angehörige,<br />

freiwillige Helfer/innen, Leitungskräfte, Modellbeauftragte;<br />

Einsatz verschiedener Datenerhebungsmethoden: schriftliche Befragung, mündliche<br />

Befragung, Verlaufsprotokolle, Dokumentenanalyse (s. Tab. S. 211).<br />

Nachfolgend werden die einzelnen Verfahren bzw. die entsprechenden Zielgruppen<br />

der Untersuchungen erläutert.<br />

1. Strukturdatenerhebung. Informationen über strukturelle Merkmale der Einrichtung<br />

(z.B. Pflegesätze, Mitarbeiterqualifikationen, Aufbauorganisation) wurden zu drei<br />

Zeitpunkten während des Projektes von den Leitungskräften der Einrichtungen<br />

erfragt.<br />

2. Schriftliche Mitarbeiterbefragung. Die Mitarbeiter/innen der Referenzeinrichtungen<br />

wurden zu Beginn und <strong>zum</strong> Ende des Projektes um Bewertungen ihrer Arbeitssituation<br />

(z.B. Interne Organisation und Kommunikation, Arbeitszufriedenheit)<br />

gebeten. Im Rahmen der Befragung am Projektende wurden außerdem Einschätzungen<br />

bzgl. aller konzeptionellen Kernelemente erhoben. Die Fragebögen wurden<br />

jeweils an die Modellbeauftragten versandt, die diese an die Mitarbeiter/innen<br />

verteilt, wieder eingesammelt und zur Auswertung an die wissenschaftliche<br />

Begleitung zurück geschickt haben.


3. Leitfadengestützte Bewohnerbefragung. Zu Beginn und Ende des Projektes wurden<br />

ca. 10% der Bewohner/innen der Referenzeinrichtungen mittels leitfadengestützter<br />

Interviews zu ihrer Lebenssituation (z.B. Bewertung der Pflegequalität,<br />

Wohlbefinden) befragt. Dabei wurden auch Bewohner/innen mit leichten und<br />

mittleren kognitiven Einschränkungen befragt – ausgeschlossen wurden lediglich<br />

Bewohner/innen, die sich nicht mehr verbal äußern konnten. In einigen Fällen<br />

waren zur Unterstützung Angehörige oder Betreuer/innen während der Interviews<br />

anwesend.<br />

4. Leistungserfassung. Zu zwei Zeitpunkten im Verlauf des Projektes protokollierten<br />

die Mitarbeiter/innen <strong>für</strong> den Zeitraum einer Woche <strong>für</strong> mehrere Bewohner/innen<br />

die Leistungen, die diese erhielten sowie deren jeweilige Dauer. Darüber hinaus<br />

wurden auch mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen in diesem Rahmen erfasst.<br />

5. Umsetzungsdokumentation. Die Modellbeauftragten protokollierten fortlaufend ihre<br />

Veränderungsziele, -maßnahmen sowie Probleme und Lösungsstrategien bei der<br />

Konzeptumsetzung. Ebenso wurden förderliche und hinderliche Rahmenbedingungen<br />

sowie im Rahmen des Projektes durchgeführte Schulungen festgehalten.<br />

6. Statusbefragung und Rückblick. Zusätzlich zu der Protokollierung der Umsetzungsschritte<br />

wurden die Modellbeauftragten in standardisierter Form um einen Rückblick<br />

auf die Situation vor Projektbeginn bzgl. der Anforderungen in den Rahmenkonzepten<br />

gebeten. Außerdem gaben sie zu drei Zeitpunkten (Juni und Dezember<br />

2005, Juni 2006) in standardisierter Form an, welche Anforderungen der konzeptionellen<br />

Kernelemente bereits umgesetzt wurden.<br />

7. Anlassdokumentation. Für die Dauer eines Jahres (Juli 2005 bis Juni 2006) protokollierten<br />

die Modellbeauftragten alle Heimeinzüge, Krankenhausüberleitungen<br />

und Sterbefälle in der Einrichtung.<br />

8. Fokusgruppeninterviews. Am Ende des Projektes wurden in den Regionalgruppen<br />

mit den Modellbeauftragten Interviews durchgeführt. Im Fokus standen dabei die<br />

Umsetzungserfahrungen bzgl. der einzelnen Konzeptbausteine.<br />

Verfahren Zielgruppen<br />

Schriftliche<br />

Befragung<br />

Leitfadengestütztes<br />

Interview<br />

Narratives<br />

Interview<br />

Fokusgruppeninterview<br />

Protokolle<br />

von Arbeitsprozessen<br />

Mitarbeiter-<br />

/innen<br />

Schriftliche<br />

Mitarbeiterbefragung<br />

Narrative<br />

Einzelinterviews<br />

Leistungserfassung<br />

Bewohner-<br />

/innen<br />

LeitfadengestützteBewohnerbefragung<br />

Narrative<br />

Einzelinterviews<br />

Angehörige Freiwillige<br />

Helfer/innen<br />

Narrative<br />

Einzelinterviews<br />

Narrative<br />

Einzelinterviews<br />

Leitungskräfte<br />

Strukturdatenerhebung<br />

Modellbeauftragte<br />

Statusbefragung<br />

und<br />

Rückblick;<br />

Anlassdokumentation<br />

FokusgruppeninterviewsUmsetzungsdokumentation<br />

Datenerhebungsverfahren<br />

je<br />

Zielgruppe<br />

211


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

Datenerhebungsverfahren<br />

während<br />

der Projektlaufzeit<br />

212 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

9. Narrative Einzelinterviews. Zu den Inhalten der Rahmenkonzepte „Unterstützung<br />

beim Einzug in eine Pflegeeinrichtung“ und „Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten“<br />

wurden mit einzelnen Bewohnern/innen, Angehörigen und<br />

Mitarbeitern/innen telefonische Interviews geführt. Dabei wurden die Interviewpartner/innen<br />

um eine Beschreibung und Bewertung der Abläufe gebeten.<br />

Zum Maßstab „Sterbebegleitung in Pflegeeinrichtungen“ wurden vergleichbare<br />

Interviews mit Angehörigen, Mitarbeitern/innen und freiwilligen Helfern/innen<br />

geführt.<br />

10. Dokumentationsanalyse. Die Dokumentationssysteme der Einrichtungen wurden<br />

im Hinblick auf ihre Übereinstimmung mit den Anforderungen an eine verbesserte<br />

Pflegedokumentation überprüft. Um die Rahmenbedingungen und deren<br />

mögliche Auswirkungen auf die Pflegedokumentationsinhalte in den einzelnen<br />

Referenzeinrichtungen besser nachvollziehen zu können, wurde den jeweiligen<br />

Modellbeauftragten zunächst ein Kurzfragebogen zugesandt. Später wurden<br />

offene, einrichtungsspezifische Fragen geklärt. Abschließend wurden die Dokumentationssysteme<br />

selbst mittels eines eigens entwickelten, standardisierten Erhebungsbogens<br />

(z.B. Vorhandensein und regelmäßige Aktualisierung von Tagesplänen;<br />

werden bewohnerbezogene Gespräche mit anderen Berufsgruppen<br />

dokumentiert) analysiert.<br />

Die nachfolgende Übersicht zeigt die unterschiedlichen Erhebungen von Daten im<br />

Verlauf des Projektes:<br />

Jahr Monat Erhebungen<br />

2004 8–10 Mitarbeiterbefragung t0 2004 10–12 Strukturdaten t0 2004 10–12 Bewohnerbefragung t0 2005 fortlaufend Schulungsdokumentation<br />

2005 7/2005 bis 6/2006 Anlassdokumentation<br />

2005 5–6 Leistungserfassung t1 2005 7 Statuserfassung t1 2005–2006 ab 9/2005 fortlaufend Telefoninterviews zur Anlassdokumentation<br />

2005–2006 ab 4/2005 fortlaufend Dokumentation der Konzeptumsetzung<br />

2006 1/2006 bis 4/2006 Fokusgruppeninterviews<br />

mit den Modellbeauftragten<br />

2005 10 –11 Strukturdaten t1 2005 12 Statuserfassung t2 2006 1–2 Leistungserfassung t2 2006 4–5 Mitarbeiterbefragung t1 2006 4–5 Bewohnerbefragung t2 2006 2–5 Analyse von Pflegedokumentationen<br />

2006 4–5 Strukturdaten t2 2006 6 Statuserfassung t3


2. Ausgangssituation in den Einrichtungen<br />

Wie sind die Einrichtungsstrukturen zu beschreiben?<br />

Für die Durchführung des Modellprojektes wurden in Nordrhein-Westfalen 20 Einrichtungen<br />

der vollstationären Altenpflege ausgewählt. Die meisten Einrichtungen<br />

waren in städtischen Gebieten und drei Einrichtungen in Mischgebieten angesiedelt<br />

59 . Entsprechend der Trägerverteilung in Nordrhein-Westfalen befanden sich drei<br />

Viertel der Referenzeinrichtungen in freigemeinnütziger Trägerschaft. Darüber hinaus<br />

waren drei Einrichtungen in privater und ein Heim in kommunaler Trägerschaft beteiligt.<br />

Die Größe der Einrichtungen, gemessen an der Zahl der verfügbaren Plätze, lag<br />

zwischen 60 und 206 Plätzen, im Mittel bei 110. In den Modellheimen wurden im<br />

Durchschnitt 108 Pflegebedürftige betreut, was im Vergleich <strong>zum</strong> Landesdurchschnitt<br />

von 75 betreuten Pflegebedürftigen je stationärer Pflegeeinrichtung in NRW als überdurchschnittlich<br />

hoch zu bewerten ist (Statistisches Bundesamt, 2005).<br />

Erwartungsgemäß überwog in den Einrichtungen mit durchschnittlich 82,4% der<br />

Anteil der Bewohnerinnen. Des Weiteren war Hochaltrigkeit kennzeichnend <strong>für</strong> die<br />

Bewohnerschaft: das Alter der Bewohner/innen lag im Durchschnitt bei 83,2 Jahren<br />

60 . Die gegenwärtige durchschnittliche Verweildauer betrug nach eigenen Berechnungen<br />

der Heime 42 Monate 61 . Schneekloth & Müller (2000) weisen im Vergleich<br />

eine Verweildauer von 52 Monaten aus, die somit in den Referenzeinrichtungen<br />

wesentlich unterschritten wurde. Die gegenwärtige Verweildauer darf jedoch nicht<br />

mit der tatsächlichen Verweildauer – also dem Zeitraum vom Einzug bis <strong>zum</strong> Ableben<br />

eines Bewohners – die im Einzelfall wesentlich geringer ausfallen kann, gleichgesetzt<br />

werden (ebd.).<br />

In den Referenzeinrichtungen überwog die Pflegestufe II mit im Mittel 42%, gefolgt<br />

von den Pflegestufen I (29%) und III (21%), die Pflegestufe 0 war mit ca. 7% eher selten.<br />

In fünf Einrichtungen waren Bewohner/innen in Pflegestufe III (Härtefallregelung);<br />

ihr Anteil fiel im Durchschnitt mit 2,8% sehr gering aus. Die Verteilung der<br />

Pflegebedürftigen nach Pflegestufen in den zwanzig Modelleinrichtungen stimmte mit<br />

geringfügigen Abweichungen nahezu mit der landesdurchschnittlichen Pflegestufenverteilung<br />

der Pflegebedürftigen in Pflegeheimen in Nordrhein-Westfalen (Statistisches<br />

Bundesamt, 2005) überein; während der Anteil der Pflegebedürftigen in den<br />

Pflegestufen I und II leicht unterschritten wurde, war in Pflegestufe III eine geringfügig<br />

höhere Anzahl zu verzeichnen.<br />

Für die Beschreibung der Mitarbeiterstruktur in den Referenzeinrichtungen werden im<br />

Folgenden die Qualifikation und das Beschäftigungsverhältnis, die Fachkraftquote,<br />

die gemäß Heimpersonalverordnung mindestens 50% betragen muss, und die Betreuungsrelation<br />

dargestellt. 62<br />

Zum Projektbeginn überwogen in der Gruppe der Pflegefachkräfte die<br />

Altenpfleger/innen mit einem Anteil von 40% am gesamten betreuenden Personal.<br />

Auf Krankenpflegefachkräfte entfielen 10%; der Anteil der anderen Fachkräfte (Pflegewissenschaftlicher<br />

Studienabschluss, Studienabschluss Sozialarbeit/pädagogik/Pädagogik<br />

/Psychologie, Therapeutischer Berufsabschluss) lag hingegen<br />

unter 5%. Bei den Hilfskräften stellten die angelernten Mitarbeiter/innen den größten<br />

Anteil (31%), gefolgt von einjährig qualifizierten Hilfskräften (Alten- und<br />

59 Die Einteilung in Städtische und Mischgebiete erfolgte auf der Grundlage des Landesentwicklungsplanes NRW (Bearbeitung: <strong>Ministerium</strong><br />

<strong>für</strong> Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes NRW, Düsseldorf, 04/1995; WAZ-Druck, Duisburg.).<br />

60 Die Einrichtungen wurden gebeten, nach eigenen Berechnungen Angaben <strong>zum</strong> durchschnittlichen Alter der Bewohnerschaft zu machen;<br />

hier liegen Angaben von 19 Einrichtungen vor. Eine Ausnahme stellt eine Einrichtung mit einem Angebotsschwerpunkt <strong>für</strong> junge Pflegebedürftige<br />

dar: hier beträgt das Alter der Bewohnerschaft durchschnittlich 72,8 Jahre.<br />

61 Hier lagen Angaben von 15 Einrichtungen vor.<br />

62 Für die Beschreibung der Ausgangssituation lagen aus allen 20 Einrichtungen vollständige Angaben zur Mitarbeiterstruktur vor.<br />

213


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

214 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Krankenpflegehelfer/innen) (8%). Betrachtet man die Mitarbeiter/innen 63 der beteiligten<br />

Einrichtungen nach Beschäftigungsverhältnis, fällt auf, dass die meisten Fachkräfte<br />

über ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis verfügten oder mit mehr als 50%<br />

Beschäftigungsumfang einer Teilzeitbeschäftigung nachgingen. Bei den Hilfskräften<br />

entfielen hingegen auf Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse (50% und<br />

weniger Beschäftigungsumfang) sowie geringfügig Beschäftigte jeweils etwas mehr<br />

als 20%.<br />

Die Fachkraftquote, d. h. der Anteil der Pflegefachkräfte am gesamten pflegerischen<br />

Personal lag <strong>zum</strong> Projektbeginn im Mittel bei 54,9%. Neben der Fachkraftquote<br />

kommt dem Personalschlüssel – also der Gewichtung des Personalbestandes an der<br />

Zahl der betreuten Bewohner/innen – Bedeutung zu. Die Betreuungsrelation gibt an,<br />

wie viele Heimbewohner/innen (X) durchschnittlich von einer (1) Vollkraft (in der<br />

Pflege und Betreuung tätiges Personal, ohne Zivildienstleistende) betreut werden. In<br />

den Referenzeinrichtungen ergab sich im Durchschnitt eine Betreuungsrelation von<br />

