12.12.2012 Aufrufe

Ausbau Flughafen Frankfurt Main Gutachten G12.1 Allgemeiner Teil ...

Ausbau Flughafen Frankfurt Main Gutachten G12.1 Allgemeiner Teil ...

Ausbau Flughafen Frankfurt Main Gutachten G12.1 Allgemeiner Teil ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Ausbau</strong> <strong>Flughafen</strong> <strong>Frankfurt</strong> <strong>Main</strong><br />

Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren<br />

<strong>Ausbau</strong> <strong>Flughafen</strong> <strong>Frankfurt</strong> <strong>Main</strong><br />

<strong>Gutachten</strong> <strong>G12.1</strong><br />

<strong>Allgemeiner</strong> <strong>Teil</strong><br />

Entwicklung von Fluglärmkriterien<br />

für ein Schutzkonzept<br />

Dortmund Düsseldorf Dresden Erlangen 30. Juli 2004<br />

Griefahn Jansen<br />

Scheuch Spreng


<strong>Ausbau</strong> <strong>Flughafen</strong> <strong>Frankfurt</strong> <strong>Main</strong><br />

Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren<br />

Univ.-Prof. Dr. med. Barbara Griefahn<br />

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. phil. Gerd Jansen<br />

Univ.-Prof. Dr. med. Klaus Scheuch<br />

Univ.-Prof. Dr., physiol. habil. Manfred Spreng<br />

Griefahn Jansen<br />

Scheuch Spreng


I<br />

Inhaltsverzeichnis I<br />

Inhaltsverzeichnis Seite<br />

Abbbildungsverzeichnis V<br />

Tabellenverzeichnis VIII<br />

Abkürzungsverzeichnis IX<br />

1 Aufgabenstellung 1<br />

2 Auffassungen von Schutzzielen bei adversen Umwelteinwirkungen<br />

als Grundlage lärmmedizinischer Beurteilung 3<br />

2.1 Gesundheit 3<br />

2.2 Adverse Effekte 5<br />

2.2.1 Belästigung und Beeinträchtigung 6<br />

2.2.2 Kommunikation 7<br />

2.2.3 Schlafstörungen 8<br />

2.2.4 Erholung 8<br />

2.3 Lärmmedizinisches Schutzkonzept 9<br />

3 Physiologisch/psychophysiologische Reaktionen auf Schall/Lärm 12<br />

3.1 Direkte Reaktionen des Organismus auf Beschallung 12<br />

3.1.1 Sinnesorgansystem Gehör 12<br />

3.1.2 Allgemein vegetative Lärmwirkungen 14<br />

3.1.3 Akutwirkungen über das retikuläre Aktivierungssystem<br />

und teilverknüpfte psychophysiologische Reaktionen 15<br />

3.1.3.1 Retikuläres Aktivierungssystem 15<br />

3.1.3.2 Psychophysische Reaktionen 17<br />

3.2 Kausalkette ’Hörbahn (Amygdala) – Hypothalamus – Stresshormonausschüttung’<br />

und physiologische Basis der Sensibilisierung 18<br />

3.3 Physiologische Bedeutung des Stresshormons Cortisol 21<br />

3.3.1 Freisetzung und zellfunktionsverändernde Wirkung 21<br />

3.3.2 Einfluss der Zirkadianrhythmik und Feedback-Regulation 23<br />

3.4 Nachtlärminduzierte Veränderungen physiologischer Prozesse<br />

und nächtliche Stresshormonausschüttung 26<br />

3.4.1 Nachtlärminduzierte Veränderungen physiologischer Prozesse 26<br />

3.4.2 Nachtlärminduzierte Stresshormonausschüttungen 30<br />

3.5 Wirkungen schallausgelöster Reaktionen im Organismus<br />

aus physiologischer Sicht 32<br />

3.5.1 Mögliche Wirkungen an verschiedenen Organsystemen 32<br />

3.5.2 Beeinflussungsmöglichkeiten speziell des Kreislaufsystems 35<br />

3.6 Physiologische Grundlagen zur Ableitung präventiver Richtwerte 38<br />

3.6.1 Physiologische Schwellenwerte und präventive Richtwerte am Tage 38<br />

3.6.2 Grenze des physiologischen Gleichgewichts und vegetatives<br />

Übersteuerungskriterium 39


II<br />

Inhaltsverzeichnis II<br />

3.6.3 Physiologisches Abschätzungsmodell pegelabhängiger tolerabler<br />

flugbetriebsbedingter Schallereignisse bzw. Maximalpegel in der Nacht 41<br />

4 Erkenntnisse aus der Stressforschung zur integrativen<br />

Betrachtung von Lärmwirkungen 45<br />

5 Kommunikationsstörungen 51<br />

5.1 Kommunikationsstörungen in Innenräumen 51<br />

5.1.1 Lärminduzierte Störungen des Hörens, Sprechens und des Spracherwerbs 51<br />

5.1.2 Bewertungsverfahren der Kommunikationsstörungen<br />

(nur Hörerbelastung) und Sprechpegel 53<br />

5.1.3 Bewertung der Kommunikationsgüte unter Berücksichtigung<br />

von Hörer- und Sprecherbelastung 55<br />

5.1.4 Epidemiologische Erhebungen hinsichtlich Kommunikationsstörungen<br />

durch Lärmeinfluss 56<br />

5.1.5 Lärminduzierte Kommunikationsstörungen Normalhörender<br />

und besonderer Personengruppen 59<br />

5.1.6 Angaben über tolerable mittlere Innengeräuschpegel 65<br />

5.2 Kommunikationsstörungen in Außenwohnbereichen 67<br />

5.2.1 Störungen der Kommunikation in Außenbereichen 67<br />

5.3 Zusammenfassende Betrachtung der Kommunikationsstörungen in der<br />

Umgebung von Großflughäfen 69<br />

6 Lärmbedingte Schlafstörungen 71<br />

6.1 Schlaf und zirkadiane Rhythmik 71<br />

6.1.1 Zirkadiane und ultradiane Rhythmik 71<br />

6.1.2 Individuelle und situative Determinanten des Schlafs 73<br />

6.1.3 Funktion des Schlafs 74<br />

6.1.4 Physiologische und biochemische Änderungen während des Schlafs 75<br />

6.2 Lärmbedingte Schlafstörungen 76<br />

6.2.1 Aufzeichnung und Bewertung des Schlafs und der Schlafstörungen 77<br />

6.3 Stand des Wissens 80<br />

6.3.1 Primärreaktionen 81<br />

6.3.1.1 Lärmbedingtes Aufwachen 81<br />

6.3.1.1.1 Akustische Parameter 81<br />

6.3.1.1.2 Individuelle und situative Einflussfaktoren 87<br />

6.3.1.2 Körperbewegungen 90<br />

6.3.1.3 Autonome Reaktionen 92<br />

6.3.1.3.1 Kardiovaskuläre Reaktionen 92<br />

6.3.1.3.2 Änderung der Hormonproduktion 93<br />

6.3.2 Sekundärreaktionen 95<br />

6.3.2.1 Subjektive Bewertung des Schlafs, Schlafqualität 95<br />

6.3.2.2 Leistungsminderung infolge lärmbedingter Schlafstörungen 97<br />

6.3.3 Tertiärreaktionen, gesundheitsrelevante Langzeiteffekte 98


III<br />

Inhaltsverzeichnis III<br />

6.3.3.1 Medikamentenkonsum 99<br />

6.3.3.2 Ausrichtung des Schlafraums, Fensterstellung 99<br />

6.4 Bewertung nächtlicher Lärmbelastungen 100<br />

6.4.1 Bewertungskriterien 100<br />

6.4.2 Belastungsmaße 100<br />

6.4.3 Vorhersagemodelle 101<br />

6.5 Begrenzung nächtlicher Lärmeinwirkungen 106<br />

6.5.1 Maximalpegel (innen) 106<br />

6.5.2 Äquivalenter Dauerschallpegel (innen) 106<br />

6.5.3 Zeitliche Begrenzung 107<br />

6.5.4 Überschreitungen 107<br />

7 Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 108<br />

7.1 Geräuschbelastung und Belästigung: Definitionen, Konzepte, Methoden 108<br />

7.2 Lärmbedingte Lästigkeit und Moderatorvariablen 110<br />

7.3 Einschätzung von Belästigung und erheblicher Belästigung 112<br />

7.4 Überschussreaktionen 117<br />

7.5 Belastungshäufigkeit und Lästigkeit 119<br />

7.6 Tageszeitliche Gewichtung des Lärms 120<br />

7.7 Lärm und Leistung 121<br />

7.8 Einflussfaktoren auf akute und chronische Lärmwirkungen 125<br />

8 Lärm und Krankheit 128<br />

8.1 Aurale Lärmschäden 128<br />

8.1.1 Hörschäden durch hochdynamische und hochintensive Schalle 128<br />

8.1.2 Bestimmung tolerabler Spitzenpegel und Einwirkzeiten 131<br />

8.1.3 Betrachtung der Lärmsituation in der Nähe von Verkehrsflughäfen<br />

hinsichtlich Gehörschädigungsgefahr bei Aufenthalt im Freien 132<br />

8.1.3.1 Betrachtung der Gehörschadensgefahr anhand der Einzelereignisse 132<br />

8.1.3.2 Gehörschadensgefahr bezogen auf den Tages-Mittelungspegel 133<br />

8.1.3.3 Gehörschadensgefahr bezogen auf den Jahresmittelungspegel 134<br />

8.2 Extraaurale Lärmschäden 135<br />

8.2.1 Pathophysiologische Mechanismen bei der Einwirkung von Lärm 135<br />

8.2.1.1 Pathophysiologische Mechanismen bei akuter Lärmeinwirkung 135<br />

8.2.1.2 Allgemeine krankmachende Mechanismen bei längeren und immer<br />

wiederkehrenden Belastungen 136<br />

8.2.1.3 Konkrete pathophysiologische Mechanismen zur Entstehung<br />

von Krankheiten unter längerfristiger Lärmeinwirkung 140<br />

8.2.2 Herz-Kreislauf- Erkrankungen 150<br />

8.2.2.1 Hypertonie (Bluthochdruck) 150<br />

8.2.2.2 Ischämische Herzkrankheit (IHK) 153<br />

8.2.3 Chronische Gesundheitsbeeinträchtigungen als mögliche Folge<br />

lärmbedingter Schlafstörungen 158


IV<br />

Inhaltsverzeichnis IV<br />

8.2.4 Psychische Störungen und andere Erkrankungen durch Lärm,<br />

speziell durch Fluglärm 159<br />

9 Besonders schutzbedürftige Einrichtungen 164<br />

9.1 Wesentliche Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen 164<br />

9.2 Empfehlungen zu gestuften Belastungsberechnungen 166<br />

10 Vorschlag von Bewertungsgrenzen 171<br />

10.1 Stellungnahme zu Messmethoden 171<br />

10.1.1 Vorbemerkungen 171<br />

10.1.2 Mittelungspegel und AzB 171<br />

10.1.3 Maximalpegelkriterien 173<br />

10.1.4 Zeitbewertung SLOW bzw. FAST 174<br />

10.1.5 Frequenzbewertung 174<br />

10.1.6 Berücksichtigung der Schalldynamik (Anstiegssteilheit) 175<br />

10.1.7 Betriebsrichtungsaufteilung 175<br />

10.1.8 Bewertung unterschiedlicher Schallquellen (Kombinationswirkungen) 176<br />

10.1.9 Zukünftige Aspekte 177<br />

10.2 Bewertungsgrenzen 179<br />

10.2.1 Prinzipien der Bewertung der Lärmsituation am <strong>Flughafen</strong> <strong>Frankfurt</strong> 180<br />

10.2.2 Begrenzungswerte und Eckwerte für Lärmimmissionen um Flughäfen 184<br />

11 Ergänzungen – Diskussion neuerer Untersuchungen 190<br />

11.1 Spandauer Gesundheitssurvey 190<br />

11.2 NaRoMi-Studie 193<br />

11.3 LARES-Studie 194<br />

11.4 DLR-Fluglärmstudie 199<br />

12 Literaturverzeichnis 202


Abbildungsverzeichnis<br />

V<br />

Abbildungsverzeichnis V<br />

Bild 3.1 S. 14: Schema der geschlossenen Wirkungskette zwischen Schall/Lärmaktivierung<br />

des auditorischen Systems und der dadurch ausgelösten vegetativen Reaktionen,<br />

insbesondere der Stresshormonausschüttung.<br />

Bild 3.2 S. 19: Veränderung der informationsverarbeitenden Eigenschaft einzelner Neurone<br />

(Sensibilisierung) im Zuführungsbereich und innerhalb der Amygdala bei<br />

wiederholter Einwirkung konditionierender (aversiver) Schalle.<br />

Bild 3.3 S. 19: Direkte subkortikal gebahnte Erregungsdurchschaltung der schallinduzierten<br />

Aktivierung der Hörbahn über sensibilisierte Amygdala zum zentralen<br />

Regulationszentrum des Hypothalamus und dadurch ausgelöste vegetative Reaktionen<br />

(z. B. Stresshormonausschüttung) auch während des Schlafs.<br />

Bild 3.4 S. 22: Schematische Darstellung der zellfunktionsbeeinflussenden Wirkung des<br />

stark lipidlöslichen Cortisols an nahezu sämtlichen Körperzellen über die intrazelluläre<br />

Signalkaskade, wodurch Veränderungen des Normalverhaltens der<br />

Zellfunktion (Proteinsynthese) bewirkt werden können.<br />

Bild 3.5 S. 24: Einfluss der Zirkadianrhythmik auf die ACTH- und Cortisolsekretion.<br />

Beispielhaftes Blutdruckregelverhalten bei massiven Änderungen durch<br />

Kippversuche am Menschen zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten.<br />

Bild 3.6 S. 25: Physiologische Feedback-Regelung der Cortisolausschüttung, die durch<br />

massive lärminduzierte Erregungen der Amygdala überspielt bzw. durch gleichzeitige<br />

Adrenalin- und Noradrenalinausschüttung deaktiviert werden kann.<br />

Bild 3.7 S. 29: Nicht nur durch Pegeländerungen (Amplitudenmodulation), sondern auch<br />

durch reine Frequenzänderungen (Frequenzmodulation) von Schallen werden je<br />

nach Dynamik (Anstiegszeit bzw. Dauer) beachtliche Erregungen (evozierte<br />

Potentiale des wachen, unverletzten Menschen) im zentralen Nervensystem des<br />

Menschen ausgelöst.<br />

Bild 3.8 S. 33: Physiologische Wirkungsbereiche des Nebennierenrindenhormons Cortisol.<br />

Bild 3.9 S. 37: Schema der physiologischen Blutdruck- und Blutvolumensteigerung unter<br />

Lärmeinfluss.<br />

Bild 3.10 S. 42 Schematische Darstellung eines rein physiologischen Abschätzungsmodells<br />

für die Anzahl (n) tolerabler nächtlicher flugbetriebsbedingter Schallereignisse<br />

auf der Basis lärminduzierter Cortisolausschüttung innerhalb des Normbereichs<br />

zur Verknüpfung mit Maximalpegeln (Lmax ).<br />

Bild 4.1 S. 49: Bedingungen der Stressentstehung.<br />

Bild 5.1 S. 55: Kommunikationssituationen hinsichtlich Hörer- (bL) und Sprecherbelastung<br />

(bS). Dargestellt ist die Beziehung zwischen einwirkendem Störschallpegel<br />

(LNA) und der Sprecher-Hörer-Distanz mit Beurteilungswerten für die Güte der


VI<br />

Abbildungsverzeichnis VI<br />

Sprechleistung (bS) und die Güte der Verstehensleistung (bL) nach Lazarus<br />

[1990]. a) Hörer zunächst in 1 m Abstand; b) Hörer in größerem Abstand.<br />

Bild 5.2 S. 58: Belästigungsangaben als Folge des Straßenverkehrslärms innerhalb der<br />

Wohnung .<br />

Bild 5.3 S. 59: Anteil Personen, die vor (1995) und nach dem <strong>Ausbau</strong> (1998) des <strong>Flughafen</strong>s<br />

Vancouver Kommunikationsstörungen (Unterhaltung, Radio hören/Fernsehen)<br />

angaben.<br />

Bild 5.4 S. 68: Ergebnisse der Oslo-Befragungsstudie hinsichtlich Prozentanteil gestörter<br />

Personen beim Sprechen im Außenbereich und im Innenbereich sowie bei der<br />

Erholung.<br />

Bild 6.1 S. 72: Beispiele ungestörter Schlafabläufe nach Dement und Kleitman [1957].<br />

Bild 6.2 S. 73: Schlafdauer und Lebensalter nach Roffwarg et al. [1966].<br />

Bild 6.3 S. 75: Herzschlagfrequenz und Körperkerntemperatur im Tagesverlauf<br />

Bild 6.4 S. 77: Arbeitshypothese zu lärmbedingten Schlafstörungen. Möglicher Zusammenhang<br />

zwischen akuten Reaktionen und klinisch relevanten Gesundheitsstörungen.<br />

Bild 6.5 S. 83: Beziehung zwischen der Anzahl einzelner Geräusche und der Wahrscheinlichkeit<br />

aufzuwachen bzw. nicht/geringfügig zu reagieren. Zusammenfassung<br />

aus 10 Publikationen.<br />

Bild 6.6 S. 84: Beziehung zwischen dem Maximalpegel einzelner Geräusche und der<br />

Wahrscheinlichkeit aufzuwachen bzw. nicht/geringfügig zu reagieren. Zusammenfassung<br />

aus 10 Publikationen.<br />

Bild 6.7 S. 85: Aufwachreaktionen und 0-Reaktionen im Zeitverlauf.<br />

Bild 6.8 S. 86: Anteil der einzelnen Schlafstufen an der Gesamtschlafzeit in ruhigen und<br />

in durch Lärm gestörten Nächten, zusammengefasst aus 13 Publikationen.<br />

Bild 6.9 S. 87: Aufwachreaktionen und 0-Reaktionen in Abhängigkeit vom Lebensalter.<br />

Bild 6.10 S. 88: Arousals bei Föten und Kindern bis zum 15. Lebensjahr.<br />

Bild 6.11 S. 96: Reduktion des REM-Schlafs und subjektive Einschätzung des Schlafs in<br />

Abhängigkeit vom äquivalenten Dauerschallpegel.<br />

Bild 6.12 S. 102: Pegel-Häufigkeitsverteilung für ein definiertes Risiko aufzuwachen bzw.<br />

keine bedeutsamen Reaktionen zu zeigen.<br />

Bild 6.13 S. 103: Mathematischer Zusammenhang zwischen Maximalpegel Lmax und<br />

Anzahl n tolerabler nächtlicher flugbetriebsbedingter Schallereignisse gemäß<br />

einem rein physiologischen, auf der lärminduzierten Cortisolausschüttung<br />

basierenden.


VII<br />

Abbildungsverzeichnis VII<br />

Bild 6.14 S. 104: Quantitative Beziehung zwischen Innenraum-Maximalpegel Lmax und der<br />

Anzahl tolerabler Lärmereignisse (flugbetriebsbedingte Schallereignisse) in einer<br />

8-Stundennacht.<br />

Bild 8.1 S. 129: Durch intensive Schalleinwirkung, insbesondere durch impulsive Schalle<br />

und Schalle mit hochintensiven Wechseldrücken verursachtes Umknicken, Ausreißen<br />

und irreversibles Verklumpen der Stereozilien.<br />

Bild 8.2 S. 130: Zusammenfassende Darstellung der Risikokurve und der Berechnungsformeln<br />

für Hörschädigung. Der Wert für eine Sekunde Einwirkdauer, also SEL<br />

= 125 dB(A) ist besonders hervorgehoben.<br />

Bild 8.3 S. 139: Lärmwirkungsschema unter Einbeziehung von Regulations- und Bewältigungsmechanismen.<br />

Bild 8.4 S. 148: Klinisch-chemische und vegetative Veränderungen in Abhängigkeit von<br />

der Lärmbelastung in der Nähe von Flughäfen (zusammengefasst nach Babisch<br />

et al. [1993a, b]).


Tabellenverzeichnis<br />

VIII<br />

Tabellenverzeichnis VIII<br />

Tab. 5.1 S. 66: Signal/Störverhältnis-Bereiche und mittlerer tolerabler Innengeräuschpegel<br />

für bestimmte Personengruppen in enger, familiärer und schulischer<br />

Kommunikationssituation unter Berücksichtigung eines jeweils entsprechenden<br />

Sprachpegels.<br />

Tab. 6.1 S. 104: Mit dem physiologischen Modell berechnete tolerable Überflughäufigkeiten<br />

bei verschiedenen äquidistant einwirkenden Maximalpegeln am Ohr des<br />

Schläfers während 8 Nachtstunden.<br />

Tab. 7.1 S. 127: Auswahl diskutierter Einflussfaktoren auf Lärmwirkungen.<br />

Tab. 8.1 S. 142: Cortisol-Veränderungen bei 217 Kindern in lärmbelasteten und ruhigen<br />

Gebieten in zeitlichem Zusammenhang mit der Eröffnung des <strong>Flughafen</strong>s, in<br />

Klammern Standardabweichung.<br />

Tab. 8.2 S. 143: Katecholamin - und Cortisolveränderungen bei Industrie- und Verkehrslärm<br />

in Labor- und Felduntersuchungen.<br />

Tab. 8.3 S. 151: Berufliche Lärmbelastung und Hypertonie / Blutdruck.<br />

Tab. 8.4 S. 154: Bevölkerungsbezogenes attributables Risiko (AR) für arbeitsbezogene<br />

Risikofaktoren für vorzeitige Herz-Kreislaufkrankheiten in Dänemark.<br />

Tab. 8.5 S. 156: Relative Risiken von ischämischen Herzkrankheiten bei Verkehrslärm<br />

(nach Babisch [1993a, b, 1998 a, b]).<br />

Tab. 9.1 S. 169: Kriterien für besonders schutzbedürftige Einrichtungen.<br />

Tab. 11.1 S. 195: Fallzahlen und Relative Risiken (odds ratios) für bestimmte Erkrankungen<br />

bei Personen, die lärmbedingte Schlafstörungen angaben.<br />

Tab. 11.2 S. 197: Fallzahlen und Relative Risiken (odds ratios) für bestimmte<br />

Erkrankungen bei Personen, die sich durch Lärm mäßig bzw. stark belästigt<br />

fühlen.


IX<br />

Abkürzungsverzeichnis IX<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

ACTH AdrenoCortico-Tropes Hormon<br />

ADH Antidiuretisches Hormon<br />

ADV Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen<br />

AI Artikulationsindex<br />

AKLWF Arbeitskreis für Lärmwirkungsfragen<br />

AM Amplitudenmodulation<br />

ARAS Aufsteigendes retikuläres Aktivierungssystem<br />

AZ Aktenzeichen<br />

AzB Anleitung zur Berechnung von Fluglärm an Landeplätzen<br />

Beta-E Beta-Endorphine<br />

BImSchG Bundes Immissions Schutzgesetz<br />

bL<br />

Verstehensleistung<br />

BMI Body Mass Index<br />

BRAC Basic-Rest-Activity-Cycle<br />

BRD BundesRepublikDeutschland<br />

bs<br />

Sprechleistung<br />

CI Confidenzintervalle<br />

CRH Corticotropes Releasing Hormon<br />

dB Dezibel<br />

DDR Deutsche Demokratische Republik<br />

DEN Stapleton International Airport<br />

DFG Deutsche Forschungs Gesellschaft<br />

DIA Denver International Airport<br />

DIN Deutsche Industrie Norm<br />

DLR Deutsches Luft- und Raumfahrtzentrum<br />

DNA Desoxyribonucleinsäure (Englisch)<br />

DNS Desoxyribonucleinsäure (Deutsch)<br />

DORA Studie über Schlafstörungen durch Fluglärm, London 1980<br />

EEG Elektroenzephalogramm<br />

EKG Elektrokardiogramm<br />

EMG Elektromyogramm<br />

EOG Elektrookulogramm<br />

FICAN Federal Interagency Committee on Aviation Noise<br />

FM Frequenzmodulation<br />

FPI Freiburger Persönlichkeitsinventar<br />

GCR Glucocorticoid-Rezeptor<br />

GRE Glucocorticoid-Regulator-Element<br />

HCN Health Council of the Netherlands<br />

HDL-Cholestorol high density lipoprotein<br />

HHNA Hypophysen-Hypothalamus-Nebennierenrindenachse<br />

HNO Hals-Nasen-Ohren<br />

HSP Hitze-Schock-Proteine<br />

ICBEN International Commission on Biological Effects of Noise<br />

ICE-Züge InterCity-Express-Züge<br />

IHK Ischämische Herzkrankheit<br />

ISO Internationale Standardization Organisation<br />

a-bewerteter äquivalenter Dauerschallpegel<br />

LAeq


LAI Leitlinie zur Beurteilung von Fluglärm durch die<br />

Lärmschutzbehörden der Länder<br />

LASmax<br />

a-bewerteter Maximalpegel<br />

LDL Low Density Lipoprotein<br />

Ldn<br />

Lärmpegel day/night<br />

Leq<br />

äquivalenter Dauerschallpegel<br />

Lm<br />

Mittlungspegel<br />

Lmax<br />

Spitzenpegel<br />

LNA<br />

Störschallpegel<br />

LSA<br />

Sprachschallpegel<br />

MEZ Mitteleuropäische Zeit<br />

ms Millisekunden<br />

NA Noradrenalin<br />

NAL Wert Number and Level<br />

NAT Number of events above threshold<br />

NMDA-Rezeptoren N-Methyl-D-Asparaginsäure-Rezeptoren<br />

NN Nebenniere<br />

NNI Noise and Number Index<br />

NREM Non Rapid Eye Movement<br />

OR Odds ratios<br />

POMC-Zellen ProOpioMelanoCortin-Zellen<br />

PVR Prävalnezrate<br />

q Äquivalenzparameter<br />

RASTI Rapid Speech Transmission Index<br />

REM Rapid Eye Movement<br />

RNS Ribonucleinsäure<br />

RSU Rat von Sachverständigen für Umweltfragen<br />

SDI Sleep Disturbance Index<br />

SEL Sound Exposure Level<br />

SIL Speech Interference Level<br />

SPL Sound Pressure Level<br />

SRT speech reception threshold (Sprachperzeptionsschwelle)<br />

STI Speech Transmission Index( Sprachübertragungsindex)<br />

TA-Lärm Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm<br />

UBA Umweltbundesamt<br />

UVV Unfallverhütungsvorschrift<br />

VDI Verein Deutscher Ingenieure<br />

VNS Vegetatives Nervensystem<br />

vs versus<br />

WECPNL Weighted Equivalent Continuous Perceived Noise Level<br />

WHO World Health Organization<br />

ZNS Zentralnervensystem<br />

X<br />

Abkürzungsverzeichnis X


1 Aufgabenstellung<br />

1<br />

Kapitel 1: Aufgabenstellung 1<br />

Die Fraport AG erteilte am 09.09.2002 den Professoren Barbara Griefahn, Dortmund, Gerd<br />

Jansen, Düsseldorf, Klaus Scheuch, Dresden, und Manfred Spreng, Erlangen den Auftrag<br />

zur Erstellung eines lärmmedizinischen <strong>Gutachten</strong>s zur Bewertung von Lärmimmissionen<br />

als Folge des <strong>Flughafen</strong>ausbaus. Neben der Darstellung der aktuellen wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse aus der Lärmwirkungsforschung sollen Diskussionsbeiträge und Untersuchungen<br />

aus dem regionalen Dialogforum (RDF) und der Mediation <strong>Flughafen</strong> gewürdigt<br />

werden. Außerdem soll eine ergänzende arbeitsmedizinische Begutachtung von Lärmwirkungen<br />

für Beschäftigte an ausgewählten Immissionsorten (Gewerbebetriebe) vorgenommen<br />

werden.<br />

Auf der Grundlage des<br />

- technischen Lärmgutachtens von U. Isermann, R. Schmid, T. Kowalski, Deutsches<br />

Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V., Institut für Aerodynmik und Strömungstechnik<br />

Göttingen<br />

soll die Lärmbelastung für 3 Flugbetriebsszenarien in der Umgebung des <strong>Flughafen</strong>s<br />

<strong>Frankfurt</strong>/<strong>Main</strong> bewertet werden. Folgende Szenarien liegen dieser Bewertung zugrunde:<br />

Istfall<br />

Es soll der normierte Flugbetrieb des Jahres 2000 mit 240 217 Flugbewegungen in den 6<br />

verkehrsreichsten Monaten (458 371 Flugbewegungen im gesamten Jahr) bewertet werden,<br />

der auf dem bestehenden Bahnsystem abgewickelt wird.<br />

Prognosenullfall<br />

Für das Jahr 2015 wird ein Flugbetrieb mit 261 976 Flugbewegungen in den 6 verkehrsreichsten<br />

Monaten (499 000 Flugbewegungen im gesamten Jahr), der auf dem bestehenden<br />

Bahnsystem abgewickelt wird, bewertet werden.<br />

Planungsfall<br />

Dies ist ein prognostizierter Flugbetrieb für das Jahr 2015 mit 344 926 Flugbewegungen in<br />

den 6 verkehrsreichsten Monaten (657 000 Flugbewegungen im Jahr), der bei Einführung<br />

einer zusätzlichen Landebahn im Nordwesten abgewickelt wird.<br />

Die Bewertung erfolgt aufgrund der berechneten Schallbelastung in den 6 verkehrsreichsten<br />

Monaten entsprechend den Vorgaben im deutschen Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm<br />

von 1972 und auf der Grundlage einer Aufteilung der Betriebsrichtungen in Ost- und<br />

Westbetrieb, die auf dem langjährigen Mittel der Betriebsrichtungsaufteilung basiert, von<br />

den lärmphysikalischen Gutachtern als 'standardisierte Betriebsrichtungsaufteilung' genannt.


2<br />

Kapitel 1: Aufgabenstellung 2<br />

Grundlagen für die Bewertung ist ein von den Autoren dieses <strong>Gutachten</strong>s am 18.02.2002<br />

vorgelegtes 'Schutzkonzept für Fluglärmkriterien bei wesentlichen Änderungen oder Neuanlagen<br />

von Flughäfen/Flugplätzen'. Dieses Schutzkonzept wurde auf der Grundlage von 3<br />

umfassenden <strong>Gutachten</strong> der Autoren Griefahn, Scheuch, Jansen und spreng im Auftrag der<br />

Fraport AG zum aktuellen Stand der Lärmwirkungsforschung erarbeitet. Dieses Schutzkonzept<br />

wurde publiziert [Griefahn et al. 2002]. Im nachfolgenden <strong>Gutachten</strong> werden die<br />

Kriterien abgeleitet.<br />

Diese Fluglärmkriterien gelten für alle mit dem Betrieb des <strong>Flughafen</strong>s verbundenen<br />

Schalleinwirkungen auf die Umgebung eines <strong>Flughafen</strong>s.<br />

Den lärmphysikalischen Gutachtern sind seitens der Lärmwirkungsgutachter die Berechnungsgrundlagen<br />

für das lärmphysikalische <strong>Gutachten</strong> zur Verfügung zu stellen.<br />

Es sind zu bewerten der Fluglärm, der Roll- und Bodenlärm, sonstige Geräusche, die von<br />

<strong>Flughafen</strong>gelände ausgehen, Verkehrsgeräusche. Diese verschiedenen Geräuscharten sind<br />

einer übergreifenden Betrachtung zu unterziehen. Zusätzlich werden auch unter arbeitsund<br />

umweltmedizinischen Gesichtspunkten nach den hierfür geltenden Kriterien eine Bewertung<br />

der mit der Nutzung des <strong>Flughafen</strong>s verbundenen zusätzlichen Schallbelastung für<br />

im <strong>Flughafen</strong>einflussbereich liegende Betriebe vorgenommen.


Kapitel 2: Schutzziele bei adversen Umwelteinwirkungen 3<br />

2 Auffassungen von Schutzzielen bei adversen<br />

Umwelteinwirkungen als Grundlage lärmmedizinischer<br />

Beurteilung<br />

Zweifelsohne hat ein fluglärmmedizinisches <strong>Gutachten</strong> an erster Stelle die Auswirkungen<br />

des Lärms auf die Gesundheit der Anwohner an Flughäfen zu prüfen. Im Bundesimmissionsschutzgesetz<br />

(BImSchG) wird gefordert, Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden,<br />

das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen<br />

und, soweit es sich um genehmigungsbedürftige Anlagen handelt, auch<br />

vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen, die auf andere Weise<br />

herbeigeführt werden, zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen<br />

vorzubeugen. Flugplätze sind keine genehmigungspflichtigen Anlagen nach diesem Gesetz,<br />

weshalb die Vorschriften des BImSchG nicht für Flugplätze gelten. Sie werden hier<br />

aber in adäquater Weise für die Bewertung von Lärmwirkungen herangezogen.<br />

Da es in den verschiedenen, von einem solchen Schutzkonzept tangierten Wissenschaftsdisziplinen<br />

keine einheitliche, allgemein anerkannte Auffassung zu diesen verschiedenen<br />

Begriffen als Schutzziele gibt, ist eine kurze Darlegung des hier zugrunde liegenden Verständnisses<br />

der Begriffe und ihrer Einordnung in ein Schutzkonzept notwendig. Ausführlichere<br />

Darlegungen erfolgen in den entsprechenden Kapiteln.<br />

2.1 Gesundheit<br />

Krankheit – als Gegenbegriff zur Gesundheit – ist ein regelwidriger, körperlicher und/oder<br />

geistiger Zustand, der – unter versicherungsrechtlichen Gesichtspunkten – zur Arbeitsunfähigkeit<br />

oder/und zur Behandlungsnotwendigkeit führt. Gesundheit wäre dann als das<br />

Nichtvorhandensein von Krankheit zu verstehen. Zur Diagnostik der Regelwidrigkeit werden<br />

in der Medizin meist statistische, an 'Normpopulationen' gewonnene Parameter verwendet,<br />

die mit den klinisch-anamnestischen Befunden zu einem Krankheitsbild zusammengefasst<br />

werden.<br />

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierte 1946 die Gesundheit viel umfassender<br />

als 'einen Zustand vollkommenen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens<br />

und nicht allein als ein Fehlen von Krankheit und Gebrechen'. Durch diese Auffassung<br />

wurde verdeutlicht, dass Gesundheit und Krankheit nicht nur als Alternativen aufzufassen<br />

sind, und dass Gesundheit aus körperlichen, psychischen und sozialen Prozessen besteht.<br />

Doch lässt sich daraus nicht ableiten, dass man den Menschen nur noch fragen muss, ob er<br />

sich vollkommen wohl fühlt, um Gesundheit zu erfassen.<br />

In dieser Auffassung von Gesundheit werden von der WHO Ziele und strategische Orientierungen<br />

formuliert, jedoch kein messbarer Gesundheitsbegriff definiert. Aus der Nichttrennung<br />

dieser zwei Aspekte resultiert eine Vielzahl von kontroversen Diskussionen und<br />

auch mangelndes Verständnis von Umweltschutzkonzepten.<br />

3


Kapitel 2: Schutzziele bei adversen Umwelteinwirkungen 4<br />

Die Kritik an dieser WHO-Definition betrifft vor allem die Begriffe 'vollkommen' und<br />

'Wohlbefinden'. Dies wird als eine statische, illusionäre, ja entwicklungshemmende Wortverknüpfung<br />

aufgefasst. Das physische, psychische und soziale Wohlbefinden kann bei<br />

Gesunden durchaus gestört sein, wenn die Fähigkeit erhalten bleibt, es wieder zu erreichen.<br />

Es lassen sich nicht alle Lebensanforderungen in vollkommenem Wohlbefinden realisieren<br />

und bewältigen.<br />

Demnach ist Gesundheit kein statischer Zustand, sondern Merkmal eines Prozesses der<br />

individuellen Anforderungsbewältigung.<br />

So propagiert auch die WHO [1985] Gesundheit als die Möglichkeit des Menschen, 'seine<br />

physischen, geistigen und emotionalen Fähigkeiten voll zum Einsatz bringen zu können'.<br />

Die Menschen sollen ihr 'Gesundheitspotential' entwickeln und ausnutzen können, 'um ein<br />

gesellschaftlich und wirtschaftlich erfülltes Leben zu führen'. Es wird die ausschließliche<br />

'Opferperspektive' der Beeinträchtigung von Gesundheit verlassen und eine Selbst- bzw.<br />

Mitverantwortung des einzelnen Menschen für die Erhaltung seiner Gesundheit postuliert.<br />

Aus den vielen wissenschaftlichen und auch Alltagsdefinitionen zur Gesundheit lässt sich<br />

eine Reihe von Kriterien zu ihrer Beschreibung ableiten. Das ist einmal neben der Abwesenheit<br />

von Symptomen, Krankheit oder Behinderung und der Schmerz- und Beschwerdefreiheit<br />

die Feststellung, dass keine funktionellen Beeinträchtigungen von Lebensaktivitäten<br />

auftreten. Unter psychologischen Gesichtspunkten spielt insbesondere die adäquate<br />

Einschätzung der eigenen Handlungskompetenz mit Selbstvertrauen, aber auch Liebesund<br />

Genussfähigkeit, die Kapazität, sich selbständig Ziele zu setzen und diese zu verfolgen,<br />

das Suchen und Finden von 'Sinn' in allen Lebensaktivitäten eine wesentliche Rolle<br />

[Schröder 1992]. Darüber hinaus wird sowohl unter medizinischen als auch psychologischen<br />

Gesichtspunkten die Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen und die adäquate<br />

Bewältigung von Belastungen als ein wesentliches Kriterium von Gesundheit angesehen.<br />

Es verlagert sich die Auffassung und Beschreibung von Gesundheit immer mehr vom<br />

'Wohlbefinden' zu einer 'Fähigkeit', von einem passiven Zustand zur Aktivität als wesentlichem<br />

Merkmal von Gesundheit.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen: Gesundheit ist die Fähigkeit zur optimalen Bewältigung<br />

von Umweltanforderungen und damit zur Entwicklung des Individuums auf der<br />

Grundlage biopsychosozialer Prozesse.<br />

Für die Bewertung von Beeinträchtigungen, die ein lärmmedizinisches <strong>Gutachten</strong> vorzunehmen<br />

hat, bedeutet diese Diskussion,<br />

• dass innerhalb des Gleichgewichtes und damit des optimalen Ablaufes von Organfunktionen<br />

und psychischen Prozessen Schwankungen auftreten, die durchaus statistisch signifikant<br />

sein können, die aber keinerlei Relevanz für Krankheit haben;<br />

• dass Normbereiche, die in Ruhebedingungen aufgestellt worden sind, wie das bei den<br />

meisten medizinischen Normwerten erfolgte, durch Belastungen/Anforderungen über<br />

gewisse Zeitbereiche und innerhalb bestimmter Grenzen überschritten werden können,<br />

ohne dass dies Krankheitscharakter hat;<br />

4


Kapitel 2: Schutzziele bei adversen Umwelteinwirkungen 5<br />

• dass nicht das mögliche negative Erscheinungsbild der Veränderung von Organfunktionen<br />

(die sich akut aus den Normbereichen bewegen) und/oder das negative Erleben von<br />

Anforderungen und/oder die ungünstige Beeinflussung sozialer Verhaltensweisen an<br />

sich die entscheidenden Kriterien für Beeinträchtigung der Gesundheit sind, sondern die<br />

Dauer dieser Veränderungen und/oder die Dysregulation der Anpassungsvorgänge und<br />

damit die Verhinderung/Verzögerung der Änderung in Richtung einer 'Normalisierung'.<br />

Messbare und erlebbare Veränderungen unter Belastungen in diesem Rahmen dienen primär<br />

der Anpassung, d. h. der Bewältigung von Umweltanforderungen und damit der Entwicklung<br />

und Befähigung eines Lebewesens.<br />

Der Medizin wird manchmal unterstellt, dass sie die Gesundheit nur als körperliche Gesundheit<br />

auffasst [Guski 2000]. So banal ist heutige Medizin nicht. Der wesentlichste Erfolg<br />

dieser Diskussion um die WHO-Definition zur Gesundheit in der zweiten Hälfte des<br />

vergangenen Jahrhunderts ist die Betrachtung des Menschen in seiner Komplexität als somatisches,<br />

psychisches und soziales Wesen. Dies sollte nicht durch Fachgebietsdiskussionen<br />

aufs Spiel gesetzt werden.<br />

So wird auch in diesem <strong>Gutachten</strong> die Gesundheit nicht nur als somatische, körperliche,<br />

organbezogene Gesundheit verstanden [Jansen et al. 1999, Scheuch & Schröder 1990]. Aus<br />

vielen Untersuchungen in Labor und Praxis ist bekannt, dass die somatische, psychische<br />

und soziale Ebene einer Bewältigung von Umweltanforderungen nicht banal aufeinander<br />

bezogen werden können [Kastka & Paulsen 1991, Scheuch & Schröder 1990], dass subjektive<br />

Bewertungen oder Fragebogenangaben in oft geringer Beziehung zu messbaren Organveränderungen<br />

stehen und umgekehrt. Deshalb muss eine Wertung von Umweltfolgen<br />

immer auf einem komplexen Gesundheitsverständnis beruhen.<br />

2.2 Adverse Effekte<br />

Gesundheitsrelevant werden diese psychophysiologischen Anpassungsprozesse dann,<br />

wenn ihr Ausmaß die Regelmöglichkeiten des biopsychosozialen Wesens Mensch übersteigt<br />

und/oder die Anpassungsmöglichkeiten über die Zeit überfordert.<br />

In der Wirkung von Belastungen und Anforderungen einschließlich von Lärm auf den<br />

Menschen ist ein Kontinuum zu beschreiben [Scientific Expert Group der USA, 1994] von<br />

1. keine beobachtbaren Effekte<br />

2. kompensierbare Effekte ohne gesundheitliche Konsequenzen<br />

3. frühe Effekte unklarer Bedeutung ohne gesundheitliche Konsequenzen<br />

4. frühe gesundheitliche Beeinträchtigungen<br />

5. offensichtliche Erkrankungen (Scientific Expert Group der USA, 1994).<br />

Der Umschlag von 3 nach 4 bedeutet negative, d. h. adverse Effekte, die für ein Umweltschutzkonzept<br />

relevant sind. Belastungseffekte sind demnach von adversen Effekten zu<br />

5


Kapitel 2: Schutzziele bei adversen Umwelteinwirkungen 6<br />

trennen, wobei der Übergang fließend ist. Als adverse Effekte sollten nur solche belastungsbezogenen<br />

Veränderungen angesehen werden, die nach Umfang, Anzahl, Stärke und<br />

Art als<br />

− nicht mehr tolerable Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Organismus oder der<br />

Fähigkeit, zusätzliche Belastungen zu kompensieren, oder die Anfälligkeit/Empfindlichkeit<br />

für schädliche Effekte durch andere Umwelteinflüsse erhöhen<br />

− nicht mehr tolerabler Verlust an Leistungsfähigkeit oder<br />

− nicht mehr tolerable Verschlechterung des Befindens anzusehen sind (in Anlehnung an<br />

Wissenschaftliche Arbeitspapiere [DFG 1997, IPCS-OECD 1996]) oder als nicht mehr<br />

kompensierbare somatische Veränderungen zu verstehen sind.<br />

Adverse Effekte sind nachgewiesen und führen zur Notwendigkeit der Festlegung von<br />

Grenzwerten, wenn<br />

• durch die Belastung (z. B. Lärm) mit verschiedenen Methoden nachweisbare Expositionseffekte<br />

auftreten und<br />

• in verschiedenen Populationen stabile und kongruente Veränderungen bei vergleichbaren<br />

Belastungen aufgetreten sind und<br />

• wenn eine fehlende Reversibilität von Veränderungen (z. B. Leistungsdefizite, Befindlichkeitsänderungen,<br />

Blutdruckerhöhungen) zu verzeichnen ist und<br />

• wenn die Ergebnisse in Abhängigkeit von den Expositionsbedingungen reproduzierbar<br />

sind und<br />

• wenn die Stärke der Expositionseffekte gegenüber anderen, üblicherweise tolerierten<br />

Ursachen der Veränderungen bedeutsam sind und<br />

• wenn die Effekte – z. B. Beschwerden, Befindlichkeits- und Belästigungsangaben –<br />

relevant für die Gesundheit sind, d. h. die Fähigkeit des Menschen, mit Umweltanforderungen<br />

umgehen zu können, beeinträchtigen.<br />

Da nur bei der Lärmschwerhörigkeit ein spezifischer Effekt des Lärms nachweisbar ist,<br />

ansonsten der Lärm unspezifische Wirkungen aufweist, die auch bei anderen Belastungen<br />

auftreten können, mögliche Erkrankungsbilder durch Lärm durch andere Faktoren ebenso<br />

ausgelöst werden können, ist die Erfüllung aller vorher genannten Kriterien für die Lärmwirkungsforschung<br />

schwierig. Dies öffnet Tore für Spekulationen und unsachliche Diskussionen.<br />

Deshalb sind diese Kriterien die Grundlage für eine ernst zu nehmende wissenschaftliche<br />

Beurteilung auch von Lärmwirkungen.<br />

2.2.1 Belästigung und Beeinträchtigung<br />

Nach der WHO-Definition ist die Belästigung eine Gesundheitsstörung, denn sie stört das<br />

vollkommene Wohlbefinden. Jedoch auch diejenigen, die diese Definition als Schutzziel<br />

verwenden, trennen zwischen Gesundheit und Belästigung. Klein [2001, S. 120], Direktor<br />

'Umwelt und Gesundheit' der WHO, Regionalbüro Europa, definiert Lärm als 'akustische<br />

6


Kapitel 2: Schutzziele bei adversen Umwelteinwirkungen 7<br />

Energie, die die Gesundheit des Menschen oder sein physisches, geistiges oder soziales<br />

Wohlbefinden beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann'. In der hier verwendeten Auffassung<br />

von Gesundheit kann man sich belästigt fühlen, ohne dass die Fähigkeit beeinträchtigt<br />

ist, Umweltanforderungen zu bewältigen und sich selbst zu entwickeln. Belästigung kann<br />

als Auslöser zum Aneignen von Bewältigungsformen werden. Deshalb stellt Belästigung<br />

ein eigenständiges Kriterium für Lärmschutz dar.<br />

Von der einfachen Belästigung, die nach Bundesimmissionsschutzgesetz § 3 noch nicht als<br />

schädlich anzusehen ist, sind die 'erheblichen Belästigungen' zu trennen. Erst dann liegt<br />

eine adverse Wirkung vor. Während die Gefährdung im Wesentlichen einen medizinischen,<br />

d. h. pathophysiologischen Charakter hat, ist die erhebliche Belästigung dadurch<br />

gekennzeichnet, dass geräuschbedingte unerwünscht starke Beeinflussungen menschlicher<br />

Verhaltensweisen auftreten. Die Betroffenen sind in den für sie wichtigen Aktivitäten ständig<br />

behindert und die Wirkungen können nicht durch mittelbare oder unmittelbare Zusatzanstrengungen<br />

kompensiert werden. Erheblichkeit ist demnach durch das Ausmaß und<br />

auch die zeitliche Dauer der Beeinträchtigung bestimmt.<br />

Die Erheblichkeit kann durch ein weiteres Kriterium zusätzlich definiert werden. Geräuschquellen<br />

können nicht nur den Einzelnen sondern viele Menschen belästigen. Erreicht<br />

die Zahl der Gestörten oder Belästigten einen bestimmten, durch Übereinkunft festgelegten<br />

Prozentsatz, so wird der zugehörige Pegel als Beginn erheblicher Belästigung bezeichnet.<br />

Zu einem psychologischen Phänomen der Belästigung ist also eine sozialpsychologische<br />

Komponente hinzugetreten.<br />

Die erhebliche Belästigung tritt nicht nur vor der körperlichen Erkrankung ein [Ortscheid<br />

& Wende 2000], sie ist vielmehr ein eigenständiges Schutzkriterium. Sonst würde suggeriert,<br />

dass die erhebliche Belästigung Vorstufe der körperlichen Erkrankung ist und zu dieser<br />

führen muss. Der Interdisziplinäre Arbeitskreis für Lärmwirkungsfragen [AKLWF<br />

2001] unterstreicht das Schutzziel erhebliche Belästigung und erhebliche Nachteile und<br />

stellt fest, dass starke oder anhaltende Belästigung zur gesundheitlichen Beeinträchtigung<br />

führen kann als einer begründeten Annahme, die 'freilich weiterer Forschung bedarf'. Die<br />

Übergänge zur oben definierten Gesundheit sind dann gegeben, wenn durch die Belästigung<br />

die Fähigkeit zur Bewältigung von Umweltforderungen gestört ist, wobei auch hier<br />

das Kriterium der Erheblichkeit erfüllt sein muss.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die erhebliche Belästigung ein eigenständiges<br />

Schutzziel von Umweltwirkungen darstellt, obwohl es Überschneidungen zu einer erweiterten<br />

Gesundheitsauffassung gibt.<br />

2.2.2 Kommunikation<br />

Obwohl 90 % aller Informationen visuell vermittelt werden, ist die akustische, insbesondere<br />

die sprachliche Information das wichtigste Kommunikationsmittel des Menschen, das<br />

für seine Entwicklung notwendig ist. Kommunikation ist mehr als nur Informationsaustausch<br />

[Spreng 1994b], sie ist ein Prozess sozialer Interaktion und Grundlage für die Kooperation<br />

von Menschen.<br />

7


Kapitel 2: Schutzziele bei adversen Umwelteinwirkungen 8<br />

Schall kann Kommunikation stören und damit zu Lärm werden, da er in dem Moment der<br />

Kommunikationsphase unerwünscht ist oder eine Kommunikation überhaupt nicht zu<br />

Stande kommen lässt. Auf die entsprechenden Mechanismen wird in dem Kapitel 'Kommunikation<br />

und Lärm' eingegangen.<br />

Durch die Störung der Kommunikation kann die Fähigkeit zur Bewältigung von Umweltanforderungen<br />

beeinflusst werden, damit ist auch hier eine enge Beziehung zum hier verwendeten<br />

Gesundheitsbegriff vorhanden. Inwieweit die Entwicklung des Menschen gestört<br />

ist, wird in den entsprechenden Kapiteln diskutiert, da auch Leistungseffekte zu erwarten<br />

sind wie sich auch spezifische Mechanismen der Bewältigung unter häufiger Kommunikationsstörung<br />

herausbilden. Ein langfristiger Effekt zur Entwicklung von Krankheiten über<br />

Kommunikationsstörungen ist heute noch weitgehend spekulativ. Kommunikationsstörungen<br />

haben nicht nur Überschneidungen zum Gesundheitsverständnis sondern auch zur Belästigung.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Kommunikationsstörung ein eigenständiger<br />

Effekt der Lärmwirkung ist und auch als ein eigenständiges Schutzziel betrachtet wird.<br />

2.2.3 Schlafstörungen<br />

Störungen des Schlafes durch Lärm werden am gravierendsten empfunden. Deshalb sollte<br />

der Schutz des Schlafes in einem Konzept zur Vermeidung ungünstiger Lärmwirkungen<br />

eine zentrale Rolle spielen. Das Gehör ist ein jederzeit voll funktionsfähiges Alarmsystem.<br />

Der Mensch vermag Schallereignisse auch im Schlaf entsprechend ihrer Bedeutung für das<br />

Individuum einzuordnen. Unmittelbare und längerfristige Wirkungen von Schlafstörungen<br />

resultieren aus verlängertem und erschwertem Einschlafen, intermittiertem und vorzeitigem<br />

Aufwachen und damit partiellem Schlafentzug (Kap. 6). Damit führt Lärm nachts<br />

prinzipiell auch zum Erleben von Belästigung und kann, obwohl das schwieriger ist nachzuweisen,<br />

die Fähigkeit zur Bewältigung von Umweltanforderungen und der Entwicklung<br />

einschränken. Daher besteht auch eine enge Beziehung zum Gesundheitsverständnis.<br />

Langfristige Auslösung von Krankheiten durch lärmbedingte Schlafstörungen sind jedoch<br />

nach wie vor spekulativ, Beziehungen zum Wohlbefinden jedoch auf der Hand liegend.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Schutz des ungestörten Schlafes ein eigenständiges<br />

Ziel ist.<br />

2.2.4 Erholung<br />

Ein weiteres Schutzziel besteht in der Sicherung der Erholung auch tagsüber. Erholung ist<br />

ein zentraler Prozess in der Belastungsbewältigung. Lärm als unerwünschter Schall kann<br />

diesen Prozess stören. Deshalb sollte zusätzlich zum Schutz des ungestörten Schlafes auch<br />

für den Tag ein Erholungskriterium als Schutzziel formuliert werden, das besonders für<br />

erholungsübliche Bereiche angewandt werden soll.<br />

8


2.3 Lärmmedizinisches Schutzkonzept<br />

Kapitel 2: Schutzziele bei adversen Umwelteinwirkungen 9<br />

Aus dem bisher Gesagten geht hervor, dass von einem Konzept unterschiedlicher Schutzziele<br />

gegenüber Lärmwirkungen ausgegangen wird. Dies ist nach der hier vertretenen Auffassung<br />

besser als die Festlegung eines zu erreichenden Grenzwertes, weil dies<br />

• dem teilweise unbefriedigenden Erkenntnisstand in der Lärmwirkungsforschung besser<br />

Rechnung trägt<br />

• ein differenzierteres Handeln zum Lärmschutz ermöglicht<br />

• gegenwärtig utopische Zielstellungen vermeidet und damit aktuelles Handeln zum<br />

Schutz vor Lärm ermöglicht<br />

• Pauschalisierungen der Lärmwirkungen und damit Erzeugung von Risiken und falschen<br />

Sicherheiten zu vermeiden hilft.<br />

In diesem Schutzkonzept wird unterschieden zwischen Vermeidung von Krankheiten<br />

durch Lärm und Schutz der Gesundheit auf der Grundlage einer umfassenden Gesundheitsauffassung,<br />

welche die Aktivität eines Lebewesens, seine Entwicklungs-, Widerstands-<br />

und Bewältigungsfähigkeit berücksichtigt. Dies ermöglicht die Einordnung der<br />

vielfältigen Einflussfaktoren auf eine so verstandene Gesundheit, ohne dass ein simpler<br />

Reduktionismus im Sinne einer biologistischen Auffassung von Gesundheit oder eine Psychologisierung<br />

der Lärmwirkung resultiert. Es werden Verabsolutierungen von psychischen<br />

Vorgängen, Interpretationen und Empfindungen als Gesundheitskriterien vermieden.<br />

Die Bewertung von Lärmwirkungen hat immer komplex zu erfolgen, weil der Mensch als<br />

Ganzes reagiert, weil negative und positive Effekte von Belastungen stets die Resultante<br />

von physiologischen, psychologischen und sozialen Prozessen darstellen, weil der Erkenntnisfortschritt<br />

in der Wirkungsforschung nur aus dieser komplexen Betrachtung zu<br />

erwarten ist. Diese disziplinübergreifende Bewertung ist Anspruch des lärmmedizinischen<br />

<strong>Gutachten</strong>s.<br />

In der Bevölkerung wird die Krankheitsentstehung als größte Gefährdung durch Lärm angesehen,<br />

was bisher, wie noch darzulegen sein wird, durch die Wissenschaft nicht eindeutig<br />

zu beweisen ist. Daraus resultiert in der psychologischen und sozialwissenschaftlichen<br />

Lärmwirkungsforschung Unbehagen und der Versuch, auf der einen Seite die Bedeutung<br />

subjektiv empfundener Exposition und Belästigung hinsichtlich der Entstehung von<br />

Krankheiten aufzuwerten und auf der anderen Seite ihre eigenständige Bedeutung zu unterstreichen.<br />

Es werden Gesundheitsbeeinträchtigung und Krankheitsentstehung gleichgestellt,<br />

lärmbelastete und lärmbelästigte Bevölkerung unterschieden, was sich auch der Rat<br />

von Sachverständigen für Umweltfragen in seinem Umweltgutachten [SRU 2002] zu eigen<br />

machte (TZ 595). Resultierend aus der inzwischen wieder abflauenden Welle der Lebensqualität<br />

in der soziologischen, psychologischen und ökonomischen Forschung wird das<br />

Konzept einer gesundheitsbezogenen Lebensqualität als Grundlage für die Festlegung von<br />

Zumutbarkeitsgrenzen für Lärm vom SRU diskutiert [Bullinger 1996]. Im Wesentlichen<br />

auf der Basis von Fragebögen werden gesundheitliche, psychologische, soziale und funkti-<br />

9


Kapitel 2: Schutzziele bei adversen Umwelteinwirkungen 10<br />

onale Parameter erfasst. Dazu gehören die allgemeine Beschwerdehäufigkeit, von Ärzten<br />

diagnostizierte Krankheiten und der derzeitige Gesundheitszustand (erfragt bei Betroffenen),<br />

das Ausmaß von Stress und Belastungen durch Lärm, Kommunikations- und Hilfeverhalten.<br />

Die funktionelle Dimension erfasst Veränderungen des Freizeitverhaltens und<br />

der kognitiven Leistungsfähigkeit sowie Schlafschwierigkeiten unter Einfluss von Lärm.<br />

Dieses Herangehen ist aus folgenden Gründen nicht zu unterstützen:<br />

• Bereits das einfache Konzept der Belästigung hat erhebliche methodische Probleme.<br />

Die Multiplikation von Problemen führt nicht zu ihrer Lösung.<br />

• Gesundheitsbezogene Lebensqualität ist kaum abstrakt bzw. allgemeingültig zu definieren.<br />

Es besteht die erhebliche Gefahr von Ausgrenzungen bis zu Verunglimpfungen<br />

von Gruppen von Menschen.<br />

• Lebensqualität hängt – auch gesundheitsbezogen – von einer Vielfalt von Faktoren ab.<br />

Der Lärm spielt dabei eine geringe Rolle. Es ist zu erwarten, dass wie im Risikofaktorenkonzept<br />

für Herz-Kreislauferkrankungen aufgrund der nachgewiesenen Rolle anderer<br />

Faktoren der Lärm eine nur untergeordnete Bedeutung hat.<br />

• Die einzelnen Komponenten einer gesundheitsbezogenen Lebensqualität bedingen sich<br />

wechselseitig, so dass Scheineinflüsse des Lärms zu erwarten sind. Die Trivialitätsbeziehungen,<br />

die in solchen multiplen Konzepten vorhanden sind, können die Rolle von<br />

Lärm verschleiern.<br />

• Da mit einem Schutzkonzept Handlungsnotwendigkeiten zu verbinden sind, wird das<br />

Begehrensverhalten Betroffener unterstützt.<br />

Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen 2002 kommt zur Schlussfolgerung, dass<br />

weitere Untersuchungen erforderlich sind, 'um Erkenntnisse über Beeinträchtigungen der<br />

gesundheitsbezogenen Lebensqualität in routinemäßig anwendbare Standards (Grenzwerte<br />

etc.) zu übersetzen' (TZ 596). In erstaunlich unkritischer Art und Weise werden dann Festlegungen<br />

von Zumutbarkeitsgrenzen vorgeschlagen, auf die noch einzugehen sein wird.<br />

Das Konzept der unterschiedlichen Schutzziele und ihrer konkreten Untersetzung, die klare<br />

Abtrennung von Krankheitsverhütung vom Gesundheitsschutz und die Vermeidung der<br />

Trennung von Gesundheitsbeeinträchtigung von anderen Schutzzielen durch eine erweiterte<br />

Gesundheitsdefinition wird hier als tragfähiger für die Umsetzung des Schutzgedankens<br />

gegen Lärm erachtet.<br />

Risikobewertung auch für Lärmwirkungen ist stets ein komplexes Vorgehen. Sie beinhaltet<br />

(in Anlehnung an den Rat von Sachverständigen für Umweltfragen [RSU 1999]) die Wahrscheinlichkeit<br />

des Auftretens eines Schadens und das Schadensausmaß. Es werden auch<br />

die Unsicherheit des Wissens, die Ubiquität des Risikoagens und der Risikofolgen, die<br />

Persistenz des Schadens, die Reversibilität einer Beeinflussung, Langzeiteffekte, die noch<br />

nicht richtig beurteilbar sind sowie auch das Potenzial für soziale Mobilisierung und soziale<br />

Konflikte angesprochen. Bei Lärmwirkungen ist, wie im Folgenden noch darzustellen<br />

sein wird, der gegenwärtige Wissensstand noch sehr unvollständig. Außerdem besitzt Lärm<br />

10


Kapitel 2: Schutzziele bei adversen Umwelteinwirkungen 11<br />

eine hohe Konfliktträchtigkeit. Deshalb ist bei Lärmgrenzwerten stets außer dem Verursacherprinzip<br />

das Vorsorgeprinzip zu prüfen und durch Aufklärung, Kooperation und Partizipation<br />

Akzeptanz zu erreichen. Dabei betonten sowohl die Europäische Kommission als<br />

auch der Europäische Rat 2000, dass das Vorsorgeprinzip nicht willkürlich als Vorwand<br />

für protektionistische Maßnahmen anzuwenden ist. Voraussetzung ist eine klare Darstellung<br />

des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu Lärmwirkungen, die Vermeidung von<br />

weiterer Verunsicherung durch falsche Interpretationen von Ergebnissen der Lärmwirkungsforschung<br />

als auch die Vermeidung des Herabspielens von Lärmrisiken.<br />

Die Festlegung von Grenzwerten ist ein normativer Akt, der 'aus einer komplexen Güterabwägung<br />

zwischen Nutzen, Risiko und Kosten hervorgeht' [Babisch 2000b, Rohrmann<br />

1993] und nicht die Angelegenheit eines wissenschaftlichen <strong>Gutachten</strong>s. Dabei hat jedoch<br />

die Wissenschaft den Rahmen abzustecken, in dem sich politisches und ökonomisches<br />

Handeln bewegen kann. Deshalb wird in dem hier vorgelegten Schutzkonzept eine hierarchische<br />

Struktur von Orientierungswerten bevorzugt und die Angabe von Grenzwerten<br />

vermieden. Die Ergebnisse der gegenwärtigen Lärmwirkungsforschung lassen dies mit<br />

wissenschaftlicher Exaktheit auch nicht zu. Diese hierarchische Struktur von zwei Orientierungswerten<br />

und der Darstellung der Bedeutung von Schwellenwerten begründen sich in<br />

• einer Abstufung des Gefährdungspotentials<br />

• einer Abstufung der wissenschaftlichen Sicherheit der Erkenntnisse<br />

• dem Ausmaß der Betroffenheit der Bevölkerung<br />

• der Einordnung und Wertung von Ergebnissen der Lärmwirkungsforschung, die für ein<br />

Schutzkonzept nicht relevant sind, jedoch fälschlicherweise immer wieder in die Diskussion<br />

gebracht werden, z. B. Schwellenwerte.<br />

Genaueres wird bei der Ableitung der entsprechenden Orientierungswerte für die einzelnen<br />

Schutzziele in Kapitel 10 dargelegt.<br />

Zusammenfassend soll nochmals betont werden, dass unabhängig von der Einhaltung von<br />

Schutzgrenzen grundsätzlich die Strategie weitgehender Lärmminderung verfolgt werden<br />

sollte.<br />

11


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 12<br />

3 Physiologisch/psychophysiologische<br />

Reaktionen auf Schall/Lärm<br />

3.1 Direkte Reaktionen des Organismus auf Beschallung<br />

3.1.1 Sinnesorgansystem Gehör<br />

Das hochempfindliche Sinnesorgansystem Gehör reagiert auf Energiewerte, die zehnmal<br />

geringer als für das Auge sein können. Es ist auch beim Menschen das entscheidendste<br />

Warn- und Kommunikations-Organ. Das Gehör muss deshalb Tag und Nacht gegenüber<br />

der Umwelt geöffnet bzw. aufnahmebereit sein und kann sich nicht – wie das Auge mit<br />

seinen Lidern für Lichtreize – für Schallreize verschließen. Dies ist die Ursache dafür, dass<br />

Schalle aus der Umwelt stets aufgenommen werden und damit deutliche Erregungen im<br />

verarbeitenden Gehirn, insbesondere in subkortikalen Bereichen auch während des<br />

Schlafes auslösen. Diese Erregungen rufen im Organismus verschiedene Wirkungen und<br />

letztlich im Wachzustand die Empfindung 'Lärm' hervor. Lärmwirkungen werden deshalb<br />

nicht nur störend, belästigend bzw. belastend empfunden, sondern sind mit körperlichen<br />

Reaktionen verknüpft.<br />

Das sehr stark vereinfachte Schema in Bild 3.1 (links) verdeutlicht, dass die auf das Ohr<br />

treffenden Schalle (einzelfrequente Töne bis multifrequente Geräusche in unterschiedlicher<br />

zeitlicher und räumlicher Gegebenheit und in verschiedener Überlagerung) durch die Hörsinneszellen<br />

des Innenohres in körpereigene, nervöse Erregungen umgesetzt werden. Diese<br />

Erregungen werden durch Nervenbahnen als elektrische Impulsfolgen (Aktionspotentialfolgen)<br />

weiter zentralwärts zu verschiedenen Verarbeitungszentren des Gehirns geleitet.<br />

Ihre vielfältige Verarbeitung in den hochkomplexen 7 – 8 Prozessorstationen (Neuronenkerne)<br />

der Hörbahn stellt sowohl die Basis für unbewusste und bewusste, unmittelbare<br />

motorische und vegetative Aktivierungen und Reaktionen (z. B. Kopfdrehen, Stressreaktionen)<br />

als auch für das bewusste Wahrnehmen und Empfinden (z. B. Sprache, Musik) dar.<br />

Obwohl beide Bereiche nicht unabhängig voneinander reagieren, sind Aktivierungen letztgenannter<br />

Bereiche weitgehend auch Auslöser für Belästigung und Leistungsbeeinflussung,<br />

erstgenannte lösen Anpassungsreaktionen aus.<br />

Hinsichtlich des Verständnisses von Lärmwirkungen auf den Organismus müssen zunächst<br />

mindestens zwei wichtige Besonderheiten der peripheren Verarbeitungsvorgänge im auditorischen<br />

System, das hinter den hochempfindlichen Sinneszellen des Innenohres (vergl.<br />

Kapitel 8.1) beginnt, beachtet werden.<br />

In diesem Zusammenhang ist bei der Reiz-Erregungsumsetzung insbesondere das Proportional-Differentialverhalten<br />

der Sinneszellen und damit eine Überbetonung der Reizdynamik<br />

zu berücksichtigen. Darunter versteht man das für die Wahrnehmung und letztlich<br />

auch für das Überleben des Organismus zweckmäßige 'Verfälschen bzw. Überhöhen' sich<br />

ändernder Umweltreize. Dies tritt dadurch in Erscheinung, dass jede schnelle Reizänderung<br />

(z. B. prägnante Anstiegsgeschwindigkeit von momentanen Schallereignissen) mit<br />

12


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 13<br />

zunächst überproportionalen (dem Differentialquotienten des Anstiegs entsprechenden)<br />

Erregungsänderungen beantwortet wird. Diese überhöhten Erregungsverläufe erreichen<br />

beim Gehör nach ca. 50 – 200 ms (je nach Intensitätssprung und Anstiegsdauer) dann<br />

wieder ein der Reizintensität proportionales Erregungsniveau (periphere Adaptation). Beim<br />

Auge ist dieses Verhalten (zwar mit anderen Zeitfaktoren) jedem bekannt, wobei beim<br />

Einschalten des Lichts im dunklen Zimmer sofort eine zunächst starke Helligkeit empfunden,<br />

jedoch nach gewisser Zeit die dann normale Beleuchtung festgestellt wird.<br />

Unmittelbar hinter den Sinneszellen des Ohres liegt also stets eine überschießende Erregung,<br />

abhängig von der Dynamik des Anstiegs der Schalle vor, welche demgemäß das<br />

gesamte periphere und zentrale System erfasst (Bild 3.1: die Einfügung links unten zeigt<br />

beispielhaft das an einer Hörnervenfaser gemessene Überschießen der Anzahl von<br />

Aktionspotentialen pro Sekunde über der Zeit nach rechteckförmigem Einsetzen einer<br />

Beschallung).<br />

Derartige Anstiegsdynamiken sind speziell bei Schallemissionen von Schienenfahrzeugen<br />

(ICE-Züge) und motorgetriebenen Fahrzeugen (Rennwagen, Motorräder usw.) mit ca. 6 –<br />

20 dB pro Sekunde, aber auch bei niedrig fliegenden Flugzeugen (4 – 15 dB/s, bei militärischen<br />

Strahlflugzeugen bis 110 dB/s), gegenüber anderen Lärmarten beachtenswert hoch.<br />

Des Weiteren beachtenswert sind die im Sinnesorgansystem Gehör besonders ausgeprägt<br />

vorliegenden extrem schnellen nervösen Verarbeitungsbahnen. So existieren schnelle<br />

monosynaptische Nervenbahnen, welche die im Stammhirn liegende Neuronenpopulation<br />

des Vierhügelgebiets schon 5 ms nach Schalleinsatz und den sog. Kniehöcker als weitere<br />

wichtige Schaltzentralen vor Erreichen kortikaler Gebiete, nach bereits 7 ms aktivieren<br />

[Spreng 1980a, 1984a, 1985a, 1994c].<br />

Diese schallausgelösten überschießenden und schnell zentralwärts geleiteten Erregungen<br />

entfalten dann im Zuge der weiteren zentralnervösen Verarbeitung in vielen Bereichen des<br />

Gehirns und damit auf den gesamten Organismus ihre Wirkung. Dieser wird quasi gemäß<br />

dem Ruf der italienischen Landsknechte 'al´arme' ('zu den Waffen'), von dem die Bezeichnungen<br />

'Alarm und Lärm' abgeleitet sind, für Kampf und Flucht (fight and flight) akut<br />

bereit gemacht. Dabei sind für direkte motorische und vegetative Reaktionen des Organismus<br />

weniger die über unmittelbare Bahnen erreichten hierarchisch höheren Hörzentren der<br />

Hirnrinde (z. B. Perzeption der frequenzmäßigen Schallzusammensetzung, Schallrichtung,<br />

Spracherkennung usw. im auditorischen Kortex) von Bedeutung, sondern vielmehr die<br />

subkortikalen Bereiche, welche in Bild 3.1 als Retikulärformation und vor allem als Amygdala<br />

(Mandelkern) hervorgehoben sind.<br />

Erregungswirkungen, welche im Wesentlichen die Direktverarbeitungsbahnen bzw. -ebenen<br />

und letztlich das Hörzentrum und andere zentralnervöse Bereiche betreffen, sind allerdings<br />

in keiner Weise bei der Gesamtbetrachtung von Lärmwirkungen vernachlässigbar.<br />

Denn dabei handelt es sich um diejenigen Erregungen, durch die der dann als Lärm<br />

bewusst werdende Schall – zwar ohne direkte kausale vegetative oder gar gesundheitliche<br />

Auswirkungen – das Ausmaß der Belästigung der betroffenen Personen mitbestimmt.<br />

13


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 14<br />

Bezüglich physiologischer Anpassung aber auch gesundheitlicher Beeinflussung relevant<br />

ist vielmehr das primäre Aktivierungssystem der Retikulärformation (Bild 3.1), welches<br />

für Schlaf-Wach-Schaltungen verantwortlich ist, koordinierende motorische Programme<br />

(Angriff, Flucht) durchschaltbar bereithält und grundsätzlich für gesteigerte Aufmerksamkeit<br />

(Wachheitsgrad) Sorge trägt.<br />

Von besonderer, bisher nicht gebührend berücksichtigter Wichtigkeit ist jedoch vor allem<br />

der in Bild 3.1 verdeutlichend hervorgehobene Gehirnteil, die sog. Amygdala (Mandelkern),<br />

der von <strong>Teil</strong>en der Hörbahn miterfasst und damit miterregt wird.<br />

Bild 3.1: Schema der geschlossenen Wirkungskette zwischen Schall/Lärmaktivierung des auditorischen<br />

Systems und der dadurch ausgelösten vegetativen Reaktionen, insbesondere der Stresshormonausschüttung<br />

(ACTH = Adrenocorticotropes Hormon, ADH = Antidiuretisches Hormon, Beta-<br />

E. = Beta-Endorphine, CRH = Corticotropes Releasing Hormon, POMC = ProOpioMelanoCortin-<br />

Zellen, NN = Nebenniere) [nach Spreng 2001a].<br />

3.1.2 Allgemein vegetative Lärmwirkungen<br />

Alle Organismen besitzen die Fähigkeit, auf aversive Umweltreize, beispielsweise herausragend<br />

laute Schallereignisse, geeignet zu reagieren. In der gleichen Art und Weise wie der<br />

Informationsfluss zwischen sensorischer Aufnahme und gezielter motorischer Reaktion<br />

bzw. Aktion nicht ausschließlich auf rein kortikalen neuronalen Verbindungen beruht,<br />

sondern auch subkortikale Regionen einbezieht, wird dabei eine Brücke zwischen sensorischer<br />

Aktivierung und vegetativen Reaktionen weitgehend durch subkortikale Verarbeitungsbahnen<br />

des Gehirns hergestellt. Diese Bereiche beinhalten limbische (in Bild 3.1<br />

teilrepräsentiert durch Hippocampus und Amygdala) und hypothalamische Mechanismen,<br />

14


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 15<br />

die ihrerseits über schnelle Verbindungen somatomotorische Reaktionen, das vegetativautonome<br />

Nervensystem und speziell das endokrinologische System (hormonelle Stressreaktionen)<br />

beeinflussen können. Diese Mechanismen reagieren häufig auch bereits bei<br />

mangelndem introspektivem Wissen über die eigentliche Ursache einer emotionalen Antwort<br />

auf äußere Reize, ja sogar ohne bewusste Wahrnehmung, beispielsweise während des<br />

Schlafs.<br />

Von entscheidender Bedeutung für das Verständnis von Lärmwirkungen sind deshalb<br />

detaillierte Kenntnisse über Erregungsvorgänge und Verschaltungsprinzipien nicht nur im<br />

peripheren sondern auch im zentralen (subkortikalen) Verarbeitungssystem des Gehörs<br />

bzw. des Gehirns.<br />

Bei den zentralnervösen sensorisch/vegetativen Aktivierungsprozessen sind vereinfacht<br />

zwei Systeme zu unterscheiden, die beide weitgehend subkortikal gesteuert werden, jedoch<br />

unterschiedliche funktionelle Schwerpunkte haben: Das aufsteigende retikuläre Aktivierungssystem<br />

(ARAS) und das vegetative Nervensystem (VNS).<br />

Das aufsteigende retikuläre Aktivierungssystem (ARAS) aktiviert die Hirnrinde, reguliert<br />

unter anderem den Wach-Schlaf-Rhythmus des Gehirns und trägt zur Aufmerksamkeitssteuerung<br />

bei. Eine führende Rolle in diesem System spielt die in Bild 3.1 hervorgehobene<br />

Retikulärformation (Formatio reticularis) im Subkortex, ein Neuronengeflecht, das vom<br />

Hirnstamm bis ins Zwischenhirn reicht und das auch wesentliche kreislaufregulierende<br />

Neurone enthält. Sie wird einerseits durch Sinnesreize, andererseits auch durch das limbische<br />

System, das sog. 'emotionale Gehirn', angeregt. Somit können sowohl innere als auch<br />

äußere Reize den wachen und schlafenden Organismus beeinflussen.<br />

Die ebenso wichtige Hauptreaktionslinie des vegetativen Nervensystems (VNS) geht vom<br />

zentralen Regulationssystem Hypothalamus aus und erreicht praktisch alle für das hormonelle<br />

Gleichgewicht verantwortlichen Effektorsysteme: So z. B. über die Hypophyse das<br />

Drüsensystem der Nebennierenrinde (Bild 3.1, rechter <strong>Teil</strong>). Besonders hier liegt – ausgehend<br />

von dem Hörbahnteil der Amygdala – eine wichtige Kausalkette vor (s. u.), welche<br />

für das Verständnis der durch Einwirkung aversiver Schalle (Lärm) möglicherweise bewirkten<br />

Gesundheitsgefährdung von größerer Bedeutung als das retikuläre Aktivierungssystem<br />

sein dürfte. Sie ist in erster Linie für die Ausschüttung von Stresshormonen (z. B.<br />

Cortisol mit 10 bis 100-facher Wirkungsdauer und wesentlich höherer Körperzellaktivität<br />

als Noradrenalin oder Adrenalin) verantwortlich.<br />

3.1.3 Akutwirkungen über das retikuläre Aktivierungssystem und teilverknüpfte<br />

psychophysiologische Reaktionen<br />

3.1.3.1 Retikuläres Aktivierungssystem<br />

Eintreffende Reize aus der Umwelt beeinflussen über das aufsteigende retikuläre aktivierende<br />

System (ARAS) unter teilweisem Einbezug der zentralen Zwischenhirnschaltstelle<br />

Thalamus die Aufmerksamkeit und Wachheit (Vigilanz) des Organismus. Durch die dorti-<br />

15


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 16<br />

gen motorischen und autonomen Zentren (z. B. Kreislauf- und Atmungsregulation) werden<br />

motorische und autonome Reaktionen angestoßen.<br />

So werden von dort über schnellere nervöse Verbindungen des sympathischen Nervensystems<br />

bei Beschallungseinsatz z. B. sofort<br />

− kurzfristige Herzschlagfrequenzsteigerungen<br />

− kurzfristige Blutdruckanstiege<br />

− kurzfristige Gefäßwiderstandsanstiege (Reduktion der Fingerpulsamplitude)<br />

− Atemfrequenzsteigerungen<br />

− Pupillenvergrößerungen<br />

− Muskelkontraktionen<br />

− psychogalvanische Hautwiderstandsänderungen<br />

− etc.<br />

ausgelöst.<br />

Derartige Akutreaktionen auf singuläre Schallereignisse können bei hohen Maximalpegeln<br />

und großen Pegelanstiegsgeschwindigkeiten beachtliche Ausmaße annehmen: Schreckreflexe,<br />

gefolgt von Schreckreaktionen. Dies vor allem dann, wenn die Ereignisse aus relativer<br />

Ruhe auftauchen bzw. eine ausgeprägte Emergenz, also ein deutlicher Abstand zum<br />

Hintergrundgeräusch vorliegt. So sind diese Reaktionen teilweise auch bei verhältnismäßig<br />

niedrigen Pegeln subjektiv spürbar, wenn beispielsweise der durch autonome Muskelkontraktionen<br />

und Hautwiderstands-/Durchblutungsänderung hervorgerufene 'Schauder' beim<br />

Knacken eines Astes im dunklen, stillen Wald 'über den Rücken läuft'.<br />

Als ein wichtiges Zentralorgan der vegetativen Aktivierung wird vom retikulären Aktivierungssystem<br />

zusätzlich das Nebennierenmark über nervöse Bahnen (Sympathikus) erregt,<br />

wodurch beispielsweise die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin sofort ins Blut<br />

freigesetzt werden. Diese Katecholamine ermöglichen unter anderem – in Ergänzung relativ<br />

schneller nervös gesteuerter Aktivierungen – eine flexible, etwas längerwirkende (einige<br />

Minuten) Reaktion des Organismus auf äußere Reize. Daneben ist über die zentrale<br />

graue Substanz (Bild 3.1) eine direkte Durchschaltung zur Motorik gegeben (z. B. Änderung<br />

der Muskelspannung, rhythmische Mitbewegungen).<br />

Diese genetisch programmierten Reaktionen haben in erster Linie eine biologische Schutzfunktion.<br />

Gesundheitliche Bedeutung haben diese Einzelreaktionen für sich betrachtet<br />

nicht, wenn von wenigen extremen Vorgängen und vorhandenen Vorschädigungen abgesehen<br />

wird. Offen ist die Frage, inwieweit sie sich bei sehr häufigem Auslösen von beachtlichen<br />

Stresszuständen längerfristig sensibilisiert manifestieren und dann negative gesundheitliche<br />

Folgen nach sich ziehen können. Fehlen andererseits diese Akutwirkungen auf<br />

gewisse Schallereignisse, kann das ein Ausdruck mangelder Anpassungsfähigkeit sein.<br />

16


3.1.3.2 Psychophysische Reaktionen<br />

Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 17<br />

Im Zusammenhang mit psychophysischen Reaktionen ist zu erwähnen, dass Retikulärformation<br />

und Thalamus (integrativ kontrollierender Supervisor) darüber hinaus nicht nur<br />

in der Lage sind, akut bahnend oder drosselnd Sinneskanäle gegenüber anderen zu bevorzugen<br />

bzw. zu unterdrücken. Mit Hilfe höherer Assoziationssysteme tragen sie als modalitätsselektive<br />

(visuell, auditorisch usw.) Entscheidungsinstanz und auch als motivationsgesteuerte<br />

(wichtig – unwichtig) Bewertungsinstanz entscheidend zur Aufmerksamkeitszuteilung<br />

bei [Spreng 1995].<br />

Bis zu einem gewissen Grad tragen schnell ausgelöste Erregungen dieses retikulären Aktivierungssystems<br />

(ARAS) zu lärminduzierten Veränderungen im Leistungsverhalten (z. B.<br />

Aufmerksamkeitsentzug) und zur belästigenden Wirkung zusammengesetzter Schalle bei<br />

(z. B. steter Neuigkeitscharakter stärker fluktuierender Schalle).<br />

Denn letztlich ist das unmittelbar (instantan) Erlebte fundamental für die erfahrbare, beurteilende<br />

oder getriggerte Belästigungsempfindung. Dabei ist es gleichgültig ob eine Aktualerfahrung<br />

oder eine über weite Zeitstrecken ausgedehnte Totalerfahrung die subjektive<br />

Belästigungsbewertung bestimmt. Deshalb sollte das instantane Erleben so breit wie möglich<br />

in Überlegungen hinsichtlich schallausgelöster Belästigungswirkungen einbezogen<br />

werden. Allerdings stößt dabei die physiologische Betrachtung der Sinnesmannigfaltigkeiten<br />

insbesondere der Qualität an prinzipielle Grenzen, da für die qualitativen Phänomenalitäten<br />

exakte Begrifflichkeiten wie z. B. für raum/zeitliche Gegebenheiten fehlen bzw. nur<br />

Quasi-Begrifflichkeiten gebildet werden können.<br />

Jedes Erleben, auch dasjenige einer Belärmung, ist von Emotionen begleitet und jedes Verhalten<br />

ist motiviert, d. h. von inneren Zuständen des Organismus variiert (z. B. Durststillung)<br />

sowie von vorhandenen oder entstehenden Emotionen (z. B. Furcht, Freude) beeinflusst.<br />

Prinzipielle Unterschiede zwischen motivationalen und emotionalen Prozessen<br />

bestehen dabei nicht.<br />

Primär durch homöostatische Ungleichgewichte (z. B. Glucoseniveau bzw. Hungergefühl)<br />

ausgelöste Triebe werden durch Verstärkungsmechanismen zu Motivationen und wirken<br />

über Assoziationssysteme z. B. auf die triebbefriedigende Motorik (z. B. Essen) ein. Dies<br />

erklärt insbesondere die bei reizausgelösten Emotionen (z. B. Freude, Furcht) gegebene<br />

enge Verknüpfung zwischen Sensorik und Motorik (z. B. Mimik).<br />

Reizunabhängiges emotionales Verhalten (Vermeidungsverhalten: Furcht, Angst, Annäherungsverhalten,<br />

Depression, Aggression) geht mit Erregungen in wichtigen <strong>Teil</strong>en der<br />

Assoziationssysteme (z. B. Hippocampus, präfrontaler Kortex, Amygdala, Hypothalamus)<br />

einher und wird z. B. bei Nichteintreffen von Erwartungen (mismatch), Informationsüberflutung,<br />

Handlungsunfähigkeit und Stress gewisse Änderungen erfahren: Belästigung.<br />

Emotionale Stresssituationen, wie Ärger, Angst oder Freude wirken deshalb ebenfalls über<br />

das autonome Nervensystem auf das Herz-Kreislaufsystem, die Atmung, die Darmtätigkeit,<br />

den Stoffwechsel, das Pupillenspiel etc. ein.<br />

17


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 18<br />

Obwohl von vergleichbaren physiologischen Reaktionen begleitet, die Ausdruck für spezifische<br />

vegetative Anpassungsprozesse sind, haben bleibende negativ-affektive (emotionale)<br />

Zustände einen ganz wesentlichen Einfluss auf Wohlbefinden und Gesundheitszustand.<br />

Mit Angst und Furcht einhergehender Stress kann die Anfälligkeit gegenüber einer Vielzahl<br />

körperlicher Krankheiten erhöhen, sowie eine Reihe von psychischen Störungen hervorrufen<br />

[Stout & Nemeroff 1994].<br />

3.2 Kausalkette 'Hörbahn (Amygdala) – Hypothalamus –<br />

Stresshormonausschüttung' und physiologische Basis<br />

der Sensibilisierung<br />

Der laterale Bereich des Mandelkerns (Amygdala) ist <strong>Teil</strong> des auditorischen Systems. Eine<br />

Fülle von Befunden deutet darauf hin, dass die Amygdala eine kritische Struktur darstellt,<br />

welche bei Furchterfahrungen und emotionalem Lernen eine bedeutsame Rolle spielt. Neutrale<br />

sensorische Informationen werden mit afferenten Eingängen assoziiert, die als positive<br />

und negative primäre Verstärker dienen und deren affektive Bedeutung etablieren.<br />

Tatsächlich muss man heute den schnellen monosynaptischen thalamo-amygdalären Trakt<br />

für die direkte Durchschaltung von Furchtantworten verantwortlich machen, die durch<br />

akustische Reize ausgelöst werden (Bild 3.1, linker <strong>Teil</strong>). Dies ist durch eine Reihe<br />

konditionierender Experimente im Tierversuch erhärtet [LeDoux 1990, 1995, Masterton<br />

1996], aber es ist auch kürzlich gelungen [LaBar et al. 1998] unter Einsatz von echoplanarer<br />

funktioneller Kernspinresonanz zu zeigen, dass auch beim Menschen während konditioniertem<br />