1: 2,5 Pflegebedürftigen (Pflegestufe 0– III) je Betreuungskraft (umgerechnet auf Vollzeitstellen,<br />

ohne Zivildienstleistende 64 ). Die Spannweite lag zwischen 1: 1,9 und<br />

1: 3,3. Die Betreuungsrelation fiel somit besser aus als in der „Vorläuferstudie“, die<br />

eine durchschnittliche Betreuungsrelation von 2,7 Pflegebedürftigen (Pflegestufe 0– III)<br />

je Betreuungskraft (umgerechnet auf Vollzeitstellen, ohne Zivildienstleistende) ausweist<br />

(Wingenfeld & Schnabel, 2002,37), und lag über den Ergebnissen der bundesweiten<br />

Erhebung von Schneekloth & Müller (1999,168).<br />

Es ist weitgehend – mit Ausnahme der Einrichtungsgröße – gelungen, die Referenzeinrichtungen<br />

so auszuwählen, dass sie als repräsentativ <strong>für</strong> alle Einrichtungen der<br />

stationären Altenpflege in Nordrhein-Westfalen angesehen werden können: hinsichtlich<br />

Trägerverteilung, Bewohner- und Mitarbeiterstruktur stimmen sie mit der landesdurchschnittlichen<br />

Verteilung in stationären Pflegeeinrichtungen überein. Die Unterschiede<br />

zwischen den 20 Referenzeinrichtungen sind dabei erheblich: so waren insbesondere<br />

<strong>für</strong> die Umsetzung der Anforderungen an die „Zuständige Pflegefachkraft“<br />

(ZPFK) – die in nahezu allen Konzepten eine zentrale Rolle spielt – Probleme zu<br />

erwarten, da in sechs Einrichtungen nur etwa die Hälfte der Fachkräfte vollzeitbeschäftigt<br />

waren. Aufgrund der vielfältigen Anforderungen an die ZPFK war davon<br />

auszugehen, dass diese Einrichtungen insgesamt bei Fragen der personellen Zuständigkeiten<br />

mehr Probleme haben würden als andere Einrichtungen. Im Rahmen der<br />

Mitarbeiterqualifizierung fiel auf, dass viele Themen, die in den Konzepten aufgegriffen<br />

wurden, bereits vor Projektbeginn im Rahmen von Fort- und Weiterbildungen<br />

angesprochen wurden. Heterogen dagegen stellte sich das Bild im Bereich des Qualitätsmanagements<br />

dar: ein Teil der Einrichtungen war bereits zertifiziert, andere Heime<br />

hingegen unternahmen erste Schritte <strong>zum</strong> Aufbau eines Qualitätsmanagements.<br />

Wie viele und welche der Anforderungen der konzeptionellen Kernelemente<br />

wurden in den Einrichtungen bereits vor Projektbeginn erfüllt?<br />

In allen Modelleinrichtungen waren konzeptionelle Grundlagen vorhanden, auf welche<br />

im späteren Projektverlauf aufgebaut werden konnte. Anpassungen mussten allerdings<br />

in allen Einrichtungen erfolgen. Es gab dabei sowohl Häuser, die unter günstigen<br />

Ausgangsbedingungen in das Modellprojekt starteten und bereits viele der<br />

Anforderungen erfüllten, aber auch solche, die durch das Projekt mit einer Vielzahl<br />

neuer Anforderungen konfrontiert wurden. Und es gab Einrichtungen, bei denen<br />

bezogen auf einzelne Konzeptbausteine das eine, bezogen auf andere Bausteine<br />

aber auch das andere zutraf.<br />

63 Die Berechnung schließt hier Mitarbeiter/innen der Arbeitsbereiche Pflege und der Sozialen Betreuung ein.<br />

64 Schüler/innen/Auszubildende, Teilnehmer/innen des Freiwilligen Sozialen Jahres sowie Praktikant/innen wurden nicht in die Berechnung<br />

einbezogen.


Sechs Einrichtungen konnten bereits vor Projektbeginn auf Konzepte zurückgreifen,<br />

die den Empfehlungen zur Zuständigen Pflegefachkraft entsprachen und die daher<br />

nur geringfügige Anpassungen vornehmen mussten. Die übrigen Einrichtungen konnten<br />

auf weniger entwickelte Grundlagen zurückgreifen und waren gefordert, im Projektverlauf<br />

die Verantwortlichkeiten der Pflegefachkräfte entsprechend anzupassen.<br />

Auch vor dem Modellprojekt haben die Einrichtungen biografische Informationen<br />

ihrer Bewohner/innen erfasst. Allerdings waren die eingesetzten Biografiebögen in<br />

den meisten Fällen nicht ausreichend, um den Ansprüchen des Kriterienkatalogs zur<br />

Erfassung biografischer Informationen gerecht zu werden, so dass diese <strong>zum</strong>eist<br />

überarbeitet werden mussten. Neun Einrichtungen hatten ihre Biografiebögen vor<br />

dem Projekt nicht kontinuierlich fortgeschrieben. Vor Projektbeginn wurden in diesen<br />

Einrichtungen lediglich in der Heimeinzugsphase der Bewohner/innen biografische<br />

Daten erfasst.<br />

Das Leistungsangebot gemäß den Leistungsbeschreibungen konnte – wenn auch in<br />

einigen Fällen durch die Einbindung externer Partner – in den Einrichtungen zunächst<br />

weitgehend vorgehalten werden. Somit war es in einigen Einrichtungen notwendig,<br />

das Leistungsprofil entsprechend der Leistungsbeschreibungen anzupassen. Darüber<br />

hinaus entsprach die Arbeitsteilung zwischen Fach- und Hilfskräften sowie die Aufgabenteilung<br />

zwischen den Bereichen Pflege und Sozialem Dienst in einigen Einrichtungen<br />

nicht den Empfehlungen, so dass auch hier Anpassungen erforderlich waren.<br />

Im Folgenden werden die bereits vorab erfüllten Kriterien aller sechs Rahmenkonzepte<br />

insgesamt im Hinblick auf die einzelnen Einrichtungen dargestellt, so dass die<br />

unterschiedlichen Voraussetzungen der Einrichtungen deutlich werden. Die folgende<br />

Abbildung zeigt, wie unterschiedlich die Ausgangssituation in den verschiedenen<br />

Einrichtungen ausgeprägt ist: die Einrichtung, die gemessen an den Anforderungen<br />

der sechs Bausteine die besten Voraussetzungen hatte, weist 91% der Anforderungen<br />

als vorab erfüllt aus. Die Einrichtung mit den diesbezüglich schlechtesten Voraussetzungen<br />

erfüllte im Vorfeld lediglich 23% der geforderten Kriterien (s. Abb. 2).<br />

Wie stellte sich die Situation in den Einrichtungen aus Sicht der Bewoh-<br />

Einrichtungen<br />

0% 20%<br />

40% 60% 80% 100%<br />

vorab erfüllte Kriterien<br />

Abb. 2:<br />

Rahmenkonzepte zur<br />

Qualitätssicherung in<br />

zentralen Aufgabenfeldern<br />

– vorab<br />

erfüllte Anforderungen<br />

in den Einrichtungen<br />

215


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

216 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

ner/innen und Mitarbeiter/innen dar?<br />

Die Bewohner/innen waren mit ihrer Lebenssituation im Heim zwar insgesamt zufrieden,<br />

äußerten im Detail jedoch Kritik in verschiedenen Bereichen, so dass aus ihrer<br />

Sicht Handlungsbedarf <strong>für</strong> eine Verbesserung der Strukturen und Prozesse bestand.<br />

Am häufigsten kritisierten die Bewohner/innen Mängel im Bereich des Umgangs der<br />

Mitarbeiter/innen mit den Bewohnern/innen sowie im Hinblick auf ihre sozialen<br />

Kontakte und die Mahlzeiten. Die Kritik der Bewohner/innen verdeutlichte eindrücklich,<br />

dass es nicht den einen richtigen Weg in der Versorgung gibt: so wollten einige<br />

Bewohner/innen gerne früher aufstehen, andere gerne länger schlafen; einige wollten<br />

gerne früher zu Bett gehen, andere gerne länger aufbleiben; einige wollten vom<br />

Personal gerne geduzt, andere gerne gesiezt werden. Demnach können die Mitarbeiter/innen<br />

nicht davon ausgehen, dass Wünsche oder Kritik, die ein/e Bewohner/in<br />

äußert, in vergleichbarer Form auch <strong>für</strong> andere Gültigkeit besitzen. Wichtig<br />

ist also vielmehr, die Wünsche und Einschätzungen der einzelnen Bewohner/innen<br />

zu erfragen, um individuell darauf eingehen zu können.<br />

Auch die Sicht der Mitarbeiter/innen war generell positiv: so beschrieben sie<br />

mäßige Arbeitsbelastungen, ein gutes Arbeitsklima und eine hohe Arbeitszufriedenheit.<br />

Als stark belastend wurde lediglich der Zeitdruck eingeschätzt. Besonderen<br />

Handlungsbedarf im Hinblick auf die Verbesserung der Bewohnersituation sahen die<br />

Mitarbeiter/innen bei der Betreuung und Versorgung demenziell erkrankter Bewohner/innen.<br />

Die interne Organisation und Kommunikation, verschiedene Qualitätssicherungsinstrumente<br />

sowie Angebote der Einrichtung <strong>für</strong> die Mitarbeiter/innen wurden<br />

ebenfalls gut bewertet – lediglich ein Supervisionsangebot wurde in der Regel<br />

nicht vorgehalten.<br />

Generell lässt sich festhalten, dass die Projektanforderungen in Einrichtungen mit<br />

unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Strukturen eingeführt und erprobt wurden.<br />

Dies war im Hinblick auf die Prüfung der Anschlussfähigkeit der Anforderungen<br />

von zentraler Bedeutung: wenn alle Referenzeinrichtungen ähnlich und mit besonders<br />

guten Rahmenbedingungen ausgestattet gewesen wären, dann hätte dies das Ergebnis<br />

der Erprobung positiv verzerrt. Aus Sicht der Bewohner/innen und<br />

Mitarbeiter/innen war die Ausgangssituation in den Einrichtungen insgesamt positiv<br />

– wenn auch im Detail durchaus kritisch – zu bewerten. Dementsprechend wurden<br />

die Anforderungen unter heterogenen Ausgangbedingungen erprobt.


3. Abschließende Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

Die Zusammenarbeit der 20 Referenzeinrichtungen mit den Forschungsinstituten und<br />

der Organisationsberatung begann im Juli/August 2004 und endete <strong>für</strong> einige Einrichtungen<br />

im Juni bzw. <strong>für</strong> die Mehrzahl im August 2006. Grundsätzlich sei festgehalten,<br />

dass die Projektlaufzeit mit einer Dauer von ca. zwei Jahren sehr kurz<br />

erscheint, wenn man bedenkt, dass in dem Zeitraum die vielschichtigen Konzeptbausteine<br />

(Funktion der zuständigen Pflegefachkräfte, Leistungsbeschreibungen, sechs<br />

Rahmenkonzepte zur Qualitätssicherung, Anforderungen an ein pflegerisches Assessment<br />

und an die Biografieerfassung, Empfehlungen <strong>für</strong> verbesserte Dokumentationsformen)<br />

zunächst entwickelt und abgestimmt werden mussten, bevor sie in der Pflegepraxis<br />

erprobt werden konnten. Hinzu kommt, dass die Empfehlungen zur „Zuständigen<br />

Pflegefachkraft“ sowie die qualifikationsorientierte Arbeitsteilung im Rahmen<br />

der Leistungsbeschreibungen und die Kooperation mit der Organisationsberatung<br />

dazu führten, dass die Arbeitsorganisation in Einrichtungen überprüft und ggf. verändert<br />

werden musste. Dies war häufig auch im Hinblick auf die Aufgabenteilung<br />

von Pflege, Sozialem Dienst und Hauswirtschaft notwendig. Vor diesem Hintergrund<br />

soll grundsätzlich festgehalten werden, dass die Erprobung der Bausteine und die<br />

Veränderungen der Arbeitsorganisation mit Unterstützung der Organisationsberatung<br />

in einem insgesamt verhältnismäßig kurzem Zeitraum stattgefunden hat und die<br />

Einrichtungen insgesamt einen hohes Maß an Umsetzungsschritten geleistet haben.<br />

Innerhalb der Modelllaufzeit gelang es den meisten Einrichtungen, die einzelnen Projektbausteine<br />

zu großen Teilen zu bearbeiten und Qualitätsverbesserungen zu erzielen.<br />

Dies geschah trotz der Vielzahl der verschiedenen Konzeptbausteine und der<br />

sehr unterschiedlichen Ausgangssituationen der einzelnen Einrichtungen. Der Stand<br />

der Umsetzung war in den Einrichtungen <strong>zum</strong> Ende der Projektlaufzeit ebenfalls<br />

unterschiedlich: Einige konnten bestimmte Konzeptbausteine vollständig umsetzen,<br />

waren da<strong>für</strong> bei der Umsetzung anderer Bausteine noch nicht so weit vorangeschritten,<br />

andere konnten aufgrund einer guten Ausgangslage die meisten Bausteine<br />

umsetzen, wieder andere haben zahlreiche Anforderungen aus allen Bausteinen<br />

umsetzen können, da<strong>für</strong> aber Bausteine mit empfehlendem Charakter zurückgestellt.<br />

Wie sind die strukturellen Rahmenbedingungen in den stationären<br />

Pflegeeinrichtungen zu bewerten und welche Schlussfolgerungen<br />

ergeben sich daraus <strong>für</strong> eine erfolgreiche Umsetzung der Konzeptbausteine?<br />

In den meisten Bereichen hinsichtlich der Strukturdaten (z.B. Heimentgelte, Auslastung,<br />

Pflegestufenverteilung) waren am Projektende im Vergleich <strong>zum</strong> Projektbeginn<br />

nur geringfügige Veränderungen zu verzeichnen. Auch bei der Mitarbeiterstruktur<br />

des Pflegedienstes und des Sozialen Dienstes waren hinsichtlich der Qualifikation<br />

kaum Veränderungen festzustellen. Demgegenüber waren Veränderungen der<br />

Beschäftigungsverhältnisse auffallend: bei den Pflegefachkräften zeichnete sich ein<br />

Trend zu mehr Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen mit höherem Beschäftigungsumfang<br />

ab (mehr als 50% der regulären wöchentlichen Arbeitszeit). Die durchschnittliche<br />

Betreuungsrelation lag 2006 in den Referenzeinrichtungen im Mittel bei<br />

2,5 Pflegebedürftigen (alle Pflegestufen) je Betreuungskraft (umgerechnet auf Vollzeitstellen,<br />

ohne ZDL); somit blieb die Anzahl der Bewohner/innen, die durchschnittlich<br />

von einer Pflegekraft betreut wird, im Projektverlauf weitgehend unverändert. Die<br />

Spannweite lag zwischen 1: 2,0 und 1: 3,4. Neben natürlichen Personalschwankungen,<br />

die im Projektverlauf deutlich wurden, ist zu berücksichtigen, dass bei der<br />

Berechnung ausschließlich die Beschäftigten des Arbeitsbereiches Pflege einbezogen<br />

wurden und sonstige Mitarbeiter/innen, insbesondere die Zahl der Auszubildenden,<br />

die in den meisten Heimen aufgrund der neuen bundeseinheitlichen Altenpflegeausbildung<br />

deutlich zugenommen hat, nicht eingerechnet wurde.<br />

217


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

218 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Im Bereich der Aufbauorganisation zeichneten sich unabhängig von projektbedingten<br />

Umstrukturierungen in den meisten Heimen keine nennenswerten Veränderungen<br />

ab. Auch hinsichtlich der Gestaltung der Dienstzeiten wurden nur in einzelnen Heimen<br />

(bewohnerorientierte) Anpassungen vorgenommen (z.B. Verschiebung von<br />

Dienstzeiten; Schaffung von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen zur Bewältigung von<br />

Arbeitsspitzen; Einführung von Zwischendiensten); zukünftig planten einzelne Heime<br />

sowohl aufbauorganisatorische Veränderungen (z.B. Veränderungen der Zuordnung<br />

des Sozialen Dienstes) als auch weitere Anpassungen von Dienstzeiten der Beschäftigten<br />

im Arbeitsbereich Pflege (insbesondere Anpassung der Spät- und Nachtdienste)<br />

und <strong>für</strong> Mitarbeiter/innen des Sozialen Dienstes (z.B. Einführung von Abend-<br />

/Wochenenddiensten). Da derartige strukturelle Anpassungen langfristige Vorbereitungen<br />

erfordern, konnten diese innerhalb der Projektlaufzeit nicht (mehr) in der Vielzahl<br />

der Einrichtungen realisiert werden.<br />

Im Bereich der Qualitätsentwicklung/-sicherung berichteten alle Einrichtungen über<br />

positive Veränderungen; ungeachtet der jeweiligen Ausgangssituation und der z.T.<br />

aufwändigen Abstimmungsprozesse, z.B. mit übergeordneten trägerspezifischen<br />

Qualitätsvorgaben, wurden die Projektanforderungen mehrheitlich als anschlussfähig<br />

bezeichnet. Aus Sicht der Einrichtungsleitungen wurde einerseits der Aufwand <strong>für</strong> die<br />

Einführung und Umsetzung der Konzeptbausteine als sehr hoch bis hoch bewertet;<br />

andererseits wurde der damit verbundene Nutzen jedoch überwiegend positiv gesehen<br />

(z.B. zunehmende Transparenz von Strukturen und Prozessen, Qualitätsverbesserungen<br />

in unterschiedlichen Bereichen usw.). Die Heimleiter/innen beurteilten die Konzeptbausteine<br />

prinzipiell als zukunftsweisend <strong>für</strong> eine qualitätsgesicherte Weiterentwicklung<br />

der vollstationären Pflege; gleichzeitig wiesen sie jedoch darauf hin, dass<br />

die Einführung und dauerhafte Umsetzung dieser Anforderungen eine überlegte Vorgehensweise<br />

(u.a. Zeit- und Ressourcenplanung, erreichbare Zielvorgaben, orientiert<br />

an den Ergebnissen einer „ehrlichen“ Ist-Analyse, Veränderungsbereitschaft usw.)<br />

erfordert. Diejenigen Einrichtungen, die beim Vergleich der Anforderungen der unterschiedlichen<br />

Konzeptbausteine und der tatsächlichen Praxis (Soll-Ist-Vergleich) einen<br />

größeren Anteil der geforderten Kriterien bereits vor der Projektlaufzeit erfüllt hatten,<br />

brauchten insgesamt weniger Anforderungen in der verhältnismäßig kurzen Laufzeit<br />

umzusetzen, als die Einrichtungen, die im Rahmen der Soll-Ist-Analysen feststellen<br />

mussten, dass sie den überwiegenden Teil der Anforderungen nicht erfüllt hatten.<br />

Eine Korrelation zwischen den Strukturdaten und einer erfolgreichen Umsetzung der<br />

Konzeptbausteine lässt sich angesichts verschiedener Berechnungen nicht feststellen.<br />

Weder die Einrichtungsgröße, noch die Personal- oder Bewohnerstruktur sowie die Personalfluktuation<br />

waren dabei von Bedeutung. Vielmehr waren diejenigen Einrichtungen<br />

erfolgreich, deren Mitarbeiter/innen das „gelebte“ Qualitätsmanagement in der Einrichtung<br />

positiv bewerteten. Auch die Unterstützung der Leitungskräfte und die Motivation<br />

der Mitarbeiter/innen waren <strong>für</strong> eine erfolgreiche Umsetzung ausschlaggebend.<br />

Einige Einrichtungen mit einem vergleichsweise hohen Anteil von teilzeitbeschäftigten<br />

Pflegefachkräften mit einem wöchentlichen Stundenumfang von weniger als 50% der<br />

Arbeitszeit hatten vergleichsweise mehr Schwierigkeiten, da diese Mitarbeiter/innen<br />

<strong>für</strong> die erforderlichen Schulungen schwerer verfügbar bzw. erreichbar waren.<br />

Eine weitere Fragestellung bezieht sich auf grundsätzliche Schwierigkeiten, die<br />

bereits zu Projektbeginn deutlich wurden und eine Umsetzung der Konzeptbausteine<br />

erschwert haben:


An welchen Stellen zeigten sich bereits im Rahmen der Bestandsaufnahme<br />

der Rahmenbedingungen in den Einrichtungen Hemmnisse<br />

oder Barrieren, die bei der Umsetzung der Maßnahmen von Bedeutung<br />

waren?<br />

Ein generelles Hemmnis bei der Umsetzung bestand dann, wenn phasenweise oder<br />

langfristig Personal aufgrund von Urlaub, Krankheit oder der Teilnahme an Weiterbildungen<br />

ausfiel. Besonders schwerwiegend waren der längerfristige Ausfall von Leitungskräften<br />

oder fehlende Leitungskräfte durch unbesetzte Stellen.<br />

Einrichtungen, die keine verbindliche Kommunikationsstruktur und -kultur aufweisen<br />

konnten, hatten es im Rahmen der Einführung von Konzeptbausteinen zunächst<br />

ungleich schwerer. Auch ungeklärte Zuständigkeiten, insbesondere zwischen den<br />

Arbeitsbereichen Pflege und Sozialer Dienst, aber auch unklare Zuständigkeiten zwischen<br />

den Leitungsebenen und Mitarbeitern/innen haben den Beginn der Einführung<br />

verzögert. Mit Unterstützung der Organisationsberatung wurden diese Aspekte bearbeitet,<br />

um entsprechende Strukturen des Projektmanagements zu etablieren und die<br />

Kommunikation sowie die Verantwortlichkeiten klären zu können 65 . Mit der genannten<br />

Problematik geht ein weiteres Hemmnis einher, welches mit der Überprüfung bzw.<br />

Einhaltung von Anforderungen verbunden ist: Fehlt in einer Einrichtung ein verbindliches<br />

Kontrollverfahren durch Vorgesetzte und/oder mittels kollegialer Beratung,<br />

dann muss auch dieses zunächst eingeführt werden. Im Sinne einer dauerhaften Qualitätsentwicklung<br />

und vor allem der Qualitätssicherung bedarf es der Kontrolle mit<br />

Blick auf die verbindliche Einhaltung der vorgegebenen Anforderungen. Letztlich<br />

konnte die Einführung und Erprobung der Konzeptbausteine <strong>für</strong> die Einrichtungen mit<br />

bereits vorhandenen etablierten Kommunikationsstrukturen, geklärten Zuständigkeiten<br />

und verbindlichen Aufgabenbereichen sowie einem vorhandenen Controlling-<br />

System einfacher und zügiger vorgenommen werden. Die genannten Voraussetzungen<br />

stellen einen wichtigen Aspekt dar, der auf die nächste Fragestellung hinweist:<br />

Inwieweit gelang in der Konzeptions- und Implementierungsphase<br />

eine erfolgreiche Verbindung der möglicherweise in einem Spannungsverhältnis<br />

stehenden Anforderungen an eine fachliche Fundierung<br />

der umzusetzenden Anforderungen einerseits und der praktischen<br />

Umsetzbarkeit vor dem Hintergrund der Rahmenbedingungen<br />

in den Einrichtungen andererseits?<br />

Ein Ziel des Projektes bestand darin, eine praxisnahe Konzeptentwicklung durchzuführen.<br />

Die Beteiligung der Einrichtungen an der Konzeptentwicklung im Rahmen der<br />

Regionalgruppentreffen war rückblickend eine wichtige Voraussetzung, um eben dieses<br />

Spannungsverhältnis zu verdeutlichen und zu diskutieren. Der Austausch zwischen<br />

den Modellbeauftragten, den Wissenschaftlern/innen und der Organisationsberatung<br />

untereinander hat dazu geführt, konkrete Möglichkeiten und Grenzen der<br />

Einrichtungen vor dem Hintergrund fachlicher Anforderungen aufzuzeigen. Insbesondere<br />

die Suche der Modellbeauftragten nach kreativen Lösungen und deren Austausch<br />

über Erfahrungen und Vorgehensweisen hat dazu beigetragen, über die Grenzen<br />

der einzelnen Einrichtung hinaus zusätzliche Möglichkeiten <strong>für</strong> die Umsetzung<br />

von Anforderungen zu finden.<br />

Innerhalb der Einrichtungen war die Beteiligung der Mitarbeiter/innen an der einrichtungsspezifischen<br />

Entwicklung von Konzepten, Checklisten, Formularen etc. von<br />

zentraler Bedeutung. Dadurch waren die Akzeptanz und die Identifikation mit den<br />

fachlichen Anforderungen der Konzeptbausteine in großen Teilen der Belegschaft<br />

hoch. Auch die Einbindung ausgewählter Mitarbeiter/innen in die einrichtungsinter-<br />

65 Vgl. hierzu Kap. 3 und außerdem den entsprechenden Praxisleitfaden <strong>zum</strong> Projekt: MAGS (Hrsg.) (2007): „<strong>Referenzmodell</strong>e …“. Teil B,<br />

hier werden die Hinweise zur Umsetzung und damit die zu schaffenden Voraussetzungen genau beschrieben.<br />

219


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

220 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

nen Arbeitsgruppen zu den Projektinhalten, die dann wiederum als Multiplikatoren<br />

dienten und an den Schulungen der Belegschaft mitwirkten, hat die Akzeptanz der<br />

Konzeptbausteine bei den Mitarbeitern/innen erhöht.<br />

Insbesondere personelle Engpässe und Zeitdruck wurden immer wieder als problematisch<br />

bei der Umsetzung bezeichnet. Hier bestand das größte Spannungsverhältnis<br />

zwischen fachlichen Anforderungen und der Umsetzung. Dennoch zeigen die<br />

Evaluationsergebnisse, dass die Umsetzung der Konzeptbausteine unter den o.g. Voraussetzungen<br />

und bei wenig veränderten Rahmenbedingungen möglich war. Dem<br />

generell bemängelten Zeit- und Personalmangel steht eine Zeitersparnis durch besser<br />

strukturierte Abläufe, geklärte Zuständigkeiten und Aufgabenbereiche sowie ein<br />

gutes internes und externes Schnittstellenmanagement entgegen. Auch konnten durch<br />

die qualifikationsorientierte Arbeitsteilung im Rahmen der mittelbar bewohnerbezogenen<br />

Leistungen Pflegefachkräfte von Tätigkeiten – wie z.B. der Wäscheversorgung<br />

– entlastet werden.<br />

Nicht zuletzt konnte durch die Zuständigen Pflegefachkräfte der Pflegeprozess kontinuierlicher<br />

fortgeführt werden (z.B. bei Krankenhauseinweisungen) und die Versorgungskoordination<br />

reibungsloser ablaufen (z.B. in der Zusammenarbeit mit Angehörigen<br />

oder niedergelassenen Ärzten/innen). Probleme gab es bei der Umsetzung der<br />

Stellvertretungsregelungen <strong>für</strong> die zuständigen Pflegefachkräfte. Die personelle Ausstattung<br />

stieß hier an ihre Grenzen, so dass Einrichtungen kurzfristige Lösungen <strong>für</strong><br />

die Benennung von Vertretern/innen finden mussten. Letztlich ließ sich die Größe der<br />

Bewohnergruppe von etwa 10 Personen je vollzeitbeschäftigter Zuständiger Pflegefachkraft<br />

in der Praxis realisieren.<br />

Darüber hinaus konnte das Leistungsprofil der Einrichtungen an die Leistungsbeschreibungen<br />

angepasst werden, und Angebote <strong>für</strong> Bewohner/innen wurden weiterentwickelt.<br />

Dabei wurden insbesondere immobile und demenzkranke Bewohner/innen<br />

berücksichtigt. Die Ergebnisse zu den Veränderungen des Leistungsgeschehens<br />

deuten außerdem darauf hin, dass eine verstärkte Ressourcenorientierung und<br />

eine gerechtere Leistungsverteilung bei den vorhandenen Rahmenbedingungen der<br />

Einrichtungen möglich waren.<br />

Somit konnte trotz der unterschiedlichen Ausgangslage in den verschiedenen Einrichtungen<br />

und damit auch unterschiedlicher Spannungsverhältnisse zwischen „Anspruch<br />

und Wirklichkeit“ eine Qualitätsentwicklung erreicht werden. Dabei war insbesondere<br />

die Personalsituation im Hinblick auf die Qualifikationsvoraussetzungen von<br />

Bedeutung. Die folgende Fragestellung bezieht sich auf die ggf. notwendigen Anpassungen<br />

mit Blick auf die Qualifikation von Mitarbeitern/innen:<br />

Welche Qualifikationsvoraussetzungen der Mitarbeiter/innen waren<br />

gegeben und welche Anpassungsnotwendigkeiten ergaben sich im<br />

Hinblick auf die Qualifikationsstruktur?<br />

Im Hinblick auf die Umsetzung der Konzeptbausteine war die Funktion der „Zuständigen<br />

Pflegefachkraft“ von besonderer Bedeutung, um den Pflegeprozess zu steuern<br />

und die Versorgung zu koordinieren. Betrachtet man in diesem Zusammenhang den<br />

Anteil der vollzeitbeschäftigten Pflegefachkräfte wurden erhebliche Unterschiede<br />

deutlich: so waren in sechs Einrichtungen weniger als die Hälfte der Fachkräfte vollzeitbeschäftigt.<br />

Nur in zwei Einrichtungen verfügten Fachkräfte ausschließlich über<br />

Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse mit einem Beschäftigungsumfang von<br />

über 50%. Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten lag mit insgesamt 35% unter dem Landesdurchschnitt<br />

NRW (41%). Im Verlauf des Projektes ergaben sich geringfügige Veränderungen,<br />

die sich auf eine Zunahme von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen mit<br />

einem Beschäftigungsumfang von mehr als 50% beziehen. In der Gruppe der Pflegefachkräfte<br />

überwogen die Altenpfleger/innen.