Furchtlernen ein deutlicher Erregungsbeitrag aus Strukturen der Amygdala zu<br />

beobachten ist.<br />

Dieses also als Furchtzentrum fungierende System zeichnet sich durch eine außergewöhnliche<br />

Lernfähigkeit (Plastizität) aus, insbesondere hinsichtlich aversiver, also mit negativer<br />

Bewertung verbundener Schallreize [Edeline & Weinberger 1992, Lennartz & Weinberger<br />

1992, Quirk et al. 1995, Rogan & LeDoux 1995]. Diese Plastizität äußert sich z. B. in der<br />

Verkürzung von Reaktionszeiten einzelner neuronaler Elemente und in der Zusammenschaltung<br />

(Rekrutierung) zusätzlicher schnell reagierender Neurone. Neben dieser<br />

Zunahme an Reagibilität ist eine Veränderung hinsichtlich der Verarbeitung der Frequenzinformation<br />

der konditionierenden (aversiven) Schalle für viele Lärmwirkungen (letztlich<br />

auch für Sensibilisierung hinsichtlich Lärmbelästigung) von großer Wichtigkeit. Es konnte<br />

nämlich gezeigt werden [Edeline & Weinberger 1992], dass die Selektivität der neuronalen<br />

Elemente sich auf die spezifischen, den einwirkenden Schall jeweils charakterisierenden<br />

Frequenzen besonders empfindlich einstellt (Bild 3.2 und 3.3).<br />

In Bild 3.2 ist diese Eigenschaft der Veränderung des informationsverarbeitenden Verhaltens<br />

besonders verdeutlicht. Schematisch dargestellt ist die durch konditionierende, aversive,<br />

sich wiederholende Schalle bewirkte Spezialisierung der ('Hör')-Schwellenkurven<br />

(Tuningkurven) einzelner neuronaler Elemente im Zuführungsbereich zur Amygdala<br />

(Kniehöcker in Bild 3.1) bzw. im Bereich der Amygdala selbst.<br />

18


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 19<br />

Bild 3.2 Veränderung der informationsverarbeitenden Eigenschaft einzelner Neurone (Sensibilisierung) im<br />

Zuführungsbereich und innerhalb der Amygdala bei wiederholter Einwirkung konditionierender<br />

(aversiver) Schalle [nach Edeline & Weinberger 1992] (SPL = Sound Pressure Level).<br />

Subkortikale<br />

Hörbahn<br />

Schall<br />

Schall/Lärm<br />

Charakteristik<br />

Kortex Hippocampus<br />

AMYGDALA<br />

Bild 3.3: Direkte subkortikal gebahnte Erregungsdurchschaltung der schallinduzierten Aktivierung der<br />

Hörbahn über sensibilisierte Amygdala zum zentralen Regulationszentrum des Hypothalamus und<br />

dadurch ausgelöste vegetative Reaktionen (z. B. Stresshormonausschüttung) auch während des<br />

Schlafs [nach Spreng 2001b].<br />

19<br />

Hypothalamus<br />

Vermehrte Rekrutierung<br />

schneller reagierender<br />

Neurone<br />

Pointierte Abstimmung<br />

und Empfindlichkeit<br />

für typische Frequenzen<br />

Schall/Lärm<br />

Situation<br />

vegetative<br />

Effektoren<br />

Stresshormonausschüttung


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 20<br />

Vor dem Einwirken aversiver und/oder konditionierender Schalle liegt bei den meisten<br />

Elementen eine relativ breitbandige Schwellenkurve (Abstimm- bzw. Tuningkurve) vor, so<br />

dass keine nennenswerte Bevorzugung bestimmter Frequenzanteile gegeben ist (Bild 3.2,<br />

links). Nach der Konditionierung bzw. nach wiederholter Einwirkung aversiver Schalle<br />

findet sich infolge bestimmter Sensibilisierungseffekte (Bild 3.3) eine Schwellenkurve, die<br />

besonders niedrige Werte genau bei denjenigen Frequenzen aufweist, welche das konditionierende<br />

(aversive) Schallgemisch in typischer Weise charakterisieren (Bild 3.2, rechts).<br />

Damit sind die informationsverarbeitenden Eigenschaften des Gehörs so verändert, dass<br />

für derartig charakterisierende Frequenzen höhere Empfindlichkeiten vorliegen.<br />

Die logische Folge ist dann eine überproportional gesteigerte Erregung jeweils nach neuem<br />

Einwirken eben dieser prägenden Schallkonfiguration und man kann verstehen, warum<br />

gelegentlich von beachtlichen Belästigungswirkungen relativ leiser Schallquellen mit<br />

charakteristischer Frequenzzusammensetzung berichtet wird (z. B. tropfender Wasserhahn).<br />

Hinzu kommt, dass durch die Amygdala gesteuerte Reaktionen auf aversive Reize –<br />

einmal sensibilisierend eingeprägt – nur relativ schwer auslöschbar sind [Morgan et al.<br />

1995].<br />

Selbstverständlich ist auch der positive Verstärkungseffekt (Freude, Triebbefriedigung) im<br />

Bereich der Amygdala gegeben, wobei besonders noch Bereiche des Vorderhirns eine<br />

wichtige Rolle spielen. Dabei ablaufende Prägungs- bzw. Anpassungsvorgänge des<br />

Organismus (z. B. positiv motivierendes Verhalten, Appetit) können bei nicht-natürlichen<br />

Reizen (z. B. Drogen) in ganz bestimmten Umgebungsbedingungen zu Suchtverhalten<br />

führen. Hinsichtlich Beschallung und besonders bei Jugendlichen beobachtbarer Lärmappetenz<br />

(z. B. Disco) ist in diesem Zusammenhang die in Bild 3.1 aufgezeigte, über<br />

schallausgelöste Erregungen der Amygdala aktivierte und hypothalamisch gesteuerte<br />

Ausschüttung von Beta-Endorphin als wichtiges endogenes Opioid bedeutsam, welche<br />

auch Systeme erreicht, die lustvolle Erfahrungen vermitteln.<br />

Deshalb ist, wie Bild 3.1 und 3.3 verdeutlichen, von besonderer Bedeutung, dass zwischen<br />

der Amygdala und der Gehirnregion des Hypothalamus über direkte Nervenbahnen eine<br />

sehr enge aktivierende Verbindung besteht [Feldman & Weidenfeld 1998, Gray 1991]. Der<br />

Hypothalamus ist das beherrschende vegetativ-nervöse bzw. hormonelle Regulationszentrum<br />

für den gesamten Organismus. Er ist damit – neben dem retikulären Aktivierungssystem<br />

– ebenfalls verantwortlich für schnelle Veränderungen über das vegetative Nervensystem<br />

(z. B. Herz-Kreislaufsystem: Herzfrequenzsteigerung, Blutdrucksteigerung) und für<br />

länger andauernde Verschiebungen und Anpassungen des hormonellen Gleichgewichts<br />

(z. B. Stresshormonausschüttung).<br />

Damit liegt in der Tat eine Kausalkette peripherer und zentraler Aktivierungssysteme vor,<br />

welche zur Erklärung belästigender und gesundheitsbeeinträchtigender Wirkungen längerfristiger<br />

bzw. wiederholter und unausweichlicher Schalle heranzuziehen ist [Spreng<br />

2000a]. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, warum länger einwirkende nicht beein-<br />

20


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 21<br />

flussbare Geräusche niedriger bis mittlerer Intensität, aber mit spezifischem Frequenzgehalt<br />

(z. B. Flugzeuggeräusche) belästigende Erregungen und körperliche Reaktionen<br />

hervorrufen können, die – in gleichem Ausmaß – sonst nur bei teilweise lauteren Schallereignissen<br />

(z. B. lauterem Straßen/Schienenverkehrslärm) zu beobachten sind.<br />

Sehr vereinfachend formuliert kann man sich – basierend auf der Plastizität der Amygdala<br />

– das Entstehen von Lärmwirkungen durch wiederholten unerwünschten Schall wie folgt<br />

vorstellen. Durch das Einlaufen der durch Schalle bewirkten Erregungen wird die Amygdala<br />

sich unter Einfluss der gleichzeitig aktivierten Hirnrinde (Analyse des Schallereignisses:<br />

z. B. steiler Anstieg, charakteristische Frequenzzusammensetzung) und durch den<br />

für mehr komplexe kognitive Prozesse verantwortlichen Hippocampus (Analyse der<br />

Schallquelle: z. B. Flugzeug landet; Flugzeug startet) so plastisch verändern, dass der<br />

gesamte Organismus sensitiver auf derartige Geräusche wird. Im Endeffekt liegt dann ein<br />

sehr schnelles (wenige Millisekunden) und grobes Verarbeitungssystem gebahnt vor,<br />

welches auf komplexe Reize (z. B. Flugzeugschalle) mit direktem Zugriff auf vegetative<br />

und hormonelle Funktionseinheiten sowie auf emotionale Bereiche reagiert. Dies dann<br />

ohne den Zeitbedarf, der sonst notwendig ist (mindestens 150 – 300 ms), um sich kognitiv<br />

der Situation voll bewusst zu werden oder um die Bedeutung der Schalle gar ausführlich<br />

semantisch zu verarbeiten (Bild 3.3).<br />

3.3 Physiologische Bedeutung des Stresshormons Cortisol<br />

3.3.1 Freisetzung und zellfunktionsverändernde Wirkung<br />

Hormone, die das endokrine System gesteuert bzw. geregelt durch das zentrale Nervensystem<br />

über Drüsen in die Blutbahn abgibt, dienen neben dem schnellen Nervensystem<br />

ebenfalls der Informationsübertragung an Zell- und Organsysteme, wobei eine länger<br />

dauernde und globalere Wirkung erreicht wird. In erster Linie sorgen sie für Mobilisierung<br />

und Bewältigungsanpassung, sowie für Stoffwechsel, Immunabwehr und Wachstum des<br />

Organismus. Einige Hormone werden bevorzugt bei reizausgelösten (z. B. Schall, Kap.<br />

3.1.2) Aktivierungsvorgängen freigesetzt und werden – sofern sie eine zentrale Rolle bei<br />

Bewältigung von Anforderungen spielen – als Stresshormone bezeichnet.<br />

Das für Lärmwirkungen wichtigste Stresshormon, welches durch die Kausalkette Hörbahn-<br />

Amygdala-Hypothalamus freigesetzt wird (Bild 3.1), ist das Cortisol. Schlüsselsubstanz ist<br />

dabei das Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH). Es wird im Hypothalamus und in einigen<br />

anderen Hirnregionen mit der Aufgabe gebildet, Stress- und Immunreaktionen zu<br />

koordinieren und ist der Beginn einer wichtigen Hormonkaskade. Über eine besondere<br />

Blutbahn gelangt es zur Hirnanhangdrüse, der Hypophyse. Die Hypophyse gibt als Antwort<br />

das in den POMC-Zellen (ProOpioMelanoCortin-Zellen) produzierte Corticotropin<br />

(ACTH: Adreno-Corticotropes-Hormon) ins Blut ab, welches die Nebennieren stimuliert,<br />

Cortisol (Hydrocortison) und Aldosteron auszuschütten (Bild 3.1 u. 3.9). Dieses wichtigste<br />

Stresshormon gehört zu den Steroidhormonen und bewirkt z. B., dass das Herz schneller<br />

schlägt; es sensibilisiert langdauernd die Blutgefäße für die Hormone Adrenalin und<br />

Noradrenalin (Bild 3.8) und beeinflusst zudem viele Stoffwechselfunktionen.<br />

21


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 22<br />

Das ebenfalls bei Stressreizen freigesetzte Aldosteron wirkt seinerseits auf periphere Regulationsmechanismen<br />

der Niere (Renin-Angiotensin-Aldosteron-Mechanismus; vermehrte<br />

Natriumresorption mit eventuell zusätzlicher Negativierung des transepithelialen Potentials)<br />

und steigert ebenfalls die Erregbarkeit der Muskulatur der Blutgefäße (Bild 3.9).<br />

So können durch Umwelteinflüsse, z. B. durch Lärm periphere feinregulatorische Systeme<br />

aus dem Gleichgewicht gebracht bzw. bei deren längerer Einwirkung überspielt oder überaktiviert<br />

werden [Spreng 1984a]. Dabei kann einerseits das ebenfalls aus dem Hypothalamus<br />

freigesetzte AntiDiuretische Hormon (ADH) unter Umständen vergleichbar dem CRH<br />

wirkend angesehen werden, so dass eine Potenzierung der Cortisol-Produktion gegeben<br />

sein kann. Andererseits fördert ADH die Wasserresorption in der Niere und kann so zur<br />

Blutvolumensteigerung beitragen (Bild 3.9).<br />

Die Bedeutung des Glucocorticosteroids Cortisol und seiner Wirkungen kann gegenüber<br />

den bisher bei Lärmwirkungs-Untersuchungen schwerpunktmäßig betrachteten Katecholaminen<br />

(Adrenalin und Noradrenalin) aus folgenden Gründen nicht hoch genug eingeschätzt<br />

werden.<br />

Zunächst verschwindet einmal freigesetztes Cortisol (Zeitkonstante ca. 60 – 90 Minuten<br />

nicht sofort aus dem Kreislauf, wie dies bei den Katecholaminen (Adrenalin: Zeitkonstante<br />

< 3 Minuten, Noradrenalin maximal 12 Minuten) der Fall ist. Andererseits – und dies ist<br />

bezüglich gesundheitsproblematischer Wirkung besonders wichtig – ist die Lipidlöslichkeit<br />

(Durchgängigkeit durch alle Zellmembranen) des Cortisols besonders hoch, so dass die<br />

intrazellulären Cortisolrezeptoren (chemische Hormonrezeptoren) sehr leicht erreicht werden.<br />

Unter Abspaltung sogenannter Hitze-Schock-Proteine (HSP) ist dann eine sofortige<br />

Anlagerung des Hormon-Rezeptor-Komplexes an die DNA des Zellkerns gegeben, mit<br />

jeweils verändert regulierter Proteinsynthese, die dann während des Einwirkens des Cortisols<br />

nicht mehr vollständig dem Normalverhalten entspricht (Bild 3.4).<br />

Bild 3.4 Schematische Darstellung der zellfunktionsbeeinflussenden Wirkung des stark lipidlöslichen Cortisols<br />

an nahezu sämtlichen Körperzellen über die intrazelluläre Signalkaskade, wodurch Veränderungen<br />

des Normalverhaltens der Zellfunktion (Proteinsynthese) bewirkt werden können (GCR =<br />

Glucocorticoid-Rezeptor, GRE = Glucocorticoid-Regulator-Element, HSP = Hitze-Schock-Protein).<br />

22


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 23<br />

Deshalb bieten die Hitze-Schock-Proteine (HSP) eine äußerst wichtige, bisher nur ungenügend<br />

ausgeschöpfte Informationsquelle für die Stressbelastung des Organismus [Spreng<br />

2000b], denn die bisher gefundenen engen Beziehungen zwischen der Akkumulation von<br />

HSP und dem physiologischen Status des gestressten Organismus legt nahe, dass diese<br />

stärker sensitiv als andere Messgrößen für die Stressbelastung und für nachteilige physiologische<br />

Konditionen sein könnten.<br />

In der Tat haben Hoekstra et al. [1998] kürzlich gefunden, dass im Herzmuskelgewebe von<br />

Vögeln, welche lauten Schallen ausgesetzt waren, die Hitze-Schock-Proteine (HSP 70)<br />

deutlich angestiegen waren. Hoekstra und Mitarbeiter haben japanische Wachteln durch<br />

Rockmusik mit Pegeln zwischen 67,8 und 76,5 dB jeweils nur 60 Minuten pro Tag 5 bzw.<br />

10 Tage lang beschallt und diese mit Gruppen, die anderen Stressoren (z. B. Kälte, Dunkelheit,<br />

Irritation) ausgesetzt waren, verglichen.<br />

Speziell im Herzmuskelgewebe (nicht in Leber, Lunge, Niere) dieser Vögel wurde ein<br />

hochsignifikanter gewebsspezifischer Anstieg (etwa Verdoppelung) der HSP 70-Akkumulation<br />

bereits bei dieser relativ geringen Schallbelastung gefunden. Es ist erwähnenswert,<br />

dass nur diejenige Gruppe, welche der wiederholten Schallbelastung ausgesetzt war,<br />

gemäß Beobachtung, auch ausgeprägtes Furchtverhalten zeigte.<br />

3.3.2 Einfluss der Zirkadianrhythmik und Feedback-Regulation<br />

Physiologischerweise unterliegt der Cortisolspiegel im Blut gewissen tageszeitlichen<br />

Schwankungen (Bild 3.5). Diese zirkadianrhythmische Veränderung ist bereits im Konzentrationsverhalten<br />

des regulativen Hormons ACTH (Bild 3.1), welches die Nebennierenrindenzellen<br />

zur Cortisolsekretion stimuliert, zu beobachten. Durch diese ausgeprägten endogen<br />

fixierten tageszeitlichen Rhythmen des Blutcortisolspiegels (Bereich ca. 5 – 30 µg/dl<br />

im Plasma) ergeben sich in den frühen Morgenstunden deutlich höhere Werte als abends,<br />

wobei die Schwankungen nicht von den Schlafgewohnheiten abhängen und bei Schlafumkehr<br />

(Schichtarbeiter, Jetlag) nur wenig und ausgesprochen langsam einer Veränderung<br />

unterworfen sind.<br />

Zusätzlich ist zu bemerken, dass die Nebennieren jedes Menschen das Cortisol episodenhaft<br />

ausschütten (Spitzen bis 10 µg/dl), basierend auf einer ebenfalls episodischen ACTH-<br />

Ausschüttung [Voigt 1994, Yasuda & Nakamuro 1997]. Derartige Episoden treten nachts<br />

und in den frühen Morgenstunden häufiger auf und führen so zu höheren Cortisol-Spiegeln,<br />

wobei stressauslösende Reize (z. B. nächtlicher Lärm) besonders wirksam sind<br />

[Spreng 1997b].<br />

Generell ist für den Organismus bekannt, dass seine Regulations-Systeme, entsprechend<br />

der sie bestimmenden Zirkadianrhythmik [Griefahn et al. 2001a, Scheuch & Jansen 2001]<br />

in den frühen Morgenstunden auf Reize besonders stark reagieren und besonders schlechte<br />

Rückregelungseigenschaften aufweisen [Spreng 1997b].<br />

23


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 24<br />

Bild 3.5 Einfluss der Zirkadianrhythmik auf die ACTH- und Cortisolsekretion (oben) [Voigt 1994, 1996].<br />

Beispielhaftes Blutdruckregelverhalten bei massiven Änderungen durch Kippversuche am<br />

Menschen zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten (unten) [Mechelke 1959] (die Größe der<br />

schraffierten Fläche verhält sich umgekehrt zur Regelgüte).<br />

Bild 3.5 (unten) zeigt dies anhand der Gegenüberstellung der Zirkadianrhythmik des<br />

ACTH und des Cortisols, sowie der sich verändernden orthostatischen Rückregelungseigenschaft<br />

der Blutdruckregelung nach Kippvorgängen zu unterschiedlichen Zeitpunkten<br />

am Tage und in der Nacht [Mechelke 1959].<br />

Gewisse negative gesundheitliche Effekte eines dauerhaft erhöhten CRH- und Cortisolspiegels<br />

sind seit längerem bekannt, wobei direkte und indirekte Wirkungen der Cortisolausschüttung<br />

auf hämodynamische, endokrine, metabolische und anthroprometrische<br />

Bereiche beschrieben werden [Spreng 2000b]. Derartige negative Einflüsse werden trotz<br />

der prinzipiell hemmend rückkoppelnden Regelung der Hypothalamus-Hypophysen-<br />

Nebennieren-Achse (HHN-Achse) beobachtet und könnten aller Wahrscheinlichkeit nach<br />

auf einen grundsätzlich durch die Stresseinflüsse verschobenen Arbeitspunkt des Systems<br />

zurückzuführen oder durch überproportionale Aktivierung (z. B. bei Lärm durch den<br />

massiven amygdalären Erregungszustrom) und mögliche Akkumulation bewirkt sein.<br />

Unter normalen physiologischen Bedingungen koppelt zwar das aus der Nebenniere ausgeschüttete<br />

Cortisol eingeschränkt hemmend sowohl zur Hypophyse als auch zum Hypothalamus<br />

und anderen Bereichen des Gehirns über die Blutbahn zurück (Bild 3.6, schwarze<br />

Pfeile). Dieses geregelte System kann jedoch durch Umwelteinflüsse, also durch Stressoren,<br />

möglicherweise übersteuernd aus dem Gleichgewicht gebracht bzw. bei deren<br />

längerer Einwirkung – ähnlich wie z. B. bei der Blutdruckregelung (Bild 3.9) – in der<br />

Empfindlichkeit beeinträchtigt werden.<br />

24


Cortisol<br />

Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 25<br />

Lärminduzierte<br />

Erregung<br />

ZNS<br />

AMYGDALA<br />

Hypothalamus<br />

CRH<br />

ADH<br />

Hypophyse<br />

POMC<br />

ACTH<br />

NN<br />

Bild 3.6 Physiologische Feedback-Regelung der Cortisolausschüttung, die durch massive lärminduzierte<br />

Erregungen der Amygdala überspielt bzw. durch gleichzeitige Adrenalin- und Noradrenalinausschüttung<br />

deaktiviert werden kann (schwarze Pfeile: Hemmung, weiße Pfeile: Aktivierung) [nach<br />

Spreng 2001a].<br />

Es ist infolge der langsamen Abbaudynamik des ausgeschütteten Cortisols (Zeitkonstante<br />

> 60 Minuten) auch anzunehmen, dass die gegenläufige Rückregelung (u. U. als schwellenbehafteter<br />

Integralregler mit beachtlicher Totzeit nichtlinear arbeitend) massive Gegenregulationen<br />

erst ab bestimmten, relativ hohen Plamakonzentrationen des Cortisols<br />

einleitet. Überdies muss vermutet werden, dass in der Nacht bzw. ín den frühen Morgenstunden<br />

– im ansteigenden <strong>Teil</strong> der Zirkadiankurve (Bild 3.5) – andere (geringere) Ausmaße<br />

der Gegenregulationen vorliegen und dass vor allem infolge des bei Lärmeinwirkung<br />

ebenfalls verstärkt freigesetzten Adrenalins und Noradrenalins zusätzlich bahnende Einflüsse<br />

auf die Cortisolausschüttung wirken (Bild 3.6, weiße Pfeile).<br />

Dies wird unterstrichen durch Befunde [Windle et. al. 1998], welche eine etwa doppelt so<br />

große spontane Ausschüttungsmenge nach Lärm-Stimulation im ansteigenden <strong>Teil</strong> der<br />

Zirkadiankurve nachts und in den frühen Morgenstunden ergab, verglichen mit der<br />

Reaktion bei Stimulation im absteigenden <strong>Teil</strong>. Letztlich wird intensiviertem Stress eine<br />

Inhibierung des Rückkopplungsmechanismus des Cortisols zugeschrieben [Forth &<br />

Hentschler 1992].<br />

Dies alles legt eine mögliche Kumulation des Cortisolspiegels während häufiger Stimulation<br />

durch Schallreize insbesondere in den Nacht- bzw. den frühen Morgenstunden nahe<br />

und kann zur Erstellung eines darauf basierenden physiologischen Modells dienen, das<br />

25<br />

Adrenalin<br />

Noradrenalin


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 26<br />

eine noch tolerable nächtliche Stimulationszahl bei innerhalb des Normbereichs bleibendem<br />

Cortisolspiegel abzuschätzen erlaubt (Kap. 3.7).<br />

Nicht zu vernachlässigen ist neben der hier klar definierten Kausalkette (Kap. 3.2) zusätzlich<br />

ein weiterer Bereich im Hypothalamus (regio arcuata) mit Zellen, welche ohne den<br />

Umweg über die Hypophyse das adrenocorticotrope Hormon (ACTH) aus entsprechenden<br />

Präkursoren produzieren können (Bild 3.1). Derart produziertes ACTH sowie die ebenfalls<br />

dort freigesetzten Beta-Endorphine [Khachaturian et al. 1995] werden über axonale Transportmechanismen<br />

in weite extrahypothalamische Gehirnregionen transportiert. Wie kürzlich<br />

gezeigt wurde [Barna et al. 1997, Gomez-Sanchez et al. 1997], können auf diesem<br />

Wege in den so erreichten Gehirnbereichen zusätzlich Corticosteroide und Aldosteron<br />

produziert werden, die möglicherweise nicht direkt einer Feedback-Regulation unterliegen<br />

und so ebenfalls zu einem Anwachsen des Cortisolspiegels insbesondere nachts beitragen<br />

können (Kap. 3.4.2).<br />

3.4 Nachtlärminduzierte Veränderungen physiologischer<br />

Prozesse und nächtliche Stresshormonausschüttung<br />

3.4.1 Nachtlärminduzierte Veränderungen physiologischer Prozesse<br />

Die landläufige Ansicht, Schlaf sei etwa nur eine allgemeine Dämpfung der Aktivität und<br />

des Bewusstseinslevels, muss bei Betrachtung der damit verbundenen komplexen Steuerungsmechanismen<br />

z. B. des Schlaf-Wach-Rhythmus und der Schlafstadien dahingehend<br />

präzisiert werden, dass Schlaf vielmehr einen ganz spezifischen physiologischen Funktionszustand<br />

des Gehirns darstellt, der entscheidende Bedeutung für den Zustand des Organismus<br />

hat. So hat z. B. die Abfolge von bestimmten Schlafstadien (NREM-REM,<br />

REM = Rapid Eye Movement) etwas mit der Temperaturregulation und der Stoffwechselrate<br />

zu tun und ist für Mensch und Tier überlebenswichtig. Bei bestimmten Schlafstadien,<br />

wie z. B. REM, ist dabei die Durchblutungsrate des Gehirns größer als im Wachzustand.<br />

Der REM-Schlaf geht mit einem Anstieg der neuronalen RNS (Ribonukleinsäure)- und<br />

DNS (Desoxyribonukleinsäure)-Synthese einher, die einerseits für das Langzeitgedächtnis<br />

essenziell ist, andererseits die Voraussetzung für zahlreiche regenerative (z. B. Immunsystem)<br />

Funktionen des Organismus bietet.<br />

Die auch nachts, während des Schlafes, permanent gegebene Offenheit und Empfindlichkeit<br />

des Gehörs gegenüber als Pegel- bzw. Frequenzänderungen auftretenden Schallreizen,<br />

bedingen Erregungen, welche infolge der Reduktion anderer Sinnesreize in gewissen zentralnervösen<br />

Bereichen stärker ausfallen können als am Tage im Wachzustand. Treten<br />

derartige lärminduzierte Erregungen häufiger in der Nacht bzw. über einen längeren Zeitraum<br />

nachts auf, so können sie möglicherweise mit gesundheitlichen Folgeerscheinungen<br />

verbunden sein (Kap. 6).<br />

Darauf wiesen bereits frühere Messungen bezüglich physiologischer Wirkungen von<br />

Schienenlärm [Osada et al. 1972, 1974] deutlich hin; deren Ergebnisse auch pathogene-<br />

26


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 27<br />

tische Bedeutung haben können. Die Autoren haben 1972 Schienenlärm mit Spitzenpegeln<br />

von 50 und 60 dB(A) und einer Dauer von 20 Sekunden (entsprechend einer schnellen<br />

Güterzugvorbeifahrt und grob mit einem Überflugschallereignis vergleichbar) experimentell<br />

während des Nachtschlafs angeboten. In der ersten Schlafstunde wurde alle 5 Minuten,<br />

in der zweiten Stunde alle 10 Minuten und in der dritten Stunde alle 20 Minuten beschallt.<br />

Dann wurde in den verbleibenden 3 Stunden die Sequenz umgekehrt dargeboten. Dies<br />

ergab 42 Schienenlärmereignisse pro Nacht.<br />

Die Resultate der morgendlichen Blutuntersuchung zeigten signifikante Reduktionen des<br />

prozentualen Anstiegs von eosinophilen und basophilen Granulozyten (15 % statt 2 %) und<br />

eine beschleunigte Abnahme der Leukozyten (10 % statt 1 %) gegenüber einem mit rosa<br />

Rauschen vergleichbarer Intensität, Dauer und Häufigkeit – jedoch weniger sensibilisierend<br />

– beschallten Normalkollektiv.<br />

In einer weiteren Studie [Osada et al. 1974] wurden nur 18 derartige Ereignisse eingespielt,<br />

jedoch die Spitzenpegelwerte in einem Bereich Lmax = 50 bis 80 dB(A) angeboten. Bei<br />

Spitzenpegeln von 70 dB(A) erreichten die eosinophilen Granulozyten nur 12 % des<br />

Normalwertes, während sie in der Kontrollgruppe (rosa Rauschen) immerhin auf 50 %<br />

ansteigen. Vergleichbar verhielten sich die basophilen Granulozyten (nur 2 % statt 26 %).<br />

Eine beachtliche Reduktion der Leukozyten lag zusätzlich vor. Während die Kontrollgruppe<br />

nur eine Minderung um 1 % aufwies, sank der Wert bei nächtlicher Beschallung<br />

mit Schienenlärm (18 Ereignisse) um 13 %. Auch noch bei Spitzenpegeln von Lmax =<br />

50 dB(A) war die Zunahme der Granulozyten vermindert und die Abnahme der Leukozyten<br />

verstärkt.<br />

Durch die nächtliche Schienenlärmeinwirkung bereits im Spitzenpegelbereich Lmax = 50 –<br />

80 dB(A) werden also normale immunulogische Prozesse im Mittel negativ beeinflusst,<br />

wobei dies wohl im Wesentlichen durch die freigesetzten Glucocorticoide (Cortisol)<br />

bedingt ist, worauf ebenfalls schon seit längerem hingewiesen wurde [Spreng 1984a].<br />

Diese hier ausführlich geschilderten Befunde sind aus physiologischer Sicht insofern<br />

bedeutsam, da sie belegen, dass der stärker aversiv zu bewertende Schienenlärm auch<br />

wesentlich deutlichere Effekte hervorruft als das 'neutrale' rosa Rauschen mit gleichem<br />

Pegel und gleicher Darbietungsdauer (Kap. 3.2). Darüber hinaus wird insbesondere die –<br />

trotz einer hier nicht vorliegenden Langzeitbeeinträchtigung – beachtliche Wirkung gerade<br />

häufiger (42 Ereignisse) nächtlicher Lärmbelastung eindrücklich dokumentiert.<br />

Wie mit dem sehr stark vereinfachten Schema von Bild 3.1 bereits verdeutlicht, kann angenommen<br />

werden, dass die zugrunde liegenden Aktivierungsgebiete des Stammhirnteils des<br />

auditorischen zentralnervösen Verarbeitungssystems (z. B. Amygdala) sowohl beim<br />

wachen wie auch beim schlafenden Menschen in Folge der permanenten Öffnung des<br />

Gehörsystems (Gefahrensignale) jeweils ähnlich beachtliche Erregungszustände nach einlaufender<br />

Beschallung auch unterhalb der auralen Schädigungsgrenze (Lärmschwerhörigkeitsgrenze)<br />

und auch unterhalb der Aufwachschwelle aufweisen (stärkere Drosselung im<br />

Schlaf findet sich erst in höheren Hörbahnabschnitten).<br />

27


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 28<br />

Allerdings besteht die einhellige Meinung, dass die dortige Umschaltstelle für vegetative<br />

Begleitreaktionen (Stammhirnanteile) im Schlaf bei gleicher Erregungsgröße stärkere Veränderungen<br />

auslöst, entsprechend einer 10 bis 12 dB intensiveren Beschallung im<br />

Wachzustand [DiNisi et al. 1990, Jansen et al. 1995].<br />

Aufgrund der mit der Amygdala schließbaren Kausalkette zwischen gesteigerter Erregung<br />

des auditorischen Systems und gesteigerter Aktivierung des Hypothalamus-Hypophysen-<br />

Nebennieren-Systems (HHN-Achse) als auch der Auslösung extrahypothalamischer hormoneller<br />

Wirkungen kann weiterhin deutlich gemacht werden, dass durch häufige Schallreize<br />

extraaurale Lärmwirkungen im vegetativen Bereich außerordentlich vielfältig auftreten<br />

können und dass auf Dauer physiologische Regulationsmechanismen überspielt bzw.<br />

destabilisiert werden können, wodurch bei Überschreitung bestimmter Werte und Dauern<br />

chronische Funktionsstörungen entstehen und so auch die erwähnten Veränderungen z. B.<br />

im Bildungsprozess von Granulozyten und Leukozyten erklärt werden können.<br />

Diese Tatsache öffnet ein interessantes Untersuchungsfeld von möglichen Zusammenhängen<br />

zwischen stressabhängiger physiologisch-überproportionaler Cortisolproduktion<br />

bis hin zur Störung einer großen Zahl weiterer endokriner Prozesse, insbesondere bei langzeitlicher<br />

Stressaktivierung durch Umwelteinflüsse, wie beispielsweise Flugverkehrs- oder<br />

Straßenverkehrslärm. Bei langfristig permanenten Beschallungssituationen muss auch<br />

daran gedacht werden, dass negative Einflüsse letztlich auf die gesamte Hormonbalance<br />

des Organismus auftreten können (Bild 3.1).<br />

Ergänzend soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass grundsätzlich das individuelle<br />

menschliche Schallverarbeitungssystem nicht Mittelungspegel sondern stets Maximalpegel<br />

in Erregungen umsetzt und auch in der Wahrnehmung als Lärm bewertet. Daran<br />

ändert sowohl die einfache und allgemein anerkannte Messmethodik als auch die relativ<br />

gute Korrelation eines Mittelungspegels mit späteren gemittelten Befragungsergebnissen<br />

größerer Populationen hinsichtlich Belästigung nichts. Vielmehr ist aufgrund der Mittelung<br />

auf der Ursachenseite als auch auf der (Belästigungs-) Wirkungsseite diese gute Korrelation<br />

a priori wohl zu erwarten. Insbesondere muss bei häufigem nächtlichen Lärm ausschließlich<br />

die Maximalpegelbetrachtung zur Beurteilung von Wirkungen herangezogen<br />

werden, die – wie beispielsweise die Stresshormonausschüttung – sehr direkt (Kapitel<br />

3.1.3) mit den schallausgelösten Erregungen zusammenhängen.<br />

Dabei rufen nicht nur Pegeländerungen (Amplitudenmodulationen) sondern auch dynamische<br />

Frequenzänderungen (Frequenzmodulationen) ohne Pegeländerungen beachtliche<br />

Erregungen im Sinnesorgansystem Gehör hervor, wodurch auch dessen besondere<br />

Empfindlichkeit hinsichtlich informationshaltiger Schalle (z. B. Sprache) zum <strong>Teil</strong> erklärbar<br />

ist. Diese Tatsache ist in Bild 3.7 verdeutlicht, welche zentralnervöse Erregungsänderungen<br />

des menschlichen Gehirns (gemittelte evozierte Potentiale des wachen, unverletzten<br />

Menschen) zeigt. Dabei sind links derartige Antworten ausgelöst nach einem 10 dB-<br />

Sprung unterschiedlicher Anstiegsdauer ausgehend von einem 70-dB-Dauerton (1 000 Hz)<br />

dargestellt; rechts sind vergleichbare objektiv messbare Erregungen nach einer schnellen<br />

28


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 29<br />

Frequenzmodulation um 300 Hz und unterschiedlicher Dauer innerhalb eines 1700 Hz-<br />

Dauertones aufgezeigt.<br />

Bei den Erregungsantworten auf Pegeländerungen (rechte Bildhälfte: AM, Amplitudenmodulation)<br />

ist einerseits die Abhängigkeit der Erregungsgrößen von der Anstiegsdynamik<br />

der Schallreize deutlich zu erkennen, wenn die Antworten auf 10 dB-Pegelsprünge unterschiedlicher<br />

Anstiegssteilheit innerhalb eines Schallereignisses verglichen werden. Diese<br />

physiologische Reaktion ist in der Analyse von Lärmwirkungen bisher kaum beachtet worden,<br />

obwohl sie auch bei geringeren Anstiegssteilheiten (z. B. Flugzeug-Startemissionen)<br />

auftritt, wie sie hier zur besseren Darstellung verwendet wurden (Kap. 3.1.1).<br />

Andererseits wird verdeutlicht, dass in beiden Fällen (reine Pegeländerung und auch reine<br />

Frequenzänderung) beachtliche und vergleichbare Erregungsgrößen resultieren, da bei der<br />

reinen Frequenzmodulation neuronale Elemente ansprechen, die eben nur auf derartige<br />

Reizänderungen spezialisiert (Spracherkennung) sind.<br />

Bei nahezu allen bisherigen Untersuchungen, Befragungen und Schallklassifizierungen der<br />

Lärmwirkungsforschung ist dieses physiologische Faktum, dass nicht nur Pegeländerungen,<br />

sondern auch reine Frequenzvariationen, die kein Pegelmessgerät als nennenswerten<br />

Ausschlag anzeigt, tags und nachts vergleichbare Erregungen hervorrufen kann, völlig<br />

vernachlässigt worden. Speziell bei Flugzeuggeräuschen, wie sie bei Landeanflügen entstehen<br />

(Ausfahren der Landeklappen und des Fahrwerks; Geschwindigkeits- und Höhenkorrekturen)<br />

und bei Bodengeräuschen können zum <strong>Teil</strong> derartige Emissionen vermehrt<br />

auftreten.<br />

Bild 3.7 Nicht nur durch Pegeländerungen (Amplitudenmodulation: AM, linke Bildhälfte), sondern auch<br />

durch reine Frequenzänderungen (Frequenzmodulation: FM, rechte Bildhälfte) von Schallen werden<br />

je nach Dynamik (Anstiegszeit bzw. Dauer) beachtliche Erregungen (evozierte Potentiale des<br />

wachen, unverletzten Menschen) im zentralen Nervensystem des Menschen ausgelöst [nach<br />

Spreng, 1980b].<br />

29


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 30<br />

3.4.2 Nachtlärminduzierte Stresshormonausschüttungen<br />

Von besonderer Problematik sind nicht nur die durch Beschallung während des Schlafs<br />

ausgelösten Schlaftiefenänderungen, Aufwachphasen, Bewegungen usw. sondern die Aktivierung<br />

der Amygdala und damit des Hypothalamus-Systems.<br />

Schlafgestörte Menschen haben neueren Studien zufolge [Saper et al. 2001] einen doppelt<br />

so hohen Stresshormonspiegel und nicht abgebaute Hormone wie Cortisol oder ACTH,<br />

welche interessanterweise im Hypothalamus die dort für den Schlaf notwendigen Drosselungsvorgänge<br />

durch negative Rückkopplungsprozesse verhindern. Vor allem sind dies<br />

unbewusst aktivierte Stresshormon-Ausschüttungen, wobei neuere Untersuchungen dabei<br />

insbesondere die durch nächtliche Fluglärmbeschallung gesteigerten Cortisol-Ausscheidungen<br />

hervorheben, welche im Gegensatz zum Adrenalinverhalten teilweise oberhalb des<br />

physiologischen Normbereiches liegen [Spreng 1996, 1997b] und infolge der erwähnten<br />

beachtlich größeren Abbauzeitkonstanten während der Nachtzeit u. U. kumulieren können<br />

(Kapitel 3.3.2).<br />

Beispielsweise hat die Arbeitsgruppe um van Cauter [2000] kürzlich zeigen können, dass<br />

geringe Veränderungen des Cortisols vor allem in den Abendstunden und nachts zu lang<br />

anhaltenden Veränderungen z. B. im Kohlenhydrathaushalt führen können.<br />

Obwohl also bisher nach situationsbedingter Dauerbelärmung und akuter Belärmung<br />

(Kap. 8) häufig nur Trends bzw. Tendenzen vorliegen, gehen diese doch in die gleiche<br />

Richtung. Alle diese neueren Untersuchungsergebnisse zeigen, dass zumindest bei einem<br />

<strong>Teil</strong> der nächtlichem Lärm ausgesetzten Personen Veränderungen des Stresshormonsystems<br />

(z. B. persistierende Stresshormonerhöhung) bei bleibendem Lärm gegeben sind,<br />

die längerfristig bei Überschreitung gewisser Werte und Dauern mögliche funktionelle und<br />

organische Beeinträchtigungen zur Folge haben könnten.<br />

Des Weiteren stützen sie frühere und teilweise angezweifelte Resultate, die von Maschke<br />

et al. [1995] bereits ermittelt wurden. In Feldversuchen an 28 gesunden, jedoch bereits<br />

über sehr lange Zeiten durch Flug- und Straßenlärm belasteten und damit sensibilisierten<br />

Anwohnern wurde das subjektive Schlaferleben und die renale Stresshormonausscheidung<br />

bestimmt. Diese Untersuchungen betrafen insbesondere den Bereich der späteren Nachtzeit<br />

(24 bis 4 Uhr). Die Autoren haben in den Nächten mit in das häusliche Schlafzimmer<br />

eingespieltem Fluglärm signifikant durch die Belärmung gesteigerte Adrenalin- und<br />

insbesondere erhöhte Cortisolkonzentrationen im Harn nachgewiesen.<br />

Es ist das Verdienst der Autoren, bei diesen Feldversuchen erstmals aufgezeigt zu haben,<br />

dass die Cortisolwerte im Harn der untersuchten Personen nicht nur deutlich über der<br />

Norm lagen, sondern auch in den Nächten mit experimenteller Fluglärmbelastung eine<br />

eindeutige und signifikante Steigerung aufwiesen, die im Gegensatz zum Adrenalinverhalten<br />

eher als bedenklich angesehen werden muss [Spreng 1996, 1997b].<br />

30


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 31<br />

Eindeutige Dosis-Wirkungsbeziehungen lassen sich derzeit jedoch nicht für die vermehrte<br />

Produktion und Ausschüttung von Hormonen erstellen, möglicherweise deshalb, weil<br />

während der Sammelperiode zahlreiche weitere Stressoren einwirken, die zur kumulierten<br />

Reaktion des Organismus beitragen. Es wird vermutet, dass der Organismus die autonomen<br />

Funktionsänderungen über einen gewissen Zeitraum toleriert, dass diese auf Dauer<br />

jedoch pathogen wirken, wobei infolge der Komplexität nicht unbedingt spezifische,<br />

monokausal durch Lärm verursachte Krankheiten zu erwarten sind, allerdings Lärm die<br />

Manifestation multifaktorieller Erkrankungen beschleunigen kann [Griefahn et al. 2001a].<br />

Die in der Studie von Maschke et al. [1995] gemessenen Veränderungen sind bereits bei 16<br />

Ereignissen mit Spitzenpegeln von Lmax = 55 dB(A) beobachtbar bzw. zwischen den<br />

gewählten Pegeln (Lmax = 55, 65 dB(A)) und den beiden benutzten Ereignishäufigkeiten<br />

(16, 64 Ereignisse) ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. Dies veranlasst die<br />

Autoren, von einem möglichen Erreichen eines physiologischen Sättigungseffektes bereits<br />

bei den gewählten Beschallungskonfigurationen zu sprechen und die Frage nach weiteren<br />

kritisch vergleichenden Folgeuntersuchungen hinsichtlich eines niedriger (Lmax < 55<br />

dB(A)) liegenden Schwellenwertes (physiologische Überproportional-Reaktionsschwelle,<br />

Kap. 3.6.1) zu stellen.<br />

Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass der Organismus<br />

sich gemäß Bild 3.5 in dem gewählten Zeitraum von 24 bis 4 Uhr im Allgemeinen aus<br />

dem Minimum der vagotrophen Phase heraus wieder in Richtung ergotrophe Phase einstellt<br />

(Zirkadian-Rhythmus). Ab etwa 24 Uhr wird das Minimum der ACTH-Sekretion und<br />

damit verbunden dasjenige der Cortisol-Sekretion mit aufsteigender Tendenz verlassen.<br />

Dieser Beginn der morgendlichen Cortisol-Sekretion ist übrigens eng gekoppelt an die<br />

EEG-Phasen, die auch das Erwachen charakterisieren. Wie Bild 3.5 erkennen lässt, haben<br />

frühere Untersuchungen bezüglich des Verhaltens vegetativer Regelkreise gezeigt, dass<br />

externe Stimulationen des vegetativen Systems gerade in dieser aus dem Minimum aufsteigenden<br />

morgendlichen Phase zu massiven Regulationsschwankungen, überschießendem<br />

Verhalten und gar Fehlregulationen führen [Spreng 1984a, b].<br />

Die vorgelegten Ergebnisse dieser umfangreichen Untersuchung in Verbindung mit psychologischen<br />

Analysen erhärten die These, dass Nachtlärm im Vergleich mit Tagesbelärmung<br />

als besonderer Disstress zu bewerten ist, welcher das interne Milieu auch ohne<br />

Aufwachreaktionen verändern kann. Insbesondere die in einigen Untersuchungen über der<br />

Norm liegende und teilweise unter Lärm erhöhte Cortisol-Ausscheidung im Harn ist ein<br />

Hinweis auf gesundheitliche Risiken einer häufigen bzw. andauernden Nachtlärmexposition<br />

und sie lässt auch die eingangs angeführten sehr frühen Messungen bezüglich gesundheitlicher<br />

Wirkungen von Schienenlärm [Osada et al. 1974] in einem neuen Licht<br />

erscheinen.<br />

Die Besonderheit der nächtlichen Lärmbelastung wird durch einen kürzlich vorgetragenen<br />

Befund eines Feldversuchs der Arbeitsgruppe um Hume [Whitehead & Hume 2001] unterstrichen.<br />

Sie fanden innerhalb von drei Beschallungsnächten mit Fluglärm im eigenen<br />

Schlafzimmer bei Pegeln Lmax = 50, 55, 60 und 65 dB(A) einen eindeutigen Anstieg der<br />

31


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 32<br />

Herzrate (Verdopplung gegenüber der Kontrollgruppe) bei 83,5 % der eingespielten<br />

Fluglärmereignisse (randomisierte Abstände zwischen 20-40 Minuten). Dabei waren die<br />

größten Effekte während der REM-Schlafphase (Kapitel 6) feststellbar. Das dabei<br />

beobachtete Nichtvorhandensein einer Anpassung innerhalb der Einzelnacht und auch über<br />

den ganzen Versuchszeitraum, sowie die Tatsache, dass die lärminduzierten Steigerungen<br />

der Herzrate unabhängig vom gewählten Pegelwert (nur Verkürzung der Latenz mit wachsendem<br />

Pegel) gleichartig auftraten ist von großer Bedeutung für die Beurteilung nächtlicher<br />

Lärmbelastungen.<br />

In die gleiche Richtung deuten auch die Befunde der kürzlich veröffentlichten Studie<br />

'Spandauer Gesundheit-Survey' [Maschke et al. 2002], die nur in Relation zur nächtlichen<br />

Lärmbelastung und nicht zu derjenigen am Tage zum <strong>Teil</strong> monoton ansteigende Dosis-<br />

Wirkungs-Beziehungen beispielweise hinsichtlich Beeinträchtigungen des Herzkreislaufsystems<br />

aufzeigen.<br />

3.5 Wirkungen schallausgelöster Reaktionen im Organismus<br />

aus physiologischer Sicht<br />

3.5.1 Mögliche Wirkungen an verschiedenen Organsystemen<br />

Mit der Bestätigung der Kausalkette zwischen schallinduzierter Erregung des auditorischen<br />

Systems und quasi-reflektorischer Stresshormonausschüttung (z. B. Cortisolausschüttung),<br />

kann als weiterer Schritt die Verknüpfung mit epidemiologisch ermittelten und möglicherweise<br />

noch feststellbaren Beeinträchtigungen verdeutlicht werden. Dabei spielen der<br />

Momentanschallpegel bzw. die Schallpegelspitzen eine entscheidende Rolle. Es sind aber<br />

auch in gewissem Maße die Schalldynamik (Anstiegssteilheit, Differenz zum Hintergrundpegel),<br />

die Frequenzzusammensetzung und Informationshaltigkeit der Schalle von Bedeutung,<br />

und schließlich die Dauer und Anzahl von Einzelereignissen. Von besonderer Problematik<br />

ist, wie oben näher ausgeführt, die gemäß Bild 3.3 massiv auftretende Aktivierung<br />

der Amygdala und damit des Hypothalamus-Systems.<br />

Wie bereits ausgeführt (Kap. 3.3.1), beeinflusst z. B. das Stresshormon Cortisol ohne<br />

Umwege die chemo-regulatorischen Prozesse innerhalb einer Vielzahl von Organzellen<br />

mit entsprechenden physiologischen Wirkungen, die in Bild 3.8 schematisch dargestellt<br />

sind.<br />

Die in vielen Fällen bei mehrfacher und langdauernder Belärmung beobachtbare überproportionale<br />

Cortisolfreisetzung weist auf ein langfristig verstärktes Anwachsen des adrenokortikotropen<br />

Hormons (ACTH) hin, welches auf dem Blutwege für die Cortisolfreisetzung<br />

aus der Nebenniere Sorge trägt und darüber hinaus eine Vielzahl von Einflussmöglichkeiten<br />

auf mehrere fein abgestimmte periphere Regulationsmechanismen (auch<br />

über Aldosteronfreisetzung wie in Bild 3.9 gezeigt) im Sinne eines Überspielens bzw.<br />

Bevormundens und damit Fehlverhaltens eröffnet. So ist in Bild 3.9 beispielsweise auch<br />

auf die Tatsache hingewiesen, dass Cortisol die Adrenalin- bzw. Noradrenalin-Wirkung an<br />

den Blutgefäßen potenziert und dass das Vorläuferprodukt ACTH (Bild 3.1 und 3.5) zirku-<br />

32


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 33<br />

lierendes Angiotensin freisetzt, welches über komplexe Wege z. B. Neurone der Medulla<br />

beeinflussen und so die Empfindlichkeit der Blutdrucksensoren [Busse, 1997] reduzieren<br />

kann. Langfristig ist so die Möglichkeit einer dadurch verursachten bzw. bei entsprechender<br />

Veranlagung gesteigerten essentiellen Hypertonie nicht von der Hand zu weisen<br />

[Spreng 1984a].<br />

Magen<br />

HCL-<br />

Sekretion<br />

Blutzellen<br />

Lymphopenie<br />

Eosinopenie<br />

Leukozytose<br />

Polyglobulie<br />

Thrombozytose<br />

CORTISOL<br />

Muskel, Knochen<br />

Bindegewebe<br />

Proteinabbau<br />

Bild 3.8 Physiologische Wirkungsbereiche des Nebennierenrindenhormons Cortisol [nach Lang 1990].<br />

In erster Linie bedeuten zwar Stresshormone Anpassung, und nur bei längerfristiger überproportionaler<br />

(nicht hyperaktiver) Aktivierung, verzögertem Abbau und vor allem Ausbleiben<br />

einer normalisierenden Rückführung mit möglicherweise bleibenden Veränderungen,<br />

wobei die Grenzen zwischen Anpassung und Fehlanpassung, die zu Erkrankungen<br />

führen, fließend sind und von vielen Faktoren abhängen [Scheuch & Jansen 2001].<br />

Die besondere Problematik möglicherweise durch nächtliche Belärmung erhöhter Cortisolkonzentrationen,<br />

im Gegensatz zu gesteigerten bzw. erhöhten Adrenalinkonzentrationen,<br />

wird dadurch deutlich, dass Cortisol eine Vielzahl von zunächst physiologischen, bei langfristiger<br />

Gegebenheit und Überschreitung bestimmter Werte und Dauern jedoch auch<br />

pathogenen Wirkungen nach sich ziehen kann [Spreng 1997b, 2000b]. Direkte physiologische<br />

Wirkungen sind z. B.:<br />

– Hemmung des Glukose-Transportes und der Glukose-Verwertung mit Erhöhung des<br />

Blutzuckerspiegels<br />

– verstärkter Abbau von Eiweißen, Förderung des Knochenabbaus und des Abbaus der<br />

Muskulatur<br />

– Verringerung des Thymusgewebes und der Lymphknotengewebe<br />

– Absenkung der zirkulierenden eosinophilen und basophilen Leukozyten und der<br />

Lymphozyten [Osada et al. 1974]<br />

33<br />

Lipolyse<br />

Fett<br />

Kreislauf<br />

Hypertonie<br />

Gefäßabdichtung<br />

Niere<br />

Na-Retention<br />

Verlust Mg, K, H


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 34<br />

– Verminderung der zellulären Immunität und Blockade der Freisetzung, sowie des<br />

Effektes der meisten Lymphokine<br />

– Steigerung der Empfindlichkeit von Adrenozeptoren und anderen vasokonstriktiver<br />

Substanzen<br />

– Steigerung der Magensaftsekretion.<br />

Diese Wirkungen könnten bei entsprechend hohen, überkritischen Lärmbelastungen u. U.<br />

bereits bei – in Bezug auf den jeweiligen individuellen physiologischen Toleranzbereich –<br />

leicht erhöhten Konzentrationen gegeben sein, die noch innerhalb oder nur geringfügig<br />

über dem allgemeinen Normalbereich liegen.<br />

In diesem Zusammenhang ist besonders auf die nicht lärmgebundenen Untersuchungen<br />

von Samra et al. [1998] hinzuweisen, welche bereits bei akut produzierter Hypercortisolämie<br />

sofortige Einflüsse auf die Regulation der Lipolyse (Anstieg von Glycerol und freien<br />

Fettsäuren im Blut) festgestellt haben (Kap. 8). Dabei ist aus physiologischer Sicht<br />

besonders auf die recht kurzfristige Cortisolwirkung hinzuweisen. Bei den Untersuchungen<br />

von Samra et al. [1998] erfolgte nämlich bei gesunden Probanden randomisiert eine 11stündige<br />

intravenöse Dauerinfusion von Hydrocortisol, so dass eine mittlere Plasmakonzentration<br />

von 1 500 nmol/L gegenüber Normalwerten von 335 nmol/L, also eine 4 bis 5fache<br />

Erhöhung, die bei Lärmbelastungen nicht relevant sind, vorlag. Lipolytische Prozesse<br />

im subkutanen abdominalen Fettgewebe einerseits und im Gesamtkörper (Fettsäure-,<br />

Glycerolkonzentration im Blut) andererseits wurden über einen Zeitraum von 1,5 Tagen<br />

mit einer Nachtschlafphase gemessen.<br />

Unter physiologischen Wirkungen besonders zu erwähnen ist an dieser Stelle auch der in<br />

Bild 3.8 angeführte, teils unter Cortisoleinfluss hervorgerufene Verlust von Magnesium im<br />

Bereich der Niere. Zusätzlich ist auch unter physiologischen Bedingungen infolge eines<br />

verstärkten, durch lärminduzierte überproportionale ACTH-Konzentrationen (Bild 3.1)<br />

verursachten Aldosteronanstiegs (Bild 3.9) im aufsteigenden <strong>Teil</strong> der Henleschen Schleife<br />

der Niere mit verminderter Magnesiumresorption (eventuelle Negativierung des transepithelialen<br />

Potentials infolge erhöhter Natriumresorption) und damit ebenfalls mit Magnesiumverlusten<br />

zu rechnen [Spreng 1984a]. Tatsächlich wurden unter Stresseinfluss (speziell<br />

auch bei Lärmbelastung) deutliche Magnesiumverluste festgestellt (z. B. überproportional<br />

im Myokard von Ratten mit Magnesium-Mangelernährung und 3-monatiger Lärmexposition<br />

[Ising et al. 1979] und vor allem im Serum unter strenger Magnesium-<br />

Mangeldiät und audiogenem Stress). Auch bei Lärmarbeitern im Vergleich mit und ohne<br />

Gehörschutz konnte eine Magnesiumreduktion festgestellt werden [Ising 1981]. Magnesiumverlust<br />

kann aufgrund bestimmter physiologischer Prozesse langfristig zu einem<br />

Anstieg der Triglyceride (LDL) und zu Hypercholesterinämie, sowie infolge Abnahme der<br />

Prostaglandine zu verminderter Vasodilatation und reduzierter Aggregationshemmung mit<br />

erhöhter Gefahr von Arteriosklerose führen. Weiterhin ist bei Magnesiummangel an eine<br />

Steigerung der konstriktorischen Wirkungen im Gefäßbereich, an neuromuskuläre und<br />

vegetative Übererregbarkeit (z. B. Colon irritabile) und eventuell an Störungen im Bereich<br />

zentralnervöser Strukturen (z. B. NMDA-Rezeptoren) zu denken.<br />

34


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 35<br />

Generell ist so die in Bild 3.3 aufgezeigte enge Kopplung der Schlüsselkomponente Amygdala<br />

(Furchtzentrum) in der Hörbahnverzweigung mit dem vegetativen Regulationszentrum<br />

des Hypothalamus verantwortlich für weitgefächerte Änderungen in der physiologisch-homöostatischen<br />

Gleichgewichtslage des Organismus, wodurch bei Überschreitung<br />

bestimmter Werte und Dauern langfristig die Gefahr pathogener Wirkungen gegeben sein<br />

kann und unterschiedlichste Einflüsse auf Organfunktionen erwartet werden können<br />

[Spreng 1984a, 2000b]. Diesbezüglich sind auch Wirkungen auf das hypothalamischhypophysär-ovarielle<br />

System zu vermuten, so dass auch Einflüsse auf die Schwangerschaft<br />

aus physiologischer Sicht denkbar sind.<br />

Mit der oben verdeutlichten engen Kopplung sind letztlich eine Reihe von Befunden teilweise<br />

erklärbar, die beim Vergleich stärker belärmter und weniger belärmter Personengruppen<br />

beobachtet wurden. Dabei dürfen einerseits infolge großer individueller Unterschiede<br />

und durch den Einfluss anderer Stressoren im Mittel keine allzu großen (hochsignifikanten)<br />

Normabweichungen erwartet werden, andererseits können bereits gleichgerichtete<br />

Trends bedeutsame Hinweise auf potenzielle Gesundheitsgefahren liefern.<br />

Allerdings ist eine unmittelbare 'Ursache-Wirkungs (Krankheits-)Beziehung' bei der gegebenen<br />

Multikausalität und differenten Erkrankungsstruktur für den einzelnen Faktor Lärm<br />

nur äußerst schwer festzustellen [Scheuch & Jansen 2001], insbesondere weil sich die<br />

pathophysiologisch zu erwartenden Gesundheitsstörungen größtenteils langfristig entwickeln<br />

(Kap. 8), wobei neben den akustischen Parametern des Lärms individuelle und<br />

situative Bedingungen eine wesentliche Rolle spielen [Griefahn et al. 2001a]. Hinsichtlich<br />

längerfristiger Wirkungen besteht deshalb ein erheblicher Forschungsbedarf, der sich an<br />

den hier geschilderten physiologischen Gegebenheiten und Möglichkeiten orientieren<br />

sollte.<br />

3.5.2 Beeinflussungsmöglichkeiten speziell des Kreislaufsystems<br />

Es ist aufgrund der Komplexität der physiologischen Wirkungen von Lärm auf den<br />

Organismus äußerst schwierig, fundierte kausale Beziehungen zu Herz-Kreislauferkrankungen<br />

nachzuweisen, so dass die Mehrzahl bisher vorgelegter Studien epidemiologisch<br />

und methodisch erhebliche Schwächen aufweisen.<br />

Deshalb wird die eingangs erarbeitete kausale Funktionskette<br />

Schall Hörbahn Amygdala Hypothalamus Nebenniere Cortisolexkretion<br />

Blutbahn Veränderung chemoregulatorischer Zellprozesse Gesundheitsbeeinträchtigung<br />

als eine mögliche Wirkung von Lärm auf den peripheren Kreislaufbereich (Blutgefäße),<br />

der entscheidend bei der Blutdruckregelung mitbeteiligt ist, anhand von Bild 3.9 beschrieben<br />

[Spreng 1984a].<br />

Vereinfachend existieren bei Lärmeinfluss mindestens vier physiologische Wege gleichsinnig<br />

steigernder Einwirkung auf den Blutdruck, wobei die direkten nervösen, über die<br />

Kreislaufregulation am Herzen und an den Gefäßen angreifenden, schnellen Anpassungs-<br />

35


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 36<br />

maßnahmen hier nicht berücksichtigt, sondern nur die längerfristigen humoralen Vorgänge<br />

betrachtet sind.<br />

(I) Die über den Sympathikus ausgelöste Freisetzung von Katecholaminen, insbesondere<br />

Noradrenalin, aus dem Nebennierenmark bewirkt, über den Blutweg an die Rezeptoren<br />

der Gefäße gelangend, eine Vasokonstriktion und damit durch Erhöhung des Gefäßwiderstandes<br />

eine nur kurzfristige (wenige Minuten) Blutdrucksteigerung.<br />

(II) Über das hypothalamisch-hypophysäre System wird die ACTH-Einwirkung auf die<br />

Nebenniere gesteigert. Dies führt hauptsächlich zu der ausführlich erläuterten, längerfristig<br />

wirksamen Cortisolausschüttung, welche neben anderen Wirkungen (Bild 3.8)<br />

an den peripheren Gefäßen die Noradrenalinwirkung zusätzlich sensibilisiert und damit<br />

die ursprüngliche Widerstandssteigerung länger wirkend (ca. 1 Stunde) noch erhöht.<br />

(III) Über die lärminduzierte, bei häufigem Lärmeinwirken persistierende ACTH-<br />

Ausschüttung (vergleiche Bild 3.1) wird in gewissem Maße auch Aldosteron aus der<br />

Nebenniere ohne Feinregulation abgegeben bzw. stressinduziert in das feingeregelte<br />

System 'eingepresst', mit der Folge einer verstärkten Erregbarkeit der glatten Gefäßmuskulatur<br />

gegenüber konstriktorischen Reizen. Die dadurch mögliche Nierenminderdurchblutung<br />

wirkt massiv auf die Reninfreisetzung ein, wodurch letztlich natürlich<br />

auch der Vasokonstriktor Angiotensin in erhöhter Konzentration vorliegt. Die<br />

durch Noradrenalinausschüttung eingeleitete, durch Cortisol verstärkte Widerstandsänderung<br />

der Gefäße wird durch das Angiotensin noch potenziert.<br />

(IV) Das ebenfalls stressabhängig vermehrt freigesetzte antidiuretische Hormon (ADH)<br />

bewirkt eine gesteigerte Wasserresorption im Sammelrohr der Niere, wodurch ein erhöhtes<br />

Blutvolumen gegeben ist.<br />

Zusammenfassend kann so hinsichtlich möglicher, lärminduzierter Blutdruckerhöhung aus<br />

physiologischer Sicht gesagt werden: Die durch Lärm – wie auch durch andere Stressoren<br />

– hervorgerufene physiologische Blutdrucksteigerung kann bei langdauernder Einwirkung<br />

– je nach Anlage und psychischer Einstellung – eine Hypertonieerkrankung einleiten, wie<br />

dies beispielsweise für höhere Verkehrslärmbelastung aufgezeigt werden konnte [v. Eiff &<br />

Neus, 1980]. Die unmittelbaren physiologischen Gründe können z. B. sein:<br />

a) langfristiges Mindern der Sensibilität bzw. Bevormunden eines <strong>Teil</strong>s der feinregulatorischen<br />

peripheren Regulationskreise (z. B. Renin-Angiotensin-Aldosteron-Mechanismus),<br />

verbunden mit deren teilweisem Funktionsverlust.<br />

b) langdauernde bzw. bleibende Erhöhung der Verstärkung anderer peripherer Regulations-<br />

bzw. Steuermechanismen (z. B. Sensibilisierung der Noradrenalinrezeptoren<br />

durch Cortisol).<br />

c) Überbeanspruchung und Empfindlichkeitssenkung der Barorezeptoren sowie Hypertrophie<br />

der Gefäßmuskulatur durch häufige akute Blutdrucksteigerungen.<br />

Die in Bild 3.9 erläuterten möglichen Wege lärminduziert erhöhter Gefäßkontraktionen<br />

und damit gesteigerter Blutdruckwerte spiegeln sich zum <strong>Teil</strong> auch in Messungen der Fin-<br />

36


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 37<br />

gerpulsamplitude (Durchblutungsminderung infolge Gefäßkonstriktion) wieder [Jansen<br />

1967]. Dabei ist bei andauernder Beschallung (30 min) nach der schnellen, über direkte<br />

nervöse Bahnen ausgelösten Initialreaktion (ca. 10 s) zunächst eine mehrminütige Rückbildung<br />

infolge der Abbauzeitkonstanten (3 bis max. 12 min) des Adrenalin/Noradrenalins<br />

(I in Bild 3.9) zu beobachten. Bei langzeitiger, mehrfacher Wiederholung der Versuche<br />

zeigt sich jedoch auch nach 30 Minuten noch kein vollständiges Erreichen des Ausgangswertes,<br />

wodurch die zusätzliche Wirkung z. B. des Cortisols (II in Bild 3.9) mit Abbauzeitkonstanten<br />

von ca. 60 Minuten und diejenige anderer Einflüsse möglicherweise auch<br />

eine Rolle spielen kann.<br />

Hypertoniefördernde Auswirkungen von Lärmbelastungen sind jedoch in der Tat berichtet<br />

worden [z. B. Babisch 2000a]. Allerdings stellt Babisch hier und bereits in einer früheren<br />

Zusammenstellung [Babisch 1998a, b] fest, dass die epidemiologische Evidenz für verkehrslärmbedingte<br />

– auf mittelungspegelangaben beruhende – Erhöhungen der Hypertonierate<br />

sehr gering ist.<br />

Renin-<br />

Angiotensin -<br />

Aldosteron -<br />

Feinregulation<br />

Sympathiku-<br />

ACTH ADH<br />

Nerv<br />

Nebennierendrüse<br />

Aldosteron Cortisol Nor/Adrenalin<br />

III<br />

Vermehrt<br />

freigesetztes<br />

Aldosteron<br />

Angiotensin<br />

II<br />

Gesteigerte<br />

Empfindlichkeit<br />

durch vermehrt<br />

freigesetztesCortisol<br />

Verstärkte<br />

Gefäßkontraktion<br />

E r h ö h t e r<br />

B l u t d r u c k<br />

Bild 3.9 Schema der physiologischen Blutdruck- und Blutvolumensteigerung unter Lärmeinfluss [modifiziert<br />

nach Spreng 1984a].<br />

Es ist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hinzuweisen, dass mehrere Untersucher<br />

[Rosenlund et al. 2001] ausdrücklich auf die Notwendigkeit hinweisen, speziell bei Fluglärm<br />

auf die Maximalpegel und ihre möglichen physiologischen Wirkungen zu achten;<br />

eine Forderung, der unter allen Umständen bei nächtlichen Schalleinwirkungen nachzukommen<br />

ist.<br />

37<br />

I<br />

Verlängerte<br />

hormonelle<br />

Konstriktion<br />

Direkt<br />

nervöse<br />

Konstriktion<br />

Wirkung vermehrt<br />

freigesetztes<br />

antidiuretisches<br />

Hormon<br />

Wasser<br />

resorptio Niere /<br />

Sammelrohr<br />

Gesteigertes<br />

Blutvolumen<br />

IV


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 38<br />

Deshalb kommt also dem in Bild 3.9 dargestellten Wirkungsschema der physiologischen<br />

<strong>Teil</strong>kausalität einer lärminduzierten Beeinflussung des Kreislaufgeschehens zweifellos<br />

eine gewisse Bedeutung zu. Dies, weil – auch ohne Einbezug der besonders kritischen<br />

Nachtbelastung – die Annahme, dass Lärm bei permanenter Einwirkung eines äquivalenten<br />

Dauerschallpegels (6-22 Uhr) von mehr als 70 dB(A) zur Genese der Hypertonie, von<br />

mehr als 65 bis 70 dB(A) zur Entwicklung ischämischer Herzerkrankungen beiträgt, zum<br />

gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zurückgewiesen werden kann [Griefahn et al. 2001a].<br />

Zusätzlich bleibt offen, inwieweit durch weitere Risikofaktoren gefährdete Personen und<br />

bestimmte Risikogruppen, wie Kranke und Ältere infolge physiologischer Überproportional-Beanspruchung<br />

durch zusätzlichen, chronischen Lärm für die Entstehung und Progredienz<br />

einer Hypertonie prädestiniert sind, so dass das Vorsorgeprinzip dazu zwingt, Überlegungen<br />

anzustellen, um auch der Möglichkeit einer Entstehung von Herz-Kreislauferkrankungen<br />

durch die mitverursachende Wirkung von Lärm entgegen zu wirken.<br />

3.6 Physiologische Grundlagen zur Ableitung präventiver<br />

Richtwerte<br />

3.6.1 Physiologische Schwellenwerte und präventive Richtwerte am Tage<br />

Im Allgemeinen liegen alle bisher geschilderten vegetativen Aktivierungen bzw. Reaktionen<br />

bei weniger häufigen Schalleinwirkungen unterhalb von Maximalpegeln von ca.<br />

90 dB(A) am Tage im physiologischen Bereich und haben keine gesundheitlichen Auswirkungen.<br />

Bei häufigen Einwirkungen erhebt sich allerdings die Frage der Festlegung eines<br />

plausiblen Schwellenwertes für Maximalpegel (vegetativ-physiologische Überproportional-Reaktionsschwelle),<br />

welche die oben geschilderten vegetativen Wirkungen am Tage<br />

und in der Nacht hervorrufen können, die beim Gesunden zwar im Allgemeinen unproblematisch<br />

sind, aus Vorsorgegesichtspunkten jedoch beachtenswert sein könnten.<br />

Die Festlegung einer derartigen normalen, vegetativen physiologischen Überproportional-<br />

Reaktionsschwelle (nicht zu verwechseln mit einer physiologischen Übersteuerungsgrenze)<br />

beruht auf der weitgehend anerkannten Tatsache, dass bei Lärmbelastung am Tage<br />

deutliche, gut messbare zentralnervöse und vegetative physiologische Veränderungen sich<br />

bei Maximalpegeln zwischen Lmax = 60 und 65 dB(A) ergeben. Betrachtet man speziell die<br />

mehr zentralen Bereiche, so erweist sich bei akuter Beschallung aufgrund des Abweichens<br />

vom Normalverhalten der evozierten Potentiale des wachen Menschen, der Verschiebung<br />

von charakteristischen Frequenzanteilen im Gehirnstrom (EEG), sowie des Auftauchens<br />

der sekundär durch die zentralen Erregungen ausgelösten Hautstromänderungen, dass bei<br />

Momentanschallpegeln von im Mittel Lmax = 63 dB(A) eine physiologische Überproportional-Reaktionsschwelle<br />

des zentralen Erregungsniveaus des wachen Menschen gegeben<br />

ist [Keidel & Spreng 1976]: im Allgemeinen höhere spektrale Energieanteile des schnellen<br />

EEG-Alpha-Rhythmus kommen in die Größenordnung derer des langsamen, Intensitätsfunktionsabweichung<br />

evozierter Potentiale, signifikante Hautstromänderungen [Rövekamp<br />

1983: Herzfrequenzänderungen; Jansen et al. 1999: Fingerpulsamplitude]. Im Übrigen liegt<br />

38


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 39<br />

auch der Bereich aufmerksamkeitsfordernder bis drohend lauter menschlicher Sprechstimme<br />

in einem Abstand von 2 – 4 m bei Pegeln um Lmax = 61 – 69 dB.<br />

Da ebenfalls Übereinstimmung darüber besteht, dass die Empfindlichkeit des Organismus<br />

während des Schlafs mindestens 10 dB niedriger liegt [DiNisi et al. 1990, Jansen et al.<br />

1995], ist die Festlegung einer nächtlichen, vegetativen Überproportional-Reaktionsschwelle<br />

bei Lmax = 53 dB(A) plausibel.<br />

Erwähnt werden muss allerdings, dass die durch die Schalle ausgelösten zentral-nervösen<br />

Erregungen dabei abhängig sind von deren Dynamik (Kap. 3.1.1). Bei Anstiegssteilheiten<br />

um 15 dB/s lässt sich zeigen, dass die zentralnervösen Erregungsgrößen um den Faktor 1,5<br />

größer sind und bei 10fach höherer Anstiegssteilheit bis um den Faktor 4 höher liegen<br />

können [Spreng 1997b].<br />

Die ausführlich geschilderten, deutlich messbaren, vegetativen, reflexartigen Reaktionen<br />

auf Lärmeinwirkungen, beginnend also bei Momentanpegeln über 63 dB(A) am Tage, sind<br />

stark abhängig von der Konditionierung bzw. Sensibilisierung (aversive Bedeutung) und<br />

der jeweiligen Affektlage (Verärgerung, Angst). Kurzfristig wird den Reaktionen keine<br />

gesundheitliche Bedeutung (physiologische überproportionale Normalreaktionen) beigemessen<br />

bzw. dadurch hervorgerufene Stresshormonausschüttungen sind allenfalls nur in<br />

den Nacht- bzw. frühen Morgenstunden (0 bis 6 Uhr) bei häufiger Lärmbelastung (Kap.<br />

3.7) für mögliche, längerfristig sich entwickelnde gesundheitliche Beeinträchtigungen relevant.<br />

Tagsüber können hingegen die durch die lärmbedingten Stressreaktionen zur Verfügung<br />

gestellten Hormonsubstanzen infolge Aktivität und körperlicher Mobilität einigermaßen<br />

adäquat genutzt bzw. abgebaut werden.<br />

Hinsichtlich der für vegetative Wirkungen am Tage und insbesondere in der Nacht problematischen<br />

Mittelungspegel ist der Umweltrat [RSU 1999] trotz der teilweise zu geringen<br />

Fallzahlen und statistisch nicht signifikanten Ergebnisse bisheriger epidemiologischer<br />

Studien der Meinung: '.... dass die Ergebnisse konsistent einen Trend aufzeigen. Als<br />

Schwellenwert für mögliche lärmbedingte Infarktrisiken gelten Immissionspegel von<br />

Lm,T = 65 dB(A) am Tage'. (vgl. 'Kap. 8.2.2.2).<br />

Auch der niederländische Gesundheitsrat [HCN 1994, 1999] betrachtet den Nachweis einer<br />

Risikoerhöhung für Herz-Kreislauferkrankungen durch Verkehrslärm ab Lm = 70 dB(A)<br />

als hinreichend ('sufficient') [Zusammenfassung z. B. Ortscheid & Wende 2000].<br />

3.6.2 Grenze des physiologischen Gleichgewichts und vegetatives Übersteuerungskriterium<br />

Liegen häufig Spitzenpegel über Lmax = 90 dB(A) am Tage vor, so ist mittel- bis längerfristig<br />

mit eventuell bleibenden Verschiebungen des physiologischen Gleichgewichts an<br />

seine Grenze und damit verbundenen Rückwirkungen auf sämtliche Regulationssysteme<br />

(z. B. Überspielen peripherer, feinregulatorischer Regelsysteme des Blutdrucks gemäß Bild<br />

3.9) zu rechnen, so dass sich Gesundheitsbeeinträchtigungen verstärken bzw. Krankheiten<br />

39


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 40<br />

auftreten können. Dies kann insbesondere für bestimmte Personengruppen gegeben sein,<br />

wobei derzeit Daten über Reaktionen auf Lärm bei besonderen Personengruppen wie<br />

Kleinkindern, älteren Menschen, Schwangeren und Kranken nur in einzelnen Fällen vorliegen.<br />

Anhaltspunkte dafür, einen Wert von 90 dB(A) aus präventiven Gründen zu empfehlen,<br />

finden sich bereits aufgrund der DFG-Studie [1974] und bei Jansen et al. [1999]. Ausgehend<br />

von einem nicht unumstrittenen [Maschke et al. 2001a; Scheuch & Jansen 2001; Jansen<br />

& Költzsch mündl. Mitteilung 2003] experimentell ermittelten Gefährdungswert bzw.<br />

einem Unzumutbarkeitsgrenzwert von 99 dB(A) [Jansen 1967], der durch die früheren<br />

epidemiologischen Befunde der DFG-Studie in gewisser Weise gestützt war, erscheint es<br />

plausibel, unter Vorsorgegesichtspunkten einen Präventionswert deutlich darunter vorzuschlagen<br />

[RSU 1999].<br />

In der DFG-Studie [1974] wurden bei niedrigen Fluglärmbelastungen Anpassungen (Orientierungsreaktionen)<br />

bis zu Maximalpegeln von 85 dB(A) ermittelt; oberhalb dieser Werte<br />

lässt die Anpassungsfähigkeit des Organismus allmählich nach, um ab ca. 100 dB(A)<br />

nur noch defensiv zu reagieren. Dieses Verhalten ist anhand von Gefäßverengung grob<br />

nachweisbar und Jansen [1967] kam aufgrund eines s-förmigen Verlaufs (Knick) der entsprechenden<br />

Dosis-Wirkungskurve zu dem Gefährdungswert von 99 dB(A). Setzt man aus<br />

Präventivgründen einen abzuziehenden Streuungswert (ca. 4 %) entsprechend ca. 8 dB aus<br />

ähnlichen Untersuchungen mit der Fingerpulsamplitude (Impedanz-Plethysmographie) ein<br />

[Ohkubo et al. 1976], so käme man daraus zu einem Präventivwert von ca. 91 dB(A).<br />

Die mit photoelektrischen Methoden durchgeführte Originalarbeit von Ohkubo et al.<br />

[1976], bei der mit 'weißem Rauschen' und 'Zuggeräusch: Shinkansen-Geräusch' beschallt<br />

wurde, zeigt für das Zuggeräusch, jedoch nicht für das von Jansen [1967] verwendete weiße<br />

Rauschen, einen deutlichen Knick bereits bei 80 dB(A) und dann folgend eine starke<br />

Zunahme der Gefäßverengung, so dass oberhalb von 85 dB(A) nicht mehr untersucht wurde<br />

[Spreng 1997a, Ortscheid & Wende 2000].<br />

Ising et al. [1979] fanden Bindegewebsvermehrung des Herzmuskels von Ratten, die<br />

sowohl ohne als auch mit unterschiedlicher Magnesiummangelernährung (wie sie auch<br />

beim Menschen häufig ist) mit Verkehrslärm mit Maximalpegeln von 86 dB(A) (Mittelungspegel<br />

69 dB(A)) über 16 Wochen je 12 Stunden täglich beschallt wurden [Ising et al.<br />

1979]. Auch Altura und Altura [1983] finden bei kombinierter Beschallung mit Maximalpegeln<br />

von 80, 90, 100 dB(A) über 12 Wochen in Versuchen an diabetischen und hypertonen<br />

Ratten mit und insbesondere auch ohne Magnesiummangelernährung beispielsweise<br />

signifikante Blutdruckerhöhungen, reduzierte Blutfließgeschwindigkeiten und auch reduzierte<br />

Kapillardichte. Derartige Tierversuche tragen zur Richtwertfindung dadurch bei,<br />

dass sie plausible Modelle zur Pathogenese von Gesundheitsstörungen ermöglichen. Die<br />

im Tierversuch verwandten absoluten Belastungswerte lassen sich als Kriterien für Richtwerte<br />

beim Menschen nicht direkt übertragen, liefern jedoch wesentliche Anhaltspunkte<br />

zur Stützung von Immissionseckwerten.<br />

40


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 41<br />

Hinsichtlich der Definition eines 'seltenen Ereignisses' bei Verkehrsfluglärm ist es sicher<br />

zu konservativ, die mittlere Dauer mit 30 Sekunden anzusetzen. Dieser Wert ist relativ<br />

großzügig fixiert und entspricht etwa der Zeit zwischen der Über- und Unterschreitung von<br />

Pegelwerten 40 dB unterhalb des Maximalpegels (40 dB-Down-Time, etwa 3 – 4 mal<br />

10 dB-Down-Time).<br />

Tatsächlich könnte mit der beispielsweise am <strong>Flughafen</strong> <strong>Frankfurt</strong> auftretenden 10-dB-<br />

Down-Time von im Mittel 23 Sekunden [Spreng 2001c] kalkuliert werden, so dass tagsüber<br />

25 Ereignisse als selten (1 % von 16 Stunden) bezeichnet werden können.<br />

Dann ist aufgrund obiger Ausführungen für unterkritische Fluglärmbelastungen am<br />

Tage mit Pegelanstiegsgeschwindigkeiten unter 15 dB pro Sekunde für ein präventives<br />

Übersteuerungskriterium (präventiver Richtwert) von 25 * 90 dB(A) als Maximalpegelkriterium<br />

zu plädieren, um Gesundheitsgefährdungen bei längerfristiger<br />

Einwirkung zu vermeiden.<br />

Es sei jedoch bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass mit den hier angestellten<br />

Überlegungen keine Aussagen über Kommunikationsstörungen (Kap. 5) und eventuelle<br />

erhebliche Belästigungen innerhalb des Tages und insbesondere der Tagesrandzeiten infolge<br />

der im Allgemeinen beachtlichen Bewegungszahlen vorliegen.<br />

Insbesondere müssen modifizierende Faktoren wie Interaktion mit anderen Stressoren,<br />

individuelle Einstellung, Vorhersagbarkeit und Beeinflussungsmöglichkeit, Informationsgehalt,<br />

Unbehagen, Anspannung usw. unter bestimmten Umständen zumindest teilweise<br />

auch bei der Betrachtung gesundheitlich beeinträchtigender Aspekte mit beachtet werden.<br />

3.6.3 Physiologisches Abschätzungsmodell pegelabhängiger tolerabler<br />

flugbetriebsbedingter Schallereignisse bzw. Maximalpegel (Maximalpegel-Häufigkeits-Paare)<br />

in der Nacht<br />

Die Notwendigkeit, spezifische Mess- bzw. Bewertungsverfahren für Populationen anzuwenden,<br />

die während der Nacht Fluglärm ausgesetzt sind, wird immer dringlicher gefordert<br />

[Muzet 2001].<br />

Für die Beurteilung nächtlicher Störungen durch Fluglärm wurde in der Vergangenheit<br />

gerne das Kriterium 6 * 60 dB (A) am Ohr des Schläfers als kritischer Toleranzwert herangezogen<br />

[Jansen 1973, Jansen et al. 1995]. Es besagt, dass 6 flugbetriebsbedingte Schallereignisse<br />

mit einem Maximalpegel von 60 dB(A) in Innenräumen nachts bezüglich Vermeidung<br />

von Gesundheitsgefährdungen gerade noch tolerabel seien.<br />

Dieses Kriterium basiert auf einer theoretischen Weckschwelle von Lmax = 60 dB(A) am<br />

Ohr des Schläfers und einer Definition bezüglich einmaligem provozierten Aufwachens bei<br />

6 derartigen Ereignissen. Bei einer Standardabweichung von ± 7 dB(A), wäre schon aus<br />

diesem Grunde eine präventive Festlegung auf Lmax = 53 dB(A) angeraten. Darüberhinaus<br />

finden sich Wertangaben für Weckschwellen in der Literatur, die zwischen 35 dB(A) und<br />

41


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 42<br />

65 dB(A) schwanken [z. B. Pearsons 1998, Pearsons et al. 1989, Griefahn 1990b, Hofmann<br />

1991, Ollerhead et al. 1992].<br />

Letztlich beruht obige Festlegung auf der Behandlung einer diffusen Punktwolke, resultierend<br />

aus mehreren unterschiedlichen Untersuchungen, mit Hilfe von einfach angepassten<br />

Ausgleichsgeraden [Griefahn et al. 1976]. Durch Anwendung neuerer Verfahren (z. B.<br />

nichtlineare Regression) könnten aus diesen Ursprungsdaten eventuell niedrigere Werte für<br />

eine Weckschwelle resultieren. Neuere vorläufige Laboruntersuchungen über die pegelabhängige<br />

Aufwachwahrscheinlichkeit [Basner et al. 2001] zeigen, dass Lärmereignisse<br />

mit einem Maximalpegel unterhalb der definierten zentralen Aufweckschwelle von<br />

60 dB(A) nicht vernachlässigt werden dürfen, wobei neben den Maximalpegeln auch die<br />

Anzahl der Ereignisse Beachtung finden muss (siehe unten).<br />

Diesbezüglich jedoch sagt das Kriterium 6 * 60 dB(A) nichts darüber aus, wieviel nächtliche<br />

Flugereignisse bei niedrigeren Maximalpegeln (z. B. Lmax = 59 dB(A) oder Lmax =<br />

50 dB(A)) noch tolerabel sind.<br />

Um dieses Problem zumindest abschätzend in den Griff zu bekommen, wird ein vereinfachtes<br />

physiologisches Modell vorgeschlagen, welches zunächst ausschließlich auf der<br />

nächtlichen Cortisolausschüttung beruht [Spreng 2001b, 2002].<br />

Dabei wird, ausgehend von durch (äquidistante) nächtliche Flugereignisse initial und<br />

pegelabhängig ausgelösten einzelnen Cortisolanstiegen (ci; ci0 = 14 ng/ml), nach jeweils<br />

exponentiellem Abbau (Zeitkonstante: τ τ τ = 64 min) eine Aufaddition (Akkumulation) während<br />

einer Nachtzeit T (in Minuten; z. B. T = 480 Minuten für 8 Nachtstunden) angenommen.<br />

Diese sollte – ausgehend von einem mittleren normalen Cortisolwert im Plasma<br />

Bild 3.10: Schematische Darstellung eines rein physiologischen Abschätzungsmodells für die Anzahl (n)<br />

tolerabler nächtlicher flugbetriebsbedingter Schallereignisse auf der Basis lärminduzierter Cortisolausschüttung<br />

innerhalb des Normbereichs (exponentieller Abfall vereinfachend linear dargestellt)<br />

zur Verknüpfung mit Maximalpegeln (Lmax ) [Spreng 2001b, 2002].<br />

42<br />

Normbereich


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 43<br />

(cm = 140 ng/ml) – einen maximalen tolerablen Normalwert (ctol = 231 ng/ml) nicht überschreiten.<br />

Der damit festgelegte tolerable Bereich (ctol – cm) kann in erster Näherung<br />

jeweils zu den langsamen zirkadianen Änderungen der Cortisolkonzentration im Plasma<br />

zugeschlagen gedacht werden.<br />

Dieses einfache, den duldbaren Cortisolanstieg im Normbereich haltende, physiologische<br />

Modell ist schematisch in Bild 3.10 dargestellt. Dabei ist die Pegelabhängigkeit der<br />

initialen Cortisolsprünge ci (vereinfachend zunächst als unabhängig von der Absolutkonzentration<br />

angenommen) gemäß der eingangs geschilderten direkten und engen Beziehung<br />

zwischen kortikaler Erregung und Aktivierung hypothalamischer Bereiche (Bild 3.1)<br />

ansetzbar. Über die anhand evozierter Potentiale des Menschen [Spreng 1976] bestimmte<br />

Reiz-Erregungsbeziehung (Potenzfunktion mit Exponent k = 0,32) kann diesbezüglich eine<br />

quantitative Relation gebildet werden. Ein vergleichbarer Exponent resultiert im übrigen<br />

aus psychophysischen Skalierungsexperimenten auditorischer Wahrnehmungen des Harvard-Psychologen<br />

Stevens [1961].<br />

Fixiert man gemäß den Ausführungen in Kapitel 3.6.1 als letzten Schritt eine nächtliche<br />

vegetative Überproportional-Reaktionsschwelle (L0), an sich noch voll im physiologischen<br />

Bereich liegend, bei einem Maximalpegelwert von L0 = 53 dB(A), dann liegen alle nötigen<br />

Werte vor, die eine quantitative Abschätzung tolerabler nächtlicher Überflugereignisse anhand<br />

des vorgeschlagenen Modells erlauben.<br />

Benutzt man nun diese Werte, dann lassen sich entweder Zusammenhänge zwischen nächtlicher<br />

tolerabler Überflugzahl bei vorliegenden Maximalpegeln berechnen (Kap. 6.3.3),<br />

oder gemäß<br />

bzw. mit den genannten Zahlenwerten gemäß<br />

bei situationsgegebenen nächtlichen flugbetriebsbedingten Schallereignissen die dann noch<br />

tolerablen einzelnen Maximalpegel (in dB(A)) abschätzen. In beiden Fällen resultieren<br />

Maximalpegelkriterien als Maximalpegel-Häufigkeits-Paare.<br />

Interessant ist so z. B. die in der DLR-Studie [Basner et al. 2001] ermittelte Anzahl von 13<br />

flugbetriebsbedingten Schallereignissen, welche bei einem Pegel von Lmax = 50 dB(A) und<br />

einer bei diesen Maximalpegeln ermittelten Aufwachwahrscheinlichkeit von 7,3 %, gerade<br />

eine (genau 0,95) zusätzliche, durch den Lärm bedingte und damit zu vermeidende Weckreaktion<br />

auslösen.<br />

43


Kapitel 3: Physiologische/psychologische Reaktionen auf Schall/Lärm 44<br />

Es kann deshalb vereinfachend als präventiver Richtwert für eine noch tolerable<br />

nächtliche Fluglärmbelastung unter Verwendung des physiologischen Überproportional-Schwellenwertes<br />

von L0 = 53 dB(A) und unter Berücksichtigung des vereinfachenden<br />

Ansatzes des physiologischen Modells das Kriterium 13 * 53 dB(A) vorgeschlagen<br />

werden. Dadurch wird nicht nur eine zusätzlich lärmbedingte Aufwachreaktion<br />

gerade noch vermieden, sondern auch der Cortisolspiegel in erster Näherung im<br />

Normbereich gehalten.<br />

Legt man z. B. 23 nächtliche flugbetriebsbedingte Schallereignisse zu Grunde, so resultiert<br />

aus dem physiologischen Modell ein dann noch tolerabler Maximalpegel der einzelnen<br />

flugbetriebsbedingten Schallereignisse von Lmax = 40,8 dB(A), der zur Festlegung eines<br />

nächtlichen Schwellenwertes von 23 * 40 dB(A) eingesetzt werden kann.<br />

Für z. B. flugplanmäßig festgesetzte nächtliche Flugzahlen von n = 40 resultiert aus obiger<br />

Formel ein noch tolerabler Maximalpegel von Lmax = 31,4 dB(A), der – obwohl nicht<br />

direkt vergleichbar bzw. in erster Näherung als permanent einwirkend gedacht werden<br />

kann – dem festgelegten Schwellenwert des 8h-Mittelungspegels von Leq, 22-6h, innen =<br />

30 dB(A) [AKLWF 1982, Griefahn et al. 2002] bereits sehr nahe kommt.<br />

Es zeigt sich anhand dieser Maximalpegelkriterien, dass die aus dem einfachen physiologischen<br />

Modell resultierenden Werte erstaunlich gut mit den wenigen diesbezüglich vorliegenden<br />

und auf anderen Ansätzen basierenden Maximalpegelangaben für tolerable Nachtbelastung<br />

übereinstimmen, so etwa mit den Angaben von Griefahn [1990b], Vallet &<br />

Vernet [1993], Maschke et al. [1995] und vor allem Basner et al. [2001].<br />

Ein weiterer Vorteil des angegebenen physiologischen Modells ist darin zu sehen, dass<br />

nicht nur für die Gesamtnacht (8 h) sondern – unter Berücksichtigung eines durch Vorbelastung<br />

erhöhten Ausgangswertes cm – bei Bedarf für beliebige nächtliche Zeitabschnitte<br />

tolerable Maximalpegel-Häufigkeits-Paare sehr einfach abgeschätzt werden können.<br />

44


45<br />

Kapitel 4: Erkenntnisse aus der Stressforschung 45<br />

4 Erkenntnisse aus der Stressforschung zur integrativen<br />

Betrachtung von Lärmwirkungen<br />

Lärm wird häufig mit Stress gleichgesetzt. Doch stellt Lärm nur unter ganz bestimmten<br />

Bedingungen Stress dar. Da es eine Vielzahl unterschiedlicher Auffassungen zur Stressproblematik<br />

gibt, sollen kurz einige Ausführungen dazu erfolgen, zumal im letzten Jahrzehnt<br />

die Beziehung zwischen Stress- und Lärmwirkungsforschung immer enger wurde.<br />

Es gibt drei grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen des Verständnisses von Stress:<br />

• Stress wird zum einen sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch teilweise in der<br />

Wissenschaft als ein bestimmtes Merkmal von Anforderungen, von Belastungen, von<br />

Einwirkungen auf den Menschen verstanden, die häufig mit einer erheblichen Quantität<br />

verbunden sind. Das, was von einem gefordert wird, der von außen einwirkende Lärm,<br />

wird als Stress angegeben. Denkt man diese Auffassung konsequent weiter, dann wäre<br />

das Stressausmaß unter Lärm mit Hilfe der Schallcharakteristika des Lärms, z. B. der<br />

Höhe des Lärmpegels, Frequenz und Zeitgestaltung als 'Lärmstress' messbar.<br />

• Eine zweite Richtung von Stressauffassungen geht auf den Begründer der biologischen<br />

Stressforschung Hans Selye zurück. Er interpretiert Stress als die unspezifische Reaktion<br />

eines Lebewesens auf irgendwelche Anforderungen, die in drei Stadien ablaufen<br />

kann: einer Alarmphase, einer Widerstandsphase und einer Erschöpfungsphase [Selye<br />

1950]. Stress bei Lärm wäre danach die ausgelöste Reaktion im Organismus, die bestimmte<br />

qualitative und quantitative Merkmale hat und unter bestimmten Bedingungen<br />

zur Erschöpfung, d. h. zur Krankheit führen kann. Messbar wäre Stress z. B. durch die<br />

Zunahme des Cortisols, der Katecholamine oder der Herzschlagfrequenz. Kritik an dieser<br />

Auffassung wurde insbesondere an der mangelnden oder fehlenden Berücksichtigung<br />

individueller Faktoren vor allem aus der Sicht der Psychologie sowie auch an dem<br />

Begriff 'irgendwelche Anforderungen' geäußert.<br />

• Deshalb interpretiert eine dritte Auffassung Stress als eine bestimmte Qualität der<br />

Wechselwirkung eines Lebewesens mit seinen Umweltanforderungen. Die Wirkung einer<br />

Anforderung hängt weder allein von deren Merkmalen noch allein von den Voraussetzungen<br />

des Menschen sondern von deren Beziehungen in einer konkreten Situation<br />

ab. Damit wird eine Grundauffassung für die Methodik und Interpretation auch in der<br />

Lärmwirkungsforschung formuliert. Diese so genannten interaktionalen oder transaktionalen<br />

Stressauffassungen haben sich in den letzten Jahren in der Humanwissenschaft<br />

weitgehend durchgesetzt, obwohl es auch hier unterschiedliche Aspekte gibt [Lazarus<br />

1966, Scheuch & Schreinicke 1983, Schönpflug 1987, Scheuch 2003].<br />

Wesentliches zur Aufklärung von Belastungs-Beanspruchungsbeziehungen hat die psychologische<br />

Stressforschung geleistet. Sie geht davon aus, dass Stress durch die Bewertung<br />

von Anforderungen und von Möglichkeiten des Individuums, mit diesen Anforderungen<br />

fertig zu werden, entsteht. Wenn die Bewertung zur Bedrohung, zum Verlust oder auch zur


46<br />

Kapitel 4: Erkenntnisse aus der Stressforschung 46<br />

Herausforderung [Lazarus 1966] führt, ist Stress vorhanden. Dies kommt auch der Lärmproblematik<br />

sehr nahe, denn Lärm ist ja im Wesentlichen subjektiv bewerteter Schall, der<br />

belästigt und stört. Trotzdem hat die Lärmwirkungsforschung die stresstheoretischen Vorstellungen<br />

lange Zeit nicht wahrgenommen. Auch heute noch fasst sie den Menschen als<br />

ein dem Lärm passiv ausgesetztes Wesen auf, wenn sie auf Grenzwerte orientiert ist. Doch<br />

der Mensch reagiert, bewertet, er handelt. In die Art und Weise dieses Wechselwirkungsprozesses<br />

mit Lärm gehen bisherige Erfahrungen, Erwartungen, eigene Bedürfnisse und<br />

Ziele ein.<br />

Bei der Bewertung des Lärms spielen die eigenen Möglichkeiten zum Umgang mit Lärm<br />

eine wesentliche Rolle. Diese werden beeinflusst durch die Durchschaubarkeit der Lärmsituation<br />

oder einer vorgesehenen Änderung (z. B. Verantwortlichkeit, Notwendigkeit, Informationsumfang),<br />

die Beeinflussbarkeit (z. B. Einbeziehung in den Entscheidungsprozess,<br />

Ansprechpartner), die Vorhersehbarkeit (z. B. Ausmaß von Veränderungen, deren<br />

Konsequenzen und Folgen, Glaubwürdigkeit der Informationen). Entscheidende Kriterien<br />

für die Folgen von Belastungs- und Anforderungsbewältigung sind demnach die Kontrollmöglichkeiten<br />

und Entscheidungsspielräume für den Betroffenen, wenn er Kontrolle haben<br />

will. Besteht keine Kontrollmöglichkeit und resultiert daraus das Gefühl des Ausgeliefertseins,<br />

so ist eine wesentliche Voraussetzung für die Stressentstehung gegeben. Dabei geht<br />

es nicht um das objektive Vorhandensein von Durchschaubarkeit, Beeinflussbarkeit, Vorhersehbarkeit<br />

und Kontrolle, sondern um die von sehr vielen Faktoren abhängige subjektive<br />

Interpretation. Trotzdem oder gerade deswegen ergeben sich daraus Konsequenzen für<br />

die Gestaltung von Aktivitäten im Zusammenhang mit wesentlichen Änderungen des<br />

Flugbetriebes sowie der Art und Weise der Einbeziehung der betroffenen Bürger und der<br />

Öffentlichkeit. Die Psychologie wird zu einem 'Instrument des Lärmschutzes' [Guski<br />

2002].<br />

Es ist nicht erst durch die Stressforschung bekannt, dass zwischen der 'objektiven Welt'<br />

und deren subjektiver Widerspiegelung, der 'subjektiven Welt', erhebliche Unterschiede<br />

bestehen, so auch zwischen der Objektivität eines Schallereignisses und der subjektiven<br />

Widerspiegelung als Lärm. Aufgrund erlernter Suchstrategien nimmt der Betroffene einen<br />

bestimmten <strong>Teil</strong> dieser objektiven Welt in seine sensorische Welt auf, die aufgrund seiner<br />

spezifischen internen Analysestrategien als Merkmale bewusst werden und aufgrund seiner<br />

subjektiven erlernten Synthesestrategien seine eigene subjektive Welt bilden. Die Subjektivität<br />

beginnt nicht erst mit der Bewertung sondern bereits mit Aufnahme von Schall und<br />

bestimmt entscheidend den gesamten Prozess.<br />

Der Nachteil der 'reinen' psychologischen Stresstheorien besteht darin, dass sie die Komplexität<br />

des Wirkungsmechanismus im Rahmen der Anforderungsbewältigung nicht widerspiegeln<br />

können, dass sie das subjektive Erleben in den Mittelpunkt mit all seinen Nachteilen<br />

der Erfassung und Interpretation stellen. Damit steigt die Abhängigkeit der Wirkungsforschung<br />

von Medien, allgemeinen politischen Tendenzen und unterschiedlichen Zielvorstellungen.<br />

Von Guski [2002] wird hervorgehoben, dass nur für die psychologischen Wirkungen<br />

bei Schallexpositionen Dosis-Wirkungskurven nachweisbar wären. Zum einen


47<br />

Kapitel 4: Erkenntnisse aus der Stressforschung 47<br />

stimmt das nicht, da auch bei der Lärmschwerhörigkeit, bei evozierten Potentialen peripherem<br />

Volumenpuls etc. solche Beziehungen existieren. Zum anderen erklären diese sozialpsychologisch<br />

erhobenen, im Gegensatz zu den physiologisch-medizinischen Dosis-<br />

Wirkungsbeziehungen nur einen geringen Anteil der tatsächlich vorhandenen gemeinsamen<br />

Beziehungen (Varianz). Guski gibt ein Drittel an, in den meisten Studien liegt das<br />

noch deutlich darunter. Eine Vielzahl anderer Faktoren spielt eine Rolle. Deshalb führt<br />

eine eingeschränkte Betrachtung sehr schnell zu Fehlinterpretationen.<br />

Durch die Überbetonung des negativen Erlebens in den Wirkungsmechanismen zur Beeinflussung<br />

der Gesundheit kann jedoch auch zusätzliches Risiko erzeugt werden. Ein psychophysiologisch<br />

orientiertes, transaktionales Konzept, das keine Gegenüberstellung oder<br />

Aussparung psychischer und körperlicher Prozesse vornimmt, ist deshalb für die Risikobewertung<br />

tragfähiger, auch wenn es beim gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht alle Fragen<br />

beantworten kann (Kap. 2). Wenn es um Prognosen und nicht nur um Ist-Beschreibungen<br />

geht, kann das eine reduzierte Betrachtung erst recht nicht.<br />

Stress ist auch nicht nur ein Bewertungs- und Interpretationsphänomen der Wechselwirkung<br />

eines Menschen in seiner Umwelt mit den aus ihr resultierenden Anforderungen, Belastungen<br />

und Expositionen. Und nicht jede negative Interpretation in dem Wechselspiel<br />

zwischen Anforderungen und individuellen Voraussetzungen führt zu Stress.<br />

Stress ist nur dann vorhanden, wenn (1) das Gleichgewicht organismischer Funktionen (die<br />

Homöostase) gestört ist, oder/und wenn (2) die funktionelle Optimalität psychischer und<br />

sozialer Prozesse beeinträchtigt ist [Scheuch 1997]. Nicht alles ist Stress, was unangenehm<br />

ist. Mit dem Begriff Stress ist sowohl in der Wissenschaft als auch insbesondere in<br />

der Bevölkerung die Vorstellung von Risiko verbunden. Deshalb geht es nicht um eine<br />

richtige oder falsche, sondern nur um eine verantwortungsbewusste Definition von Stress,<br />

die erklären hilft und beeinflussbare Beziehungen aufzeigt. Negative Emotionen, wie Ärger,<br />

Wut, Störungsempfinden, Belästigung stellen normale Erscheinungsbilder von Leben<br />

dar und beinhalten an sich kein Risiko. Sie müssen eine bestimmte Konsequenz haben, um<br />

zu einem Risiko zu werden. Diese Konsequenz besteht in ihrer Auswirkung auf die Regularität<br />

organismischer Prozesse und die Effektivität der Handlungs- und Bewältigungsmöglichkeiten<br />

des Lebewesens im oben genannten Sinne.<br />

Bereits Selye formulierte die Störung eines organismischen Gleichgewichtes als Voraussetzung<br />

für die Interpretation von Stress. Erscheinungsformen dieses gestörten Gleichgewichtes<br />

sind demnach Veränderungen von Organfunktionen und/oder negative Erlebensqualitäten,<br />

wie Angst, Ärger, Bedrohung, die zu Störungen von Tätigkeiten, Handlungen,<br />

Verhaltensweisen des Menschen und damit zur Einschränkung der Bewältigungsfähigkeit<br />

von Anforderungen führen. Diese Störung des Gleichgewichtes und der funktionellen Optimalität<br />

muss von einem Lebewesen beseitigt, kompensiert oder bewältigt werden. Diese<br />

Kompensationsaktivitäten sind ein ganzheitlicher psychophysiologischer Prozess, der aufgrund<br />

seines Charakters negative Erscheinungsbilder zeigen muss. Gelingt dieser Kompensationsprozess,<br />

so ist ein neues Gleichgewicht, eine neue funktionelle Optimalität erreicht,<br />

womit sich auch die Entwicklung eines Lebewesens erklärt. Gelingt die Kompensation


48<br />

Kapitel 4: Erkenntnisse aus der Stressforschung 48<br />

nicht, können bleibende Störungen, Schädigungen, negative Grundhaltungen, falsche Bewältigungsstile,<br />

Krankheit die Folge sein (Kap. 8.2.2). Das bedeutet, dass diese Kompensationsprozesse<br />

Anpassungsvorgänge an ein sich änderndes Umfeld eines Lebewesens sind.<br />

Solche unterschiedlichen Formen dieser Kompensationsaktivitäten sind z. B. Ermüdung<br />

und auch Stress. Sie haben gemeinsame Merkmale und Kennzeichen sowie zu Grunde liegende<br />

Mechanismen. So sind von den körperlichen Funktionen alle Anpassungssysteme in<br />

eine solche Kompensation einbezogen, so das vegetative System, die Hormone, das motorische<br />

und auch das immunologische System (Kap. 3). Deshalb spricht man von unspezifischen<br />

Reaktionen, was nicht bedeutet, dass sie immer gleich und bei allen Anforderungen<br />

identisch ausgelöst werden.<br />

Die Stressaktivität, bestehend aus körperlichen, psychischen und Verhaltensvorgängen, hat<br />

das Ziel der Anpassung an ein sich änderndes, forderndes und belastendes Umfeld. Die<br />

immer wieder zitierten Stresshormone sind demnach Anpassungshormone und haben für<br />

den Organismus einen zunächst positiven Effekt (Kap. 3.8.2.).<br />

Den Prozess zur Wiederherstellung einer Homöostase, damit den Adaptions(Anpassungs-)vorgang,<br />

in den das autonome Nervensystem und die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse<br />

einbezogen sind, bezeichnet McEwen [1998] als 'Allostase'. Mit dieser<br />

Adaption können 'Kosten' verbunden sein, die pathologische Entwicklungen befördern,<br />

was 'allostatic load', allostatische Belastung genannt wird. Zu einer solchen 'allostatic load'<br />

kommt es, wenn die einbezogenen Systeme überfordert sind durch Nichtzurückkehren auf<br />

das Ausgangsniveau bei Aufhören der Belastung, durch nichtadäquates Reagieren auf die<br />

Anforderung, durch Auslösung von Überreaktionen in anderen Funktionssystemen des<br />

Organismus. Eine wesentliche Rolle soll die Glucocortikoid-Kaskade, die Interaktionen<br />

zwischen erregenden Aminosäuren, Serotonin und Glucocorticoiden, spielen. Dabei könnten<br />

bestimmte Zellen im Hippocampus, einem im Kapitel 3 genannten Anteil im Gehirn,<br />

der eine wesentliche Rolle im Gedächtnisprozess spielt, geschädigt werden. Es ist unklar,<br />

ob das ein reversibler Prozess ist. Die unterschiedlichen Effekte der Glucokortikoide, einmal<br />

positiv, zum anderen negativ, wurden mit der sogenannten U-Hypothese erklärt [Sapolski<br />

& McEwen 1997]: Geringere wie auch höhere Konzentrationen der Glucocorticoide<br />

haben negative Effekte.<br />

'Allostatic load' wird aufgefasst als das 'wear and tear' des Körpers und des Gehirns aufgrund<br />

chronischer Über- oder Inaktivität physiologischer Systeme, die normalerweise in<br />

die Adaptation an Umweltanforderungen einbezogen sind (Kap. 8.2.2).<br />

Stress ist nicht die einzige Anpassungsaktivität. Er hat gegenüber den anderen Kompensationsaktivitäten<br />

besondere Formen der Auslösung als auch der Erscheinungsbilder. In der<br />

Wechselwirkung Individuum-Umwelt entsteht Stress nur, wenn eine Gefährdung der Befriedigung<br />

von individuellen Bedürfnissen und Motiven oder der Erreichung von Zielen<br />

vorliegt und diese Bedürfnisse, Motive oder Ziele notwendig und wichtig für das Individuum<br />

sind, wobei Schwierigkeiten für das Individuum auftreten, diesen Zustand durch ein<br />

zielgerichtetes Handeln zu verändern.


Gefährdung der Befriedigung von<br />

individuellen Bedürfnissen und Motiven<br />

oder der Erreichung von Zielen<br />

Bild 4.1: Bedingungen der Stressentstehung [Scheuch 1997].<br />

49<br />

Kapitel 4: Erkenntnisse aus der Stressforschung 49<br />

Stress besteht in einem Missverhältnis zwischen Anforderungen und Bewältigungsmöglichkeiten,<br />

zwischen dem, was man soll und dem, was man will oder kann, zwischen dem,<br />

was man will und was man darf. Und dieses Missverhältnis führt zu individuellen biologischen,<br />

psychischen und/oder sozialen Konsequenzen.<br />

Im letzten Jahrzehnt verlagerte sich der Schwerpunkt der Stressforschung auf die Untersuchung<br />

der individuellen und situativen Bedingungen und Voraussetzungen der Bewältigung<br />

von Anforderungen. Es wurden sowohl personale als auch situative Risiken wie auch<br />

Ressourcen für die Belastungsbewältigung beschrieben. Hierauf wird in den Kapiteln 7, 9<br />

und 10 eingegangen.<br />

Über die Kombinationswirkungen verschiedener Stressoren ist wenig bekannt. Dies trifft<br />

auch für die energetischen Wirkungen des Schalls und die psychologischen Wirkungen des<br />

Lärms zu. Auch aus diesen Gründen ist ein komplexer Wirkungsansatz zu wählen.<br />

Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, dass Lärm aufgrund der Besonderheiten der<br />

Auslösung und der Erscheinungsbilder zum Stress werden kann, wenn<br />

• das Gleichgewicht somatischer Prozesse<br />

• und/oder die funktionelle Optimalität psychischer und sozialer Prozesse gestört werden<br />

aufgrund<br />

• einer Beeinträchtigung des Bedürfnisses nach Ruhe und Erholung sowie der Erholungsprozesse,<br />

• einer Nichterreichung von Zielen,<br />

• einer Behinderung bestimmter Handlungsdurchführungen,<br />

+<br />

Bedürfnisse, Motive oder Ziele sind<br />

für das Individuum notwendig und<br />

wichtig<br />

+<br />

Schwierigkeiten für das Individuum,<br />

diesen Zustand durch zielgerichtetes<br />

Handeln zu verändern<br />

Stress<br />

• einer Beeinträchtigung der Kontrolle über die Bewältigung von Umweltanforderungen,<br />

• einer Störung der Regulation physiologischer Funktionen durch ständig wiederkehrende<br />

Lärmreize.


50<br />

Kapitel 4: Erkenntnisse aus der Stressforschung 50<br />

Wichtig ist die Verknüpfung zwischen den beiden Aufzählungen, der Quantität der Wirkung<br />

und der Qualität der Auslösung. Damit hört der Stressbegriff auf, ein Regenschirmbegriff<br />

zu sein, der dann kaum ein zielgerichtetes präventives Handeln zulässt. Nur über die Komplexität<br />

dieser beiden Merkmale ist Stress zu definieren. Allein mit dem Merkmal einer<br />

Belästigung oder Störung ist Stress nicht identisch. Auch eine erhebliche Belästigung<br />

braucht kein Stress zu sein.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen: Nicht jeder Lärm ist mit Stress gleichzusetzen. 'Lärmstress'<br />

ist eine falsche Bezeichnung und suggeriert Gefährdung und Schaden für Menschen<br />

auch in Situationen, in denen ganz normale physiologische und psychologische Prozesse<br />

ablaufen. Dieser Begriff beinhaltet eine spezielle, nur durch Lärm ausgelöste Wirkung, die,<br />

wie in den vorhergehenden Kapiteln dargestellt, isoliert gar nicht existiert. Entscheidend<br />

für die Beziehungen zwischen Lärm und seinen Wirkungen sind, wie auch bei anderen Belastungen,<br />

die Bewertung, die Bewältigung und die individuellen Voraussetzungen, wobei<br />

Stress durch Lärm nicht allein durch psychische Prozesse sondern auch durch den Energiegehalt<br />

und die Reizwirkung des Schalls ausgelöst werden kann.


5 Kommunikationsstörungen<br />

5.1 Kommunikationsstörungen in Innenräumen<br />

51<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 51<br />

5.1.1 Lärminduzierte Störungen des Hörens, Sprechens und des Spracherwerbs<br />

Die herausragende Position des Menschen liegt zu einem hohen Grade in der Fähigkeit<br />

begründet, Worte als Träger von bestimmten Bedeutungen und auch allgemein von Gedanken<br />

zu wählen und diese als gesprochene Sprache zu produzieren und zu verstehen. Zudem<br />

ist das Gehör wie kein anderes Sinnessystem in der Lage, ausgesprochen schnell veränderliche<br />

für Melodien und insbesonders Sprache charakteristische Veränderungen zu analysieren.<br />

Melodische Themen und gesprochene Worte sind schnelle Ereignisse; sie müssen<br />

erfasst, verarbeitet und verstanden sein, noch während oder kurz nach ihrem Ablauf. Das<br />

Ohr hat keine Möglichkeit den absolut identischen Vorgang mehrfach abzutasten, wie es das<br />

Auge normalerweise kann. Letzteres kann in vielen Fällen nochmals 'hinsehen', das Ohr<br />

kann dem flüchtigen Schallereignis im allgemeinen nicht 'nachhören'. Die Fähigkeit der<br />

zwischenmenschlichen Kommunikation über Hören und Sprechen ist somit die dynamischste<br />

und komplexeste Leistung der menschlichen Informationsverarbeitung überhaupt.<br />

Sie ist ein entscheidendes Mittel zur Entfaltung der Persönlichkeit sowie zur Auseinandersetzung<br />

mit der sozialen Umwelt [Spreng 1994a, b, 2001c].<br />

Die Folgen der gestörten Kommunikation sind vielfältig. Das Gefühl der Belästigung und<br />

der Verärgerung stellt sich ein, wenn persönlich oder telefonisch geführte Gespräche erhöhte<br />

Anstrengungen des Sprechers und des Hörers erfordern, wiederholt unterbrochen und Nachfragen<br />

bzw. Wiederholungen notwendig werden. Störungen der Einwegkommunikation werden<br />

besonders stark empfunden, wenn über Radio und Fernsehen gesendete Informationen<br />

definitiv verloren gehen. Langfristig kann sich unter Umständen – ebenso wie im Arbeitsleben<br />

– ein veränderter Kommunikationsstil mit kurzen abgehackten Sätzen herausbilden.<br />

Beeinträchtigungen der Leistung sind zu erwarten, wenn aufgabenrelevante akustische<br />

(verbale und non-verbale) Information nicht oder nur teilweise zu hören sind. Dramatische<br />

Folgen sind nicht auszuschließen, wenn in Gefahrensituationen Warnrufe und Warnsignale<br />

nicht perzipiert oder wenn bei der ärztlichen Untersuchung die Herztöne nicht korrekt wahrgenommen<br />

werden [Griefahn et al. 2001a].<br />

Störungen der Kommunikation über Hören und Sprechen ist deshalb die verbreitetste und<br />

hinsichtlich der Gestörtheit deutlich vor Rekreations- und psychovegetativen Störungen liegende<br />

Folge des Lärms [UBA 1989]. Bei diesbezüglichen Erhebungen sind allerdings bisher<br />

zum Beispiel Sprach- und allgemeine Entwicklungsstörungen von Kleinkindern und Schulkindern,<br />

sowie massive zusätzliche Beeinträchtigung von Schwerhörigen und Hörgeräteträgern<br />

nur ungenügend oder überhaupt nicht mit einbezogen worden. Ebenso wird im Zusammenhang<br />

mit Kommunikationsstörungen noch zu wenig an die wachsende Alterspyramide<br />

bzw. die damit zunehmende Zahl von altersbedingten Hörstörungen (Altersschwerhörigkeit)<br />

und die andererseits ansteigende Menge sprachbasierter, technischer Kommunikationssysteme<br />

gedacht. Es sollte deshalb Ziel jeder Lärmbekämpfung der Erhalt bzw. die Wiederher-


52<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 52<br />

stellung ungestörter Sprachkommunikation in Innenräumen sein, da Kommunikationsprozesse<br />

hohe Anforderungen an die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -vermittlung von<br />

Sprecher und Hörer, sowie an deren Sozialverhalten stellen, wobei vor allem die erwähnten<br />

spezifisch betroffenen Gruppen, die doch mit beachtlicher Personenzahl gegeben sind,<br />

besondere Aufmerksamkeit verdienen.<br />

Eine Kommunikationsstörung kommt in erster Linie infolge der Verdeckung von Sprachschallen<br />

durch Störgeräusche zustande. Hierbei spielen bereits im peripheren Gehörsystem<br />

(vorwiegend im Innenohr) anatomisch-funktionelle Gegebenheiten eine entscheidende Rolle.<br />

Jedoch sind es auch zentralnervöse Verarbeitungsprozesse des massiv-parallel mit schnellen<br />

und langsamen Bahnen arbeitenden Gehörs, deren Funktionsbeeinträchtigung durch Störgeräusche<br />

vor allem Diskriminationsverluste beim Hörer und damit Fehlhörigkeit nach sich<br />

ziehen. Durch Belärmung werden schließlich die Hauptaufgaben der Assoziationssysteme,<br />

vor allem Geschwindigkeitssteigerungen bei kognitiver Informationsverarbeitung, sowie<br />

Aufmerksamkeitszuteilung und Lernen, als auch Steuerung motivationaler und emotionaler<br />

Prozesse gestört. Des weiteren wird auch die Interaktion zwischen Hören und Sprechen<br />

durch Störgeräusche beeinträchtigt, wodurch sowohl Sprecher als auch Sprache und<br />

letztendlich damit wiederum die Kommunikation negativ beeinflusst werden.<br />

Die Beeinträchtigung von Kommunikation durch Lärm ist in ihrer komplexen Wirkung nur<br />

dann abzuschätzen bzw. ansatzweise zu verstehen, wenn die funktionellen Grundlagen der<br />

Sprachverarbeitung und der Sprachproduktion bekannt sind [Spreng 1994a, 1994c, nähere<br />

Erläuterungen siehe auch Spreng 2001c]. Die Spracherkennung und Sprachverarbeitung<br />

erweist sich als Aufgabe höchster Komplexität, da sich die sensorische Verarbeitung im sehr<br />

engen Zeitbereich von 10 bis maximal 400 ms (pro Phonemkonfiguration bzw. Silbe)<br />

fehlerfrei und ungestört abspielen muss.<br />

Vor allem beim Spracherwerb ist die ungestörte Funktion des wichtigen Zusammenspiels<br />

komplexer audiophonatorischer und taktiler Rückmeldeschleifen, sowie Abstimmungen mit<br />

dem Atmungssystem von entscheidender Bedeutung, aber auch zur Kontrolle der eigenen<br />

Sprache. Entscheidend ist beim Spracherwerb die ungestörte Ausbildung eines im Vergleich<br />

zu anderen motorischen Programmspeichern extrem großen Speichersystems, welches praktisch<br />

für die Artikulation jedes Wortes bzw. Phonems vorbereitete und sofort abrufbare Programme<br />

besitzt, die im einzelnen nicht mehr zusammengesetzt werden müssen.<br />

Überdies ist ein sprachlicher Interaktionsprozess nicht nur von dem direkten mehr oder<br />

weniger gestörten artikulatorisch-akustisch-auditorischen Übertragungskanal bzw. Verarbeitungsbereich<br />

abhängig, sondern es sind auch psychologisch-psycholinguistische Aspekte der<br />

sprachlichen Kommunikation mit einzubeziehen. Dies insbesondere wenn Kommunikationsstörungen<br />

unter Lärmeinfluss betrachtet werden. Damit sind also auch Intentionsvorgänge<br />

beim Sprecher und Verstehensprozesse beim Hörer zu beachten, welche einerseits das Frequenzspektrum,<br />

die Zeitgestaltung der Sprache, die Sprachgeschwindigkeit, die Vokalisierung,<br />

die Länge und Verteilung von Pausen, die Sprachmelodie (Prosodie), aber auch die<br />

Wortwahl und die Zuwendung betreffen und andererseits wahrnehmungspsychologische


53<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 53<br />

Gesichtspunkte des Verstehens [Medin & Ross 1992], aktive Mustererkennungsvorgänge,<br />

Aufmerksamkeitszuwendung enthalten müssen [Watzlawick et al. 1990].<br />

Beeinträchtigungen der sprachlichen Kommunikation unter Lärmeinfluss können Spracherkennen<br />

und Sprachproduktion derart beeinflussen, dass Informationsverluste entstehen,<br />

Kommunikationsdauern verlängert werden (Nachfragen, Wiederholen), Gedankenketten abreißen<br />

und Anstrengungen beim Hörer (stärkere Konzentration) und Sprecher (Anheben der<br />

Stimme) auftreten, die das übliche Maß übersteigen. Diese Beeinträchtigungen können derart<br />

störende Ausmaße annehmen, dass die Kommunikationspartner nicht mehr bereit sind,<br />

sie zu tolerieren. Zunächst abgesehen von psycholinguistischen bzw. kognitiven Einflussgrößen<br />

ist die Güte einer Kommunikation abhängig von Sprachpegel und Sprachfrequenzumfang,<br />

Pegel sowie Frequenz- und Zeitzusammensetzung des Störgeräusches, Raumbeschaffenheit,<br />

binauralen bzw. visuellen Zusatzinformationen, Sprecher-Hörer-Abstand und<br />

Konfiguration, störgeräuschbedingter Sprachanhebung, störgeräuschbedingten Sprachverzerrungen,<br />

sowie Sprecher- und Hörerbelastung (s. u.).<br />

5.1.2 Bewertungsverfahren der Kommunikationsstörungen (nur Hörerbelastung)<br />

und Sprechpegel<br />

Gängige Bewertungsverfahren (Sprachperzeptionsschwelle: SRT; Artikulationsindex: AI;<br />

'Speech interference level': SIL; Sprachübertragungsindex: STI/RASTI) sind zwar geeignet<br />

für Beurteilung von Sprachübertragungskanälen (z. B. Räumlichkeiten), sie erfassen jedoch<br />

weniger die individuelle Kommunikationsbeeinträchtigung, insbesondere spezifischer Gruppen.<br />

Bezüglich des Einflusses des Störgeräuschpegels zeigen sehr einfache Messungen der<br />

Sprachperzeptionsschwelle (speech reception threshold: SRT = 50 % Erkennungsleistung),<br />

dass oberhalb von Sprachpegeln von 20 dB dann noch eine 50 %-ige Satzverständlichkeit<br />

gegeben ist, wenn die gesprochenen Sätze gerade 8 dB (entspricht AI = 0,4 und STI = AI +<br />

0,1 = 0,5) und nicht weiter unter dem Störgeräuschpegel präsentiert werden. Dabei sind andere<br />

Einflussgrößen, wie zum Beispiel Raumbeschaffenheit usw. als nicht zusätzlich beeinflussend<br />

angenommen. Eine in der experimentellen Situation gegebene Satzverständlichkeit<br />

zwischen 80 und 90 %, die als solche – nicht als Kommunikationsgüte (s. u.) – mit befriedigend<br />

bis gut zu bezeichnen ist, verlangt dann ein Signal/Störgeräuschverhältnis, welches<br />

mindestens bei 0 bis +3 dB liegt. Dabei liegt die Verständlichkeit von kontextfreien einsilbigen<br />

Worten allerdings erst zwischen 50 und 70 %, so dass dies eine Minimalforderung für<br />

eine überhaupt mögliche, eventuell gerade ausreichende sprachliche Kommunikation in der<br />

realen Situation des Normalhörenden darstellt.<br />

Für Umweltgeräusche ist bedeutsam, dass die Sprachverständlichkeit unter Störgeräuscheinfluss<br />

allerdings neben der jeweiligen Testsituation und vor allem neben den gewählten<br />

Sprachstimuli abhängig ist von der Frequenz/Zeitzusammensetzung der Störgeräusche,<br />

wobei die Einflüsse der Frequenzzusammensetzung innerhalb der grundsätzlich gegebenen<br />

Streubreite von Verständnismessungen liegen. Deutlichere Effekte zeigen sich, wenn Störgeräusche<br />

mit zwar gleicher Spektralverteilung, aber klarem Unterschied in ihrer Zeitstruktur<br />

verglichen werden. Bei stärker schwankenden sprachähnlichen Störschallen (z. B. Sprachgebabbel),<br />

aber auch bei anderen fluktuierenden Geräuschen, liegen 10 bis 30 % geringere Ver-


54<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 54<br />

ständlichkeitswerte vor, verglichen mit der Wirkung von Rauschen oder weniger schwankenden<br />

Störgeräuschen, auch wenn sie eine spektrale Verteilung gemäß einer langzeitgemittelten<br />

Sprache besitzen.<br />

Auch bei der bekannten Abhängigkeit der Sprachverständlichkeit von der Sprecher-Hörer-<br />

Distanz genügt es für viele Fälle, den A-bewerteten Schallpegel des Störgeräusches zu erfassen<br />

und eine Reduktion des vom Sprecher produzierten Schalldruckpegels von 6 dB pro Verdopplung<br />

der Entfernung anzusetzen. Je nach Geometrie des Raumes wird den Umständen<br />

entsprechend auch ein etwas geringerer Wert für die Pegelreduktion etwa im Bereich 3 bis 6<br />

dB pro Entfernungsverdopplung zu verwenden sein.<br />

Allerdings sind mit der einfachen Darstellung der Abhängigkeit zwischen Störgeräuschpegel<br />

und Abstand als parallele Geradenschar positive als auch negative Einwirkungen von stark<br />

fluktuierenden Störgeräuschen außer Acht gelassen und nur grobe Schätzungen möglich.<br />

Individuelle Variabilität der Sprechlautstärke, schlechte Artikulation, unterschiedliches<br />

Sprachmaterial oder fremde Sprachen und starke Halligkeit können die Standardkommunikationssituation<br />

beachtlich verändern. Andererseits kann Binauralhören (Verbesserung<br />

unter optimalen Bedingungen bis ca. 10 dB; im diffusen Störgeräuschfeld in der Größenordnung<br />

1 bis 3 dB) und visueller Kontakt zwischen Sprecher und Hörer (Verbesserungen<br />

ca. 5 bis 10 dB) positiv die Sprachverständlichkeit beeinflussen. Zu beachten ist, dass bei<br />

Alltagskommunikationssituationen, insbesondere im familiären Bereich, und beim verbalen<br />

Kommunikationskontakt zwischen Mutter und Kleinkind stets eine größere Entfernung (z. B.<br />

maximal 4 m) als die Standardentfernung von 1 m anzusetzen ist.<br />

Aufgrund des Hörens der eigenen Sprache (audiophonatorische Rückkopplung) bewirkt der<br />

sogenannte Lombard-Effekt, dass die Sprechintensität mit wachsendem Störgeräuschpegel<br />

ungefähr 0,4 bis 0,7 dB (im Mittel 0,5 dB) anwächst, wenn der Störgeräuschpegel um 1 dB<br />

zunimmt. Es werden dabei folgende Bereiche des Sprechpegels (gemessen in 1 m Abstand)<br />

festgelegt, die sich in ruhiger Umgebung um jeweils 6 dB unterscheiden:<br />

– ruhig (Privatbereich) 48 dB<br />

– ruhig/normal (Privatbereich) 54 dB<br />

– normal 60 dB<br />

– angehoben 66 dB<br />

– laut 72 dB<br />

– sehr laut 78 dB<br />

– Schreien 84 dB<br />

– maximales Schreien 90 dB.<br />

Bei verschiedenen Umweltsituationen verhalten sich die Kommunikationspartner den jeweiligen<br />

Umgebungsbedingungen angepasst [Pearsons et al. 1977, Griefahn et al. 2001a].<br />

Bei laut gesprochener Sprache oder Schreien mit Pegelwerten oberhalb 70 - 80 dB tritt neben<br />

einer Verschiebung des Frequenzspektrums infolge extrem starker Luftströmungsgeschwindigkeit<br />

im Sprachproduktionssystem eine Veränderung der Phonemstruktur, sowie ein Ab-


55<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 55<br />

flachen von Sprachkontur bzw. -ausdruck (Prosodie) und Sprachdynamik auf: Es kommt zu<br />

verzerrter Sprache mit entsprechenden Folgen für die Sprachverständlichkeit. In diesem Bereich<br />

reduziert ein 10 dB-Anstieg des Sprechpegels die Sprachverständlichkeit um 15–40 %,<br />

so dass sich zur Kompensation das Signal/Störgeräuschverhältnis um etwa 5 - 10 dB verbessern<br />

müsste, damit extrem laute Sprache mit gleicher Sprachverständlichkeit perzipiert<br />

wird wie normal gesprochene Sprache. Ebenso sinkt die Sprechgeschwindigkeit um ca 20 %,<br />

wodurch zwar bei geringen und mittleren Sprechlautstärken bessere Erkennung möglich ist,<br />

jedoch bei lauter Sprache durch Veränderung der zeitlichen Wortstruktur und infolge Artikulationsveränderungen<br />

die Diskriminationsleistung im allgemeinen negativ beeinflusst wird.<br />

Vor allem bei Hörgestörten und Hörgeräteträgern sind es genau diese Änderungen in der<br />

Feinstruktur der Sprache, welche ganz entscheidend zu einer Verminderung ihrer Kommunikationsfähigkeit<br />

beitragen.<br />

5.1.3 Bewertung der Kommunikationsgüte unter Berücksichtigung von<br />

Hörer- und Sprecherbelastung<br />

Von besonderer Wichtigkeit ist sowohl die Herausstellung der Sprecher- als auch der Hörerbelastung<br />

in realen, komplexen sprachlichen Kommunikationssituationen unter Störgeräuscheinfluss,<br />

wobei neben den Sprach-, Geräusch- und Raumeigenschaften natürlich auch<br />

Alter, Sprachvertrautheit und Hörvermögen eine Rolle spielen. Nach Lazarus [1986a] kann<br />

die sprachliche Kommunikation dabei nicht besser sein, als durch die Belastung eines der<br />

Kommunikationspartner gegeben. Soll eine adäquate Kommunikation sichergestellt sein, so<br />

muss eine Balance zwischen der Anstrengung des Sprechers und der Behinderung des<br />

Hörers vorliegen. Aufgrund von Benotungsbeurteilungen ihrer jeweiligen Sprech- bzw.<br />

Verstehensgüte werden Bewertungskurven angegeben [Lazarus 1990], welche die Abhängigkeit<br />

zwischen Störgeräuschpegel und Sprecher-Hörer-Abstand beinhalten (Bild 5.1).<br />

a) b)<br />

Bild 5.1 Kommunikationssituationen hinsichtlich Hörer- (bL) und Sprecherbelastung (bS). Dargestellt ist die<br />

Beziehung zwischen einwirkendem Störschallpegel (LNA) und der Sprecher-Hörer-Distanz mit<br />

Beurteilungswerten für die Güte der Sprechleistung (bS) und die Güte der Verstehensleistung (bL)<br />

nach Lazarus [1990] a) Hörer zunächst in 1 m Abstand; b) Hörer in größerem Abstand.


56<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 56<br />

Damit sind – entsprechend dort angegebener Benotungsstufen – eine Vielzahl von Situationen<br />

beurteilbar, bei denen unter Störgeräuscheinfluss sowohl der Sprecher seine Stimmlautstärke<br />

anhebt, als auch der Hörer die Entfernung zum Sprecher verringert. Ebenso<br />

können Situationen beurteilt werden, in denen der Abstand zwischen Sprecher und Hörer<br />

nicht veränderbar und größer als die Standardentfernung (1 m) ist (z. B. haushaltstätige<br />

Mutter und ortsfestes Kleinkind). Dann kann die aufgrund des größeren Abstands und<br />

deshalb gewählter höherer Sprechlautstärke stärkere Sprecherbelastung in ihrem sehr schnell<br />

mit wachsendem Störgeräusch zunehmenden Anwachsen ermittelt werden; ebenso wie die<br />

geringer ansteigende Hörerbelastung. Bleibt der Hörer in seiner Position oder ist dazu<br />

gezwungen, dann ist sofort ablesbar, dass ausgehend von normaler Sprechlautstärke mit<br />

wachsendem Störgeräuschpegel sowohl Hörer- als auch Sprecherbelastung zunehmen, wobei<br />

letztgenannte in geringerem Ausmaß ansteigt.<br />

Aus diesen Kurven (Ordinate: Innenraumpegel; Abszisse: Sprecher-Hörer-Abstand; bL und<br />

bs: Hörer bzw. Sprecherbelastung von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) zunehmend) ist Folgendes<br />

abzulesen:<br />

a) Wächst der Innenraum-Störpegel von 36 dB(A) ausgehend an (dicke senkrechte Linie<br />

verdeutlicht sehr gute Kommunikationsgüte: bL = 1, bS = 0,8), dann nimmt sowohl Hörerbelastung<br />

als auch Sprecherbelastung zu (z. B. Zunahme bei 1 m bleibendem Abstand und<br />

68 dB(A) Störpegel: bL = 4,5 und bS = 3). Entlang der schräg nach oben laufenden Linie<br />

nimmt allerdings die Hörer- und Sprecherbelastung gleichartig (ausgewogene Kommunikationssituation)<br />

mit wachsendem Störpegel zu; allerdings muss dazu der Hörer immer<br />

näher (bis auf 0,3 m) an den Sprecher heranrücken.<br />

b) Ist der Hörer in größerem Abstand zum Sprecher (z. B. 4 m), dann ist der Sprecher genötigt,<br />

mit höherem Sprechpegel zu sprechen also eine höhere Belastung (bS = 2 mindestens)<br />

in Kauf zu nehmen. Die dicke senkrechte Linie bei 4 m (ortsfester Hörer, z. B.<br />

Kleinkind im Laufstall) verdeutlicht, dass eine gute bis sehr gute Kommunikationsgüte<br />

(bL = 1 bis 2) für diesen Hörer nur dann möglich ist, wenn die Sprecherbelastung deutlich<br />

ansteigt (bS = 3). Während also bei einem Hörer-Sprecherabstand von 4 m bei einem<br />

Innenraum-Störpegel von im Mittel 44 dB(A) die Hörer-Kommunikationsgüte zwischen<br />

sehr gut und gut liegt, ist die Sprecher-Kommunikationsgüte nur mit befriedigend zu<br />

bewerten.<br />

Die Annäherung zwischen Sprecher und Hörer zwecks Verbesserung der Kommunikationsgüte<br />

bei Störgeräuscheinwirkung ist jedoch durch die Grenze des individuellen Raumes (ca.<br />

45 cm im privaten Bereich) eingeschränkt. Eine Unterschreitung dieser Grenze löst Stressreaktionen<br />

aus [Bell et al. 1996].<br />

5.1.4 Epidemiologische Erhebungen hinsichtlich Kommunikationsstörungen<br />

durch Lärmeinfluss<br />

Eine ausführliche Zusammenstellung epidemiologischer Erhebungen mittels sozialpsychologischer<br />

Methoden an 'normalhörenden' Bevölkerungsgruppen hinsichtlich Kommunikationsstörungen<br />

durch Lärm und entsprechender Dosis-Wirkungsbeziehungen zeigt, dass derartige


57<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 57<br />

Störungen deutlich an erster Stelle der durch Lärm bewirkten Störeffekte stehen; noch vor<br />

Störungen von Ruhe und Entspannung (zum Beispiel des Schlafs). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen,<br />

dass die erlebten lärmbedingten Kommunikationsstörungen neben der Beeinträchtigung<br />

der Sprachverständlichkeit und den damit unmittelbar verbundenen Anstrengungen<br />

für Sprecher und Hörer z. B. auch psychische und soziale Störungen nach sich ziehen [u.<br />

a. Berglund et al. 1999, Griefahn et al. 2001a, Guski 1987, Spreng 1994a, b].<br />

So geben in den USA 39 % der befragten Personen in Großstädten mit gemischten<br />

Geräuschemissionen an, sich durch die Beeinträchtigung der Sprachverständlichkeit gestört<br />

zu fühlen. Wird nur die Störung durch den Straßenverkehrslärm betrachtet, dann wird bei<br />

einem Außenmittelungspegel (6 - 22 Uhr) zwischen Lm = 50 und 75 dB(A) ein Anteil<br />

wesentlich Gestörter ermittelt, welcher von 20 - 75 % der Bevölkerung reicht. Während im<br />

oberen Intensitätsbereich bei Einwirkung von Straßenverkehrslärm die allgemeine Gestörtheit<br />

und die vegetativen Auswirkungen beachtlicher sind als die Kommunikationsstörung,<br />

überwiegt diese bei Schienenverkehrslärm in diesem Intensitätsbereich [um Lm = 70 dB(A)].<br />

Im unteren Intensitätsbereich wirken Schienen- und Straßenverkehrslärm an sich auch noch<br />

deutlich beeinträchtigend, jedoch hinsichtlich der Kommunikationsstörung praktisch gleich,<br />

während Autobahnverkehrs- und Fluglärm in diesem Pegelbereich [Lm = 55 - 60 dB(A)] die<br />

Angaben für starke Belästigung auf das Doppelte gegenüber Schienen- und Straßenverkehrslärm<br />

ansteigen lassen. Speziell bei den detaillierter untersuchten Kommunikationsstörungen<br />

durch Straßenverkehrslärm gibt die Mehrzahl der Betroffenen Störungen der Unterhaltung<br />

und Gestörtheit beim Radio- bzw. TV-Hören an. Die Klagen über Störungen der Unterhaltung<br />

übersteigen dabei diejenigen hinsichtlich Schlafstörungen. Die Maskierung von Sprache<br />

und anderen für den Betroffenen wichtigen Schallereignissen (Signale) wird dann als besonders<br />

belästigend erlebt, wenn die gewünschte Information irreversibel verloren geht (Radiound<br />

TV-Hören). Telefonieren, Unterhalten, Radio hören oder Fernsehen sind einzelne diskrete<br />

Ereignisse, die durch laute Einzelereignisse und weniger durch Dauergeräusche gestört<br />

werden. Diesbezüglich sind keine detaillierten, auf Momentanpegel bezogenen Untersuchungen<br />

bekannt, so dass eventuell auf ältere Angaben über Sprachverständlichkeit in Arbeitsstätten<br />

unter Einbezug von Störgeräuschen [DIN 33410, 1981] orientierend zurückgegriffen<br />

werden könnte. Dort wird eine Sprachverständlichkeit noch angenommen, wenn in Innenräumen<br />

ein LASmax 60 bzw. 54 dB(A) für Abstände von 1 m bis 4 m (z. B. TV-Hören) gegeben<br />

ist und einmal (1 m) ruhig/normale (57 dB(A)) und zum anderen – gegebenenfalls durch<br />

geräteseitige Lautstärkeanhebung- normal/angehobene (63 dB(A)) Sprechweise vorausgesetzt<br />

wird.<br />

Als weitere Gründe für Kommunikationsgestörtheit werden angegeben, dass einmal die dann<br />

notwendige erhöhte Aufmerksamkeit nicht für andere Leistungen zur Verfügung steht und<br />

somit der verursachende Lärm belästigend empfunden wird. Zum anderen haben die Menschen<br />

keine Lust, sich in lauter Umgebung längere Zeit mit angehobener oder gar schreiender<br />

Stimme zu unterhalten, lieber brechen sie die Unterhaltung ab oder beschränken sie<br />

auf das Notwendigste. Auch die Möglichkeit einer zeitweisen Unterbrechung der Unterhaltung<br />

bei fluktuierendem Lärm (Lkw-Vorbeifahrt, Schienenlärm, Fluglärm) wird belastend<br />

und ärgerlich erlebt, denn die erzwungene Unterbrechung führt dazu, dass bei den


58<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 58<br />

Gesprächspartnern Gedankenketten abreißen. Obwohl sicher in den Lärmpausen relativ problemlos<br />

Informationen ausgetauscht werden könnten, ist eine sinnvolle Unterhaltung im<br />

eigentlichen Sinne deshalb nicht möglich (Bild 5.2).<br />

Bild 5.2 Belästigungsangaben als Folge des Straßenverkehrslärms innerhalb der Wohnung (angegeben ist die<br />

Prozentzahl der sich tatsächlich belästigt Fühlenden; an den Säulen ist die Prozentzahl aller sich<br />

äußernden (nicht unbedingt belästigten) Befragten beigefügt [nach IFAPLAN 1989, zit. in UBA<br />

1993]).<br />

Vor allem bei Fluglärm ergeben Befragungen hinsichtlich der variablen 'Kommunikationsstörung',<br />

dass diese am häufigsten spontan genannt, am stärksten ausgeprägt ist und die<br />

höchste Korrelation mit den Belastungswerten aufweist [DFG 1974, Griefahn et al. 2001a].<br />

Fasst man alle Angaben über Kommunikationsstörungen durch die verschiedenen Umweltstörgeräusche<br />

zusammen, dann ist zu konstatieren, dass der Schwellenwert für angegebene<br />

Kommunikationsstörungen wesentlich Gestörter (10 % der Befragten) bei einem 50 - 55<br />

dB(A) hohen mittleren Außenschallpegel liegt, wobei speziell eine Verdopplung der Lautstärke<br />

von Fluggeräuschen (10 dB Pegelanstieg) in etwa auch zu einer Verdopplung der<br />

Unzufriedenheit infolge von Kommunikationsstörungen führt [Langdon et al. 1974]. Neuere<br />

Befragungsergebnisse zeigen jedoch, dass eher ein etwa 5 dB(A) niedrigerer Wert anzusetzen<br />

ist [Berglund & Lindvall 1995, Fidell & Silvati 1998, de Jong et al. 1992, Kurra et al.<br />

1999]. Durch diese Untersuchungen wird vor allem der stärkere Belästigungseindruck für<br />

Störungen des Radio- und TV-Hörens infolge Schienenverkehrslärms herausgestellt, durch<br />

den beispielsweise im Pegelbereich 60 dB(A) (24 h Mittelungspegel) 30 - 40 % mehr wesentlich<br />

gestörte Personen zu verzeichnen sind, als bei Straßenverkehrslärm. Diese erhöhte<br />

Prozentzahl ergibt sich sogar für den gesamten Pegelbereich, wenn die Fluglärmeinwirkung<br />

betrachtet wird (bereits bei einem Tag/Nacht-Fluglärmpegel von Ldn = 60 dB(A) bezeichnen<br />

sich über 50 % der befragten Personen in ihrer Kommunikation gestört, Bild 5.3). Es ist<br />

deshalb nicht verwunderlich, dass speziell die Kommunikationsstörung, die mit den Sorgen<br />

und Befürchtungen der Bevölkerung, welche mit der allgemeinen Lärmsituation verbundenen<br />

sind, die Belästigung in den Bereich des Erheblichen schiebt und dass deshalb der<br />

überwiegende <strong>Teil</strong> der Bevölkerung den Schutz vor Lärm als nicht ausreichend ansieht.


Anteil gestörter Personen in %<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

1995<br />

1998<br />

Linear (1995)<br />

Linear (1998)<br />

59<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 59<br />

R 2 = 0.711<br />

R 2 = 0.8465<br />

30 35 40 45 50 55 60 65 70 75<br />

Average Ldn [dB]<br />

Bild 5.3: Anteil Personen, die vor (1995) und nach dem <strong>Ausbau</strong> (1998) des <strong>Flughafen</strong>s Vancouver Kommunikationsstörungen<br />

(Unterhaltung, Radio hören/Fernsehen) angaben [Fidell & Silvati 1998].<br />

Eine ausführliche Darstellung mehrerer, im Zeitraum 1980 bis 1998 in verschiedenen Ländern<br />

durchgeführter, Feldstudien an Flughäfen hinsichtlich der Wirkung von Fluglärm auf<br />

die Kommunikation findet sich bei Griefahn et al. [2001a]. Im Mittel ergibt sich daraus als<br />

Zumutbarkeitsgrenze zur Vermeidung erheblicher Kommunikationsstörungen ein Tagesmittelungspegel<br />

in Höhe von Leq, 16h = 60,2 dB(A). Maximalpegelangaben finden sich in<br />

einer Studie von Rylander et al. [1980] zwischen Lmax = 75 dB(A) (Radio/TV) und Lmax =<br />

78,5 dB(A) [Telefonieren] als höchstens zumutbare Werte.<br />

5.1.5 Lärminduzierte Kommunikationsstörungen Normalhörender und<br />

besonderer Personengruppen<br />

Für normalhörende Personen ist gemäß den obigen Angaben bei 'enger' Kommunikation (1<br />

m) ein ruhig/normaler (54 dB) bis normaler (60 dB) Sprechpegel, also im Mittel 57 dB zu<br />

erwarten. Bei 'familiärer' Kommunikation (4 m) darf mit einem normalen (60 dB) bis angehobenen<br />

(66 dB) Sprechpegel, also im Mittel mit 63 dB gerechnet werden.<br />

Legt man das für Normalhörende für gutes bis sehr gutes Sprachverständnis (Artikulations-<br />

Index: AI = 0,6 – 1,0; Speech Transmission Index STI = 0,7 – 1,0) notwendige Signal/<br />

Störverhältnis von 6 bis 18 dB (Mittel 12 dB) [Lazarus & Lazarus-<strong>Main</strong>ka 1979, Houtgast<br />

1980, Steenken & Houtgast 1980, Lazarus 1993] zugrunde, dann muss ein Innengeräuschpegel<br />

herrschen von 45 dB(A) für 'enge' Kommunikation (1 m Abstand) und 39 dB(A) für<br />

'familiäre' Kommunikation (4 m Abstand), da im letztgenannten Fall zusätzlich der Sprechpegel<br />

um 12 dB (4-facher Abstand) vermindert am Ohr des Hörers eintrifft. Der sich so<br />

errechnende Wert von 39 dB(A) Innengeräuschpegel für gutes bis sehr gutes Sprachverständnis<br />

bei 'familiärer' Kommunikation entspricht dem vom Arbeitskreis für Lärmwirkungsforschung<br />

beim Umweltbundesamt bereits 1985 [AKLWF 1985] propagierten Wert


60<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 60<br />

von 40 dB(A). Damit ergeben sich die in Tabelle 5.1 (siehe unten) in der ersten Zeile<br />

angegebenen Werte von tolerablen Innenraum-Störpegeln für gutes bis sehr gutes Sprachverständnis<br />

normalhörender Personen [Spreng 1994a, b, 2001c].<br />

Für bestimmte Personengruppen resultieren – wie in der Folge dargelegt – andere Signal/<br />

Störverhältnisse, wodurch sich die weiteren in Tabelle 5.1 angeführten Werte errechnen<br />

[Spreng 1994a, b].<br />

Säuglinge und Kleinstkinder<br />

Der wichtige und bisher nur relativ wenig beachtete Problembereich der Störung des Kommunikationsverhaltens<br />

betrifft den Spracherwerb von Kindern. Beginnend mit dem vorgeburtlichen<br />

Hören laufen dabei in den ersten 12 - 18 Lebensmonaten entscheidende<br />

Reifungprozesse hinsichtlich der Biomechanik des Innenohres, der Markreifung des<br />

zentralen Nervensystems und vor allem hinsichtlich Selektionsprozessen bezüglich Verbindungen<br />

innerhalb nervöser Strukturen ab. Eine normale sensorische Erfahrung ist hier – für<br />

eine normale Gehirnentwicklung – von entscheidender Bedeutung. Dabei sind die bedeutsamen<br />

Leistungen einmal das Aktivieren und Ausbilden der taktilen Rückkopplungssysteme<br />

zunächst über die audio-phonatorische Kontrolle und zweitens die langfristige Anlage eines<br />

im Vergleich zu anderen Speichern motorischer Programme außerordentlich großen Speichers<br />

für sprachmotorische Programme.<br />

Voraussetzungen für einen ordnungsgemäßen Spracherwerb von Säuglingen ist bei diesen<br />

Prozessen nicht der Erwerb von Gewohnheiten, sondern einerseits die Entfaltung angeborener<br />

Spracherwerbsfähigkeiten, welche in ihrer organischen Funktion normal angelegt sein<br />

müssen und andererseits das interpersonale Umfeld, welches eine ungestörte Wahrnehmung<br />

der selbsterzeugten und der fremderzeugten Laute ermöglichen muss. Dabei ist das soziale<br />

Umfeld, vor allem das aufmerksame, nicht durch Lärmeinfluss psychisch gestresste, ohne<br />

lärmbedingte Eintönigkeit und Einschränkung und mit normaler Intonation, sowie Sprachrhythmus<br />

ablaufende, Sprechen mit dem Kind, von großer Bedeutung [Grimm 1998]. Ist die<br />

für die funktionelle Ausreifung von Nervenbahnen unverzichtbare Anregung durch die Umwelt<br />

nicht mehr im normalen Maße gegeben oder findet sensorische Deprivation im Bereich<br />

dieser sensiblen Entwicklungsphasen statt, dann wird der momentan bestehende Ausreifungszustand<br />

eingefroren und – wenn keine sonderpädagogischen Maßnahmen eingeleitet<br />

werden – verharrt der Sprachstatus für den Rest des Lebens auf diesem Stand.<br />

Fraglos stört Lärm grundsätzlich die für die Sprachentwicklung bereits in den ersten Lebenstagen<br />

notwendige dyadenspezifische Beziehung des Säuglings mit seiner Betreuungs- bzw.<br />

Bezugsperson (Mutter) auf mehrfache Weise. Des weiteren ist damit zu rechnen, dass die<br />

wichtige Imitationsfähigkeit des Säuglings im lärmgestörten Umfeld nicht voll zur Geltung<br />

kommt, da die Attraktivität des Lärms derartige Versuche reduziert. Es kommt für den<br />

Säugling auch zu Misserfolgserlebnissen (learned helplessness), wenn durch den Lärm der<br />

Ausgleich mit entsprechendem Verhalten der Bezugsperson unterbleibt. In verdeckendem<br />

Hintergrundgeräusch kann das Kind auch die feinen Lautunterschiede nicht mehr ausreichend<br />

ausnutzen, die für den Reifungsprozess unabdingbar sind. Untersuchungen zeigen<br />

deshalb, dass Säuglinge im Alter von 7 - 11 Monaten durch Lärm deutlich benachteiligt sind;


61<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 61<br />

sie benötigen ein ca. 6 dB günstigeres Signal/Störgeräuschverhältnis als der Erwachsene,<br />

also 12 – 24 dB (im Mittel 18 dB: Tabelle 5.1) [Nozza et al. 1990].<br />

Kleinkinder<br />

Ähnliches gilt für den Spracherwerb von Kleinkindern, bei denen die weiter einsetzenden,<br />

extrem komplexen Entwicklungsvorgänge (Übergang der Steuerungsdominanz vom limbischen<br />

System hin zu kortikalen Bereichen) durch eine belärmte Umwelt zumindest verzögert<br />

wird. Untersuchungen an Kindern im Alter von 4 - 5 Jahren lassen erkennen, dass das<br />

Diskriminationsvermögen dieser Kinder wesentlich schlechter ist als das von Erwachsenen,<br />

wobei die Angaben für das für die Kinder nötige bessere Signal/Störgeräuschverhältnis<br />

von 5 - 10 dB bis hin zu 15 - 22 dB (im Mittel 13 dB) schwanken. Sie benötigen also<br />

Verbesserungswerte von 19 - 31 dB (im Mittel 25 dB: Tabelle 5.1) [Schwartz & Goldman<br />

1974, Hall & Grose 1991, Papso & Blood 1989].<br />

Es liegen zahlreiche indirekte Hinweise vor, dahingehend, dass durch ständige Kommunikationsstörung<br />

infolge Lärmeinwirkung Verhaltensweisen ausgelöst werden, welche das Erlernen<br />

der Muttersprache und die damit verbundenen Fähigkeiten (Sprechen, Lesen, Schreiben)<br />

verzögern oder beeinträchtigen. Da das Kind zur Aufrechterhaltung der Reifeprozesse laufend<br />

entsprechende Anregungen benötigt, sind lärmerfüllte Zeiten von längerer Dauer (zum<br />

Beispiel Wohnung an belärmter Straße) sicher negativ zu werten, denn das ungestörte Zwiegespräch,<br />

das für den normalen Spracherwerb unbedingt notwendig ist, wird durch die lärmerfüllte<br />

Umgebung häufig zu stark beeinträchtigt. Dies gilt um so mehr für ein hörbehindertes<br />

Kind, bei welchem das intensive Üben in einen sinnvollen konzeptuellen Kontext eingebettet<br />

sein muss und in einer möglichst störungsfreien, jedoch nicht isolierten Umgebung<br />

stattfinden sollte (vergl. Kap. 9).<br />

Schulkinder<br />

Hinsichtlich der Störung des Kommunikationsverhaltens von Schulkindern ist natürlich störender<br />

Lärm, insbesondere wenn er zeitlich variabel ist und in gewissem Sinne stets neue<br />

Informationen bietet, hinsichtlich seiner Aufmerksamkeitsattraktivität, was die Erledigung<br />

von Aufgaben angeht (beispielsweise auch die bewusste Wahrnehmung eigener Lautproduktion),<br />

besonders negativ wirksam. Grundsätzlich sind natürlich Störgeräusche von Außen<br />

und Innen, sowie vor allem auch Halligkeit von Schulräumen die Ursache dafür, dass das<br />

klare Hören von Worten im Unterricht beeinträchtigt wird. Hinzu kommt eine geringere Diskriminationsleistung<br />

der Kinder im Alter bis zu 13 Jahren, wobei gegenüber Erwachsenen<br />

verbesserte Signal/Störgeräuschverhältnisse um 5 bzw. 7 dB, also insgesamt 12 – 24 dB (im<br />

Mittel 18 dB: Tabelle 5.1) als notwendig genannt werden [Elliot 1979, Neumann & Hochberg<br />

1983, Yacullo & Hawkins 1987, Hygge 1993].<br />

Grundsätzlich dürfen hinsichtlich Spracherwerb, Lesefähigkeit und allgemeiner Lernleistung<br />

die Kommunikationsstörungen durch Störschalle in Vorschuleinrichtungen, Schulen<br />

und anderen Bildungsstätten nicht zu gering angesetzt werden. Die Entwicklung der Leseund<br />

Schreibfähigkeit steht in direktem Zusammenhang mit der Sprachentwicklung. Eine<br />

Reihe von Untersuchungen belegen, dass die Lese- und Schreibleistungen von Schulkin-


62<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 62<br />

dern unter Fluglärmeinfluss vermindert sind [Cohen et al. 1986, Evans & Maxwell 1997,<br />

Hygge 1992, 1993, Hygge et al. 1996, Meis 1998].<br />

Als grobe Anhaltswerte sollten deshalb in derartigen Einrichtungen Sprachschallpegel etwa<br />

10 dB über dem Störschallpegel liegen und bei schwierigen oder fremdsprachlichen Texten<br />

etwa 20 dB besser sein, um völlige Satzverständlichkeit zu erreichen. Für Klassenzimmer<br />

würde dies zum Beispiel einen Störgeräuschpegel von LNA = 35 dB bei einem Sprachschallpegel<br />

von LSA = 45 dB am Ohr des Hörenden bedeuten. Die relativ hohen, eigenerzeugten<br />

Störschallpegel durch Unruhe der Schüler, die bis über 70 dB(A) gehen können,<br />

dürfen über diese Notwendigkeit nicht hinweg täuschen. Im privaten Bereich kann den<br />

geringeren Sprachperzeptionsleistungen der Kinder in gewissen Grenzen durch individuelle<br />

Kompensation von Störgeräuschen Rechnung getragen werden. Dies ist in institutionellen<br />

Einrichtungen, in denen sich Kinder tagsüber aufhalten (Kindergärten, Kindertagesstätten,<br />

Schulen, Lernhilfeeinrichtungen usw.) nicht möglich. Für diese Einrichtungen ist daher zu<br />

fordern, dass bei angehobener/lauter Sprechweise (LSA = 69 dB) auch in größerer Entfernung<br />

zum Sprecher (ca. 10 m: schulische Kommunikation) mindestens eine befriedigende Sprachverständlichkeit<br />

gegeben ist [Spreng 1994a, b, 2001c]. Es ergibt sich so für die Kommunikation<br />

in Schulen und vergleichbaren Einrichtungen für Kinder ein höchstens zumutbarer<br />

Störschallpegel von LNA = 36 dB(A) [siehe Tabelle 5.1; Spreng 1994a, b, 2001c].<br />

Es kann auch nicht verlangt werden, dass das Lehrpersonal (Kindergärtnerinnen, Lehrer,<br />

Vortragsredner) durch überstarkes Anheben der Stimme den geforderten Störabstand mit<br />

vermehrter Anstrengung wiederherstellt, da häufig hyperfunktionelle Stimmstörungen<br />

sprachverständlichkeitsmindernd wirken und berufsbedingte Dysphonien oder sogar Phonastenien<br />

nach sich ziehen können.<br />

Vor allem hörgestörte Schulkinder oder solche mit Hörgeräten leiden aufgrund ihrer Fehlhörigkeit<br />

besonders unter Störschallen, denn bei diesen Betroffenen wirkt Lärm nicht nur<br />

durch seine Verdeckungseigenschaft lernhemmend, sondern er mindert durch den unausweichlichen<br />

Aufmerksamkeitsentzug die richtige Erschließung von Wortklangbildern. Speziell<br />

in diesen Fällen muss die störgeräuschausgelöste Kommunikationsbehinderung kontrolliert<br />

bleiben, um der drohenden Begrenzung der Persönlichkeitsentfaltung entgegenzuwirken<br />

(vergl. Kapitel 9).<br />

Schwerhörige<br />

Die bisher ebenfalls wenig hinsichtlich Kommunikationsstörungen beachtete Gruppe der<br />

Schwerhörigen (ca. 15 Millionen in der Bundesrepublik Deutschland) erfährt durch eine<br />

störgeräuschhaltige Umgebung eine nicht unerhebliche Erhöhung ihres Leidensdruckes.<br />

Dabei ist es nicht nur der Informationsverlust im sprachlichen Bereich allein, sondern<br />

vielmehr auch der Verlust vieler emotionaler Begleitbotschaften, die in dem gesprochenen<br />

Wort mitschwingen und diesem oft die eigentliche Intention vermitteln, so dass letztlich<br />

Schwerhörigkeit in tiefgreifender Weise das psychische und soziale Erleben prägend beeinflusst<br />

und die Persönlichkeitsentfaltung der betroffenen Menschen, insbesondere im Alter,<br />

deutlich tangieren kann.


63<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 63<br />

Um diese massive Beeinträchtigung von Schwerhörigen zu verstehen, bedarf es einer<br />

näheren Erläuterung der Kommunikationsstörung Schwerhöriger ohne Störgeräuscheinwirkung,<br />

also einer Differenzierung der verschiedenen Hörverluste (Hochtonverlust, Rekruitmentschädigung,<br />

retrocochleäre Schwerhörigkeit, Reduktion des Frequenzunterscheidungsvermögens,<br />

Verminderung des Zeitauflösungsvermögens) und ihres Einflusses auf das<br />

Sprachverstehen [Spreng 1994a, b]. Dabei zeigt es sich, dass der Schwerhörige mit vergleichsweise<br />

erhöhter Hörschwelle (häufig im Hochtonbereich) andere Methoden der Merkmalsextraktion<br />

benutzt als der Normalhörende. Grundsätzlich treten bei leichten bis mittleren<br />

Hörschäden hauptsächlich und konsistent Konsonantenverwechslungen auf; bei mittlerer bis<br />

hochgradiger Schwerhörigkeit kommen verstärkt Vokalverwechslungen hinzu. Aufgrund<br />

zahlreicher Untersuchungen lässt sich aussagen, dass die Merkmale 'Stimmhaftigkeit' und<br />

'Sonoranz' als sehr robust in ihrer Erkennung bei Hörstörungen zu bezeichnen sind, wohingegen<br />

das Merkmal 'Artikulation' sehr anfällig gegenüber Störeinflüssen ist. Diese Merkmalshierarchie<br />

ist bei Schwerhörigen sehr stabil und ziemlich unabhängig vom Grad der<br />

Hörstörung, vom Ort der Hörstörung oder von deren Ätiologie. Bei gravierenden Hörstörungen<br />

ist der vokalische Kern eines Wortes oft der einzige <strong>Teil</strong>, welcher für Hörgestörte noch<br />

einigermaßen zugänglich ist. Bei Resthörigen ist nur noch eine Differenzierung der Vokale<br />

nach ihrem Öffnungsgrad möglich. Werden die Vokale nicht mehr richtig erkannt, so werden<br />

meist die Wörter, in denen sie auftreten, und damit auch ganze Sätze nicht mehr verstanden.<br />

Die hervorstechendste Klage von Schwerhörigen betrifft ihre Unfähigkeit, in Gegenwart von<br />

Störgeräuschen Sprache zu verstehen. Während manche Menschen in ruhiger Umgebung<br />

kaum eine Beeinträchtigung ihres Sprachverstehens feststellen, verstehen sie besonders<br />

schlecht in sogenannten 'Cocktail-Party-Situationen'. Insbesondere hinsichtlich Spracherkennung<br />

im Lärm erweist sich der Frequenzbereich jenseits 2 kHz als wichtig, und man kann<br />

grob angeben, dass ein Anstieg von 1,2 dB pro 10 dB Hörverlust in diesem Bereich notwendig<br />

ist, um eine 50 %-ige Satzverständlichkeit zu gewährleisten. Hinsichtlich eines mittleren<br />

Hörverlustbereiches von 30 bis 50 dB entspricht dies einer notwendigen Verbesserung des<br />

Signal/Störgeräuschverhältnisses um mindestens 3 - 6 dB gegenüber dem Normalhörenden.<br />

Sowohl Störgeräusche, als auch Hallsituationen vermindern die Modulation der Sprachumhüllenden,<br />

so dass eine Beeinträchtigung der Spracherkennung durch letztere zusätzlich<br />

gegeben ist. Tritt beides auf, dann füllt das Störgeräusch die weniger intensiven Zeitbereiche<br />

der Sprache, Halligkeit verschmiert das Sprachsignal im Zeitbereich. Unter diesen ungünstigen<br />

Bedingungen muss ein um 3 – 9 dB (im Mittel 6 dB) verbessertes Signal/Störgeräuschverhältnis<br />

für die Hörgeschädigten verglichen zum Normalhörenden verlangt werden (also<br />

12 – 24 dB, im Mittel 18 dB: Tabelle 5.1) [Dreschler & Leeuw 1990], um gleiche Satzverständlichkeit<br />

aufzuweisen [Plomb & Duquesnoy 1982, Festen & Plomp 1990, Smoorenburg<br />

1990].<br />

Alterschwerhörige<br />

Bei der Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) tritt die Beeinträchtigung der Kommunikation<br />

durch Lärm besonders in den Vordergrund. Die geringe Kontaktfreudigkeit älterer Menschen<br />

und ihr nachlassendes Interesse an geselligen Veranstaltungen dürfte darin eine entscheiden-


64<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 64<br />

de Wurzel haben. Lärmpegel, aus denen Normalhörende, Kinder und Erwachsene noch alle<br />

wesentlichen akustischen Informationen mühelos heraushören können, führen ältere Menschen<br />

in die akustische Isolierung mit stets beachtlichen negativen Konsequenzen für ihr<br />

Leben.<br />

Etwa 24 % aller Deutschen sind derzeit 60 Jahre und älter und es weisen mehr als 50 % der<br />

63-Jährigen einen Hörverlust von ca. 30 dB bei den Frequenzen 2 und 4 kHz auf. Dieser<br />

charakteristische, graduell zunehmende Hochtonverlust bei der Altersschwerhörigkeit bewirkt<br />

einen beachtlichen Verständlichkeitsverlust, der mit einem ca. 12 dB besseren Signal/<br />

Störgeräuschverhältnis bei Altersschwerhörigkeit gegenüber dem Normalhörenden kompensiert<br />

werden müsste (also 18 – 30 dB, im Mittel 24 dB: Tabelle 5.1), während bei jüngeren<br />

gleichgradig Schwerhörigen eine Verbesserung um 6 dB die gleiche Anhebung der Verständlichkeit<br />

bereits bewirkt. Zu gleichen Werten (Signal/Störgeräuschverbesserungen<br />

zwischen 11 und 13 dB) kommen andere Untersuchungen bei 76 - 86-Jährigen in Gegenwart<br />

von gefilterter und verhallter Sprache [Gordon-Salant 1987, Humes & Christopher 1991].<br />

Die erheblichen Diskriminationsprobleme vom Altersschwerhörigen bei Hintergrundgeräuschen<br />

basieren zusätzlich zu den Schäden im Innenohr auf degenerativen Veränderungen des<br />

zentralen Hörnervensystems. Während etwa 80 % der Perzeptionsverluste im Alter mit den<br />

Innenohrschäden im hochfrequenten Bereich erklärt werden können, sind weitere 20 - 25 %<br />

der Perzeptionsdefizite auf die Störung der Erfassung temporärer Sequenzen und zusätzliche<br />

8 - 11 % auf altersabhängig verminderter Frequenzselektivität (geringere Vokalidentifikation<br />

unter Lärmeinwirkung [Nabelek 1988]) zurückzuführen. Altersschwerhörige haben Schwierigkeiten,<br />

ein zuvor nie gehörtes Wort, verzerrte Sprache oder einen kurzen Ton zu erkennen.<br />

Auch Richtungshören und die Fähigkeit, ein Gespräch in der Gruppe zu verstehen, lassen<br />

nach [Spreng 1994a, b].<br />

Hörgeräteträger<br />

Bisher sind aus den Betrachtungen hinsichtlich Kommunikationsbeeinträchtigung durch<br />

Lärm die etwa 1,5 Millionen Hörgeräteträger von den ca. 15 Millionen Hörgeschädigten<br />

weitgehend herausgefallen. Hörgeräteversorgung bedeutet in den meisten Fällen keine<br />

Wiederherstellung des normalen Hörvermögens, sondern allenfalls eine <strong>Teil</strong>kompensation.<br />

Hörgeräte sind, insbesondere bei Innenohrschädigungen, nicht in der Lage, im Störgeräusch<br />

eine dem Normalhörenden gleiche Sprachverständlichkeit wiederherzustellen. Zusätzlich<br />

liefern Hörgeräte mit automatischer Verstärkungsregelung und Begrenzungseinrichtungen<br />

die Gefahr, gerätetechnisch bereits Sprache zu verändern. Derartige hörgerätebedingte<br />

Beeinflussungen der Feinstruktur der Sprache, vor allem auch der Einsatz von Rauschfiltern<br />

bzw. Frequenzanhebungen können gelegentlich bereits in Ruhe das Sprachverständnis<br />

reduzieren und die Tragehäufigkeit der Hörgeräte vermindern.<br />

Da sowohl Sprachschall als auch Störschall durch das Hörgerät verstärkt werden, ergibt sich<br />

keine Verbesserung des Sprachverständnisses im Lärm, sondern die Verständlichkeit sinkt<br />

von Werten um 90 % auf Werte unter 50 %. Treten dann noch die gerätebedingten Sprachveränderungen<br />

hinzu, dann ist es nicht verwunderlich, dass viele Hörgeräteträger sich über


65<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 65<br />

die Unmöglichkeit des Aufrechterhaltens einer Kommunikation in einer störgeräuscherfüllten<br />

Umgebung beklagen. Obwohl moderne, digitale Hörgeräte in vielerlei Hinsicht an<br />

(relativ gleichförmige) Umgebungsgeräusche angepasst und programmiert werden können,<br />

sind sie bei hochdynamisch sich ändernden Geräuscheinwirkungen (z. B. Fluglärm) nicht in<br />

der Lage, in der Unterhaltungssituation eine optimale, verzerrungsfreie Spracherkennung zu<br />

gewährleisten [Hansen 2000, Plath 2000].<br />

Um derartige lärminduzierte Verschlechterungen der Sprachdiskriminationsleistung zu kompensieren,<br />

sind Verbesserungen des Signal/Störgeräuschverhältnisses um 15 - 27 dB (im<br />

Mittel 21 dB: Tabelle 5.1) für Hörgeräteträger wünschenswert bzw. notwendig [Petersen et<br />

al. 1990, Müller 1993].<br />

5.1.6 Angaben über tolerable mittlere Innengeräuschpegel<br />

Allgemein zusammenfassend werden in Tabelle 5.1 für die verschiedenen Personengruppen<br />

mittlere Bereiche des Signal/Störgeräuschverhältnisses und damit tolerable mittlere Innengeräuschpegel<br />

für gutes bis sehr gutes Sprachverstehen zusammengestellt. Dabei wird unterschieden<br />

zwischen<br />

– 'enger' Kommunikation (1 m Abstand, ruhige/normale Stimme: LSA = 57 dB)<br />

– 'familiärer' Kommunikation (4 m Abstand, normale/angehobene Stimme: LSA = 63 dB)<br />

– 'schulischer' Kommunikation (10 m Abstand, angehobene/laute Stimme: LSA = 69 dB)<br />

Aus den für die jeweilige Gruppe in der Literatur gefundenen Angaben über – gegenüber<br />

dem Normalhörenden – zu verbessernde Signal/Störgeräuschverhältnisse (s. o.) werden derartige<br />

Bereiche ermittelt durch Addition zum notwendigen Signal/Störgeräuschverhältnis des<br />

Normalhörenden für gute bis sehr gute Verständlichkeit. Der daraus bestimmbare Mittelwert<br />

und die jeweils für die gewählten Situationen angesetzten Sprechlautstärken ergeben den<br />

tolerablen Mittelwert der Störpegel in Innenräumen.<br />

Für den Schallpegelabfall mit zunehmender Entfernung sind 6 dB pro Verdopplung der Entfernung<br />

angenommen. Hier kann je nach Raumbeschaffenheit ein etwas geringer Abfall angenommen<br />

werden, so dass die angegebenen Innenraumstörpegel unter solchen Umständen<br />

3 dB höher liegen könnten. Will man sich mit einer nur befriedigenden Kommunikationssituation<br />

begnügen, dann könnten die Pegel der Störgeräusche in den Innenräumen im Mittel<br />

sogar um 6 dB höher liegen. Andererseits könnte in Anlehnung an die von Lazarus vorgeschlagene<br />

Einbeziehung von 'privaten' (p) und 'nicht privaten' Sprechpegeln ein 3 dB niedrigerer<br />

Sprechpegelwert sowohl für die 'enge' Kommunikation (LSA = 54 dB: normal (p)) als<br />

auch für die 'familiäre' Kommunikation (LSA = 60 dB: angehoben (p) bezüglich der Ableitung<br />

von Schutzkriterien eingesetzt werden. Dementsprechend würden in diesen Situationen<br />

die Störgeräuschpegel (Tab. 5.1) wieder um 3 dB zu reduzieren sein.<br />

Für die Kommunikation in Wohninnenbereichen von <strong>Flughafen</strong>anrainern ist mindestens<br />

eine gute Sprachverständlichkeit bei normaler, allenfalls angehobener Sprechweise anzustreben.<br />

Es sollte deshalb im Innenraum gemäß Tabelle 5.1 bei normalem/angehobenem


66<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 66<br />

Sprechpegel von LSA = 60 bis 63 dB(A) als präventiver Richtwert für 'familiäre' Kommunikation<br />

ein Störpegel von LNA = 40 dB(A) (39 dB(A) nach Tab. 5.1, 2. Spalte) eingehalten<br />

werden.<br />

Tab. 5.1 Signal/Störverhältnis-Bereiche und mittlerer tolerabler Innengeräuschpegel [in eckiger Klammer]<br />

für bestimmte Personengruppen in enger, familiärer und schulischer Kommunikationssituation unter<br />

Berücksichtigung eines jeweils entsprechenden Sprachpegels.<br />

'enge' Kommunikation<br />

1m Abstand<br />

ruhig/normal [57 dB(A)]<br />

'familiäre' Kommunikation<br />

4 m Abstand<br />

normal/angehoben [63dB(A)]<br />

'schulische' Kommunikation<br />

10 m Abstand<br />

angehoben/laut [69 dB(A)]<br />

Normalhörende 6-18 [45 dB(A)] 6-18 [39 dB(A)] 10 [41 dB(A)]<br />

Säuglinge 12-24 [39 dB(A)] 12-24 [33 dB(A)] ⎯<br />

Kleinkinder 19-31 [32 dB(A)] 19-31 [26 dB(A)] ⎯<br />

Schulkinder 12-24 [39 dB(A)] 12-24 [33 dB(A)] 10-20 [36 dB(A)]<br />

Schulkinder (HG) ⎯ ⎯ 30 [21 dB(A)]<br />

Schwerhörige 12-24 [39 dB(A)] 12-24 [33 dB(A)] 16 [35 dB(A)]<br />

Altersschwerhörige 18-30 [33 dB(A)] 18-30 [27 dB(A)] 22 [29 dB(A)]<br />

Hörgeräteträger 15-27 [36 dB(A)] 15-27 [30 dB(A)] ⎯<br />

Fasst man ohne Einbezug der Normalhörenden, die für 'enge' Kommunikation in Tabelle<br />

5.1 für besondere Gruppen angegebenen restlichen Werte als Mittelwert zusammen, so<br />

kann man als Störschallschwellenwert in Innenräumen ca. LNA = 35 dB(A) postulieren.<br />

Auch ergibt bei anpassbarer, familiärer Kommunikation (Tab. 5.1, Spalte 2) die Mittelwertbildung<br />

zwischen Normalhörenden [39,0 dB(A)] und dem Mittelwert der restlichen<br />

Personengruppen [31,6 dB(A)] einen Schwellenwert von 35,3 dB(A).<br />

Um eine gute bis sehr gute Sprachverständlichkeit bei 'enger' Kommunikation (1 m) bzw.<br />

eine gute Sprachverständlichkeit bei 2 m Abstand zu gewährleisten, wird nach dem Kriterium<br />

der Sprachverständlichkeit ein höchstens zumutbarer, kritischer Störschallpegel<br />

(Kritischer Toleranzwert) von LNA = 45 dB(A) [Tabelle 5.1, Spalte 1] im Innenraum<br />

gefordert, was bei gekippten Fenstern bei einem Außenpegel von 60 dB(A) erreicht wird.<br />

Bezogen auf den Tagesmittelungspegel konnte aus Feldstudien (s. oben) abgeleitet werden,<br />

dass ab einem gebietsbezogenen Leq,16h = 60,2 dB(A) Kommunikationsstörungen in der<br />

Bevölkerung in nicht mehr zumutbarem Maße auftreten [Griefahn et. al. 2001a].<br />

Zu erwähnen ist, dass die Tageszeit ab ca. 17 Uhr als besonders sensibler Zeitbereich<br />

bezüglich der Kommunikationsstörungen angesehen werden kann [Felscher-Suhr et al.<br />

1995], was allerdings nicht heißt, dass die übrige Zeit als nicht schutzbedürftig wäre.<br />

Kommunikation findet den ganzen Tag über statt, sei sie interaktiv oder passiv. Deshalb<br />

sollte die Unterschreitung des zur Vermeidung erheblicher Kommunikationsstörungen<br />

maximal zumutbaren Fluglärmpegels ganztägig eingehalten werden [Griefahn et al.<br />

2001a].