Neben den fachlichen Fort- und Weiterbildungen von Mitarbeitern/innen, die im<br />

Bereich der stationären Altenpflege angeboten werden, haben die Einrichtungen<br />

zusätzliche Schulungen durchgeführt, die als Grundlage <strong>für</strong> die Einführung der Konzeptbausteine<br />

notwendig waren. Dazu zählten insbesondere Fortbildungen zu Prophylaxen,<br />

zur Pflegeplanung und -dokumentation und zur Betreuung demenzkranker<br />

Bewohner/innen. Darüber hinaus waren spezielle Schulungen angezeigt, die sich<br />

auf die konkreten Informationen bezüglich der Konzeptbausteine und deren Umsetzung<br />

bezogen. Die Schulungsdokumentation der Modellbeauftragten zeigte, dass<br />

durchschnittlich knapp 122 Schulungen je Einrichtung (bei unterschiedlicher Gruppengröße)<br />

über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren durchgeführt wurden. Schulungsbedarf<br />

zeigten die Evaluationsergebnisse bezüglich der von Mitarbeitern/innen<br />

und Modellbeauftragten genannten Probleme hinsichtlich der Pflegeplanung und<br />

-dokumentation, der Betreuung von demenzkranken Bewohnern/innen sowie der Förderung<br />

von Gesprächsführungskompetenzen. Somit haben die Einrichtungen in den<br />

meisten Fällen auf den Schulungsbedarf reagiert. Zur Einführung der Konzeptbausteine<br />

hat jede Einrichtung durchschnittlich knapp 90 Schulungen (wiederum mit<br />

unterschiedlicher Gruppengröße) während der Projektlaufzeit durchgeführt.<br />

Für die Bewertung der Anforderungen waren die Mitarbeiterbefragungen von zentraler<br />

Bedeutung. Diese haben letztendlich mit den Konzeptbausteinen gearbeitet und<br />

sie in der Praxis erprobt. Eine der zentralen Forschungsfragen bezieht sich auf die<br />

Perspektive der Mitarbeiter/innen:<br />

Wie reagieren die Mitarbeiter/innen auf die veränderten Anforderungen<br />

und inwieweit gelang es ihnen, die Konzeptbausteine im Arbeitsalltag<br />

umzusetzen?<br />

Es wurden zwei Mitarbeiterbefragungen durchgeführt, wobei die erste vor Beginn<br />

der Arbeit mit den Konzeptbausteinen erfolgte, um die Bewertung von Arbeitssituation<br />

und -belastungen sowie von Schwachstellen in der Pflege aus ihrer Sicht darstellen<br />

zu können. Eine weitere Befragung erfolgte <strong>zum</strong> Projektende, um die Ausgangslage<br />

mit der Bewertung der Situation nach der Erprobung der Konzeptbausteine vergleichen<br />

zu können. Darüber hinaus wurden die Mitarbeiter/innen zur Bewertung<br />

der verschiedenen Bausteine aufgefordert.<br />

Die Ausgangssituation in den Referenzeinrichtungen gestaltete sich aus der Sicht der<br />

Mitarbeiter/innen weitgehend positiv: Die Ergebnisse zeigen insgesamt mäßige<br />

Arbeitsbelastungen, ein gutes Arbeitsklima und eine hohe Arbeitszufriedenheit auf.<br />

Den größten Handlungsbedarf sahen die Mitarbeiter/innen hinsichtlich der Betreuung<br />

von demenzkranken Bewohnern/innen. Die Gesamtbewertung hat sich auch<br />

<strong>zum</strong> Projektende kaum verändert, wobei sich die Einschätzung der Betreuung von<br />

demenzkranken Bewohner/innen leicht verbessert hat.<br />

Empfehlungen zur Zuständigen Pflegefachkraft (ZPFK)<br />

Darüber hinaus wurde während der Umsetzung der einzelnen Konzeptbausteine die<br />

Reaktion der Mitarbeiter/innen auf die Anforderungen durch die Modellbeauftragten<br />

erhoben. Die Anforderungen an die „Zuständige Pflegefachkraft“ wurden von der<br />

Belegschaft überwiegend positiv aufgenommen und in die Praxis umgesetzt. Allerdings<br />

gab es auch Konflikte bezüglich der zu klärenden Zuständigkeiten und der<br />

Frage danach, welche Pflegefachkräfte auch als Zuständige Pflegefachkräfte eingesetzt<br />

werden. In den Einrichtungen wurden alle bzw. annähernd alle Fachkräfte auch<br />

als solche eingesetzt. Jedoch waren nicht alle Fachkräfte bereit, mehr Verantwortung<br />

und mehr Steuerungs- und Koordinationsaufgaben zu übernehmen. Außerdem galt<br />

es, die Aufgabenteilung zwischen Wohnbereichsleitungen und Zuständigen Pflegefachkräften<br />

zu prüfen und ggf. zu verändern, womit bei einigen Wohnbereichsleitungen<br />

damit die Be<strong>für</strong>chtung einherging, dass sie „wegrationalisiert“ werden<br />

könnten. Während des Projektzeitraums konnten die Aufgaben und Zuständigkeiten<br />

geklärt und die Arbeitsweise hinsichtlich der Funktion der Zuständigen Pflegefach-<br />

221


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

Abb. 3:<br />

Umsetzungsstand<br />

„Zuständige<br />

Pflegefachkraft“<br />

im Projektverlauf<br />

222 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

kräfte erprobt werden. Schließlich fiel die Bewertung der Mitarbeiter/innen <strong>zum</strong> Projektende<br />

dann sehr positiv aus: Die Hälfte der befragten Mitarbeiter/innen in der<br />

Pflege, wobei sich an der Befragung Fach- und Hilfskräfte beteiligten, waren selbst<br />

Zuständige Pflegefachkräfte. Diese Zuständigen Pflegefachkräfte gaben an, dass sich<br />

die Versorgung der Bewohner/innen durch die Umsetzung dieses Konzeptbausteins<br />

bereits verbessert habe.<br />

Bereits nach der Einführungsphase im Juli 2005 sind in sechs Einrichtungen die Empfehlungen<br />

zur „Zuständigen Pflegefachkraft“ vollständig umgesetzt. Eine überwiegende<br />

Umsetzung, das heißt eine Umsetzung von mehr als der Hälfte der Empfehlungen,<br />

erfolgt in sieben Modelleinrichtungen. In fünf weiteren Häusern waren die Empfehlungen<br />

ansatzweise (weniger als die Hälfte der Empfehlungen) umgesetzt. In zwei<br />

Einrichtungen wurden die Empfehlungen zur ZPFK zunächst nicht bearbeitet und<br />

umgesetzt. Bis Dezember 2005 hat sich die Zahl der Einrichtungen, in denen zu diesem<br />

Zeitpunkt die Empfehlungen vollständig angepasst wurden, von sechs auf acht<br />

erhöht. Eine überwiegende Umsetzung erfolgte bis dahin in zwei weiteren Einrichtungen,<br />

so dass zu dem Zeitpunkt insgesamt neun Einrichtungen die überwiegenden<br />

Empfehlungen zur ZPFK umsetzen konnten. Zum Projektende konnten die Empfehlungen<br />

von insgesamt 13 Einrichtungen vollständig umgesetzt werden. Weitere vier<br />

Häuser haben den überwiegenden Teil der Empfehlungen implementiert. Zwei Einrichtungen<br />

haben die Empfehlungen lediglich in Ansätzen umgesetzt. Von einer Einrichtung<br />

liegen keine Informationen vor.<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Juli 2005 Dezember 2005 Juli 2006<br />

k.a.<br />

keine Umsetzung<br />

ansatzweise<br />

Umsetzung<br />

überwiegende<br />

Umsetzung<br />

vollständige<br />

Umsetzung<br />

Leistungsbeschreibungen zur Klassifikation von Maßnahmen<br />

Die Mitarbeiter/innen reagierten auf die Einführung der Leistungsbeschreibungen<br />

innerhalb einer Einrichtung aber auch im Vergleich der Referenzeinrichtungen untereinander<br />

unterschiedlich. Trotz Verunsicherung und Angst vor Überforderung waren<br />

größtenteils positive Reaktionen zu verzeichnen. Die Schulungen haben gezeigt,<br />

dass die Leistungsbeschreibungen zu mehr Klarheit und Transparenz hinsichtlich des<br />

Leistungsprofils insgesamt und einzelner Maßnahmen geführt haben. Im Verlauf der<br />

Erprobung wurde deutlich, dass angesichts der qualifikationsorientierten Arbeitsteilung<br />

bei den mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen auch eine gewisse Konfliktfreudigkeit<br />

aufkam, da die Arbeitsteilung teilweise angepasst werden musste.<br />

Nach der Erprobung bewerteten die Mitarbeiter/innen die Leistungsbeschreibungen<br />

positiv: 61% der Mitarbeiter/innen gaben an, dass die Nutzung der Leistungsbeschreibungen<br />

<strong>für</strong> sie eine Verbesserung im Vergleich zur vorherigen Arbeitsweise<br />

darstellen. Begründet wird dies hauptsächlich durch eine klare und detaillierte<br />

Abgrenzung der Leistungen, die Nutzung der Beschreibungen als Formulierungshilfe<br />

<strong>für</strong> die Pflegeplanung und -dokumentation und eine insgesamt erhöhte Transparenz


der Pflegeleistungen. Bis <strong>zum</strong> Ende der Projektlaufzeit hat etwa ein Viertel der Einrichtungen<br />

die Anforderungen an eine qualifikationsorientierte Arbeitsteilung erfüllen<br />

können, etwa zwei Drittel der Einrichtungen stimmten überwiegend mit der qualifikationsorientierten<br />

Arbeitsteilung bei den mittelbar bewohnerbezogenen Leistungen<br />

überein.<br />

Im Hinblick auf die Leistungsbeschreibungen lässt sich festhalten, dass alle Einrichtungen<br />

ihr Leistungsprofil angepasst haben und die Mitarbeiter/innen trotz einiger<br />

Schwierigkeiten bei der Abgrenzung einzelner Leistungen voneinander positive<br />

Aspekte sehen, die auch seitens der meisten Modellbeauftragten bestätigt werden:<br />

Die Leistungsbeschreibungen haben zu einer reflektierten und zusammenhängenden<br />

Arbeits- und Pflegeplanung sowie zu einem größeren Bewusstsein <strong>für</strong> die Bedeutung<br />

der psychosozialen Betreuung der Bewohner/innen geführt. Darüber hinaus haben<br />

die Auseinandersetzungen mit den Leistungsbeschreibungen eine bessere Kooperation<br />

zwischen den Hierarchieebenen bzw. den Mitarbeitern/innen der Pflege und<br />

des Sozialen Dienstes befördert. Die Angebote <strong>für</strong> die Bewohner/innen wurden<br />

geprüft, die Schulungen der Mitarbeiter/innen führten zu einer vermehrten Durchführung<br />

von Prophylaxen, es konnte eine Qualitätssteigerung bei der Pflegedokumentation<br />

erreicht werden, die Bewohner/innen werden stärker ressourcenorientiert versorgt,<br />

und die Leistungen werden gerechter verteilt.<br />

Pflegerisches Assessment<br />

Auch die Reaktionen der Mitarbeiter/innen auf die Anforderungen an das pflegerische<br />

Assessment waren weitgehend positiv. Zum Projektende war den zuständigen<br />

Mitarbeitern/innen der Erhebungsbogen bekannt, wobei mehr als ein Drittel angab,<br />

dass sich die Qualität des Assessments durch die Anforderungen verbessert habe.<br />

Ein Viertel der Befragten verzeichnete keine Veränderungen hinsichtlich der Qualität,<br />

wobei diese Angaben darauf zurückzuführen sind, dass in einem Viertel der Einrichtungen<br />

die Anforderungen an das pflegerische Assessment bereits vor Projektbeginn<br />

mit denen des Konzeptbausteins übereinstimmten. Nahezu alle Einrichtungen konnten<br />

die Anforderungen an das pflegerische Assessment während der Projektlaufzeit<br />

umsetzen; nur in wenigen Einrichtungen wurden einzelne Anforderungen zu dem<br />

Zeitpunkt noch bearbeitet. Fast alle Einrichtungen gaben an, den Kriterienkatalog<br />

<strong>zum</strong> pflegerischen Assessment auch künftig beibehalten zu wollen.<br />

Mehrere Modellbeauftragte gaben an, dass sich seit der Erprobung des angepassten<br />

Assessments das Risikomanagement deutlich verbessert hat. Insgesamt wurde der<br />

Nutzen von den Modellbeauftragten als ausgesprochen hoch bewertet. Die Anforderungen<br />

an das pflegerische Assessment legen „klare Richtlinien <strong>für</strong> Mitarbeiter“ fest,<br />

und die „Individualität der Bewohner tritt stärker in den Vordergrund“. Ein „sehr<br />

hoher Nutzen“ wurde seitens der Modellbeauftragten auch darin gesehen, „dass ein<br />

umfangreiches Assessment dauerhaft eine präventive und prophylaktische Pflege<br />

sichert“ und somit “bei kontinuierlicher Erhebung der Daten eine zeitnahe und qualitätsgesicherte<br />

Versorgung möglich ist“. 66<br />

In der Gesamtschau zeigt sich, dass sich die Menge der umgesetzten Anforderungen<br />

während des Projektzeitraums in den Einrichtungen sehr unterschiedlich darstellt.<br />

Gemessen an der Anzahl der Anforderungen an ein pflegerisches Assessment zeigte<br />

sich <strong>zum</strong> Ende der Projektlaufzeit (Stand: Juli 2006), dass elf Einrichtungen von 19<br />

alle Anforderungen umgesetzt, sieben Einrichtungen die nicht vollständig umgesetzten<br />

Anforderungen <strong>zum</strong> Befragungszeitpunkt noch bearbeitet haben. Eine Einrichtung<br />

machte bei der letzten Datenerhebung keine Angabe. Auffällig ist, dass vier Einrichtungen<br />

vor Projektbeginn keine der Anforderungen an ein pflegerisches Assessment<br />

erfüllt hatten. Darüber hinaus waren in zwei Einrichtungen bereits vor Projektbeginn<br />

66 Die hier zitierten Sätze entstammen der Abschlussbefragung der Modellbeauftragten.<br />

223


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

Abb. 4:<br />

Anforderungen an<br />

das pflegerische<br />

Assessment – Zielerreichung<br />

in den<br />

Einrichtungen<br />

224 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

alle Anforderungen erfüllt. Trotz der differierenden Ausgangsvoraussetzungen ist es<br />

den Einrichtungen insgesamt weitgehend gelungen, die Anforderungen an ein pflegerisches<br />

Assessment in die Praxis einzuführen (s. Abb.: 4).<br />

Einrichtungen<br />

0% 25% 50% 75% 100%<br />

vorab erfüllt bereits umgesetzt in Bearbeitung<br />

Der Großteil der Einrichtungen bewertet die Erprobung des pflegerischen Assessments<br />

<strong>zum</strong> Abschluss der Projektlaufzeit positiv: insgesamt 17 Einrichtungen planen<br />

die vollständige (Bearbeitung und) Weiterverwendung des Anforderungskatalogs.<br />

Zwei Einrichtungen geben an, lediglich Teile des Anforderungskatalogs zukünftig<br />

weiter zu verwenden bzw. umzusetzen.<br />

Kriterienkatalog zur Erfassung biografischer Informationen<br />

Die Reaktionen auf den Kriterienkatalog zur Erfassung biografischer Informationen<br />

waren dagegen zunächst unterschiedlich. Einige Mitarbeiter/innen sahen die biografische<br />

Arbeit eher als zusätzliche Pflicht und Belastung an, wobei auch – wie<br />

bereits oben beschrieben – Überforderungen bei der Durchführung biografischer<br />

Gespräche deutlich wurden. Dennoch zeigen die Ergebnisse <strong>zum</strong> Projektende, dass<br />

nahezu alle befragten Mitarbeiter/innen den Einsatz von Biografiebögen bestätigten<br />

und hervorhoben, dass diese während der Projektlaufzeit angepasst worden sind.<br />

Zum Abschluss erlebte die weit überwiegende Mehrheit das Wissen um biografische<br />

Informationen als hilfreich <strong>für</strong> den Umgang mit den Bewohnern/innen und mehrheitlich<br />

wurde eine Verbesserung der Biografiebögen benannt. Probleme bei der dauerhaften<br />

Anwendung sahen die Mitarbeiter/innen mehrheitlich nicht. Die übrigen Evaluationsergebnisse<br />

zur Umsetzung des Kriterienkatalogs haben allerdings auch<br />

gezeigt, dass eine kontinuierliche Fortschreibung biografischer Informationen <strong>für</strong> alle<br />

Heimbewohner/innen in knapp der Hälfte der Einrichtungen gelungen ist und in der<br />

anderen Hälfte der Einrichtungen diese <strong>zum</strong>indest <strong>für</strong> einige Bewohner/innen<br />

erfolgte. Auch die Berücksichtigung biografischer Informationen in der Pflegeplanung<br />

gelang in knapp zwei Drittel der Einrichtungen <strong>für</strong> alle Bewohner/innen. Die übrigen<br />

Einrichtungen haben die Anforderungen <strong>zum</strong>indest <strong>für</strong> einen Teil der Bewohner/innen<br />

umsetzen können. Die weit überwiegende Mehrheit der Einrichtungen gibt<br />

<strong>zum</strong> Abschluss der Projektlaufzeit an, dass sie vollständig mit den Kriterienkatalog<br />

weiter arbeiten bzw. die noch fehlenden Anforderungen künftig umsetzen werden.