67<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 67<br />

5.2 Kommunikationsstörungen in Außenwohnbereichen<br />

5.2.1 Störungen der Kommunikation in Außenbereichen<br />

Wie bereits erwähnt, ist es nicht immer zuzumuten, dass bei höheren Pegeln einerseits die<br />

Fenster zu Innenräumen überwiegend geschlossen bleiben und andererseits die Benutzung<br />

der Außenwohnbereiche (Terrasse, Balkon, Garten) eingeschränkt wird. Letzteres trägt zu<br />

den berichteten Kommunikationsstörungen entscheidend bei und dürfte auch die Ursache<br />

dafür sein, dass sich bei Befragungen im Sommer gut 10 % größere durch Lärm beeinträchtigte<br />

bzw. belästigte Bevölkerungsanteile ergeben [UBA 1993].<br />

Es ist natürlich bis zu einem gewissen Grade gerechtfertigt, bei Kommunikation in Außenwohnbereichen<br />

höhere Sprechpegel als in Innenräumen vorauszusetzen, da ja in den meisten<br />

Fällen permanente, nicht durch Fluglärm bedingte, und auch natürliche, nicht zu vermeidende,<br />

Störschallquellen vorliegen. Mit anderen Worten können für den Außenbereich<br />

in <strong>Flughafen</strong>nähe weniger strenge Kriterien für die Sprachverständlichkeit angelegt werden.<br />

Hier sollte aber wenigstens eine ausreichende Sprachverständlichkeit über 1 bis 2 m<br />

gewährleistet sein, Nach dem Grundsatz gleicher Anstrengung bei Sprecher und Hörer<br />

müsste für den Sprecher eine laute Sprechweise veranschlagt werden. Nach Lazarus-<strong>Main</strong>ka<br />

und Tkocz 1988 bewerten Hörer eine laute Sprechweise auf Dauer jedoch als unangenehm.<br />

Deshalb darf dem Sprecher im Außenbereich nicht mehr als eine angehobene<br />

Sprechweise zugemutet werden.<br />

Des weiteren kann bei Fluglärm im Gegensatz zu permanentem Straßenverkehrslärm auf<br />

gewisse Lärmpausen hingewiesen werden, innerhalb derer eine ungestörte Kommunikation<br />

relativ problemlos möglich ist. Dem ist entgegenzuhalten, dass die zeitweise völlige Unterbrechung<br />

der Unterhaltung bei stark fluktuierendem Lärm (Überflug einzelner sehr lauter<br />

Flugzeuge) belastend oder ärgerlich erlebt wird. Denn die erzwungene Unterbrechung<br />

führt dazu, dass bei den Gesprächspartnern Gedankenketten abreißen und eine flüssige<br />

Kommunikation dadurch beeinträchtigt wird. Darüber hinaus muss bei längerfristiger<br />

Kommunikation mit angehobener (66 dB) Stimme der Gesichtspunkt der Sprecherbelastung<br />

erwähnt werden. Dessen Kommunikationssituation kann bei diesem Wert des Sprechpegels<br />

nicht mehr als gut, sondern muss eher als befriedigend bezeichnet werden.<br />

Betrachtet man für die Außenwohnbereiche eine ausgewogene und befriedigende<br />

Sprecher/Hörersituation als Anhaltswert für eventuell noch tolerierbare Nutzung dieser<br />

Außenwohnbereiche, so findet man dafür Grenzwerte für Störpegel von LNA = 68 dB(A)<br />

[Lazarus 1990, Spreng 1994a, b], wie dies aus Bild 5.1a beim Schnittpunkt der beiden<br />

Geraden mit Bewertungsnote 3 und 0,5 m Sprecher-Hörer-Abstand (enge Kommunikation)<br />

abzulesen ist. Geht man von einem Sprecher-Hörer-Abstand von 4 m im Außenbereich aus<br />

(familiäre Kommunikation) so ist gemäß Bild 5.1b bei einem Störpegel von 56 dB(A) dann<br />

noch eine befriedigende (Bewertungsnote 3) Kommunikationssituation für den Hörer<br />

gegeben, wenn der Sprecher infolge Stimmanhebung nur noch seine Situation als ausreichend<br />

(Bewertungsnote 4) empfindet. Dies kann für Außenbereiche akzeptiert und als<br />

grobe Festlegung ein Mittelwert zwischen den beiden befriedigenden/ausreichenden Situa-


68<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 68<br />

tionsgegebenheiten (0,5 m und 4 m) bzw. den entsprechenden Störpegeln von 68 und<br />

56 dB(A) als Grenzwert genannt werden. Demzufolge kann als oberer, kritischer Toleranzwert<br />

für befriedigende/ausreichende kommunikative Nutzung von Außenbereichen<br />

(befriedigende/ausreichende Sprecher/Hörer- Situation) ein Störpegel von LNA =<br />

62 dB(A) angegeben werden.<br />

Bei gemittelten Außenpegelwerten in dieser Größenordnung sind gemäß Angaben des Umweltbundesamtes<br />

[UBA 1989] in den um ca. 10 - 15 dB (i. a. bei gekippten Fenstern) weniger<br />

lauten Innenräumen jedoch bereits ca. 10 - 15 % in ihrer Kommunikation wesentlich<br />

gestört. Die Oslo-Untersuchung von Gjestland et al. [1990a, b] ergibt allerdings bei einem<br />

Außenpegel von 62 dB(A) einen – zwar nicht wesentlich – jedoch beim 'Sprechen draußen'<br />

Prozentsatz Gestörter von immerhin ca. 60 % der befragten Personen an. Es empfiehlt sich<br />

deshalb, einen präventiven Richtwert für Kommunikationsstörungen im Außenbereich<br />

festzusetzen, der mindestens 3 dB niedriger, also bei 59 dB(A) festzulegen ist.<br />

Dieser Wert liegt genau zwischen dem ermittelten Schwellenwert für befriedigende bis<br />

ausreichende familiäre Außen-Kommunikationssituation von 56 dB(A) und dem kritischen<br />

Toleranzwert von 62 dB(A).<br />

Das Ergebnis dieser Studie von Gjestland et al. [1990a, b] ist in Bild 5.4 dargestellt. Dort<br />

sind auch Angaben über den Prozentsatz der gestörten Personen beim Sprechen im<br />

Innenraum und hinsichtlich Erholung enthalten.<br />

Bild 5.4: Ergebnisse der Oslo-Befragungsstudie hinsichtlich Prozentanteil gestörter Personen beim Sprechen<br />

im Außenbereich und im Innenbereich sowie bei der Erholung [Gjestland et al. 1990a, b].


69<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 69<br />

5.3 Zusammenfassende Betrachtung der Kommunikationsstörungen<br />

in der Umgebung von Großflughäfen<br />

Innenraumbereich<br />

Für die Kommunikation in Wohninnenbereichen von <strong>Flughafen</strong>anrainern ist mindestens<br />

eine gute Sprachverständlichkeit bei normaler, allenfalls angehobener Sprechweise anzustreben.<br />

Es sollte deshalb im Innenraum bei normalem/angehobenem Sprechpegel als präventiver<br />

Richtwert für 'familiäre' Kommunikation ein Störpegel von LNA = 40 dB(A)<br />

eingehalten werden.<br />

Um eine gute bis sehr gute Sprachverständlichkeit bei 'enger' Kommunikation (1 m) bzw.<br />

eine gute Sprachverständlichkeit in einer durchschnittlichen Sprecher-Hörerdistanz von 2<br />

m und bei normaler Sprechweise zu gewährleisten, wird nach dem Kriterium der Sprachverständlichkeit<br />

ein höchstens zumutbarer, kritischer Störschallpegel von LNA = 45<br />

dB(A) (kritischer Toleranzwert) im Innenraum während der Kommunikation gefordert,<br />

was bei gekippten Fenstern bei einem mittleren Außenpegel von 60 dB(A) erreicht wird.<br />

Diesbezüglich erhärtend konnte bezogen auf den Tagesmittelungspegel aus Feldstudien<br />

(s. o.) abgeleitet werden, dass ab einem gebietsbezogenen Leq,16h = 60,2 dB(A) Kommunikationsstörungen<br />

in der Bevölkerung in nicht mehr zumutbaren Maße auftreten. Dies gilt<br />

allerdings nur für Status-Quo-Bedingungen [Griefahn et. al. 2001a, b].<br />

Es ist eine offene Frage, wie viel kommunikationsstörende Ereignisse [z. B. über Lmax = 70<br />

dB(A)] pro Stunde in hoch belasteten Wohngebieten höchstens auftreten dürfen, wenn in<br />

solchen Gebieten an Großflughäfen im 16h-Tag etwa im Mittel pro Stunde 9 derartige<br />

kommunikationsstörender Ereignisse vorliegen; also ca. alle 6 Minuten eine Störung mit<br />

Spitzenpegeln über 70 dB(A) [teilweise bis 84 dB(A)] auftritt. Inwieweit eine kommunikationsfördernde<br />

passive Schalldämmung sich dann nicht nach den Tages-Mittelungspegeln,<br />

sondern bei ausgesprochen häufigen hohen Momentanpegelspitzen sich nach diesen richten<br />

müsste (z. B. < 79 dB(A) ohne Fensterdämmung), ist zu diskutieren.<br />

Außenbereich<br />

Für Außenbereiche kann eine nur befriedigende Kommunikationssituation für den Hörer<br />

und eine als ausreichend empfundene Sprechersituation (infolge Stimmanhebung) akzeptiert<br />

werden und so als grobe Festlegung ein Mittelwert zwischen den beiden befriedigenden/ausreichenden<br />

Situationsgegebenheiten (0,5 m und 4 m Abstand) bzw. den entsprechenden<br />

Störpegeln von 68 und 56 dB(A) als kritischer Toleranzwert genannt werden.<br />

Demzufolge kann als oberer, kritischer Toleranzwert für befriedigende/ausreichende<br />

kommunikative Nutzung von Außenbereichen (befriedigende/ausreichende Sprecher/<br />

Hörer-Situation) ein Störpegel von LNA = 62 dB(A) angegeben werden.<br />

Es empfiehlt sich jedoch, aufgrund epidemiologischer Untersuchungen [z. B. Gjestland et<br />

al. 1990a, b], einen präventiven Richtwert für Kommunikationsstörungen im Außenbereich<br />

festzusetzen, der mindestens 3 dB niedriger, also bei 59 dB(A) festzulegen ist<br />

und der genau zwischen dem Schwellenwert von 56 dB(A) und den kritischen Tole-


70<br />

Kapitel 5: Kommunikationsstörungen 70<br />

ranzwert von 62 dB(A) für die abstandsmäßig anpassbare Außen-Kommunikationssituation<br />

liegt.<br />

Selbstverständlich ist im Zusammenhang mit der Kommunikationsstörung in den Außenbereichen<br />

ebenfalls die Frage zu diskutieren, inwieweit die Häufigkeit besonders lauter Einzelereignisse<br />

auch dann als besonders störend aufzufassen ist, wenn der Tages-Mittelungspegel<br />

unter dem hier angegebenen kritischen Toleranzwert von 62 dB(A) bleibt.<br />

Vulnerable Gruppen<br />

Zu den durch Fluglärm in der Kommunikation besonders gestörten Personengruppen zählen<br />

Kinder, ältere Menschen, Schwerhörige und Hörgeräteträger. Für diese Personen müssen<br />

aufgrund des notwendigen höheren Sprach-Geräuschabstands niedrigere eben noch<br />

tolerable Fluglärmpegel als bei erwachsenen Normalhörenden angesetzt werden. Für Kinder<br />

ist im Vergleich zu erwachsenen Normalhörenden ein um mindestens 8 – 10 dB geringerer<br />

Störsschallpegel am Ohr des Hörers, für ältere Menschen und Schwerhörige nach<br />

Empfehlungen der WHO [Berglund & Lindvall 1995] ein um 5 – 10 dB geringerer Störschallpegel<br />

zu veranschlagen. Es ergibt sich hieraus für Schulen und sonstige institutionelle<br />

Einrichtungen für Kinder ein eben gerade über dem Schwellenwert liegender noch tolerabler<br />

Mittelungspegel innen von LNAeq = 36 dB. In Seniorenwohnanlagen, Seniorenheimen<br />

bzw. Pflegeheimen für ältere Menschen sollten die gleichen Sprachverständlichkeits-Anforderungen<br />

gelten (vergl. Kapitel 9).


6 Lärmbedingte Schlafstörungen<br />

6.1 Schlaf und zirkadiane Rhythmik<br />

71<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 71<br />

Während die Belästigung als sekundäre, insbesondere durch Störungen der akustischen<br />

Kommunikation und des Schlafs verursachte Lärmwirkung statistisch im Vordergrund<br />

steht, werden Schlafstörungen als besonders gravierend empfunden. Ein Beleg hierfür ist<br />

u. a. die im Rahmen von Planfeststellungsverfahren wiederholt vorgetragene Sorge um<br />

eine ungestörte Nachtruhe und die Forderung nach einem Nachtflugverbot. Dementsprechend<br />

fordert das am Mediationsverfahren beteiligte Gremium u. a. eine Einstellung des<br />

Luftverkehrs in der Zeit von 23 bis 5 Uhr.<br />

Das Fluglärmgesetz definiert einen Lärmschutzbereich, in welchem der Leq(4) 67 dB(A)<br />

überschreitet und der durch eine Isokontur von Leq(4) = 75 dB(A) in die leisere Schutzzone<br />

2 und die lautere Schutzzone 1 unterteilt wird. Die besondere Schutzbedürftigkeit während<br />

der Nachtstunden wird durch einen Zuschlag von ca. 10 dB zum Maximalpegel berücksichtigt.<br />

Die über 24 Stunden zu errechnenden äquivalenten Dauerschallpegel erlauben<br />

damit eine freie Verteilung der Flugbewegungen in die Nacht, sofern der Gesamtwert nicht<br />

überschritten wird.<br />

6.1.1 Zirkadiane und ultradiane Rhythmik<br />

Die physiologischen Funktionen unterliegen im Allgemeinen zahlreichen sich überlagernden<br />

rhythmischen Veränderungen, deren Perioden in weiten Grenzen, von Millisekunden<br />

bis zu (mindestens) einem Jahr reichen. Am intensivsten untersucht wurde die zirkadiane<br />

Rhythmik, der nahezu alle physiologischen Funktionen unterliegen. Rhythmen mit kürzerer<br />

Periode werden als ultradian (Atmung, Herzaktion etc.), Rhythmen mit längerer Periode<br />

als infradian bezeichnet (Menstruationszyklus bzw. Zirkalunarrhythmus). Während die<br />

kurzen Rhythmen durch biologische Taktgeber bedingt sind und auch ohne die Einwirkung<br />

externer Zeitgeber weiterschwingen, spielen bei den infradianen Rhythmen – wie bei den<br />

Wochen- und Jahresrhythmen – Umwelteinflüsse (Klima, soziale Faktoren) häufig eine<br />

entscheidende Rolle.<br />

Unter Vermeidung jeglicher Zeitinformation folgen die physiologischen Funktionen einem<br />

endogenen individuell unterschiedlichen zirkadianen Rhythmus. Dieser wird zentral im<br />

Nucleus suprachiasmaticus generiert. Durch Einwirkung externer Zeitgeber, insbesondere<br />

des Hell-Dunkelwechsels erfolgt eine Synchronisation auf den 24-Stundenrhythmus des<br />

geophysikalischen Tages, wobei das 1958 von Lerner und Mitarbeitern entdeckte und im<br />

Wesentlichen in der Zirbeldrüse gebildete Melatonin eine entscheidende Rolle spielt [Lerner<br />

et al. 1958].<br />

Die zirkadiane Rhythmik ist mit einem periodischen Wechsel zwischen vagotoner und<br />

sympathikotoner Spannung verbunden, der mit deutlichen Änderungen der Reagibilität auf<br />

exogene biologische, chemische und physikalische Reize einhergeht, ein Faktum, das in


72<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 72<br />

der Chronomedizin bei der Anwendung therapeutischer Maßnahmen genutzt wird und tageszeitliche<br />

Unterschiede in der Reagibilität auf Lärm erklärt.<br />

Der Schlaf-Wachwechsel ist der markanteste Ausdruck der zirkadianen Rhythmik. Sie ist<br />

überlagert von einer ultradianen Schwingung, dem 'Basic-Rest-Activity-Cycle' (BRAC).<br />

Letzterer, dessen Periode 90 bis 100 Minuten beträgt [Kleitman 1963, 1982] (Bild 6.1), ist<br />

nicht auf den Schlaf begrenzt, in dieser Zeit aber wegen der geringeren Anzahl und der<br />

herabgesetzten Intensität intervenierender Störfaktoren deutlicher als am Tage. Er manifestiert<br />

sich in periodischen Änderungen des Frequenz-Amplitudenmusters im Hirnstrombild<br />

(Elektroenzephalogramm, EEG) und korreliert mit der Schlaftiefe.<br />

w a c h<br />

Schlafstadien<br />

Schlafstadien<br />

w a c h<br />

Schlafstadien<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

w a c h<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

0 1 2 3 4 5 S t u n d e n 7<br />

Körperbew egungen Stadium R EM<br />

Bild 6.1: Beispiele ungestörter Schlafabläufe nach Dement und Kleitman [1957].<br />

Der Schlaf besteht, wie aus Bild 6.1 ersichtlich, aus 2 Hauptkomponenten, dem NREMund<br />

dem REM-Schlaf (Nicht-REM, REM: Rapid Eye Movements) und ist durch deren<br />

zyklische Abfolge gekennzeichnet, wobei der REM-Anteil mit jedem Zyklus zu Lasten des<br />

NREM-Anteils zunimmt. Das Hirnstrombild des NREM-Schlafs zeigt in jedem Zyklus<br />

eine Zunahme der Amplituden bei gleichzeitiger Verlangsamung der Frequenzen, an die<br />

sich eine Amplitudenreduktion und Frequenzbeschleunigung anschließt. Die maximal erreichbaren<br />

Amplituden der NREM-Phasen werden mit jedem folgenden Zyklus kleiner, so<br />

dass das Bild einer gedämpften Schwingung entsteht. Die elektrophysiologisch charakteristischen<br />

Merkmale des REM-Schlafs sind einzelne oder in Salven auftretende Augenbewe-


73<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 73<br />

gungen, deren Dichte vom Beginn bis zum Ende jeder einzelnen REM-Phase sowie im<br />

Verlauf der Nacht von einer REM-Phase zur nächsten zunimmt.<br />

Schlafdauer in Stunden<br />

24<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

REM-Schlaf<br />

50 * 40 30<br />

25<br />

20<br />

18.5<br />

18.5<br />

20<br />

Nicht-REM-Schlaf<br />

Wachphase<br />

22<br />

0<br />

1-15 3-5 6-23 2-3 3-5 5-9 14-18 19-30 33-45 50-70 70-85<br />

Tage Monate Jahre 10-13<br />

Jahre<br />

Lebensalter<br />

Bild 6.2: Schlafdauer und Lebensalter nach Roffwarg et al. [1966].<br />

*<br />

18.9<br />

Prozent des Gesamtschlafes<br />

Wegen der ausgeprägten charakteristischen Merkmale der beiden Hauptkomponenten des<br />

Schlafs, die sich auch im Verhalten nach dem Wecken zeigen, werden drei Bewusstseinslagen<br />

unterschieden:<br />

– das Wachbewusstsein<br />

– der REM-Schlaf<br />

– der NREM-Schlaf.<br />

Der zyklische Schlafablauf geht mit periodischen Änderungen der Schlaftiefe einher. Letztere<br />

ist definiert durch die zur Auslösung des Wachbewusstseins erforderliche Reizenergie<br />

und nimmt vom Stadium 2 bis zum Stadium 4 hin zu. Im Stadium REM ist die Weckschwelle<br />

im Mittel vergleichbar mit der in Schlafstufe 2, sie variiert jedoch stärker. So führen<br />

dann teilweise sehr schwache, selbst im Flachschlaf unwirksame Schallreize zum Aufwachen,<br />

während andererseits sehr laute, selbst im Tiefschlaf wirksame Reize 'überschlafen'<br />

werden.<br />

6.1.2 Individuelle und situative Determinanten des Schlafs<br />

Die Schlafdauer ist – wie Bild 6.2 zeigt – eine Funktion des Lebensalters. Das Neugeborene<br />

schläft noch bis zu 16, das Kleinkind 12 und das Schulkind ca. 10 Stunden. Beim Er-<br />

15 *<br />

13.8


74<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 74<br />

wachsenen beträgt die durchschnittliche Schlafdauer 7 bis 8 und im hohen Alter nur noch 5<br />

bis 6 Stunden. Dieser Alternsgang ist mit strukturellen Änderungen verknüpft. Der Anteil<br />

im REM-Schlaf nimmt von anfangs 50 % bis auf 15 % ab. Der Tiefschlaf, insbesondere<br />

das Schlafstadium 4, das bei Kindern und Jugendlichen noch hoch ist, wird allmählich kürzer<br />

und verschwindet im hohen Alter völlig.<br />

Die in Bild 6.2 gezeigte Schlafdauer stellt lediglich Durchschnittswerte dar. Interindividuell<br />

variiert die Schlafdauer erheblich und reicht von 2 bis 12 Stunden. Intraindividuell ist<br />

das Schlafverhalten hingegen relativ stabil. Die bekanntesten Beispiele für extrem kurze<br />

Schlafzeiten sind Napoleon, der nur 4 Stunden schlief und T. A. Edison, der mit 2 Stunden<br />

Schlaf auskam.<br />

Die Schlafdauer liegt im Allgemeinen deutlich über dem tatsächlichen Bedarf. So konnten<br />

habituelle 8-Stunden-Schläfer ihre Schlafdauer willkürlich und langfristig um 1.5 – 2 h<br />

verkürzen, ohne dass dadurch selbst nach einem Jahr das Befinden oder die Leistung beeinträchtigt<br />

gewesen wären [Friedman et al. 1977]. Infolgedessen wird zwischen obligatem<br />

und fakultativem Schlaf unterschieden (core sleep, optional sleep [z. B. Horne 1988]).<br />

Ob das Geschlecht eine Rolle spielt, ist fraglich. Bei jüngeren Personen finden sich meist<br />

keine Unterschiede. Mit zunehmendem Alter nehmen aber – insbesondere bei Frauen – die<br />

Klagen über Schlafstörungen zu und der Konsum an Schlafmitteln steigt an.<br />

Eine wesentliche Determinante des Schlafverhaltens ist die individuelle zirkadiane Phasenlage,<br />

ein in der Bevölkerung normal verteiltes Persönlichkeitsmerkmal, dessen extreme<br />

Ausprägungen als Morgen- und Abendtypen besondere Beachtung finden [Griefahn et al.<br />

2001b]. Morgentypen gehen in der Regel früher ins Bett und stehen früher auf, ihre Gesamtschlafzeit<br />

ist aber in der Regel nicht anders als die der Abendtypen.<br />

Darüber hinaus wirken sich situative Faktoren wie z. B. die physische und psychische Ermüdung,<br />

der Termin- und Prüfungsarbeiten begleitende Stress auf den Schlaf aus. In ungewohnter<br />

Umgebung ist das Einschlafen in der ersten Nacht verlängert und erschwert, der<br />

Tiefschlaf und der REM-Schlaf sind verkürzt, die Anzahl und die Dauer intermittierter<br />

Wachphasen sind erhöht ('First Night Effect') [Agnew et al. 1966, Basner et al. 2001, Coates<br />

et al. 1981, Griefahn 1985]. Damit verbunden ist im Allgemeinen eine höhere Reagibilität<br />

auf externe Reize. Mit einem ähnlichen – wenn auch geringeren – Effekt ist zu rechnen,<br />

wenn methodisch aufwändige Untersuchungen, z. B. die Aufzeichnung des Polysomnogramms<br />

in der Wohnung der Probanden vorgenommen werden [Labiale & Vallet 1981].<br />

6.1.3 Funktion des Schlafs<br />

Obwohl der Schlaf zu den am häufigsten untersuchten Problemkreisen gehört, sind seine<br />

Ursachen, Mechanismen und Funktionen noch nicht völlig aufgeklärt. Ganz offensichtlich<br />

stellt er jedoch – wie Schlafentzugsversuche zeigen – ein essenzielles Bedürfnis dar. Andererseits<br />

sind die Folgen des Schlafentzugs weit geringer als zunächst angenommen und die<br />

Symptome selbst langanhaltender, bis zu 200 Stunden dauernder Schlafentzüge sind durch<br />

nur eine oder maximal 2 Schlafperioden vollständig beseitigt [Horne 1988].


75<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 75<br />

Trotzdem ist davon auszugehen, dass während des Schlafs spezifische, für das Wohlbefinden<br />

und die Leistungsfähigkeit entscheidende, im Einzelnen jedoch noch unbekannte Veränderungen<br />

stattfinden. Unbestritten ist die Annahme einer Erholung, d. h. die Beseitigung<br />

physiologischer, neurologischer und psychischer Ermüdungen, wobei die physische Erholung<br />

vorwiegend im NREM-Schlaf, die psychische Erholung dagegen mutmaßlich im<br />

Traumschlaf (REM-Schlaf) erfolgt.<br />

6.1.4 Physiologische und biochemische Änderungen während des Schlafs<br />

Der Schlaf-Wachwechsel wird von zahlreichen Funktionsänderungen begleitet. Er verursacht<br />

diese nicht, kann aber deren Ausmaß beeinflussen. Charakteristisch ist die Aktivierung<br />

des Parasymphatikus bei gleichzeitiger Abnahme des sympathischen Tonus. Herzschlagfrequenz<br />

und Rektaltemperatur fallen zunächst ab, erreichen ein Minimum gegen<br />

4 Uhr, um dann wieder anzusteigen (Bild 6.3). Ähnlich verhalten sich Blutdruck, Stoffwechsel<br />

und Hormonproduktion. Viele dieser Funktionen werden durch den Basic-Rest-<br />

Activity-Cycle moduliert, korrelieren also mit der Schlaftiefe.<br />

Mittlere Herzschlagfrequenz [min -1 ]<br />

66<br />

64<br />

62<br />

60<br />

58<br />

56<br />

Herzschlagfrequenz<br />

Rektaltemperatur<br />

12.00 16.00 20.00 0.00 4.00 8.00 12.00<br />

Uhrzeit [MEZ]<br />

Bild 6.3: Herzschlagfrequenz und Rektaltemperatur im Tagesverlauf.<br />

Der Schlaf ist also keineswegs nur die Folge einer allgemeinen Dämpfung der Aktivität<br />

und des Bewusstseinslevels. Während des Schlafes finden vielmehr komplexe Funktionsabläufe<br />

zu seiner Regulation statt.<br />

37.0<br />

36.8<br />

36.6<br />

36.4<br />

36.2<br />

36.0<br />

Mittlere Rektaltemperatur [°C]


6.2 Lärmbedingte Schlafstörungen<br />

76<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 76<br />

Obwohl Schlafstörungen zu den häufigsten Klagen in der ärztlichen Sprechstunde gehören,<br />

existieren keine zuverlässigen Daten über deren Häufigkeit in der Gesamtbevölkerung. Die<br />

Schätzungen liegen zwischen 10 und 50 %. Am häufigsten sind Ein- und Durchschlafstörungen<br />

sowie vorzeitiges terminales Erwachen.<br />

Schlafstörungen lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien, nach Symptomatik, Ursache,<br />

therapeutischem Vorgehen, dem Zeitpunkt der Störung etc. einteilen. Aus präventivmedizinischer<br />

Sicht sind im Wesentlichen 2 Kategorien zu unterscheiden:<br />

– krankheitsbedingte Schlafstörungen, die kausal therapiert werden müssen, und<br />

– umweltbedingte Schlafstörungen, die sich durch Gestaltungsmaßnahmen im Sinne einer<br />

primären Prävention vermeiden lassen.<br />

Ausgehend von der Annahme, dass chronische Schlafstörungen, gleich welcher Ursache,<br />

zur Genese von Erkrankungen beitragen, beschreibt Bild 6.4 den möglichen Kausalzusammenhang<br />

zwischen chronischen (lärmbedingten) Schlafstörungen und morphologisch<br />

definierten Erkrankungen, wobei 3 Reaktionstypen zu unterscheiden sind.<br />

– Primärreaktionen sind Änderungen des Schlafablaufs, der Motorik und/oder vegetativer<br />

Funktionen. Sie werden unmittelbar im Anschluss an den Reiz(beginn) beobachtet<br />

(Akutreaktionen) oder als globale (über alle Akutreaktionen einer Nacht integrierte)<br />

Änderungen registriert (Globalreaktion).<br />

– Sekundärreaktionen sind die Folge schlafgestörter Nächte. Sie betreffen die subjektiv<br />

bewertete Schlafqualität und die Stimmung, im weiteren Verlauf auch die mentale und<br />

die psychomotorische Leistung.<br />

– Tertiärreaktionen sind klinisch manifeste Gesundheitsschäden und Entwicklungsstörungen,<br />

über die auf der Basis lärmbedingter Schlafstörungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt<br />

keine gesicherten Aussagen möglich sind. Denkbar wäre ein Beitrag zur Genese<br />

multifaktorieller chronischer Erkrankungen und Störungen.<br />

Während die primären Akutreaktionen zweifelsfrei als durch Lärm verursacht nachgewiesen<br />

werden können, ist die über die gesamte Nacht erfasste Globalreaktion (Gesamtzahl<br />

aller Wachphasen, ausgeschiedene Stresshormone) bereits das Resultat der Einwirkung<br />

qualitativ unterschiedlicher Stressoren, deren einzelne Beiträge zur Gesamtreaktion bisher<br />

nicht quantifizierbar sind. Letzteres ist für die Sekundärreaktionen noch schwieriger, da die<br />

aktuelle Situation (beim Ausfüllen von Fragebögen, bei der Durchführung von Leistungstests)<br />

einen weiteren Einfluss hat. Bezüglich der vermuteten, erst nach Jahren oder gar<br />

nach Jahrzehnten möglichen klinisch relevanten Gesundheitsstörungen sind Zuordnungen<br />

derzeit rein spekulativ [HCN 1999, Porter et al. 1998]. Damit bleibt aber die prognostische<br />

Bedeutung der einzelnen Primärreaktionen im Hinblick auf mögliche Gesundheitsschäden<br />

unklar. Aufwachreaktionen sind prinzipiell erinnerlich und bestimmen die subjektive


77<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 77<br />

Schlafqualität, die Befindlichkeit und das Gefühl der Belästigung und sind im Sinne der<br />

WHO, die Gesundheit als einen Zustand vollständigen physischen, psychischen und sozialen<br />

Wohlbefindens [WHO 1968] definiert, als gesundheitlich relevant einzuordnen [Porter<br />

et al. 2000]. Dem entspricht auch die Empfehlung einer 1992 von Ollerhead einberufenen<br />

internationalen Expertenrunde, die das im Hirnstrombild nachweisbare Aufwachen als substanzielle<br />

Schlafstörung einordnete [Ollerhead et al. 1992].<br />

L<br />

Ä<br />

R<br />

M<br />

individuelle<br />

und situative<br />

Einflüsse<br />

Primärreaktionen Folgereaktionen<br />

Schlaftiefe<br />

Schlafdauer<br />

Schlafablauf<br />

Bewegungen<br />

vegetative<br />

Reaktionen<br />

Schlafqualität<br />

Befinden<br />

Leistung<br />

Bild 6.4: Arbeitshypothese zu lärmbedingten Schlafstörungen. Möglicher Zusammenhang zwischen akuten<br />

Reaktionen und klinisch relevanten Gesundheitsstörungen.<br />

6.2.1 Aufzeichnung und Bewertung des Schlafs und der Schlafstörungen<br />

Zur Registrierung und Quantifizierung des Schlafes stehen zahlreiche Methoden, zur Verfügung,<br />

von denen die wichtigsten Verfahren im Folgenden genannt werden.<br />

Polysomnogramm. Die differenzierteste Betrachtung lärmbedingter Schlafstörungen erlaubt<br />

die Registrierung eines Polysomnogramms. Nur die gleichzeitige Aufzeichnung von<br />

Elektroenzephalogramm (EEG), Elektrookulogramm (EOG) und Elektromyogramm<br />

(EMG) gewährleistet eine valide und reliable Quantifizierung des Schlaf- und des Wachzustands<br />

sowie der einzelnen Schlafstufen [Rechtschaffen & Kales 1968]. Die Fixierung<br />

von Elektroden auf der Schädeldecke, der Stirn und am Kinn verursacht aber eine gewöhnungsbedürftige<br />

artifizielle Situation (auch in der gewohnten Situation zu Hause, 'First<br />

night effect'). Die Aufzeichnung und Auswertung des Polysomnogramms erfordert eine<br />

entsprechend aufwändige technische Ausstattung. Sie ist für Laborstudien unverzichtbar,<br />

limitiert jedoch den Umfang von Feldstudien.<br />

G<br />

E<br />

S<br />

U<br />

N<br />

D<br />

H<br />

E<br />

I<br />

T


78<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 78<br />

Signalisiertes Aufwachen. In einfacher Weise lässt sich der Wachzustand durch Betätigung<br />

eines Signals erfassen, ein Verfahren, das in wenigen Untersuchungen ausschließlich<br />

[Fidell et al. 1994, 1995, Horonjeff et al. 1982], in anderen zusätzlich zur Aufzeichnung<br />

des EEG [Basner et al. 2001, Berry & Thiessen 1970, Lukas & Kryter 1968, 1969, Lukas<br />

et al. 1971, 1973, 1975, Thiessen 1978, 1980, 1983] und von Körperbewegungen [Fidell et<br />

al. 1995, Passchier-Vermeer et al. 1999] eingesetzt wird. Falsch positive Signale (Betätigung<br />

der Signale im Schlaf) sind zwar selten, falsch negative (keine Betätigung der Signale<br />

im Wachzustand) jedoch häufiger, weil die Anweisung vergessen wird oder weil die Probanden<br />

zu müde/träge für eine aktive Handlung sind [Lukas et al. 1973]. Die tatsächliche<br />

Anzahl an Aufwachreaktionen wird also eher unterschätzt. Andererseits erhöht die geforderte<br />

aktive Kooperation den Bedeutungsgehalt externer Einwirkungen und damit die<br />

Wahrscheinlichkeit einer Aufwachreaktion [Williams 1973].<br />

Körperbewegungen. Aufwachreaktionen sind meist von Körperbewegungen begleitet.<br />

Deshalb wird die motorische Unruhe in einigen Laborstudien [Öhrström 1995, Öhrström &<br />

Björkman 1983, 1988, Öhrström & Rylander 1982, 1990], vor allem aber im Feld mittels<br />

eines am Handgelenk getragenen Aktimeters registriert. Dieses Verfahren beeinträchtigt<br />

die Probanden kaum, erlaubt aber die Beobachtung des natürlichen Nachtschlafs und ist<br />

darüber hinaus leicht auszuwerten [Fidell et al. 1995, Griefahn et al. 2000, Ollerhead et al.<br />

1992, Passchier-Vermeer et al. 1999, 2002]. Nach Ollerhead et al. [1992], die 178 im Feld<br />

aufgezeichnete Polysomnogramme und Aktigramme miteinander verglichen, sind 88 % der<br />

durch Bewegungen im EEG verursachten Signale auch im Aktigramm zu finden, während<br />

40 % aller aktimetrisch erfassten Bewegungen mit Aufwachen (nicht unbedingt mit dem<br />

Auslösen des Wachbewusstseins) assoziiert sind.<br />

Öhrström [1995] berücksichtigt in ihren Untersuchungen gesondert die großen Körperbewegungen,<br />

da deren Anzahl besser als die Gesamtzahl aller aktimetrisch registrierten Bewegungen<br />

mit der morgens erinnerten Anzahl der Wachperioden und somit auch mit der<br />

subjektiv bewerteten Schlafqualität korreliert [Öhrström & Rylander 1982].<br />

Autonome Reaktionen. Lärm verursacht – ebenso wie während des Wachzustands – auch<br />

im Schlaf Änderungen autonomer Funktionen, die unmittelbar nach Reizbeginn einsetzen<br />

und nur wenige Sekunden bis Minuten andauern. Anders als die Aufwachreaktionen und<br />

die subjektive Bewertung des Schlafs habituieren diese Reaktionen nicht und werden deshalb<br />

von einigen Autoren als auf Dauer pathogen eingestuft [Carter 1998, Carter et al.<br />

1994a, 1994b, Griefahn 1975, 1977b, Jurriëns et al. 1983, Keefe et al. 1971, Muzet et al.<br />

1980, Öhrström & Björkman 1988]. Als Indikatoren werden insbesondere die Herzschlagfrequenz<br />

und der periphere Volumenpuls registriert [Bach et al. 1991, Jansen 1970b, Johnson<br />

et al. 1975, Muzet 1983, Muzet et al. 1980, Muzet et al. 1985, Nicolas et al. 1993].<br />

Stresshormone. Wachphasen sind mit erhöhter Sympathikusaktivität verbunden, die bei<br />

spontanem Aufwachen bereits 1 bis 2 Sekunden vorher einsetzen und die gesamte Wachphase<br />

beträchtlich überdauern. Lärm kann daher auch zu vermehrter Produktion von<br />

Stresshormonen führen (Cortisol, Adrenalin, Noradrenalin), deren Metaboliten mit dem<br />

Urin ausgeschieden werden [Carter 1998, Maschke et al. 1997b]. Der Urin lässt sich je-


79<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 79<br />

doch nur über bestimmte Zeiträume sammeln, in denen mit der Einwirkung weiterer Stressoren<br />

gerechnet werden kann. Die Ausscheidung stellt also eine kumulative Reaktion des<br />

Organismus auf zahlreiche Reize während des Sammelzeitraumes dar, wobei der Anteil<br />

des Lärms nicht quantifiziert werden kann [HCN 1999].<br />

Blutbild. Untersuchungen des Blutbildes, die Bestimmung der Anzahl der Leukozyten, der<br />

Eosinophilen und der Basophilen erfolgten nur gelegentlich [Osada et al. 1968, 1974],<br />

auch Thrombozyten wurden bisher nur vereinzelt registriert [Maschke et al. 1995].<br />

Subjektive Beurteilung des Schlafs. In nahezu allen Untersuchungen füllen die Probanden<br />

abends und morgens kurze Fragebögen aus. Abends werden u. a. die aktuelle Situation<br />

(Anspannung, Müdigkeit), teilweise auch der Tagesablauf erfragt. Morgens sind die qualitativen<br />

und quantitativen Parameter des Schlafs einzuschätzen (Einschlafdauer, Dauer und<br />

Häufigkeit intermittierter Wachphasen, Schlafqualität etc.). Die Einschätzung des Schlafs<br />

ist jedoch problematisch. Die Betroffenen sollen einen bereits abgeschlossenen und in einer<br />

qualitativ anderen Bewusstseinslage verbrachten Zeitraum beurteilen. Dies ist nur indirekt<br />

anhand der erinnerten Anzahl, Dauer und des Verlaufs der bewusst erlebten Wachzeiten<br />

möglich. Abgesehen von gelegentlich berichteten Diskrepanzen zwischen objektiv gemessenem<br />

Schlafablauf und subjektiver Bewertung können die meisten Menschen die<br />

Wachzeiten relativ gut einschätzen. Die Einschlafdauer, die intermittierten und terminalen<br />

Wachzeiten determinieren – zusammen mit erinnerten Schwierigkeiten beim (Wieder-)Einschlafen<br />

– die subjektiv empfundene Schlafqualität [Öhrström 1995, Kawada et al. 1993,<br />

Olivier-Martin Schneider 1973].<br />

Befinden. Das Befinden wird meist morgens, teilweise auch mehrfach während des Tages<br />

ermittelt [Collins & Iampietro 1972, Ludlow & Morgan 1972, Öhrström 1995, Öhrström &<br />

Rylander 1982, 1990, Tulen et al. 1986].<br />

Coping-Strategien. Die morgens beantworteten Fragebögen schließen häufig auch Fragen<br />

nach Bewältigungsstrategien ein, insbesondere die Frage, ob die Fenster während der<br />

Nacht geschlossen wurden [Griefahn et al. 2000, Öhrström 1999, Scharnberg et al. 1982].<br />

In sozialwissenschaftlichen Untersuchungen wird darüber hinaus gefragt, ob Gehörschutzmittel<br />

verwendet oder Schlafmittel konsumiert wurden.<br />

Leistung. Zur Beurteilung der Leistung werden abends und morgens meist Wahlreaktionstests<br />

durchgeführt (3- oder 4-choice Tests) [Jurriëns et al. 1983, Griefahn & Gros 1985,<br />

Griefahn et al. 2000, LeVere et al. 1972, 1975, 1976], mit denen sowohl die Arbeitsgeschwindigkeit<br />

als auch die Fehlerrate erfasst werden. <strong>Teil</strong>weise werden auch Konzentrations-<br />

und Vigilanztests etc. durchgeführt [Öhrström 1995, Öhrström & Rylander 1990].<br />

Tertiärreaktionen, gesundheitlich relevante Langzeiteffekte. Die Hypothese der pathogenen<br />

Wirkung des Lärms bzw. der lärmbedingten Schlafstörungen wurde bislang nur gelegentlich<br />

im Rahmen sozialwissenschaftlicher Untersuchungen an kleinen Kollektiven<br />

geprüft [Öhrström 1989, 1991, 1993].


6.3 Stand des Wissens<br />

80<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 80<br />

Seit Ende der 60er Jahre wurden zahlreiche Untersuchungen zur Frage lärmbedingter<br />

Schlafstörungen durchgeführt, die im Wesentlichen den folgenden 5 Kategorien zuzuordnen<br />

sind:<br />

– laborexperimentelle Untersuchungen, in denen Umwelteinwirkungen minimiert und<br />

definierte Lärmbelastungen erzeugt werden,<br />

– feldexperimentelle Untersuchungen, in denen zusätzlich zur üblichen Schalleinwirkung<br />

definierte Lärmbelastungen in der häuslichen Umgebung der Probanden appliziert werden,<br />

– Feldstudien, in denen in unterschiedlichen Abständen zu einer Lärmquelle lebende Personen<br />

untersucht und (optional) mit einer nicht exponierten Kontrollgruppe verglichen<br />

werden,<br />

– Interventionsstudien zur Evaluation lärmmindernder Maßnahmen oder der Einführung<br />

einer Lärmquelle im Feld (Eröffnung/Schließung von Flughäfen, Straßen, Einbau<br />

schalldämmender Fenster etc.),<br />

– sozialwissenschaftliche Erhebungen zur subjektiven Einschätzung des Schlafs und der<br />

Störwirkung durch Lärm.<br />

Laborexperimentelle Untersuchungen umfassen wegen des hohen methodischen Aufwands<br />

eine jeweils nur kleine Anzahl an Probanden und/oder nur einige wenige Nächte pro Versuchsperson,<br />

so dass aus den Ergebnissen einzelner Arbeiten kaum definitive Schlussfolgerungen<br />

gezogen oder gar Konsequenzen abgeleitet werden können.<br />

Zu den umfangreichsten Experimentalstudien gehören die mit 28 bzw. 36 Probanden über<br />

je 13 aufeinanderfolgende Nächte von Griefahn [1986, 1989] durchgeführten Untersuchungen.<br />

Eine weit umfangreichere multidisziplinäre Studie wurde 1999 im Deutschen<br />

Luft- und Raumfahrtzentrum (Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, Köln) begonnen, in<br />

der bis Ende 2003 der Schlaf von insgesamt 128 Probanden im Alter von 18 bis 65 Jahren<br />

in je 13 aufeinanderfolgenden Nächten registriert wird. Die Probanden werden dem Geräusch<br />

startender Flugzeuge ausgesetzt, deren Anzahl und Pegel in randomisierter Folge<br />

variiert werden. Die Anzahl liegt zwischen 4 und 128, die Maximalpegel zwischen 50 und<br />

80 dB(A) und die äquivalenten Dauerschallpegel am Ohr des Schläfers zwischen 31.2 und<br />

52.6 dB(A). Registriert werden das Polysomnogramm (EEG, EOG, EMG), das Elektrokardiogramm,<br />

die periphere Durchblutung, die Ausscheidung von Stresshormonen im Sammelurin,<br />

die subjektive Einschätzung des Schlafs, die Leistung, das Befinden und die Belästigung.<br />

Diese Untersuchung, von der heute eine <strong>Teil</strong>auswertung über 64 Probanden vorliegt<br />

[Basner et al. 2001], wird mit den Ergebnissen einer Feldstudie verglichen, in der der<br />

Schlaf von 64 Anwohnern des <strong>Flughafen</strong>s Köln wiederum 13 Nächte lang mit gleichem<br />

methodischen Instrumentarium registriert wird.


81<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 81<br />

Seit 1992 wurden 3 großangelegte Feldstudien zur Wirkung nächtlicher Lärmbelastungen<br />

durch Flugverkehr [Ollerhead et al. 1992, Passchier-Vermeer et al. 2002] sowie durch Staßen-<br />

und Schienenverkehr [Griefahn et al. 2000] publiziert. Anders als in den eben zitierten<br />

Laborstudien wurden hier bei jeweils etwa 400 Anwohnern (Männer und Frauen im<br />

Alter von 18 bis etwa 80 Jahren) statt der Polysomnogramme Körperbewegungen mittels<br />

am Handgelenk getragener Aktimeter in 10 bis 14 Nächten registriert. In allen Untersuchungen<br />

wurden die qualitativen und quantitativen Parameter des Schlafes jeden Morgen<br />

eingeschätzt. In der Untersuchung von Ollerhead et al. [1992] wurden die Außenpegel gemessen.<br />

Die Innenpegel wurden in der Studie von Griefahn et al. [2000] mit Kenntnis der<br />

Fensterstellung und der Dämmung aus den Außenpegeln errechnet, in der Untersuchung<br />

von Passchier-Vermeer et al. [2002] gemessen.<br />

6.3.1 Primärreaktionen<br />

6.3.1.1 Lärmbedingtes Aufwachen<br />

6.3.1.1.1 Akustische Parameter<br />

Informationsgehalt. Das Gehör ist als jederzeit voll funktionsfähiges Alarmsystem angelegt<br />

und das Gehirn kann auch während des Schlafs unterschiedliche Informationen perzipieren,<br />

ihrer Bedeutung entsprechend einordnen und adäquat beantworten. Der Informationsgehalt<br />

resultiert nur zum <strong>Teil</strong> aus den akustischen Parametern eines Geräusches, überwiegend<br />

aber aus der Erfahrung einer Person mit diesem Geräusch, was die großen, in nahezu<br />

allen Untersuchungen beobachteten interindividuellen Unterschiede erklärt [z. B.<br />

Blois et al. 1980, Ehrenstein & Müller-Limmroth 1981, Muzet et al. 1983, Ollerhead et al.<br />

1992, Wilkinson 1984]. Die Reaktion auf ungewohnte und auf bedeutsame Geräusche<br />

(z. B. das Wimmern eines Säuglings) ist daher – bei gleichem oder sogar geringerem Pegel<br />

– deutlich stärker als auf weniger bedeutsame Geräusche (Verkehrslärm) [z. B. Langford et<br />

al. 1974, Oswald et al. 1960, Strauch et al. 1976].<br />

Der individuelle Bedeutungsgehalt kann sich im Laufe der Zeit ändern und – damit einhergehend<br />

– das Ausmaß der Reizantwort. Eine dem Reizinhalt angemessene Reaktion bildet<br />

sich also erst bei Wiederholungen aus. Auf diesem Hintergrund sind sowohl Gewöhnungen<br />

als auch Sensibilisierungen möglich.<br />

Der Bedeutungsgehalt lässt sich aber auch experimentell ändern, z. B. durch Belohnung für<br />

das Erkennen (Aufwachen) bzw. durch Bestrafung für das Nichterkennen bestimmter Reize<br />

[LeVere et al. 1976, Williams et al. 1966]. Er wird allein schon durch die ungewohnte<br />

Situation im Labor, vor allem aber durch bestimmte Anweisungen erhöht, z. B. das Aufwachen<br />

mittels eines Signals anzuzeigen [Thiessen 1983, 1988].<br />

Fluglärm ist emotional belastender als die von anderen Verkehrsträgern emittierten Geräusche.<br />

Basierend auf einer Metaanalyse zeigten Miedema und Vos [1998], dass Fluglärm<br />

am stärksten und Schienenverkehrslärm am wenigsten belästigt. Eine entsprechende Rangfolge<br />

war deshalb auch für lärmbedingte Störungen des Schlafablaufs zu erwarten. In vergleichenden<br />

experimentellen Untersuchungen zur Wirkung einzelner Straßen-, Schienenund<br />

Luftverkehrsgeräusche registrierten Muzet et al. [1985] sowie Hofman et al. [1993] die


82<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 82<br />

stärkste Akutreaktion jedoch auf Schienenverkehrslärm, dessen Maximalpegel gleich<br />

[Hofman et al. 1993] oder sogar niedriger als der des Fluglärms war [Muzet et al. 1985].<br />

Vernet [1979, 1983] sowie Griefahn et al. [2000] verglichen das Schlafverhalten von Anwohnern<br />

frequentierter Verkehrsstraßen und Bahntrassen. Während Vernet [1979, 1983]<br />

bei gleichem äquivalentem Dauerschallpegel – bedingt durch die größere Ereignishäufigkeit<br />

– eine größere Anzahl von Reaktionen auf Straßenverkehrsgeräusche registrierte,<br />

konnten Griefahn et al. [2000] keinerlei Unterschiede bezüglich des Schlafverhaltens feststellen,<br />

ebenso wenig wie bezüglich der selbst eingeschätzten Schlafqualität und der Leistung.<br />

Intermittierte vs kontinuierliche Geräusche, Anzahl der Reize pro Zeiteinheit, Reizintervalle.<br />

Bei der Beurteilung lärmbedingter Schlafstörungen sind im Wesentlichen zwei<br />

Geräuschsituationen zu unterscheiden. Intermittierte Geräusche, bei denen die einzelnen<br />

Schallereignisse durch mehr oder weniger lang anhaltende Pausen deutlich voneinander<br />

getrennt sind, charakterisieren den Luft- und den Schienenverkehr. Straßenverkehr ist am<br />

Tage hingegen oft eher kontinuierlich, wobei die Maximalpegel nur wenig vom äquivalenten<br />

Dauerschallpegel abweichen. Nachts nimmt die Verkehrsdichte jedoch ab, wodurch<br />

auch an der Straße eher intermittierte Geräusche entstehen.<br />

Eher kontinuierliche Geräusche haben – bei gleichem äquivalentem Dauerschallpegel –<br />

eine geringere Störwirkung als intermittierte Geräusche [Eberhardt 1987, Öhrström & Rylander<br />

1982, Osada et al. 1968, 1969].<br />

Bild 6.5 präsentiert exemplarisch die aus mehreren Publikationen zusammengefasste Beziehung<br />

zwischen der Anzahl der Reize und der Aufwachreaktionen bzw. der geringfügigen<br />

Reaktionen (0-Reaktionen). Mit der Anzahl der Schallreize werden die Aufwachreaktionen<br />

häufiger, die Beziehung ist jedoch nicht linear, da das Risiko, durch ein einzelnes<br />

Schallereignis geweckt zu werden, allmählich geringer wird [Basner et al. 2001, Griefahn<br />

et al. 1976]. Die oberhalb von 35 Ereignissen angedeutete Wiederabnahme der Aufwachhäufigkeit<br />

ist plausibel und wird durch laborexperimentelle Untersuchungen gestützt, in<br />

denen mehrere hundert Reize appliziert worden waren, ohne dass die Aufwachhäufigkeit<br />

im Vergleich zu Ruhenächten angestiegen wäre [Metz & Muzet 1976, Muzet et al. 1974,<br />

1980, Townsend et al. 1973, Schieber et al. 1968]. Auch in Feldstudien reagierten langjährige<br />

Anwohner auf die von Schienen-, Straßen- oder Luftverkehr emittierten Geräusche<br />

kaum noch mit Aufwachen [Fidell et al. 1994, 1995, Griefahn et al. 2000, Hume & Thomas<br />

1993, Ollerhead et al. 1992, Pearsons 1998, Pearsons et al. 1989].<br />

Emergenz. Das wesentliche Merkmal intermittierter Geräusche sind die durch mehr oder<br />

weniger lang anhaltende Pausen deutlich voneinander getrennten Schallereignisse. Um<br />

eine Reaktion auszulösen, muss der Maximalpegel eines Geräusches den Grundpegel bzw.<br />

den äquivalenten Dauerschallpegel um einen bestimmten, als Emergenz bezeichneten Betrag<br />

überschreiten. Die Emergenz ist offensichtlich bedeutsamer als der absolute Pegel<br />

[Eberhardt 1988, Metz & Muzet 1976, Vallet et al. 1980, Vernet 1983]. Die Schwellendifferenz<br />

liegt nach Eberhardt et al. [1987] bei etwa 10 dB(A). Erste vegetative Reaktionen


Anzahl der Reaktionen<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

83<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 83<br />

0-Reaktionen<br />

Aufwachhäufigkeit<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

Anzahl der Schallreize pro Nacht<br />

Bild 6.5: Beziehung zwischen der Anzahl einzelner Geräusche und der Wahrscheinlichkeit aufzuwachen<br />

bzw. nicht/geringfügig zu reagieren. Zusammenfassung aus 10 Publikationen [Griefahn 1985].<br />

sind zu beobachten, sobald die Emergenz 8 bis 9 dB(A) ausmacht [Ehrenstein et al. 1982,<br />

Jurriëns et al. 1983, Tulen et al. 1986, Vallet et al. 1990]. Abgeleitet aus diesen Untersuchungen<br />

wird eine Geräuschsituation dann als intermittiert bezeichnet, wenn die Emergenz<br />

10 dB(A) überschreitet.<br />

Schallpegel. Abgesehen von erheblichen, vorwiegend aus dem Bedeutungsgehalt eines<br />

Geräusches, sowie aus interindividuellen und situativen Bedingungen resultierenden Varianzen,<br />

wird das Ausmaß einer Reaktion im Wesentlichen durch die Maximalpegel bestimmt.<br />

So ermittelten Basner et al. [2001] in den Lärmnächten eine signifikante Zunahme des Stadium<br />

1, eine signifikante Reduktion des Tiefschlafs sowie eine nicht signifikante Verlängerung<br />

der Wachzeit und des Stadium REM. Diese Änderungen zeigten keinerlei Beziehung<br />

zum äquivalenten Dauerschallpegel wohl aber zum Maximalpegel der nachts applizierten<br />

Geräusche.<br />

Bild 6.6 gibt exemplarisch die Wahrscheinlichkeit wieder, mit der ein Schallereignis zum<br />

Aufwachen führt bzw. nur geringfügige Reaktionen (0-Reaktionen) verursacht. Die aus 10<br />

Veröffentlichungen zusammengefassten Daten repräsentieren das Verhalten von 94 Probanden,<br />

auf die insgesamt 8 302 Schallreize einwirkten. Mit zunehmendem Maximalpegel<br />

wachten die Probanden häufiger auf, während die 0-Reaktionen seltener wurden. Unter<br />

Anwendung komplexer statistischer Verfahren errechneten Maschke et al. [2001a] eine<br />

deutlich flacher verlaufende Gerade, nach welcher der Beginn des Aufwachens zwar bei<br />

48 dB(A) liegt, die Aufwachwahrscheinlichkeit bei 80 dB(A) jedoch kaum 18 % erreicht.


Anzahl der Aufwachreaktionen [%]<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

84<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 84<br />

10<br />

50 60 70 80 90 100 110 120<br />

Maximalpegel in dB(A)<br />

0 - Reaktionen<br />

Aufwachreaktionen<br />

Bild 6.6: Beziehung zwischen dem Maximalpegel einzelner Geräusche und der Wahrscheinlichkeit aufzuwachen<br />

bzw. nicht/geringfügig zu reagieren. Zusammenfassung aus 10 Publikationen [Griefahn<br />

1985].<br />

Entsprechende Dosis-Wirkungskurven wurden von einigen anderen Autoren präsentiert<br />

[z. B. Lukas 1975a, 1975b, Pearsons 1998, Pearsons et al. 1989]. Da empfindliche Personen<br />

schon durch sehr niedrige, robuste hingegen selbst durch sehr hohe Pegel kaum geweckt<br />

werden, herrschen im physiologischen Bereich sigmoide Beziehungen vor. Linearität<br />

kann daher nur für einen Bereich angenommen werden, der besonders empfindliche und<br />

besonders resistente Personen ausschließt, also für den Bereich, in dem 10 – 90 % der Betroffenen<br />

auf Lärm reagieren. Deshalb ging Griefahn [1992] bei weiteren Überlegungen<br />

von dem Pegel aus, auf den 10 % der Betroffenen mit Aufwachen reagieren (68 dB(A)).<br />

Basner et al. [2001] errechneten auf der Basis ihrer laborexperimentellen Untersuchungen<br />

eine nichtlineare Beziehung mit allmählich zunehmender Steigung. Bei einem Pegel von<br />

50 dB(A) ist die Aufwachwahrscheinlichkeit 7.3 %, bei 80 dB(A) 32.9 %. Mit einem zusätzlichen<br />

(lärmbedingten) Erwachen ist dann zu rechnen, wenn 13 Überflüge mit einem<br />

Pegel von 50 dB(A) bzw. wenn 4 Überflüge mit 80 dB(A) erfolgen.<br />

Dauer der einzelnen Schallreize. Nach Lukas [1975b] und Thiessen [1983] nimmt die<br />

Wahrscheinlichkeit, geweckt zu werden mit der Dauer eines Geräusches zu. Der Effekt ist<br />

jedoch – wie Griefahn et al. [1976] in einer Literaturstudie zeigten – sehr gering. Auch<br />

Basner et al. [2001], in deren Untersuchungen die Überflugdauern zwischen 30 und 59<br />

Sekunden lagen, konnten keine mit der Dauer zunehmende Wirkung beobachten.<br />

Frequenzspektren, Bandbreite. In einer vergleichenden Literaturstudie zeigte sich ein<br />

nur geringer Einfluss der Bandbreite auf die Reaktion [Griefahn 1985], wohingegen die in<br />

einem Geräusch dominierenden Frequenzen offensichtlich entscheidend sind. In zwei speziell<br />

auf diese Problematik abzielenden Experimenten von LeVere et al. [1973, 1974] ver-<br />

20<br />

40<br />

60<br />

80<br />

0-Reaktionen [%]


85<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 85<br />

ursachten tieffrequente Geräusche bei gleichem A-bewertetem Schallpegel selbst im Tiefschlaf<br />

ausgeprägtere kortikale Desynchronisationen als höher frequente Geräusche. Dies<br />

bestätigten Ising und Ising [2001a, b], in deren Feldstudie nächtlich erhöhte Cortisolausscheidungen<br />

besser mit den C-bewerteten als mit den A-bewerteten Straßengeräuschen korrelierten.<br />

Auch Bach et al. [1991] sowie Nicolas et al. [1993] erklärten die im Vergleich zu<br />

anderen Verkehrsgeräuschen stärkere Reaktion auf Motorradgeräusche mit dem hohen<br />

Anteil tiefer Frequenzen.<br />

Langfristig wiederholte Expositionen, Gewöhnung. Über mehrere Nächte durchgeführte<br />

Untersuchungen zeigten fast ausnahmslos einen Gewöhnungseffekt, auch dann, wenn die<br />

Lärmnächte durch Ruhenächte unterbrochen wurden [Basner et al. 2001, Lukas et al. 1971,<br />

Thiessen 1978, 1980]. Bild 6.7 gibt exemplarisch den aus methodisch vergleichbaren Ar-<br />

Reaktionshäufigkeit [%]<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

0-Reaktionen<br />

Aufwachhäufigkeiten<br />

y = 41.9 + 9.04 x - 1.024 x 2 + 0.0393 x 3<br />

y = 55.8 - 6.48 x + 0.683 x 2 - 0.0244 x 3<br />

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.<br />

mittlere Versuchsnacht<br />

Bild 6.7: Aufwachreaktionen und 0-Reaktionen im Zeitverlauf [Griefahn 1985].<br />

beiten errechneten Verlauf wieder. Die Aufwachreaktionen werden seltener, die 0-Reaktionen<br />

hingegen häufiger. Nach 6 bis 7 Nächten setzt dieser Prozess zunächst aus und wird<br />

nach der 11. bis 12. Nacht wieder aufgenommen. Die zweite Gewöhnungsphase ist experimentell<br />

zwar nicht belegt, angesichts der in den letzten Jahren durchgeführten Felduntersuchungen<br />

aber plausibel [Fidell et al. 1994, 1995, Griefahn et al. 2000, Hume & Thomas<br />

1993, Ollerhead et al. 1992].<br />

Ob es zu einer vollständigen Gewöhnung kommt, ist umstritten. Feldstudien zufolge, in<br />

denen langjährige Anwohner stark frequentierter Straßen untersucht wurden, ist dies eher<br />

unwahrscheinlich, denn nach der Einführung schalldämmender Maßnahmen schliefen diese<br />

schneller ein, wachten seltener auf, verbrachten längere Zeit im REM-Schlaf und/oder<br />

im Flachschlaf, bewegten sich weniger, schätzten ihre Schlafqualität besser ein, reagierten<br />

im Leistungstest schneller und machten weniger Fehler [Eberhardt & Akselsson 1987, Eberhardt<br />

et al. 1987, Griefahn 1985, Griefahn & Gros 1986, Jurriëns et al. 1983, Öhrström<br />

& Björkman 1988, Vallet et al. 1983, Wilkinson & Campbell 1984]. Nicht auszuschließen


86<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 86<br />

ist jedoch, dass es sich bei diesen unmittelbar nach der Änderung der akustischen Situation<br />

registrierten und eher geringfügigen Verhaltensänderungen um passagere, rein psychologische<br />

Wirkungen handelt. Für eine vollständige Gewöhnung sprechen z. B. Interventionsstudien,<br />

in denen sich (passagere) Änderungen des Flugbetriebs nicht auf das Schlafverhalten<br />

der Anwohner der Flughäfen Los Angeles, Manchester/UK, Atlanta und Denver auswirkten<br />

[Fidell et al. 1994, Friedman & Globus 1975, Hume & Thomas 1993, Ollerhead et<br />

al. 1992, Pearsons et al. 1974].<br />

Neben der Gewöhnung, also einer zunehmend geringeren Akutreaktion, kommt es zu<br />

Kompensationsmechanismen, die bereits in der ersten Nacht einsetzen können und im Laufe<br />

der Zeit an Bedeutung gewinnen. Nach lärmbedingtem Aufwachen verkürzt sich der<br />

Wiedereinschlafprozess und die tieferen Schlafstadien werden schneller erreicht. Daher ist<br />

das Ausmaß der über den Gesamtschlaf ermittelten Globalreaktion überraschend gering.<br />

Bild 6.8 zeigt dies exemplarisch für die aus 13 Untersuchungen zusammengefasste Verteilung<br />

der einzelnen Schlafstufen. Dieser Mechanismus erlaubt es, die zu Beginn der Nacht<br />

unterdrückten Tiefschlafphasen zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen, sofern die<br />

Lärmbelastung auf den ersten <strong>Teil</strong> der Nacht begrenzt bleibt [Griefahn 1977a, Griefahn &<br />

Jansen 1988, Maschke 1992, Schieber et al. 1968].<br />

Zeit in den Stadien [%]<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

wach<br />

Stad. 2<br />

x 2 = 25.511<br />

df = 3<br />

p ≤ 0.1%<br />

Stad. 3+4<br />

Stad. 1+REM<br />

Ruhenächte Lärmnächte [55 -100 dB(A)]<br />

Bild 6.8: Anteil der einzelnen Schlafstufen an der Gesamtschlafzeit in ruhigen und in durch Lärm gestörten<br />

Nächten, zusammengefasst aus 13 Publikationen [Griefahn 1985].<br />

Weitere exogene Reize, kombinierte Belastungen. In der Realsituation wirken zahlreiche<br />

unterschiedliche Belastungen in ständig wechselnder Intensität auf den Organismus ein.<br />

Untersuchungen über kombinierte Belastungen wurden jedoch nur gelegentlich vorgenommen.<br />

Arnberg et al. [1990] registrierten unter der Einwirkung von Lärm und Vibrationen,<br />

wie sie z. B. durch Busse verursacht werden, stärkere Störungen als durch Lärm allein<br />

(weniger REM und geringere Schlafqualität).<br />

240<br />

210<br />

180<br />

150<br />

120<br />

90<br />

60<br />

30<br />

0<br />

Bezogen auf einen 8-h-Schlaf [min]


87<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 87<br />

Im Vergleich zu thermisch neutralen Bedingungen ist die Gesamtschlafzeit bei hohen<br />

Raumtemperaturen infolge längerer Einschlafzeiten, vermehrter und verlängerter intermittierter<br />

Wachphasen zu Lasten des Tiefschlafs verkürzt. Unter der simultanen Einwirkung<br />

von Lärm ist darüber hinaus häufiger mit kortikalen Desynchronisationen zu rechnen. Die<br />

Gesamtzahl evozierter passagerer Aktivierungsphasen nimmt zu [Metz & Muzet 1976], die<br />

kardiovaskulären Reaktionen fallen schwächer aus, weil die Wärme entgegengesetzt wirkt<br />

und eine Erweiterung der Gefäße sowie eine beschleunigte Herzschlagfolge verursacht.<br />

6.3.1.1.2 Individuelle und situative Einflussfaktoren<br />

Das Ausmaß lärmbedingter Schlafstörungen wird durch zahlreiche nichtakustische, individuelle<br />

und situative Einflussfaktoren modifiziert.<br />

Lebensalter. Die Gesamtschlafzeit wird mit zunehmendem Lebensalter deutlich kürzer,<br />

zunächst vor allem zu Lasten des Traumschlafs, später des Tiefschlafs (Bild 6.2). Damit<br />

verbunden ist eine zunehmende Reagibilität auf äußere Einwirkungen.<br />

Auf einen definierten Reiz hin wachen ältere Menschen häufiger auf, während der Anteil<br />

der 0-Reaktionen sinkt (Bild 6.9). Die Gesamtzahl intermittierter Wachperioden ist in lärmgestörten<br />

Nächten allerdings oft nicht größer als in Ruhenächten, weil ältere Menschen<br />

habituell häufiger aufwachen. Unter der Einwirkung von Lärm kommt es lediglich zu einer<br />

Umverteilung; an die Stelle spontaner Wachphasen treten nun vermehrt evozierte Wachperioden<br />

[Eberhardt 1987, Griefahn 1985, Lukas & Kryter 1969, Lukas & Dobbs 1972, Muzet<br />

et al. 1980]. Die Wachzeit scheint bei jüngeren Menschen überwiegend zu Lasten des<br />

Tiefschlafs, bei älteren zu Lasten des REM-Schlafs zuzunehmen [Vallet 1979, Vallet et al.<br />

1983] weil der Tiefschlafanteil mit dem Alter stärker abnimmt als der REM-Anteil. Entge-<br />

Reaktionshäufigkeit [%]<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

r = - 0.720<br />

p < 0.01<br />

r = 0.650<br />

p < 0.01<br />

0-Reaktionen<br />

Aufwachreaktionen<br />

0<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80<br />

Lebensalter [Jahre]<br />

Bild 6.9: Aufwachreaktionen und 0-Reaktionen in Abhängigkeit vom Lebensalter [Griefahn 1985].


88<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 88<br />

gen einer weitverbreiteten Annahme sind Kinder um etwa 10 bis 20 dB(A) weniger empfindlich,<br />

ihre Weckschwelle ist deutlich höher als die der Erwachsenen [Eberhardt 1990,<br />

Ehrenstein et al. 1982, Gädeke et al. 1969, Lukas et al. 1971, Muzet et al. 1980].<br />

Kahn [2002] berichtete erst kürzlich über das Verhalten von Föten und Kindern bis zu einem<br />

Alter von 15 Jahren. Die in Bild 6.10 dargestellte Arousal-Schwelle zeigt einen deutlichen<br />

Abfall. Entsprechend fällt auch die Weckschwelle mit dem Lebensalter ab.<br />

Bild 6.10: Arousals bei Föten und Kindern bis zum 15. Lebensjahr [Kahn 2002].<br />

Geschlecht. In sozialwissenschaftlichen Untersuchungen zum Schlafverhalten geben insbesondere<br />

Frauen mit zunehmendem Alter vermehrt Schlafstörungen an [Griefahn et al.<br />

1985, Langdon & Buller 1977]. Deshalb war von einer größeren Empfindlichkeit gegenüber<br />

nächtlichen Schallreizen auszugehen. Die bisher vorliegenden Untersuchungen sind<br />

jedoch widersprüchlich. Während Lukas und Dobbs [1972] sowie Wilkinson [1981] über<br />

eine stärkere Reaktion der Frauen berichteten, zeigten sich in den Untersuchungen von<br />

Griefahn [1985, 1986, Griefahn & Jansen 1988] mit insgesamt 42 Frauen und 42 Männern<br />

nur minimale Unterschiede. Muzet et al. [1973] und Vallet et al. [1990] berichten hingegen<br />

über größere Störwirkungen bei Männern, ein Ergebnis, das mit den Feldstudien von Ollerhead<br />

et al. [1992] und Fidell et al. [1994] übereinstimmt. Basner et al. [2001] beobachteten<br />

bei Männern zwar ein spontan häufigeres Aufwachen, fanden hinsichtlich der lärminduzierten<br />

Wachperioden aber keine geschlechtstypischen Unterschiede.<br />

Persönlichkeitsmerkmale. Einige Untersucher erfassten gelegentlich auch Persönlichkeitmerkmale,<br />

deren Verteilung jedoch keine entsprechende Auswertung erlaubt. Es deutet


89<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 89<br />

sich aber eine höhere Reaktionsbereitschaft bei Personen mit neurotischen Tendenzen und<br />

hoher Ängstlichkeit an [Ludlow & Morgan 1972, Morgan & Rice 1970, Öhrström &<br />

Björkman 1988, Rylander et al. 1972]. Ebenso scheint die Lärmbelästigung eine die Reaktionswahrscheinlichkeit<br />

steigernde Wirkung zu haben [Basner et al. 2001].<br />

Zirkadiane Phasenlage. Die Reagibilität auf externe Einwirkungen unterliegt dem Einfluss<br />

der zirkadianen Rhythmik. Dem generellen Trend der im Laufe der Nacht allmählich<br />

abfallenden Schlaftiefe entsprechend war mit einer parallel dazu abfallenden Reaktionsschwelle<br />

zu rechnen, eine Annahme, die sich in mehreren Untersuchungen bestätigte [z. B.<br />

Basner et al. 2001, Griefahn 1978, Fidell et al. 1994], wozu die Erholung des Gehörs, die<br />

mit der Schlafdauer fortschreitende Entmüdung, die insgesamt allmählich abfallende<br />

Schlaftiefe und die zirkadiane Rhythmik, insbesondere der gegen Morgen ansteigende<br />

sympathische Tonus beitragen [Ehrenstein & Müller-Limmroth 1981, Ludlow & Morgan<br />

1972, Müller-Limmroth 1976, Müller-Limmroth & Ehrenstein 1974, Thiessen & Lapointe<br />

1983].<br />

Geringere Störungen am Anfang und am Ende der Nacht registrierten Ollerhead et al.<br />

[1992], Kramer et al. [1971] sowie Eberhardt und Öhrström [1987]. Lediglich Collins und<br />

Iampietro [1972] sowie Hofman et al. [1993] beschrieben eine erhöhte Reagibilität in den<br />

ersten Nachtstunden.<br />

Gezielte Untersuchungen zur Frage der Störwirkung unterschiedlicher zeitlicher Expositionsmuster<br />

führte Maschke [1992] durch. Er realisierte 5 Expositionsmodelle und registrierte<br />

die ausgeprägtesten Störungen bei einer Konzentration der Fluggeräusche auf die ersten<br />

und auf die beiden letzten Stunden, die geringste Reaktion bei einer Konzentration der Geräusche<br />

auf die beiden ersten Nachtstunden. Entsprechende Ergebnisse erzielte Griefahn<br />

[1989], die das Geräusch von Panzerschüssen entweder in den ersten 3 Stunden nach dem<br />

Ins-Bett-Gehen oder in den letzten 3 Stunden vor dem Wecken applizierte. Für eine Applikation<br />

in der ersten Hälfte der Nacht spricht die von beiden Autoren beobachtete Möglichkeit,<br />

in der ersten Nachthälfte erlebte Schlafstörungen durch Nachholen der Tiefschlafzeit<br />

in der lärmarmen Zeit zu kompensieren.<br />

Unter wiederholt ungünstigen Bedingungen schlafen Schichtarbeiter, deren Schlafdauer<br />

unter sonst vergleichbaren akustischen Bedingungen am Tage vor allem auf Kosten des<br />

REM-Schlafs deutlich kürzer ist als nach der Tagschicht (1.5-2 Stunden [Åkerstedt 1991]).<br />

In der Realsituation ist die akustische Situation für den Nachtschichtarbeiter aber wesentlich<br />

schlechter, der äquivalente Dauerschallpegel ist am Tage 7-15 dB(A) höher und enthält<br />

einen hohen Anteil besonders störender informationshaltiger Geräusche (Telefon,<br />

Kinder) [Knauth & Rutenfranz 1975].<br />

Schlaftiefe. Die Schlaftiefe ist definiert durch die zur Auslösung des Wachbewusstseins<br />

erforderliche Reizenergie. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen bestimmten Reiz geweckt<br />

zu werden, nimmt daher im NREM-Schlaf von Stadium 1 bis 4, also mit zunehmender<br />

Schlaftiefe ab, während die Anzahl geringfügiger Reaktionen (0-Reaktionen) ansteigt. Im<br />

Stadium REM ist die Weckschwelle durch eine höhere Variabilität gekennzeichnet. So


90<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 90<br />

bewirken sehr laute, selbst im Tiefschlaf effektive Reize, im Traumschlaf oft nur passagere<br />

kortikale Desynchronisationen, während andererseits schon sehr schwache, selbst im<br />

Flachschlaf ineffektive Reize zum Aufwachen führen.<br />

Situative Einflüsse (Labor vs Feld). Die Reagibilität auf externe Einwirkungen wird<br />

durch die Schlafumgebung beeinflusst. Die erste Nacht in einer neuen Umgebung (z. B. im<br />

Labor) ist häufig durch verlängerte Einschlafzeiten, durch eine vermehrte Anzahl intermittierter,<br />

spontaner und evozierter Wachphasen gekennzeichnet. Wegen dieses 'First Night<br />

Effects' [Agnew et al. 1966] bleibt die erste Nacht in wissenschaftlichen Untersuchungen<br />

in der Regel unberücksichtigt. In der zweiten Nacht ist die Schlafqualität meist vergleichbar<br />

mit der in der häuslichen Umgebung [Griefahn 1985, Griefahn & Jansen 1988, Öhrström<br />

& Björkman 1988]. Der Gewöhnungsprozess kann sich aber auch über mehrere<br />

Nächte hinziehen [z. B. Ludlow & Morgan 1972, Müller-Limmroth 1976]. Deshalb entschieden<br />

sich mehrere Untersucher zur Durchführung von Feldexperimenten, bei denen<br />

elektroakustische Anlagen zur Applikation von Schallreizen im Schlafraum der Probanden<br />

installiert werden [Eberhardt & Akselsson 1987, Eberhardt & Öhrström 1987, Whitehead<br />

& Hume 2001, Maschke et al. 1995, 1998, Stevenson & McKellar 1989]. Die damit verbundene<br />

Änderung der gewohnten Umgebung ist jedoch ebenfalls gewöhnungsbedürftig,<br />

je mehr je höher der apparative Aufwand ist [Johns & Doré 1978].<br />

6.3.1.2 Körperbewegungen<br />

Körperbewegungen treten auch während des normalen Schlafs wiederholt auf, am wenigsten<br />

im Tiefschlaf, am häufigsten in den Stadien 2 und REM. Ihre Dichte nimmt im Laufe<br />

der Nacht zu. Einige Autoren sehen in der Aufzeichnung der Körperbewegungen eine Alternative<br />

zur Registrierung des Polysomnogramms, zumal dieses Verfahren die Beobachtung<br />

des 'natürlichen' Schlafs zulässt. Mit speziell entwickelten Algorithmen ermöglicht<br />

die Aktimetrie die exakte Bestimmung der Einschlafzeit und des terminalen Erwachens,<br />

die sehr hoch mit den polysomnografisch registrierten Zeiten korrelieren (r > 0.9).<br />

Die Aktimetrie wird in der Lärmforschung heute insbesondere eingesetzt, um die intermittierten<br />

Wachzeiten zu erfassen, die fast immer mit Körperbewegungen assoziiert sind.<br />

Während nahezu 90 % aller elektrophysiologisch erfassten Aufwachreaktionen zu Ausschlägen<br />

im Aktigramm führen, sind umgekehrt nur etwa 40 % aller Aktimeterausschläge<br />

mit Aufwachen verknüpft [Horne et al. 1994, Ollerhead et al. 1992]. Viele Aktimeter sind<br />

daher mit einem 'Event-Marker' versehen, den die Probanden bei jedem Aufwachen betätigen<br />

[z. B. Passchier-Vermeer et al. 1999, 2002].<br />

Den Maximalpegel, von dem an mit evozierten Körperbewegungen zu rechnen ist, geben<br />

Eberhardt et al. [1987] mit 45 dB(A), Eberhardt und Öhrström [1987] mit 55 dB(A) und<br />

Muzet et al. [1980] mit 60 dB(A) an. In der Feldstudie von Passchier-Vermeer et al. [2002]<br />

sind erste Reaktionen schon bei einem Maximalpegel von etwa 32 dB(A) zu beobachten.<br />

Die Schwelle liegt also um etwa 15 dB(A) niedriger als in der vergleichbaren Untersuchung<br />

von Ollerhead et al. [1992]. Allerdings versuchten die letztgenannten Autoren die<br />

Aufwachhäufigkeit mit Hilfe der Aktimetrie darzustellen.


91<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 91<br />

Die Gesamtzahl der in einer Nacht registrierten Körperbewegungen bleibt unter Einwirkung<br />

von Lärm oft nahezu unverändert und ist allenfalls im Stadium REM leicht erhöht<br />

[Eberhardt & Akselsson 1987, Öhrström & Rylander 1982, Townsend et al. 1973]. Es<br />

kommt jedoch bei intermittierten Geräuschen zu einer Umverteilung, wobei an die Stelle<br />

spontaner Körperbewegungen nun vermehrt evozierte Bewegungen treten [Eberhardt &<br />

Öhrström 1987, Eberhardt et al. 1987, Muzet et al. 1973, 1980, Öhrström 1995, Öhrström<br />

& Björkman 1988, Öhrström & Rylander 1982, 1990].<br />

Der Anteil evozierter Körperbewegungen nimmt mit der Anzahl der Schallereignisse je<br />

Nacht zwar zu, die Beziehung ist jedoch nicht linear, da das Risiko, bezogen auf den einzelnen<br />

Schallreiz – ebenso wie bei den Aufwachreaktionen – geringer wird [Fidell et al.<br />

1995, Öhrström 1995, Öhrström & Rylander 1982, Ollerhead et al. 1992]. Entsprechend<br />

fanden Passchier-Vermeer et al. [2002], dass stärker belastete Personen eine deutlich reduzierte<br />

Wahrscheinlichkeit, auf ein bestimmtes Ereignis hin zu reagieren, was für die Bedeutung<br />

der Emergenz spricht.<br />

Gewöhnungseffekte werden weder im Verlauf einer noch mehrerer Nächte registriert<br />

[Öhrström & Björk-man 1988]. Andererseits fanden Basner et al. [2001] in den Lärmnächten<br />

zwar eine erhöhte Anzahl an Körperbewegungen, jedoch keine Dosis-Wirkungsbeziehung<br />

zum äquivalenten Dauerschallpegel, zum Maximalpegel oder zur Anzahl der<br />

Schallereignisse.<br />

Die aktimetrisch indizierten 'Aufwachreaktionen' begannen in den Untersuchungen an 400<br />

Anrainern britischer Flughäfen bei Außenpegeln von etwa SEL 90 dB(A) und stiegen mit<br />

jeweils 10 dB(A) um 2 % an [Ollerhead et al. 1992, Horne et al. 1994]. Fidell et al. [1995]<br />

registrierten das Aktigramm und das signalisierte Erwachen bei Anwohnern des Stapleton<br />

International Airport (DEN) kurz vor und nach dessen Schließung sowie bei Anwohnern<br />

des Denver International Airports (DIA) vor und nach dessen Eröffnung. Die Häufigkeit<br />

evozierter Körperbewegungen und des signalisierten Erwachens stieg bei einer Zunahme<br />

des im Schlafraum registrierten Sound Exposure Levels (SEL) um 10 dB(A) um jeweils<br />

1.5 % an. Die Innenpegel korrelierten allerdings an keinem der beiden Flughäfen mit den<br />

Außenpegeln. Auch Griefahn et al. [2000] fanden keine mit dem Außenpegel assoziierte<br />

Änderung der Häufigkeit evozierter Körperbewegungen, da auch hier keine Beziehung<br />

zum Innenpegel bestand. Des gleichen zeigten Anwohner des <strong>Flughafen</strong>s Atlanta keine<br />

Änderungen der Aufwach- und der Bewegungshäufigkeiten vor, während und nach den<br />

Olympischen Spiele im Jahre 1996, die mit einer erheblichen passageren Zunahme des<br />

Flugverkehrs verbunden waren. Passchier-Vermeer et al. [2002] ermittelten eine mit dem<br />

im Innenraum gemessenen Maximalpegel zunehmende Reaktionswahrscheinlichkeit, die<br />

bei 32 dB(A) beginnt und bei einem Maximalpegel von 68 dB(A) etwa 6.3 % beträgt.<br />

Die Wahrscheinlichkeit einer durch Fluglärm induzierten Körperbewegung nimmt im Laufe<br />

der Nacht zu und sie ist bei Personen mittleren Alters größer als bei jüngeren und bei<br />

älteren Personen [Passchier-Vermeer et al. 2002]. Kein Unterschied ergibt sich aus der<br />

Betriebsart (Start, Landung), dem Geschlecht oder der Einstellung zum Fluglärm. Die Anzahl<br />

der Körperbewegungen über Nacht ist mit L50, der Fensterisolation, der Schwierigkeit<br />

einzuschlafen, und der Häufigkeit des intermittierten Erwachens assoziiert.


6.3.1.3 Autonome Reaktionen<br />

6.3.1.3.1 Kardiovaskuläre Reaktionen<br />

92<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 92<br />

Die Einwirkung von Lärm verursacht unspezifische Stressreaktionen, die in zahlreichen<br />

Funktionsänderungen messbar sind, beispielsweise in einer Zunahme der Herzschlagfrequenz,<br />

des peripheren Gefäßwiderstands, des Blutdrucks und des Stoffwechsels.<br />

Die Auslöseschwellen der kardiovaskulären Reaktionen sind während des Schlafs mit 50<br />

bis 60 dB(A) um ca. 10 dB(A) niedriger und die Reaktion ist signifikant stärker als während<br />

des Wachzustands. Häufigkeit und Ausmaß der Reaktion variieren systematisch mit<br />

der Schlaftiefe. Sie nehmen im NREM-Schlaf vom Stadium 2 bis zum Stadium 4 hin ab;<br />

das Verhalten im Stadium REM ist mit dem im Stadium 2 vergleichbar [Bach et al. 1991,<br />

Muzet et al. 1980, 1985, Nicolas et al. 1993, Whitehead & Hume 2001]. Das Ausmaß der<br />

Reaktion ist vor allem auch durch den sympathischen Tonus zum Zeitpunkt der Lärmeinwirkung<br />

beeinflusst und verhält sich invers zur prästimulatorischen Herzschlagfrequenz<br />

[Griefahn 1975, 1977b].<br />

Während Muzet et al. [1980, 1985] bei allen Altersgruppen eine mit dem Pegel zunehmende<br />

Reaktion registrierten, konnten weder Griefahn und Jansen [1975] noch Whitehead und<br />

Hume [2001] dies bestätigen. Entsprechend ließen sich durch schalldämmende Maßnahmen<br />

bei langjährigen Anwohnern stark befahrener Straßen keine Verminderungen der kardialen<br />

Reaktion erzielen [Tulen et al. 1986, Wilkinson & Allison 1983, Wilkinson &<br />

Campbell 1984]. Möglicherweise folgen diese also dem Alles-oder-Nichts-Gesetz. Whitehead<br />

und Hume [2001] fanden aber eine mit zunehmendem Pegel kürzer werdende Latenz<br />

zwischen dem Einsetzen des Reizes und dem Beginn der Reaktion.<br />

Die Auslöseschwelle ist nicht nur durch den Maximalpegel, sondern durch die Emergenz,<br />

also dessen Differenz zum äquivalenten Dauerschallpegel bestimmt. So erzielten Metz und<br />

Muzet [1976] die gleiche Reaktion auf ein Geräusch, das mit 65 bzw. mit 80 dB(A) appliziert<br />

wurde, aber jeweils 15 dB(A) über dem Grundpegel lag. Erste Änderungen der Herzschlagfrequenz<br />

fanden Ehrenstein et al. [1982], sobald einzelne Geräusche um mehr als<br />

7 dB(A) über dem äquivalenten Dauerschallpegel lagen, während Vallet et al. [1983, 1990]<br />

dies bei einer Differenz von 7 bis 8 dB(A) beobachteten.<br />

Anders als die subjektiven und die polysomnografisch registrierten Reaktionen sind die<br />

vegetativen Reaktionen nicht gewöhnungsfähig. Deren Häufigkeit und Ausmaß ändern<br />

sich weder im Laufe einer noch mehrerer Nächte, und sie treten unvermindert auch bei<br />

langjährig exponierten Personen (Anwohnern lärmemittierender Verkehrsträger) auf [Griefahn<br />

1989, Griefahn & Jansen 1975, Whitehead & Hume 2001, Muzet et al. 1973, 1974,<br />

1980, 1985, Öhrström & Björkman 1988, Townsend et al. 1973, Vallet et al. 1983, 1990].<br />

Nach Muzet et al. [1980] ist die Auslöseschwelle für kardiovaskuläre Reaktionen bei Kindern<br />

am niedrigsten und die Beschleunigung der Herzschlagfrequenz am größten, die Empfindlichkeit<br />

ist bei Erwachsenen geringer und nimmt mit dem Lebensalter wieder etwas zu.<br />

Die Untersuchungen basieren jedoch auf der Beobachtung sehr weniger Probanden und<br />

bedürfen einer weiteren Absicherung.


93<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 93<br />

Die Reagibilität des kardiovaskulären Systems scheint bei Männern und Frauen gleich zu<br />

sein. Die berichteten Unterschiede [Muzet et al. 1985, Vallet et al. 1990] lassen sich im<br />

Wesentlichen auf unterschiedliche prästimulatorische Herzschlagfrequenzen zurückführen.<br />

6.3.1.3.2 Änderung der Hormonproduktion<br />

Lärm verursacht auch im Schlaf über die Amygdala eine Aktivierung der Hypothalamus-<br />

Hypophysen-Nebennieren-Achse und damit eine u. U. vermehrte Ausschüttung von<br />

Stresshormonen, wobei das Cortisol, im Gegensatz zu den Katecholaminen, infolge längerer<br />

Abbauzeiten (Cortisol: 60-130 min; Adrenalin: 2-3 min; Noradrenalin: 7-12 min) zu<br />

Werten oberhalb des Normbereichs kumulieren kann [Spreng 1996, 1997b]. Die insgesamt<br />

mit dem Harn ausgeschiedene Menge (der Metaboliten) ist jedoch nicht allein der Einwirkung<br />

von Lärm zuzuordnen, da – insbesondere in der Realsituation – im Sammelzeitraum<br />

weitere Stressoren auf den Organismus einwirken und zum kontroversen Bild der bisher<br />

vorliegenden Ergebnisse beitragen.<br />

Katecholamine. Osada et al. [1968, 1969] konnten weder mit bedeutungslosen (weißes<br />

Rauschen, Terzbandgeräusche) noch mit informationshaltigen Geräuschen (Straßenlärm,<br />

Fabriklärm, 40 bzw. 60 dB(A)) messbare Änderungen der Produktion oder der Ausscheidung<br />

von Katecholaminen erzielen.<br />

Auch die von Carter et al. [1993, 1994a] beobachteten kardiologischen Patienten reagierten<br />

auf die Applikation von 50 Lkw- bzw. 50 Fluggeräuschen mit Maximalpegeln von 65 – 72<br />

dB(A) nicht mit einer Zunahme der Hormonausscheidung. Basner et al. [2001] bestimmten<br />

die Katecholaminausscheidung bei 64 Probanden, von denen 48 in 9 aufeinanderfolgenden<br />

Nächten mit Überflügen konfrontiert wurden, deren Anzahl und Pegel in randomisierter<br />

Folge zwischen 4 und 128 bzw. 50 und 80 dB(A) variierten. Während die Adrenalin-<br />

Ausscheidung häufig – vor allem auch in den Lärmnächten – nicht nachweisbar war, nahm<br />

die Noradrenalin-Ausscheidung in den Lärmnächten tendenziell ab und zeigte keinerlei<br />

Beziehung zum Maximalpegel oder zum äquivalenten Dauerschallpegel.<br />

Maschke [1992] registrierte laborexperimentell einen Anstieg der Adrenalinausscheidung,<br />

wenn auf den Schläfer 64 Fluggeräusche mit Maximalpegeln von 65 dB(A) einwirkten.<br />

Bei einem Maximalpegel von 75 dB(A) beobachtete er eine mit der Anzahl der Flugbewegungen<br />

(16, 32, 64) zunehmende Ausscheidung.<br />

In einem Feldexperiment wurden 28 Anrainer des <strong>Flughafen</strong>s Berlin-Tegel in 2 x 4 Nächten<br />

(Mo-Fr) beobachtet, die in der ersten Woche unter der ihnen gewohnten – leider nicht<br />

gemessenen – akustischen Belastung schliefen [Maschke et al. 1995]. In der zweiten Woche<br />

wurden über eine elektroakustische Anlage zusätzlich weitere Fluggeräusche mit Maximalpegeln<br />

von 55 und 65 dB(A) appliziert, wobei sich in den beiden ersten Nächten eine<br />

erhöhte Adrenalin-, in den beiden folgenden Nächten eine erhöhte Cortisolausscheidung<br />

ergab. Da die Lautsprecher erst in der zweiten Woche installiert werden konnten, bleibt der<br />

Effekt der Erwartungshaltung auf das Ergebnis offen.


94<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 94<br />

In einem weiteren Feldexperiment, in dem Maschke et al. [1995] den über Nacht gesammelten<br />

Harn von 195 Frauen analysierten, waren sowohl die Noradrenalin- als auch die<br />

Cortisolausscheidung bei stärker belasteten Personen höher. Bei geöffnetem Fenster stieg<br />

die Cortisolausscheidung weiter an. Da die meisten Probanden wegen des hohen Pegels<br />

normalerweise bei geschlossenem Fenster schliefen [Ising & Braun 2000] und daher befürchten<br />

mussten, in den lauteren Nächten schlechter zu schlafen, ist ein emotionaler Effekt<br />

auf die Hormonproduktion nicht auszuschließen.<br />

Den Einfluss der emotionalen Beanspruchung auf die Produktion von Stresshormonen<br />

konnten Maschke et al. [1997b] bzw. Babisch et al. [1996] im Rahmen einer Feldstudie<br />

demonstrieren. Sie fanden bei Frauen im Alter von 30-45 Jahren, deren Schlafräume zu<br />

einer frequentierten Straße hin lagen, im Vergleich zu an ruhigen Straßen lebenden Frauen<br />

erhöhte Noradrenalinausscheidungen. Dabei bleibt aber offen, ob dies eine langfristige<br />

Störung oder eine akute Reaktion auf den Lärm darstellt. Die Lärmbelastung wurde aufgrund<br />

von Verkehrszählungen und den subjektiven Angaben über die Störung geschätzt,<br />

wobei sich zeigte, dass subjektiv gestörte Frauen höhere Noradrenalinausscheidungen hatten<br />

als weniger gestörte Frauen.<br />

Insgesamt sind die Erhöhungen der Adrenalin-Ausscheidung jedoch von geringerer Bedeutung,<br />

da die gemessenen Adrenalin-Mengen auch bei häufigerer Aktivierung noch im physiologischen<br />

Regulationsbereich liegen und somit gesundheitlich unbedenklich sind.<br />

Cortisol. Permanent erhöhte Cortisolspiegel können u. U. gesundheitlich relevant sein,<br />

z. B. durch Hemmung der Glukoseverwertung (Diabetes), verstärkten Eiweiß- und Knochenabbau<br />

(Osteoporose), Abnahme von immunwirksamen Substanzen, verstärkte Wirkung<br />

blutdrucksteigernder Hormone (Hypertonie), Anstieg der Cholesterine im Blut (Herz-<br />

Kreislaufschäden, Myokardinfarkt) oder Steigerung der Magensaftsekretion (Magengeschwüre)<br />

[Samra et al. 1998, Spreng 1984a, 1996, 1997b, 2000b, van Cauter et al. 2000].<br />

Auch hierzu liegen widersprüchliche Ergebnisse vor. So fanden weder Ehrenstein und<br />

Müller-Limmroth [1981] unter der Einwirkung von Straßengeräuschen noch Basner et al.<br />

[2001] unter Einwirkung von Fluglärm Änderungen der Cortisolausscheidung. Maschke et<br />

al. [1995], die in einem Feldexperiment 28 Anrainer eines <strong>Flughafen</strong>s in randomisierter<br />

Folge mit 16 bzw. 64 Überflügen mit Maximalpegeln von 55 bzw. 65 dB(A) beschallten,<br />

fanden gegenüber der Vorwoche unter allen 4 Lärmbedingungen eine um den gleichen<br />

Betrag erhöhte Cortisolausscheidung, woraus die Autoren schlossen, dass schon die geringste<br />

Belastung (16 Ereignisse mit Lmax = 55 dB(A)) eine maximale Wirkung (Sättigungseffekt)<br />

auslöst. Allerdings bleibt hier – wie bereits erwähnt – die Bedeutung der Vorabinformation<br />

durch die erst in der zweiten Woche installierten Lautsprecher unklar.<br />

In einem weiteren Feldexperiment belasteten Harder et al. [1999] Anwohner des <strong>Flughafen</strong>s<br />

Hamburg 40 Nächte lang in deren Wohnung mit 32 Flugbewegungen mit Maximalpegeln<br />

von 65 dB(A). Die Cortisolausscheidung stieg, gemittelt über alle Probanden, lediglich<br />

in den ersten Nächten an. Die Autoren unterteilten die Probanden in drei Gruppen,<br />

eine, deren Cortisolwerte sich im Verlauf der Untersuchungen nicht änderte, eine zweite,<br />

deren Werte in den letzten Nächten anstieg und eine dritte, deren Werte allmählich abfie-


95<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 95<br />

len. Diese drei Gruppen unterschieden sich auch in einem Stress-Test, der im wesentlichen<br />

auf der Änderung des elektrischen Hautwiderstands beruht. Demnach wäre nur die erste<br />

Gruppe, in der sich keine Änderungen zeigten, als gesundheitlich stabil einzuordnen. In<br />

dieser Untersuchung wurden die Cortisolwerte durch Multiplikation mit dem Faktor 3 auf<br />

einen 24-Stunden-Wert hochgerechnet, ein Verfahren, das angesichts der unterschiedlichen<br />

Schlafzeiten und der mit dem Alter zu beobachtenden zeitlichen Verschiebung des Cortisolprofils<br />

[Sherman et al. 1985] problematisch ist. Darüber hinaus ist die Rhythmik des<br />

Cortisols mit der des Melatonins verknüpft, die ihrerseits in erheblichem Umfang mit der<br />

individuellen Phasenlage variiert [Griefahn et al. 2001b], ein Einfluss, der in allen bisher<br />

durchgeführten Untersuchungen unberücksichtigt blieb.<br />

Keine Zunahme der Cortisolausscheidung fanden Evans et al. [1998] bei Kindern nach der<br />

Aufnahme des Flugbetriebs am Münchener <strong>Flughafen</strong>. Evans et al. [2001] registrierten<br />

aber höhere Cortisolwerte im Nachturin von Kindern aus lauten im Vergeich zu leisen<br />

Wohngebieten, wobei allerdings unklar bleibt, ob diese Erhöhungen auf die nächtliche<br />

Schallexposition zurückgeführt werden können.<br />

Insgesamt lassen die zitierten Untersuchungen offen, ob persistierende Erhöhungen des<br />

Cortisolspiegels durch Fluglärm möglich sind.<br />

Hierzu stellte Maschke in einem Kolloquium der 'Ärzte für vorbeugende Umweltmedizin<br />

e.V.' im Juni 2001 sowie auf einer Tagung der Ärztekammer Schleswig-Holstein im Januar<br />

2002 fest, dass insbesondere die einmalige Bestimmung der nächtlichen Cortisolausscheidung<br />

wenig geeignet sei, um daraus Grenzwerte der Lärmeinwirkung abzuleiten.<br />

6.3.2 Sekundärreaktionen<br />

6.3.2.1 Subjektive Bewertung des Schlafs, Schlafqualität<br />

In nahezu allen Untersuchungen füllten die Probanden unmittelbar nach dem Aufwachen<br />

oder nach dem Aufstehen Fragebögen zur Qualität und Quantität des vorangegangenen<br />

Schlafs aus.<br />

Die Bewertung der Schlafqualität ist dem Betroffenen nur indirekt über die Erinnerung an<br />

die bewusst erlebten Wachzeiten möglich. Sie ist von der Dauer des Einschlafens, von der<br />

Anzahl, der Dauer und dem Verlauf intermittierter Wachphasen bestimmt und korreliert<br />

darüber hinaus mit der Gesamtzahl großer Körperbewegungen [Fidell et al. 1994, Kawada<br />

et al. 1993, Lukas 1977, Öhrström & Rylander 1982, Olivier-Martin Schneider 1973].<br />

In den laborexperimentellen Untersuchungen von Eberhardt et al. [1987] bewirkte lebhafter,<br />

eher kontinuierlicher Straßenverkehrslärm mit einem äquivalenten Dauerschallpegel<br />

von 36 dB(A) noch keine, mit einem Pegel von 45 dB(A) hingegen eine signifikante Beeinträchtigung<br />

der subjektiv bewerteten Schlafqualität. Griefahn [1986], die ebenfalls lebhafte<br />

Verkehrsgeräusche applizierte, fand eine mit dem äquivalenten Dauerschallpegel von<br />

37 – 63.5 dB(A) zunehmend stärker beeinträchtigte Schlafqualität (Bild 6.11).


Relativwerte<br />

mittlere Anzahl<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

1.8<br />

1.4<br />

1.0<br />

0.6<br />

schlecht<br />

gut<br />

Minuten<br />

16<br />

D C B A<br />

D C B A<br />

D<br />

Schlafqualität<br />

F = 23.98<br />

p < 0.01<br />

Aufwachfrequenz<br />

F = 7.18<br />

p < 0.01<br />

C<br />

B<br />

A<br />

Minuten<br />

26<br />

24<br />

22<br />

20<br />

18<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

Einschlafdauer<br />

F = 2.99<br />

p < 0.05<br />

D<br />

Wachzeit<br />

F = 7.75<br />

p < 0.01<br />

C<br />

96<br />

B<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 96<br />

A<br />

Minuten<br />

95<br />

90<br />

85<br />

80<br />

75<br />

D<br />

Traumschlafzeit<br />

C<br />

F = 7.56<br />

p < 0.01<br />

B<br />

Belastungsstufen<br />

A: 59.5 - 63.5 dB(A)<br />

B: 51.0 - 56.5 dB(A)<br />

C: 44.5 - 50.5 dB(A)<br />

D: 37.0 - 44.0 dB(A)<br />

(Varianz - Analyse)<br />

Bild 6.11 Reduktion des REM-Schlafs und subjektive Einschätzung des Schlafs in Abhängigkeit vom äquivalenten<br />

Dauerschallpegel.<br />

Bei gleichem äquivalentem Dauerschallpegel beeinträchtigen intermittierte Straßenverkehrsgeräusche<br />

stärker als eher kontinuierliche Geräusche [Griefahn et al. 1999, Möhler et<br />

al. 2000a], wobei das Ausmaß der Beeinträchtigung (die Reduktion der Schlafqualität)<br />

durch die Anzahl und durch die Maximalpegel der einwirkenden Geräusche bestimmt ist<br />

[Muzet et al. 1973, Maschke et al. 1995, Öhrström 1995, Öhrström & Rylander 1982,<br />

1990] und bei Maximalpegeln zwischen 55 und 60 dB(A) [Eberhardt et al. 1987, Öhrström<br />

& Rylander 1990] beginnt. Passchier-Vermeer et al. [2002] fanden hingegen für den intermittierten<br />

Fluglärm keine Beziehung zu den nachts im Schlafraum bestimmten äquivalenten<br />

Dauerschallpegeln, der Ereignishäufigkeit und der subjektiv bewerteten Schlafqualität.<br />

Nach Öhrström [1999] ist die Reaktionsschwelle lärmempfindlicher Personen um ca. 5<br />

dB(A) niedriger, während Kinder um 10 dB(A) weniger empfindlich sind [Eberhardt<br />

1990]. Am Anfang der Nacht sind die empfundenen Störungen meist geringer als am Ende<br />

der Nacht. In einer Untersuchung von Griefahn & Jansen [1988] war die Schlafqualität nur<br />

dann beeinträchtigt, wenn Panzerschüsse in den letzten 3 Stunden vor dem Wecken, nicht<br />

aber in den ersten 3 Stunden nach dem Ins-Bett-Gehen appliziert wurden, was den Angaben<br />

von Maschke [1992] entspricht.<br />

Die meisten experimentellen Untersuchungen zeigten eine mehr oder weniger schnelle,<br />

teilweise vollständige Gewöhnung [z. B. Ehrenstein & Müller-Limmroth 1981, Metz &<br />

Muzet 1976, Müller-Limmroth 1976, Muzet et al. 1980]. Sensibilisierungen sind möglich<br />

[Ehrenstein & Müller-Limmroth 1981], wenn auch am Tage eine Beschallung stattfindet.<br />

Kontrovers sind die Ergebnisse aus Interventionsstudien, in denen die Pegel durch Eröffnung<br />

und Schließung lärmemittierender Anlagen, durch Verkehrsberuhigung oder durch<br />

Öffnen und Schließen von Fenstern verändert wurden. Im Vergleich zu den ruhigeren<br />

Nächten wird die Schlafqualität nach lauteren Nächten in der Regel – wenn auch nur ge-<br />

A


97<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 97<br />

ringfügig – schlechter bewertet [Griefahn 1985, Griefahn & Gros 1985, Jurriëns et al.<br />

1983, Öhrström & Björkman 1983, Vallet 1979, Vallet et al. 1983, Wilkinson & Campbell<br />

1984, Wilkinson et al. 1980]. Dabei ist allerdings nicht auszuschließen, dass sich die Änderungen<br />

des Schlafverhaltens nach einer gewissen Zeit relativieren. Zum <strong>Teil</strong> ergaben sich<br />

aber keine Verbesserungen [Eberhardt & Akselsson 1987, Eberhardt 1990, Fidell et al<br />

1995, Hume & Thomas 1993, Ollerhead et al 1992].<br />

Langzeitbeobachtungen über mehrere Monate oder einige Jahre wurden bisher nur von<br />

Öhrström [2001] und Vallet et al. [1983] durchgeführt. Vallet et al. [1983] zeigten, dass<br />

eine vollständige Gewöhnung selbst bei langjährigen Anwohnern stark befahrener Straßen<br />

ausbleibt, während Öhrström [2001] einen nachhaltig positiven Effekt schallreduzierender<br />

Maßnahmen beobachtete.<br />

Befindlichkeit, Stimmung. Einige Autoren erfassten die Befindlichkeit nicht nur unmittelbar<br />

nach dem Aufwachen, sondern mehrfach während des Tages. Die registrierten Befindlichkeitsstörungen<br />

waren in aller Regel jedoch eher gering [Basner et al. 2001, Collins<br />

& Iampietro 1972, Eberhardt & Öhrström 1987, Ehrenstein & Müller Limmroth 1981,<br />

Hofman et al. 1995, Maschke 1992, Öhrström 1995, Öhrström & Rylander 1982].<br />

Müdigkeit. Nach lärmbedingten Schlafstörungen fühlen sich die Befragten häufiger müde<br />

[Basner et al. 2001, Eberhardt & Öhrström 1987, Ludlow & Morgan 1972, Öhrström &<br />

Björkman 1988], wobei das Ausmaß der Müdigkeit mit der Anzahl der Schallreize ebenso<br />

wie mit dem äquivalenten Dauerschallpegel zunimmt [Griefahn 1986, Öhrström 1995].<br />

Belästigung. In den Untersuchungen von Basner et al. [2001] zeigte die morgens erfasste<br />

Belästigung einen deutlichen Zusammenhang mit dem äquivalenten Dauerschallpegel, dem<br />

Maximalpegel und der Anzahl der Geräusche. Nach Guski [2000] ist das Belästigungserleben<br />

durch Lärm in der Nacht schwieriger zu bewerten als am Tag. Wesentliche bestimmende<br />

Komponenten sind Einschlafzeit und das erinnerte Erwachen. Unklar ist, ob hier die<br />

generelle Einstellung zum Lärm, die Besonderheiten der Nacht oder das Belästigungserleben<br />

am Tag erfasst werden.<br />

6.3.2.2 Leistungsminderung infolge lärmbedingter Schlafstörungen<br />

In vielen Untersuchungen werden morgens, meist auch am Abend, Leistungstests durchgeführt.<br />

Dabei werden Wahlreaktionstests präferiert, die sowohl quantitative (Geschwindigkeit)<br />

als auch qualitative (Genauigkeit) Leistungsparameter erfassen. Die Effekte sind allerdings<br />

kontrovers und in der Regel gering. Eine eindeutige Kausalattribuierung ist nicht<br />

möglich, da die Leistung – möglicherweise allein – durch die aktuelle Testsituation bestimmt<br />

ist, insbesondere in Feldstudien, in denen der Verkehrslärm unverändert bzw. sogar<br />

stärker als in der Nacht auf den Probanden einwirkt.<br />

Keine Beeinträchtigungen fanden Collins und Iampietro [1972] nach der stündlichen Präsentation<br />

eines Überschallknalls mit einem Maximalpegel von 80 dB(A), ebenso wenig<br />

wie Öhrström und Rylander [1990], deren Probanden unter der Einwirkung von 4, 16, 32<br />

oder 64 Lkw-Geräuschen mit Maximalpegeln von 50 bzw. 60 dB(A) schliefen. Auch Grie-


98<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 98<br />

fahn et al. [2000] registrierten in einer Feldstudie bei Anwohnern stark befahrener Straßen<br />

und frequentierter Schienenwege keine mit dem Pegel korrelierende Leistungseinbusse.<br />

Kramer et al. [1971] applizierten tieffrequentes Rauschen und Impulsgeräusche, deren Intensität<br />

sie bis zum Aufwachen der Probanden erhöhten (mittlere Aufwachpegel für Rauschen:<br />

78 dB(A), für Impulse 108 dB(A)). Am darauffolgenden Morgen fanden sie eine<br />

mäßige Reduktion der kognitiven Leistung. Ähnliches berichteten Metz und Muzet [1976],<br />

ebenso wie LeVere et al. [1972, 1975], die während der Nacht 320 'dreieckige' bis auf 65<br />

bzw. 80 dB(A) ansteigende Geräusche bzw. Fluglärm und Terzbandgeräusche mit Maximalpegeln<br />

von 80 dB(A) applizierten. Öhrström und Björkman [1988], sowie Öhrström<br />

[1995], applizierten intermittierte Lkw-Geräusche und konstatierten eine (gegenüber dem<br />

Vorabend) mäßig verlängerte Reaktionszeit. Bei Arnberg et al. [1990] zeigte sich eine<br />

Leistungsbeeinträchtigung nur bei zusätzlicher Belastung durch Vibrationen.<br />

Auch Jurriëns [1980] beobachtete bei seinen Probanden, die er in 20 Nächten der Einwirkung<br />

eines realistischen Straßenverkehrsgeräusches (von 60 dB(A) bis auf 40 dB(A) abfallender<br />

und wieder auf 60 dB(A) ansteigender äquivalenter Dauerschallpegel) aussetzte,<br />

eine Reduktion der Leistung, stellte den Kausalzusammenhang mit Lärm jedoch infrage.<br />

Basner et al. [2001] applizierten eine variierende Anzahl von Überfluggeräuschen (4-128)<br />

mit Pegeln zwischen 50 und 80 dB(A). Während sich die Leistung im Buchstaben-Test, in<br />

dem das Kurzzeitgedächtnis eine Rolle spielt, verbesserte, zeigten länger dauernde monotone<br />

Reaktionstests die Tendenz zu langsameren Reaktionszeiten und höheren Fehlerraten.<br />

Demgegenüber ergaben die Felduntersuchungen von Passchier-Vermeer et al. [2002] keine<br />

Änderungen im Reaktionszeit-Test, der jedoch nur abends durchgeführt wurde.<br />

In einer in 4 Ländern der EU durchgeführten Studie wurden die Schallpegel bei Anwohnern<br />

stark frequentierter Straßen in mehreren Nächten durch Öffnen der Fenster angehoben<br />

bzw. durch schalldämmende Fenster, durch Verwendung von Gehörschutzmitteln oder<br />

durch Verlagerung des Schlafraums auf die Rückseite des Hauses gesenkt [Griefahn 1985,<br />

Jurriëns et al. 1983, Vallet 1979, Vallet et al. 1983, Wilkinson & Campbell 1984], so dass<br />

jeder der insgesamt 70 Probanden im Alter von 18 bis 65 Jahren mehrere Nächte unter<br />

lauten und unter leisen Bedingungen schlief. Nach Zusammenfassung aller Daten zeigte<br />

sich nach den lauteren Nächten eine geringere Arbeitsgeschwindigkeit, ein Effekt, der von<br />

Hofman et al. [1995] jedoch nicht mit dem einwirkenden Pegel sondern mit der Änderung<br />

der Situation zu erklären ist.<br />

6.3.3 Tertiärreaktionen, gesundheitsrelevante Langzeiteffekte<br />

Mögliche langfristige Lärmwirkungen werden meist sozialwissenschaftlich mittels persönlicher<br />

Interviews oder postalischer Befragungen von oft mehreren hundert Personen erfasst.<br />

Der Kausalzusammenhang von der Lärmbelastung über lärmbedingte Schlafstörungen<br />

bis hin zu klinisch relevanten Gesundheitsstörungen bleibt jedoch offen [Jurriëns et al.<br />

1983, Lukas 1977, Muzet et al. 1983, Öhrström & Björkman 1988, Öhrström & Rylander<br />

1982]. Er dürfte auch mittels großangelegter Langzeitstudien kaum zu klären sein, da die


99<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 99<br />

in Frage stehenden Gesundheitsstörungen multifaktoriell bedingt sind und sich nur langsam<br />

im Laufe mehrerer Jahre bis Jahrzehnte entwickeln, wobei der Beitrag des Lärms<br />

kaum zu quantifizieren ist. So lange wie dieser Zusammenhang nicht geklärt ist, bleibt aber<br />

auch die Relevanz der Primärreaktionen im Hinblick auf die vermuteten Gesundheitsstörungen<br />

offen [Muzet & Griefahn 1983]. Die Anmerkung von Thiessen [1978] 'The question<br />

of whether these sleep disturbances are harmful, or to what extent, is practically impossible<br />

to answer in view of the fact that we do not even know why we need to sleep' ist<br />

heute noch uneingeschränkt gültig. Zur Frage möglicher chronischer Gesundheitsbeeinträchtigungen<br />

als Folge lärmbedingter Schlafstörungen wird unter 8.2.4 Stellung genommen.<br />

Die Darstellung hier beschränkt sich auf Verhaltensweisen zur Vermeidung (lärmbedingter)<br />

Schlafstörungen.<br />

6.3.3.1 Medikamentenkonsum<br />

Einen erhöhten Konsum an schlaffördernden Medikamenten fanden Lambert et al. [1984],<br />

Öhrström [1991] und Lercher et al. [1996] bei Anwohnern stark frequentierter Verkehrsstraßen,<br />

während Langdon und Buller [1977], Gros und Griefahn [1985a] sowie Griefahn et al.<br />

[1985] basierend auf ihren Untersuchungen einen solchen Zusammenhang verneinten.<br />

Meier und Müller [1975] ermittelten bei den weiblichen Anwohnern dreier Flughäfen in<br />

der Schweiz einen mit der Lärmbelastung zunehmenden Konsum an Hypnotika sowie eine<br />

tendenziell zunehmende Einnahme von Tranquilizern. Letzteres berichtete auch Relster<br />

[1975, zitiert in Öhrström 1991] über die Anwohner des Kopenhagener <strong>Flughafen</strong>s. Ein<br />

entsprechendes Verhalten wurde auch in zeitlich weit auseinanderliegenden Untersuchungen<br />

bei den Anwohnern des <strong>Flughafen</strong>s Amsterdam Schiphol beobachtet [Franssen et al.<br />

1998, Knipschild 1977a, b, Knipschild & Oudshoorn 1977].<br />

Inwieweit die Einnahme schlaffördernder Medikamente eine Vermeidungsstrategie lärmbedingter<br />

Schlafstörungen ist, bleibt allerdings ungeklärt, zumal der Konsum auch bei<br />

nicht exponierten Personen außerordentlich hoch ist.<br />

6.3.3.2 Ausrichtung des Schlafraums, Fensterstellung<br />

Anwohner lärmbelasteter Straßen haben, häufiger als Personen in ruhigen Wohngebieten,<br />

einen von der Straße abgewandten Schlafraum [Griefahn et al. 1985]. Die Wahl des<br />

Schlafraums ist jedoch kein valider Indikator der objektiven Belastung oder der subjektiven<br />

Beanspruchung, da sie weitgehend durch den Zuschnitt der Wohnung vorgegeben ist.<br />

Eine plausible Strategie zur Vermeidung lärmbedingter Schlafstörungen ist die Fensterstellung,<br />

auch wenn nicht auszuschließen ist, dass die Fenster – insbesondere von den Anwohnern<br />

stark frequentierter Verkehrsstraßen – wegen der Abgase geschlossen werden. In<br />

mehreren Untersuchungen gaben die Anwohner stark befahrener Straßen mit zunehmender<br />

Belastung häufiger an, ihre Fenster nachts zu schließen [Griefahn et al. 1985, Gros & Griefahn<br />

1985b, Ising & Braun 2000, Langdon & Buller 1977, Öhrström et al. 1998, Scharnberg<br />

et al. 1982]. Dieses Verhalten ist bei Anwohnern von Bahntrassen weit weniger stark<br />

ausgeprägt [Griefahn et al. 1999, 2000].


6.4 Bewertung nächtlicher Lärmbelastungen<br />

6.4.1 Bewertungskriterien<br />

100<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 100<br />

Lärmbedingte Schlafstörungen stellen im Wesentlichen eher moderate Störungen dar, deren<br />

Relevanz im Hinblick auf Sekundärfolgen und vor allem auf manifeste Gesundheitsstörungen<br />

unklar sind. Zur Beurteilung und Begrenzung von Lärmwirkungen werden unterschiedliche<br />

Kriterien herangezogen. In der allgemeinsten Form werden Schlafstörungen als<br />

jede nur messbare Änderung des Schlafablaufs definiert [Griefahn 1985], die zunächst jedoch<br />

nur eine normale Auseinandersetzung des Organismus mit seiner Umwelt darstellen.<br />

Als kritisch beurteilen einige Autoren das Auslösen vegetativer Reaktionen (ab ca. 53-55<br />

dB(A)), da diese keinerlei Gewöhnungstendenz zeigen, also weder innerhalb einer Nacht<br />

noch im Laufe mehrerer Jahre abnehmen [Whitehead & Hume 2001, Jansen 1970a, Muzet<br />

et al. 1980, 1985, Spreng 2001b]. Andere Autoren halten die unter Lärm gesteigerte Cortisolausschüttung<br />

für maßgebend [Maschke 1992, Maschke et al. 1995, 1997b, Spreng<br />

2001d].<br />

Der eigentliche Indikator des Schlafs, seines Verlaufs, seiner Tiefe und seiner Störungen<br />

ist das Polysomnogramm, d. h. das simultan mit den Augenbewegung und der Muskelspannung<br />

registrierte Hirnstrombild. Deshalb bewerten die meisten Untersucher die Änderungen<br />

im Hirnstrombild, insbesondere die Weckreaktionen als kritisch. Der Begriff der<br />

Weckreaktion umfasst jedoch ein weites Spektrum quantitativ stark variierender Reaktionen.<br />

Einige Autoren zählen hierzu bereits Arousals, d. h. mindestens 3 Sekunden anhaltende<br />

abrupte Frequenzbeschleunigungen im EEG oder sogar noch kürzere, als Mikro-<br />

Arousals bezeichnete Episoden. Solche Arousals können während einer ungestörten Nacht<br />

mehrere hundert Mal auftreten. Ihre Relevanz im Hinblick auf die Bewertung von Schlafstörungen<br />

ist daher zweifelhaft [Maschke & Hecht 2001, Raschke 2001].<br />

Wachphasen sind auch im ungestörten Schlaf relativ häufig. Mathur und Douglas [1995]<br />

zählten bei 55 gesunden Probanden in jeder Stunde 4 Wachphasen, was mit den Beobachtungen<br />

von Basner et al. [2001] übereinstimmt, die während eines 8 Stundenschlafs bei 64<br />

Personen eine durchschnittliche Anzahl von 24.4 ± 9.3 Wachphasen fanden. Die wenigsten<br />

dieser meist kurzen Wachphasen werden morgens erinnert. Dies ist in der Regel erst dann<br />

der Fall, wenn sie mindestens 3 bis 4 Minuten andauern [Baekeland & Hoy 1971, Knab &<br />

Engel 1988]. In der praktischen Bewertung werden lärminduzierte Wachphasen, die nach<br />

Basner et al. [2001] mit 1.9 ± 6 Minuten im Mittel etwas länger als spontane Wachphasen<br />

mit 1.5 ± 6 Minuten sind, jedoch kaum nach ihrer Dauer differenziert, was aus präventivmedizinischer<br />

Sicht gerechtfertigt ist.<br />

6.4.2 Belastungsmaße<br />

Zur Beurteilung der Lärmbelastung wird vorwiegend der äquivalente Dauerschallpegel<br />

berechnet, der die Wirkung eher kontinuierlicher Geräusche, z. B. des Straßenverkehrs bei<br />

hoher Verkehrsdichte recht gut beschreibt [Griefahn 1985].


101<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 101<br />

Nächtliche Geräuscheinwirkungen sind jedoch überwiegend intermittiert. Dies trifft nicht<br />

nur für den Flug- und den Schienenverkehr zu, sondern auch für den Straßenverkehr, dessen<br />

Dichte in der Nacht kontinuierlich abfällt, gegen 3 bis 4 Uhr ein Minimum erreicht, um<br />

danach wieder steil anzusteigen.<br />

Öhrström und Rylander [1982] zeigten experimentell, dass intermittierte Geräusche – bei<br />

gleichem äquivalentem Dauerschallpegel – stärker stören als kontinuierliche Geräusche,<br />

bei denen die Pegel nur mäßig um den Mittelwert oszillieren. Diese sowohl im Feld als<br />

auch im Labor bestätigte Beobachtung [Eberhardt & Akselsson 1987, de Camp 1980, Vernet<br />

1979, 1983, Wagner 1988] ist plausibel, da der Organismus generell eher auf Änderungen<br />

als auf gleichbleibende Einwirkungen reagiert [Livingstone 1978, McIntyre 1980].<br />

Dementsprechend fanden Basner et al. [2001] in ihrer Untersuchung über durch Fluglärm<br />

induzierte Schlafstörungen keinerlei Beziehung zwischen der Zunahme der Stadien 1,<br />

Wach und REM und der Reduktion des Tiefschlafs zum einen und dem äquivalenten Dauerschallpegel<br />

zum anderen, wohl aber zum Maximalpegel der nachts applizierten Geräusche<br />

[Basner et al. 2001].<br />

Zur Beurteilung der Lärmeinwirkung sind die Informationen über Anzahl und Maximalpegel<br />

der Einzelereignisse daher anders als bei der Berechnung des äquivalenten Dauerschallpegels<br />

zu bewerten. Vernet [1979, 1983] vertritt die Auffassung, dass die Anzahl<br />

stärker gewichtet werden müsse, während Eberhardt und Akselsson [1987] vorschlagen,<br />

die Anzahl der Ereignisse anzugeben, deren Maximalpegel 50 bzw. 55 dB(A) überschreitet.<br />

Andere Autoren regen an, den intermittierten Charakter der Geräusche durch die Differenz<br />

bestimmter Überschreitungspegel anzugeben (z. B. L10-L90, L10-L50, L1-L50 [de Camp<br />

1980, Griefahn 1985, Schieber et al. 1968]).<br />

Darüberhinaus wird – insbesondere im angloamerikanischen Bereich – eine Standardisierung<br />

kurzdauernder Einzelereignisse durch den Sound Exposure Level (SEL) vorgenommen.<br />

Der SEL erwies sich in den Feldexperimenten von Horonjeff et al. [1982] als sinnvolles<br />

Maß zur Beurteilung von Schlafstörungen. Er beschreibt die Wirkung des Fluglärms<br />

genauer als der A-bewertete Maximalpegel [Fidell et al. 1994, 1995, Ollerhead et al. 1992,<br />

Pearsons et al. 1989, 1995].<br />

6.4.3 Vorhersagemodelle<br />

Einige Autoren versuchten, Dosis-Wirkungskurven als Grundlage zur Ableitung von<br />

Grenzwerten zu erarbeiten, wozu sie als erhebliche und gesundheitlich relevante Wirkungen<br />

die Aufwachreaktionen wählten.<br />

Die erste mathematische Beschreibung der Aufwachreaktionen legten Schaudinischky und<br />

Rosenhouse [1974] vor, die sie allerdings auf nur eine Untersuchung von Steinicke [1957]<br />

beschränkten, der 343 20- bis 70-jährige Personen in einer Nacht mit dem hochimpulsiven<br />

Geräusch einer Holzhackmaschine beschallte und dessen Pegel so lange erhöhte, bis die<br />

Probanden Aufwachen signalisierten. Da die Aufwachschwellen wegen der spezifischen<br />

Randbedingungen weit unter denen anderer Untersuchungen liegen, ist das Modell auf<br />

andere Datensätze nicht anwendbar.


102<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 102<br />

Bullen [1998] entwickelte den Sleep Disturbance Index (SDI) zur Vorhersage der Wahrscheinlichkeit<br />

von Aufwachreaktionen (W) unter Berücksichtigung der Maximalschallpegel<br />

der einzelnen Geräusche und des äquivalenten Dauerschallpegels, womit er die Emergenz<br />

berücksichtigt SDI = i W(Lmax(i), Leq)/10.<br />

Da die im Feld registrierten Daten erheblich von den im Labor erhobenen Daten abweichen,<br />

schlugen Pearsons et al. [1995] zwei Modelle zur Berechnung der im Labor und im<br />

Feld zu erwartenden Aufwachreaktionen vor. Die Autoren erhielten mit der in SEL angegebenen<br />

Belastung genauere Schätzungen als mit dem Maximalpegel der Geräusche.<br />

1997 publizierte das Federal Interagency Committee on Aviation Noise (FICAN) eine Dosis-Wirkungskurve<br />

zur Schätzung des Anteils fluglärmexponierter Personen, die durch ein<br />

einzelnes Fluggeräusch aufwachen. Die Gleichung, die nur für Langzeitanwohner gilt, hat<br />

folgende Form: Awakenings = 0.0087 x (SEL-30) 1.79 .<br />

Einen völlig anderen Weg gingen Griefahn [1992] und Spreng [2001d], die zunächst ein<br />

oberes noch zulässiges Risiko definierten und Pegel-Häufigkeits-Kombinationen errechneten,<br />

bei denen dieses Risiko nicht überschritten wird.<br />

Griefahn [1992] geht davon aus, dass das Risiko aufzuwachen, selbst in der empfindlichsten<br />

Schlafstufe und bei dem ältesten Zehntel der Bevölkerung 10 % nicht überschreiten<br />

sollte. Auf der Basis publizierter laborexperimentell erhobener Daten entwickelte sie eine<br />

Kurve gleichen Risikos, aus der sich für bestimmte Häufigkeiten die zulässigen Maximalpegel<br />

errechnen lassen (Bild 6.12).<br />

Spreng [2001b, 2001d] entwickelte ein physiologisches Modell, welches zunächst<br />

ausschließlich auf der nächtlichen Cortisolausschüttung beruht. Er geht davon aus, dass<br />

einzelne äquidistant einwirkende Geräusche zu jeweils vermehrter Cortisolausschüttung<br />

führen, wobei die Höhe des Anstiegs (ci) proportional zum Pegel und von einem jeweils<br />

Maximalpegel [dB(A)]<br />

66<br />

64<br />

62<br />

60<br />

58<br />

56<br />

54<br />

52<br />

50<br />

48<br />

46<br />

keine R eaktionen<br />

A ufw achreaktionen<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 20 30 40<br />

A nzahl S challereignisse<br />

Bild 6.12: Pegel-Häufigkeitsverteilung für ein definiertes Risiko aufzuwachen bzw. keine bedeutsamen Reaktionen<br />

zu zeigen.


103<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 103<br />

exponentiellen Abbau gefolgt ist (Zeitkonstante: τ = 64 min). Diese werden über einen<br />

definierten Zeitraum während der Nacht T (in Minuten) zu einem Gesamtwert aufaddiert<br />

(akkumuliert), der – ausgehend von einem mittleren normalen Cortisolwert in Plasma (cm)<br />

– einen maximalen tolerablen Normalwert (ctol) nicht überschreiten sollte. Um diesen so<br />

festgelegten tolerablen Betrag (ctol - cm) darf sich in erster Näherung die einem zirkadianen<br />

Rhythmus folgende Cortisolkonzentration im Plasma erhöhen.<br />

Daraus resultiert die in Bild 6.13 wiedergegebene Gleichung. Die Pegelabhängigkeit der<br />

initialen Cortisolsprünge ci (vereinfachend zunächst als unabhängig von der Absolutkonzentration<br />

angenommen) wird gemäß der in Kap. 3 geschilderten direkten und engen Bezie-<br />

Aus Literatur:<br />

τ = 64 min<br />

c tol = 231 ng/ml<br />

c m = 140 ng/ml<br />

c i0 = 14 ng/ml<br />

k = 0,3<br />

L 0 = 53 db(A)<br />

Bild 6.13: Mathematischer Zusammenhang zwischen Maximalpegel Lmax und Anzahl n tolerabler nächtlicher<br />

flugbetriebsbedingter Schallereignisse gemäß einem rein physiologischen, auf der lärminduzierten<br />

Cortisolausschüttung basierenden Modell [Spreng 2001b, 2001c].<br />

hung zwischen kortikaler Erregung und Aktivierung hypothalamischer Bereiche (Bild 3.1)<br />

angesetzt. Über die anhand evozierter Potentiale [Spreng 1976] bestimmte Reiz-Erregungsbeziehung<br />

(Potenzfunktion mit Exponent k = 0,32) lässt sich eine quantitative Relation<br />

ableiten. (Ein vergleichbarer Exponent resultiert im übrigen aus psychophysischen Skalierungsexperimenten<br />

auditorischer Wahrnehmungen von Stevens [1961].<br />

Fixiert man schließlich eine an sich noch voll im physiologischen Bereich liegende nächtliche<br />

vegetative Überproportional-Reaktionsschwelle (L0) bei einem Maximalpegelwert<br />

von L0 = 53 dB(A), dann liegen Werte vor, die eine quantitative Abschätzung tolerabler<br />

nächtlicher Schallereignisse anhand des vorgeschlagenen Modells erlauben. Nach Einsetzen<br />

der aus der Literatur entnommenen Konstanten resultiert der in Bild 6.14 und in Tab.<br />

6.1 dargestellte Zusammenhang zwischen dem Maximalpegel der einzelnen Schallereignisse<br />

und der gerade noch zulässigen Anzahl der Geräusche (Kurve gleichen Risikos).<br />

Es ist hervorzuheben, dass eine Umrechnung die mit dem physiologischen Modell<br />

geschätzten Pegelhäufigkeitskombinationen in äquivalente Dauerschallpegel in keiner<br />

Weise erlaubt ist.


Pegel im Innenraum<br />

L max<br />

dB(A)<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

104<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 104<br />

0 5 10 15 20 25<br />

Anzahl tolerierbarer Schallereignisse (Überflüge) in einer 8h Nacht<br />

Bild 6.14: Quantitative Beziehung zwischen Innenraum-Maximalpegel Lmax und der Anzahl tolerabler flugbetriebsbedingter<br />

Schallereignisse in einer 8-Stundennacht [Spreng 2002].<br />

Im oberen Maximalbereich ergibt das derzeit noch sehr einfache Modell überraschend<br />

hohe Werte. Man muss sich jedoch vergegenwärtigen, dass bei einer tatsächlichen Einwirkung<br />

dieser Pegel die Gesamtzahl der nächtlichen flugbetriebsbedingten Schallereignisse<br />

die in Tabelle 6.1 aufgelisteten Pegelhäufigkeiten nicht überschritten werden soll.<br />

Tab. 6.1 Mit dem physiologischen Modell berechnete tolerable<br />

Schallereignishäufigkeiten bei verschiedenen äquidistant<br />

einwirkenden Maximalpegeln am Ohr des Schläfers<br />

während 8 Nachtstunden [Spreng 2001a, 2002].<br />

Maximalpegel zulässige<br />

Anzahl<br />

80 4<br />

70 6<br />

65 7<br />

60 8<br />

55 11<br />

50 13<br />

45 18<br />

40 23


105<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 105<br />

Bis zur Klärung weiterer, das physiologische Modell verbessernder Parameter, ist es<br />

gerechtfertigt, die mit ihrem Maximalpegel unterhalb einer physiologischen Überproportional-Reaktionsschwelle<br />

[Lmax = 53 dB(A)] liegenden Ereignisse unberücksichtigt zu<br />

lassen. Da die möglicherweise nur geringe gegenregulatorische Eigenschaft und die<br />

zirkadiane Rhythmik nicht oder nur grob vereinfachend einbezogen sind, wird die so<br />

geschätzte tolerable Schallereigniszahl zunächst nicht als absoluter NAL-Wert (Number<br />

and Level) aufgefasst, sondern als begrenzende Ereignisanzahl, mit welcher der Bezugs-<br />

Maximalwert (Lmax = 53 dB(A)) bis zu einem absolut begrenzendem kritischen Toleranzwert<br />

(s. u.) überschritten werden kann.<br />

Das hier vorgestellte Modell gewinnt an Plausibilität, wenn man die Berechnung einerseits<br />

hinsichtlich eines einzigen, noch tolerablen nächtlichen Ereignisses extrapoliert. Dann<br />

resultiert ein Wert (bei einer 10 dB-Überflugzeit von 20 s) von SEL = 125 dB(A), der dem<br />

Grenzwert entspricht, unterhalb dessen keine Innenohrschäden auftreten [Spreng et al.<br />

1991, 1992 und Kapitel 8.1].<br />

Andererseits lassen sich im unteren Maximalpegelbereich - obwohl prinzipiell nicht erlaubt<br />

- die aus dem Modell errechneten Werte grob mit einem äquivalenten Dauerschallpegel<br />

von Leq < 30 dB(A) [Innen] annähern, der nach Auffassung des interdisziplinären Arbeitskreises<br />

für Lärmwirkungsfragen beim Umweltbundesamt [AKLWF 1982] zur Vermeidung<br />

von Schlafstörungen in Innenräumen nicht überschritten werden sollte.<br />

Eine weitere Bestätigung findet das Modell durch die vereinzelt in der Literatur angegebenen<br />

tolerablen nächtlichen Schallereignisse, die auf unterschiedlichen, jedoch nicht rein<br />

physiologischen Abschätzungsverfahren beruhen.<br />

So gibt z. B. Griefahn [1992] einen kritischen Maximalpegel von Lmax = 55 dB(A) an, der<br />

bereits bei 10 flugbetriebsbedingten Schallereignissen pro Nacht nicht überschritten werden<br />

sollte. Das vorgelegte Modell ergibt für diesen Maximalpegel eine tolerable Anzahl<br />

von 11 nächtlichen flugbetriebsbedingten Schallereignissen ( Tabelle 3.1).<br />

Vallet & Vernet [1993] fordern, dass bei 20 bis 25 Bewegungen, die Innenraumpegel<br />

(Lmax) 40 dB(A) nicht überschritten sollten. Mit dem physiologischen Modells werden für<br />

Lmax = 40 dB(A) 23 tolerable nächtliche flugbetriebsbedingte Schallereignisse errechnet.<br />

Auch die Ergebnisse von Maschke et al. [1995], die erhöhte nächtliche Cortisolwerte nach<br />

16 Fluglärmereignissen mit Lmax = 55 dB(A) innerhalb von nur 4 Nachtstunden ermittelt<br />

haben, sind in das Modell einzuordnen. Bei Zugrundelegen eines auf nur 4 Nachtstunden<br />

reduzierten Einwirkungszeitraums errechnen sich für Maximalpegel von Lmax = 55 dB(A)<br />

8 Fluglärmereignisse. Die von Maschke et al. [1995] ermittelten fluglärminduzierten Anstiege<br />

des nächtlichen Cortisolspiegels sind also höchstwahrscheinlich darauf zurückzuführen,<br />

dass bei diesen Experimenten doppelt so viele Ereignisse verwendet wurden, wie von<br />

den physiologischen Gegebenheiten her tolerabel gewesen wären.


6.5 Begrenzung nächtlicher Lärmeinwirkungen<br />

106<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 106<br />

Lärmbedingte Aufwachreaktionen werden als gesundheitlich relevant eingestuft, so dass<br />

die meisten Vorschläge zur Definition eines Grenzwertes sich auf dieses Kriterium konzentrieren.<br />

Anders als bei der Lärmbelästigung, die als erheblich gilt, wenn 25 – 28 % der<br />

Betroffenen hoch belästigt sind, ist hier ein Wert auszuweisen, bis zu welchem – nach einer<br />

gewissen Gewöhnungszeit – eine nicht mehr signifikante Anzahl an Aufwachreaktionen<br />

zu erwarten ist. Ein vollkommener Schutz aller Betroffenen ist jedoch nicht möglich,<br />

da empfindliche Personen schon bei sehr niedrigen Maximalpegeln aufwachen.<br />

Die Begrenzung der Immission muss sich an den entscheidenden Determinanten der Aufwachreaktion,<br />

am Maximalpegel, am äquivalenten Dauerschallpegel und am Zeitraum der<br />

Einwirkung orientieren.<br />

6.5.1 Maximalpegel (innen)<br />

1991 kam Hofman [HCN 1991] mittels einer Metaanalyse, in die sie Fluglärm, Straßenlärm,<br />

Eisenbahnlärm und intermittierte Industriegeräusche einbezog, zu dem Ergebnis,<br />

dass in der Durchschnittsbevölkerung oberhalb von 55 dB(A) mit Aufwachreaktionen zu<br />

rechnen ist. Dieser Wert wird auch von Eberhardt [1987] und von Öhrström [1999] als<br />

Schwelle für die Reduktion des Tiefschlafs bzw. die Auslösung des Wachbewusstseins<br />

angegeben. Maschke fordert – basierend auf seinen eigenen Untersuchungen [Maschke<br />

1992] – im lärmmedizinischen <strong>Gutachten</strong> für den <strong>Flughafen</strong> Hamburg als Grenzwert einen<br />

Maximalpegel von 55 dB(A). Die von Griefahn [1992] errechnete Kurve gleichen Aufwachrisikos<br />

nähert sich mit der Anzahl der einwirkenden Ereignisse einem Maximalpegel<br />

von 53 dB(A), der nach Spreng [2001d] der vegetativen physiologischen Überproportional-Reaktionsschwelle<br />

entspricht. Höhere Schwellenwerte von 60 dB(A) nennen Osada et<br />

al. [1974], Öhrström und Rylander [1990], Muzet et al. [1980] und Jansen et al. [1995].<br />

Anmerkung. Die vom interdisziplinären Arbeitskreis für Lärmwirkungsfragen beim Umweltbundesamt<br />

[AKLWF 1982] und in der Richtlinie der WHO [Berglund et al. 1999] oder von Vallet und Vernet [1993]<br />

genannten Werte (Maximalpegel 40 dB(A), Mittelungspegel 30 dB(A)) stellen keine Grenzwerte der Belastbarkeit<br />

dar; sie weisen vielmehr einen sicheren Bereich aus, in dem selbst geringere Störungen, wie etwa<br />

Schlafstadienwechsel nicht mehr zu erwarten sind.<br />

Die genannten laborexperimentell ermittelten Schwellenwerte liegen zwischen 53 und 60<br />

dB(A), was einem Mittelwert von etwa 56 dB(A) entspricht, der unter Beachtung der im<br />

Feld registrierten Reaktionen von Anwohnern großer Flughäfen oder verkehrsreicher Straßen<br />

einen hinreichenden Schutz bietet (in Felduntersuchungen liegen die Schwellenwerte<br />

zwischen 54 und 63 dB(A), im Mittel also um weitere 2 dB(A) höher [Fidell et al. 1994,<br />

1995, Pearsons et al. 1995, Vernet 1983]).<br />

6.5.2 Äquivalenter Dauerschallpegel (innen)<br />

Die Anzahl der Ereignisse geht – neben Pegel und Dauer – in die Berechnung des äquivalenten<br />

Dauerschallpegels ein. Die in der Literatur angegebenen Schwellenwerte variieren


107<br />

Kapitel 6: Lärmbedingte Schlafstörungen 107<br />

allerdings erheblich und beziehen sich vorwiegend auf den Straßenverkehr. Nach Eberhardt<br />

et al. [1987] liegt die Schwelle zwischen 36 und 45 dB(A), Griefahn [1986] gibt –<br />

ebenso wie Miedema [1993a, b] – eine Grenze von 40 dB(A) an. Vallet nennt 1982 einen<br />

Wert von 35 dB(A), in einer späteren Publikation [Vallet et al. 1983] 37 dB(A). Maschke<br />

[1996] fordert unter Bezug auf eine Untersuchung von Horonjeff et al. [1982] einen<br />

Grenzwert von 32 dB(A) für die gesamte Nacht. Die angegebenen Werte variieren zwischen<br />

32 und 40 dB(A), so dass ein mittlerer Wert von 35 dB(A) eine realistische Forderung<br />

darstellt.<br />

6.5.3 Zeitliche Begrenzung<br />

Die Reagibilität nimmt im Laufe der Nacht meist zu. Es wird deshalb empfohlen, den Verkehr,<br />

insbesondere die Bewegungen der lauteren Fluggeräte (> 53 dB(A)) in den ersten<br />

Nachtstunden zwischen 22 Uhr und 1 Uhr abzuwickeln und den Flugbetrieb in der Zeit von<br />

1 bis 6 Uhr auf höchstens ein Viertel bis ein Drittel zu begrenzen. Durch diese Eingrenzung<br />

ergibt sich die Chance, am Anfang der Nacht erlebte Schlafstörungen in der belastungsarmen<br />

Zeit zu kompensieren [Griefahn 1977a, Maschke 1992].<br />

Die Einstellung des nächtlichen Flugverkehrs von 23 Uhr bis 5 Uhr wie sie im Mediationsverfahren<br />

vorgeschlagen wird, muss durch höhere Bewegungszahlen in der Zeit von 22 bis<br />

23 Uhr und 5 bis 6 Uhr ausgeglichen werden, was abends den für einen erholsamen Schlaf<br />

notwendigen Entspannungsprozess erschwert und morgens u. U. zu einem vorgezogenen<br />

terminalen Aufwachen mit der Folge eines nicht unerheblichen partiellen Schlafentzugs<br />

führen könnte.<br />

6.5.4 Überschreitungen<br />

Sowohl Jansen et al. [1995] als auch Maschke [1996] lassen – unter der gerechtfertigten<br />

Annahme, dass der Organismus diese noch adäquat verarbeitet – eine begrenzte Anzahl<br />

von Überschreitungen zu. Für die zulässige Anzahl an Überschreitungen in einer auf die 6<br />

verkehrsreichsten Monate bezogenen Durchnittsnacht liegen jedoch kaum fundierte Angaben<br />

vor, wenn man von den in Bild 6.14 gezeigten Maximalpegel-Häufigkeits-Paaren absieht.<br />

Maschke nennt 2-3 Ereignisse je Zeitbereich, Jansen 5 Überschreitungsbewegungen<br />

in der Nacht.


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 108<br />

7 Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung<br />

durch Lärm<br />

7.1 Geräuschbelastung und Belästigung: Definitionen, Konzepte,<br />

Methoden<br />

Die Belästigung durch Geräusche in der Umwelt ist eine zentrale Größe im Bereich der<br />

Lärmwirkungsforschung. Da der Gesundheitsbegriff der WHO [1948] die Gesundheit nicht<br />

nur als Freisein von Krankheit, sondern als Zustand optimalen Wohlbefindens in physiologischen,<br />

psychologischen und soziologischen Bereichen versteht, ist es aus medizinischer<br />

Sicht erforderlich, sich auch mit den psychologischen Wirkungen von Geräuschen auseinanderzusetzen.<br />

Die psychologische Wirkung ist demnach als gleichwertig zu den physiologischen<br />

und soziologischen Wirkungen zu betrachten.<br />

Unter dem Begriff Belästigung (oft auch als subjektive Belästigung bezeichnet) versteht<br />

man summarisch alle wahrgenommenen, unerwünschten und beeinträchtigenden Wirkungen<br />

des Wohlergehens durch Lärm. Betrachtet man die Reaktionen und Beschwerden auf<br />

Fluglärm nach Intensität und Flughäufigkeit so ist zu folgern, dass die Belästigung die häufigste<br />

und wichtigste Beeinträchtigung des menschlichen Wohlbefindens darstellt. Während<br />

physiologische Wirkungen, insbesondere gesundheitlich relevante und klinisch bedeutsame<br />

Wirkungen regelmäßig erst bei hohen Geräuschbelastungen auftreten, sind Belästigungen<br />

schon in niedrigeren Belastungsbereichen feststellbar. Die Frage an den Mediziner<br />

und an den Psychologen, insbesondere von juristischer aber auch von politischer und<br />

administrativer Seite lautet daher immer, welche Bedeutung der Belästigung im Rahmen<br />

einer konkreten akustischen Situation zugesprochen werden muss.<br />

Gleichwertig zu den in der medizinischen Lärmwirkungsforschung abgeleiteten Gefährdungswerten,<br />

z. B. bei der Entstehung von lärmbedingten Hörverlusten (Lärmschwerhörigkeit),<br />

gibt es auch im psychologischen Bereich entsprechende kritische Toleranzwerte<br />

für Gefährdungen. Daher wird von Seiten der Betroffenen und von regelsetzenden Instanzen<br />

auch nach Grenzwerten oder kritischen Toleranzwerten für Belästigung gefragt. Im<br />

Bundesimmissionsschutzgesetz § 3 (BImSchG) wird ausgeführt, dass als schädlich alle<br />

diejenigen Einwirkungen zu bezeichnen sind, die den Menschen gefährden, erheblich belästigen<br />

oder erheblich benachteiligen. Obwohl das BImSchG für die Beurteilung des<br />

Fluglärms nicht gültig ist, sollten diese Wirkungsaussagen inhaltlich für die hier anstehenden<br />

Beurteilungen übernommen werden.<br />

Daraus folgt, dass zwischen einer 'einfachen' Belästigung und einer 'erheblichen' Belästigung<br />

zu unterscheiden ist. Leider deuten die vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnisse<br />

der psychologischen und psycho-physiologischen Lärmwirkungsforschung darauf hin, dass<br />

nur stetige Funktionen der korrelativen Zusammenhänge zwischen akustischer Belastung<br />

und auftretender Belästigung bestehen. Dies bedeutet, dass es praktisch keine sprunghafte<br />

Grenze zwischen einfacher und erheblicher Belästigung gibt. Die Psychologie kennt eine<br />

Vielzahl von korrelativen Zusammenhängen. Die Dosis-Wirkungskurven unterschiedlicher<br />

Autoren zeigen als eine Gemeinsamkeit die stetige Vergrößerung der Wirkung mit stei-<br />

108


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 109<br />

gender Dosis [Schultz 1978, Miedema 1993b, 1998, Miedema & Vos 1998]. Aus diesen<br />

Kurven ist ersichtlich, dass unter gewissen Vorbehalten die dort mitgeteilten Anteile stark<br />

belästigter Personen bei bestimmten Belastungsgrößen in der Wirklichkeit auftreten bzw.<br />

zu erwarten sind. Der Geltungsbereich dieser Dosis-Wirkungsbeziehungen ist der sog. statische<br />

Fall, d. h. er bezieht sich auf akustisch stabile Situationen. Derzeit ist es noch gängige<br />

Praxis, die Erkenntnisse solcher Wirkbeziehungen auch auf Situationen zu übertragen,<br />

in denen eine akustische Situation sich ändert. Dies ist in der Praxis immer dann der Fall,<br />

wenn es sich um Neuanlage von Industriesiedlungen, neuen Straßen, neuen Flughäfen,<br />

Erweiterungen oder Umwidmungen von Verkehrsströmen handelt.<br />

Eine begriffliche und differenzierte Klärung des Begriffes der Belästigung kann nach verschiedenen<br />

Kategorien erfolgen. Eine durch Geräusche erzeugte Lästigkeit lässt eine Abhängigkeit<br />

von objektiven Gegebenheiten und akustischen Charakteristiken erkennen, die<br />

sich in Begriffen wie Schärfe, Schwankungsbreite, Impuls und anderen Kriterien fassen<br />

lassen. In diesem Zusammenhang spricht Zwicker [1991] von einer unbeeinflussten Lästigkeit,<br />

wobei er die o. g. Charakteristika in seine Bestimmungen der Lästigkeit einbezieht.<br />

Wichtig an dieser Beurteilung ist die Tatsache, dass mit zunehmender Lautheit die Lästigkeit<br />

zunimmt, wobei in den mittleren und höheren Bereichen Lautheit und Lästigkeit zunehmend<br />

höher korrelieren.<br />

Weitere Kategorien und Differenzierungen der Beschreibung der Lästigkeit können unter<br />

dem Begriff Störungen durch Lärm erfasst werden. Die erlebten Störungen (engl. annoyance)<br />

erzeugen negative Emotionen, Störungen und psychosomatische Symptome, wobei<br />

als lärmbedingte Emotionen diejenigen Äußerungen von Menschen anzusehen sind, die<br />

durch die Schallbelastungen stark verärgert und in ihrer Intimität und Privatheit stark gestört<br />

sind. Der eigentliche und engere Begriff der Störung konzentriert sich eher auf die<br />

Unterbrechung der Kommunikation, der Ruhe, Entspannung und der Rekreation. Von psychologischer<br />

Seite wird hier der Begriff Interferenz verwandt. Während die erwähnte Lästigkeit<br />

im Wesentlichen durch das Objekt, nämlich durch die akustischen Charakteristika<br />

eingegrenzt wird, sind die unter 'annoyance' gefassten Emotionsstörungen und psychosomatischen<br />

Befunde auf der subjektiven Seite zu finden.<br />

Eine solche Differenzierung erscheint sinnvoll, weil sie es ermöglicht, die sich oft widersprechenden<br />

Ergebnisse psychologischer Untersuchungen für lärmbedingte Lästigkeit zu<br />

erklären. Betrachtet man die mehr subjektgebundenen lärmbedingten Lästigkeiten, so ergeben<br />

sich beim Vergleich von Ergebnissen unterschiedlicher Autoren zum <strong>Teil</strong> erhebliche<br />

Diskrepanzen. Es ist daher zu begrüßen, dass 1998 auf dem ICBEN-Kongress in Sydney in<br />

der psychologischen Lärmwirkungsgruppe Vorstellungen entwickelt wurden, um Fragebögen<br />

und Fragetechniken zu entwerfen, die im nationalen und im internationalen, anderssprachigen<br />

Bereich Vergleichbarkeit ermöglichen [Fields et al. 1998]. Inwieweit sich die<br />

Vorschläge auf einheitliche Skalen und Frageninhalte auch tatsächlich in der Realität<br />

durchsetzen lassen, bleibt abzuwarten. Felscher-Suhr et al. [2000] berichten über insgesamt<br />

8 verschiedene Untersuchungen aus 8 verschiedenen Sprachbereichen, die grundsätzlich<br />

vergleichbar sind. Insofern liegen hier schon verwertbare Ergebnisse vor, die allerdings<br />

noch keine Verallgemeinerung zulassen.<br />

109


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 110<br />

Die psychosomatischen Symptome, die bei Belästigungsreaktionen durch Lärm erlebt und<br />

erfahren werden, lassen sich durch Begriffe wie Reizbarkeit, Gespanntheit, Kopfschmerzen<br />

u. ä. beschreiben. Insbesondere steht aber die Empfindung erhöhter Aktivität im Vordergrund<br />

bzw. liegt diesen genannten Erscheinungen durch Lärm meist zu Grunde.<br />

In mehreren sozialwissenschaftlichen Feldstudien sind in jüngster Zeit verschiedene Methoden<br />

systematisch und kritisch untersucht worden [Guski 1997, Kastka et al. 1998, Lercher<br />

1998, Schick 1992]. Den vorgelegten Untersuchungen ist gemeinsam, dass immer<br />

eine unmittelbar auf die Geräuschbelastung erfolgende Beurteilung (rating) erfasst worden<br />

ist. Ein solches Rating ist dann zutreffend und realitätsgerecht, wenn auch zeitgleich die<br />

Belastungsermittlung erfolgt. Dies ist jedoch die Schwachstelle dieser Methoden. Es dürfte<br />

sicherlich nicht möglich sein, jedem der Interviewten ein Messgerät zur Verfügung zu stellen,<br />

um die gerade erfolgte Belastung zu messen und auch dem Untersucher mitzuteilen.<br />

Dies ist insbesondere dann sehr problematisch, wenn es sich um Telefoninterviews handelt,<br />

da sich hier durch die Aktivität des Fragenden und des Interviewten möglicherweise<br />

eine Aggravation der Belästigungsempfindung einstellt.<br />

7.2 Lärmbedingte Lästigkeit und Moderatorvariablen<br />

Unbestritten ist Belästigung ein komplexer Begriff. Dies trifft in der Psychologie auf viele<br />

Begriffe zu, z. B. Geschicklichkeit, Intelligenz o. ä. Begriffe. Sie sind strukturiert oder haben<br />

bestimmte Bedingungskonstanten als Voraussetzung, damit ein Gefühl der Belästigung<br />

oder erheblichen Belästigung resultiert.<br />

In der Psychologie sind schon seit langen Jahren faktorenanalytische Modelle zur Ermittlung<br />

von Strukturierungen der komplexen Lästigkeit mehrfach entwickelt worden. In derartigen<br />

Faktorenanalysen [z. B. Jansen & Hoffmann 1971] sind es im Wesentlichen immer<br />

mehrere Faktoren, die sich herauskristallisieren. Die lärmbedingte Lästigkeit wird vor allen<br />

Dingen dadurch gekennzeichnet, dass Störungen von Ruhe und Entspannung, Aktivitätssteigerungen<br />

und schließlich Empfindungen von Nervosität und Spannung auftreten, die<br />

jeweils von somatischen Komponenten begleitet sind.<br />

Durch diese einzelnen oder auch oft gemeinsam vorhandenen Strukturelemente werden<br />

Störungen sowohl der Kommunikation als auch der Konzentration und der Leistung hervorgerufen.<br />

So ist beispielsweise in der immer noch bedeutsamen Fluglärmstudie der DFG<br />

[1974] mitgeteilt worden, dass die Kommunikationsstörung eine der ganz wichtigen Bestandteile<br />

für die Entstehung der 'globalen' Lästigkeit durch Fluglärm darstellt. Gerade<br />

Kommunikationsstörungen sind aber auch für Fragen der Leistungsfähigkeit und Konzentration<br />

von entscheidender Bedeutung, so dass hier die Zusammenhänge von Lärm, insbesondere<br />

Fluglärm und der Sprachverständlichkeit zu ermitteln sind (vgl. Kap. 5).<br />

Die Wirkung eines auf den Menschen einwirkenden Schalls wird durch eine Reihe von<br />

Faktoren modifiziert, die außerhalb der physikalischen Eigenschaften des Schallereignisses<br />

liegen. Diese nichtakustischen Einflussgrößen werden im Kontext der Erforschung der<br />

110


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 111<br />

Mensch-Umwelt-Beziehung als Moderatoren bezeichnet. Das zugrunde liegende Konzept<br />

geht davon aus, dass die Wirkung eines Umweltreizes bei Vorhandensein einer dritten vom<br />

Reiz unabhängigen Größe verändert wird [Rohrmann 1978]. Gestützt auf die Ergebnisse<br />

der DFG-Studie 'Fluglärmwirkungen' [1974] hat sich eine Faustregel gebildet, die innerhalb<br />

der Lärmwirkungsforschung besagt, dass ein Drittel der Belästigungswirkung von<br />

Schall durch akustische Aspekte determiniert wird. Ein weiteres Drittel wird durch erkennbare<br />

und messtechnisch erfassbare, psychologische Aspekte und Moderatoren erklärt, während<br />

das letzte Drittel nach dem heutigen Kenntnisstand nicht erklärt werden kann [Guski<br />

2001a, b]. Werden entsprechende psychologische Variablen in den Untersuchungen zur<br />

Belästigung durch Umweltlärm berücksichtigt, lässt sich die Vorhersagegenauigkeit der<br />

resultierenden Bevölkerungsreaktionen bereits jetzt auf 60 % steigern [Höger 1999]. Sowohl<br />

auf akustischer als auch auf psychologischer Seite werden jedoch weitere Anstrengungen<br />

unternommen, den Anteil an erklärbaren Lärmwirkungen zu erhöhen [Felscher-<br />

Suhr et al. 2001, Schreckenberg et al. 1998].<br />

In der Psychologie sind Geräuschquelle, Informationshaltigkeit, subjektive Einschätzung<br />

und Einstellung zur Geräuschquelle, aber auch visuelle Merkmale als weitere wichtige<br />

Moderatoren ermittelt worden [Lercher 1998, Schick 1992]. Darauf weist auch die nach<br />

Verkehrslärmarten differenzierte Meta-Analyse von Miedema und Vos [1998, 1999] hin.<br />

Neben diesen Moderatoren verändern auch aktuelle Situationen der Betroffenen (Freizeit,<br />

Freizeitgewichtungen, Konzentration für bestimmte Tätigkeiten) die Intensität und Stärke<br />

der Lästigkeit. Ein anderer Bereich ist im so genannten sozialen Kontext zu sehen; hier<br />

gehören die Wohnsituation, die Zufriedenheit mit dem sozialen Umfeld und viele andere<br />

Situationen hinein. Schließlich gibt es einen weiteren Bereich, der die individuellen Faktoren<br />

berücksichtigt, die die Entstehung eines Lästigkeitsgefühls beeinflussen. Es sind dies<br />

sowohl Angstgefühle bei bestimmten (Fluglärm)-Belastungen als auch allgemeine Befürchtungen<br />

oder Überzeugungen, dass der gerade belastende Lärm vermeidbar ist oder als<br />

unnütz empfunden wird. Weiterhin sind in diesem Zusammenhang noch die gesundheitliche<br />

Robustheit, aber auch viele weitere Faktoren zu nennen. Durch einen Vergleich<br />

von Arbeiten mehrerer Autoren und ihrer Ergebnisse konnte Fields et al. [1998] in einer<br />

Meta-Analyse diese Differenzierungen der Moderatoren bestätigen. Er hat darüber hinaus<br />

ermittelt, dass es zu Verstärkungen oder Verminderungen der Belästigungen kommen<br />

kann. Er führt als wichtigen verstärkenden Faktor die Selbsteinschätzung als 'lärmempfindlich'<br />

an. Daneben ist es die Vermeidbarkeit des Lärms, die in der Vorstellung des Belasteten<br />

zur Verstärkung führt. Darüber hinaus spielen aber auch die Angst vor Flugzeugabstürzen<br />

oder die gesundheitlichen Folgen durch Lärm- oder Luftschadstoffbelastung eine nicht<br />

zu unterschätzende Rolle. All diese sowie auch andere nichtakustische Faktoren können<br />

dazu führen, dass die Lärmwirkung höher eingeschätzt wird, als sie tatsächlich ist.<br />

Dem entgegen steht eine kleinere Anzahl von Faktoren, die die Lärmwirkung und damit<br />

die Entstehung des Lästigkeitsgefühls wesentlich abschwächen. Hierzu gehört die Einstellung,<br />

dass die Lärmquelle für den Betreffenden sehr wichtig ist, indem er beispielsweise<br />

wirtschaftlich von der Nähe des <strong>Flughafen</strong>s profitiert. Eine Rolle spielt auch, ob angenommen<br />

wird, dass ein Schallschutz möglich ist und man dadurch weniger belastet wird.<br />

111


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 112<br />

Darüber hinaus sind auch Massnahmen des Lärmmanagements und der Informationspolitik<br />

in diesem Sinne wirksam (vgl. Kap. 4). Weiterhin kann auch die Einordnung des Lärms in<br />

das gesamte Belastungsgefüge eines Menschen abschwächende Wirkung haben, in dem<br />

anderen Einflussgrößen ein höherer Stellenwert zugeordnet wird.<br />

Aus den bisher vorgestellten moderierenden Variablen, deren Wirksamkeit sich für mehrere<br />

Quellen (Straßenverkehrslärm, Bahnlärm, Industrielärm, Nachbarschaftslärm usw.) zeigen<br />

lässt, gibt es andere Variablengruppen, die schon in der Aufzählung im vorhergehenden<br />

genannt wurden, die jeweils spezifisch für Fluglärmbelastungen sind. Hierbei ist allerdings<br />

unklar, ob es sich tatsächlich um reine Moderatorvariablen handelt, denn gemäß der<br />

statistischen Definition soll eine Moderatorvariable zwar mit der Reaktionsvariablen, nicht<br />

aber mit dem Stimulus korrelieren [Evans & Lepor 1997].<br />

In der Literatur finden sich korrelative Zusammenhänge zwischen erfragten gesundheitlichen<br />

Befürchtungen und der Gestörtheit durch Fluglärm [McKennel 1963a, b; Leonard &<br />

Borsky 1973; DFG [1974], aus denen sich jedoch keine Kausalbeziehungen ableiten lassen.<br />

7.3 Einschätzung von Belästigung und erheblicher Belästigung<br />

Es wurde eingangs schon darauf hingewiesen, dass nicht nur nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz,<br />

sondern auch nach den Erfordernissen juristischer, politischer und administrativer<br />

Festlegungen ein Unterschied zu machen ist zwischen Belästigung und erheblicher<br />

Belästigung. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass mit zunehmender Lautstärke eine<br />

Verstärkung der Belästigung auftritt, ohne dass an einem erkennbaren Punkt die Belästigung<br />

in eine erhebliche Belästigung umschlägt. Es ist daher notwendig, im Rahmen eines<br />

Kontinuums von immer weniger zumutbar werdenden Belastungen ein Kriterium zu finden,<br />

welches die Erheblichkeit einer Belästigung kennzeichnet. Rohrmann [1984a, b] hat<br />

bereits Kriterien zur Erheblichkeit einer Belästigung aufgestellt und empfiehlt die folgenden<br />

Faktoren zu berücksichtigen:<br />

− durchschnittlicher Grad der individuellen Beeinträchtigung<br />

− Häufigkeit / Permanenz<br />

− Möglichkeit und Kosten der Kompensation<br />

− Reversibilität der Auswirkungen<br />

− Meidbarkeit vs Unausweichlichkeit der Situation<br />

− absolute Zahl der Betroffenen.<br />

Theoretisch lässt sich denken, dass sich hieraus ein Strukturbild ergibt, welches kennzeichnend<br />

ist für Erheblichkeit, wenn die einzelnen Faktoren unabhängig von einander<br />

betrachtet und die Kriterien in den einzelnen Faktorenbereichen gekennzeichnet werden.<br />

Guski [1996] stellt diese Unabhängigkeit der Einzelbetrachtung der verschiedenen Faktoren<br />

jedoch in Frage, weil er der Auffassung ist, dass mit geringer werdendem Abstand zwi-<br />

112


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 113<br />

schen Wohnung und <strong>Flughafen</strong> die Schwierigkeit zunimmt, sich innerhalb und außerhalb<br />

der Wohnung während eines Überflugs verbal zu verständigen. Darüber hinaus steigen mit<br />

der Häufigkeit der Störungen die Schwierigkeiten durch individuelle Gegenmaßnahmen,<br />

z. B. Fenster schließen, lauter sprechen, Wohnraumnutzung verändern, die Belastung zu<br />

begrenzen. Es kommt hinzu, dass sich ein Gefühl der Anstrengung und Überanstrengung<br />

ergibt, weil der Betroffene lauter sprechen muss und daher mit zunehmender Häufigkeit<br />

das Gefühl der Belästigung wächst.<br />

Wichtig erscheint jedoch der prozentuale Anteil der Betroffen, d. h. ein soziologischer<br />

Faktor spielt für die Definition der Erheblichkeit eine entscheidende Rolle. Laut übereinstimmenden<br />

Untersuchungsbefunden ist seit langem der Beginn der Belästigung bei Mittelungspegeln<br />

von 50 – 55 dB(A) anzusetzen. Es besteht auch sicherlich Einigkeit dahingehend,<br />

dass bei Belastungen über 55 dB(A) Belästigungen mit Sicherheit zu erwarten sind.<br />

Geringere Pegel als 55 dB(A) werden in der Regel nicht als laut bezeichnet. Nach Bleule<br />

und Ortscheid [2001] leben etwa 60 % der Bevölkerung in Bereichen, in denen Pegel von<br />

weniger als 55 dB(A) herrschen.<br />

Wenn somit Schwellenbereiche angegeben werden können, wann Belästigung beginnt,<br />

erhebt sich die Frage, wann mit erheblicher Belästigung zu rechnen ist. Methodisch gehen<br />

die Psychologen so vor, dass Probanden bei Belastungen durch Lärm Lästigkeitsbeurteilungen<br />

auf einer 9-stufigen Skala vornehmen. Wird bei einer bestimmten Lärmbelastung<br />

die Stufe 7, 8 oder 9 angekreuzt, so wird sie subjektiv als erheblich belästigend, stark belästigend,<br />

oder gar unzumutbar belästigend bezeichnet. Man kann nun für einen bestimmten<br />

Belastungspegel die Anzahl der befragten Personen in einzelnen Belastungsgebieten<br />

dahingehend einteilen, wieviel Prozent sich erheblich belästigt (1 %, 10 %, 50 %, 65 %,<br />

70 %, 72 %, 75 %) fühlen. Da es in der Bevölkerung immer besonders Lärmempfindliche<br />

gibt und dabei neben der subjektiven Bewertung auch andere Faktoren der Lärmeinschätzung<br />

und der aktuellen Situation des Befragten eine Rolle spielen, muss man festlegen,<br />

welcher Anteil erheblich Belästigter in Kauf genommen werden kann und möglicherweise<br />

muss. In der Literatur werden Prozentsätze zwischen 1 % und 40 % erheblich Belästigter<br />

genannt. Das Kriterium 'prozentuale erhebliche Belästigung der Bevölkerung', kann sehr<br />

leicht den Unterschied zwischen der 'einfachen' Belästigung und der erheblichen Belästigung<br />

verzerren, wie dies auch schon von Guski [1999] und Berglund und Job [1996] bemerkt<br />

wurde. In deren Veröffentlichungen wird berichtet, dass die Zahl der erheblich Belästigten<br />

gegenwärtig abnimmt, während die Zahl der einfach Belästigten [Bleule & Ortscheid<br />

2001] zunimmt.<br />

Wenn die Zahl der erheblich Belästigten tatsächlich sinkt, wird dies meist durch die Abnahme<br />

der Lautstärke der Lärmquelle bewirkt (vgl. Kap. 10.1). Die Zunahme weniger stark<br />

Belästigter kommt dadurch zustande, dass vormals erheblich Belästigte jetzt natürlich nicht<br />

unbelästigt, sondern nur weniger belästigt sind.<br />

Die Integration der Ergebnisse unterschiedlicher Studien zur Lärmbelastung ist durch die<br />

Zusammenfassung mehrerer Dosis-Wirkungskurven zu einer gemeinsamen Kurve möglich.<br />

Dies hat erstmalig durch Datenaggregierung Schultz [1978] vorgenommen. Er fasste<br />

113


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 114<br />

die Ergebnisse von 11 Untersuchungen zur Belästigung durch Fluglärm, Straßenverkehrslärm<br />

und Schienenlärm zusammen. Diese 'Schultz-Kurve' wurde von Fidell et al. [1991]<br />

durch Hinzunahme weiterer Studien jüngeren Datums erweitert und aktualisiert, blieb aber<br />

im Verlauf nahezu identisch. Kritisiert wurde von wissenschaftlicher Seite diese Art des<br />

Vorgehens, weil unterschiedliche Belastungsquellen zusammengefasst wurden [Kryter<br />

1982] sowie auch das methodische Vorgehen. Wesentliche Kritikpunkte von Fields [1994]<br />

beziehen sich auf das Zusammenfassen verschiedener akustischer Daten zu einer Dosis<br />

sowie auf das Zusammenfassen unterschiedlich erfasster Reaktionsvariablen zu einer Wirkung.<br />

Miedema und Vos [1998, 1999] haben die von Kryter und Fields aufgeführten Kritikpunkte<br />

berücksichtigt und eine Metaanalyse aus 55 Untersuchungen mit 58 065 Befragten erstellt.<br />

Als hoch belästigt (HA, highly annoyed) wurden diejenigen Antworten bewertet, die<br />

auf den oberen 28 % der jeweils verwendeten Antwortskalen lagen. Diese Festlegung orientiert<br />

sich an den Vorgaben von Schultz und war weiterhin notwendig, da in den einzelnen<br />

Untersuchungen verschiedene Skalen zur Erfassung der Lärmbelästigungsurteile eingesetzt<br />

worden waren. Die Ergebnisse von Miedema lassen erkennen, dass durch Fluglärm<br />

bei gleichem Pegelzuwachs prozentual mehr Personen durch Fluglärm belästigt sind als<br />

durch Straßen- oder Schienenverkehrslärm. Es lässt sich ablesen, dass bei LDN =<br />

62,8 dB(A) etwa 25 % und bei LDN = 64,8 dB(A) etwa 28 % der Personen hoch lärmbelästigt<br />

sind. Unter Annahme eines Nachtfluganteils von 5 % entspricht dies etwa einem Leq Tag<br />

von 62,7 dB(A) und 25 % bzw. Leq Tag von 64,7 dB(A) und 28 % Hochbelästigter (nach<br />

Berechnungen von Finke in Guski [1994]). Ähnliche Untersuchungsergebnisse teilt auch<br />

Oliva [1998] mit. Er fand heraus, dass für einen Tages-Leq von 62 – 65 dB(A) etwa 30 %<br />

der Betroffenen als erheblich belästigt zu bezeichnen waren. Der 25 %-Wert lag bei<br />

61 dB(A). Griefahn et al. [2002] gehen, unter Berücksichtigung der vorhandenen Literatur,<br />

bei der Festlegung des Präventiven Richtwertes für 'erhebliche' Belästigung von 25 % erheblich<br />

Belästigter bei 62 dB(A) aus, was auch internationalen Gepflogenheiten und den<br />

Empfehlungen des SRU entspricht. Guski [2000] hat sich zur Frage der Erheblichkeit dahingehend<br />

geäußert, dass künftig der 25 %-Wert als Kriterium genommen werden sollte,<br />

während in der bisherigen Handhabung der Beurteilung das 30 % bzw. 28 % Kriterium<br />

angewandt wurde.<br />

Bei der Argumentation eines Richtwertes für 'erhebliche Belästigung' zieht Guski vier repräsentative<br />

Arbeiten heran, deren Autoren als Wert für erhebliche Belästigung Mittelungspegel<br />

von 59, 61, 64 und 68 dB(A) für jeweils 25 % erheblich Belästigter angeben.<br />

Guski ermittelte daraus einen Wert für Erheblichkeit von 61 dB(A),wobei er den Wert 68<br />

dB(A) nicht in die Mittelung einbezog, weil in der zu Grunde liegenden Untersuchung eine<br />

andere Intervallskala benutzt wurde. Er ist der Meinung, dass bei Eröffnung einer neuen<br />

Belastungsquelle in einem bisher unbelasteten Gebiet, hier eines (einzelnen) <strong>Flughafen</strong>s<br />

nach seiner Erweiterung, zu Beginn eine verstärkte Belästigung auftritt (vgl. hierzu auch<br />