Verbesserte Dokumentationsformen<br />

Die Empfehlungen <strong>für</strong> verbesserte Dokumentationsformen galten im Projekt nicht als<br />

verpflichtend. Angesichts der Vielzahl der anderen Konzeptbausteine hatte sich<br />

daher die Hälfte der Einrichtungen entschlossen, diese Empfehlungen nicht umzusetzen.<br />

Die Befragung der Mitarbeiter/innen <strong>zum</strong> Projektende hat gezeigt, dass etwa<br />

40% die Veränderungen positiv bewerteten. Diese Ergebnisse resultieren aus den<br />

Einrichtungen, die ihre Dokumentationsformen entsprechend angepasst hatten. Dabei<br />

waren die Mitarbeiter/innen der Ansicht, dass sich sowohl der Umfang der Pflegeplanung<br />

reduziert hat und die Tagesablaufpläne <strong>für</strong> die Versorgung der<br />

Bewohner/innen hilfreich waren als auch weniger Zeit <strong>für</strong> die Dokumentation<br />

benötigt wurde. Auch die Ergebnisse der Leistungserfassungen zeigen, dass der Aufwand<br />

<strong>für</strong> die Pflegedokumentation <strong>zum</strong>indest leicht rückläufig war. Die Modellbeauftragten<br />

gaben ebenfalls an, die Pflegedokumentation sei insgesamt übersichtlicher,<br />

transparenter und individueller geworden.<br />

Insgesamt wurden – mit einer Ausnahme und vornehmlich aus zeitökonomischen<br />

Gründen – von jeder der 20 Referenzeinrichtungen drei Pflegedokumentationen analysiert.<br />

Von einer Einrichtung mit scheinbar guter Dokumentationsqualität wurde im<br />

Sinne eines „best practice“-Ansatzes eine vierte Dokumentation untersucht, da ein<br />

Datensatz sehr unvollständig und damit wenig aussagekräftig war. Der Stichprobenumfang<br />

beträgt somit n=61.<br />

Die Bewohner/innen, deren Pflegedokumentation untersucht wurde, haben fast zur<br />

Hälfte (47%, n=26) die Pflegestufe 2, je ein Viertel (26%, n=14) die Pflegestufen 1<br />

oder 3, und ein/e Bewohner/in ist als sog. Härtefall eingestuft worden. Sechs Angaben<br />

hierzu konnten – meist aufgrund von fehlenden Stammblättern – nicht gemacht<br />

werden. Die Bewohner/innen lebten zwischen 2 Wochen und 17,7 Jahren in den<br />

Einrichtungen, der Mittelwert beträgt 1,8 Jahre, der Median 6 Monate (wobei die<br />

Angaben von zwei Bewohnern/innen fehlten).<br />

Die Referenzeinrichtungen arbeiteten mit unterschiedlichen Systemanbietern, wobei<br />

fünf Einrichtungen jeweils unterschiedliche EDV-Anbieter nutzten.<br />

Am häufigsten lagen in den kopierten bzw. ausgedruckten Dokumentationen ausgefüllte<br />

Pflegeberichte (98%) – wenn auch sehr unterschiedlichen Zeitraums – und Pflegeplanungen<br />

(98%) vor, am seltensten Überleitungsbögen <strong>für</strong> Krankenhausaufenthalte<br />

(15%). Die Schwierigkeit bei Letzteren bestand <strong>für</strong> die Modellbeauftragten teilweise<br />

darin, dass ausgefüllte Bögen den kranken Bewohnern mitgegeben und nicht<br />

als Kopie in der Referenzeinrichtung verwahrt oder im Computer gespeichert wurden.<br />

In 28% der Fälle wurde zudem auf Bewegungs- bzw. Lagerungspläne verwiesen,<br />

die aber nicht in allen Dokumentationen beilagen, sondern im Bewohnerzimmer<br />

verblieben.<br />

Nach Aussagen der Modellbeauftragten bestanden in fünf Referenzeinrichtungen<br />

verbindliche Regelungen hinsichtlich der Arbeitszeit, die <strong>für</strong> die Wahrnehmung von<br />

dokumentationsbezogenen Aufgaben zur Verfügung steht. 12 äußerten lediglich, die<br />

Pflegedokumentation solle möglichst zeitnah erfolgen (Angaben von drei Einrichtungen<br />

fehlten). Schulungen zur Pflegedokumentation wurden in 11 Häusern (79%)<br />

durchgeführt. Nur drei Einrichtungen (21%) boten bisher noch keine Schulung <strong>für</strong><br />

ihre Mitarbeiter/innen an (sechs Angaben fehlten).<br />

Laut Modellbeauftragtem/r bereitete diese Prioritätensetzung den Mitarbeiter/innen<br />

aber noch Schwierigkeiten. Etwaige farbliche Hervorhebungen waren auf den<br />

Kopien der anderen Einrichtungen nicht zu erkennen. In der Pflegeplanung wurde<br />

allerdings deutlich, dass nur in 33% (n=20) der Dokumentationen alle AEDL in die<br />

Planung einflossen, während in 62% (n=38) nur eine Auswahl daraus getroffen wurden<br />

(drei Angaben fehlten). Daraus ist zu schließen, dass diese Auswahl bereits eine<br />

225


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

226 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Fokussierung auf die vorrangigen Probleme und Ressourcen beinhaltete. Darüber hinaus<br />

wurde festgestellt, dass in fast einem Viertel der Pflegedokumentationen nicht<br />

allen in der Pflegeplanung beschriebenen Problemlagen Pflegeziele zugeordnet wurden.<br />

In einigen Fällen konnten die jeweiligen Reduktionen inhaltlich nicht auf die<br />

Selektion vorrangiger Pflegeprobleme zurückgeführt werden, da offensichtlich relevante<br />

Problemlagen oder Pflegeziele – insbesondere psychosoziale – fehlten.<br />

Schließlich wurde eingeschätzt, inwieweit eine externe Fachperson durch die Informationen<br />

aus Pflegeanamnese und -planung ein vollständiges Bild von den wichtigsten<br />

Ressourcen und Problemen des Bewohners erhielt: Interessanterweise entstand in<br />

jeweils exakt der Hälfte der Dokumentationen ein entweder guter oder schlechter<br />

Überblick.<br />

In zwei Dritteln der Pflegedokumentationen lag anstatt einer unzusammenhängenden<br />

Planung von Einzelmaßnahmen ein chronologischer Tages- bzw. Pflegeablaufplan <strong>für</strong><br />

die Bewohner/innen vor. Vier Dokumentationen enthielten (noch) gar keine Maßnahmenplanung.<br />

Allerdings entsprachen etwa zwei Drittel der Tagespläne nur teilweise<br />

den Anforderungen, da entweder regelmäßige Interventionen, wie z.B. Ansprache<br />

oder Kämmen, fehlten oder die zeitliche Abfolge (z.B. von „zu Trinken anbieten, dann<br />

Oberkörperhochlagerung“), in sich nicht schlüssig war. In den 38 vorliegenden Dokumentationen<br />

mit Pflegeablaufplänen wurden Maßnahmen, die <strong>zum</strong>indest einmal<br />

wöchentlich regelmäßig erbracht werden, meist (68%) im Tagesplan, bei 16% in<br />

einem separaten Wochenplan dokumentiert. Auf diesen wurde nur in einem Fall nicht<br />

ausdrücklich verwiesen. In weiteren sechs Dokumentationen fanden sich die wöchentlichen<br />

Interventionen jedoch weder im Tages-, noch im Wochenplan.<br />

Obwohl fast alle Tagespläne tabellarisch formatiert waren, ließ ihre Übersichtlichkeit<br />

in etwa einem Viertel der Fälle noch zu wünschen übrig. Eine Doppeldokumentation<br />

von Maßnahmen in der Pflegeplanung und dem Tagesplan wurde meist komplett<br />

(87%) oder teilweise vermieden (11%); nur in einer der 38 Dokumentationen fanden<br />

sich umfangreiche Doppelungen.<br />

80% der Leistungsnachweise aller Pflegedokumentationen erfolgten, wie bisher<br />

üblich, auf einem von der Maßnahmenplanung separaten Formular (eine Angabe<br />

fehlte). Insbesondere die Nachweise der EDV-Systeme waren mit den Maßnahmen so<br />

verlinkt, dass hier nicht von einer Separierung gesprochen werden konnte. In 82%<br />

der Pflegedokumentationen mit Tagesplan wurden im Durchführungsnachweis Maßnahmenkomplexe<br />

gebildet, so dass die Mitarbeiter/innen z.B. nur einmal pro<br />

Schicht statt lauter Einzelmaßnahmen abzeichnen mussten. Abweichungen vom<br />

Tagesplan wurden dort in knapp der Hälfte der Fälle (49%) gekennzeichnet, von<br />

denen wiederum je etwa ein Drittel angemessen oder <strong>zum</strong>indest ansatzweise im Pflegebericht<br />

beschrieben wurden. Es ließ sich aber nicht sagen, wie oft Abweichungen<br />

von Tagesplan tatsächlich vorgekommen waren. Außerdem bestätigte sich in der Pflegedokumentation<br />

die Beobachtung einiger Modellbeauftragten, dass die Pflegekräfte<br />

die Funktion des „Abweichungs-Feldes“ auf dem Formular des Durchführungsnachweises<br />

missverstanden haben: In manchen Dokumentationen wurde dort jedes Mal<br />

unterzeichnet, wenn Eintragungen in den Pflegebericht vorgenommen wurden –<br />

auch, wenn diese keine Abweichung vom Tagesplan darstellten.<br />

Die Durchführung von pflegerischen oder psychosozialen Interventionen, die weder<br />

täglich noch wöchentlich erfolgten, wurde in etwa drei Vierteln gesondert in einem<br />

Wochen- bzw. Monatsplan nachgewiesen (drei Angaben fehlten).<br />

Eine einrichtungsbezogene Datenauswertung gestaltete sich aufgrund der kleinen<br />

Stichproben und der mangelnden Dokumentationsvergleichbarkeit schwierig, die<br />

Interpretationen sind daher nur als Tendenzen zu verstehen. Um einen Überblick über<br />

mögliche Stärken und Schwächen der jeweiligen Dokumentationspraxis in den Referenzeinrichtungen<br />

zu bekommen, wurden die Analyseergebnisse in neun Themen-


komplexe aufgeteilt und mit einer „vorsichtigen“ Bewertung versehen. Diese Komplexe<br />

umfassen neben der eigentlichen Pflegeprozessdokumentation auch die Biografieerfassung<br />

und die Rahmenkonzepte; die Bewertung erfolgte mittels „(sehr)gut/mittel/schlecht“-Zuweisungen.<br />

Insgesamt ließen sich die Konzeptbausteine des Projektes<br />

„<strong>Referenzmodell</strong>e“ vor allem in den Dokumentationen von vier Modelleinrichtungen<br />

wieder finden. Besondere Gemeinsamkeiten dieser vier Referenzeinrichtungen hinsichtlich<br />

Dokumentationssystem, dokumentationsbezogener Arbeitszeitregelung,<br />

Schulungen o.a. Rahmenbedingungen waren nicht festzustellen. Darüber hinaus fielen<br />

acht weitere Referenzeinrichtungen mit besonders guten Analyseergebnissen in<br />

einzelnen Dokumentationskomplexen auf (z.B. in der Anamnese; Pflege- und Maßnahmenplanung;<br />

Biografieerfassung etc). Betrachtet man weitere Einzelergebnisse,<br />

fällt auf, dass die Ergebnisse der Befragung der Modellbeauftragten einerseits und<br />

der Dokumentationsanalyse andererseits hinsichtlich der Benennung der Zuständigen<br />

Pflegefachkraft fast überall übereinstimmten: Nur in zwei Referenzeinrichtungen wurden<br />

nicht wie geplant die Zuständigen Pflegefachkräfte der Bewohner/innen ersichtlich.<br />

Weitere Zusammenhänge z. B. zwischen fehlenden Konzepten bzw. Schulungen<br />

zur nächtlichen Versorgung oder den Instrumenten der Biografieerfassung und der<br />

entsprechenden Dokumentationsqualität in diesen Bereichen konnten nicht hergestellt<br />

werden.<br />

Qualitätsmaßstäbe bzw. Rahmenkonzepte<br />

In der Gesamtschau zeigt sich, dass ein Teil der Anforderungen bereits vor Projektbeginn<br />

erfüllt wurde. Von den geforderten Kriterien aller Qualitätsmaßstabe wurden<br />

vorab insgesamt 60% erfüllt. Während der Projektlaufzeit setzten die Heime weitere<br />

22% der Anforderungen um; weitere 10% der Anforderungen befanden sich <strong>zum</strong><br />

Befragungszeitpunkt noch in Bearbeitung. Deutlich wurde, dass die Umsetzung der<br />

Rahmenkonzepte <strong>zum</strong> Heimeinzug (HE), zur Zusammenarbeit mit Angehörigen (AN),<br />

<strong>zum</strong> Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten (KH) und zur Sterbebegleitung<br />

(STE) in der Gesamtschau etwas weiter fortgeschritten war, als die Bearbeitung<br />

der Rahmenkonzepte zur Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten (ÄRZTE) und<br />

zur nächtlichen Versorgung (NV). Dieses Ergebnis lässt sich darauf zurückführen,<br />

dass die beiden letztgenannten Rahmenkonzepte im Projektverlauf später eingebracht<br />

wurden als die übrigen (vgl. Abb. 5).<br />

Ärzte<br />

HE<br />

100<br />

75<br />

NV 50<br />

AN<br />

25<br />

0<br />

STE<br />

KH<br />

Jul 2006<br />

Dez 2005<br />

Jul 2005<br />

vorab erfüllt<br />

HE = Unterstützung beim Einzug<br />

in eine Pflegeeinrichtung<br />

AN = Zusammenarbeit<br />

mit Angehörigen<br />

KH = Überleitungsverfahren bei<br />

Krankenhausaufenthalten<br />

STE = Sterbebegleitung in<br />

Pflegeeinrichtungen<br />

Ärzte = Kooperation mit<br />

niedergelassenen Ärzten<br />

NV = Nächtliche Versorgung<br />

Abb. 5:<br />

Qualitätsmaßstäbe<br />

bzw. Rahmenkonzepte<br />

– Umsetzung<br />

im Projektverlauf<br />

227


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

228 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Der Qualitätsmaßstab <strong>zum</strong> Einzug in eine Pflegeeinrichtung wurde von<br />

den Mitarbeitern/innen weitgehend positiv bewertet, obgleich einige Mitarbeiter/innen<br />

zunächst Skepsis hinsichtlich einer zusätzlichen Arbeitsbelastung äußerten.<br />

Knapp 60% der Befragten sahen eine Verbesserung des Heimeinzugsverfahrens aufgrund<br />

der umgesetzten Anforderungen. Auch weitere 50 narrative Interviews mit Mitarbeitern/innen<br />

zur Bewertung des Heimeinzugs nach Umsetzung der Anforderungen<br />

ergaben, dass die anfängliche Skepsis einer wachsenden Zufriedenheit der Mitarbeiter/innen<br />

mit der Umsetzung der Anforderungen dieses Qualitätsmaßstabs<br />

gewichen ist. Der Umsetzungsgrad dieses Qualitätsmaßstabs ist bis <strong>zum</strong> Ende der<br />

Projektlaufzeit vergleichsweise am weitesten voran geschritten. Nahezu alle Anforderungen<br />

konnten in den meisten Einrichtungen erfüllt werden. Lediglich die Erstellung<br />

der Pflegeplanung auf der Basis des pflegerischen Assessments konnte in einem Viertel<br />

der Einrichtungen noch nicht spätestens zwei Wochen nach dem Heimeinzug<br />

gewährleistet werden.<br />

Der Qualitätsmaßstab zur Zusammenarbeit mit Angehörigen wurde<br />

ebenfalls positiv bewertet, auch wenn zunächst wiederum bei einigen<br />

Mitarbeitern/innen Angst vor Überforderung vor der Erprobung von Bedeutung war.<br />

Etwa die Hälfte der befragten Mitarbeiter/innen registrierte bereits während der Projektlaufzeit<br />

Verbesserungen in der Zusammenarbeit mit Angehörigen durch die umgesetzten<br />

Anforderungen dieses Qualitätsmaßstabs. Lediglich bei Konflikten mit<br />

Angehörigen oder zwischen Bewohnern/innen und Angehörigen fühlten sich Mitarbeiter/innen<br />

häufig überfordert. Wie bereits oben beschrieben, werden in diesem<br />

Zusammenhang mangelnde Gesprächsführungskompetenzen angezeigt und sollten<br />

künftig mit Blick auf die Qualifizierung von Mitarbeiter/innen stärker berücksichtigt<br />

werden. Einige Einrichtungen sehen weiteren Aufholbedarf: beispielsweise gelang<br />

die Ermittlung von Wünschen und Beschwerden von Angehörigen bis <strong>zum</strong> Ende der<br />

Projektlaufzeit in einem Viertel der Einrichtungen nicht.<br />

Der Qualitätsmaßstab zur nächtlichen Versorgung wurde vergleichsweise<br />

spät eingeführt, so dass die diesbezüglichen Veränderungen weniger fortschreiten<br />

konnten. Die Reaktionen der Mitarbeiter/innen auf die Einführung bzw. Erprobung<br />

dieses Qualitätsmaßstabs waren sehr unterschiedlich, da sie meistenteils mit einer<br />

Veränderung von Dienstzeiten einherging. Einige Einrichtungen haben Zwischendienste<br />

eingeführt, die Dienstzeiten bzw. das Schichtsystem verändert. Darauf hat ein<br />

Teil der Mitarbeiter/innen mit deutlichem Widerstand reagiert, andere wiederum<br />

haben die Veränderungen positiv aufgenommen. Dennoch geben immerhin knapp<br />

30% der befragten Mitarbeiter/innen <strong>zum</strong> Ende der Projektlaufzeit an, dass sich seit<br />

der Einführung des Qualitätsmaßstabs Verbesserungen bei der nächtlichen Versorgung<br />

der Bewohner/innen eingestellt haben. Etwa die Hälfte der Befragten gab an,<br />

dass eine weitere Umsetzung dieses Konzeptbausteins ohne größere Probleme erfolgen<br />

könne.<br />

Trotz der vergleichsweise späten Einführung dieses Konzeptbausteins konnte<br />

während der Projektlaufzeit ein Teil der Anforderungen erprobt werden. Nicht zuletzt<br />

sollten Angebote <strong>für</strong> die Bewohner/innen in den Abend- und Nachstunden geschaffen<br />

werden. Da mit der Umsetzung dieses Qualitätsmaßstabs teilweise einschneidende<br />

Veränderungen der Arbeitszeiten und -planung verbunden waren, konnten die<br />

Anforderungen in den meisten Einrichtungen noch nicht in der gewünschten Form<br />

umgesetzt werden. Derartige Umstrukturierungen bei der Angebotsentwicklung und<br />

der Personaleinsatzplanung hätten in einigen Einrichtungen mehr (Projektlauf-)Zeit<br />

benötigt. Dennoch konnten in einem Viertel der Einrichtungen z.B. Angebote in den<br />

Abendstunden entwickelt und auch die Flexibilisierung der Zeiten des Aufstehens<br />

bzw. Zubettgehens durch die Einführung von Zwischendiensten oder veränderten<br />

Schichtdiensten erreicht werden.


Der Qualitätsmaßstab zur Sterbebegleitung wurde von den Mitarbeitern/<br />

innen positiv aufgenommen. Mehr als ein Drittel der Befragten hat während der Projektlaufzeit<br />

Verbesserungen bei der Sterbebegleitung feststellen können, mehr als<br />

zwei Drittel gaben an, die Anforderungen des Qualitätsmaßstabs ohne gravierende<br />

Probleme weiterhin umzusetzen. Aus 15 narrativen Interviews mit Mitarbeitern/innen<br />

ging darüber hinaus hervor, dass die Zuständigen Pflegefachkräfte die Koordination<br />

der Sterbebegleitung weitgehend übernehmen konnten, sofern der Sterbeprozess<br />

nicht akut einsetzte und der/die Bewohner/in schnell verstarb. Eine verbesserte<br />

Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten/innen hatte in diesem Zusammenhang<br />

auch zur Folge, dass Krankenhausaufenthalte vermieden werden konnten,<br />

sofern sie nicht unbedingt notwendig waren. Aus Sicht der Modellbeauftragten hatte<br />

darüber hinaus eine verbesserte Einbindung von Angehörigen und freiwilligen Helfern/innen<br />

eine Entlastung der Mitarbeiter/innen zur Folge. Bei vergleichsweise<br />

guten Ausgangsvoraussetzungen konnte der Qualitätsmaßstab in der Mehrheit der<br />

Einrichtungen vollständig umgesetzt werden; nur vereinzelt befanden sich Anforderungen<br />

<strong>zum</strong> Abschluss der Projektlaufzeit noch in der Bearbeitung.<br />

Der Qualitätsmaßstab zur Kooperation mit niedergelassenen<br />

Ärzten/innen wurde im Vergleich zu den anderen Bausteinen ebenfalls später eingeführt.<br />

Von den befragten Mitarbeitern/innen registrierten etwas weniger als ein<br />

Drittel bereits Verbesserungen bezüglich der Kooperation mit Ärzten/innen. Den<br />

Angaben der Modellbeauftragten zufolge nahmen die Mitarbeiter/innen noch keine<br />

gravierenden Veränderungen wahr, da sie bei fehlender Einhaltung von Absprachen<br />

(z.B. Arztbesuche, die während der Morgen- oder Abendpflege bzw. Übergaben<br />

stattfanden) die Leidtragenden waren. Die Mehrheit der Mitarbeiter/innen sah keine<br />

größeren Probleme bei der weiteren Umsetzung der Anforderungen zur Zusammenarbeit<br />

mit niedergelassenen Ärzten/innen, sofern die Kooperationsbereitschaft der<br />

Ärzte/innen vorhanden sein würde. Die Leitungskräfte stellten während der Erprobung<br />

des Qualitätsmaßstabs eine leichte Verbesserung der Zusammenarbeit mit den<br />

Ärzten/innen fest, wobei die Kooperation mit den Fachärzten/innen tendenziell besser<br />

beurteilt wurde als mit den Hausärzten/innen. Zum Abschluss der Projektlaufzeit<br />

wurden im Vergleich zu den anderen Konzeptbausteinen am wenigsten Anforderungen<br />

umgesetzt. Dies mag <strong>zum</strong> einen darauf zurückzuführen sein, dass dieser Qualitätsmaßstab<br />

später eingeführt wurde und <strong>zum</strong> anderen darauf, dass die Terminabsprachen<br />

mit den Ärzten/innen besonders aufwändig bzw. schwierig waren.<br />

Der Qualitätsmaßstab zu Überleitungsverfahren bei Krankenhausaufenthalten<br />

wurde, laut Angaben der Modellbeauftragten, zunächst weder besonders<br />

positiv noch negativ bewertet. Während der Erprobung beurteilten die Leitungskräfte<br />

und die Mitarbeiter/innen die Kooperation mit den Krankenhäusern zunehmend<br />

besser. Etwas weniger als die Hälfte der befragten Mitarbeiter/innen stellte am<br />

Projektende eine Verbesserung der Verfahren zur Krankenhausüberleitung fest. Die<br />

stärkere Einbindung von Angehörigen wurde als Entlastung erlebt, die mangelnde<br />

Auskunftsbereitschaft einiger Krankenhäuser dagegen als problematisch. Nach der<br />

Entlassung aus dem Krankenhaus wurden die Bewohner/innen häufig intensiver<br />

begleitet als früher und auch die Pflegeplanung konnte häufiger zeitnah angepasst<br />

werden. Detaillierte Rückmeldungen erfolgten mittels 76 narrativen Interviews mit<br />

Mitarbeitern/innen: Diese berichten, dass zwar die Zuständigkeiten <strong>für</strong> die Verfahren<br />

geklärt seien, jedoch insbesondere bei Notfällen immer wieder Abweichungen<br />

notwendig würden. Auch sei die Vorbereitungszeit bei den meisten Krankenhauseinweisungen<br />

knapp, wobei die erstellten Checklisten hilfreich waren. Es habe positive<br />

Rückmeldungen aus den Krankenhäusern gegeben, da die Überleitungsbögen besser<br />

ausgefüllt gewesen seien. Annähernd alle Anforderungen konnten von den meisten<br />

Einrichtungen umgesetzt werden bzw. fanden sich <strong>zum</strong> Abschluss der Projektlaufzeit<br />

in der Bearbeitung. Auch hier zeigt sich, dass die Umsetzungsfortschritte in den einzelnen<br />

Einrichtungen unterschiedlich waren.<br />

229


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

230 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

Wie bereits eingangs beschrieben, war es ein wichtiges Ziel des Projektes fachliche<br />

Anforderungen zu entwickeln, die auch in der Pflegepraxis anschlussfähig sind.<br />

Daher galt dem Projekt eine weitere zentrale Forschungsfrage:<br />

Wie ist die praktische Anschlussfähigkeit der Konzeptbausteine zu<br />

bewerten?<br />

Einerseits war das Projektdesign so angelegt, dass Wissenschaft, Organisationsberatung<br />

und die Modellbeauftragten der Einrichtungen gemeinsam gearbeitet<br />

haben. Diese Vorgehensweise hat grundsätzlich die Anschlussfähigkeit befördert.<br />

Die Evaluationsergebnisse haben darüber hinaus gezeigt, unter welchen Voraussetzungen<br />

die Anschlussfähigkeit gegeben ist: diese besteht vor allem dann, wenn eine<br />

etablierte Kommunikationsstruktur und -kultur vorhanden ist, wenn Zuständigkeiten<br />

und Controlling-Systeme geklärt sind, wenn Mitarbeitermotivation und -beteiligung<br />

vorhanden sind und die Leitungskräfte sowie der Träger maßgeblich an dem Projektmanagement<br />

mitwirken. Während des Projektes stand den Einrichtungen nicht nur<br />

eine refinanzierte Stelle <strong>für</strong> die Modellbeauftragten, sondern auch ein/e Organisationsberater/in<br />

zur Verfügung. Diese Ausstattung wird Einrichtungen, die den Anforderungen<br />

der Konzeptbausteine insgesamt folgen wollen, nicht zur Verfügung stehen.<br />

Umso wichtiger ist es mit Blick auf die Anschlussfähigkeit, dass Träger von Einrichtungen,<br />

Leitungskräfte und Qualitätsmanagementbeauftragte bei einem solchen Vorhaben<br />

Einigkeit erzielen und maßgeblich unterstützend mitwirken.<br />

Die Installation eines Projektmanagements ist dabei von besonderer Bedeutung 67 .<br />

Auch die Einführung der Konzeptbausteine parallel in mehreren Einrichtungen einer<br />

Region wäre von großem Vorteil, denn so ließen sich Arbeitsgruppen einrichten, die<br />

ähnlich der Regionalgruppen im Projekt gemeinsam arbeiten, sich austauschen und<br />

wechselseitige Unterstützung bieten können. Die Projektlaufzeit von ca. zwei Jahren<br />

<strong>für</strong> die Entwicklung und Erprobung der Konzepte war kurz. Nachfolgende Einrichtungen<br />

dürften deutlich mehr Zeit einplanen, hätten allerdings auch den Vorteil, die Reihenfolge,<br />

die Geschwindigkeit und Einführung der Konzeptbausteine selbst bestimmen<br />

zu können.<br />

Die Evaluationsergebnisse haben gezeigt, welche Voraussetzungen förderlich sind<br />

bzw. geschaffen werden müssen, wenn Einrichtungen beabsichtigen, die Konzeptbausteine<br />

einzuführen. Zeitdruck und Personalmangel sind seit langem zentrale Themen<br />

in der Diskussion um die Qualitätsentwicklung in der vollstationären Altenpflege.<br />

Auch in den Einrichtungen, die sich an der Erprobung beteiligt waren, herrschten<br />