Kap. 7.4), so dass dieser mittlere Wert von 61 dB(A) um 1,5 dB(A) zu erniedrigen sei. Er<br />

kommt somit zu einer – nach eigenem Urteil – wissenschaftlich nicht belegten Erheblichkeitsschwelle<br />

von 59,5 dB(A) [Guski 2002, 2003]. Hierbei wird unterstellt, dass die An-<br />

114


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 115<br />

nahme von Guski richtig sei, dass in den ersten Jahren nach Eröffnung eines <strong>Flughafen</strong>s,<br />

möglicherweise bis zu 10 Jahren, erhöhte Belästigungswerte auftreten würden, wobei aber<br />

unklar ist, ob diese erhöhte Belästigung anhält oder ob sie im Laufe der Zeit eine partielle<br />

Gewöhnung und sich damit eine Minderung des Gefühls der Erheblichkeit einstellt, wie<br />

dies in Kap. 7.4 erörtert wird.<br />

Die Darstellung der unterschiedlichen Ergebnisse von Untersuchungen zur Erheblichkeit,<br />

die um fast 10 dB(A) schwanken, ist auch dem Rat von Sachverständigen für Umweltfragen<br />

[SRU 1999] aufgefallen. Er schreibt in seinem Sondergutachten 'Umwelt und Gesundheit'<br />

[<strong>Teil</strong>zahl 406, Seite 164], dass sich die erfragte Belästigung (Erlebensqualität) als ein<br />

guter Indikator zur Schallbelastung erwiesen hat. In der Regel gibt es einen klaren, linearen<br />

oder auch exponentiellen Anstieg der Belästigung mit zunehmender Belastung. Diese mathematische<br />

Korrelationsfunktion lässt somit keinen kritischen Wert erkennen, bei dem<br />

eben von einer erheblichen Belästigung gesprochen werden kann. Der SRU folgert daher,<br />

dass es keinen Schnittpunkt auf dieser Geraden oder Exponentialkurve gibt: 'an dem eine<br />

erhebliche Belästigung beginnt'. Er folgert dann weiter, dass nach wie vor die Festlegung<br />

der erheblichen Belästigung eher eine pragmatisch politische Entscheidung darstellt, als<br />

eine fundierte wissenschaftliche Aussage'. Hieraus folgt, dass eine Eingrenzung für die<br />

Erheblichkeit nicht mit wissenschaftlicher Genauigkeit, sondern eher im Rahmen einer<br />

Konvention zu erfolgen hat. Die große Variabilität der Untersuchungsergebnisse lässt jedoch<br />

deutlich erkennen, dass bei 65 dB(A) und höher sicher mit einer erheblichen Belästigung<br />

zu rechnen ist, insbesondere wenn 28 % bzw. 30 % der Belasteten als Betroffene zu<br />

bezeichnen sind. Ebenso ist auch deutlich erkennbar, dass im Bereich von 62 dB(A) für die<br />

durchschnittlichen Ergebnisse der Untersucher die Erheblichkeit gegeben ist. Eine differenzierte<br />

Betrachtung ist aus Untersuchungen an verschiedenen internationalen Flughäfen<br />

(<strong>Frankfurt</strong> [Kastka 1999a, b], Vancouver [Fidell & Salvati 1998], Genf, Zürich [Oliva<br />

1998], Oslo [Gjestland et al. 1990a, b], Toronto [Hall et al. 1981]) zu ersehen. Eine bewertete<br />

Zusammenfassung der Ergebnisse führt zu einem Wert von 61,5 dB(A) für 28 % HA<br />

[Griefahn et al. 2001a], so dass die vom SRU vorgeschlagenen Kriterien für erhebliche<br />

Belästigung von 65 dB(A) als sicherer Beginn und 62 dB(A) als präventiver Wert für Erheblichkeit<br />

als real anzusehen sind, zumal der SRU nahelegt, langfristig niedrigere Werte<br />

als zumutbare Belastung anzustreben. Er sieht hierfür den Wert von Leq 3 = 55 dB(A) als<br />

Zielwert an, wobei zu prüfen ist, ob er technisch machbar und wirtschaftlich vertretbar ist.<br />

Wie die Analyse großer Feldstudien von Miedema und Vos [1998] erkennen lässt, wird der<br />

Fluglärm bei Schallpegeln gleicher Größenordnung lästiger erlebt als Straßenverkehrslärm.<br />

Dem gegenüber teilen Oliva und Hüttenmoser [2000] mit, dass aus seinen Untersuchungen<br />

für den Fluglärm ein Bonus von 2-3 dB(A) anzusetzen wäre. Hierzu sind jedoch weitere<br />

Angaben und Validierungen durch zusätzliche Untersuchungen sicherlich notwendig;<br />

einstweilen neigt die Mehrzahl der Lärmwirkungsforscher dazu, dem Fluglärm eine größere<br />

Lästigkeit zuzusprechen.<br />

Ungelöst ist bis zum heutigen Tage auch noch die Frage, ob eine Mehrzahl unterschiedlicher<br />

Lärmquellen in einem Einzahlwert zusammengefasst werden darf. Von akustischphysikalischer<br />

Seite ist dies ohne Weiteres möglich durch logarithmische Addition der<br />

115


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 116<br />

einzelnen Lärmquellen zu einem Gesamtwert. Wie jedoch alle Untersuchungen gezeigt<br />

haben, ist die Erlebnisqualität und -wirkung der einzelnen Lärmquellen unterschiedlich<br />

stark. Dies ist schon dadurch bedingt, dass die Charakteristik der einzelnen Geräuschquellen<br />

stark unterschiedlich ist. Dies wird besonders deutlich und sichtbar bei dem Vergleich<br />

von Straßen- und Flugverkehrslärm. Bisher ist es nicht möglich gewesen, eine allgemein<br />

anerkannte Gesamtlärmwirkungsäquivalenz herzustellen (vgl. Kap. 10.1.9). In neuerer Zeit<br />

beschäftigt sich Tegeder [2001] mit der Summation von Schallpegeln verschiedener Geräuscharten.<br />

Er schreibt, dass mit seinem Verfahren für die ganzheitliche Lärmbeurteilung<br />

angenommen wird, dass sich in den Immissionswerten keine unterschiedlichen Belästigungsgrade<br />

der Geräuscharten wiederspiegeln. Gerade diese Annahme wird jedoch von<br />

fast allen Lärmwirkungsforschern nicht geteilt. Dies geht so weit, dass lange Zeit die Meinung<br />

herrschte, dass die Erlebensqualitäten der lärmbedingten Lästigkeit bei Straßenverkehrs-<br />

und Fluglärm prinzipiell unterschiedlich sind, was auf die unterschiedlichen akustischen<br />

Charakteristiken, wie schon oben ausgeführt, zurückzuführen ist.<br />

In ihrer Zusammenstellung betrachten Ortscheid und Wende [2001] die verfügbaren Forschungsergebnisse<br />

und glauben, dass doch eine Interaktion verschiedener Wirkungseffekte<br />

auf unterschiedlichen Ebenen unterstellt werden könne. Sie sprechen von Summationseffekten<br />

dann, wenn beide Quellen gemeinsam, aber nicht zwangsläufig in gleichem Umfang<br />

einen erheblichen <strong>Teil</strong> der Gesamtbelästigungsreaktion determinieren. Sie bemerken jedoch,<br />

dass noch weitere Untersuchungen notwendig sind, insbesondere zur Frage der subjektiven<br />

Dominanz einer Lärmquelle, aber auch Untersuchungen, die der Frage nachgehen,<br />

ob Bonus-, Malus- und Beurteilungszeiteffekte auch unter Kombinationsbelastung verändert<br />

bzw. vorhanden sind. Sie konstatieren weiterhin, dass es ungeklärt ist, inwieweit<br />

Lärmsituationen, die von zwei Lärmquellen geprägt sind, mit Situationen mit drei und<br />

mehr Quellen prinzipiell vergleichbar sind. Trotz dieser Ansätze muß für Beurteilungs-,<br />

Planungs- und Rechtsfragen festgestellt werden, dass beim heutigen Stand der wissenschaftlichen<br />

Kenntnisse davon auszugehen ist, dass sich der Effekt zweier simultan mit<br />

unterschiedlicher Charakteristik aber gleicher Stärke einwirkender Schallquellen nicht aus<br />

ihren Energieanteilen ableiten ableiten lässt. Eine resultierende auch akustisch quantifizierende<br />

erfassbare Lärmwirkung in Form eines Einzahlwertes lässt sich somit nicht direkt<br />

ableiten.<br />

Gleichwohl ist die Verwendung von Einzahlwerten für die Begründung und Planung von<br />

Maßnahmen zur Lärmminderung von Bedeutung, in dem abhängig vom Belastungspegel<br />

der einzelnen Lärmquellen Prioritäten ermittelt werden können. Wenn beispielsweise die<br />

Fluglärmbelastung und die Straßenverkehrslärmbelastung einen Leq von 62 dB(A) aufweisen,<br />

so ist allein schon durch die Überschreitung des Immissionsgrenzwertes nach der 16.<br />

BImSch VO (59 dB(A)) die Notwendigkeit einer Lärmminderung vorhanden. Gleiches<br />

gilt, wenn der Fluglärmpegel weiterhin 62 dB(A), der Straßenverkehrslärm aber 59 dB(A)<br />

oder weniger beträgt. Sollte der Straßenverkehr also geringer als 59, der Fluglärmpegel<br />

aber mehr als 62 dB(A) sein, so ist auch hier die Empfehlung auszusprechen, Lärmminderungen<br />

auszuführen. Damit lassen sich auch die Verantwortlichkeiten für Lärmminderungen<br />

besser festlegen.<br />

116


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 117<br />

Andere Untersuchungen haben ermittelt, dass bei langjährigen Belastungen durch erhebliche<br />

Pegel keine Gewöhnungen (Habituationen) stattfinden. Wenn die Lästigkeiten wiederholt<br />

erfragt werden, zeigt sich eine gewisse Konstanz in Abhängigkeit vom Pegel ([Haines<br />

et al. 1998] Untersuchungen zu Heathrow). Eine gegenteilige Auffassung vertreten Lercher<br />

und Kofler [1993], die eher einen Anstieg der Belästigung bei fortstehender gleicher<br />

Lärmbelastung annehmen. Hierbei ergibt sich die Frage, ob nicht durch Confounderfaktoren<br />

bzw. durch die intervenierenden Variablen und durch intra-individuelle Entwicklungen<br />

Verstärkungen oder Abschwächungen des Lästigkeitsempfindens vorhanden sind, wie dies<br />

bereits ausgeführt wurde. Dies führt dann auch zu der Frage des so genannten Überschusseffektes<br />

bei Zunahme der Fluglärmbelastung.<br />

7.4 Überschussreaktionen<br />

Bei der Inbetriebnahme neuer Straßen, Autobahnen, Industrieareale, bei der Erweiterung<br />

von Flughäfen o. ä. sind überschiessende Reaktionen nicht auszuschließen. Es wird angenommen,<br />

dass Vorhersagen über neue Lärmquellen Unterschätzungen darstellen, wenn<br />

dabei von Belästigungsgraden ausgegangen wird, die in bisherigen Untersuchungen bei<br />

dauerhaft einer bestimmten Lärmexposition ausgesetzten Personen ermittelt wurden. Diese<br />

Überschussreaktion wird im Laufe der Zeit abgebaut, so dass sich allmählich ein steady<br />

state (Gleichgewicht) einstellt, das der Lärmbelästigung entspricht, die bei dauerhaft anwohnenden<br />

Betroffenen bekannt ist. Griffith und Raw [1989], Kastka et al. [1995], Brown<br />

[1987] sowie Raw und Griffith [1985, 1990] schlagen vor, zwei Aspekte der Adaption<br />

voneinander zu unterscheiden und zwar Änderungen im Copingverhalten und Änderungen<br />

der Empfindlichkeit gegenüber Lärm. Job [1988a] bringt noch weitere Aspekte in die Vorstellung<br />

ein, indem er darauf hinweist, dass die Betroffenen in Befragungen kurz vor und<br />

nach Belastungsänderungen nicht nur darauf reagieren wie sich z. B. die Fluglärmbelastung<br />

ändert, sondern auch darauf, dass der Interviewer die subjektive Wirkung einer Veränderung<br />

abfragt oder dabei mehrfach dieselbe Frage benutzt. Hinzu kommt noch, dass<br />

z. B. bei Lärmminderungsmaßnahmen die betroffenen Personen durch ihre Antwort in ihrer<br />

Befragungssituation dem Verursacher der Lärmminderungsmaßnahme eine gewisse<br />

Dankbarkeit ausdrücken möchten, d. h. den Verursacher für seine Bemühungen belohnen<br />

wollen. Job vermutet deshalb hier eine Veränderung der Einstellung gegenüber der reduzierten<br />

Lärmquelle.<br />

Neuere Ansätze integrieren weitere innerpsychische Aspekte des Belästigungsurteils von<br />

lärmbetroffenen Personen. Horonjeff und Robert [1997] listen eine Reihe von Faktoren<br />

auf, die Einfluss auf das Belästigungsurteil bei veränderten Lärmsituationen nehmen können.<br />

Sie unterscheiden dabei messbare Faktoren von moderierenden Faktoren, die ihrer<br />

Ansicht nach in künftigen Studien zur Lärmwirkung nach Belastungsänderungen stärker<br />

berücksichtigt werden sollten. Zu den messbaren Faktoren gehören: bisherige Lärmsituation,<br />

Ausmaß der bisherigen Belastung, Nachherbelastung, Hintergrundbelastung und die<br />

Zeit nach der Änderung. Zu den moderierenden Faktoren zählen die Autoren Geschwindigkeit<br />

der Änderung, Jahreszeit, Art der Änderung, Wohnort der Befragten, Vorwissen<br />

117


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 118<br />

der Befragten, Dauer der Änderung, wahrgenommenes Bemühen der Verantwortlichen,<br />

Einstellungen in der Gemeinde und Art des <strong>Flughafen</strong>s.<br />

Fields et al. [2000] verweisen zusätzlich darauf, dass Personen möglicherweise kurzfristig<br />

ihre Aufmerksamkeit in die Richtung der neuen oder veränderten Quelle verlagern und<br />

dass im Rahmen solcher Veränderungen die Menschen zu der Erkenntnis kommen, dass<br />

Lärm veränderbar sei und damit auch reduziert werden könne. Im Einklang hiermit konstatieren<br />

Fields et al. [2000] einen Widerspruch zwischen der ursprünglichen Wohnentscheidung<br />

und der zukünftigen Wohnqualität. Die Eigentümer befürchten zum Beispiel hohe<br />

Wertverluste. Lärmempfindliche Personen, die ganz bewusst eine ruhige Lage gewählt<br />

haben, reagieren stärker auf die neue Belastung. Ergänzend diskutieren die Autoren auch,<br />

dass die Publizität einen Einfluss nehmen kann, dass den Betroffenen die Gefährdung erst<br />

durch öffentliche Diskussionen bewusst wird.<br />

Kastka et al. [1998] berichtet in diesem Zusammenhang darüber, dass aktiv in der Lärmbekämpfung<br />

und in Bürgerinitiativen tätige Anwohner stärkere Betroffenheit bekunden, als<br />

nicht aktive Anwohner. Schließlich weisen Fields et al. [1998] sowie Job et al. [1998] auch<br />

noch darauf hin, dass die Änderungen, z. B. <strong>Flughafen</strong>erweiterungen, immer das Ergebnis<br />

von Planungsverhandlungen und Planungsentscheidungen darstellen, so dass bei den betroffenen<br />

Anwohnern sich kein Gefühl von Verbitterung einstellen kann, welches zu erhöhten<br />

Lärmreaktionen führen wird.<br />

Guski [2003] stellt fest, dass zur Frage der Überschussreaktion bei Fluglärmbelastungen<br />

kaum verläßliche Unterlagen vorhanden sind. Gleichwohl verlangt er auch für neue Fluglärmquellen<br />

Zuschläge, weil aus Straßenlärmuntersuchungen bekannt sei, dass diese Überschussreaktion<br />

unterschätzt wird. Hier ist kritisch einzuwenden, dass Oliva [1998] herausfand,<br />

dass sich die Belästigungsqualitäten von Straßen- und Fluglärm stark unterscheiden.<br />

Des Weiteren berichtet Guski über eine Untersuchung von Francois [1991] an neuen Flughäfen,<br />

in der keine Überschusseffekte gefunden wurden, und über eine Untersuchung von<br />

Miyahara [1990], in der festgestellt wurde, dass nach Einrichtung eines neuen <strong>Flughafen</strong>s<br />

im ersten Jahr stärkere Belästigungseffekte auftraten, die aber nach einem Jahr den quasi<br />

stationären Belästigungseffekten entsprachen.<br />

Bei Anlage einer neuen Startbahn sind lediglich Untersuchungsergebnisse aus Vancouver<br />

bekannt geworden [Fidell & Salvati 1998], wonach bei einer Steigerung der Belastung eine<br />

Belästigungszunahme beobachtet wurde, die allerdings noch im Streubereich der ursprünglichen<br />

Belastung lag. Der Nachteil dieser Untersuchung liegt darin, dass es für die Belastungsänderungen<br />

keine Kontrollgruppe gab. Die Überschussreaktionen waren weder konstant<br />

noch vom absoluten Pegel abhängig, sondern linear von der relativen Zunahme des<br />

Pegels. Die Belästigungsänderung pro 1 dB(A) entsprach einer tatsächlichen Zunahme von<br />

6 % Belästigter. Obwohl aus dieser Untersuchung auf die Dauer der Zuschläge nicht geschlossen<br />

werden kann, empfiehlt Guski, dass mindestens für die Dauer von 10 Jahren eine<br />

Belästigungszunahme angenommen werden muss.<br />

118


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 119<br />

Abschließend bleibt festzuhalten, dass zur Problematik sich ändernder Lärmsituationen<br />

eine Vielzahl von Hypothesen aufgestellt wurde, dass deren systematische Überprüfung<br />

aber noch aussteht. Bisher sind viel zu wenige empirisch gesicherte Daten vorhanden, um<br />

Spezifika des Überschusseffektes genau beziffern und prognostizieren zu können. Es reicht<br />

nicht aus festzustellen, dass nach sprunghafter Änderung der akustischen Situation die Belästigung<br />

sich anders entwickelt, als es auf Grund der bekannten Dosis-Wirkungsbeziehung<br />

zu erwarten gewesen wäre. Daher hat die zukünftige Forschung die Aufgabe, mindestens<br />

festzustellen, welcher Belästigungsgrad für diesen Effekt angenommen werden kann,<br />

wie dessen zeitliche Entwicklung aussieht und welche moderierenden Größen mit welchem<br />

Betrag am Zustandekommen des Effektes beteiligt sind. Solange dies alles nicht geklärt ist,<br />

gibt es keine Alternative, die verlässlich zum Vorgehen nach dem 'State of the Art', nämlich<br />

der Ermittlung von Grenzwerten auf Grund bekannter Dosis-Wirkungsbeziehungen,<br />

Gültigkeit hat.<br />

Zusammenfassend lässt sich ein Malus aufgrund von Überschussreaktionen gegenwärtig<br />

wissenschaftlich nicht stützen. Es fehlen die Maßstäbe, die erst durch Langzeituntersuchungen<br />

zu erbringen sind. Die größenmäßige Festsetzung eines solchen Malus wäre dann<br />

in die – stark vereinfacht gesagt – Willkür der Entscheidungen setzenden Institutionen gelegt.<br />

Es wäre sicherlich realitätsgerecht, wenn man zukünftige Besiedlungen in der Nähe<br />

neu geschaffener Lärmquellen möglichst weit unterhalb der präventiven Werte festlegt und<br />

bei neu Betroffenen ausreichend hohe Lärmminderungsmaßnahmen durchgeführt werden<br />

würden.<br />

7.5 Belastungshäufigkeit und Lästigkeit<br />

Nachdem weiter oben ausgeführt wurde, dass Grade der Belästigungen anhand von Mittelungspegeln<br />

(Leq 3, Tag) eine hinreichend gute Abschätzung zulassen, sollte daran erinnert<br />

werden, dass vor nicht all zu langer Zeit andere Bewertungsmaße angewandt wurden und<br />

zum <strong>Teil</strong> auch heute noch bei besonderen Bedingungen bevorzugt angewandt werden. Hier<br />

ist in erster Linie der 'Noise and Number Index' (NNI) zu nennen, der lange Jahre in der<br />

Schweiz zur Beurteilung von Fluglärmwirkungen verwandt wurde. Es wurde schon darauf<br />

hingewiesen, dass bei den Belästigungsuntersuchungen in der Nähe der Flughäfen Genf<br />

und Zürich durch Oliva ein Vergleich zwischen 1971 und 1991 durchgeführt wurde. Während<br />

1971 noch der NNI zur Anwendung gelangte, wurde in 1991 die Belastungsmessung<br />

mit dem Leq bestimmt. Der NNI ist jedoch mit dem Leq durch einen hohen Korrelations-<br />

Koeffizienten verbunden (0,95), so dass es durchaus gerechtfertigt ist, die bei diesen Belastungen<br />

erhobenen Befunde miteinander zu vergleichen.<br />

Wie der Name schon sagt, werden im NNI die Häufigkeiten und die Maximalpegel zu einem<br />

Einzahlwert zusammengezogen, während beim Mittelungspegel Leq noch die Dauer<br />

der Einzelereignisse in die Berechnungsgröße Eingang finden.<br />

Durch Kastka [1999a, b] ist vor nicht all zu langer Zeit beobachtet worden, dass Belästigungen<br />

immer dann auftreten, wenn bestimmte kritische Pegel überschritten werden. Er<br />

119


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 120<br />

fand heraus, dass Lästigkeit bei allen Geräuschen mit Maximalpegeln über 70 dB(A) auftrat.<br />

Er nannte das Kriterium NAT70 (NAT = Number of events above threshold). Der<br />

Störschwellenwert von 70 dB(A) wurde durch Laborexperimente, aber auch aus empirischen<br />

Daten von Anwohnern des Düsseldorfer <strong>Flughafen</strong>s ermittelt. Ein ähnliches Belastungsmaß<br />

wurde bereits 1990 in Schweden entwickelt [Björkmann et al. 1992]. In früheren<br />

Untersuchungen wurde bereits in den 70er Jahren von Rylander darauf hingewiesen, dass<br />

die Anzahl der Überschreitungen bestimmter mittellauter Pegel die Belästigung hervorrufe,<br />

dass aber bei Überschreiten einer kritischen Zahl der Häufigkeit keine weitere Steigerung<br />

des Belästigungsempfindens mehr verzeichnet wurde.<br />

Die von Kastka [1999a, b] ermittelten Ergebnisse berücksichtigen die belästigten Personen<br />

für den Tag (16 h, 60 Ereignisse > 70 dB(A)) und für die Nacht (8 h, 8 Ereignisse > 70<br />

dB(A)). Wie aus den Untersuchungsergebnissen von Kastka [1999a, b] hervorgeht, gibt es<br />

keine wesentlichen Unterschiede zwischen NAT70 und dem Leq 3 Tag bezüglich der Vorhersagekraft<br />

für Belästigungswerte der Bevölkerung. Dies liegt vermutlich darin begründet,<br />

dass gerade bei einer großen Anzahl von Flugbewegungen auch im Leq die Anzahl der<br />

Ereignisse reflektiert wird. Vorteile hat der NAT70 Wert dann, wenn die Anzahl der Ereignisse<br />

relativ gering ist, aber auf Grund besonderer situativer Bedingungen, z. B. nachts,<br />

die Ereignisse ein hohes Störpotenzial haben. In solchen Fällen wird die Belästigung der<br />

Bevölkerung durch einen Mittelungspegel, wie den Leq, tendenziell unterschätzt.<br />

Ein anderer Anwendungsfall für das Belastungsmaß NAT70 wäre in Wohngebieten sinnvoll,<br />

wenn diese unregelmäßig belastet werden oder aber wenn es sich bei einer Wohnsituation<br />

um einen selten genutzten Flugpfad handelt, bei dem durch epidemiologische Untersuchungen<br />

hohe Belästigungswerte ermittelt wurden. Der Leq unterschätzt in diesen Fällen<br />

meist die echte Belästigung der Betroffenen.<br />

7.6 Tageszeitliche Gewichtung des Lärms<br />

Durch empirische Befunde bei Untersuchungen zur Belästigung durch Fluglärm wird immer<br />

wieder festgestellt, dass es tageszeitabhängige Belästigungen gibt. In einer Reihe früherer<br />

Untersuchungen wurde dies schon erkannt, so hat Fields [1990] in einer Meta-<br />

Analyse die Bedeutung von Lärm unterschiedlicher Quellen, darunter auch Fluglärm, zu<br />

verschiedenen Tageszeiten ermittelt. Obwohl die Lärmbelästigung abends oder nachts im<br />

allgemeinen größer war, ließen die von ihm berücksichtigten Daten keine validen auf die<br />

Tageszeit bezogenen Dosis-Wirkungsbeziehungen zwischen der Lärmbelästigung und<br />

akustischen Belastungsparametern, z. B. dem LDN zu. Diese und weitere Untersuchungen<br />

[Kastka 1999a, b] stützen die Notwendigkeit, Tag- und Nachtbelastungen getrennt und<br />

unterschiedlich zu beurteilen. Insofern erlaubt kein über 24 Stunden errechneter Mittelungspegel<br />

eine realitätsgerechte Beurteilung der Lärmwirkungen (vgl. Kap. 10.1.9). Daher<br />

ist aus Sicht der Lärmwirkungsforschung die Verwendung des LDN entsprechend der EG-<br />

Richtlinie zur Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm [Irmer 2002] nicht zu<br />

unterstützen. Bisherige Ergebnisse der Lärmwirkungsforschung beruhen überwiegend auf<br />

anderen Belastungsgrößen.<br />

120


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 121<br />

In jüngerer Zeit werden Untersuchungsergebnisse von Felscher-Suhr et al. [1996], Höger<br />

et al. [2002] und Schreckenberg et al. [1999] vorgestellt, die auf eine höhere Belästigung in<br />

den Abendstunden, aber auch nachts, hinweisen. Es zeigte sich [Schreckenberg et al.<br />

1999], dass in der Zeit zwischen 19 und 22 Uhr die häufigsten Nennungen über Fluglärmbelastungen<br />

auftraten. Felscher-Suhr et al. [1996] fanden heraus, dass besonders sensible<br />

Tageszeiten werktags zwischen 11 und 12 Uhr liegen. An Wochenenden waren zusätzlich<br />

zu diesen Zeiten schon um 15 Uhr und gegen 19 Uhr besondere Gesamtgestörtheiten zu<br />

ermitteln. In einer Untersuchung von Schreckenberg et al. [1999] in Esslingen bzgl. der<br />

Tageszeiten, in denen Fluglärm besonders lästig ist, wurden die Zeiten zwischen 19 und 20<br />

Uhr sowie zwischen 6 und 9 Uhr morgens genannt.<br />

Es wurde bei diesen Untersuchungen nicht ausdrücklich nach tageszeitbezogener Belästigung<br />

oder Gestörtheit gefragt, es ist jedoch plausibel anzunehmen, dass der Lärm zu den<br />

Zeiten, zu denen er besonders wahrgenommen wird, auch als belästigend oder auch störend<br />

erlebt wird. Die Interpretation solcher Daten ist allerdings erschwert, weil keine Angaben<br />

über die Höhe der akustischen Belastungen vorliegen. Somit kann letztendlich nicht geklärt<br />

werden, ob die besondere Wahrnehmung des Lärms aus einer tatsächlich stärkeren Belastung<br />

resultiert oder ob es sich um Tageszeiten handelt, in denen die Betroffenen einen besonderen<br />

Anspruch auf Ruhe haben und sensibler auf den Lärm reagieren. So verwundert<br />

auch nicht, dass die oben zitierten Untersuchungen von Felscher-Suhr mit der Erfassung<br />

von Alltagstätigkeiten und deren Störungen durch Umweltlärm (Straßenverkehr und Fluglärm)<br />

einen differenzierten tageszeitlichen Verlauf der Gesamtgestörtheit von Anwohnern<br />

des Düsseldorfer <strong>Flughafen</strong>s erkennen lässt. Hiernach gäbe es 3 Zeitabschnitte, die als besonders<br />

belastend durch Fluglärm empfunden werden. 11 Uhr, 16 Uhr und 19 Uhr am<br />

Werktag sowie 11-12 Uhr, 15 Uhr und 19 Uhr am Wochenende. Die in der VDI 2058 Blatt<br />

1 und auch in anderen Regelwerken [TA - Lärm, DIN 45633] eingeführten Tagesrandzeiten<br />

von 6-7 und 19-22 Uhr werden mit einem Zuschlag bedacht. Sie finden durch diese<br />

oben genannten Untersuchungen eine, wenn auch noch nicht ausreichende Unterstützung.<br />

7.7 Lärm und Leistung<br />

Die durch Kommunikationsstörungen und Lästigkeitsempfindungen hervorgerufenen Beeinflussungen<br />

der Leistungsparameter sind in der psychologischen Literatur mehrfach dargestellt<br />

worden. Aus einem Überblick über die vorliegenden Untersuchungen ergeben sich<br />

folgende Funktionsbereiche, die durch Lärm beeinflusst werden können:<br />

− Vigilanz und selektive Aufmerksamkeit<br />

− Lesen<br />

− Gedächtnis<br />

− Komplexe Informationsverarbeitung (z. B. Rechnen)<br />

− Sensumotorische Steuerung.<br />

121


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 122<br />

Sowohl bei Alltagsaktivitäten als auch bei beruflichen Tätigkeiten finden sich in diesen<br />

Funktionsbereichen bei Lärmbelastungen Leistungsänderungen. Jede anspruchsvolle Tätigkeit<br />

ist mit Konzentration auf die wesentlichen Informationen verbunden.<br />

Wissensbestände müssen in der Regel aus dem Gedächtnis abgerufen und mit der Arbeitsaufgabe<br />

verknüpft werden, um zu einem angemessenen und fehlerfreien Resultat zu<br />

gelangen. Dies gilt sowohl für Kranführer auf Baustellen, als auch für Speditionskaufleute<br />

in Büros sowie für Schüler im Unterricht.<br />

Erklärungsansätze und Modelle zur Wirkung von Lärm auf Arbeitstätigkeiten lassen sich<br />

in drei Gruppen gliedern:<br />

− Belastungs - und Beanspruchungskonzepte (Stress und Strain)<br />

− Aktivierungstheorien<br />

− Kognitionspsychologische Reizverarbeitungsmodelle<br />

Aus der Arbeitsphysiologie [Rohmert & Rutenfranz 1975] stammt das Belastungs-Beanspruchungskonzept,<br />

wobei die mentalen bzw. energetischen Ressourcen, die zur Bewältigung<br />

einer Arbeitsaufgabe zur Verfügung stehen, fokussiert werden. Eng verwandt mit<br />

dem Belastungs-Beanspruchungskonzept ist die sog. 'mental load' [Broadbent 1971]. Hier<br />

wird von einer beschränkten Informationsverarbeitungskapazität des Menschen ausgegangen,<br />

die bereits bei Prozessen der Informationsaufnahme eine Rolle spielt. Bei einer informationsreichen<br />

Belastung des mentalen Systems kommt es zu Qualitätsverlusten in der<br />

Arbeitsausführung (Leistung) durch subjektiv erlebten Stress.<br />

Die Zusammenhänge zwischen Lärm und Leistung lassen sich auch durch Aktivierungs-<br />

Theorien erklären [Schönpflug 1987]. Es handelt sich dabei um psycho-physiologische<br />

Konzepte, bei denen davon ausgegangen wird, dass bei Reizung des auditiven Systems,<br />

beispielsweise durch Fluglärm, neben den spezifischen kortikalen Antworten auch unspezifische<br />

Aktivierungen der Großhirnrinde auftreten, die zunächst das mentale System in eine<br />

erhöhte Reaktionsbereitschaft versetzen. Bei Steigerung der Reizung (höhere Belastungspegel)<br />

kommt es dann zu einer Überaktivierung, die mit einer Desintegration aller Prozesse<br />

einhergeht. Zwischen Aktivierung und Leistung besteht dabei ein umgekehrt u-förmiger<br />

Zusammenhang. Sowohl ein zu geringes als auch ein zu hohes Aktivierungsniveau führen<br />

zu eingeschränkten Leistungsergebnissen. Optimale Leistungen werden bei einem mittleren<br />

Aktivierungsniveau erzielt.<br />

Die kognitionspsychologischen Reizverarbeitungsmodelle versuchen den Wirkort von<br />

Störgeräuschen im mentalen Informationsverarbeitungssystem genauer einzukreisen [Jones<br />

1994, Höger 1998]. Die beobachteten Leistungsminderungen sind vornehmlich funktionsspezifisch<br />

im Arbeitsgedächtnis und im Langzeitgedächtnis zu finden. Im Zusammenhang<br />

mit diesen Erklärungsansätzen sind in Zukunft aufgrund der schnellen Fortschritte der Kognitionswissenschaften<br />

aussagekräftigere Einsichten in die Wirkmechanismen über den<br />

Einfluss von Lärm auf verschiedene kognitive Funktionsbereiche zu erwarten.<br />

122


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 123<br />

In der öffentlichen Diskussion stehen insbesondere Beeinflussungen der Entwicklung von<br />

Kindern hinsichtlich des Leistungsverhaltens, z. B. in der Schule, im Vordergrund. Es<br />

werden Berichte vorgelegt, die Verschlechterungen der kognitiven Leistungen des Langzeitgedächtnisses,<br />

des Lernens, der Sprachwahrnehmung und des Spracherwerbs, aufweisen<br />

[Cohen et al. 1980, 1986, Bullinger & Barner 1997, Hygge et al. 1996].<br />

Beim Vergleich der kindlichen Schulentwicklung zeigte sich in einem natürlichen Experiment<br />

in der Umgebung des neuen <strong>Flughafen</strong>s München, dass sich die Leistungen der<br />

Schulkinder allmählich verschlechterten, während sie sich im Einzugsgebiet des alten,<br />

stillgelegten <strong>Flughafen</strong>s München-Riem wieder verbesserten. Neben den Motivationsdefiziten<br />

zeigten sich auch Motivationsänderungen (gelernte Hilflosigkeit), insbesondere auch<br />

im Bereich der kognitiven Bewältigungsstrategien. Die wissenschaftlichen Berichte sind<br />

hinsichtlich ihrer Schlussfolgerungen für Allgemeingültigkeit sehr vorsichtig zu deuten,<br />

eine Vorsicht, die auch bei allen Verantwortlichen walten sollte, dass sie trotz der Ergebnisse<br />

dieser isolierten Untersuchungen mit allgemeinen Schlussfolgerungen vorsichtig umgehen<br />

und nicht pauschal oder kumulativ Fluglärmbelastung und Hemmung der kindlichen<br />

Entwicklung und des Leistungsverhaltens gleichsetzen. Es empfiehlt sich um so mehr als<br />

Bullinger und Barner [1997] zum Einfluss wahrgenommener Umweltbedingungen der subjektiven<br />

Gesundheit feststellen, dass die Effekte der Lärmwirkung im Bezug auf die subjektive<br />

Gesundheit geringer ausgefallen sind, als ursprünglich angenommen wurde. Sie<br />

schreiben (Seite 96): '... bei Kindern, denen generell eine Robustheit im Bereich Befinden<br />

und Funktionsfähigkeit attestiert wird, ist noch nicht klar, ob die berichtete geringe Einschätzung<br />

(der Störung der Gesundheit) durch spezifische kindliche Konzepte zu Gesundheit<br />

und Krankheit oder durch eine mangelnde Zuverlässigkeit der Kinderangaben bedingt<br />

sein können.' An anderer Stelle heißt es: 'Bei den Kindern ergab sich ganz ähnlich wie bei<br />

den Erwachsenen eine Störung durch Umweltfaktoren, wie Autolärm, Abgase, unfreundliche<br />

Nachbarn und Fluglärm. Hier gaben die Kinder weniger Störungen als Erwachsene an.<br />

Die Lebensqualität der Kinder zeigte in den Dimensionen 'allgemeine Gesundheit', 'Vitalität<br />

und Lebenszufriedenheit' Unterschiede zwischen Stadt und Land, nicht aber zwischen<br />

den exponierten und nichtexponierten Gebieten.'<br />

Mit den Erinnerungsleistungen fluglärmexponierter Kinder im Rahmen einer medizinisch<br />

psychologischen Längsschnittstudie beschäftigt sich auch Meis [1998]. In einer umfangreichen<br />

Monographie zur Wirkung von Lärm auf das Gedächtnis kommt er zu der Auffassung,<br />

dass sowohl im Längsschnitt als auch im Querschnitt die Exposition durch chronischen<br />

Fluglärm keine Nachwirkungen auf die Leistungen des Arbeitsgedächtnisses in der<br />

Verarbeitungsgeschwindigkeit oder in der Gesamtspeicherkapazität aufgetreten sind. Auch<br />

erbrachten regressionsanalytische Auswertungen zur Prüfung von Mediatoreffekten zur<br />

körperlichen Aktivierung (Cortisolsekretion bei der Wahrnehmung) und zur psychischen<br />

Verfassung auf Motivation, keine Hinweise zur Erklärung der beobachteten unterschiedlichen<br />

Gedächtnisleistungen. Diskontinuierlicher Lärm behindert aber die kognitiven Ressourcen,<br />

die sich mit denen zur Bearbeitung von Gedächtnisaufgaben überschneiden. Meis<br />

sieht zwar eine Reversibilität der Effekte, jedoch ermittelt er, dass die Leistungsverschlechterung<br />

erst mit einer Verzögerung von 1,5 Jahren nach Inbetriebnahme des neuen<br />

123


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 124<br />

<strong>Flughafen</strong>s München nachweisbar waren. Da die beobachteten Leistungsverschlechterungen<br />

nicht durchgängig bei allen Kindern zu sehen sind, ist daran zu denken, dass bei einem<br />

nicht unerheblichen Prozentsatz der Betroffenen und Belasteten besondere Bewältigungsstrategien<br />

entwickelt worden sind, um mit der Belastungssituation fertig zu werden. Dies<br />

wirft natürlich die Frage auf, ob hier nicht langfristig durch Adaptations- und Bewältigungsleistungen<br />

sog. 'psychische Kosten' entstehen, die sich erst in langen Jahren bemerkbar<br />

machen könnten. Ein Aspekt, der schon 1972 von Glas und Singer aufgezeigt wurde,<br />

der aber bis heute nicht beantwortet wurde und möglicherweise auch nicht beantwortet<br />

werden kann.<br />

In diesem Zusammenhang ist die Frage zu stellen, ob nicht auch andere Faktoren als der<br />

Flug- oder Verkehrslärm für die Leistungsbeeinflussungen verantwortlich sind. Es ist bekannt,<br />

dass in Schulen und Kindergärten teilweise erheblich höhere Schallpegel vorhanden<br />

sind, worauf Houché [1996] und Schick et al. [1999] ausdrücklich hingewiesen haben. Aus<br />

internationalen Studien werden Mittelungspegel in Pausen über 70 dB(A) mit Einzelereignissen<br />

bis zu 100 dB(A) angegeben. Es liegen Messungen vor, dass während des Unterrichts<br />

mittlere Störschallpegel von 55 bis 65 dB(A) in Berufschulen und um 58 dB(A) in<br />

Grundschulen vorhanden sind [Knothe et al. 1988, Schick et al. 2003].<br />

In Büroräumen mit Publikumsverkehr wurden 64 bis 67 dB(A) (Mittelungspegel) gemessen<br />

[Tubbs & Seitz 2000]. Smith und Jones [1992] fanden heraus, dass einfache und monotone<br />

Routineaufgaben selbst bei Maximalpegeln von 95 dB(A) nicht behindert werden. Bei<br />

komplexen Aufgaben mit Sprachverarbeitungsprozessen im Arbeitsgedächtnis sind Beeinträchtigungen<br />

bereits bei Maximalpegeln von 70 bis 80 dB(A) zu verzeichnen. Als besonders<br />

auffällig erwies sich, dass das phonologische Kurzzeitgedächtnis besonders bei<br />

sprachhaltigen Hintergrundgeräuschen gestört ist. Dies zeigt sich bereits bei 45 dB(A) (zitiert<br />

bei Schick et al. [1999]). Überhaupt spielen sowohl die Art als auch der Informationsgehalt<br />

des Lärms eine wichtige Rolle. Kontinuierlicher Dauerschall führt zu weniger Störungen<br />

als intermittierter Schall. Ersterer kann sogar aufgrund seines Maskierungseffektes<br />

die Leistung verbessern. Bei Fluglärm handelt es sich immer um intermittierten Lärm, so<br />

dass er hinsichtlich der Leistungsbeeinflussung negativer einzustufen ist, als kontinuierlicher<br />

Lärm.<br />

Sehr schwierig ist es nachzuweisen, ob Adaptionsleistungen Auswirkungen auf das Sozialverhalten<br />

oder auf die emotionale Stabilität haben. Eine Reihe von Labor- und Felduntersuchungen<br />

lässt daran denken, dass die Hilfsbereitschaft in Lärmsituationen nachlässt [Page<br />

1977, Cohen 1986]. Diese Autoren berichteten, dass bei Lärmbelasteten die Sozialkontakte<br />

in der Nachbarschaft sich verringerten, dass auch die Einschätzung von Mitmenschen<br />

sich änderte, dass Nervosität leicht in Aggression umschlagen kann und komplexe und<br />

soziale Geschehnisse schlechter beurteilt werden, als sie tatsächlich sind.<br />

Alle diese Überlegungen und Ergebnisse der unterschiedlichen Autoren zeugen davon,<br />

dass das komplexe Beziehungsgefüge von Belästigung, physiologischen Reaktionen,<br />

Lärmbewältigung, Adaption und langfristigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bisher<br />

nur bruchstückhaft erforscht worden ist.<br />

124


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 125<br />

Unabhängig von dieser Lückenhaftigkeit sollte aber versucht werden, alle diese negativen<br />

Einflüsse dadurch zu verhindern, dass nicht nur in Wohnungen und in Schlafräumen, sondern<br />

auch in Schulräumen garantiert wird, dass sowohl die Eckwerte, die für Kommunikation<br />

als auch für Schlafstörungen aufgestellt worden sind, eingehalten werden.<br />

Für eine Ermittlung von Grenzwerten fehlen allerdings exakte Dosis-Wirkungsstudien, in<br />

denen der Pegel kontinuierlich oder zumindest in mehr als zwei oder drei Stufen variiert<br />

wird. In der Mehrzahl der Laborstudien gelangten relativ hohe Pegel, Innenraumpegel zum<br />

<strong>Teil</strong> über 80 dB(A), zum Einsatz, um zunächst grundsätzlich den Einfluss von Lärm auf<br />

mentale Prozesse nachzuweisen. Ein kritischer Schwellenwert, von dem an mentale Leistungsminderungen<br />

zu erwarten sind, lässt sich aus diesen Studien aber nicht ableiten. Insofern<br />

besteht in diesem Bereich noch erheblicher Forschungsbedarf. Erste Anhaltspunkte<br />

liefern hier Feldstudien zu den Auswirkungen von Fluglärm auf das mentale Leistungsniveau<br />

von Schulkindern, die oben schon beschrieben wurden. Diese Studien zeigen bei Leq<br />

= 65 dB(A) signifikante Leistungsminderungen in mehreren Funktionsbereichen.<br />

7.8 Einflussfaktoren auf akute und chronische Lärmwirkungen<br />

Bei den bisherigen Argumentationen wurde immer wieder auf die Uneinheitlichkeit wissenschaftlicher<br />

Ergebnisse bei der Untersuchung von Lärmwirkungen auf Gesundheitszustände<br />

hingewiesen und die Komplexität und Multikausalität der diskutierten Effekte von<br />

Lärm zum Ausdruck gebracht. Auf noch vorhandenen Forschungsbedarf wurde hingewiesen,<br />

deshalb sollte noch einmal zur Verdeutlichung dargestellt werden, welche möglichen<br />

Einflussfaktoren auf die gesundheitliche und psychische Wirkung von Lärm bekannt sind.<br />

Die Widerstandsfähigkeit und Empfindlichkeit gegenüber Lärmeinwirkungen ist von Individuum<br />

zu Individuum stark unterschiedlich. Aber auch bei dem Einzelnen ändert sie sich<br />

in Abhängigkeit von seinem aktuellen Zustand sowie von den Umgebungsbedingungen.<br />

Die Bewältigung von Lärmbelastungen hängt von vielen Faktoren ab. Das erschwert allgemein<br />

gültige Regelungen für Grenzwerte von Lärm festzulegen und fokussiert die Diskussion<br />

um Lärm. Es ist Aufgabe der Gesellschaft und ihrer Gesetzgebung zu definieren,<br />

welche Beeinträchtigungen, Störungen oder auch Gefährdungen noch zu tolerieren sind<br />

und welche nicht mehr hingenommen werden können. Ein Nullrisiko lässt sich in der Praxis<br />

nicht realisieren. Da der Begriff 'Grenzwert' juristisch und auch verwaltungstechnisch<br />

eine völlig andere Bedeutung hat, als im medizinisch-psychologischen Bereich, sollte dieser<br />

Begriff bei medizinischen Beurteilungen vermieden werden. Er kann ersetzt werden<br />

durch den Ausdruck kritischer Toleranzwert, bei dem Gefährdungen der menschlichen<br />

Gesundheit anzunehmen sind. Um jedoch diesen Gefährdungswert sicher einzuhalten, sollten<br />

stets darunter liegende präventive Richtwerte eingeführt werden, die grundsätzlich für<br />

Maßnahmen der Lärmminderung organisatorischer, technischer oder sonstiger Art gelten<br />

sollen.<br />

In der wissenschaftlichen Literatur werden eine Vielzahl akustischer und nicht akustischer<br />

Einflussfaktoren auf die Lärmwirkung diskutiert, teilweise auch mit widersprüchlichen<br />

125


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 126<br />

Ergebnissen. Wesentliche Einflussfaktoren wurden in Tabelle 7.1 dargestellt. Diese Einflussfaktoren<br />

sind sowohl unter dem Gesichtspunkt der physiologischen, psychologischen<br />

als auch der pathologischen Lärmwirkungen zu sehen. Es erübrigt sich, diese einzelnen<br />

Faktoren gesondert zu diskutieren. Auf einige der Faktoren wurde bereits bei der Besprechung<br />

in den einzelnen Kapiteln hingewiesen.<br />

Die bisherigen Ergebnisse aus Labor- und Felduntersuchungen zu Beziehungen zwischen<br />

Schallereignissen und Belästigungserleben streuen stark. Vor allem deshalb, weil Untersuchungen<br />

aus dem Labor unter standardisierten und kontrollierten Bedingungen durchgeführt<br />

werden. Sie sind aber meist nicht auf die reale Lebenssituation zu übertragen [vgl.<br />

Pearsons et al. 1990, 1998]. Im Allgemeinen darf als Folgerung aus den bisher vorgelegten<br />

Arbeiten, die das Verhältnis von Labor- und Felduntersuchungen zum Gegenstand haben,<br />

gefolgert werden, dass Laborsituationen allgemein als stärker belästigend erlebt werden<br />

und deshalb auch zu stärkeren körperlichen Reaktionen führen.<br />

Wie bereits dargestellt, zeigen vereinzelte Studien, dass es bei Veränderungen der Lärmsituation<br />

vorübergehend zu einer verstärkten Wirksamkeit des Lärms kommen kann. Dies<br />

betrifft sowohl die Schlafstörungen als auch die extra-auralen psycho-physiologischen Bereiche.<br />

Zieht jemand aus einer lärmbelasteten Gegend in einen ruhigeren Wohnbereich um,<br />

können ähnliche Symptome auftreten, wie umgekehrt. Im Allgemeinen erfolgt jedoch eine<br />

schnelle Gewöhnung an die neue Situation.<br />

Eine Zusammenstellung der diskutierten Einflußfaktoren auf die Größe, die Art und den<br />

Umfang der Lärmwirkungen hat somit 2 Gruppen von Faktoren zu unterscheiden: schallgebundene<br />

und nichtakustische Faktoren. Dies ist in Tabelle 7.1 ausgeführt.<br />

Wie die Diskussionen zeigen, lassen sich die schallgebundenen Faktoren eindeutig erfassen<br />

und bestimmen. Ihre korrelativen Zusammenhänge mit den Wirkungen lassen sich aber<br />

nur für wenige Parameter in akuten Fällen darstellen. Sie korrelieren am ehesten noch mit<br />

physiologischen Parametern wie 'periphere Durchblutung' oder mit hormonalen Änderungen.<br />

Auch die 'globale Belästigung' [DFG 1974] ist mit den schallgebundenen Faktoren<br />

noch korrelativ verbunden, allerdings erklärt sich die Varianz dieser globalen Belästigung<br />

nur zu einem Drittel durch diese schallgebundenen Faktoren. Dies bedeutet, dass der Fluglärm<br />

dann immer Belästigungen hervorruft, wenn überwiegend (zwei Drittel) andere Einflussparameter<br />

noch vorhanden sind. Sie beeinflussen die Verarbeitungen von Schallreizen<br />

und die Bewältigungen der langfristigen Lärmbelastungen. Gestützt durch epidemiologische<br />

Untersuchungsergebnisse können die Zusammenhänge und möglichen Verursachungen<br />

durch Fluglärm plausibel erklärt werden.<br />

126


Kapitel 7: Belästigung, Störung und Leistungsbeeinflussung durch Lärm 127<br />

Tab. 7.1: Auswahl diskutierter Einflussfaktoren auf Lärmwirkungen<br />

Schallgebundene Faktoren<br />

hFrequenzzusammensetzung und -modulationen<br />

hLautstärke, Schalldruck<br />

hImpulshaltigkeit/Anstiegssteilheit<br />

hzeitliche Faktoren der Einwirkung<br />

− Expositionsdauer/Lärmpause<br />

− zeitliche Abfolge (rhythmisch oder stochastisch)<br />

hPegelschwankungen zwischen Grund- und Maximalpegel (Modulationstiefe)<br />

Nichtakustische Faktoren<br />

hVorerfahrung mit dem betreffenden Geräusch<br />

hWissen um die Vermeidbarkeit des Lärms<br />

hindividuelle Geräuschempfindlichkeit<br />

hpositive/negative Einstellung zur Schallquelle (emotionale Wertigkeit)<br />

hInformationsgehalt des Schalles<br />

hAktuelle Situation der Person<br />

− Gesundheitszustand<br />

− Interferenz mit beabsichtigten Tätigkeiten<br />

− Einstellung und Motivation zur gegenwärtigen Tätigkeit<br />

− physische und psychische Verfassung<br />

− aktuelle Informationsverarbeitungsanforderung<br />

hHabituelle Situation der Person<br />

− Alter<br />

− sozioökonomischer Status<br />

− Bildung<br />

− Hauseigentümer im lärmbetroffenen Gebiet<br />

− Sichtkontakt zur Lärmquelle<br />

− Geschlecht<br />

hGewöhnung<br />

127


8 Lärm und Krankheit<br />

8.1 Aurale Lärmschäden<br />

128<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 128<br />

8.1.1 Hörschäden durch hochdynamische und hochintensive Schalle<br />

Eine den Lidern entsprechende Schutzeinrichtung besitzt das Ohr auch bei voll funktionsfähigen<br />

Innenohrmuskeln nicht. Diese können zwar für einen gewissen Schallschutzreflex<br />

Sorge tragen, reagieren jedoch bei den immer häufiger in der Umwelt auftretenden hochdynamischen<br />

Schallereignissen viel zu träge und auch zu schwach ( 15 dB) [Dieroff<br />

1994, Spreng 1994b]. Außerdem ist dieser Schallschutzreflex oberhalb von Frequenzen um<br />

2 000 Hz unwirksam [Zakrisson 1975] und zeigt bei kontinuierlich lauten Schallen eine<br />

starke Adaptation [Kerry et al. 1998], verbunden mit Wirkungsminderung, so dass der an<br />

sich geringe schadensmindernde Einfluss des Stapediusreflexes bei andauerndem Lärm<br />

insgesamt als vernachlässigbar angesehen wird [Dieroff 1994].<br />

Infolge der extrem hohen Empfindlichkeit unseres Gehörs – die zu seiner Schwellenerregung<br />

notwendige Energie kann noch um eine Zehnerpotenz niedriger liegen als für das<br />

Auge – und dieser mangelnden Schutzfähigkeit, ist das Ohr durch größere Schallstärken<br />

relativ leicht verletzlich. Dabei sind neben der Stärke und der Frequenzzusammensetzung<br />

des Schalls, seine Dynamik, also seine Anstiegszeit, und seine Dauer von entscheidender<br />

Bedeutung. Dabei können intensiv einwirkende Schallwechseldrücke und hochdynamische/impulsive<br />

Schalle mit hohen Intensitätsspitzen besonders empfindliche <strong>Teil</strong>e des Ohres<br />

auch bei einmaliger Einwirkung zerstören.<br />

Lärmschwerhörigkeit als Folge derartiger Zerstörungen ist die einzige monokausal durch<br />

Lärm verursachte Erkrankung, die sich – innerhalb einer größeren Population betrachtet –<br />

um so schneller entwickelt, je höher der äquivalente Dauerschallpegel ist, und je länger die<br />

tägliche Einwirkung andauert. Zur Entstehung von Lärmschwerhörigkeit tragen auch mangelnde<br />

Erholungszeiten des Hörorgans bei (Faustregel: Mindestens gleiche Erholungszeit<br />

wie Expositionszeit bei Pegeln von 90 dB(A) und höher). Liegen diese nicht vor, dann geht<br />

bei jahrzehntelanger Belastung die unmittelbar beobachtbare zeitliche Vertäubung (Hörermüdung)<br />

allmählich in eine permanente Vertäubung über [Griefahn et al. 2001a, Scheuch<br />

& Jansen 2001]. In einer Reihe von Fällen kann es nach starker, hochdynamischer Schalleinwirkung<br />

zu zeitweiligen, aber auch quälend bleibenden Ohrgeräuschen (Tinnitus)<br />

kommen, zu deren Entstehung auch zusätzliche Ursachen (z. B. Sauerstoffmangel, Stress)<br />

beitragen [Feldmann 1998].<br />

Die besonders empfindlichen und damit auch verletzlichen Stellen des Ohres finden sich<br />

fast ausschließlich im flüssigkeitsgefüllten Innenohr, in der sog. Ohrschnecke. Das dort<br />

befindliche Cortische Organ trägt die Sinneszellen, die sog. Haarzellen, welche gegenüber<br />

mechanischen Bewegungen höchstempfindliche feinste, haarförmige Eiweißfortsätze, die<br />

Stereozilien (Hörhärchen) mit aktiv-kontraktilen Eigenschaften besitzen. Die hohe Empfindlichkeit<br />

der Stereozilien geht allerdings mit einer hohen Verletzlichkeit einher. Dies<br />

bedeutet, dass eine Schallenergie, welche in das Innere der Schnecke gelangt, insbesondere


129<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 129<br />

bei hohen Intensitäten und sehr schnellen Änderungen, primär diese hochempfindlichen<br />

Stereozilien trifft. Dies bedeutet, dass diese – wie Bild 8.1 zeigt – durch impulshaltige<br />

Schallereignisse (Knalle, hochdynamische/hochintensive Fahrzeuggeräusche) geknickt,<br />

verwirbelt, ausgerissen (linke Bildhälfte) und häufig auch verklumpt (rechte Bildhälfte)<br />

und schließlich sogar ausgerissen werden können. Die massiven Veränderungen ähneln<br />

denen, die man bei impulsiven Wirbelwinden in Kornfeldern infolge dadurch bewirktem<br />

Umknicken der Halme sehen kann. Diese Halme können bei weniger dynamischen Windeinflüssen,<br />

also langsameren Windwechseln auch stärkere Intensitäten unbeschädigt ertragen,<br />

wie dies am wogenden Kornfeld gut zu beobachten ist. Ändert sich die Windrichtung<br />

stoßweise oder sehr schnell hin und her (Wechseldrücke), dann knicken die Kornhalme<br />

schon bei geringeren Windstärken. Ähnlich verhalten sich die Stereozilien.<br />

Bild 8.1: Durch intensive Schalleinwirkung, insbesondere durch impulsive Schalle und Schalle mit hochintensiven<br />

Wechseldrücken verursachtes Umknicken, Ausreißen und irreversibles Verklumpen der Stereozilien<br />

[nach Hunter-Duvar 1984].<br />

Sind die empfindlichen Stereozilien in der geschilderten Weise geschädigt, so degenerieren<br />

sie völlig und beim Menschen geht i. a. auch die tragende Haarzelle irreversibel zu Grunde.<br />

Da ca. 30 (äußere) Haarzellen mit einer einzigen afferenten Nervenfaser verbunden sind<br />

[Spreng 1994c], werden trotz der irreversiblen Schädigung (reduzierte Reserve) erst ab einem<br />

kritischen Wert der Zerstörung Funktionsausfälle klinisch nachweisbar. Derartige 'unterkritische'<br />

bzw. 'okkulte' Schäden sind Vorschäden, die in den Summationseffekt, den ein 'akustisches<br />

Trauma' hervorruft, eingehen [Dancer 2000].<br />

Andererseits sind auch weniger dynamische und intensive Schalle schädigend, wenn sie über<br />

längere Zeiten einwirken. Bei ständiger Überlastung durch laute Dauerschalle treten nämlich<br />

auch Stoffwechselschäden direkt im Innern der Haarzellen auf [Spreng et al. 1991].<br />

In beiden Fällen, sowohl durch längerfristige Stoffwechselschädigungen, als vor allem auch<br />

durch die mechanische Schädigung der Stereozilien, kommt es weitgehend zum völligen<br />

Verlust der jeweils betroffenen Haarzellen. Sie regenerieren sich nicht wie andere Körperzellen,<br />

so dass folglich eine bleibende Schwerhörigkeit eintritt, welche demgemäß weder durch<br />

Medikamente noch durch eine Operation behebbar ist. Eine derartige durch Lärmeinfluss verursachte<br />

Dauerschädigung des Innenohrs beginnt oft, ohne dass der Arzt sie mit üblichen<br />

Diagnoseverfahren erfassen kann [Zenner et al. 1999].


130<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 130<br />

Wertet man nun derartige Schädigungen, wie man sie experimentell an Tieren erzeugen<br />

kann aus und fasst sie zusammen [Spreng 1994b], dann ergibt sich folgendes Bild (Bild<br />

8.2). Hier ist, wie üblich, der Schallpegel auf der Ordinate (links) und auf der Abszisse<br />

(nach rechts) die Dauer des einwirkenden Schalles logarithmisch aufgetragen, so dass jeder<br />

Punkt in diesem Diagramm die sog. Schalldosis darstellt. Die dick eingezeichneten Punkte<br />

markieren nun Dosiswerte, welche deutlich beobachtete Schädigungen im Bereich der Stereozilien<br />

und Sinneszellen im Tierversuch hervorgerufen haben und wie sie von den verschiedenen<br />

Autoren (Literaturangaben siehe Spreng et al. [1991]) gefunden wurden.<br />

Hörschadensrisikokurve aus umgerechneten Belastungswerten bei<br />

eindeutigen tierexperimentellen Schadensfällen<br />

Schädigungsgrenzwert: SEL = 125 dB(A)<br />

Tolerabler Spitzenpegel bei N Ereignissen der Einwirkdauer T<br />

Ltol = 125 [dB] - 10 lg N*T [s]<br />

Kritische Anstiegssteilheit infolge 650ms Trägheit des Schallschutzreflexes<br />

S krit =L tol - 80dB/0,65s [dB/s] L tol > 80 dB<br />

Bild 8.2: Zusammenfassende Darstellung der Risikokurve und der Berechnungsformeln für Hörschädigung. Der<br />

Wert für eine Sekunde Einwirkdauer, also SEL = 125 dB(A) ist besonders hervorgehoben.<br />

An den Geraden in Bild 8.2 ist zunächst zu erkennen, dass mit abnehmender Dauer der<br />

Schalle der gerade noch nicht schädigende Schallpegel zwar zunehmen kann. Andererseits<br />

kann aber durch die unterste gestrichelte Kurve eine Art Risikokurve (Einbezug der Streuungsbereiche)<br />

angegeben werden, oberhalb der mit großer Wahrscheinlichkeit irreversible<br />

Schädigungen zu erwarten sind.<br />

Diese Aussage gilt für Erwachsene. Vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern sind besonders<br />

vulnerable Phasen während der Entwicklung wahrscheinlich, wie aus vergleichbaren<br />

Tierversuchen [Henry & Chole 1984] zu schließen ist, wobei eine mindestens 5 dB niedriger<br />

liegende Schwelle anzusetzen ist [Passchier-Vermeer 1989, 1991].<br />

Aus dieser Risikokurve, lässt sich ablesen, dass – auf jeweils einen Tageszeitraum von 8<br />

Stunden bezogen – z. B. ein 10 Sekunden einwirkender Schall eine Intensität von Lmax =


131<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 131<br />

120 dB nicht überschreiten sollte oder ein Schall, der eine Stunde (3 600 s) lang einwirkt,<br />

keinen höheren Pegel als etwa Lmax = 90 dB haben darf. Weiterhin lässt sich die so erhaltene<br />

kritische Schädigungskurve auf einen linear bewerteten äquivalenten Dauerschallpegelwert<br />

(Mittelungspegel) für die 8-Stunden Arbeitsschicht von Lm = 80 dB(A) extrapolieren.<br />

Dieser Wert liegt zwar 5 dB niedriger als der gemäß der Unfallverhütungsvorschrift (UVV)<br />

'Lärm' [1997] angegebene Wert von Lm = 85 dB(A), bei dessen Überschreitung bereits Hörschäden<br />

auftreten können. Jedoch ist dieser letztgenannte Wert ein Beurteilungspegel, welcher<br />

z. B. bei hochdynamischen und impulsiven Schallereignissen als auch bei ausgeprägten<br />

tonalen Schallkomponenten bereits bei gemessenen Mittelwerten von Lm = 79 dB(A) erreicht<br />

werden kann, wenn die maximalen Zuschläge von 6 dB zuaddiert werden müssen. Weiterhin<br />

verdeutlichen umfangreiche Modellrechnungen hinsichtlich optimaler Übereinstimmung aufgetretener<br />

Hörschäden mit schädigungsäquivalenten Dauerschallpegeln [Maue 1988], dass<br />

eher der Wert 80 dB(A) als Hörschadensgrenzwert angesetzt werden muss, da bei vier beruflichen<br />

Tätigkeiten sich Werte ergaben, die näher an 80 dB(A) als an 85 dB(A) liegen (Maurer:<br />

82 dB(A), Betonbauer: 85 dB(A), Rohrinstallateure: 81 dB(A), Zimmerer: 80,5 dB(A)).<br />

Bezieht man sich auf den Wert von Lm = 85 dB(A) für den 8-Stunden-Arbeitstag, dann kann<br />

demzufolge für einen nicht zu überschreitenden kritischen Toleranzwert ein 24 h-Wert von<br />

Leq,24h = 80 dB(A) angegeben werden.<br />

Durch Extrapolation aus arbeitsmedizinischen Daten und bei Berücksichtigung von Sicherheitszuschlägen<br />

wurde bereits vor längerer Zeit von der amerikanischen 'Environmental Protection<br />

Agency' sogar ein Wert von Lm = 70 dB(A) für einen gehörunschädlichen 24h-Mittelungspegel<br />

(obige Risikokurve ergibt nur 75 dB(A)) formuliert [Siervogel & Roche 1982].<br />

Dem entspricht auch die kürzliche Aussage des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer,<br />

Köln [Zenner et al. 1999]: 'Beurteilungspegel unter 85 dB(A), wenn auch ohne klinische<br />

Bedeutung, sind aber immer noch imstande, messbare Hörverluste in den hohen Frequenzen<br />

zu verursachen'.<br />

Es kann demgemäß ein Leq,24h = 70 dB(A) als Schwellenwert für beginnende Gehörschadensgefahr<br />

vor allem bei besonders vulnerablen Personen angesetzt werden.<br />

Dies alles deutet auf die Richtigkeit der aus der tierexperimentell abgeleiteten kritischen<br />

Schadensrisikokurve, die auf den 8-Stunden Wert von Lm = 80 dB(A) extrapoliert werden<br />

kann, hin. Um Vergleiche mit den üblicherweise angegebenen 16h-Tages-Mittelungspegeln<br />

durchführen zu können, soll hier noch zusätzlich der aus der Risikokurve in Bild 8.2 ablesbare,<br />

im 16h-Tag mit Sicherheit noch ohne Gehörschadensgefahr duldbare Tagesmittelungspegel<br />

mit dem Wert von Lm,T = 77,5 dB(A) angegeben werden. Rechnet man mit einem<br />

24h-Wert, so resultiert ein tolerabler Mittelungspegel von Leq,24h = 75 dB(A), der als präventiver<br />

Richtwert festgelegt werden kann.<br />

8.1.2 Bestimmung tolerabler Spitzenpegel und Einwirkzeiten<br />

Da Mittelungspegelangaben hinsichtlich Gehörschadensrisiko in erster Linie für gleichförmige,<br />

wenig impulsive Tagesschallbelastung sinnvoll sind, muss bei stärker fluktuierenden


132<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 132<br />

(z. B. Flugzeuggeräuschen) oder gar impulsiven Geräuschen die Betrachtung der Einzelereignisse<br />

mit ihrem Spitzenpegel und ihrer Dauer erfolgen.<br />

Aus der Risikokurve in Bild 8.2 ablesbar, bzw. aus dem Wert SEL = 125 dB(A) (SEL =<br />

'Sound Exposure Level': auf die Einwirkzeit von einer Sekunde bezogene Dosis) berechenbar,<br />

ist für jede kürzere oder längere Einwirkdauer T als 1 Sekunde ein pro 8h-Tag gerade<br />

noch tolerabler Pegelspitzenwert: Ltol = 125 [dB] – 10 lg T [s]. Beispielsweise ist für eine<br />

Gesamteinwirkdauer (bei mehreren Ereignissen als Summe der 10 dB-Downtime erfassbar;<br />

und diese als Dauer zwischen der Über- und Unterschreitung von Werten 10 dB geringer<br />

als der Spitzenpegelwert definiert), von 1 000 Sekunden ein Wert von Ltol = 125 –<br />

10 lg 1 000 = 125 – 30 = 95 dB errechenbar bzw. auch aus der Risikokurve ablesbar.<br />

Infolge der sehr kurzen mechanischen Einschwingzeiten des Mittelohres (30 µs) und Innenohres<br />

(0,3 – 3 ms) spielen die Anstiegszeiten bzw. die Anstiegssteilheiten von Schallflanken<br />

zusätzlich eine wichtige Rolle, da bei quasi-impulsiver Einwirkung praktisch die gesamte<br />

Schallenergie in das vulnerable Innenohr gelangt. Der bereits erwähnte, durch die Mittelohrmuskeln<br />

bewirkte Schallschutzreflex (Trommelfell-Anspannung, Steigbügel-Kippung) von<br />

maximal nur 15 dB weist infolge der zentralnervösen Kontrolle an seiner Auslöseschwelle<br />

Latenzzeiten von 150 Millisekunden auf, wozu sich noch Abklingzeiten bis maximal 500<br />

Millisekunden addieren. Er ist also bei dynamisch (impulsiv) einwirkenden Schallen um<br />

grob 0,65 s zu träge. Seine Auslöseschwelle liegt bei 60 – 80 dB Schalldruckpegel über der<br />

Hörschwelle. Daraus lässt sich hinsichtlich Schädigungsgefahr von Schallen mit Pegelspitzen<br />

deutlich über 80 dB(A) in erster Näherung bei linear angenommenem Schalldruckanstieg<br />

eine nicht zu überschreitende kritische Anstiegssteilheit im Bereich 60 – 80 dB<br />

abschätzen durch (Ltol > 80 dB): Skrit = (Ltol – 80 dB)/0,65 s [dB/s].<br />

Mit diesen Berechnungsformeln in Bild 8.2 ist also die Möglichkeit gegeben, mehrere<br />

hochdynamische bzw. impulsive Schallereignisse, die innerhalb eines 8h-Tages auftreten,<br />

hinsichtlich ihres Hörschadensrisikos abzuschätzen. Dies kann zusätzlich durchgeführt<br />

werden und ist für bestimmte Einzelereignisse wesentlich genauer als es durch die Betrachtung<br />

von Mittelungs- oder Beurteilungspegeln über den gesamten Zeitbereich möglich ist.<br />

8.1.3 Betrachtung der Lärmsituation in der Nähe von Verkehrsflughäfen<br />

hinsichtlich Gehörschädigungsgefahr bei Aufenthalt im Freien<br />

8.1.3.1 Betrachtung der Gehörschadensgefahr anhand der Einzelereignisse<br />

Die Betrachtung der situativen Gegebenheit hinsichtlich Gehörschadensmöglichkeit der<br />

nächstgelegenen Anwohner im Umfeld von Flughäfen bei Aufenthalt im Freien (z. B.<br />

spielende Kinder) muss sich zunächst auf die Frage konzentrieren, ob durch die speziell in<br />

den höchst belasteten Wohngebieten vorliegende Folge von Schall-Einzelereignissen die<br />

mit der obigen Risikokurve gegebenen Werte überschritten werden und in welcher Größenordnung<br />

Anstiegssteilheiten auftreten.<br />

Messdaten mit der Bewertung SLOW resultieren so an Großflughäfen entsprechend der Flughäufigkeit<br />

und mittleren Überflugdauer z. B. tolerablen Spitzenpegel von im Mittel Ltol =


133<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 133<br />

88 bis 94 dB(A), die zur Vermeidung von Gehörgefährdung nicht überschritten werden<br />

sollten, sowie kritische maximale Anstiegssteilheiten von Skrit = 13 bis 21 dB/s [Spreng<br />

2001c].<br />

Derartige Anstiegssteilheiten werden an Verkehrsflughäfen nicht erreicht. Spitzenpegel der<br />

angegebene Größenordnung werden nur sehr selten (z. B. einmal alle 8 Tage) bzw. nur in<br />

Ausnahmefällen in flughafennahen, bewohnten Gebieten geringfügig [ca. 6 dB(A)] überschritten<br />

und dies ist hinsichtlich Hörschadensgefahr absolut unbedenklich.<br />

Diese seltenen Überschreitungen (z. B. 22 mal im Halbjahr um ca. 6 dB(A)) der hier als<br />

tolerable Spitzenpegel berechneten Werte [Spreng 2001c] für den nicht sehr wahrscheinlichen<br />

Fall des permanenten Aufenthalts im Freien, erlauben es, einen tolerablen Spitzenpegel<br />

von Lmax = 95 dB(A) als präventiven Richtwert und einen Lmax = 90 dB(A) als<br />

Schwellenwert vorzuschlagen. Kritische Toleranzwerte zu Lmax = 115 dB(A) für Maximalpegel<br />

von Einzelüberflügen durch Strahlflugzeuge sind beispielsweise aus Untersuchungen<br />

über Tiefflugschalle [Spreng et al. 1988] zu entnehmen.<br />

Das Gehör arbeitet bevorzugt als Zeitsinnesorgan und erfasst so insbesondere die sehr<br />

schnellen Schallvorgänge [Spreng 1994c]. Da die gesamte Energie somit das Innenohr<br />

erreicht, gibt nicht die SLOW-Bewertung, sondern allenfalls die FAST- bzw. die IMPULS-<br />

Bewertung der Anstiegssteilheit mit Einschränkung die Leistungsfähigkeit und auch die<br />

schädigende Belastung des Gehörs verwertbar wieder. Betrachtet man Einzelereignisse,<br />

welche aufgrund FAST-bewerteter Überflüge resultieren, so zeigt sich, dass die maximale<br />

Differenz in Einzelfällen den Wert von Lmax,F – Lmax,S = 3 dB (im Mittel 1.3 dB) betragen<br />

kann. Dieser letztgenannte Differenzwert ist zur exakten, gehörrichtigen Bestimmung von<br />

Maximalpegeln zweckmäßigerweise zu verwenden. Er ist plausibel, da frühere Untersuchungen<br />

bei Überflügen militärischer Strahltrieb-Flugzeuge ebenfalls eine Differenz<br />

Lmax,F – Lmax,S von 3 dB ergaben [Spreng et. al. 1988]. Beim zivilen Flugverkehr ergibt sich<br />

diese Problematik nicht.<br />

8.1.3.2 Gehörschadensgefahr bezogen auf den Tages-Mittelungspegel<br />

Obwohl hinsichtlich Hörschadensrisiko als vor allem auch bezüglich extraauraler Wirkungen<br />

die sogenannten Mittelungspegel (Dosiswerte) in gewisser Weise kritisch gesehen<br />

werden müssen, sind aufgrund ihrer derzeitigen breiten Anwendung auch diesbezügliche<br />

Risikoabschätzungen notwendig. Eine Abschätzung des Immissions-Mittelungspegels<br />

unter Worst-case-Bedingungen über den Tag in besonders stark durch Fluglärm belasteten<br />

Wohnbereichen kann wie folgt durchgeführt werden, wobei aus der Risikokurve ablesbar<br />

bzw. berechenbar ein 16h-Tages-Mittelungspegel (6 – 22 Uhr) von Ltol = 125 – 10 lg<br />

16*60*60 = 125 – 47,6 = 77,4 dB(A) resultiert, bei dessen Überschreitung mit einer<br />

Gehörgefährdung zu rechnen ist.<br />

Aus den Angaben über Überflugzahl, mittlerer Dauer und mittlerem Spitzenpegel lassen sich<br />

Tages-Mittelungspegel berechnen, die für die besonders stark belasteten Gebiete an Großflughäfen<br />

Werte hingegen nur um Leq(3) = 60,5 dB(A) ergeben. (Bei Überflughäufigkeiten<br />

zwischen 150 und 500 pro Tag und Maximalpegeln zwischen 60 und 80 dB(A) schwankt


134<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 134<br />

die Differenz Leq(4) – Leq(3) zwischen -1,5 und +1,5 dB). Setzt man höchste mittlere Spitzenpegel<br />

als dauernd einwirkend an und benutzt die höchste Anzahl täglicher Überflüge,<br />

so ergibt sich unter diesen Worst-case-Bedingungen ein 16h-Tages-Mittelungspegel von<br />

Lm,T = 63 dB(A), der noch deutlich unter dem tolerablen Wert für Hörschadensvermeidung<br />

von 77,4 dB(A) liegt [Spreng 2001c].<br />

8.1.3.3 Gehörschadensgefahr bezogen auf den Jahresmittelungspegel<br />

Berechnet man für Anwohner in besonders stark belasteten Gebieten in der Umgebung von<br />

Großflughäfen Mittellungspegel über ein ganzes Jahr, dann ergeben sich z. B. Werte um<br />

Lm,Jahr = 58 bis 59 dB(A) [Spreng 2001c]. Zieht man in Betracht, dass z. B. in Großbritannien<br />

Jahres-Mittelungspegel in Diskotheken zwischen 80 – 90 dB(A) auf ca. 2,4 Mio.<br />

Besucher und Jahres-Mittelungspegel von > 80 dB(A) auf etwa 2,6 Mio. Industriearbeiter<br />

mit der Folge dadurch verursachter teilweiser Hörschäden einwirken, so müssen die im<br />

Immissionsgebiet gegebenen Jahres-Mittelungspegel von 58 – 59 dB(A) als unbedenklich<br />

hinsichtlich Gehörschäden eingestuft werden.<br />

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass das Auftreten von Gehörschäden bei<br />

Aufenthalt im Freien während des Betriebs eines Verkehrsflughafens in besonders stark<br />

belasteten Nah-Wohnbereichen ausgeschlossen werden kann.<br />

Die mittleren Spitzenwerte [ca. 73 dB(A)] überschreiten die bezüglich Hörschäden hier<br />

berechenbaren tolerablen Werte von Ltol = 88 – 94 dB(A) nicht und seltene Spitzenereignisse,<br />

die diesen Wert etwa einmal pro Woche um höchstens ca. 6 dB(A) überschreiten,<br />

können (auch bei Einbezug FAST-bewerteter Schallereignisse) vernachlässigt werden.<br />

Dafür sprechen auch die Berechnungen hinsichtlich des 16h-Tages-Mittelungspegels, der<br />

für die obigen stark belasteten Wohngebiete mit Lm,T = 63 dB(A) deutlich unterhalb des<br />

aufgrund einer Hörschadensrisikoabschätzung gefahrlos tolerierbaren Wertes von Lm,T =<br />

77,4 dB(A) liegt. Auch der Jahres-Mittelungspegel für die Tagesbelastung liegt mit ca.<br />

58 dB(A) für die besonders stark belasteten Wohngebiete sehr deutlich unter Werten von<br />

80 – 90 dB(A), die teilweise Hörschäden (Industriearbeiter, Discobesucher) bewirken.<br />

In Bezug auf die alleinige Belastung durch Verkehrslärm, insbesondere Fluglärm, spielen<br />

also die pathologischen Wirkungen von Schallen hinsichtlich Gehörschädigung und Auftreten<br />

von Tinnitus unter dem Gesichtspunkt der Kausalität praktisch keine Rolle, wenn<br />

man von möglicherweise reduzierten Erholungszeiten bei starker (beruflicher) Zusatzbelastung<br />

absieht. Sowohl die Studie der deutschen Forschungsgemeinschaft 'Fluglärmwirkungen'<br />

[1974] als auch neuere Untersuchungen in der Nähe von Verkehrslärmeinwirkungen<br />

[Chang et al. 1995, Chen et al. 1997] ergeben keine klaren Aussagen hinsichtlich kausal<br />

verursachten Hörschädigungen. Allerdings darf nicht daraus geschlossen werden, dass<br />

auch wenn keine Lärmschwerhörigkeit bei Probanden und langfristig Exponierten auftritt,<br />

keine vegetativen Reaktionen und somit Störungen und Gesundheitsbeeinträchtigungen im<br />

extraauralen Bereich vorlägen. Es muss also neben den Gefährdungskriterien für Lärmschwerhörigkeit<br />

geprüft werden, ob diese auch für den vegetativen Bereich gelten<br />

[Scheuch & Jansen 2001].


8.2 Extraaurale Lärmschäden<br />

135<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 135<br />

8.2.1 Pathophysiologische Mechanismen bei der Einwirkung von Lärm<br />

Um die Kausalitätsfrage, ob eine Krankheit auf einen bestimmten Belastungsfaktor zurückzuführen<br />

ist, wissenschaftlich zu beantworten, sind die pathophysiologischen Mechanismen<br />

aufzuzeigen, die zur Erkrankung führen können (Kap. 2, Hill [1965]). Hierbei ist die<br />

Wirksamkeit eines Belastungsfaktors, z. B. des Lärms, auch in einem multikausalen Gefüge<br />

zu ermitteln.<br />

Trotz der mittlerweile umfangreichen Kenntnisse über die unmittelbaren Wirkungen von<br />

physikalischen (z. B. Lärm), physischen (z. B. körperliche Schwerarbeit), und psychischen<br />

(z. B. Emotionen) Belastungen auf den Organismus bleibt offen, ob diese pathogen wirken<br />

und welche pathophysiologischen Mechanismen dabei eine Rolle spielen.<br />

8.2.1.1 Pathophysiologische Mechanismen bei akuter Lärmeinwirkung<br />

Akute Lärmeinwirkungen können – darauf wurde bereits hingewiesen – zu mechanischen<br />

Zerstörungen am Hörorgan bei extrem hohen Schallpegeln führen. Hinsichtlich des Umweltlärms<br />

stehen jedoch die extraauralen Lärmwirkungen im Vordergrund. Diese werden<br />

überwiegend durch vegetative und hormonelle Veränderungen vermittelt, die <strong>Teil</strong> des Anpassungsprozesses<br />

an ein sich änderndes oder belastendes Umfeld sind. Bei hohen Lärmpegeln<br />

können vegetative Fehlregulationen auftreten, die bei häufiger Wiederkehr am Tag<br />

langfristig zu Gesundheitsschäden führen können (Kap. 3). Der epidemiologische Nachweis,<br />

dass auch sehr hohe Einzelpegel Gesundheitsstörungen über längere Zeit bewirken,<br />

ist jedoch schwierig. Anders kann es bei der unmittelbaren zeitlichen Zuordnung eines<br />

Erkrankungsbeginns zu einem Lärmereignis sein. Dies veranlasste das Schleswig-<br />

Holteinische Oberlandesgericht Schleswig am 18. August 1988 (AZ: 11U313/85//6O172/<br />

83 Landgericht Kiel), das Auftreten eines Herzinfarktes beim Überflug eines militärischen<br />

Düsenflugzeugs als Unfall anzuerkennen. Der ärztliche Sachverständige argumentierte,<br />

dass bei vorhandener Vorschädigung der Herzkranzgefäße ein Herzinfarkt unter anderem<br />

durch Schrecksituationen, starke seelische Erregungen, psychischen Stress und extreme,<br />

weit über die alltägliche emotionale Belastung hinausgehende Beanspruchung ausgelöst<br />

würde. Dies geschehe über die Ausschüttung von Nebennierenrindenhormonen, die zu<br />

einem Gefäßspasmus im Bereich der bereits vorgeschädigten Herzkranzgefäße führen und<br />

zusätzlich durch Thrombenbildung einen Gefäßverschluss mit nachfolgendem Herzinfarkt<br />

zur Folge haben könne. Entscheidend war die unmittelbare zeitliche Zuordnung und die<br />

Vorschädigung, wodurch eine höhere Vulnerabilität gegeben sei. Doch in der Medizin gibt<br />

es auch unterschiedliche Auffassungen zum tatsächlichen Vorhandensein einer solchen<br />

Kausalitätskette. Brenner et al. [1993] fanden an 68 Herzpatienten bei militärischen Überflügen<br />

in geringer Höhe keine unmittelbaren stärkeren Veränderungen in der Herzfrequenz<br />

oder in dem Auftreten ventrikulärer Extrasystolen als ein Zeichen gestörter Herzregulation.<br />

Maximalpegel wie bei militärischen Überflügen sind am <strong>Flughafen</strong> <strong>Frankfurt</strong> im Beurteilungszeitraum<br />

nicht zu erwarten.


136<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 136<br />

8.2.1.2 Allgemeine krankmachende Mechanismen bei längeren und immer<br />

wiederkehrenden Belastungen<br />

Im Mittelpunkt umweltmedizinischen Interesses stehen die längerfristigen Wirkungen von<br />

Lärm. Die Frage ist, wie solche immer wiederkehrenden Einwirkungen wie Lärm zu pathologischen<br />

Organveränderungen und Krankheiten führen können. In Kapitel 3 wurden die<br />

normalen, physiologischen, vegetativen und hormonellen Veränderungen und ihre Beziehungen<br />

zu immunologischen und Stoffwechselparametern dargestellt. Sie dienen der Anpassung,<br />

der Kompensation negativer Veränderungen und der Bewältigung von Anforderungssituationen.<br />

Sie sind lebensnotwendig. Alle diese Prozesse sind mehr oder weniger<br />

komplex miteinander verbunden. Erscheinungsbild sowie auch die Prognose von Wirkungen<br />

werden durch die Funktionsfähigkeit der verschiedenen selbstregulierenden Systeme<br />

bestimmt. Veränderungen von Organfunktionen führen zu Gegenregulationen. Geringe,<br />

wenn auch statistisch signifikante Veränderungen haben andere Wirkungen als starke. In<br />

diesem Kapitel soll deshalb auf folgende Fragen eingegangen werden:<br />

• Wie können solche normalen Reaktionen der Anpassung zu pathologischen Veränderungen<br />

führen?<br />

• Welche gesicherten Kenntnisse zu den möglichen pathophysiologischen Mechanismen<br />

bei Einwirkung von längerfristigem Lärm gibt es?<br />

Diese Fragen sind verbunden mit der Beziehung zwischen aktuellen, kurzfristigen, aber<br />

immer wiederkehrenden Einwirkungen und den längerfristigen Effekten. In der Beanspruchungs-<br />

und Risikoforschung spielten dabei in den letzten Jahrzehnten die folgenden theoretischen<br />

Vorstellungen eine wesentliche Rolle.<br />

Hyperreaktivitätstheorie<br />

Es wird von der Vorstellung ausgegangen, dass ständiges, überschießendes Reagieren auf<br />

Belastungen langfristig zu einer Sollwertverstellung des/der regulierten Parameter, z. B.<br />

des Blutdrucks, der Stoffwechselgrößen oder der Hormone kommt. Da häufig die Veränderung<br />

dieser Parameter in Richtung eines definierten Krankheitszustandes geht, z. B. Erhöhung<br />

des Blutdrucks in akuten Situationen, des Blutzuckers, von Fettstoffwechselparametern,<br />

ist diese Vorstellung durchaus nachzuvollziehen, da diese Parameter ja auch diagnostische<br />

Kennzeichen der entsprechenden Erkrankungen sind.<br />

Doch kann diese grundlegende Vorstellung der Psychophysiologie [Scheuch & Schröder<br />

1990] in dieser Form nicht mehr aufrechterhalten werden [Pickering & Gerin 1990, Frederikson<br />

& Matthews 1990, Goldstein 1995]. Die 'Conference on behavioral medicine and<br />

cardiovascular diseases' [1987] der American Heart Association folgerte, dass es keinen<br />

eindeutigen Beweis dafür gibt, dass die Hyperreaktivität z. B. des Blutdrucks ohne andere<br />

dispositionelle Faktoren als Ursache für eine Hypertonie anzusehen ist. Dies trifft auch auf<br />

andere Funktionssysteme des Organismus und andere Erkrankungen zu. Diese Theorie<br />

berücksichtigt zu wenig die Gegenregulationsmechanismen des Organismus und die Anpassungsmöglichkeiten<br />

körperlicher Funktionen.