Zeitdruck und personelle Engpässe vor. Die Modellbeauftragten und die Mitarbeiter/innen<br />

haben projektbedingte zusätzliche Belastungen auf sich genommen. Die<br />

abschließende Mitarbeiterbefragung hat jedoch gezeigt, dass sich die Bewertung<br />

der Arbeitsbedingungen und -belastungen trotz der Teilnahme an dem Projekt nicht<br />

verschlechtert hat. Diese Ergebnisse waren nicht erwartungsgemäß, denn die Zusatzbelastungen<br />

hätten eher ein schlechteres Ergebnis erwarten lassen. Die Unterschiedlichkeit<br />

der Referenzeinrichtungen bezogen auf zahlreiche Aspekte wie Größe,<br />

Bewohner- und Mitarbeiterstruktur, formaler Stand des Qualitätsmanagements etc.<br />

hat keinen nennenswerten Einfluss auf die Umsetzung der Anforderungen im Vergleich<br />

der Einrichtungen gehabt. Eine Korrelation zwischen strukturellen Rahmenbedingungen<br />

der Einrichtungen und einer erfolgreichen Umsetzung lässt sich, wie oben<br />

bereits beschrieben, nicht nachweisen. Vielmehr hängt es weitgehend von den o.g.<br />

Voraussetzungen wie der Mitarbeitermotivation, einer etablierten Kommunikationsstruktur<br />

und -kultur und einem „gelebten“ Qualitätsmanagement ab, wie erfolgreich<br />

die Einrichtungen bei der Umsetzung waren.<br />

67 Vgl. hierzu ausführlich MAGS (Hrsg.) (2007): „<strong>Referenzmodell</strong>e …“. Teil B


Angesichts der Evaluationsergebnisse zu den einzelnen Konzeptbausteinen hat sich<br />

gezeigt, dass die Anforderungen praxistauglich umgesetzt werden können. Lediglich<br />

die Stellvertretungsregelung <strong>für</strong> eine längerfristige Abwesenheit der Zuständigen Pflegefachkräfte<br />

bereitete allen Einrichtungen mehr oder weniger große Probleme.<br />

Trends zu mehr Teilzeitbeschäftigung sowie ein hoher Anteil von Pflegehilfskräften<br />

lagen nicht nur in den Referenzeinrichtungen vor, sondern lassen sich in der Landschaft<br />

der stationären Pflegeeinrichtungen insgesamt ausmachen. Dennoch hat die<br />

Erprobung gezeigt, dass Einrichtungen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und<br />

damit auch mit unterschiedlicher personeller Ausstattung die Umsetzung der fachlichen<br />

Anforderungen bewältigt haben, wobei eine deutliche Qualitätsentwicklung<br />

erreicht wurde. Einige Einrichtungen mit vergleichsweise ungünstigen Voraussetzungen<br />

haben sogar sehr deutliche Fortschritte machen können und den Stand der Qualitätsentwicklung<br />

in anderen Einrichtungen überholt.<br />

Eine letzte zentrale Forschungsfrage bezieht sich auf die Versorgung und Betreuung<br />

der Bewohner/innen:<br />

Welche Auswirkungen konnten durch die Interventionen auf die<br />

Pflege- und Lebensqualität der Bewohner/innen festgestellt werden?<br />

Ein zentrales Ziel des Forschungsprojektes bestand darin, eine Verbesserung der Versorgung<br />

der Bewohner/innen zu erreichen. Es sei vorweggenommen, dass die<br />

Ergebnisqualität nicht im Sinne teilnehmender Beobachtung und Begutachtung<br />

geprüft werden konnte, dennoch lassen sich angesichts der schriftlichen und mündlichen<br />

Befragungen der Bewohner/innen und Mitarbeiter/innen sowie der Leistungserfassungen<br />

während der Projektlaufzeit <strong>zum</strong>indest Tendenzen aufzeigen, die Verbesserungen<br />

der Pflege- und Lebensqualität andeuten.<br />

Eine verbesserte Betreuung von demenzkranken bzw. kognitiv beeinträchtigten<br />

Bewohnern/innen konnte dahingehend erzielt werden, dass psychosoziale Leistungen<br />

gerechter auf die Bewohnergruppen mit unterschiedlichen Einschränkungsgraden<br />

verteilt wurden. Außerdem lassen sich eine stärkere Mobilisierung der<br />

Bewohner/innen sowie eine Ausweitung von Freizeitangeboten bzw. Angeboten im<br />

Bereich der psychosozialen Betreuung und eine tendenziell vermehrte Ressourcenorientierung<br />

erkennen. Diese zeigt sich auch dahingehend, dass sich manche Bewohner/innen<br />

über die geringere Übernahme von Hilfeleistungen beschwerten. Dies<br />

wurde nicht als Ressourcenförderung wahrgenommen, sondern als mangelnde Hilfeleistung<br />

seitens der Pflegekräfte. Diese Reaktionen zeigen, dass sich Veränderungen<br />

von Hilfeformen seitens der Pflegekräfte, die aus fachlicher Sicht wünschenswert<br />

sind, durch einige Bewohner/innen als eine mangelnde Unterstützung erlebt werden.<br />

Diese Bewertung einiger Bewohner/innen dürfte auch darin begründet liegen, dass<br />

sich diese Veränderungen noch nicht langfristig in der Pflegepraxis durchgesetzt<br />

haben. Wichtig ist es daher, den Zweck der Ressourcenförderung entsprechend zu<br />

vermitteln, um Missverständnissen vorzubeugen.<br />

Eine stärkere Biografieorientierung hat laut Angaben der meisten Modellbeauftragten<br />

zu einer individuelleren Planung von Maßnahmen und einer stärkeren Berücksichtigung<br />

von Aktivitäten und Gewohnheiten geführt. Die Einrichtungen haben zunehmend<br />

Biografiebögen eingeführt und auch biografische Informationen in den Pflegedokumentationen<br />

berücksichtigt. Die Befragungsergebnisse haben aber auch<br />

gezeigt, wie bedeutsam ein sensibler Umgang bei der Erfassung und Nutzung biografischer<br />

Informationen ist, da Bewohner/innen sich nicht nur über ein gesteigertes<br />

Interessen an ihrer Person freuen, sondern es auch Bedenken und Zurückhaltung<br />

(„der gläserne Bewohner“) gibt, die akzeptiert werden wollen. Insgesamt jedoch ist<br />

die biografische Arbeit während des Projektzeitraums vorangeschritten, wobei das<br />

Fortschreiben von biografischen Informationen auch nach dem Heimeinzug in der<br />

Hälfte der Einrichtungen <strong>für</strong> alle, in den meisten übrigen Einrichtungen <strong>zum</strong>indest <strong>für</strong><br />

einen Teil der Bewohner/innen erfolgen konnte. Um eine angemessene Gesprächs-<br />

231


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

232 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

führung mit den Bewohnern/innen gewährleisten zu können, bedarf es einer entsprechenden<br />

Qualifizierung der zuständigen Pflegekräfte. Dieser Bedarf wurde angesichts<br />

der Überforderungen einiger Mitarbeiter/innen sehr deutlich.<br />

In der Tendenz haben die Anforderungen an die Zuständigen Pflegefachkräfte durch<br />

deren Steuerungsfunktion in der Pflegeprozess- und Versorgungskoordination zu<br />

einer verbesserten Planung der Pflege und Kontinuität des Pflegeprozesses geführt.<br />

Dies hat sich beispielsweise in den zugeteilten Zuständigkeiten der Fachkräfte <strong>für</strong><br />

bestimmte Bewohnergruppen gezeigt und sich darüber hinaus positiv auf die Versorgung<br />

im Rahmen von Krankenhausaufenthalten oder durch niedergelassene<br />

Ärzte/innen ausgewirkt. Darüber hinaus konnten in einigen Einrichtungen vermehrt<br />

Angehörige und freiwillige Helfer/innen in die Betreuung eingebunden werden.<br />

Deren verstärktes Engagement stellte nicht nur eine Entlastung <strong>für</strong> einige<br />

Mitarbeiter/innen dar, sondern kam auch der Versorgung der Bewohner/innen<br />

zugute. Dies hat sich bei der Entwicklung von Angeboten <strong>für</strong> die Bewohner/innen<br />

aber auch im Rahmen der Sterbebegleitung gezeigt.<br />

Neben einer vermehrten Mobilisierung, Ressourcenförderung und Biografieorientierung<br />

wurden auch zusätzliche Angebote entwickelt, die u.a. der Förderung von Sozialkontakten<br />

dienen (z.B. Grillnachmittag, Kaffeetrinken, hauseigene Caféteria). Bei<br />

der Überprüfung der Angebote und deren Erprobung wurde insbesondere darauf<br />

geachtet, dass auch immobile und demenzkranken Bewohner/innen eingebunden<br />

wurden. Darüber hinaus hat es einige Verbesserungen in Bezug auf die Freizeitangebote<br />

in den Abend- und Nachtstunden gegeben, dabei handelte es sich überwiegend<br />

um häufigere Film- und Fernsehabende, „Klönabende“ oder Stammtischveranstaltungen,<br />

die gut von den Bewohnern/innen angenommen wurden. Dennoch<br />

wünschten sich einige Bewohner/innen mehr Kontakte und eine stärker familiär<br />

geprägte Atmosphäre.<br />

Angesichts der Evaluationsergebnisse, die trotz der zahlreichen Anforderungen und<br />

der vergleichsweise kurzen Projektlaufzeit insgesamt als ausgesprochen positiv<br />

bewertet werden können, stellt sich die Frage danach, welche Voraussetzungen künftig<br />

in stationären Einrichtungen zu schaffen sein werden, um die Qualitätsentwicklung<br />

im Sinne der Konzeptbausteine zu befördern:<br />

Welche Schlussfolgerungen ergeben sich im Hinblick auf die zukünftige<br />

Ausgestaltung der Versorgungsstrukturen in stationären Einrichtungen?<br />

Diese Frage sollte mit Blick auf die oben genannten notwendigen Voraussetzungen,<br />

die <strong>für</strong> die weitere Qualitätsentwicklung in stationären Einrichtungen erforderlich<br />

erscheinen und auf den Ergebnissen des gesamten Projektes basieren, zu einem<br />

großen Teil beantwortet sein. Dennoch ist die stationäre pflegerische Versorgung älterer<br />

und pflegebedürftiger Menschen in einen gesamtgesellschaftlichen und politischen<br />

Kontext eingebunden, so dass sie nicht losgelöst davon betrachtet werden<br />

kann. Daher zeigt der folgende Ausblick die Anforderungen an die im Kontext verbundenen<br />

Arbeitsfelder und Institution auf.


4. Ausblick<br />

Angesichts der demografischen Veränderungen und der Morbiditätsentwicklung im<br />

Alter wird auch die stationäre pflegerische Versorgung zunehmend an Bedeutung<br />

gewinnen. Die Pflegeversicherung hat als ein Versicherungszweig in den vergangenen<br />

Jahren eine finanzielle Grundlage geboten und steht vor einer Reform, an die<br />

die Hoffnung geknüpft ist, bestehende Mängel wie z.B. die unzureichende Berücksichtigung<br />

von Leistungen <strong>für</strong> demenzkranke Menschen, zu beheben. Die zu erwartenden<br />

Verbesserungen sollen bei den pflegebedürftigen Menschen ankommen. Stationäre<br />

Pflegeeinrichtungen sind daher gefordert, bestehende Defizite und Mängel<br />

auszuräumen und sich bei der Qualitätsentwicklung an fachlichen Vorgaben zu orientieren.<br />

Die Träger von stationären Pflegeeinrichtungen stehen in der Verantwortung,<br />

gemeinsam mit ihren Einrichtungen die Weiterentwicklung der pflegerischen<br />

Versorgung zu übernehmen.<br />

Ein zentrales Ziel bei der Weiterentwicklung der Qualität in stationären Pflegeeinrichtungen<br />

ist die Sicherung der Lebensqualität älterer pflegebedürftiger Menschen, die<br />

in der Regel ihren letzten Lebensabschnitt in der Einrichtung verbringen. Die Konzeptbausteine<br />

und Hinweise zu ihrer Anwendung 68 geben Trägern und stationären Pflegeinrichtungen<br />

eine wichtige Hilfestellung und weisen das anzustrebende Qualitätsniveau<br />

pflegerischer Versorgung aus. Die vorhandenen Rahmenkonzepte wurden von<br />

Wissenschaft und Praxis gemeinsam weiterentwickelt und in 20 Referenz-einrichtungen<br />

erprobt. Sie sind daher anschlussfähig <strong>für</strong> andere Einrichtungen, die sich auf den<br />

Weg machen, um die eigene Qualitätsentwicklung und -sicherung voranzutreiben.<br />

Auch die Referenzeinrichtungen haben im Rahmen des Modellprojektes mit unterschiedlichen<br />

Voraussetzungen die Umsetzung begonnen, so dass eine Übernahme<br />

der Konzeptbausteine <strong>für</strong> Einrichtungen unterschiedlicher Größe und Trägerschaft<br />

sowie mit unterschiedlichem Stand des Qualitätsmanagements möglich ist. Nicht<br />

zuletzt verhilft die Weiterentwicklung der Qualität den Pflegeeinrichtungen zu mehr<br />

gesellschaftlicher Anerkennung der Altenpflege und zur Etablierung auf dem zunehmend<br />

umkämpften Markt pflegerischer Dienstleistungen. Dabei sollen die Bewohnerwünsche<br />

und die Einbindung ihrer Angehörigen im Mittelpunkt der Bemühungen stehen.<br />

Darüber hinaus bieten die Konzeptbausteine Transparenz <strong>für</strong> alle Beteiligten. Nicht<br />

zuletzt liefern die Projektergebnisse eine Basis <strong>für</strong> die Abstimmung mit externen Prüfinstanzen<br />

wie dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) und der<br />

Heimaufsicht sowie <strong>für</strong> andere an der pflegerischen Versorgung beteiligten Institutionen.<br />

Die Leistungsbeschreibungen, die Entwicklung von Angeboten <strong>für</strong> die psychosoziale<br />

Betreuung sowie die Anforderungen an die Arbeitsprozesse bezüglich des Heimeinzugs,<br />

der Angehörigenarbeit, der nächtlichen Versorgung, der Sterbebegleitung,<br />

der Zusammenarbeit mit Ärzten/innen und Krankenhäusern ermöglichen die<br />

Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgung in vollstationären Pflegeeinrichtungen<br />

und bieten gleichermaßen die Möglichkeit, eine Vergleichbarkeit des Leistungsspektrums<br />

herzustellen. Darüber hinaus liefern die Anforderungen konkrete Anhaltspunkte<br />

<strong>für</strong> die Gestaltung der internen Kooperation von Mitarbeitern/innen verschiedener<br />

Berufsgruppen und in den unterschiedlichen Funktionen in einer Einrichtung<br />

sowie <strong>für</strong> ein verbessertes Schnittstellenmanagement mit externen Institutionen.<br />

Bei der Bearbeitung und Veränderung von Strukturen und Prozessen in der Einrichtung<br />

ist die Einbindung der Belegschaft wichtig, denn sie verhilft zur Identifikation mit<br />

der Einrichtung und den Konzepten und das wiederum stärkt die Arbeitsmotivation.<br />

Nicht zuletzt können Arbeitsbelastungen durch Transparenz und die Verbindlichkeit<br />