Energiebereitstellungshypothese<br />

137<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 137<br />

Aus der populärwissenschaftlichen Literatur der 50er und 60er Jahre kommt die Vorstellung,<br />

dass durch vegetative und hormonelle Veränderungen in akuten Belastungs- und<br />

Stresssituationen Energie bereitgestellt wird, um mit Anforderungen fertig zu werden. Die<br />

Bewältigung der Anforderungen sei traditionell in der Entwicklungsgeschichte Kampf oder<br />

Flucht gewesen, womit die Energie nützlich verbraucht wäre. Da dies heute in solchen,<br />

insbesondere psychischen Situationen oder auch unter Lärmeinwirkung nicht mehr der Fall<br />

wäre, würde diese Energie 'angehäuft' und damit zur Schädigung führen. Daraus ergeben<br />

sich dann auch Empfehlungen für die Bewältigung solcher Stresssituationen.<br />

Hierfür gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis. Auch hier sind Gegenregulationen des<br />

Abbaus von Stoffwechselprodukten so effektiv und komplex, dass ein solcher Schädigungsmechanismus<br />

Spekulation ist. Scheuch und Schröder [1990] untersuchten z. B. Veränderungen<br />

in einer akuten Stresssituation (Prüfung) sowie nach einer dreimonatigen Periode,<br />

in der 15 Prüfungen zu absolvieren waren. Während die akuten Veränderungen im<br />

oben beschriebenen Sinne tatsächlich energiebereitstellende Funktion hatte, zeigten sich<br />

nach der dreimonatigen erheblichen Belastung sehr differenzierte Veränderungen, unter<br />

anderem eine Abnahme der mit dieser Energiehypothese verbundenen Fettstoffwechselparameter<br />

Cholesterol und Triglyceride sowie eine Abnahme des Cortisols. Die Wirkungen<br />

der Bereitstellung von Energie und die Gegenregulationsmechanismen können in der ergotropen<br />

Phase des Tages gegenüber der trophotropen Phase der Nacht unterschiedlich sein.<br />

'Wear-and-Tear'<br />

Häufig wiederkehrende Belastungen erschöpfen körperliche Reserven, stören die Regulationsfähigkeit<br />

der Organfunktionen, insbesondere die Gegenregulationen, und schränken sie<br />

in ihrer Effektivität und Wirksamkeit ein [McEwen 1998, Sapolsky & McEwen 1997].<br />

Diese Vorstellung spielt auch eine Rolle bei psychischen Prozessen, z. B. dem Burnout,<br />

dem Ausbrennen, das vor allem in sozialen Berufen auftreten soll. Dieses 'wear und tear'<br />

hat insbesondere im Zusammenhang mit den Belastungs- und Erholungsbeziehungen eine<br />

entscheidende Bedeutung. In den letzten Jahren traten gestörte Erholungsprozesse als Erklärungsmechanismus<br />

für pathologische Vorgänge immer stärker in den Vordergrund.<br />

Verzögerte Rückstellungen von Funktionsparametern des Organismus könnten viel eher<br />

eine Prognose für pathologische Veränderungen sein als das Ausmaß der Veränderungen<br />

unter Belastungen (Hyperreaktivität). Bei der Untersuchung der ablaufenden Mechanismen<br />

stehen wir jedoch am Anfang. So mechanistisch, wie das in sozialwissenschaftlichen Theorien<br />

(Lebensereignistheorie [Holms & Rahe 1967]) angenommen wird, ist die Realität jedoch<br />

nicht. Hier wird postuliert, dass dem Menschen eine bestimmte 'Anpassungsenergie'<br />

zur Verfügung steht; wird er häufiger oder/und stärker belastet, wird diese Energie eher<br />

verbraucht und das Lebewesen wird geschädigt.<br />

Risikofaktorentheorie<br />

Die wachsende Bedeutung von Herz-Kreislauferkrankungen führte zur Entwicklung der<br />

Risikofaktorentheorie. Vielfältige Anstrengungen wurden unternommen, um epidemiologisch<br />

und auch experimentell den Nachweis von Risikofaktoren für die Entstehung von<br />

Herz-Kreislauferkrankungen zu finden.


138<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 138<br />

Nach einer Übersicht von Omura et al. [1996] sind derzeit rund 170 Risikofaktoren identifiziert;<br />

Seidel [1993] gibt sogar 250 an, denen eine mitverursachende Rolle bei der Genese<br />

kardiovaskulärer aber auch anderer Erkrankungen zugeschrieben wird. Es handelt sich um<br />

Veränderungen im Organismus, bestimmte Verhaltensweisen, Persönlichkeitseigenschaften,<br />

Umweltbedingungen, die als Risikofaktoren bezeichnet werden.<br />

Neue Erkenntnisse relativieren immer wieder die Auffassungen zu den einzelnen und häufig<br />

isoliert betrachteten Risikofaktoren. So spielen in der letzten Zeit z. B. Chlamydieninfektionen<br />

[Weber 2000] oder dentale Entzündungen [Koch 1999] oder Schnarchen eine<br />

signifikante Rolle in der Verursachung von Herz-Kreislauferkrankungen. Das wirft dann<br />

z. B. für die Lärmuntersuchung die Frage auf, ob diese Faktoren bei wissenschaftlichen<br />

Untersuchungen berücksichtigt wurden oder zukünftig berücksichtigt werden können.<br />

Außerdem hat sich in den letzten Jahren ein erheblicher Wandel in der Risikobetrachtung<br />

vor allem für Herz-Kreislauferkrankungen aber auch für andere Erkrankungen in der Wissenschaft<br />

fast unbemerkt von der Öffentlichkeit vollzogen, was auch für die Lärmwirkungsforschung<br />

von fundamentaler Bedeutung ist. Das Herausgreifen von einzelnen Risikofaktoren<br />

und die Einleitung von Gegenmaßnahmen gegen diesen Faktor hat sich nicht<br />

als sehr erfolgreich erwiesen. Deshalb finden in der Risikobewertung und der Intervention<br />

dynamische und prozessorientierte Interaktionen zwischen einzelnen Risikofaktoren eine<br />

weitaus größere Berücksichtigung, sie haben dann auch mehr Erfolg, ein Risiko tatsächlich<br />

zu vermindern [Task Force Report 1998]. Bei der Entwicklung der Verarbeitungskapazität<br />

großer Datenmengen, der kaum vorstellbaren Genauigkeit der Bestimmung von Stoffen im<br />

Körper des Menschen und seinen Ausscheidungen, bei der Entwicklung und Verfeinerung<br />

statistischer Methoden werden in Populationen signifikante, aber kaum relevante Unterschiede,<br />

Einflussfaktoren, Risiken gefunden, deren Relevanz in Langzeituntersuchungen<br />

aufgrund der Komplexität des Wirkungsgefüges kaum überprüfbar ist.<br />

Es wurde bereits angeführt, dass im Risikofaktorenkonzept für Herz-Kreislauferkrankungen<br />

der Lärm kaum eine Rolle spielt. Auch im Rahmen der WHO-Aktivitäten muss Klein<br />

[2001] feststellen, dass Lärm bisher kaum ein relevantes Thema im Kontext der nachhaltigen<br />

Entwicklung der Gesundheit ist.<br />

Man kann heute zusammenfassend sagen, dass die Gegenregulationsmechanismen organismischer<br />

Funktionen erheblich wirksamer und anpassungsfähiger sind als angenommen.<br />

Dies trifft für Gesunde zu. Eine Gefährdung resultiert nicht aus einer isolierten Betrachtung<br />

einer Reaktion des Organismus oder einer isolierten Betrachtung einer Belastungsform,<br />

z. B. des Lärms, sondern es müssen zusätzlich weitere Komponenten als Risikofaktoren<br />

oder -konstellationen hinzukommen. Die Vereinfachung in der wissenschaftlichen Risikoforschung<br />

ist vorbei, in der Gesellschaft jedoch noch weitgehend vorhanden.<br />

Dem müssen auch Risikoerklärungskonzepte der Lärmwirkung Rechnung tragen.<br />

Ising [1999] und Ising und Braun [2000] unterscheiden drei Wirkungsebenen bei den Beziehungen<br />

zwischen Lärm und gesundheitlichen Effekten. Einmal sind es die sogenannten<br />

Stressindikatoren (z. B. Stresshormone), die keine klinische Relevanz hätten, aber für Wirkungsmechanismen<br />

geeignet seien und in der Wirkungskette vorn stehen. Grundgedanke<br />

dabei ist, dass auch kleine, nicht pathologische Veränderungen für die Beurteilung von


139<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 139<br />

Wirkungszusammenhängen von Bedeutung sein können. Die zweite Ebene sind Risikofaktoren<br />

(z. B. Blutfette, Blutdruck, hämostatische Faktoren) und die dritte sind manifeste<br />

Erkrankungen. Daraus wird ein Lärmwirkungsschema bis zur Erkrankung abgeleitet. Dies<br />

liegt vor allem nichtmedizinischen Wirkungserklärungen und einem vereinfachenden Verständnis<br />

von Lärm zu Grunde.<br />

Ein solches Schema hat drei wesentliche Nachteile:<br />

• Es suggeriert eine Kausalitätskette, die es in dieser Form nicht gibt.<br />

• Physiologische Gegenregulationen werden nicht berücksichtigt.<br />

• Der entscheidende Prozess der Bewältigung spielt keine Rolle.<br />

Solche Wirkungsschemen sind nicht nur relevant für die Theorie, was die praktischen Diskussionen<br />

um Lärmwirkungen immer wieder zeigen. Deshalb ist ein Schema, das diese<br />

Aspekte berücksichtigt für die Erklärung von Wirkungen nützlicher (Bild 8.3).<br />

Umwelt<br />

Schall<br />

Gesellsch ./ soziale/ materielle Umwelt<br />

Reiz<br />

Mensch<br />

Kognition<br />

Emotion<br />

Erfahrung, Bedürfnisse, Ziele,<br />

Persönlichkeit, Zustand Organismus<br />

Mensch Umwelt<br />

Anpassung/Stressreaktion<br />

Bewältigung<br />

aktiv / passiv<br />

external / internal<br />

erfolgreiche Kompensation<br />

Anpassung<br />

Bewältigungsfähigkeit<br />

Widerstandsfähigkeit<br />

somatisch, psychisch, Verhalten<br />

Risiko<br />

Längerdauer . Störung d. Homöostase<br />

Reduzierte Bewältigungsfähigkeit<br />

Anstieg von Risikoverhaltensweisen<br />

erfolglose Kompensation<br />

Krankheit/Störung<br />

somatisch / psychisch / Verhalten<br />

Bild 8.3: Lärmwirkungsschema unter Einbeziehung von Regulations- und Bewältigungsmechanismen.


140<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 140<br />

8.2.1.3 Konkrete pathophysiologische Mechanismen zur Entstehung von Krankheiten<br />

unter längerfristiger Lärmeinwirkung<br />

Vegetative und hormonelle Veränderungen unter Lärmeinwirkung sind bewiesen. Prinzipiell<br />

wurde in den letzten Jahrzehnten ein differenziertes Wissen zu den Wirkungen auf<br />

den Stoffwechsel, auf immunologische Parameter und auf das Herz-Kreislaufsystem erarbeitet.<br />

Es gibt zum anderen keinen Zweifel, dass z. B. Stoffwechselveränderungen (beispielsweise<br />

im Fett- und Zuckerstoffwechsel) bei der Entstehung von Arteriosklerose,<br />

ischämischen Herzkrankheiten und Herzinfarkten eine wesentliche Rolle spielen. Die infrage<br />

kommenden Regulationsmechanismen und die entsprechenden Hypothesen sind in<br />

Kapitel 3 dargestellt.<br />

Die erste wichtige Frage ist jedoch, ob es bei alltäglichen, immer wiederkehrenden<br />

Schalleinwirkungen zu gesundheitlich relevanten Hormon- und vegetativen Veränderungen<br />

kommt.<br />

In Kapitel 3 wurde die besondere Rolle des Cortisols und der Katecholamine (Adrenalin<br />

und Noradrenalin) beleuchtet. Diese spielten auch in den letzten Jahren im Zusammenhang<br />

mit publizierten Ergebnissen hormoneller Veränderungen unter chronischem Lärmeinfluss<br />

in der BRD eine große Rolle [Evans et al. 1995, 1998, Maschke 1992, Maschke et al. 1995,<br />

1998, Ising & Braun 2000].<br />

In fünf Nächte dauernden Laborversuchen untersuchte Maschke [1992] die Konzentration<br />

der Adrenalin- und Noradrenalinausscheidung. In den ersten drei Nächten mit Fluglärmbelastungen<br />

ergaben sich Erhöhungen des Adrenalins im Normbereich, die jedoch in der<br />

vierten und fünften Nacht bereits wieder die normale Gleichgewichtslage erreicht hatten<br />

und der Größenordnung in den Nächten ohne Fluglärmbelastung vergleichbar waren. Bei<br />

Noradrenalin wurden keine Änderungen gefunden.<br />

In den anschließenden Feldversuchen untersuchten Maschke et al. [1995] die Katecholaminausschüttung<br />

in acht Nächten, vier lärmfreien Nächten und vier Nächten, in denen über<br />

eigens installierte Lautsprecher Fluglärm in die Schlafzimmer der Probanden eingespielt<br />

wurde. Die Adrenalin- und Noradrenalinausscheidungen lagen in den Nächten mit und<br />

ohne Fluglärm alle an der Untergrenze des Normbereichs.<br />

In der gleichen Untersuchung [Maschke et al. 1995] wurde eine Erhöhung des Cortisols im<br />

Harn durch Fluglärm beschrieben. Sowohl mit zusätzlicher Lärmbelastung als auch ohne<br />

diese lagen die Cortisolausscheidungen mit 138 µg bzw. 164 µg oberhalb der Normwerte<br />

(Normbereich in 24 Stunden 20 – 100 µg [Schäffler et al. 1993]). Die in der Studie von<br />

Maschke et al. [1995] gemessenen Veränderungen sind bereits bei 16 Ereignissen mit<br />

Spitzenpegeln von Lmax = 55 dB(A) beobachtbar. Zwischen den gewählten Pegeln<br />

(Lmax = 55, 65 dB(A)) und den beiden benutzten Ereignishäufigkeiten (16, 64 Ereignisse)<br />

ergaben sich jedoch keine signifikanten Unterschiede. Dies veranlasst die Autoren, von<br />

einem möglichen Erreichen eines physiologischen Sättigungseffektes bereits bei den<br />

gewählten Beschallungskonfigurationen zu sprechen und die Frage nach weiteren Untersu-


141<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 141<br />

chungen hinsichtlich eines niedriger (Lmax < 55 dB(A)) liegenden Schwellenwertes (physiologische<br />

Überproportional-Reaktionsschwelle, Kap. 3.6.1) zu stellen.<br />

Die Autoren haben in dieser Veröffentlichung aber selbst auf die geringe Aussagekraft<br />

ihrer Untersuchungsergebnisse hingewiesen (S. 128). '... Die auf vier Nächte limitierte<br />

Versuchsdauer lässt keine Rückschlüsse auf mögliche biorhythmische Schwankungen<br />

während einer Langzeitexposition zu. Hier sind Langzeituntersuchungen unerlässlich, um<br />

das nachtlärmbedingte Gesundheitsrisiko besser einschätzen zu können'.<br />

In einer aufwändigen und von ihrem Design her verdienstvollen Untersuchung kamen<br />

Maschke et al. [1998] zu dem Ergebnis, dass bei 16 <strong>Flughafen</strong>anwohnern in einer 40 Nächte<br />

betragenden Versuchsreihe bei Belastungen mit 32 Überflügen von 65 dB(A) Maximalpegel<br />

(innen) Erhöhungen der Cortisolausscheidung auftraten. Der wesentlichste Einfluss<br />

ist jedoch der Wochenrhythmus; ein gesicherter Lärmeinfluss über die Zeit lässt sich aus<br />

den Ergebnissen kaum ableiten. Die Autoren folgern, dass damit das gesundheitliche Risiko<br />

der Nachtlärmexponierten als erhöht betrachtet werden muss, 'wobei die chronische<br />

Exposition so lange als gesundheitsgefährdend gelten muss, wie nicht das Gegenteil erwiesen<br />

ist'. Man kann nicht einfach aus dem in der Literatur angegebenen Wirkungsspektrum<br />

von pathologischen Cortisolwerten auch bei geringfügigen Erhöhungen oder Unterschieden<br />

zwischen Populationen auf diabetogene Wirkungen, Magengeschwüre, Veränderungen<br />

der Immunlage des Menschen schließen [Maschke et al. 1997b].<br />

Carter et al. [1994a] fand bei Einwirkung von Flug- und Lkw-Geräuschen in der Nacht<br />

zwischen 65 und 72 dB(A) gegenüber Ruhenächten keine Unterschiede in der Katecholaminausscheidung<br />

im Urin. Babisch et al. [1996] beschrieben bei Frauen in verkehrsbelasteten<br />

Wohngebieten einen Anstieg der Noradrenalinausscheidung in der Nacht, aber keine<br />

Veränderung des Adrenalins, wobei insbesondere auf die Beziehungen zur subjektiven<br />

Lärminterpretation hingewiesen wurde.<br />

In den sehr umfangreichen Laboruntersuchungen des Deutschen Zentrums für Luft- und<br />

Raumfahrt e.V. [Basner et al. 2001] konnten bisher keine Beziehungen zwischen Maximalpegel<br />

(50 – 80 dB(A)) und/oder Ereignishäufigkeit (4 – 128) in der Nacht am Ohr des<br />

Schläfers zu Adrenalin-, Noradrenalin- oder Cortisolausscheidung im Urin nachgewiesen<br />

werden. Weitere Ergebnisse zu hormonellen Veränderungen durch Nachtlärm finden sich<br />

im Kapitel 6.<br />

Die zitierten Untersuchungen hatten die unmittelbaren Lärmwirkungen zum Gegenstand.<br />

Noch schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob im Umweltbereich und am Tag unter<br />

höheren Lärmpegeln veränderte Hormonspiegel vorhanden sind, da eine Vielzahl von Einflussfaktoren<br />

zu berücksichtigen sind. Evans et al. [1995, 1998] berichten über hormonelle<br />

und psychische Veränderungen bei Kindern durch Lärm in der Umgebung des alten und<br />

neuen Münchener <strong>Flughafen</strong>s. In der ersten Publikation [Evans et al. 1995] wurden die<br />

Ergebnisse einer Querschnittsuntersuchung bei 135 Kindern im Alter von etwa 10 Jahren<br />

aus stark (Leq = 68 dB(A)) und schwächer (Leq = 59 dB(A)) lärmbelasteten Gebieten mitgeteilt.<br />

In einer zweiten Untersuchung [Evans et al. 1998] wurden 217 Kindern aus den gleichen<br />

Gebieten vor der Schließung bzw. Einrichtung des <strong>Flughafen</strong>s sowie 6 und 18 Mona-


142<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 142<br />

te nach der Schließung bzw. Inbetriebnahme physiologisch und psychologisch untersucht.<br />

Dabei wurden auch hormonelle Veränderungen beschrieben. Adrenalin, Noradrenalin sowie<br />

Cortisol (Tab. 8.1) wiesen nach der Einrichtung des <strong>Flughafen</strong>s Steigerungen zwischen<br />

25 und 100 % und mehr auf.<br />

Tab. 8.1: Cortisol-Veränderungen bei 217 Kindern in lärmbelasteten und ruhigen Gebieten in zeitlichem Zusammenhang<br />

mit der Eröffnung des <strong>Flughafen</strong>s, in Klammern Standardabweichung [Evans et al. 1998].<br />

Cortisol [[[[µg/h]]]] vor Intervention 6 Monate nach 18 Monate nach<br />

Lärmbelastete Kinder 355,8 (189,3) 435,9 (538,9) 514,4 (689.3)<br />

Kinder in ruhigen Gebieten 330,5 (189,3) 237,3 (614,7) 377,7 (288,9)<br />

Auffällig – nicht nur für diese Untersuchungen – sind die erheblichen Streubereiche, die<br />

z. B. für das Cortisol größer sind als die Mittelwerte. In der Medizin geht man davon aus,<br />

dass ein Parameter mit einer Streuung über 25 % des Mittelwertes für eine Population nur<br />

sehr begrenzt als Beanspruchungsparameter zum Nachweis einer Einwirkung zu verwerten<br />

ist. Während für die Situation vor Eröffnung des <strong>Flughafen</strong>s sich die Standardabweichungen<br />

im üblichen Rahmen bewegen, verdreifachen sich die Standardabweichungen teilweise<br />

in den anderen Situationen, was die Frage nach methodischen Problemen aufwerfen muss.<br />

Es muss auch die höchste Differenz dieser Untersuchungen, die bei den Kindern im ruhigen<br />

Gebiet zwischen 6 und 18 Monaten nach Inbetriebnahme im Cortisol mit 140,4 µg/h<br />

auftrat, berücksichtigt und interpretiert werden (Tab. 8.1).<br />

In der Umgebung des militärischen <strong>Flughafen</strong>s Lechfeld/Bayern wurden ebenfalls lärmbelastete<br />

Kinder untersucht [Ising et al. 1999, Harder et al. 1999]. 24 Kinder wurden als<br />

durch militärischen Fluglärm belastet eingestuft, 16 bildeten die Kontrollgruppe. Es konnten<br />

akut keine signifikanten Veränderungen hinsichtlich der Cortisol- wie auch der Katecholaminausscheidung<br />

gefunden werden. In der Tendenz sind bei den fluglärmbelasteten<br />

Kindern geringere Ausscheidungsmengen von Cortisol und Katecholaminen feststellbar ,<br />

allerdings bei deutlich verändertem Flugbetrieb.<br />

Fruhstorfer et al. [1990] beschallten Probanden während des Tages mit 85 dB(A) über 12<br />

Stunden. Sie fanden eine signifikante Erhöhung des Oxytocins, eine Erhöhung des Adrenalins<br />

in den ersten 6 Stunden, eine Verringerung des Noradrenalins, aber keine signifikanten<br />

Veränderungen des ACTH und des Cortisols. In der folgenden Nacht wurde keine verstärkte<br />

Ausscheidung der Katecholamine und der Hypophysen-Nebennierenrindenhormone<br />

festgestellt. Kastka et al. [1999] konnten keinen Zusammenhang zwischen der Belastung<br />

durch Fluglärm (bis zum mittleren Lmax von 68 dB(A)) und der Cortisolausscheidung im<br />

Urin feststellen. Es wurde auch kein Zusammenhang zwischen Cortisol und Belästigung<br />

durch den Überflug gefunden.<br />

Cavatora et al. [1987] beschrieben bei Arbeitern mit einem Lärmpegel von > 90 dB(A) in<br />

der Mitte der Früh- und Spätschicht einen höheren Serumkatecholaminspiegel, jedoch keinen<br />

erhöhten Cortisolspiegel gegenüber Arbeitern unter 78 dB(A).


143<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 143<br />

Luong et al. [1996] verglichen Lärmarbeiter, die Pegeln von 93 – 100 dB(A) ausgesetzt<br />

waren, mit solchen, die unter Pegeln von 71 – 75 dB(A) arbeiteten. Die Katecholaminausscheidung<br />

stieg signifikant an. Cortisol erhöhte sich nur geringfügig, durch Gehörschutz<br />

konnte eine Verringerung der Katecholaminauscheidung festgestellt werden. Iwamoto et<br />

al. [1988] fanden bei Einwirkungen von 100 bzw. 90 dB(A) keine Hormonveränderungen.<br />

Rebentisch et al. [1994] schlossen, dass für endokrine Wirkungen des Lärms Pegel von<br />

mehr als 90 dB(A) erforderlich seien. Erst bei 110 dB(A) gab es eindeutigere Ergebnisse.<br />

Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.<br />

In Tab. 8.2. sind Ergebnisse von Studien aufgeführt, bei denen die Katecholamine Adrenalin<br />

(A) und Noradrenalin (NA) und das Nebennierenrindenhormon Cortisol (oder dessen<br />

Derivate) unter Lärmeinwirkung bestimmt wurden. Die Studien sind von ihrem Design her<br />

sehr unterschiedlich, es handelt sich um Labor- und um Felduntersuchungen; es wurden<br />

die Auswirkungen von Arbeits- oder von Verkehrslärm untersucht; Zeitdauer und Pegel<br />

der Lärmbelastung waren sehr unterschiedlich, die Untersuchungen waren teils tags, teils<br />

nachts vorgenommen worden, Bestimmungen der Hormone erfolgten aus dem Blut oder<br />

aus dem Urin. Diese Tabelle sagt nur etwas darüber aus, ob unter Lärm überhaupt eine<br />

Wirkung festgestellt wurde.<br />

Tab. 8.2: Katecholamin - und Cortisolveränderungen bei Industrie- und Verkehrslärm in Labor- und Felduntersuchungen<br />

(A: Adrenalin, NA: Noradrenalin). ∅ nicht untersucht = gleichbleibend, ( ) nicht signifikante<br />

Veränderungen<br />

Katecholamine<br />

Autoren Jahr Bedingungen dB(A) A NA Cortisol<br />

Osada et al. 1969 Straße, Industrielärm Lmax = 60 = = ∅<br />

Atherley et al. 1970 Fluglärm/Schreibmaschine<br />

7 Stunden an 3 Tagen<br />

95 ∅ ∅<br />

Slob et al. 1973 9-17 Uhr an 2 Tagen, Urin 80 ( ) = =<br />

Brandenberger et al. 1977 8 Pers. 2h versch. Lärm, Labor 84 - 105 ∅ ∅ =<br />

Manninen & Aro 1979 Arbeitslärm, Tagesverlauf,<br />

292 Pers.<br />

>85 ∅<br />

Lundberg & Fran- 1979 Labor, 50min,<br />

70 - 105 = = =<br />

kenhaeuser<br />

mit und ohne Kontrolle<br />

Follenius et al. 1980 10-12 Uhr alle 30 sec. 45 und 99 = = ( )<br />

Ising et al. 1980 7 h psych. Belastung und<br />

Lärm<br />

80 zu 50 = ∅<br />

Sato et al. 1980 Kont./Kurzzeitlärm, Labor 100 ∅ ∅ =<br />

Rai et al. 1981 Arbeitslärm 80 - 107 ∅ ∅<br />

Iwamoto et al. 1988 Labor 100 / 90 = = =<br />

Andren et al. 1983 Industrie, 20 min. 40 / 90 = = =<br />

Ising 1983 4 Tage 8.00 - 14.30 Uhr<br />

Verkehrslärm<br />

50 / 60 = ∅<br />

Bolm-Audorff 1985 Arbeitslärm, epidemiol. 83 - 97 ∅ ∅ =<br />

Babisch & Ising 1986 Straßenlärm 51 - 70 ∅ ∅<br />

Cavatorta et al. 1987 Industrielärm bis 96 ( ) ( ) =<br />

Cavatorta et al. 1987 Straßenlärm 51 - 70 ∅ ∅ =<br />

Iwamoto et al. 1988 15 min. Labor 60 - 100 ∅ ∅ =<br />

Fruhstorfer et al. 1990 9-21 Uhr, Industrie<br />

2. und 3. Tag<br />

85 ( ) =<br />

Ising et al. 1991 Überfluglärm, 1min 105 bzw. 125 = = =


Tab. 8.2: Fortsetzung<br />

144<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 144<br />

Katecholamine<br />

Autoren Jahr Bedingungen dB(A) A NA Cortisol<br />

Maschke 1992 16 Nächte; 16/ 32/ 64 mal 55/ 65/ 75 ∅<br />

Curio & Michalak 1992 Fluglärm 105 bzw. 125 = = =<br />

Schulte & Otten 1993 Tiefflug und ohne Tiefflug > 105<br />

Carter et al. 1994a 50LKW/Fluglärm<br />

4 Nächte<br />

Lmax = 72 = = ∅<br />

Dugue et al. 1994 Labor, Industrielärm<br />

30 min<br />

85 ∅ ∅ ( )<br />

Carter et al. 1994b Herzpatienten, 4 Nächte 65 – 72 = = ∅<br />

Evans et al. 1995 Kinder ruhiges und lautes 59 / 68 =<br />

(Fluglärm), Wohngebiet<br />

Maschke et al. 1995 Fluglärm 29 - 45 ∅ ∅<br />

Melamed & Bruhis 1996 Arbeitslärm 55 / 65 ∅ ∅<br />

Sudo et al. 1996 Arbeitslärm 71–75/93-100 ( ) ( ) ( )<br />

Babisch et al. 1996 Verkehrslärm/Wohnung 45 - 75 = ∅<br />

Luong et al. 1996 Industrielärm 71–75/93-100 ( ) ( ) =<br />

Ising 1998 Straßenlärm, 2 Nächte 45 / 53 - 69 =<br />

Miki et al. 1998 2 Nachmittage, psychisch 90 ( ) = =<br />

und Lärm<br />

Evans et al. 1998 Kinder, Fluglärm 53 / 62 =<br />

Kastka et al. 1999 Fluglärm, Anwohner 35 – 76 ∅ ∅ =<br />

Ising 1999 Fluglärm 56/70 //max.<br />

90 - 100<br />

= = =<br />

Braun 1999 Straßenlärm<br />

45 / ∅ ∅<br />

beim Öffnen der Fenster 53 - 69<br />

Evans et al. 2001 Verkehrslärm, Kinder 50 bis max 57<br />

60 / max 74<br />

= = ( )<br />

Evans & Johnson 2000 Bürogeräusche Leq 55<br />

max. 65<br />

= =<br />

Ising & Ising 2001b Kinder, Lkw-Lärm < 53 / > 54 ∅ ∅ =<br />

Basner et al. 2001 64 Vpn.,<br />

Lmax 50- 80 = = =<br />

832 Schlaflabornächte<br />

Leq 30 57<br />

Haines et al. 2001 Kinder, Schulen < 57 / > 66 ∅ ∅ =<br />

Siegmann et al. 2001 Impulslärm 137-168 ( ) ∅<br />

Von den 29 Studien mit Adrenalinbestimmung zeigten 6 eine signifikante, 6 eine nichtsignifikante<br />

Steigerung, wobei 8 eine Lärmeinwirkung >80 dB(A) aufwiesen, 1 nachts durchgeführt<br />

wurde und 2 zusätzlich psychische Belastungen forderten. 17 Studien beschrieben<br />

ein Gleichbleiben oder Absinken des Adrenalins. Ähnlich waren die Ergebnisse für Noradrenalin:<br />

8 signifikante und 4 nichtsignifikante Erhöhungen, 17 Untersuchungen zeigten<br />

ein annäherndes Gleichbleiben des Noradrenalins.<br />

Fast alle Untersuchungen mit Veränderungen der Katecholamine waren 'akute' Untersuchungen<br />

bis zur Dauer einer Arbeitsschicht. Wurden Untersuchungen an mehreren Tagen<br />

durchgeführt, kam es meist nach anfänglichem Anstieg zu einem Abfall.<br />

Von den 34 Studien mit Cortisolbestimmung unter Lärm führten 7 zu einer signifikanten<br />

und 3 zu einer nichtsignifikanten Erhöhung, 21 beschrieben ein weitgehendes Gleichbleiben,<br />

3 eine Senkung des Cortisols. Von den 10 Steigerungen waren 5 Studien mit Lärm<br />

über 80 dB(A).


145<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 145<br />

Zusammenfassend ist die Frage, ob es bei alltäglichen, immer wiederkehrenden Einwirkungen<br />

von Verkehrsgeräuschen zu relevanten Hormonveränderungen kommt,<br />

mit dem gegenwärtigen Wissensstand nicht eindeutig zu beantworten. Dies wird auch<br />

durch die in Tabelle 8.2 zusammengestellten Ergebnisse unterstrichen. Weitere Untersuchungen<br />

zu hormonellen Langzeitwirkungen von Lärm unter kontrollierten Bedingungen<br />

vor allem unter üblichen Lebensverhältnissen sind zweifellos – unter sorgfältigster Beachtung<br />

der Bestimmungsmethoden – erforderlich. Wenn Maschke et al. [1998] zur Feststellung<br />

kommen, dass es 3 Typen von Cortisolreaktionen auf Lärm gibt: Anstieg, Abfall,<br />

Gleichbleiben, dann widerspiegelt das weitgehend den gegenwärtigen Kenntnisstand.<br />

Eine zweite wichtige Frage ist, welche pathophysiologische Bedeutung evtl. auftretende<br />

Veränderungen hormoneller Parameter unter chronischer, alltäglicher Schalleinwirkung<br />

haben.<br />

Eine Hypothese in der Wirkungsforschung ist, dass die durch chronische Lärmeinwirkung<br />

hervorgerufenen Cortisolerhöhungen pathophysiologische, krankmachende Bedeutung<br />

durch die in Kapitel 3 genannten Möglichkeiten haben. Lärm ist ein Stressor, deshalb ist<br />

diese Frage nur unter Einbeziehung anderer Stressuntersuchungen möglich.<br />

Zweifelsohne ist eine Hypercortisolämie, eine andauernde Erhöhung des Cortisolspiegels<br />

im Blut, ein pathologischer Zustand. Eine akut produzierte Hypercortisolämie, z. B. durch<br />

Pharmaka [Samra et al. 1998], bewirkt sofortige Einflüsse auf die Regulation der Lipolyse<br />

(Anstieg von Glycerol und freien Fettsäuren im Blut). Dabei ist aus physiologischer Sicht<br />

besonders auf die recht kurzfristige Cortisolwirkung hinzuweisen. Bei den Untersuchungen<br />

von Samra et al. [1998] erfolgte nämlich bei gesunden Probanden randomisiert eine 11stündige<br />

intravenöse Dauerinfusion von Hydrocortisol, so dass eine mittlere Plasmakonzentration<br />

von 1 500 nmol/l gegenüber Normalwerten von 335 nmol/l, also eine 4 bis 5fache<br />

Erhöhung, vorlag. Lipolytische Prozesse im subkutanen abdominalen Fettgewebe<br />

einerseits und im Gesamtkörper (Fettsäure-, Glycerolkonzentration im Blut) andererseits<br />

wurden über einen Zeitraum von 1,5 Tagen mit einer Nachtschlafphase gemessen. Der<br />

derart manifestierte akute Hypercortisolismus bewirkte z. B. sofort eine signifikante Verdoppelung<br />

der Glycerolkonzentration im Blut und eine vergleichbare Abnahme der<br />

Abgabe freier Fettsäuren aus dem abdominalen Fettgewebe. Bei chronischem Hypercortisolismus<br />

findet man eine Zunahme des abdominalen Fettgewebes einerseits; erhöhte<br />

Blutfettwerte mit der Gefahr der Arteriosklerose und des Myokardinfarkts andererseits.<br />

Über Wochen und Monate vorgenommene Tierversuche ohne massive, durch Pharmaka<br />

induzierte Cortisolerhöhungen zeigten bisher uneinheitliche Ergebnisse. Es überwiegt das<br />

Gleichbleiben oder sogar die Abnahme des Cortisols in Belastungsphasen. Noch uneinheitlicher<br />

sind die Untersuchungen bei Menschen mit chronischem Stress. Ockenfels [1995]<br />

fand bei Arbeitslosigkeit als Modell für chronischen Stress keine Unterschiede in der Gesamtkonzentration<br />

von Cortisol und dessen Reaktivität auf alltägliche Stressoren, jedoch<br />

ein anderes Tagesprofil. Bestimmte stressrelevante Erkrankungen wie das chronische Erschöpfungssyndrom,<br />

das Burnout, bestimmte chronische Schmerzzustände sind mit einer<br />

Verminderung des Cortisols und einer geringeren Reaktivität auf Belastungen verbunden<br />

[Heim et al. 2000].


146<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 146<br />

Häufig wird bei der Erklärung krankmachender Prozesse die Cortisolwirkung auf die Immunfunktion<br />

in den Mittelpunkt gestellt. Ader und Cohen [1991] fassten die auch heute<br />

noch gültigen Erkenntnisse zu diesem Thema zusammen, indem sie feststellten:<br />

• Es gibt keine direkte Beziehung vom Ausmaß der stressinduzierten Veränderung der<br />

Immunfunktion und der endogenen Erhöhung der Glukocortikoide.<br />

• Die endogene Freisetzung von Cortisol ist nicht notwendigerweise mit Veränderungen<br />

der Immunfunktion verbunden.<br />

• Stressinduzierte Veränderungen in irgendeinem Parameter der Immunität können auch<br />

bei keiner Erhöhung von Cortisol beobachtet werden.<br />

• Die Effekte von Stress auf die Immunität lassen sich auch bei Tieren ohne Nebennierenrinde,<br />

die das Cortisol produziert, feststellen.<br />

Wilckens [1995] kommt zur Feststellung, dass die Rolle der Glucocorticoide, z. B. des<br />

Cortisols 'zumindest was endogenes Cortisol in physiologischen Konzentrationen betrifft<br />

... nicht als immunsuppressiv (Unterdrückung der Immunantwort) sondern als notwendige<br />

Voraussetzung für eine koordinierte Immunantwort einzustufen' ist. Es ist also wichtig,<br />

zwischen einer Wirkung des Cortisols als physiologischer Gegenregulation u. a. gegen<br />

überschießende immunologische Antworten, einer krankhaften sowie durch Pharmaka<br />

ausgelösten Immunsuppression zu unterscheiden. Die Hypophysen-Hypothalamus-Nebennierenrindenachse<br />

(HHNA) mit Cortisolausscheidung wird auch durch krankheitsbedingte<br />

Entzündungsparameter aktiviert. Mindestens 10 verschiedene Zytokine lösen eine endokrine<br />

Reaktion aus und erlauben dadurch den Tieren das Überleben [Beredovsky & Del Rey<br />

2002]. Das Immunsystem wirkt nicht nur auf die HHN-Achse, sondern auch auf Cortex<br />

und limbisches System [Schauenstein et al. 2001]. Vertreter der Schädigungstheorie durch<br />

Erhöhung des Cortisols beschrieben kürzlich einen Anstieg von Asthmaerkrankungen<br />

durch Lärm [Maschke & Wolf 2000, Ising & Ising 2001b]. Doch gerade bei diesen Erkrankungen,<br />

die zu dem atopischen Formenkreis gehören, fanden Buschke-Kirschbaum<br />

[2001] und andere Autoren auf Belastungen einen deutlich reduzierten Cortisolspiegel.<br />

Andererseits wird den Glucocorticoiden eine Bedeutung im Alterungsprozess zugewiesen.<br />

McEwen [1998] formulierte die Glucocortikoidkaskade als eine Hypothese des Alterns.<br />

Erhöhte Glucocorticoide bei älteren Ratten würden sich toxisch auf bestimmte Nervenzellen<br />

im Hippocampus auswirken, die wiederum diese erhöhte Glucocortikoidausscheidung<br />

unterhalten. Beim Menschen ist das bisher nicht nachzuweisen. Auch die tatsächlich vorhandenen<br />

Unterschiede der Cortisolreaktionen mit dem Altern, insbesondere bei über 70jährigen,<br />

sind noch unklar hinsichtlich ihrer pathogenen Bedeutung [Dodt et al. 1995].<br />

Eine deutlich zu hohe oder zu niedrige Ausscheidung von Cortisol (Hyper- bzw. Hypocortisolismus)<br />

stellen dagegen ernste Krankheitsbilder dar (Cushing-Syndrom, Morbus Addison).<br />

Solche hohen Cortisolspiegel treten jedoch als belastungsbedingte Veränderungen<br />

nicht auf. Deshalb ist aus den Wirkungen solch hoher Cortisolspiegel nicht auf gleiche<br />

Effekte wie bei Niveauverschiebungen im Normbereich zu schließen.


147<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 147<br />

Die Interpretation, dass Lärm zu Cortisolerhöhungen und diese zu Krankheit führen, ist<br />

eine Betrachtungsweise, die zur Einseitigkeit in der Erkenntnisgewinnung beiträgt. Dies<br />

wird als 'linearkausaler Monopolismus' [Hennigsen 1993], als 'Forschungsreduktionismus'<br />

oder 'paradigmatische Krise im Stressbereich' [Prines zitiert bei Schubert 1998] bezeichnet.<br />

Die psychoneuroimmunologischen Forschungen verdeutlichen ganz besonders, dass nicht<br />

eine einzelne Veränderung aus einem in seiner ganzen Komplexität erst wenig erfassten<br />

homöostatischen Netzwerk herausgerissen und interpretiert werden kann. Seit einiger Zeit<br />

ist in der Medizin ein Durchbruch [Solomon 1993] zu verzeichnen, der eine gänzlich andere<br />

Herangehensweise der Interpretation belastungsbedingter Veränderungen zum Inhalt<br />

hat. Von der Sichtweise nebeneinander und unabhängig funktionierender Systeme geht der<br />

gegenwärtige Forschungsschwerpunkt und die weitere Entwicklung zu einer integrativen<br />

Sichtweise miteinander funktionierender Systeme. Zum anderen sind Katecholamin- oder<br />

Cortisolreaktionen sehr selten 'generalisiert'; die verschiedenen Organe können sehr unterschiedlich<br />

auf den gleichen Stimulus reagieren, verschiedene Stimuli haben verschiedene<br />

Aktivationsmuster. Deshalb führt die simple Interpretation einzelner Parametern zu erheblich<br />

falschen Aussagen [Hjemdahl zitiert bei Theorell 1994]. Es trifft nicht nur für die Bewertung<br />

der Folgen von Lärm zu, dass Risikobewertung die dynamischen und prozessorientierten<br />

Interaktionen zu berücksichtigen hat, sonst besteht unser Leben nur noch aus diskutierten,<br />

nicht mehr überschaubaren aber tatsächlich kaum vorhandenen Gefährdungen.<br />

Verallgemeinerungen von geringgradigen, unter Lärmeinfluss gefundenen Veränderungen<br />

der Katecholamine und des Cortisols sind hinsichtlich der Gesundheitsgefährdung mit Zurückhaltung<br />

zu betrachten, wobei auch die aufgeführten methodischen Probleme keine<br />

geringe Rolle spielen. Das sieht inzwischen auch Maschke so. Auf einem Kolloquium zu<br />

'Nachtfluglärmwirkungen' im Juni 2000 in Neufahrn folgert er aus seinen sehr umfangreichen<br />

Untersuchungen, dass die bisher praktizierte Cortisolbestimmung aus dem Sammelurin<br />

in der Nacht kein geeigneter Parameter zur Beurteilung von Lärmwirkungen ist.<br />

Für die Lärmwirkungsforschung ist aus dem bisher Dargelegten und aus weiteren Untersuchungen<br />

zu schließen, dass der Parameter 'Cortisolkonzentration' beim gegenwärtigen<br />

Stand der wissenschaftlichen Forschung und praktischen Erkenntnis nicht zum entscheidenden<br />

Kriterium für die Festlegung von Grenzen der Lärmeinwirkung zur Vermeidung<br />

einer Gesundheitsgefährdung herangezogen werden kann. Als zusätzliches Kriterium zur<br />

Festlegung präventiver Bewertungsgrenzen können lärmbedingte Cortisoluntersuchungsergebnisse<br />

herangezogen werden, die Katecholamine sind dafür nicht zu verwenden.<br />

Bisher standen die Hormone im Vordergrund der Betrachtung, weil sie gegenwärtig in der<br />

Lärmwirkungsforschung als pathophysiologischer Mechanismus am umfangreichsten diskutiert<br />

werden.<br />

Auch Stoffwechselveränderungen können als Risikomechanismen für Krankheitsprozesse<br />

bei Lärm angesehen werden, die aufgrund der sympathikotonen Wirkung und Aktivitätsveränderung<br />

von Hormonen ausgelöst werden können. Die akuten, unmittelbaren Einwirkungen<br />

gehen meist in die gleiche Richtung wie ein atherogenes Risiko. Es kann zu Veränderungen<br />

der Viskosität des Blutes, der Zusammenballungsfähigkeit der Thrombozyten,


148<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 148<br />

zur Erhöhung von Cholesterol und anderen Fettstoffwechselparametern, zur Erhöhung des<br />

Fibrinogens und der Glukose im Blut u. a. kommen (siehe Kap. 3). All diese Veränderungen<br />

werden auch durch andere, aktivitätserhöhende Einflussfaktoren evoziert. Solche<br />

Stoffwechselveränderungen werden als Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen<br />

bezeichnet. Besser wäre die Bezeichnung Risikoindikatoren, da sie ein Risiko anzeigen,<br />

aber offen lassen, wodurch dieses erzeugt wird. Ihre Bedeutung für langfristige Veränderungen<br />

unter anhaltendem, ständig wiederkehrendem Lärm mittlerer Pegel ist jedoch weitgehend<br />

unklar (siehe oben).<br />

So ist es nicht verwunderlich, dass eindeutige, statistisch signifikante, wiederholbare Wirkungen<br />

von Lärm auf diese Parameter bei Langzeitexponierten kaum nachzuweisen sind.<br />

Die Speedwell- und Caerphilly-Studien wurden bereits angeführt. In Bild 8.4 werden die<br />

relativen Risiken der pathophysiologisch möglicherweise relevanten Stoffwechsel- und<br />

Blutparameter im Vergleich der beiden Lärmgruppen (Lärmbelastung von 66 – 70 dB(A)<br />

zu solchen mit 51 – 55 dB(A)) und der beiden Studienpopulationen aufgeführt. Es zeigten<br />

sich hinsichtlich all dieser genannten Parameter keine signifikant einheitlichen Verände-<br />

rungen, obwohl die Methodik weitgehend identisch war. Die Odds Ratios, Maß für das<br />

Risiko, für Glucose, Leukozytenzahl, Fibrinogen, HDL-Cholesterol, Gesamt-Cholesterol,<br />

systolischer Blutdruck weisen in beiden Studien entgegengesetzte Tendenzen auf.<br />

Bild 8.4 Klinisch-chemische und vegetative Veränderungen in Abhängigkeit von der Lärmbelastung in der<br />

Nähe von Flughäfen (zusammengefasst nach Babisch et al. [1993a, b]).<br />

Bei Lärmarbeitern wurden in einem höheren Maße Stoffwechsel-, insbesondere Fettstoffwechselveränderungen,<br />

gegenüber geringer Lärmbelasteten gefunden [Belli et al. 1984,<br />

Melamed & Bruhis 1996]. Dugué et al. [1994] beschrieben dagegen keine Unterschiede.<br />

Es ist methodisch sehr schwierig, bei den vielen Einflussfaktoren auf den Stoffwechsel<br />

eine eindeutige Aussage zur Lärmwirkung zu machen.<br />

Dabei spielt bei diesen Wirkungen (Kap. 3, 7), nicht nur der physikalische Schallpegel,<br />

sondern dessen subjektive Interpretation als Lärm eine Rolle. Es ist nicht von der Hand zu<br />

weisen, dass solche subjektiven Merkmale auch mit Stoffwechselveränderungen einher


149<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 149<br />

gehen können. So wird z. B. als Verbindungsglied zwischen Depression und dem vermehrten<br />

Auftreten ischämischer Herzkrankheiten die Thrombozytenveränderung angesehen.<br />

Beim Umweltlärm besteht wie in anderen Bereichen mit geringen Belastungsdosen zunehmend<br />

das Problem, dass die Ansprüche an das Verständnis komplexer physiologischer<br />

und pathophysiologischer Prozesse ebenso steigen wie die Rolle des Individuums und des<br />

Individuellen. Für den Einzelnen lassen sich Wirkungen keinesfalls prognostisch vorhersagen<br />

[Schauenstein et al. 2001]. Deshalb ist es von grundlegender Bedeutung für die Lärmwirkungsforschung,<br />

• keine isolierte Lärmwirkungsbewertung vorzunehmen, ohne diese in die gesamte Belastungsforschung<br />

und deren Ergebnisse einzuordnen,<br />

• keine isolierte Parameterdiskussion als Risiko zu führen, sondern sie einzuordnen in<br />

das gesamte Wirkungsgefüge einer Anpassung oder Fehlanpassung.<br />

Für die Wertung von Wirkungen des Lärms bedeutet dies, folgende grundlegende Aussagen<br />

zu berücksichtigen:<br />

− Die Grenzen zwischen Anpassung und Fehlanpassung, die zur Krankheit führen, sind<br />

fließend und hängen von vielen Faktoren ab. Deshalb ist eine Grenzwertfindung von<br />

möglichen pathologischen Folgen nicht nur eine wissenschaftliche Frage, sondern auch<br />

eine des politischen Ermessens und Abwägens verschiedener Risiken.<br />

− Innerhalb des Gleichgewichts und damit des optimalen Ablaufs von Organfunktionen<br />

und psychischen Prozessen treten Schwankungsbreiten auf, die durchaus statistisch signifikant<br />

sein können, aber für Krankheit noch für Gesundheit im o. g. Sinne relevant<br />

sind. Gleichgewicht ist kein statischer Zustand, sondern ein aktiver Prozess.<br />

− Klinisch-chemische Normbereiche, die unter Ruhebedingungen aufgestellt worden sind,<br />

wie das bei den meisten medizinischen Normwerten erfolgte, können durch Belastungen/Anforderungen<br />

überschritten werden, ohne dass dies Krankheitscharakter hat. In<br />

der Medizin werden für die Bestimmung von gesund – krank, normal – pathologisch<br />

meist statistische, an 'Normpopulationen' gewonnene Einzelparameter verwendet, die<br />

mit den klinisch-anamnestischen Befunden zu einem Krankheitsbild zusammengefasst<br />

werden. Doch heißt das Überschreiten dieser Normwerte nicht 'krank sein', 'pathologisch',<br />

'gefährlich'. Für Quecksilber im Blut wird laborchemisch z B. ein Normalbereich<br />

von > 5 µg/l angegeben, bei Amalgamträgern von 8 µg/l. Die eigentliche Schädigungsgrenze<br />

verkörpert der Biologische Arbeitsstofftoleranzwert, bei dessen Unterschreitung<br />

für den Einzelnen keine Gefährdung wahrscheinlich ist, und der liegt bei 50 µg/l.<br />

− Nicht das mögliche negative Erscheinungsbild der Veränderung von Organfunktionen<br />

(die sich aus den Normbereichen bewegen) und/oder das negative Erleben von Anforderungen<br />

und/oder die ungünstige Beeinflussung sozialer Verhaltensweisen an sich sind<br />

die entscheidenden Kriterien für Beeinträchtigung der Gesundheit, sondern die Dauer<br />

dieser Veränderungen und die Änderbarkeit dieses Zustandes (Verzögerung oder Ausbleiben)<br />

in Richtung einer 'Normalisierung'.<br />

Zweifelsohne kann Lärm zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen, auch wenn die<br />

Mechanismen nicht bekannt sind bzw. nur vermutet werden. Deshalb müssen lärmmin-


150<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 150<br />

dernde Strategien prinzipielle gesellschaftliche Strategien sein. Doch kann das nicht mit<br />

Unsachlichkeit, Risiko und Fehlinformationen verbunden werden, weil dadurch nicht nur<br />

das Risiko steigt, sondern auch die Glaubhaftigkeit der Wissenschaft sinkt.<br />

8.2.2 Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

Da sich die Lebenserwartung in den industrialisierten Ländern beträchtlich erhöht hat, stehen<br />

heute Herz-Kreislauferkrankungen an der Spitze der Mortalitätsstatistiken und damit<br />

auch im besonderen Interesse für präventive Maßnahmen. Die langjährige, widersprüchliche<br />

Diskussion zu lärmbedingten Herz-Kreislauferkrankungen führt zu einer erheblichen<br />

Verunsicherung von durch Umweltlärm Betroffenen als auch zu einer vorwurfsgeladenen<br />

Diskussion unter Lärmwirkungsforschern. Deshalb ist eine sachliche, wissenschaftlich<br />

begründete Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen Wissensstand eine unbedingte<br />

Voraussetzung für die Ableitung von Maßnahmen bei Verkehrslärm.<br />

Aufgrund der Komplexität der Wirkungen von Lärm auf den Organismus ist es äußerst<br />

schwierig, fundierte kausale Beziehungen zu Herz-Kreislauferkrankungen nachzuweisen,<br />

zumal die Mehrzahl der bisher vorgelegten Studien methodisch erhebliche Schwächen<br />

aufweist [Kristensen 1989, Morell et al. 1997, Weber 2000, Griefahn 2002].<br />

Am häufigsten werden Bluthochdruck (Hypertonie) und ischämische Herzkrankheiten mit<br />

Lärmeinwirkungen assoziiert. Die methodisch saubersten und auch in Relation zum Umweltlärm<br />

einfacheren wissenschaftlichen Untersuchungen lassen sich bei Arbeitnehmern<br />

realisieren. In der Arbeitstätigkeit werden deutlich höhere Lärmpegel erreicht als im Umweltbereich,<br />

damit auch höhere äquivalente Dauerschallpegel über 24 Stunden; die Populationen<br />

sind einfacher zu erreichen, die Bereitschaft zur Mitwirkung ist weniger verzerrt,<br />

zusätzliche Einflussfaktoren lassen sich besser kontrollieren. Deshalb werden im Folgenden<br />

Ergebnisse aus Arbeits- und Umweltlärm zusammenfassend dargestellt.<br />

8.2.2.1 Hypertonie (Bluthochdruck)<br />

Das Auftreten einer Hypertonie wurde auch in der Lärmwirkungsforschung aufgrund ihrer<br />

pathophysiologischen Relevanz für Schlaganfall und andere Herz-Kreislauferkrankungen,<br />

des häufigen Auftretens in der Bevölkerung und der einfachen Zugänglichkeit der Messung<br />

des Blutdruckes sehr oft untersucht.<br />

In Tabelle 8.3 sind die sehr unterschiedlichen Ergebnisse epidemiologischer Untersuchungen<br />

zur beruflichen Lärmbelastung und Hypertonie sowie zur Blutdruckhöhe (keine Diagnose<br />

Hypertonie) dargestellt (ergänzt und überarbeitet wurde eine Tabelle aus Seidel<br />

[1996]), wobei hier auf die besonders hohe Lärmbelastung hinzuweisen ist.<br />

Wenn Lärm ursächlich zu Herz-Kreislauferkrankungen führt oder beiträgt, dann ist eine<br />

Dosis-Wirkungsbeziehung zu erwarten. Je höher die Dosis, desto eindeutiger müsste die<br />

Beziehung zu einer bestimmten Erkrankung sein. Deshalb sind die berufsbezogenen, epidemiologischen<br />

Untersuchungen ausgesprochen wertvoll, weil man sehr hohe Schallpegel<br />

und erhebliche Pegelunterschiede findet.


151<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 151<br />

Tab. 8.3: Berufliche Lärmbelastung und Hypertonie / Blutdruck (Bd). PVR = Prävalenzrate, OR = Odds ratios,<br />

BMI = Body Mass Index (Erläuterung im Text).<br />

Studie Lärmbelastung<br />

Leq (dB(A))<br />

1. Malchaire & Mullier<br />

[1979]<br />

Hypertonie/<br />

Blutdruck<br />

(PVR/ OR)<br />

> 92 kein Effekt Alter, Schwerhörigkeit,<br />

Exposition 2-30 Jahre<br />

kontrollierte Variablen<br />

Besonderheiten<br />

2. Talbott et al. [1985] > 85 kein Effekt soziale Unterstützung, Alter, BMI,<br />

Exposition > 20 Jahre<br />

3. Brini et al. [1983] > 80 0,9 Alter<br />

> 90 Impuls 1,9<br />

4. Belli et al. [1984] 86 – 108 1,3 Alter, Rauchen, Triglyceride, Glucose<br />

5. Idzior-Walus [1987] 105 – 116 3,7 Alter, Sozialstatus, erbliche Belastung, Rauchen,<br />

Hypercholesterinämie, (BMI, Triglyzeride<br />

in Expo-Gruppe geringer), Exposition 15,1<br />

Jahre<br />

6. Verbeek et al. [1986] > 80 3,1 Alter,<br />

Vergleich Exposition < 10 vs > 19 Jahre<br />

7. Wu et al. [1996] < 80 vs. > 85 2,4 Alter, BMI, Expositionszeit (7,3 Jahre im<br />

Durchschnitt)<br />

8. van Dijk [1986] 98/85,5 kein Effekt Alter, BMI<br />

9. Vermel et al. [1988] 85 – 105 3,0 keine; zahlreiche Risikofaktoren vorhanden (ca.<br />

4,5 Jahre Follow-up)<br />

10. Talbott & Thompson<br />

[1995]<br />

11. Talijancic & Mustac<br />

[1989]<br />

> 89 kein Effekt Alter, Schwerhörigkeit,<br />

Exposition 29,9 Jahre<br />

90 – 102 Bd höher vergleichbare anthropometrische Faktoren<br />

12. Kontosic et al. [1990] 64 – 72 vs 103 kein Effekt kein Gruppenunterschied für Alter, Körperfett,<br />

Cholesterin, Triglyzeride, Alkohol, Rauchen,<br />

Berufsjahre, seel. Spannung; BMI<br />

13. Milkovic-Kraus [1990] > 85 Bd höher Schwerhörigkeit, Alter, Bildung, Arbeitsbedingungen<br />

14. Mladenovski [1990] > 85-105 kein Effekt Genetik, Bildung, Verhalten<br />

15. Zhao et al. [1991] 75 – 104 1.2 pro 5 dB<br />

1.8 bei 95 dB<br />

16. Green et al. [1991] > 85 < 45 Jahre Bd<br />

>45 Jahre<br />

Alter, erbliche Belastung, Salzkonsum, Berufsjahre,<br />

Exposition 16,2 Jahre<br />

Alter, Arbeitsbelastung, Verhalten<br />

17. Hirai et al. [1991] 85 – 115 kein Effekt keine, Exposition > 10 Jahre<br />

18. Tomei et al. [2000] 92 2,7 keine; keine Gruppenunterschiede für Rauchen,<br />

Cholesterin, BMI, erbliche Belastung, Blutzucker,<br />

Exposition 20,5 Jahre<br />

19. Garcia & Garcia [1992] > 85 kein Effekt keine Stress-Symptome, geringer Alkoholkonsum,<br />

vergleichbar hinsichtlich Fettsucht<br />

20. Lang et al. [1992] 85 – 100 2,6 (p=.06) Alter, BMI, Alkohol [Gruppendiff. für Fließarbeit,<br />

Sozialstatus, Schicht, Zeitdruck], Exposition<br />

> 25 Jahre<br />

21. Passchier-Vermeer<br />

[1993]<br />

> 80 1,7 (s.) Alter, Blutdruck, > 5 Jahre in Arbeit<br />

22. Fogari et al. [1994] < 80 vs >80 1,7 (1,9) Alter, BMI (in Klammern: gematchte Unterstichprobe)


Tab. 8.3: Fortsetzung.<br />

Studie Lärmbelastung<br />

Leq (dB(A))<br />

23. Hessel & Sluis-Cremer<br />

[1994]<br />

individuelle<br />

Messwerte<br />

Hypertonie/<br />

Blutdruck<br />

(PVR/ OR)<br />

152<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 152<br />

kontrollierte Variablen<br />

Besonderheiten<br />

kein Effekt Alter, BMI (Querschnitt + Follow-up)<br />

24. Hessel et al. [1994] < 85; 86-99; kein Effekt Alter, BMI, Medikation, Dauer der Tätigkeit,<br />

> 100<br />

Exposition bis 24 Jahre<br />

25. Zhao et al. [1998] < 75-97 dB(A) 1.2 pro 5 dB Alter, Geschlecht, Kohlenmonoxid<br />

26. Tomei et al. [2000] > 90 höher bei Hörschädigung<br />

Die Zahlen in der Spalte 'Relatives Risiko' der Tabelle, die ein Ausdruck für das Auftreten<br />

einer Hypertonie oder eines erhöhten Blutdruckes (auch im Normbereich) bei Lärmexponierten<br />

im Vergleich zu geringer Lärmexponierten darstellen, bedeuten, dass bei einem<br />

Wert von 1 sowohl bei Populationen mit hoher als auch mit geringer Lärmexposition ein<br />

gleiches Risiko für eine Hypertonie auftritt. Je höher der Wert ist, desto höher ist das Risiko<br />

in der Lärmgruppe in Abhängigkeit der sogenannten Confidenzintervalle (CI), einem<br />

Streuungsmaß der Daten. Wenn die Confidenzintervalle nicht angegeben sind, lässt sich<br />

auch kaum eine Aussage zur statistischen Wertigkeit dieser Angaben machen. Statistisch<br />

relevant sind die Ergebnisse nur dann, wenn diese Confidenzintervalle den Wert 1 nicht<br />

einschließen.<br />

Auch im Umweltbereich sind die Untersuchungsergebnisse sehr different. Untersuchungen<br />

aus den 70er und 80er Jahren zeigten noch häufiger einen Zusammenhang. Statistische<br />

Signifikanz war aber auch da selten.<br />

Knipschild [1980] beschrieb bei Hausfrauen, die äquivalenten Dauerschallpegeln von > 65<br />

dB(A) ausgesetzt waren, von Eiff et al. [1981] bei 931 Personen einen höheren Blutdruck.<br />

1984 konnte Knipschild das nicht mehr bestätigen. Herbold et al. [1989] fand bei Personen,<br />

deren Wohnungen in Straßen mit Pegeln von > 70 dB(A) lagen 31 %, bei < 70 dB(A) 26 %<br />

Hypertoniker. Bellach et al. [1995] gaben basierend auf Fragebögen bei 1 002 Personen ein<br />

erhöhtes Risiko bei Lärm an, ebenso Rosenlund et al. [2001]. Bei Kindern in Gegenden mit<br />

Ldn > 60 dB(A) war der systolische Blutdruck wie auch die Reaktivität der Herzschlagfrequenz<br />

gegenüber Kindern in Gegenden mit < 50 dB(A) höher [Evans et al. 2001]. Maschke<br />

und Wolf [2002] beschrieben eine engere Beziehung der Hypertonierate zum nächtlichen<br />

Lärmpegel, dem weiter nachzugehen ist. Die Autoren fanden bei Überschreiten eines<br />

nächtlichen Dauerschallpegels von 55 dB(A) eine erhöhte Lebenszeitprävalenz der Hypertoniebehandlung<br />

mit einer OR von 1,8 und einer CI von 1,1 – 2,9 [Maschke et al. 2002].<br />

Keinen Einfluss auf den Blutdruck/die Hypertonierate oder niedrigere Werte unter Lärm<br />

zeigten die Untersuchungen anderer Autoren [Altena 1989, Morell et al. 1997, Pulles et al.<br />

1990, Schmeck & Poustka 1993, Schulte & Otten 1993, bei Tieffluglärm Lercher & Kofler<br />

1993]. Nur geringe Erhöhungen des durchschnittlichen Blutdrucks oder keine Veränderungen<br />

fanden Regecova und Kellerova [1995], Evans et al. [1995] sowie Lercher [1995].


153<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 153<br />

Es ist demnach keine abschließende Wertung der Beziehungen zwischen Umweltlärm und<br />

Hypertonie möglich. Diese Einschätzung wird auch durch Babisch [1998a, b] gestützt, der<br />

in seiner Analyse zu Verkehrslärmwirkungen feststellt, dass die epidemiologische Evidenz<br />

für verkehrslärmbedingte Erhöhungen der Hypertonierate sehr gering ist. Erst bei sehr hohen<br />

Schallbelastungen, wie sie in der Umwelt nicht auftreten und wie sie heutzutage auch<br />

an Arbeitsplätzen der Industrieländer selten sind, scheint der Organismus unter bestimmten<br />

Voraussetzungen mit einer dauerhaften Blutdruckanhebung zu reagieren. Bei Schallpegeln,<br />

die in Bereichen um Flughäfen oder anderen Verkehrsgebieten zu erwarten sind, ist<br />

der Zusammenhang zwischen chronischer Lärmeinwirkung am Tag und Hypertonieentstehung<br />

wahrscheinlich überschätzt worden. In einer Übersichtsarbeit zu Umwelteinflüssen<br />

auf den Blutdruck und der Rolle des sympathischen Nervensystems von Pickering [1997],<br />

einem der führenden Hypertonieexperten, wird der Lärm überhaupt nicht erwähnt. Es wurde<br />

die Bedeutung genetischer Faktoren in Kombination mit psychosozialen und Verhaltensfaktoren<br />

betont.<br />

Die Ursachen der Hypertonie sind vielgestaltig und multifaktoriell. Außerdem ist die Hypertonie<br />

in der Bevölkerung weit verbreitet, was eine Zuordnung von Lärm als Ursache<br />

erschwert. So zeigte die Münchener Hypertoniestudie ein Auftreten der Hypertonie bei<br />

Männern von 15 bis 29 Jahren von 20,3 %, bei Männern über 60 Jahren wurden 55,8 %<br />

gefunden. Bei Frauen lagen diese Werte entsprechend bei 4,9 % bzw. 35,9 % deutlich<br />

niedriger (zitiert bei Stark et al. [1998]).<br />

Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass es unterschiedliche Formen auch bei der<br />

essentiellen Hypertonie, der nicht auf organische Ursachen bezogenen Hypertonie, gibt.<br />

Voraussetzung für die Entstehung einer Hypertonie sind neben genetischen Faktoren insbesondere<br />

die Insulinresistenz, wozu weitere Risikofaktoren, wie Ernährung, Alter, Rasse,<br />

Geschlecht, Adipositas, Alkoholkonsum, körperliche Bewegung, Sozialstatus, Rauchen<br />

und Fettstoffwechsel hinzukommen. Insgesamt ist der Blutdruck von komplexeren Faktoren<br />

abhängig als vom Lärm.<br />

Zusammenfassend ist für den Arbeitsbereich festzustellen, dass ein kausaler Mechanismus<br />

zwischen Lärm und Hypertonie (noch) nicht nachzuweisen, eine valide Dosis-Wirkungsbeziehung<br />

bisher nicht abzuleiten ist. Auch für die Beziehungen zwischen Verkehrslärm<br />

und Hypertonie ist kein wissenschaftlich gesicherter Nachweis zu führen. Es bleibt jedoch<br />

die Frage offen, inwieweit durch weitere Risikofaktoren gefährdete Personen durch zusätzlichen,<br />

chronischen Lärm für die Entstehung einer Hypertonie prädestiniert sind, wobei<br />

der Nachtlärm besonders betrachtet werden sollte.<br />

8.2.2.2 Ischämische Herzkrankheit (IHK)<br />

Ähnliche Aussagen gelten für die viel diskutierte Problematik der Verbindung von Lärmeinwirkungen<br />

und ischämischer Herzkrankheit. Hierzu zählen der Herzinfarkt (HI),<br />

Durchblutungsstörungen des Herzens mit entsprechenden EKG-Zeichen in Ruhe und unter<br />

Belastungen, Angina pectoris (Herzschmerzen).


154<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 154<br />

Theriault [1988] fand bei Arbeitern auf der Grundlage eines betriebseigenen Lärmkatasters<br />

in der Aluminiumproduktion eine odds ratio (OR) von 0,93 (Confidenzintervall 0,56 –<br />

1,54) zwischen Lärmbelasteten und geringer Belasteten für HI und Angina pectoris bei<br />

Berücksichtigung einer Vielzahl von beeinflussenden Faktoren. Enderlein et al. [1996]<br />

errechneten bei 252 HI-Patienten und 252 Kontrollen für Pegel von mehr bzw. weniger als<br />

85 dB(A) eine OR von 0,7 (CI 0,45 – 1,12). Aus dem Herzinfarktregister Westsachsen<br />

[Stark et al. 1998] wurde für Arbeitslärm > 85 dB(A) bei Überschreitung tätigkeitsspezifischer<br />

Grenzwerte eine OR unbereinigt von 0,71 (CI 0,46 – 1,1) gefunden. 4 140 Fälle mit<br />

ischämischen Herzkrankheiten wurden aus dem Register der Arbeitsmedizinischen<br />

Tauglichkeits- und Überwachungsuntersuchungen der DDR, 890 359 Kontrollen in 4 verschiedenen<br />

Schallpegelklassen und unterschiedlicher Expositionsdauer gegenübergestellt.<br />

Für Lärm allein ergab sich ein relatives Risiko von 1,0 (CI 0,7 – 1,5), für frühere Lärmexposition<br />

von 0,9 (CI 0,7 – 1,2), für Lärm kombiniert mit Nachtschichtarbeit jedoch von 1,4<br />

(CI 0,8 – 1,2).<br />

Eine überraschend hohe Assoziation zwischen subjektiv eingeschätztem Arbeitslärm und<br />

Herzinfarkt wurde von Ising et al. [1995] beschrieben, doch wurden keinerlei weitere Arbeitsstressoren<br />

berücksichtigt und die Lärmzuordnung erfolgte entsprechend eines subjektiven<br />

Vergleiches mit Alltagsgeräuschen von Schreibmaschine bis Presslufthammer. Die<br />

subjektive, möglicherweise krankheitserklärende Arbeitslärmbewertung ist wenig geeignet,<br />

den kausalen Mechanismus von Lärm bei Herz-Kreislauferkrankungen aufzuklären.<br />

Aufschlussreich ist auch die vergleichende Einordnung von Lärm am Arbeitsplatz in andere<br />

arbeitsbedingte Risiken für Herz-Kreislauferkrankungen in Dänemark. Aus Tabelle 8.4<br />

geht hervor, dass andere Faktoren ein deutlich stärkeres zusätzliches Risiko (attributables<br />

Risiko) aufweisen als Lärm, der zudem noch > 90 dB(A) betrug.<br />

Tab. 8.4: Bevölkerungsbezogenes attributables Risiko (AR) für arbeitsbezogene Risikofaktoren für vorzeitige<br />

Herz-Kreislaufkrankheiten in Dänemark. Quelle: The European Heart Network – Juli 1998.<br />

Risikofaktor Prävalenz (%) Relative AR (%)<br />

von Expositionen Risiken<br />

Männer Frauen Männer Frauen<br />

arbeitsbedingter Stress 6 16 2,0 6 14<br />

Schichtarbeit etc. 20 20 1,4 7 7<br />

Lärm [> 90 (dB)] 7 4 1,2 1 1<br />

chemische Noxen gering gering >1,0 0-1 0<br />

Passivrauchen 12 13 1,3 2 2<br />

körperliche Inaktivität (z.B. sitzende Tätigk.) 90 90 2,0 42 42<br />

alle Risikofaktoren 51 55<br />

alle Risikofaktoren (ohne körperl. Inaktivität) 16 22<br />

Doch kann man aus den bisherigen Untersuchungen zu herzkreislaufbezogenen Wirkungen<br />

von Lärm in der Arbeit nicht schließen, dass keinerlei Gefährdung vorliegt. Kristensen<br />

[1989] fasste 25 Übersichtsreferate zu dieser Thematik zusammen und kam zu dem


155<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 155<br />

Schluss, dass die Lärm-IHK-Verbindung durchaus als partielle Hypothese gelten kann,<br />

wobei alle diesbezüglich relevanten Studien meist erheblich über einem Leq = 85 dB(A)<br />

lagen. Die Hypothese wurde auch dadurch unterstützt, dass Studien mit höherer Qualität<br />

eher einen signifikanten Zusammenhang aufwiesen. 10 Jahre später auf einer internationalen<br />

Konferenz 'Arbeit und Herz-Kreislauferkrankungen' im März 1998 in Tel Aviv stellte<br />

Kristensen fest, dass die Frage des Risikos von Lärm in der Arbeit für Herz-Kreislauferkrankungen<br />

nach wie vor nicht eindeutig zu beantworten ist. Enderlein et al. [1996] sowie<br />

Stark et al. [1998] sehen in ihren Übersichtsarbeiten höchstens bei sehr hohen Lärmpegeln<br />

über längere Zeit oder/und in Kombination mit anderen Arbeitsbelastungen eine<br />

mögliche, im Vergleich zu anderen Risikofaktoren jedoch geringe Beziehung zu Herz-<br />

Kreislauferkrankungen. Passchier-Vermeer [1993] referierte 20 epidemiologische Arbeiten<br />

mit Leq > 80 dB(A) und mindestens 5 Jahren Tätigkeit in dem Bereich und fand keine sicheren<br />

Beziehungen zur ischämischen Herzkrankheit.<br />

Wie bei der Hypertonie lässt sich keine statistisch gesicherte, kausale Beziehung zwischen<br />

ischämischer Herzkrankheit (IHK) und Arbeit unter Lärm (auf der Grundlage von Lärmmessungen<br />

am Arbeitsplatz) herstellen. Versicherungsrechtlich gibt es deshalb auch keine<br />

Möglichkeit, eine IHK als Berufskrankheit bei Lärmarbeitern anzuerkennen. Schon in den<br />

80er Jahren bestand in der Arbeitsmedizin und bei den Forschungsträgern die Auffassung,<br />

dass kein Forschungsbedarf zu dieser Problematik mehr existieren würde. Maßnahmen<br />

gegen die Lärmschwerhörigkeit würden auch einen Schutz gegenüber Herz-Kreislauferkrankungen<br />

bewirken.<br />

Seltener sind in der Literatur Arbeiten zu den Beziehungen zwischen Umweltlärm und IHK<br />

zu finden, weil dies auch erheblich schwieriger zu untersuchen ist.<br />

Von Eiff et al. [1974] untersuchte Personen, die Fluglärmpegeln bis zu 107 dB(A) ausgesetzt<br />

waren, und konnte keine manifesten Herz-Kreislauferkrankungen oder andere Gesundheitssstörungen<br />

feststellen.<br />

Pegelbezogene Ergebnisse, die eine Dosis-Wirkungs-Abhängigkeiten prüfen lassen, sind<br />

unter dem Gesichtspunkt von Grenzwerten von besonderem Interesse.<br />

Babisch [1993a] stellt Ergebnisse von relativen Risiken ischämischer Herzkrankheiten bei<br />

Verkehrslärm in Abhängigkeit vom Schallpegel dar. Dabei sind 7 von 13 epidemiologischen<br />

Studien unter Lärmeinwirkung von 66 – 70 dB(A), die ein relatives Risiko bis 1,1<br />

aufweisen; das höchste relative Risiko beträgt 1,4, wobei alle Confidenzintervalle die 1,0<br />

einschlossen, d. h. alle Angaben sind statistisch nicht signifikant. Wenn Lärm zur Zunahme<br />

ischämischer Herzkrankheiten führen würde, müsste auch mit erhöhter Dosis eine Zunahme<br />

des Risikos auftreten. Das ist jedoch nur in 2 von 13 Studien der Fall.<br />

Die Frage einer Kausalität ist vor allem durch Langzeitbeobachtungen zu beantworten.<br />

Diese sind äußerst selten. Kohortenstudien wurden in Speedwell und Caerphilly (Großbritannien)<br />

angelegt. Es wurden Bewohner mit Straßenverkehrslärm in 4 Schallpegelklassen<br />

mit Leq tags von 51 – 55 bis 66 – 70 dB(A) untersucht und unterschiedliche Parameter einer<br />

IHK erfaßt. Babisch et al. [1999] berichteten inzwischen über die 3. Phase der Speed-


156<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 156<br />

well- und Caerphilly-Studien mit einem Beobachtungszeitraum von 10 Jahren. Statistisch<br />

signifikante Beziehungen zwischen ischämischer Herzkrankheit und Lärmeinwirkung<br />

konnten in den bisher betrachteten 3 Phasen nicht gefunden werden (Tab. 8.5). Es wird<br />

aber eine Tendenz angegeben, die durchaus noch Fragen offen lässt: Bei genauerer Kenntnis<br />

der Lärmeinwirkung wird eine Zunahme der Beziehungen angenommen. Bei Kenntnis<br />

der Fensterausrichtung, des Fensteröffnungsverhaltens und einer Mindestwohndauer von<br />

15 Jahren steigt in der berliner Verkehrslärmstudie das das relative Risiko auf 1,5 (keine<br />

Signifikanz) an (Ising 1999).<br />

Tab. 8.5: Relative Risiken von ischämischen Herzkrankheiten bei Verkehrslärm (nach Babisch [1993a, b,<br />

1998 a, b]), HI = Herzinfarkt; m = männlich; w = weiblich.<br />

Untersuchung<br />

Kriterien<br />

Ge<br />

schlecht<br />

Alter Leq3 von 06 – 22 h in dB(A)<br />

< 60 61 – 65 66 – 70 71 – 75 76 – 80<br />

Caerphilly HI m 45 – 59 1,0 0,9 1,2 - -<br />

Speedwell HI m 45 – 63 1,0 1,2 1,1 - -<br />

Caerphilly EKG m 45 – 59 1,0 1,1 1,2 - -<br />

Speedwell EKG m 45 – 63 1,0 1,0 1,4 - -<br />

Berlin II HI m 31 – 70 1,0 0,7 0,9 1,1 1,4<br />

Berlin I HI m 41 – 70 1,0 1,5 1,2 1,3 1,8<br />

Berlin I HI m 41 – 70 1,0 2,3 1,0 1,0 2,1<br />

Berlin II HI m 31 – 70 1,0 1,2 0,9 1,1 1,5<br />

Berlin II HI m 31 – 70 1,0 1,1 1,0 1,2 1,7<br />

Caerphilly HI m 45 – 59 1,0 1,0 1,1 - -<br />

Speedwell HI m 45 – 63 1,0 1,0 1,1 - -<br />

Caerphilly HI m 45 – 59 1,0 1,3 0,5 - -<br />

Speedwell HI m 45 – 63 1,0 1,3 0,7 - -<br />

Amsterdam HI m 35 – 64 1,0 1,2<br />

Amsterdam HI w 35 – 64 1,0 1,9<br />

Amsterdam EKG m 35 – 64 1,0 1,1<br />

Amsterdam EKG w 35 – 64 1,0 1,2<br />

Doetinchem EKG w 40 – 49 1,0 1,1<br />

Bonn w + m 20 – 51 1,0 1,3<br />

In der Berliner Verkehrslärmstudie wurden Herzinfarktpatienten Verkehrslärmpegeln aufgrund<br />

der Lärmkarten der Stadt zugeordnet und mit einer Zufallsstichprobe verglichen<br />

[Babisch & Ising 1992]. Bei Verkehrslärmpegeln von 66 – 70 dB(A) am Tage lag das relative<br />

Risiko gering unter 1, von 71 – 75 dB(A) unter 1,2, erst bei 76 – 80 dB(A) kommt es<br />

zu einem Anstieg (nicht signifikant). Maschke et al. [2002] fanden unter Berücksichtigung<br />

des Nachtlärms statistische Assoziationen zum Herzinfarkt.


157<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 157<br />

Gegenwärtig läuft in Berlin eine ähnliche Studie mit einer ausgefeilteren Methodik, die<br />

evtl. gesichertere Aussagen bringen wird, die die 'Risikogruppe' über 70 dB(A) annimmt.<br />

Medick [2000] fand bei Herzinfarktpatienten in Duisburg kein höheres Risiko bei Verkehrslärm<br />

> 65 dB(A) (OR 1,09 mit CI 0,35 – 3,37). Keine wesentlichen Beziehungen von<br />

Verkehrslärm zu kardiovaskulären Erkrankungen gaben auch Knipschild & Sallé [1979]<br />

sowie Altena [1989] an.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen:<br />

Lärm kann, wie alle anderen Belastungen, in dem unspezifischen Stressgeschehen einer<br />

multifaktoriellen Genese von Herz-Kreislauferkrankungen eine Rolle spielen; mehr ist bisher<br />

nicht bewiesen. So kommen nahezu alle wissenschaftlichen Übersichtsarbeiten heute<br />

zur Aussage, dass wissenschaftlich eine Kausalbeziehung zwischen Umweltlärm und Herz-<br />

Kreislauferkrankungen nicht bewiesen ist [Thompson 1983, 1993, 1996, Griefahn 1990a,<br />

Passchier-Vermeer 1993, Job 1996, Schwarze 1996, Morell et al. 1977, Kristensen 1998,<br />

Scheuch 2000, Weber 2000, Babisch 2000a, b, van Kempen et al. 2002]. Aus Sicht der<br />

Lärmwirkungsforschung ist festzustellen, dass bei allen, weltweit durchgeführten klinischepidemiologischen<br />

Studien zu den Ursachen von Herz-Kreislauferkrankungen der Umweltlärm<br />

bisher nahezu keine Rolle spielt. Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen<br />

[1999] stellte fest (S. 174): 'Die epidemiologische Evidenz dafür, dass Straßenverkehrslärm<br />

das Risiko für ischämische Herzkrankheiten erhöht, ist sehr schwach!' 'Zum gegenwärtigen<br />

Zeitpunkt kann daher nicht abschließend dazu Stellung genommen werden, ob<br />

Umweltlärm bei der Entstehung von ischämischen Herzkrankheiten eine mitverursachende<br />

Rolle spielt.'<br />

Die klare und eindeutige Feststellung zum wissenschaftlichen Kenntnisstand ist ausgesprochen<br />

wichtig, um nicht durch eine Risikodiskussion zusätzliches Risiko zu erzeugen.<br />

Andererseits erfordert das Vorsorgeprinzip, Überlegungen anzustellen, um auch der Möglichkeit<br />

einer Entstehung von Herz-Kreislauferkrankungen durch die mitverursachende<br />

Wirkung von Lärm entgegen zu wirken. Der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen<br />

[SRU 1999] ist der Meinung, dass 'die bisherigen Ergebnisse konsistent einen eindeutigen<br />

Trend aufweisen'. Außerdem sind unsere Kenntnisse zu umweltbedingten Lärmwirkungen<br />

bei bestimmten Risikogruppen, wie Kranken und Älteren, unzureichend. Deshalb ist dies<br />

unter präventiven Gesichtspunkten auch bei Bewertungsgrenzen zu berücksichtigen. Auch<br />

ohne Einbezug der besonders kritischen Nachtbelastung kann die Annahme, dass Lärm bei<br />

permanenter Einwirkung eines äquivalenten Dauerschallpegels (6-22 Uhr) von mehr als<br />

70 dB(A) zur Genese von Herz-Kreislauferkrankungen beiträgt, zum gegenwärtigen<br />

Zeitpunkt nicht zurückgewiesen werden.<br />

Der Niederländische Gesundheitsrat [HCN 1999] betrachtet den Nachweis einer Risikoerhöhung<br />

für Herz-Kreislauferkrankungen durch Verkehrslärm an Lm = 70 dB(A) als hinreichend.<br />

Als Schwellenwert für lärmbedingtes Infarktrisiko empfiehlt der SRU [1999] Lm =<br />

65 dB(A). Auf die Konsequenzen wird im Kapitel zu den Lärmgrenzwerten eingegangen.


158<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 158<br />

8.2.3 Chronische Gesundheitsbeeinträchtigungen als mögliche Folge<br />

lärmbedingter Schlafstörungen<br />

Chronische Schlafstörungen können einerseits durch Einwirkung des Lärms verursacht,<br />

andererseits aber auch Begleiterscheinungen psychomentaler und psychosomatischer Probleme<br />

sein, die keinen Bezug zum Lärm haben, durch diesen aber beeinflusst sein können.<br />

Während eine Kausalattribuierung hier noch plausibel ist, ist sie bezüglich anderer Gesundheitsstörungen<br />

hypothetisch, oft sogar nur rein spekulativ.<br />

Belojevi und Jakovljevi [1998] befragten über 400 Anwohner lauter und leiser Straßen<br />

(LAeq > 65 vs < 55 dB) und berichteten über vermehrte Einschlafprobleme und größere<br />

Müdigkeit in den lauteren Arealen, insbesondere bei jüngeren Personen. Entsprechendes<br />

ergaben sozialwissenschaftliche Erhebungen in Göteborg. Stärker durch Straßenlärm belastete<br />

Personen gaben häufiger Einschlafschwierigkeiten, vermehrtes intermittiertes Aufwachen<br />

und eine größere motorische Unruhe während des Schlafs an, wobei Lärmempfindliche<br />

ihre Schlafqualität im Allgemeinen geringer einschätzten [Öhrström 1989, 1991,<br />

1993, Öhrström et al. 1998]. Darüber hinaus war das psychosoziale Wohlbefinden bei den<br />

stärker belasteten Personen häufiger beeinträchtigt; diese gaben auch häufiger Allgemeinsymptome<br />

wie Kopfschmerzen, nervöse Magenbeschwerden und Müdigkeit an.<br />

Ähnliches berichteten Bronzaft et al. [1998]. <strong>Flughafen</strong>anwohner, die einer Belastung von<br />

Ldn > 65 dB(A) ausgesetzt waren, fühlten sich öfter durch Lärm gestört und waren vermehrt<br />

um ihre Gesundheit besorgt als weniger belastete Personen. Nach Hume und Thomas<br />

[1993] stehen bei den Anrainern des <strong>Flughafen</strong>s Manchester Schlafstörungen an dritter<br />

Stelle der Beschwerden, nach den Kommunikationsstörungen und den Belästigungen.<br />

Ollerhead und Diamond [1993] fassten die Ergebnisse aus 4 sozialwissenschaftlichen Untersuchungen<br />

mit insgesamt fast 7 000 Personen zusammen. Dabei zeigte sich, dass die<br />

Anzahl erinnerter Wachphasen mit der Fluglärmbelastung nur minimal, die Anzahl der auf<br />

den Fluglärm zurückgeführten Wachphasen aber deutlich anstieg. Ob es sich bei diesem<br />

auch aus anderen Untersuchungen berichteten Verhalten um eine durch Lärm bedingte<br />

Zunahme evozierter Störungen zu Lasten spontan auftretender Wachphasen handelt oder<br />

um eine Neigung, ohnehin auftretende Schlafstörungen vermehrt auf Lärm zurückzuführen,<br />

bleibt allerdings offen [DORA 1980, Griefahn et al. 1985, Langdon & Buller 1977].<br />

Maschke & Wolf [2002] untersuchten die Prävalenz ärztlicher Behandlungen von stressvermittelten<br />

Erkrankungen und berichteten über eine Kovariation zwischen nächtlicher<br />

Lärmbelastung mit Hypertonie und erhöhten Blutfetten. Da die Lärmbelastung mittels der<br />

Wohnadresse geschätzt wurde, bleibt offen, welchen Belastungen die Untersuchten tatsächlich<br />

ausgesetzt waren.