68 Vgl. MAGS (Hrsg.) (2007): „<strong>Referenzmodell</strong>e – Qualitätsverbesserung in der vollstationären Pflege<br />

233


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

234 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

von Regelungen reduziert werden. Durch geregelte Zuständigkeiten können eine verbesserte<br />

Beziehung zu Bewohnern/innen und eine Entlastung der Mitarbeiter/innen<br />

erfolgen. Weitere Entlastungspotentiale bieten die qualifikationsorientierte Arbeitsteilung<br />

und eine verbesserte Pflegedokumentationsform sowie geklärte Arbeitsschritte<br />

bei konkreten Prozessen (z.B. Überleitung in ein Krankenhaus), die darüber hinaus<br />

einen Beitrag zur Entbürokratisierung leisten können. Hier stehen die Einrichtungen<br />

in Zukunft vor der Herausforderung, eine Aufgabenteilung zwischen den verschiedenen<br />

Berufsgruppen und Arbeitsbereichen herzustellen.<br />

Die Pflegeprozesssteuerung und die Koordination der da<strong>für</strong> notwendigen Arbeitsprozesse<br />

sind Aufgaben von Pflegefachkräften. Die Umsetzung der Rahmenkonzepte<br />

wird zukünftig die Anforderungen an Leitungskräfte und die Zuständigen Pflegefachkräfte<br />

in vielerlei Hinsicht erhöhen. Während Heim-, Pflegedienst- und Wohnbereichsleitungen<br />

sowie Qualitätsbeauftragte maßgeblich <strong>für</strong> die Einführung und Kontrolle<br />

verbesserter Arbeitsabläufe zuständig sind, werden Zuständige Pflegefachkräfte<br />

zunehmend stärker die Steuerungsverantwortung <strong>für</strong> den Pflegeprozess der Bewohner/innen<br />

übernehmen und die Arbeitsteilung mit anderen Berufsgruppen und externen<br />

Beteiligten koordinieren.<br />

Die vorliegenden Rahmenkonzepte und Hinweise zu ihrer Umsetzung 69 ermöglichen<br />

eine Qualitätsentwicklung auf einem fachlich notwendigen und <strong>für</strong> alle Beteiligten<br />

transparenten Niveau. Die Erfahrungen der 20 Referenzeinrichtungen haben<br />

gezeigt, dass die Umsetzung der fachlichen Anforderungen an die Qualitätsentwicklung<br />

mit vorhandenen personellen Ressourcen gelingen kann, wobei eine entsprechende<br />

Qualifizierung wichtig ist. Ein gutes Qualitätsmanagement durch die Leitungskräfte<br />

und eine ausreichende Unterstützung durch z.B. Qualitätsbeauftragte<br />

sollte diesen Prozess maßgeblich unterstützen.<br />

Die weitere Qualitätsentwicklung wirkt sich somit auf zukünftige Qualifikationsanforderungen<br />

und die Personalentwicklung aus: Leitungskräfte sind gefordert, die Umsetzung<br />

mit den Einrichtungsträgern und internen Beteiligungsorganen sowie externen<br />

Prüfstellen zu koordinieren. Ein verbindlicher Umgang mit den Regelungen und eine<br />

veränderte Arbeitsorganisation sind nur dann möglich, wenn Leitungskräfte notwendige<br />

Projektstrukturen etablieren und die Einrichtung im Sinne einer lernenden Organisation<br />

führen. Darüber hinaus gilt es, entsprechende Controlling-Systeme in der Einrichtung<br />

unter Beteiligung der Belegschaft aufzubauen. Die Bewältigung von Anforderungen<br />

an die Pflegefachkräfte sind durch interne und externe Schulungen sicher<br />

zustellen. Die Förderung von Kompetenzen, die nicht nur die fachlichen Kompetenzen,<br />

sondern insbesondere methodische, sozial-kommunikative und personale Kompetenzen<br />

in den Vordergrund rückt, ist dabei von besonderer Bedeutung. Nicht<br />

zuletzt gilt es, im Rahmen der Personalentwicklung die richtige Auswahl der Mitarbeiter/innen<br />

zu treffen und diese im Sinne eines lebenslangen Lernens weiter zu<br />

qualifizieren. Auch die Fort- und Weiterbildung z.B. in den Bereichen Gerontopsychiatrie,<br />

Angehörigenarbeit, Gesprächsführung, Pflegeplanung und Pflegedokumentation,<br />

Schnittstellenmanagement, Sterbebegleitung bzw. Palliativpflege und Zeitmanagement<br />

werden weiter an Bedeutung gewinnen. Des Weiteren wurde deutlich,<br />

dass die Einrichtungen bereits im Vorfeld, nämlich bei der Mitarbeiterauswahl, entscheidende<br />

Weichen stellen können und zukünftig müssen. So ist bei Neueinstellung<br />

u.a. gründlicher auf die Fähigkeit der Bewerber/innen zur Übernahme von Verantwortung<br />

und auf Steuerungskompetenzen zu achten, wie sie der Funktion der Zuständigen<br />

Pflegefachkräfte entsprechen.<br />

69 Vgl. MAGS (Hrsg.) (2007): „<strong>Referenzmodell</strong>e …“, Teile A und B.


Eine abschließende Betrachtung der Evaluationsergebnisse zeigt, dass strukturelle<br />

Merkmale der Einrichtung nicht direkt mit der Qualitätsentwicklung einer Einrichtung<br />

in Verbindung stehen. Vielmehr lassen sich die genannten Merkmale auf der qualitativen<br />

Ebene herausstellen, die einer Qualitätsentwicklung förderlich sind.<br />

Eine kritische Auseinandersetzung mit den Leistungsbeschreibungen und ihrer<br />

Anwendung hat bereits vor der eigentlichen Erprobung in einigen Einrichtungen zu<br />

der Erkenntnis geführt, dass einige Bewohner/innen aus unterschiedlichen Gründen<br />

von bestimmten – insbesondere psychosozialen – Angeboten ausgegrenzt werden.<br />

Im Hinblick auf die Bewohner/innen soll künftig die Verteilungsgerechtigkeit des Leistungsgeschehens<br />

noch deutlich stärker berücksichtigt werden. Bereits 2002 haben<br />

Wingenfeld und Schnabel 70 darauf hingewiesen. Bestimmte Leistungen sind <strong>für</strong> einige<br />

Bewohnergruppen schwer zugänglich. Immobile und kognitiv eingeschränkte Bewohner/innen<br />

sollten häufiger an Freizeitangeboten teilnehmen. Mobilisierende, ressourcenfördernde<br />

und biografieorientierte Maßnahmen sollen <strong>für</strong> alle erreichbar sein, die<br />

diese Maßnahmen benötigen und wünschen. Demzufolge sollte das Leistungsgeschehen<br />

in stationären Einrichtungen von diesen selbstkritisch geprüft und<br />

ggf. angepasst werden.<br />

Darüber hinaus wird es nicht ausreichen, dass stationäre Pflegeeinrichtungen die<br />

Qualitätsentwicklung mit Hilfe des <strong>Referenzkonzept</strong>es betreiben. In der weiteren<br />

fachlichen Diskussion ist es notwendig, auch die unterschiedlichen Optionen zu diskutieren,<br />

die zu veränderten Rahmenbedingungen beitragen. Die zukünftige Debatte<br />

sollte sich insbesondere auf die Qualifikationsanforderungen im Bereich der pflegerischen<br />

Versorgung älterer Menschen konzentrieren. Dies betrifft Mitarbeiter/innen in<br />

unterschiedlichen Funktionen in Diensten und Einrichtungen (Hilfs- und Fachkräfte,<br />

Heim-, Wohnbereichs- und Pflegedienstleitungen, Sozialer Dienst etc.), aber auch<br />

verschiedene andere Berufsgruppen (z.B. Physio- und Ergotherapeuten). Eine weitere<br />

Auseinandersetzung mit der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Pflegefachkräften<br />

sowie mit den (Fach-)Hochschulstudiengängen in Bereichen Sozialarbeit, Sozialpädagogik,<br />

Pflegemanagement und -pädagogik sowie Medizin ist unbedingt dahingehend<br />

erforderlich, dass Grundlagen <strong>für</strong> die Qualitätsentwicklung in der stationären<br />

Pflege verstärkt Eingang finden. Daher ist es wünschenswert, dass die Rahmenkonzepte<br />

und die Hinweise zu ihrer Umsetzung bzw. die entsprechenden<br />

Grundlagen da<strong>für</strong> <strong>für</strong> zukünftige Berufsausbildungen, Studiengänge und entsprechende<br />

Qualifizierungsmaßnahmen in Fort- und Weiterbildungsstätten diskutiert und<br />

dort eingebunden werden.<br />

Vor dem Hintergrund der Morbiditätsentwicklung im Alter wird auch die Diskussion<br />

hinsichtlich differenzierter Wohn- und Lebensformen weitergeführt werden müssen,<br />

nicht zuletzt, um neben der stationären pflegerischen Versorgung auch andere Wohnund<br />

Lebensformen weiter zu etablieren (z.B. Wohngemeinschaften, Betreutes Wohnen).<br />

In diesem Zusammenhang sollte die Diskussion über homogene Wohngruppen<br />

oder integrierte Konzepte (z.B. <strong>für</strong> demenzkranke Menschen) durchaus vor dem Hintergrund<br />

der Projektergebnisse weiterentwickelt werden.<br />

Weitere Überlegungen zur Zusammenarbeit von Pflegeeinrichtungen und niedergelassenen<br />

Ärzten/innen wären zukünftig gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen<br />

anzustellen. Auch die Diskussionen über eine zukünftige Bereitstellung von<br />

hausinternen Ärzten/innen in Pflegeeinrichtungen sollten weitergeführt werden. Weitere<br />

Kooperationsmöglichkeiten mit Krankenhäusern und anderen Einrichtungen des<br />

Gesundheitswesens (z.B. Apotheken, Therapeuten/innen, Rehabilitationseinrichtungen)<br />

sind zukünftig ebenfalls von zunehmender Bedeutung. Auch werden die Kommunen<br />

mehr denn je ihre Verantwortung <strong>für</strong> die Weiterentwicklung ihrer Konzepte <strong>für</strong><br />

Seniorinnen und Senioren in den Blick nehmen müssen. Dabei werden die unter-<br />

70 a.a.O.<br />

235


Teilbericht 4: Bewertung der Evaluationsergebnisse<br />

236 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

schiedlichen Bereiche der Stadtentwicklung wie Wohnen, Soziales, Bildung und Kultur,<br />

Gesundheitsförderung und pflegerische Versorgung etc. in ihrem Zusammenspiel<br />

an Bedeutung gewinnen. Die regionale Vernetzung von Angeboten, Diensten und<br />

Einrichtungen spielt dabei eine zentrale Rolle.<br />

Im Hinblick auf die Reform der Pflegeversicherung trifft das Projekt wesentliche<br />

Punkte im Kern, die in der Diskussion darüber angesprochen sind, wie z.B. die psychosoziale<br />

Betreuung, präventives und rehabilitatives Handeln, den Abbau von<br />

Schnittstellenproblemen etwa durch ein verbessertes Entlassungsmanagement oder<br />

Entbürokratisierungspotential durch eine verbesserte Pflegedokumentationsformen.<br />

Durch die Leistungsbeschreibungen, die auch psychische und soziale Problemlagen<br />

und entsprechende Maßnahmen beinhalten, ein biografieorientiertes Arbeiten, eine<br />

verstärkte Ressourcenförderung, präventiv und rehabilitativ orientiertes Handeln wird<br />

es möglich, einen umfassenden Pflegebegriff in der Praxis wirken zu lassen. Zudem<br />

setzen weitere Vorschläge zur Reform – wie etwa die Frage der Konkretisierung des<br />

Unterstützungsbedarfs von Menschen mit Demenz oder die weitere Stärkung des<br />

ehrenamtlichen Engagements – eine Transparenz des Leistungsgeschehens voraus,<br />

wie sie durch die hier vorliegenden Konzeptbausteine sicher gestellt wird. Für eine<br />

Weiterentwicklung der Regelungen zur Qualitätssicherung im Rahmen des SGB XI bilden<br />

die genannten Aspekte daher eine unabdingbare Voraussetzung.


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Wingenfeld, K. & Schnabel, E. (2002). Pflegebedarf und Leistungsstruktur in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Eine<br />

Untersuchung im Auftrag des Landespflegeausschusses Nordrhein-Westfalen. Duisburg, WAZ-Druck.<br />

237


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Ministerium</strong> <strong>für</strong> Arbeit,<br />

Gesundheit und Soziales des<br />

Landes Nordrhein-Westfalen<br />

40190 Düsseldorf<br />

Internet: www.mags.nrw.de<br />

e-mail: info@mail.mags.nrw.de<br />

Inhaltliche Bearbeitung:<br />

K. Wingenfeld (IPW)<br />

D. Heitmann (IPW)<br />

U. Korte-Pötters (IPW)<br />

Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit<br />

der Landesregierung Nordrhein-<br />

Westfalen herausgegeben. Sie darf weder von<br />

Parteien noch von Wahlwerberinnen und -werbern<br />

oder Wahlhelferinnen und -helfern<br />

während eines Wahlkampfes <strong>zum</strong> Zwecke der<br />

Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt <strong>für</strong><br />

Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen<br />

sowie auch <strong>für</strong> die Wahl der Mitglieder des<br />

Europäischen Parlaments.<br />

238 | <strong>Referenzmodell</strong>e 6<br />

B. Rehling (ISS)<br />

unter Mitarbeit von<br />

H. Heinrich (ISS)<br />

M. Krohn (ISS)<br />

R. Bernards (ISS)<br />

A. Zacharias (ISS)<br />

M. Menke (FFG)<br />

U. Vogelwiesche (FFG)<br />

A. Kuhlmann (FFG)<br />

I. Kowalski (FFG)<br />

E. Schnabel (FFG)<br />

unter Mitarbeit von<br />

L. Oesterlen (FFG)<br />

Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung<br />

auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen<br />

der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken<br />

oder Aufkleben parteipolitischer Informationen<br />

oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls<br />

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durch Parteien oder sie unterstützende<br />

Organisationen ausschließlich zur Unterrichtung<br />

ihrer eigenen Mitglieder bleibt hiervon unberührt.<br />

Gestaltung:<br />

Fortmann.Rohleder Grafik.Design,<br />

Dortmund<br />

Druck:<br />

Druckerei Schmidt, Lünen<br />

Nachdruck, auch auszugsweise,<br />

nur mit Genehmigung des<br />

Herausgebers.<br />

Düsseldorf, Dezember 2007<br />

Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg<br />

und in welcher Anzahl diese Schrift der Empfängerin<br />

oder dem Empfänger zugegangen ist,<br />

darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer<br />

bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet<br />

werden, die als Parteinahme der Landesregierung<br />

zugunsten einzelner Gruppen verstanden<br />

werden könnte.


Finanzierung<br />

Spitzenverbände der Pflegekassen<br />

Projektträger Wissenschaftliche Begleitung Organisationsberatung<br />

Diakonisches Werk<br />

der Evangelischen Kirche<br />

von Westfalen<br />

239


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Gefördert von:<br />

Spitzenverbände<br />

der Pflegekassen

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