159<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 159<br />

8.2.4 Psychische Störungen und andere Erkrankungen durch Lärm,<br />

speziell durch Fluglärm<br />

In der Literatur werden neben den Herz-Kreislauferkrankungen auch andere Erkrankungen<br />

oder pathologische Organbeeinflussungen mit Lärmeinwirkungen in Verbindung gebracht.<br />

Allen Verdachtsmomenten und Äußerungen kann hier nicht nachgegangen werden. Jedoch<br />

sollten neben den schon erfolgten Besprechungen der Herz-Kreislauferkrankungen noch<br />

einige in der Diskussion stehende Problemkreise angedeutet und die wichtigsten Auffassungen<br />

und Ergebnisse einschlägiger Forschungen mitgeteilt werden. Es handelt sich hierbei<br />

um psychische Störungen, psychiatrische Behandlungen und Medikamentenverbrauch.<br />

Andere in diesem Zusammenhang schon genannte Symptome (z. B. Tinnitus) und Fragen<br />

der Kanzerogenität durch Lärm sollen hier lediglich erwähnt werden.<br />

Ein einheitliches Bild (lärmbedingter) psychischer Erkrankungen existiert nicht. Es liegen<br />

jedoch Berichte vor, dass bei stationären Behandlungen in psychiatrischen Kliniken und<br />

psychotherapeutischen Einrichtungen psychische Erkrankungen als durch Lärm mit verursacht<br />

angenommen werden. Erste Untersuchungen zu diesem Thema wurden schon von<br />

Abey-Wickrama et al. [1969] mitgeteilt. Sie erfassten in einem 2-Jahreszeitraum die in<br />

einer psychiatrischen Klinik aufgenommenen Patienten, die im Umfeld des <strong>Flughafen</strong>s<br />

London-Heathrow lebten. Der statistische Vergleich zwischen mehr und weniger stark<br />

lärmbelasteten Patienten ergab eine signifikant höhere Einweisungsrate für Personen aus<br />

stärker belasteten Gebieten. Gattoni und Tarnopolsky [1973] wiederholten die Untersuchung<br />

und fanden einen ähnlichen Trend. Nach der Berücksichtigung wesentlicher intervenierender<br />

Faktoren (Confounder), wie z. B. Alter, Geschlecht, Sozialstatus, fanden sie<br />

aber keinen signifikanten Unterschied mehr zwischen den Anwohnern unterschiedlich<br />

stark belasteter Regionen.<br />

Eine die Belastung eindeutiger beschreibende Wiederholungsuntersuchung legten Jenkins<br />

et al. [1979, 1981] und Hand et al. [1980] vor. Sie fanden ein widersprüchliches Ergebnis,<br />

weil die Einweisungsrate in zwei Kliniken mit der Lärmbelastung anstieg, während sie in<br />

der dritten Klinik signifikant abnahm. Die Autoren erklären dies mit nicht akustischen<br />

Einwirkungen. In diesem Zusammenhang soll an die Erkenntnisse aus der DFG Studie<br />

Fluglärmwirkungen um den alten <strong>Flughafen</strong> München-Riem erinnert werden, wonach die<br />

Fluglärmdetermination für eine Belästigung als mögliche Ursache für psychische Erkrankungen<br />

nur zu einem Drittel vorhanden war, während zwei Drittel durch nichtakustische<br />

Faktoren bedingt waren.<br />

Kryter [1990] hat die Untersuchungen von Jenkins reanalysiert und fand oberhalb von einem<br />

Ldn von 58 dB(A) noch eine Zunahme der stationären Behandlungen. Zu einem ähnlichen<br />

Ergebnis kamen auch Meecham und Smith [1977] in der Untersuchung bei Anwohnern<br />

des <strong>Flughafen</strong>s Los Angeles. Im Vergleich zu Personen eines Kontrollgebietes ermittelten<br />

sie bei den Lärmexponierten eine um 29 Fälle erhöhte, jedoch nicht signifikante Zunahme<br />

von Nervenzusammenbrüchen mit Krankenhauseinweisungen. Die Untersuchungen<br />

wurden in demselben Gebiet durchgeführt, in dem die Autoren auch erhöhte Mortalitäts-


160<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 160<br />

raten fanden, ein Ergebnis, dass der epidemiologischen Nachprüfung nicht stand hielt [Frerichs<br />

et al. 1980], da die ungleiche ethnische Verteilung im Expositions- und Kontrollgebiet<br />

nicht adäquat berücksichtigt war.<br />

In der zusammenfassenden Beurteilung der zitierten Arbeiten kommen mehrere Experten<br />

zu der Überzeugung, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen Fluglärmbelastung und<br />

stationär behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen besteht.<br />

Als schwierig erweist sich die Erfassung nicht stationärer psychischer Störungen, die möglicherweise<br />

durch Fluglärm mitbeeinflusst werden, die dann überwiegend von niedergelassenen<br />

Psychiatern oder von Hausärzten behandelt werden und selten ein Stadium erreichen,<br />

welches eine stationäre Behandlung erfordert.<br />

In einer groß angelegten epidemiologischen Untersuchung interviewten Tarnopolsky et al.<br />

[1980a] nahezu 6 000 Anwohner in der näheren und weiteren Umgebung des <strong>Flughafen</strong>s<br />

Heathrow, die sie entsprechend ihrer Belastung durch Fluglärm in 4 Gruppen unterteilten<br />

(NNI: < 35, 35-44, 45-54, > 54). Die Probanden beantworteten einen validierten Fragenkatalog<br />

zur Identifizierung psychischer Erkrankungen, zur Wohnsituation sowie zur Ermittlung<br />

soziodemografischer Variablen. Selbst nach Adjustierung nach Alter, Geschlecht,<br />

Familienstatus und Einkommen ergaben sich keinerlei Hinweise auf eine mögliche kausale<br />

Beziehung zwischen psychischen Erkrankungen und Fluglärmbelastung.<br />

Tarnopolsky et al. [1980] analysierten daraufhin die einzelnen, mit dem Fragebogen erfassten<br />

Symptome und konstatierten, dass akute Ein- und Durchschlafstörungen, Irritierbarkeit<br />

und depressive Verstimmung bei den stärker belasteten Personen (> 45 NNI) häufiger auftraten,<br />

während die chronische Form dieser und weiterer Symptome (Kopfschmerzen, Müdigkeit,<br />

Nervosität) signifikant vermehrt bei den weniger belasteten Personen zu finden<br />

waren. Aus dieser Diskrepanz schlossen die Autoren, dass der Lärm per se eine nur unbedeutende<br />

Rolle bei der Entstehung psychischer Erkrankungen spielt.<br />

Miyakita et al. [1998] befragten ca. 6 500 Personen in der Umgebung des <strong>Flughafen</strong>s Kadena<br />

in Japan, die sie einer Kontrollgruppe ohne Fluglärmbelastung und 5 Belastungsklassen<br />

von 75 bis mehr als 95 WECPNL zuordneten. Als Confounder wurden Alter, Geschlecht,<br />

Familienstatus, Haustyp und Wohndauer in die Untersuchung einbezogen. Die<br />

Auswertung von etwa 5 200 Fragebögen ergab, dass die Nervosität in allen lärmbelasteten<br />

Gebieten signifikant häufiger als im Kontrollgebiet war und dass die Odds Ratios für psychosomatische<br />

Symptome und neurotische Tendenzen in den Gebieten mit höchster Fluglärmbelastung<br />

signifikant erhöht waren.<br />

Eine Untersuchung an 8 – 11jährigen Kindern führten Haines et al. [2001] wiederum im<br />

Umfeld des <strong>Flughafen</strong>s Heathrow durch. Der Vergleich zwischen 169 Kindern aus lauten<br />

(Leq,Tag > 63 dB(A)) und leisen Schulen (Leq,Tag < 57 dB(A)) ergab keinen Anhalt dafür,<br />

dass Lärm bei Kindern vermehrt depressive Verstimmung oder Ängstlichkeit verursacht


161<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 161<br />

McLean und Tarnopolsky [1977] wiesen schon Ende der 70er Jahre darauf hin, dass die<br />

vermutete Kausalbeziehung zwischen der Einwirkung von Lärm (oder der dadurch verursachten<br />

Belästigung) und der Manifestation psychischer Erkrankungen nur im Rahmen von<br />

Langzeitstudien verifiziert oder falsifiziert werden kann. 'Satisfactory evidence can come<br />

only from studies in which, at constant exposure, annoyed and non-annoyed people are<br />

followed up to detect the later appearance of psychiatric disorder'.<br />

Eine erste kleinere Follow-up Studie realisierten Tarnopolsky et al. [1980]. Sie prüften die<br />

Hypothese, dass die chronische Lärmbelästigung sich auf die Dauer zur psychischen Erkrankung<br />

verdichtet. Sie interviewten ihre Probanden (Anwohner des <strong>Flughafen</strong>s Heathrow)<br />

zweimal im Abstand von einem Jahr, fanden aber keinen Anhalt für die Richtigkeit<br />

ihrer Hypothese. Es zeigte sich aber, dass der Anteil stark belästigter Personen bei psychisch<br />

Kranken größer war. Der begrenzte Umfang der Untersuchung und der geringe zeitliche<br />

Abstand zwischen den beiden Erhebungen lassen definitive Schlussfolgerungen nicht<br />

zu.<br />

Die einzige Langzeitstudie, die diesen Ansprüchen genügt, wurde von Stansfeld et al.<br />

[1996] in einer walisischen Kleinstadt (Caerphilly) über einen Zeitraum von 5 Jahren<br />

durchgeführt. Die Autoren untersuchten eine Kohorte von 2 398 Männern, die zu Beginn<br />

der Studie zwischen 45 und 59 Jahren alt waren und in ihrem Wohnumfeld in unterschiedlichem<br />

Ausmaß der Einwirkung von Straßenverkehrslärm ausgesetzt waren. Selbst nach<br />

Berücksichtigung soziodemografischer Faktoren zeigte aber auch diese Studie keine mit<br />

der Lärmbelastung einhergehende dosisabhängige Beziehung mit der Zunahme psychischer<br />

Alterationen, wohl aber eine geringfügige nichtlineare Zunahme des Faktors Ängstlichkeit<br />

und – in Übereinstimmung mit Tarnopolsky et al. [1980] – eine stärkere Lärmbelästigung<br />

psychisch kranker Personen.<br />

Eine Zusammenfassung von Untersuchungsergebnissen aus dem nichtstationären Bereich,<br />

wobei auch Medikamentenverbrauch und ambulant behandelte Erkrankungen erfasst wurden,<br />

veröffentlichten Stansfeld et al. [2000b]. Auch sie kommen zu dem Ergebnis, dass es<br />

keine gesicherten Beziehungen, beispielsweise zwischen Lärm und psychiatrischen Erkrankungen<br />

gibt.<br />

Die kontroversen Ergebnisse der bisher vorliegenden Untersuchungen schließen den Lärm<br />

als unmittelbare Ursache psychischer Erkrankungen weitgehend aus, nicht jedoch die<br />

Möglichkeit, dass der Lärm als einer unter vielen weiteren Faktoren zur Entwicklung solcher<br />

Erkrankungen beiträgt. Es ist durchaus möglich, dass die pathogene Wirkung des<br />

Lärms nur unter bestimmten Bedingungen, nämlich einer in der Persönlichkeit verankerten,<br />

individuellen und/oder einer situativen, z. B. durch die simultane Einwirkung weiterer<br />

Stressoren, wie etwa einer durch Schichtarbeit erhöhten Vulnerabilität, zum Tragen<br />

kommt. Die Annahme einer individuellen Vulnerabilität erfordert jedoch – neben der Erhebung<br />

relevanter Symptome – die weit über die soziodemografischen Variablen hinausgehende<br />

Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen, die mutmaßlich mit der emotionalen<br />

Verarbeitung des Lärms interferieren.


162<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 162<br />

Stansfeld [1992] vermutete in der Lärmempfindlichkeit ein Persönlichkeitsmerkmal, das<br />

den möglichen Zusammenhang zwischen Lärmbelastung, Lärmbelästigung und psychischen<br />

Erkrankungen entscheidend moderiert, musste diese These jedoch zurückweisen. In<br />

anderen Veröffentlichungen führen Stansfeld et al. [1993, 2000] aus, dass die mit dem von<br />

Weinstein [1978] entwickelten Fragebogen zuverlässig erfasste Lärmempfindlichkeit bei<br />

psychisch Kranken häufiger und stärker ausgeprägt ist und dass Lärmempfindliche stärker<br />

durch Lärm belästigt sind, dass die Lärmempfindlichkeit die Manifestation psychischer<br />

Erkrankungen aber nicht beschleunigt. Die Lärmempfindlichkeit ist ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal<br />

und ein Prädiktor psychischer Erkrankungen, sie korreliert mit dem Gefühl<br />

der Bedrohung durch die Umwelt und steht im Zusammenhang mit der Empfindlichkeit<br />

gegenüber anderen sensorischen Modalitäten. Sie induziert eine nicht nur spezifisch<br />

gegen den Lärm gerichtete erhöhte Reaktionsbereitschaft, sondern auch gegenüber anderen<br />

qualitativ unterschiedlichen Umweltbelastungen.<br />

Es ist auch nicht bewiesen, dass Lärm über die Belästigung zu einem erhöhten Medikamentenverbrauch,<br />

insbesondere zu einem erhöhten Schlafmittelverbrauch führt. So fand<br />

Böhmer [1980] keine signifikante Beziehung zwischen Lärmbelastung und Schlafmittelverbrauch.<br />

Dagegen sind die subjektiven Beschwerdekonstellationen oder die über Fragebögen<br />

erfassten Angstsituationen viel enger mit dem Lärmerleben bzw. mit der langfristigen<br />

Lärmbelastung in einen Zusammenhang zu bringen. Aus Schweden ist bekannt [Grotvedt<br />

1990], dass psychische Erkrankungen zum Nachbarschaftslärm in einer engeren Beziehung<br />

stehen, jedoch nicht zu anderen Lärmquellen. Die Korrelation von Belastungen<br />

und Nachbarschaftslärm ist besonders stark ausgeprägt bei Frauen.<br />

Darüber hinaus wird auch die Entstehung von Krebs durch Lärm diskutiert. Ein ursächlicher<br />

Zusammenhang zwischen Lärmbelastung und Kanzerogenität ist beim gegenwärtigen<br />

Kenntnisstand unwahrscheinlich. Die Zusammenhänge zwischen Durchblutung, die – wie<br />

oben ausgeführt – durch Lärm beeinflusst werden kann und Stoffwechsel einerseits und<br />

kanzerogener Zellentartung andererseits, lassen sich nur theoretisch herstellen. Der unspezifische<br />

Reiz Lärm ist vergleichsweise viel zu schwach, als dass ein Zusammenhang wahrscheinlich<br />

gemacht werden kann.<br />

Ebenso sind auch die Zusammenhänge zwischen Lärm und Immunerkrankungen bisher<br />

unbewiesen, obwohl theoretisch über die Beeinflussung des vegetativ-hormonellen Systems<br />

Einflüsse auf das Immunsystem nicht ausgeschlossen werden können. Auch hier besteht<br />

ein erhebliches Forschungsdefizit. Es gibt bisher keine verallgemeinerungsfähigen<br />

Hinweise, dass bei der Bevölkerung in lärmbelasteten Wohngebieten die Immunabwehr<br />

reduziert ist und dadurch Erkrankungen, insbesondere Erkältungskrankheiten bis hin zu<br />

Immundefiziterkrankungen vermehrt auftreten. Keineswegs darf für Maßnahmen und<br />

Empfehlungen davon ausgegangen werden, dass hier schon plausible Zusammenhänge<br />

vorlägen. Es sind keine beweiskräftigen Untersuchungen bekannt geworden, so dass das<br />

Risiko nur als spekulativ bezeichnet werden darf.<br />

In dem Spandauer Gesundheits-Survey untersuchten Maschke et al. [2002] den Einfluss<br />

von Tag- und von Nachtlärm auf die Perioden- und auf die Lebenszeitprävalenz der Be-


163<br />

Kapitel 8: Lärm und Krankeit 163<br />

handlung verschiedener Erkrankungen in Abhängigkeit von der geschätzten Lärmbelastung.<br />

Behandlungen wegen erhöhter Blutfette und Asthma bronchiale waren mit dem<br />

Nachtlärm assoziiert, Behandlungen wegen psychischer Störungen nicht signifikant. Ebenso<br />

wurde bei der Periodenprävalenz von Krebserkrankungen ein Trend in Richtung eines<br />

monoton ansteigenden relativen Risikos mit dem nächtlichen Verkehrslärmpegel beschrieben.<br />

Bei diesen multifaktoriellen Erkrankungen ist die alleinige Betrachtung des Lärms<br />

jedoch unzureichend.<br />

Zusammenfassend lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass sich aus den bisher vorliegenden<br />

Untersuchungen kein kausaler Zusammenhang zwischen chronischen Einwirkungen<br />

von Lärm und der Entwicklung psychischer Erkrankungen ableiten lässt und daher ist<br />

auch kein Grenzwert festzulegen. Gleiches gilt für Kanzerogenität und Immunerkrankungen.


Kapitel 9: Besonders schutzbedürftige Einrichtungen 164<br />

9 Besonders schutzbedürftige Einrichtungen<br />

9.1 Wesentliche Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen<br />

Als besonders schutzbedürftig gelten Schwangere, Ältere, kranke Personen und Kinder<br />

[WHO 1947] sowie besondere Einrichtungen (Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser). Bei<br />

diesen Personen und Einrichtungen sind die gesundheitsrelevanten Einwirkungen von<br />

Lärm gesondert zu betrachten, um Anhaltspunkte zur Vermeidung gesundheitlicher Beeinträchtigung<br />

zu bekommen.<br />

In den bisherigen empirischen Felduntersuchungen zur Belästigung durch Lärm und zur<br />

gesundheitsbeeinträchtigenden Wirkungen auf betroffene Anwohner werden besonders<br />

schutzwürdige Personen und Gruppen bzw. Einrichtungen oft bewusst ausgeschlossen. So<br />

werden beispielsweise Kinder unter 14 Jahren in Feldstudien oft nicht befragt. Die Gruppe<br />

der älteren Personen ist über die soziodemografische Variable Alter erkennbar. Allerdings<br />

zeigen sich keine systematischen Zusammenhänge zwischen dem Alter und der Lärmbelästigung.<br />

Es liegen jedoch einige wenige Untersuchungen zur Beeinflussung besonders<br />

schutzbedürftiger Gruppen vor. Hygge et al. [1996] untersuchten Kinder und legten den<br />

Schwerpunkt auf Aspekte wie kognitive Leistungsfähigkeit, weniger auf den Aspekt der<br />

Belästigung. Ergänzend führten sie bei diesen Erhebungen auch Bestimmungen von<br />

Stresshormonen durch.<br />

Die mit zunehmenden Alter eintretenden Veränderungen physiologischer Funktionen (z. B<br />

Kreislauffunktion) und der Sinnesorgane (Hörfähigkeit für hohe Töne usw.) beeinflussen<br />

auch den Prozess der Lärmverarbeitung und damit die Zusammenhänge zwischen Lärm<br />

und extraauralen Reaktionen. Über Lärmwirkungen bei Kindern und Schwangeren liegen<br />

nur wenige Untersuchungen vor. Das schallreizbedingte Verhalten bei Schwangeren untersuchte<br />

Arens [1976]. Er konnte Vasokonstriktionen (Gefäßverengungen) bei Schwangeren<br />

und Einflüsse auf die Herzfrequenzen feststellen. Bei Belastungen mit 80 dB(A) ergaben<br />

sich allerdings drei unterschiedliche Reaktionstypen. 30 % der Untersuchten reagierten<br />

indifferent, d. h. es ergab sich keinerlei Veränderung der Durchblutung. Eine jeweils ausgeprägte<br />

Vasokonstriktion wiesen weitere 30 % auf, während die restlichen 40 % Vasodilatationen<br />

(Gefäßerweiterungen) zeigten. Bei 90 dB(A) dagegen trat bei Schwangeren eine<br />

prägnante Vasokonstriktion in 72 % aller Messungen deutlich in den Vordergrund. Bei den<br />

Embryos zeigten sowohl die Belastung mit 80 dB(A) als auch mit 90 dB(A) Gleichverteilungen<br />

der Reaktionen und keine intensitätsabhänige Differenzierung. Diese Befunde sind<br />

die Grundlage dafür gewesen, dass in der Arbeitsstättenverordnung bzw. in der Arbeitsstättenrichtlinie<br />

festgelegt wurde, dass für schwangere Arbeitnehmerinnen der zulässige mittlere<br />

Maximalpegel auf 80 dB(A) zu begrenzen ist. Die Dämmfähigkeit des Uterus ist erheblich.<br />

Bei 1 000 Hz beträgt er 39 dB(A), bei 3 000 Hz 85 dB(A), so dass vor allem hohe<br />

Töne nicht bis zum Föten gelangen.<br />

Bei Säuglingen, Kleinkindern, Kindergartenkindern und Schulkindern wurden von Matthias<br />

[1961] Messungen des peripheren Blutvolumens durchgeführt. Sie fand entweder keine<br />

164


Kapitel 9: Besonders schutzbedürftige Einrichtungen 165<br />

oder nur sehr schwache Vasokontstriktionen. Signifikant wurden die Vasokonstriktionen<br />

erst bei Jugendlichen ab dem 12. Lebensjahr. Besonders prägnant fielen die Vasokonstriktionsreaktionen<br />

bei Erwachsenen zwischen 20 und 45 Jahren aus.<br />

Kindertagesstätten und Kindergärten sind ebenfalls im Rahmen arbeitsmedizinischer Probleme<br />

untersucht worden. So fand Houché, dass die Schallpegel in Kindergärten in der<br />

Größenordnung zwischen 69 und 74 dB(A) (Mittelungspegel) variierten. <strong>Teil</strong>weise werden<br />

auch noch deutlich höhere Pegel angegeben. Es sind Pegel, bei denen schon für die Passivbeteiligten<br />

(Anwohner) erhebliche Belästigungen zu erwarten sind. Dies stimmt mit der<br />

Praxis überein, wonach aus der Nachbarschaft von Kindergärten sehr häufig Beschwerden<br />

kommen. Kinder sind zwar lärmfreudig, im Hinblick auf vegetativ hormonale Funktionen<br />

durch Lärm aber nicht empfindlicher einzustufen als Erwachsene.<br />

Eine besondere Personengruppe in der Bevölkerung stellen die 'Lärmempfindlichen' dar.<br />

Schon früh war aufgefallen, dass die psychischen Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale<br />

eines Menschen auch für die somatische Verarbeitung von Schallreizen messbare<br />

Einflüsse ausüben. So ergab sich, dass Personen, die nach dem Freiburger Persönlichkeitsinventar<br />

(FPI) als Probanden mit hohem Neurotizismus ermittelt wurden, in mittellauten<br />

Belastungsbereichen unterschiedliche Reaktionen in der Kreislaufregulation aufwiesen.<br />

Bei starker Schallbelastung, etwa im Bereich der Übersteuerungsgrenze, war kein Unterschied<br />

mehr zwischen neurotischen und nicht neurotischen Probanden vorhanden. Das<br />

heißt, im unterkritischen Bereich gibt es Unterschiede in der lärmbedingten Reaktion bei<br />

labilen (empfindlichen) und stabilen Probanden, während bei überkritischen Schallreizen<br />

sowohl stabile als auch labile Personen in gleicher Art und Weise reagieren.<br />

Frühere Schätzungen gehen davon aus, dass in der Bevölkerung etwa 10-15 % der Menschen<br />

als lärmempfindlich zu bezeichnen sind [Griefahn 1991]. Nach Untersuchungen zur<br />

physiologischen Empfindlichkeit von Jansen et al. [1996] bestand bei 6,25 % der Untersuchten<br />

Lärmempfindlichkeit. Da die psychologischen und soziologischen Aspekte der<br />

Lärmempfindlichkeit nur ansatzweise in dieser physiologischen Untersuchung berücksichtigt<br />

wurden, kann das Ergebnis noch nicht verallgemeinert werden. Es darf jedoch nicht bei<br />

der Beurteilung von Lärmwirkungen völlig ausgespart werden. Ein erhebliches Defizit in<br />

der Forschung besteht immer noch. Griefahn [1985] meinte, dass Persönlichkeitsmerkmale<br />

einen deutlich höheren Effekt auf Lärmwirkungen haben als die Schallmerkmale. Für Belästigungen<br />

ist dem durchaus zuzustimmen, nicht dagegen im physiologisch übersteuerten<br />

Bereich.<br />

Als besonders schützenswert gelten vor allem Kranke. Es ist einsichtig, dass der für Gesunde<br />

ermittelte Übersteuerungswert (Kritischer Toleranzwert 19 x 99 dB(A)) am Tage für<br />

Kranke nicht gelten kann, denn der zulässige relevante Wert muss erheblich niedriger angesetzt<br />

werden. Jeder weiß, dass lautes Sprechen und ausgelassene Stimmung im Zimmer<br />

von Schwerkranken Fehl am Platze sind, so dass leise und gedämpfte Sprache (ca. 30-<br />

40 dB(A)) im Krankenzimmer üblich sind. Auf wissenschaftlicher Basis hat sich Griefahn<br />

[1982] mit dieser Problematik eingehend befasst. In Zusammenarbeit mit internistischneurologischen<br />

und HNO-Kliniken wurden die Erkrankungen der Patienten von den zu-<br />

165


Kapitel 9: Besonders schutzbedürftige Einrichtungen 166<br />

ständigen Fachärzten in leichte, schwerere und schwerste Krankheitsbilder eingestuft. Die<br />

experimentelle Lärmbelastung variierte zwischen 50-90 dB(A) unter Beachtung ethischer<br />

Grundsätze. Die Reaktionen der Patienten, z. B. Hochdruckkranke, Infarktpatienten, usw.,<br />

zeigten stärkere Reaktionen als Gesunde; die Reaktionen waren schon bei geringen Belastungen<br />

deutlich auslösbar und wiesen Ausmaße aus, die denen bei Gesunden mit sehr viel<br />

höheren Geräuschbelastungen vergleichbar waren. Auch bei Patienten mit labilem Hochdruck<br />

fanden sich ähnliche Reaktionsweisen. Griefahn [1982] folgerte, dass das Krankheitsgeschehen<br />

im negativen Sinne durch Lärm beeinflusst und die Regenerationsprozesse<br />

gehemmt und verzögert werden könnten.<br />

Die Empfindlichkeit von leicht Erkrankten gegenüber Gesunden war in diesen Untersuchungen<br />

um 11 dB(A) höher. Dieser Wert erhöhte sich auf 21 dB(A), wenn es sich um<br />

schwerere Krankheitsbilder handelte. Für schwerste Krankheitsfälle wurde eine Empfindlichkeitssteigerung<br />

um 32 dB(A) ermittelt [vgl. Abb. 9.1, Seite 127, <strong>Gutachten</strong> Scheuch /<br />

Jansen].<br />

Geht man bei einem Gesunden von dem Übersteuerungswert von 99 dB(A) am Tage und<br />

von 87 dB(A) in der Nacht aus, so wären zur Ermittlung einer gesundheitlich ungefährlichen<br />

Belastung bei Kranken die Nachtwerte zu Grunde zu legen. Da in Krankenhäusern<br />

die Differenzierung zwischen leichten und schwersten Krankheiten fließend und zeitlich<br />

uneinheitlich ist und auch beim einzelnen Probanden stark wechselt, sollte bei der Entwicklung<br />

von Kriterien davon ausgegangen werden, dass die Empfindlichkeitssteigerung<br />

für Schwersterkrankungen zur Grundlage von Präventionsmaßnahmen gemacht wird, also<br />

sind 32 dB(A) Minderung hier anzusetzen. Dies bedeutet, dass als Übersteuerungs- und<br />

damit Gefährdungswert von einem Maximalpegel von 55 dB(A) innen auszugehen ist. Der<br />

SRU [1999] führt aus, dass Gefährdungswerte deutlich zu unterschreiten sind. Es wird daher<br />

eine weitere Absenkung dieses Maximalpegels von 55 dB(A) um weitere 10 dB(A) als<br />

angemessen erachtet. Daraus ergibt sich, dass in Krankenzimmern ein Lmax = 45dB(A)<br />

innen einzuhalten ist. Dieser Wert entspricht auch dem von Berglund und Lindvall [1995]<br />

vorgeschlagenen Richtwert von Lmax = 45 dB(A). Sie empfehlen darüber hinaus als einzuhaltenden<br />

Mittelwertpegel einen Lm = 30 dB(A) innen, dem man sich gutachterlich durchaus<br />

anschließen kann.<br />

9.2 Empfehlungen zu gestuften Belastungsberechnungen<br />

Wie in 9.1 dargestellt, liegen einige wissenschaftliche Untersuchungen zu Lärmwirkungen<br />

bei Angehörigen besonders schutzbedürftiger Gruppen vor, die es rechtfertigen, Begrenzungswerte<br />

für Fluglärmbelastungen in den Bereichen zu empfehlen.<br />

Nervale und sensorische Funktionen weisen Altersabhängigkeiten auf, die beispielsweise<br />

hinsichtlich der Hörfähigkeit zu Standardisierungen führten [ISO 1999]. Aber nicht nur die<br />

Altersabhängigkeit ist zu berücksichtigen bei der Beurteilung besonders schutzbedürftiger<br />

Personengruppen, sondern auch die speziellen Anforderungen an die psychomentalen<br />

Leistungs- und Lernfähigkeiten bedürfen einer besonderen Bewertung in denjenigen Bereichen,<br />

in denen funktional besondere Beanspruchungen vorliegen.<br />

166


Kapitel 9: Besonders schutzbedürftige Einrichtungen 167<br />

Sozialmedizinische Beurteilungen von Belastungen im Allgemeinen und von Fluglärm im<br />

Besonderen erfolgen primär immer unter dem Gesichtspunkt des Schutzes einer Vielzahl<br />

von Individuen (der Bevölkerung insgesamt, größerer Bevölkerungsgruppen und eben der<br />

Schutzbedürftigen). Individuelle Betroffenheiten unterliegen dagegen immer einer gesonderten<br />

Beurteilung, die je nach Lage eine strengere oder mildere Beurteilung erfordern. Für<br />

die Schutzbedürftigkeit bestimmter Gruppen erlaubt der gegenwärtige Erkenntnisstand<br />

auch heute schon die Angabe von Immissionskennwerten.<br />

Aufbauend auf drei <strong>Gutachten</strong> zum gegenwärtigen Stand der Lärmwirkungsforschung<br />

durch die Autoren Griefahn, Scheuch/Jansen und Spreng legten diese am 18. Februar 2002<br />

eine 'Erarbeitung von Fluglärmkriterien für ein Schutzkonzept' (Synopse) vor. In dieser<br />

Synopse ist den zuvor genannten Abhängigkeiten und sozialmedizinischen Erfordernissen<br />

insoweit Rechnung getragen worden, als für die schutzbedürftigen Bereiche jeweils unterschiedliche<br />

Begrenzungswerte empfohlen werden. Den Empfehlungen der Immissionskennwerte<br />

für Kindergärten, Schulen, Altenheime und Krankenhäuser lagen die im Folgenden<br />

dargestellten Überlegungen zu Grunde.<br />

In Schulen sind bei der Beurteilung die besonderen Anforderungen an die Kommunikationsgüte<br />

zu berücksichtigen. Die trifft im Wesentlichen auch für Kindergärten zu, weil<br />

auch hier die Kommunikation gewährleistet sein muss. Zusätzlich sind bei Kindergärten<br />

gegebenenfalls auch Ruheräume in die Beurteilung bei der Frage nach Lärmminderungsmaßnahmen<br />

einzubeziehen. In Altenheimen erfordern die Lärmbelastungen schon deshalb<br />

eine besondere Beurteilung, weil hier neben den ohnehin empfindlicheren gesunden älteren<br />

in ihrer Hörfähigkeit häufig beeinträchtigten Menschen auch solche sich dauernd aufhalten<br />

müssen, die wegen chronischer Leiden (z. B. Altersdiabetes) als 'Gesundheitsgestörte' gelten.<br />

Bei Kranken in Krankenhäusern sind besonders hohe Anforderungen an die Lärmminderungsmaßnahmen<br />

zu stellen, wie Griefahn [1982] durch einschlägige Untersuchungen<br />

nachweisen konnte.<br />

Für die Empfehlungen von Immissionskennwerten sind weiterhin auch noch die folgenden<br />

Überlegungen bedeutsam. Wiederholte physiologische und psychologische Untersuchungen<br />

mit Geräuschbelastungen zeitigen bei ein- und derselben Person oft unterschiedlich<br />

große Reaktionen (intraindividuelle Varianz). Bei Wiederholungen über einen längeren<br />

Zeitraum stellt sich jedoch eine mittlere Reaktionsgröße für eine definierte Belastung ein.<br />

Bei den Angehörigen einer Gruppe gibt es ebenfalls Streuungen (interindividuelle Varianz),<br />

die aber bei einer definierten Belastung nach einer gewissen Zeit auch eine mittlere<br />

Reaktionsgröße für die Gruppe erkennen lassen. Eine medizinische und psychologische<br />

Beurteilung gegenwärtiger und prognostizierter Geräuschbelastungen kann nur im Hinblick<br />

auf eine solche durchschnittliche Reaktionsgröße vorgenommen werden.<br />

Die Empfehlungen für die Begrenzungswerte in der Synopse erfolgten unter der Prämisse<br />

der vorhergehend dargelegten Überlegungen. Dementsprechend empfiehlt die Synopse<br />

(Kap. 5, Seite 11), je nach Schutzziel unterschiedliche 'Begrenzungswerte zur Berechnung<br />

von Isokonturen und Einzelpunktberechnungen' anzuwenden. Die Synopse fordert weiterhin,<br />

abgesehen von den immer zu berechnenden 'Kritischen Toleranzwerten' die 'Präventi-<br />

167


Kapitel 9: Besonders schutzbedürftige Einrichtungen 168<br />

ven Richtwerte' als Grundlage für Lärmminderungsmaßnahmen zu verwenden, um auch<br />

lärmempfindlichere Menschen weitgehend zu schützen.<br />

In der Synopse sind in Kapitel 4 (Seite 10) zusätzlich und gesondert nur die Präventiven<br />

Richtwerte für 'besonders schutzbedürftige Bereiche' aufgeführt, die für Lärmminderungsmaßnahmen<br />

zu Grunde zu legen sind. Die hier für Fluglärm vorgeschlagenen Begrenzungswerte<br />

unterscheiden sich von denen in Vorschriften zur Begrenzung des Verkehrslärms<br />

bei anderen Lärmquellen eindeutig, weil in den anderen Regelwerken unterschiedliche<br />

Ziele verfolgt werden. Die lärmphysikalischen und lärmmedizinischen Besonderheiten<br />

und auch die Schutzmaßnahmen sind bei Fluglärm gegenüber den anderen Verkehrslärmquellen<br />

offensichtlich.<br />

Die in der Synopse genannten 'Objekte' weisen Unterschiede in den Begrenzungswerten<br />

auf, um so den unterschiedlichen Empfindlichkeiten für Entspannung und den unterschiedlichen<br />

Funktionen in diesen Bereichen gerecht zu werden. Die Immissionskennwerte sind<br />

abgeleitet worden aus Untersuchungen von Griefahn, Jansen, Spreng und weiteren Autoren.<br />

Bei Altenheimen und Krankenhäusern sind nicht nur die Mittelungspegel sondern<br />

auch die Maximalpegel einzuhalten.<br />

Die Begrenzungswerte aus der Synopse für die besonders schutzbedürftigen Bereiche sollen<br />

noch einmal zusammenfassend dargestellt werden (siehe auch Tabelle 9.1).<br />

1. Die für Schulen einzuhaltenden Innenpegel liegen bei Leq = 40 dB(A) (präventiver<br />

Richtwert). Maximalpegel werden nicht angegeben, da situative und individuelle Einflussfaktoren<br />

keine allgemein verbindlichen Festlegungen erlauben. Angaben zu<br />

Nachtwerten erübrigen sich bei Schulen.<br />

2. Bei Kindergärten ist der präventive Richtwert am Tage von Leq = 36 dB(A) einzuhalten.<br />

Der gegenüber Schulen niedrigere Mittelungspegel gilt für Ganztageskindergärten.<br />

Maximalpegelangaben werden auch wegen der situativen und individuellen Einflussfaktoren<br />

nicht gemacht. Ebenso erübrigen sich die Angaben von Nachtwerten. In den<br />

übrigen Kindergärten sind die Werte für Schulen anzuwenden.<br />

3. Die in der Synopse angegebenen Werte für Altenheime bedürfen einer differenzierten<br />

Beurteilung bei der konkreten Anwendung. Es ist aber zu unterscheiden zwischen Seniorenwohnzentrentren<br />

und Pflegeheimen.<br />

Für die Seniorenwohnzentren sind die in der Synopse genannten präventiven Mittelungspegel<br />

für Rekreation und Erholung 57 dB(A) außen und 42 dB(A) innen anzuwenden.<br />

Für Pflegeheime gelten die in der Synopse angegebenen Mittelungspegel von<br />

36 dB(A) tags und 32 dB(A) nachts.<br />

Bei der Festlegung der Maximalpegel für Altenheime sind in der Synopse keine Häufigkeitsangaben<br />

gemacht worden, wie dies zur Kennzeichnung von Schlafstörungen in<br />

der Allgemeinbevölkerung erfolgt ist. Dies hat seinen Grund darin, dass systematische<br />

Untersuchungen zu dieser Fragestellung nicht vorliegen und Einzelbeobachtungen<br />

nicht verallgemeinert werden können.<br />

168


Kapitel 9: Besonders schutzbedürftige Einrichtungen 169<br />

Für Pflegeheime lassen sich präventive Richtwerte ableiten, die für Schwerkranke gelten.<br />

Dabei geht man von dem Kriterium 25 x 90 dB(A) am Tage für Gesunde aus;<br />

Schwerkranke weisen eine um 21 – 24 dB(A) erhöhte Empfindlichkeit aus. Von dem<br />

dabei mit 66 dB(A) (25 x 90 dB(A) – 24 dB(A)) angenommenen Außenwert sind bei<br />

gekippten Fenstern 51 dB(A) als Innenkriterium abzuleiten. Als Häufigkeitskriterium<br />

wird demnach 25 x 51 dB(A) empfohlen.<br />

Aus den Zwischenergebnissen der DLR-Studie [2001] über Aufwachreaktionen und<br />

aus den Berechnungen von Spreng über lärmbedingte Kortisolschwankungen im<br />

Normbereich wird vorgeschlagen, die präventiven Richtwerte für nächtlichen Fluglärm<br />

von 13 x 53 dB(A) auf 13 x 45 dB(A) innen zu verschärfen und geeignete Minderungsmaßnahmen<br />

vorzunehmen.<br />

4. In Krankenhäusern sollten noch etwas schärferen präventiven Richtwerte von 36 dB(A)<br />

bzw. Lmax = 45 dB(A) (tags) und Leq = 30 dB(A) bzw. Lmax = 40 dB(A) (nachts) eingehalten<br />

werden. Diese Werte sind abgeleitet aus Untersuchungen zum Übersteuerungskriterium<br />

für Schwerst-, Schwer- und Leichtkranke in Krankenhäusern [Griefahn<br />

1982]. Da in Krankenhäusern aber alle drei Kategorien von Erkrankten immer gleichzeitig<br />

zu finden sind, sollte der Immissionswert für Schwerstkranke als Kriterium für<br />

Lärmminderungsmaßnahmen herangezogen werden.<br />

Auch bei Krankenhäusern sind bei den Maximalpegelangaben keine Häufigkeitsangaben<br />

enthalten. Dies ist mit dem Mangel an systematisierten Untersuchungen zu dieser<br />

Problematik zu erklären. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei Erkrankten regelwidrige<br />

physiologische Zustände und Behandlungsbedürftigkeiten vorliegen, die eine Vergleichbarkeit<br />

mit 'Gesunden' problematisch erscheinen lassen. Um Planungs- und Entscheidungsinstitutionen<br />

handhabbare Entscheidungshilfen für Maßnahmen an die Hand<br />

zu geben, wird vorgeschlagen, in Analogie zu den Pflegeheimen ein Pegelhäufigkeitskriterium<br />

von 13 x 40 dB(A) in der Nacht anzuwenden. Zur Tagbelastung kann – ebenfalls<br />

in Analogie zu den Kriterien für Pflegeheime – mit einer 30 bis 32 dB(A) höheren<br />

Empfindlichkeit für Schwerstkranke gerechnet werden. Daraus ergibt sich für den Tag<br />

ein Pegelhäufigkeitskriterium von 25 x 45 dB(A).<br />

Tab. 9.1 Kriterien für besonders schutzbedürftige Einrichtungen<br />

Immissionsort Leq Tag Leq Nacht Lmax Tag Lmax Nacht<br />

Schulen 40 - -<br />

Kindergärten 40 - - -<br />

Kindertagesstätten 36 - - -<br />

Seniorenheime 42 35 - 13 x 53<br />

Altenpflegeheime 36 32 25 x 51 13 x 45<br />

Krankenhäuser 36 30 25 x 45 13 x 40<br />

Um den Untersuchungsraum zu definieren, in dem die einzelnen 'Objekte' bestimmt werden<br />

müßten, sind für die Außenwerte bei gekippten Fenstern 15 dB(A) und bei geschlossenen<br />

Fenstern 24 dB(A) hinzuzuzählen.<br />

169


Kapitel 9: Besonders schutzbedürftige Einrichtungen 170<br />

Von einer auf diese Werte bezogenen Berechnung von Schutzzonen sowohl für Mittelungs-<br />

als auch für Maximalpegel wird dringend abgeraten, um die Übersichtlichkeit<br />

der einzelnen Bereiche für die Normalbevölkerung zu wahren. Statt dessen sind Einzelpunktberechnungen<br />

durchzuführen, wenn die einzelnen 'Objekte' außerhalb der<br />

Umhüllenden der Isokonturen für die Normalbevölkerung liegen.<br />

Überschreiten die dabei ermittelten Belastungen die unter 1. – 4. und in Tabelle 9.1 angegebenen<br />

Immissionskennwerte, so sind diese Objekte in den Maßnahmenkatalog aufzunehmen.<br />

Bei Lage der Objekte innerhalb der Schutzzonen für die durchschnittliche Bevölkerung<br />

(Kap. 5 der Synopse) ist zu prüfen, ob die für die durchschnittlichen Belastungen<br />

vorgesehenen oder schon durchgeführten Lärmminderungsmaßnahmen ausreichend sind.<br />

Dabei sind wieder die für die einzelnen Objekte aufgeführten, oben dargestellten Immissionskennwerte<br />

zu Grunde zu legen.<br />

170


171<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 171<br />

10 Vorschlag von Bewertungsgrenzen<br />

10.1 Stellungnahme zu Messmethoden<br />

10.1.1 Vorbemerkungen<br />

Derzeitige Mess- und Bewertungsverfahren, welche die Wirkungen des Lärms auf den<br />

Menschen widerspiegeln sollen, sind dazu nur eingeschränkt in der Lage. Das Sinnesorgansystem<br />

Gehör – hinsichtlich des Energiebedarfs zehnmal empfindlicher als das Auge –<br />

zeichnet sich nämlich besonders dadurch aus, dass es<br />

− fast ausschließlich als Zeitsinnesorgan arbeitet, welches auf relativ schnelle Pegel- und<br />

Frequenzänderungen einwirkender Geräusche spezialisiert ist, und weniger der Diskrimination<br />

eingeschwungener Frequenzen bzw. der Bewertung quasi-stationärer Intensitäten<br />

dient,<br />

− Pegelschwankungen bzw. Pegelspitzen fluktuierender Geräusche, aber auch Intensitäten<br />

von Dauergeräuschen nur akut und situationsbedingt erfasst und keinesfalls längerfristig<br />

mittelnd bewertet,<br />

− neben der kurzfristigen Erfassung der Intensität (Lautheit) und der Zeitlichkeit, auch<br />

Örtlichkeit (Lokalisation) und Qualität (Bedeutungsinhalte) erfasst.<br />

Konkret heißt dies, dass die derzeit zur Beurteilung von Lärmsituationen verwendeten Kriterien,<br />

wie z. B. die Zeitbewertung 'SLOW' (s. u.), die Frequenzbewertung anhand der A-<br />

Kurve (s. u) und der Mittelungspegel über mehrere Stunden (s. u.) die Funktion des Gehörs<br />

bei höheren Intensitäten nur unzulänglich beschreiben können, obwohl diese in der gängigen<br />

Praxis nach wie vor dominierend angewendet werden. Der Grund für die derzeitige<br />

Verwendung solcher vereinfachender Messverfahren liegt in der damit gewonnenen Vergleichbarkeit<br />

und leichten Erfassbarkeit. Deshalb beruhen auch die in der Synopse zusammengefassten<br />

medizinisch-physiologisch begründeten Bewertungsgrenzen [Griefahn et al.<br />

2002] auf diesen Festlegungen. Allerdings sind dort speziell für die Nachtbelastung begrenzende<br />

Maximalpegelkriterien (Anzahl und Pegel) neu aufgenommen worden.<br />

10.1.2 Mittelungspegel und AzB<br />

An dieser Stelle ist nochmals darauf hinzuweisen, dass das menschliche Schallverarbeitungssystem<br />

grundsätzlich nicht Mittelungspegel sondern stets Maximalpegel in Erregungen<br />

umsetzt und auch in der Wahrnehmung als Lärm bewertet. Daran ändert auch die<br />

einfache und allgemein anerkannte Messmethodik ebenso wenig wie die relativ gute<br />

Korrelation eines Mittelungspegels mit späteren gemittelten Befragungsergebnissen hinsichtlich<br />

des Tages-Belästigungsgrades größerer Populationen. Vielmehr ist aufgrund der<br />

Mittelung sowohl auf der Ursachenseite als auch auf der (Belästigungs-)Wirkungsseite<br />

diese gute Korrelation a priori wohl zu erwarten. Es liegt derzeit also mit einer nahezu<br />

ausschließlichen (nicht perzeptions- bzw. wirkungsgerechten) Pegelfixation und der


172<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 172<br />

Verwendung des nicht gehörrichtigen Mittelungspegels ein nicht ausreichend wirkungsgerechtes<br />

Messverfahren vor.<br />

Trotzdem werden nicht nur Dauergeräusche, sondern auch mehr oder weniger stark fluktuierende<br />

Geräusche längerer Einwirkdauer gern vereinfachend durch sog. äquivalente<br />

Dauerschallpegel abgebildet, wobei die Flächen unter den jeweiligen Pegel-Zeitverläufen<br />

logarithmisch zu einer Rechteckfläche mit der dann resultierenden Höhe eines 'Äquivalenzpegels'<br />

nivelliert werden.<br />

Der äquivalente Dauerschallpegel eines Geräusches errechnet sich nach:<br />

Leq,q = x lg<br />

t<br />

dB = L+ lg dB<br />

. L<br />

x dB<br />

10 q t<br />

lg2 T<br />

T<br />

wobei t = Geräuschdauer, T = Beurteilungszeit, L = Schalldruckpegel; q entspricht dem so<br />

genannten Äquivalenzparameter (x*lg2), der angibt, welche Erhöhung des Schallpegels<br />

einer Verdopplung seiner Dauer entspricht; so ergibt sich für q = 3 x zu 3/0.3 = 10). Beim<br />

energieäquivalenten Dauerschallpegel oder auch Mittelungspegel Leq(3) (3 dB Pegelerhöhung<br />

entspricht einer Verdopplung der Dauer).<br />

Fluglärm wurde bisher – im Gegensatz zu anderen Lärmarten – mit q = 4 bewertet, wodurch,<br />

abhängig von Überflugdauer, Überflugzahl, <strong>Flughafen</strong>entfernung usw., unterschiedliche<br />

Mittelungspegel resultierten. Abweichungen können dabei in beiden Richtungen<br />

erfolgen.<br />

Ein gewisses Problem liegt in der wirkungsgerechten Festlegung der einzelnen Geräuschdauern<br />

(Überflugdauern) ti falls stark fluktuierende bzw. impulsartig aus dem Hintergrundgeräusch<br />

auftauchende Geräusche innerhalb der Beurteilungszeit auftreten. Einmal kann<br />

man – bei Dreiecksannäherung der Fläche – die 'effektive' Dauer (ca. 3 dB-Abfallzeit),<br />

zum anderen (bei impulsiven Schallverläufen) die sog. 10 dB-Abfallzeit bei Flugereignissen<br />

(ti,10) verwenden. Letztgenannte ist die Zeitdauer, innerhalb der Maximalpegel um<br />

weniger als 10 dB unterschritten ist. Sie ist etwa doppelt so lang, wie die effektive Dauer,<br />

so dass häufig auch die Hälfte der als 10 dB-Downtime bestimmten Dauer (ti,10/2) des<br />

SLOW-bewerteten Schallereignisses verwendet wird [Isermann et al. 2000]). Dies immer<br />

dann, wenn ein Äquivalenzparameter von q = 3 verwendet wird (wie z. B. in der Norm<br />

DIN 45643 beschrieben), was der internationalen Norm ISO 3891 entspricht.<br />

Die Berechnungen von Lärmkonturen erfolgen nach der 'Anleitung zur Berechnung von<br />

Lärmschutzbereichen' – AzB [1975, 1984, Entwurf 1999]. Den Anleitungen von 1975 und<br />

1984 liegen Flugzeuggruppeneinteilungen zu Grunde, die trotz Ergänzung [AzB 1984]<br />

veraltet und für eine Beschreibung der aktuellen Situation nicht mehr geeignet sind. Der<br />

Vorschlag des Umweltbundesamtes in Richtung Fortschreibung der AzB, basiert im Wesentlichen<br />

auf einem Forschungsbericht des damaligen Max-Planck-Instituts für Strö-


173<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 173<br />

mungsforschung, Göttingen, der im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellt wurde. Im<br />

Anschluss daran wurde auf Anregung und unter <strong>Teil</strong>nahme des Umweltbundesamtes in<br />

einer ad-hoc-Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV)<br />

der AzB-Vorschlag verifiziert [AzB99]. Er beschreibt die Eigenschaften der heute und in<br />

den nächsten 10-15 Jahren am Luftverkehr teilnehmenden Flugzeugmuster in adäquater<br />

Weise und sollte daher auch für die medizinische Beurteilung herangezogen werden, wie<br />

im lärmphysikalischen <strong>Gutachten</strong> G 10.1A vorgegeben .<br />

10.1.3 Maximalpegelkriterien<br />

Aus medizinisch-physiologischer Sicht ist es unabdingbar, dass sich zumindest die Wertung<br />

nächtlicher Lärmwirkungen in erster Linie auf Maximalpegelkriterien stützt. Deshalb<br />

sind in der Synopse [Griefahn et al. 2002] Bewertungskriterien für präventive Richtwerte<br />

(PRW) und kritische Toleranzwerte (KTW) mit Überfluganzahl und entsprechenden Maximalpegelwerten<br />

fixiert. Der Grund liegt darin, dass ein einzelnes lautes Schallereignis,<br />

welches am Tage z. B. die Belästigungsempfindung nicht nennenswert beeinflussen mag,<br />

in der Nacht zu zusätzlichem Aufwachen führen kann, dessen Wahrscheinlichkeit aus präventivmedizinischer<br />

Sicht minimiert werden sollte. Andererseits sind die subkortikalen<br />

Bereiche des Gehörs auch während des Schlafes voll funktionsfähig (Warnsinnesorgan), so<br />

dass durch einzelne Pegelspitzen hervorgerufene Aktivierungen mit entsprechender Stresshormonausschüttung<br />

ebenfalls nicht außer Betracht bleiben dürfen und nur durch Maximalpegelkriterien<br />

eingrenzbar sind.<br />

Demzufolge sind nächtliche Lärmkonturen grundsätzlich durch Maximalpegelkriterien zu<br />

bestimmen, die letztlich als 'Anzahl und Pegel' (Maximalpegel-Häufigkeits-Paare: MHP),<br />

also in Form von Deckelungswerten festgelegt sein müssen bzw. sollten. Bei der Bewertung<br />

in konkreten Situationen ist der Maximalpegel des kritischen Toleranzwertes als absolute<br />

Grenze im Zusammenhang mit weiteren Belastungen zu berücksichtigen. Für eine<br />

gewisse Übergangsphase ist es denkbar, die präventiven Richtwerte als 'Anzahl über<br />

Schwellenwert' (Number above Threshold: NAT-Werte) aufzufassen und zu berechnen,<br />

wobei allerdings die Maximalpegel-Häufigkeits-Paare, welche den jeweils zugehörigen<br />

kritischen Toleranzwert kennzeichnen, keinesfalls überschritten werden dürfen.<br />

Bisher sind z. B. für Lärmkonturberechnungen stets die existierenden Maximalpegelkriterien<br />

als NAT-Werte angenommen worden, wobei zwar die begrenzende Anzahl berücksichtigt<br />

wurde, aber keinerlei Angabe über das Ausmaß der erlaubten Überschreitung des<br />

angegebenen Maximalpegelwertes vorlag. Sie stehen zum <strong>Teil</strong> rein zahlenmäßig mit älteren<br />

Verfahrensweisen in Übereinstimmung, sind jedoch unter neueren Gesichtspunkten<br />

anzuwenden.<br />

Werden derartige Maximalpegelkriterien (als Maximalpegel-Häufigkeits-Paare) festgelegt,<br />

so besteht die Gefahr, dass unterhalb dieser Kriterien theoretisch beliebig viele Flüge mit<br />

(knapp) geringeren Maximalpegeln sich ereignen dürften. Derartiges würde dazu führen,<br />

dass bei normalem kurzem Aufwachen (im Mittel ca. 18 Mal pro Nacht) oder durch ein<br />

lärminduziertes, zusätzliches Aufwachen, ein Wiedereinschlafen durch eine große Zahl<br />

weiterer leiserer Flüge, die dann bewusst wahrgenommen werden, erschwert werden wür-


174<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 174<br />

de. Damit wäre eine deutliche Reduktion der Gesamtschlafzeit verbunden, die wiederum<br />

als bedenklich eingestuft werden muss.<br />

Deshalb wird vorgeschlagen, innerhalb der durch die Maximalpegelkriterien bestimmten<br />

Lärmkonturen das Verhindern oder Verlängern des Wiedereinschlafens infolge zu großer<br />

Anzahl zusätzlicher leiserer nächtlicher Überflüge dadurch zu begrenzen, dass bestimmte,<br />

nicht zu überschreitende Leq-Werte, in die ja sämtliche Flüge eingehen, als sekundäres<br />

Schutzziel. Auch für die Durchführung von Schallschutzmaßnahmen) festgelegt werden.<br />

Deshalb enthält die Synopse für die Nachtzeiten auch entsprechende Leq-Werte.<br />

10.1.4 Zeitbewertung SLOW bzw. FAST<br />

Infolge der sehr kurzen mechanischen Einschwingzeiten des Mittelohres (30 µs) und des<br />

Innenohres (0.3 – 3 ms) gibt nicht die SLOW-Bewertung, sondern allenfalls die FAST- bzw.<br />

IMPULS-Bewertung angenähert die Leistungsfähigkeit und damit auch die Reagibilität des<br />

Gehörs, sowie das Schädigungspotential des Ohres verwertbar wieder.<br />

Das heißt, dass in Fällen deutlich impulsartiger Schalleinwirkung (z. B. auch bei hochdynamischem<br />

Fluglärm, wie er bei niedrigen Überflughöhen und insbesondere bei Militärmaschinen<br />

auftritt) eine FAST-Bewertung angeraten ist. Bei Überflügen in <strong>Flughafen</strong>nähe ergibt<br />

diese im Mittel eine Erhöhung der Maximalpegel um ca. 1,3 dB [Spreng 2001c], in Einzelfällen<br />

(generell bei Militärjets) bis zu 3 dB.<br />

10.1.5 Frequenzbewertung<br />

Da das Hörempfinden frequenzabhängig ist, werden in die Schallmessgeräte Filter eingebaut,<br />

die mit A, B und C bezeichnet werden. Der so erhaltene Messwert, z. B. dB(A), bedeutet,<br />

dass niedrigere und höhere Frequenzen, die vom menschlichen Ohr schlechter<br />

wahrgenommen werden, anders bewertet werden als Frequenzen im mittleren hörbaren<br />

Frequenzbereich. Bei zwei energetisch gleichen Geräuschen, die in einem Falle im niederfrequenten<br />

Bereich und im anderen Falle im Hochfrequenzbereich die höchsten Lautstärkewerte<br />

aufweisen, ergeben sich bei Anlegen der A-Kurve deshalb unterschiedliche Werte.<br />

Hinsichtlich des Lautheitsempfindens sind die A-Kurven für leise, schwellennahe Geräusche<br />

repräsentativ, die B-Kurven für mittellaute und die C-Kurven für laute Geräusche.<br />

Aus medizinischer Sicht gilt das dB(A) bisher als ein annähernd empfindungsadäquates<br />

Beurteilungskriterium. Dagegen gilt es nicht als lautstärke- oder gehörrichtiges Maß für<br />

mittellaute oder sehr laute Belastungen. Je höher die Lautstärke ist, desto geringer ist die<br />

Frequenzabhängigkeit.<br />

Vor allem die Lästigkeitsempfindung wird durch die A-Bewertung für die mittellauten<br />

Geräusche besser beschrieben als durch die Bewertung mit den Filtern B und C. Deshalb<br />

sind derzeit sowohl national als auch international die 'Lärm'-Werte in der A-Bewertung<br />

angegeben.<br />

Was für die Belästigung Gültigkeit besitzt, muss nicht unbedingt für vegetative Lärmwirkungen<br />

in gleicher Weise gelten. Da die A-Bewertung im Messwert die deutlichste Fre-


175<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 175<br />

quenzkorrektur widerspiegelt, werden durch technische Veränderungen (z. B. Dämpfungsmaßnahmen)<br />

erzielte Energieverschiebungen in den niedrigeren Frequenzbereich auch<br />

geringere Pegelanzeigen liefern. Trotzdem wirkt ein Großteil der Energie nach wie vor auf<br />

den Organismus ein. Außerdem werden grundsätzlich tiefere Frequenzanteile von Schallen<br />

durch Schallschutzmaßnahmen weniger gedämmt als höherfrequente, so dass auch die Beurteilung<br />

von Schallschutzwirkungen (beispielsweise von Schallschutzwänden an Straßen)<br />

anhand der A-Kurve zu Fehl- bzw. Überinterpretationen führen kann. Deshalb ist – auch<br />

aus medizinischer Sicht – zumindest an kritischen Immissionspunkten eine vergleichende<br />

C-Bewertung angeraten (insbesondere auch für Lkw-Lärm).<br />

10.1.6 Berücksichtigung der Schalldynamik (Anstiegssteilheit)<br />

Infolge der bereits erwähnten, sehr kurzen mechanischen Einschwingzeiten des Mittelohres<br />

(30 µs) und des Innenohres (0.3 – 3 ms) spielen die Anstiegszeiten bzw. die Anstiegssteilheiten<br />

von Schallflanken zusätzlich eine wichtige Rolle [Spreng 1980b, Spreng et al. 1988].<br />

Insbesondere das Proportional-Differentialverhalten der Sinneszellen und damit eine Überbetonung<br />

der Reizdynamik ist zu berücksichtigen, denn unmittelbar hinter den Sinneszellen<br />

des Ohres liegt stets eine überschießende Erregung, abhängig von der Dynamik des<br />

Anstiegs der Schalle vor, welche demgemäß das gesamte periphere und zentrale System<br />

erfasst. Diese Anstiegsdynamik kann auch bei niedrig fliegenden Flugzeugen mit 4 –<br />

15 dB/s gegenüber anderen Lärmarten bemerkenswert hoch sein. Beachtenswert sind überdies<br />

schnelle nervöse Verarbeitungsbahnen, welche Stammhirnteile schon nach 5 ms bzw.<br />

7 ms aktivieren (Kap. 3.1.1). Bei Anstiegssteilheiten um 15 dB/s lässt sich beispielweise<br />

zeigen, dass die zentralnervösen Erregungsgrößen um den Faktor 1,5 größer sind und bei<br />

10-fach höherer Anstiegssteilheit bis um den Faktor 4 höher liegen können [Spreng 1997].<br />

Bisher wird bei der Beurteilung von Umweltlärm die Schalldynamik nicht oder allenfalls<br />

indirekt über die Frequenzzusammensetzung einbezogen, obwohl bei den durch prägnante<br />

Emergenz gekennzeichneten intermittierenden Geräuschen, bei denen durch mehr oder<br />

weniger lange Pausen deutlich voneinander getrennte Schallereignisse wenig vorhersagbar<br />

einwirken, die Anstiegssteilheiten eine gewisse Rolle bei psychosozialen und bei vegetativen<br />

Lärmwirkungen (z. B. Erschrecken, Anstieg der Herzschlagfrequenz) spielen dürften<br />

(bei normalen Überflügen in <strong>Flughafen</strong>nähe liegen diese bei 1,4 bis 3,3 dB/s. Allerdings<br />

treten in FAST-bewerteten Pegelschrieben 10 dB-Sprünge, also <strong>Teil</strong>anstiegsgeschwindigkeiten<br />

von 10 dB/s auf).<br />

Dabei rufen nicht nur Pegeländerungen (Amplitudenmodulationen) sondern auch dynamische<br />

Frequenzänderungen (Frequenzmodulationen) ohne Pegeländerungen beachtliche<br />

Erregungen im Sinnesorgansystem Gehör hervor [Spreng 2001d]. In beiden Fällen resultieren<br />

vergleichbare Erregungsgrößen, da auf die reine Frequenzmodulation neuronale<br />

Elemente ansprechen, die eben nur auf derartige Reizänderungen spezialisiert (Spracherkennung)<br />

sind. Bei nahezu allen bisherigen Untersuchungen, Befragungen und Schallklassifizierungen<br />

der Lärmwirkungsforschung ist völlig vernachlässigt worden, dass nicht


176<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 176<br />

nur Pegeländerungen, sondern auch reine Frequenzvariationen, die kein Pegelmessgerät als<br />

nennenswerten Ausschlag anzeigt, vergleichbare Erregungen hervorrufen können.<br />

Die hier und unter 10.1.5 angeführten Vorschläge, die künftig eine wirkungsgerechtere<br />

Beurteilung ermöglichen könnten, bedürfen jedoch umfangreicher Validierungen, wozu<br />

geeignete längerfristige Erhebungen notwendig sind, um konkret notwendige Änderungen<br />

zu erkennen (siehe Kap. 10.1.9).<br />

10.1.7 Betriebsrichtungsaufteilung<br />

In der AzB wird für die Berechnung der Schallpegel in den 6 verkehrsreichsten Monaten<br />

von einer durchschnittlichen Aufteilung auf die unterschiedlichen Betriebsrichtungen ausgegangen.<br />

Diese durchschnittliche Aufteilung im langjährigen Mittel beträgt für den <strong>Flughafen</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong> etwa 19 – 26 % im Ost- und 73 - 81 % im Westbetrieb [Spreng 2001c]).<br />

Damit kann eine annähernd realistische Verteilung der Lärmbelastung errechnet werden.<br />

Da es jedoch in besonderen Situationen sein könnte, dass zu bestimmten Zeiten eine Häufung<br />

von Schallereignissen nur in einer Betriebsrichtung auftritt, ist in der 'Leitlinie zur<br />

Beurteilung von Fluglärm durch die Immissionsschutzbehörden der Länder' (LAI) eine<br />

100 %-ige Auslastung in den jeweiligen Betriebsrichtungen für die Erstellung von Lärmkonturen<br />

empfohlen worden.<br />

Die getrennte Berechnung der Flugbetriebsrichtungen Ost und West bei jeweils 100 %<br />

Betriebsaufkommen und die Nutzung des jeweils höheren Beurteilungspegels zur Bewertung<br />

stellt damit eine zusätzliche Sicherheit dar. Jedoch muss auf die lärmmedizinisch bedeutsame<br />

Tatsache hingewiesen werden, dass die für Kompensationsmechanismen des<br />

belasteten Organismus wichtigen Erholungszeiten damit nicht in Rechnung gestellt sind<br />

bzw. dann übertriebenermaßen ungleich vorliegen.<br />

Hinsichtlich dieser früher für die Betriebsrichtungsaufteilung verwendeten 100 %-Regelung<br />

[LAI-Leitlinie 1997] sind auch mehrfach Einwände wegen unrealistischer Belastungssituationen<br />

(wenn man von der Betrachtung der Einzelnacht absieht) und international<br />

nicht vergleichbarer Festlegungen, sowie problematischer Benachteiligung von außerhalb,<br />

randständig wohnender Anrainer vorgebracht worden.<br />

In der Realität ist eine solche Situation nicht zu erwarten, deshalb gibt es Vorschläge, die<br />

realitätsadäquater sind [Isermann et al. 2000, Spreng 2001c]. In einem Falle soll eine für<br />

jede Betriebsrichtung charakteristische Auslastung verwendet werden und von den entsprechenden<br />

Prozentwerten aus den langjährigen Betriebsrichtungsstatistiken der Flughäfen<br />

ausgehend, zwei Konturen für beide Betriebsrichtungen berechnet und davon die Einhüllende<br />

gebildet werden. Bei der zweiten, einfacheren, aus lärmmedizinischer Sicht vorgetragenen<br />

Überlegung wird davon ausgegangen, dass bei einer 100/100 Bewegungsverteilung<br />

Personen, welche innerhalb durchschnittlich geringer überflogener Bereiche der dann<br />

resultierenden Schutzzone leben, einseitig bevorzugt, randständig lebende Personen deutlich<br />

benachteiligt werden. Deshalb sollte den tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung getragen<br />

und die Mittelwerte der Flugbewegungen über mehrere Jahre mit ihren Standard-


177<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 177<br />

abweichungen herangezogen werden. Die positiven Standardabweichungen der zurückliegenden<br />

langjährigen Mittel sollen beidseitig den Mittelwerten zugerechnet werden, um<br />

einen zusätzlichen Sicherheitszuschlag zu gewährleisten. Das trägt auch der bisherigen<br />

Handhabung in der Genehmigungspraxis Rechnung, bei der von der tatsächlichen Lärmbelastung<br />

ausgegangen wird.<br />

10.1.8 Bewertung unterschiedlicher Schallquellen (Kombinationswirkungen)<br />

Meist wirken auf Anwohner von Flughäfen unterschiedliche Schallquellen zeitlich parallel<br />

oder versetzt ein. Deshalb erhebt sich die Frage, ob Kombinationswirkungen dieser verschiedenen<br />

Quellen prognostizierbar bzw. bewertbar sind. Allein schon die Berücksichtigung<br />

triebwerksbedingter Maximalpegel bei der notwendigen gemeinsamen Betrachtung<br />

der Flug- und der Bodenlärmbelastung und nicht allein der Mittelungspegel, lassen erkennen,<br />

dass es zielführender ist, eine Gesamtlärmbelastung nicht durch einen Einzahlwert zu<br />

bewerten. Für Fragen der Lärmminderung sind zwar alle Lärmquellen in Betracht zu ziehen,<br />

insofern wäre es hilfreich, wenn eine Gesamtlärmbelastung auch einer Gesamtlärmwirkung<br />

entsprechen würde.<br />

Die am häufigsten belastenden Lärmarten sind der Straßenverkehrslärm und der Luftverkehrslärm.<br />

Wie die neuesten Untersuchungen über die kombinierte Belastung durch Straßen-<br />

und Flugverkehr gezeigt haben [Oliva 1998, Möhler et al. 2000a, b, Stansfeld et al.<br />

2000a, b], sind beide Lärmquellen jedoch in ihrer Zusammensetzung und in ihrem zeitlichen<br />

Auftreten unterschiedlich, ebenso sind auch die Wirkungsweisen different. Es ist daher<br />

sinnvoll und auch wirkungsadäquat, dass beide Lärmarten getrennte Beurteilungen und<br />

unterschiedliche Immissionswerte erfordern. Auch die nächtlichen Belastungen sind unterschiedlich,<br />

wenn man das Aufwachverhalten als Kriterium heranzieht. Beim Straßenverkehrslärm<br />

liegt die Aufweckschwelle niedriger als beim Fluglärm [AKLWF 1982]. Vor<br />

allem aber ist die kognitive Verarbeitung und die davon stark beeinflusste Störwirkung von<br />

Straßen- und Fluglärm unterschiedlich stark [Scheuch & Jansen 2001a].<br />

Auch von psychologischer Seite wird immer wieder darauf hingewiesen, dass 'Lärm' nicht<br />

gemessen, sondern nur erlebt werden kann und daher jeder Lärmquelle infolge der einleitend<br />

erwähnten Empfindungskriterien (Intensität, Zeitlichkeit, Örtlichkeit, Qualität) eine<br />

besondere Lästigkeitswirkung potentiell innewohnt. Es sollte daher auch an der bisherigen<br />

Trennung von Regelungen zu Straßenverkehrslärm, Fluglärm, Baulärm und Industrielärm<br />

festgehalten werden.<br />

Die physikalisch-akustische gemeinsame Betrachtung verschiedener Pegel unterschiedlicher<br />

Lärmquellen kann jedoch dann sinnvoll sein, wenn es darum geht, prioritäre Regelungen<br />

für Fragen der Lärmminderung zu treffen. Hierbei sind aber die Charakteristiken der<br />

akustischen Belastung und der zeitlichen Verteilung bzw. der Struktur der Lärmbelastung<br />

zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass die Pegel unterschiedlicher Schallquellen unterschiedlich<br />

berechnet werden, unterschiedliche zeitliche Gültigkeit haben, so dass weder<br />

eine energetische noch eine sonstige Zusammenfassung möglich ist. Es liegt somit nahe,


178<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 178<br />

vorerst bei der unterschiedlichen Bewertung der verschiedenen Lärmquellen zu bleiben.<br />

Außerdem lässt sich so besser am Verursacherprinzip festhalten. Auch der Rat von Sachverständigen<br />

für Umweltfragen [SRU] würde es begrüßen, wenn eine Gesamtlärmbewertung<br />

möglich wäre. Er stellt jedoch fest, dass die bisherigen Untersuchungen noch nicht<br />

ausreichen, eine solche Einzahlbewertung vorzunehmen.<br />

10.1.9 Zukünftige Aspekte<br />

Es steht außer Frage, dass hinsichtlich einer zukünftigen Lärmwirkungsbeurteilung (vor<br />

allem bei Einwirken verschiedener Schallquellen) FAST-bewertete Schalle, zusätzlicher<br />

Einsatz einer C-Bewertung, genauere Analyse von momentanen Pegeln und ihrer Fluktuationen,<br />

Frequenzzusammensetzungen und insbesondere Frequenzmodulationen, sowie Ruhezeiten<br />

und Häufungen von Schallereignissen mit in die Betrachtungen aufgenommen<br />

werden müssen, was durch Einsatz moderner Computerprogramme und Analysesysteme<br />

heutzutage durchaus möglich ist.<br />

Grundsätzlich liegt eine unzureichende Belästigungserfassung infolge eindimensionaler<br />

Pegelfixation und bei Einwirkung mehrerer Quellen vor. Es zeigt sich, dass speziell hinsichtlich<br />

Belästigung erwartungsgemäß eine Vielzahl moderierender Variabler eine beachtliche<br />

Varianz der A-Posteriori-Befragungen verursacht und dass diese Moderatoren neben<br />

Personalität und Umgebungssituation auch von der Beschaffenheit der oft kombinierten<br />

Schallquellen abhängen [Guski 1997]. Es ist deshalb aus physiologisch/psychophysischer<br />

Sicht die Frage zu stellen, ob einfache Pegelbetrachtungen zur Belastungsbeschreibung<br />

ausreichen und welche Schallparameter (z. B. Quellenanordnung, Qualität, Zeitlichkeit),<br />

sowie veränderliche sensorische Einstellung eine zusätzliche Rolle spielen [Spreng, 2003].<br />

− Wie ist die Wirkung zu bewerten, wenn die Schallquellen zwar gleiche Pegel, aber unterschiedliche<br />

Frequenzzusammensetzungen aufweisen (Flug und Straße) ?<br />

− Wie wird empfunden bzw. bewertet, wenn eine unterschiedliche Zeitstruktur der kombinierten<br />

Schallquellen vorliegt, wobei zwischen gleichförmigen, fluktuierenden und<br />

impulsiven Schallen zu unterscheiden ist ?<br />

In diesem Zusammenhang ist nochmals eindringlich auf die Bedeutung unterschiedlicher<br />

Frequenzzusammensetzung kombinierter Schalle und vor allem auch dabei auftretender<br />

Frequenzmodulationen hinzuweisen, womit z. B. auch Vorschläge für Zuschläge zur einfachen<br />

logarithmischen Intensitätsaddition begründet werden können [Spreng 2003] und mit<br />

Sicherheit auch eine Abnahme einer Belästigungsempfindung erreicht werden kann, wenn<br />

bei Einwirkung von Umweltschallen mit zum <strong>Teil</strong> drastischen Frequenzmodulationen (sirenenähnlich,<br />

ähnlich kreischender Kreide an der Tafel) oder tonaler Komponenten (pfeifende<br />

Geräusche) diese selektiv beseitigt werden, ohne dass damit eine nennenswerte Pegelreduzierung<br />

verbunden ist.<br />

Kritisch sind Versuche zu beurteilen, Dosis-Wirkungsbeziehungen einer Belästigung aus<br />

unterschiedlichen Belästigungsstudien quellenspezifisch zusammenzufassen und zu standardisieren.<br />

Dabei wird nicht mehr auf die Bewertung 'erheblich belästigt' bezogen, son-


179<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 179<br />

dern als Effektgröße 'belästigt' verwendet. Außerdem wird zusätzlich zur eindimensionalen<br />

Pegelfixierung versucht, anstelle der realitätsnäheren getrennten Tag- und Nachtbewertung,<br />

neben der bisher verwendeten Größe eines Tag/Nacht-Mittelungspegels (LDN), auch<br />

noch eine Art 24 h-Mittelungspegel (LDEN) mit Zuschlägen für die stärker lärmsensiblen<br />

Abendstunden (4h; + 5 dB(A)) und die Nachtzeit (8h; + 10 dB(A)]) zu etablieren.<br />

Es ist bekannt, dass das Belästigungsurteil für die Nacht (wenn überhaupt dort eine der am<br />

Tage erlebbaren Belästigung vergleichbare Beeinflussung stattfindet) überdurchschnittlich<br />

durch die Tagesbelastung bestimmt zu sein scheint. Außerdem sind grundsätzlich nicht<br />

Mittelungspegel, sondern Maximalpegel und Häufigkeiten für die Nachtbelastung bestimmend.<br />

Aus physiologischer Sicht entfernt man sich mit einem derartigen 'Beurteilungsgemisch'<br />

jedenfalls damit immer mehr von einer gehörrichtigen und wahrnehmungsgerechten Beurteilung,<br />

die ja bereits durch die Verwendung des sinnesphysiologisch als 'Kunstprodukt' zu<br />

bezeichnenden Mittelungspegels an sich schon nicht mehr gegeben ist.<br />

10.2 Bewertungsgrenzen<br />

Grenz- und Orientierungswerte sollen zur Beschränkung von Schalleinwirkungen wie auch<br />

zur Auslösung von Schallschutzmaßnahmen dienen. Sie werden von der Wissenschaft auf<br />

der Grundlage der gegenwärtig weitgehend gesicherten Erkenntnisse vorgeschlagen und<br />

seitens der Politik unter Abwägung anderer Risiken und des wirtschaftlich Machbaren umgesetzt.<br />

Das deutsche Fluglärmgesetz von 1971 erlaubt den Ländern, zusätzlich zu den festgelegten<br />

Kriterien für Lärmschutzbereiche, weitergehende planungs- und entschädigungsrechtliche<br />

Regelungen zu treffen. Die Genehmigungsbehörde kann nach der Luftverkehrs-Zulassungsordnung<br />

bei wesentlichen Änderungen und beim Neubau von Flughäfen sowohl ein<br />

lärmphysikalisches als auch ein lärmmedizinisches <strong>Gutachten</strong> anfordern. Damit soll die<br />

Möglichkeit eingeräumt werden, den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand der<br />

Lärmwirkungsforschung in Grenz- und Orientierungswerte umzusetzen. Die Rechtsprechung<br />

hat inzwischen auf der Grundlage von Lärmwirkungsgutachten diese Zumutbarkeitskriterien<br />

für Flughäfen gegenüber dem Fluglärmgesetz bereits deutlich verändert und<br />

herabgesetzt.<br />

Dies hatte zur Folge, dass zum einen sowohl in der politischen Diskussion um die Veränderung<br />

von Flughäfen und in der Lärmwirkungsforschung selbst unterschiedliche Grenzund<br />

Orientierungswerte diskutiert werden und zum anderen eine sehr unterschiedliche<br />

Terminologie für solche Begrenzungswerte von Lärm verwandt wird. Der Deutsche Bundestag<br />

forderte in seinem Beschluss vom 02.09.1998 die Festlegung von Zumutbarkeitsgrenzen,<br />

Schutzzonen und Eingriffsschwellen. Maschke et al. [1997a, b] sprechen von<br />

'Effektschwellen'. In der Rechtsprechung werden von der Lärmwirkungsforschung vorgeschlagene<br />

Begrenzungswerte teilweise als 'Handlungs-' oder 'Eingriffschwellen' bezeichnet.


180<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 180<br />

Begriffswirrwarr, unterschiedliche Interpretationen von Ergebnissen der interdisziplinären<br />

Lärmwirkungsforschung, Brisanz des Problems, unterschiedliche Interessenlagen erschweren<br />

die Akzeptanz selbst wissenschaftlich fundierter Aussagen lärmmedizinischer <strong>Gutachten</strong><br />

in einem konkreten Planfeststellungsverfahren zur wesentlichen Änderung eines <strong>Flughafen</strong>s/Flugplatzes.<br />

Deshalb hat die Fraport AG 2001 die Autoren dieses Lärmmedizinischen<br />

<strong>Gutachten</strong>s beauftragt, unabhängig von einer konkreten Situation die gegenwärtigen<br />

Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung in Einzelgutachten unabhängig voneinander<br />

aufzuarbeiten. Mehr als 900 Literaturstellen wurden verarbeitet und insgesamt 625 Seiten<br />

vorgelegt. Anschließend wurden die Autoren, die von unterschiedlichen Schwerpunkten in<br />

der Lärmwirkungsforschung ausgehen, gebeten eine gemeinsame Position zur Bewertung<br />

von Fluglärm bei wesentlichen Änderungen an Flughäfen/Flugplätzen zu erarbeiten. Die<br />

durchaus unterschiedlichen Positionen wurden sachlich abgewogen, ausdiskutiert, weitere<br />

Meinungen eingeholt, neueste Erkenntnisse ständig in den Prozess einbezogen und schließlich<br />

eine zusammenfassende Bewertung ('Synopse') erarbeitet, die den Bewertungen im<br />

Verfahren am <strong>Flughafen</strong> <strong>Frankfurt</strong> zugrunde gelegt wird.<br />

10.2.1 Prinzipien der Bewertung der Lärmsituation am <strong>Flughafen</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong><br />

• Die wissenschaftliche Grundhaltung der Lärmmedizin geht beim gegenwärtigen Erkenntnisstand<br />

von der Vorstellung aus, dass eine Minderung des Lärms prinzipiell anzustreben<br />

ist.<br />

• Der Begriff Grenzwert wird vermieden, da er Gesetzes- und Verordnungsvorschriften<br />

vorbehalten bleiben sollte.<br />

• Die Bewertungsgrenzen beschränken sich auf den mit dem Flugbetrieb verbundenen<br />

Lärm. Die Berücksichtigung weiterer Lärmquellen (Straße, Schiene) bedarf einer<br />

grundsätzlichen Diskussion (siehe unten).<br />

• Es werden unterschiedliche Schutzziele wirkungsseitig in die Beurteilung einbezogen.<br />

Das erlaubt ein differenzierteres Vorgehen sowohl im Lärmschutz als auch bei der<br />

Beurteilung von Risiken. Zum anderen wird der hier vertretenen komplexen Auffassung<br />

von Gesundheit als eines aktiven Prozesses Rechnung getragen.<br />

• Durch die Wahl einer zweistufigen Bewertung und der Ausweisung von Schwellenwerten<br />

soll mehr Klarheit und Sicherheit in die Risikodiskussion zu Ergebnissen der<br />

Lärmwirkungsforschung gebracht werden, die von 'bewiesen' über 'anzunehmen', 'mit<br />

Wahrscheinlichkeit anzunehmen', 'möglich' bis zu 'nicht auszuschließen' geht. In der<br />

öffentlichkeitswirksamen Lärmdiskussion werden solche Abstufungen dann nicht<br />

mehr vorgenommen. Auch in der Schweiz geht man von einem mehrstufigen System<br />

der Festlegung von Lärmgrenzwerten aus, die zwischen Präventions- und Interventionskonzept<br />

unterscheiden [Oliva & Hüttenmoser 2000]. Es werden neben Alarmwerten<br />

Immissionsgrenzwerte und Planungswerte unterschieden, die jedoch als gesetzliche<br />

Handlungsgrundlagen gedacht sind und damit einen anderen Charakter haben als<br />

das Stufenschema der hier vorgelegten Bewertung.


181<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 181<br />

Die 'Synopse' geht von folgender Hierarchie der Begrenzungswerte aus, bei der das Gefährdungs-<br />

und Beeinträchtigungsausmaß und die wissenschaftliche Sicherheit der Erkenntnisse<br />

einbezogen wurden:<br />

- Kritischer Toleranzwert:<br />

Gesundheitsgefährdungen und/oder -beeinträchtigungen sind nicht mehr auszuschließen.<br />

Die wissenschaftliche Begründung der Lärmwirkung ist vorhanden, oder es besteht<br />

ein ausreichender, wissenschaftlich begründeter Verdacht.<br />

Der kritische Toleranzwert ist zu unterschreiten. Die Überschreitungen zwingen zu<br />

Maßnahmen der Lärmminderung.<br />

- Präventiver Richtwert:<br />

Es handelt sich um einen Vorsorgewert, bei dessen Einhaltung Gesundheitsgefährdungen<br />

weitgehend ausgeschlossen sind. Beeinträchtigungen und Störungen können<br />

insbesondere bei sensiblen Gruppen auftreten.<br />

Die wissenschaftliche Begründung ist plausibel.<br />

Der präventive Richtwert sollte grundsätzlich nicht überschritten werden. Bei Überschreitung<br />

besteht Handlungsbedarf.<br />

Weiterhin werden Schwellenwerte angegeben.<br />

Schallimmissionen im Bereich des Schwellenwertes führen zu deutlichen physiologischen<br />

und psychologischen Veränderungen, die Anpassungs- und Bewältigungsprozesse auslösen.<br />

Die Veränderungen sind nachgewiesen, eine wissenschaftliche Prognose über Langzeiteffekte<br />

ist beim heutigen Wissensstand nicht möglich. Ein unmittelbarer aktueller<br />

Handlungsbedarf für Flughäfen/Flugplätze ergibt sich aus diesen Werten nicht.<br />

Auf diese Schwellenwerte wird im Folgenden ausführlicher eingegangen werden, weil in<br />

diesem Bereich der Wirkung und mit diesem Begriff die meiste Unklarheit besteht.<br />

Ein stufenweises Vorgehen ist nicht neu. Der Umweltrat empfiehlt in seinem Sondergutachten<br />

von 1999 kurzfristig, mittelfristig und langfristig anzuwendende Immissionsbegrenzungswerte.<br />

Die kurzfristigen sind einzuhalten, bei den mittelfristigen soll unter Vorsorgeaspekten<br />

dieses Ziel angestrebt werden und langfristig soll unter Berücksichtigung des<br />

technisch Machbaren und wirtschaftlich Tragbaren eine Lärmminderung entsprechend dieser<br />

Immissionswerte geprüft werden. Mit der Synopse wurde ein anderes Herangehen gewählt,<br />

nämlich eine Abstufung anhand der Wirkung und der wissenschaftlichen Sicherheit<br />

der Erkenntnisse, da ja auch in einem Planfeststellungsverfahren konkrete, unmittelbar<br />

handlungswirksame Schlussfolgerungen gezogen werden müssen.<br />

Prinzipiell verbessert ein solches Schema die Akzeptanz. In seinem <strong>Gutachten</strong> von 2002<br />

verließ der Umweltrat jedoch diese Linie und übernahm die Vorschläge von Ortscheid und<br />

Wende [2000]. Diese gehen von 'Belastungsbereichen' aus, 'die aus der Sicht der Lärmwirkungsforschung<br />

im Sinne von Schwellenbereichen besonders beachtet werden müssen'


182<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 182<br />

(S. 31). Dann werden jedoch keine Bereiche sondern einzelne dB(A)-Pegel als Begrenzungswerte<br />

angegeben. Diese anscheinend als Schwellenwerte gedachten Pegel werden für<br />

die erhebliche Belästigung, für Gesundheitsbeeinträchtigungen, die nicht mehr auszuschließen<br />

sind, und für Gesundheitsbeeinträchtigungen in Form von Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen, die zu erwarten sind, formuliert (S. 31, Zusammenfassende Bewertung...:<br />

Qualitätsziele). Verwirrend ist, dass in der Zusammenfassung dieser Schrift bei den nicht<br />

auszuschließenden Gesundheitsbeeinträchtigungen noch der Zusatz 'aus präventivmedizinischer<br />

Sicht' erscheint. Ist ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor berücksichtigt? Der Begriff<br />

'Schwelle' wurde nicht definiert. Für die Beurteilung wird dann ein Wert für den Tag und<br />

ein Wert für die Nacht angegeben.<br />

Insbesondere in der nichtmedizinischen Lärmwirkungsforschung, aber auch in der Bevölkerungsdiskussion<br />

werden häufig physiologische oder psychologische Veränderungen unter<br />

Lärmeinwirkung als relevant interpretiert, ohne nach ihrer biologischen oder psychologischen<br />

Bedeutung zu fragen. Allein das statistische Merkmal einer Signifikanz an sich<br />

wird fälschlicherweise schon als pathophysiologisch und pathopsychologisch relevant eingestuft.<br />

Das führt nicht nur zu Missverständnissen, sondern zu grundlegend unterschiedlichen<br />

Betrachtungsweisen in der Lärmwirkungsforschung. Um dies in die richtige Relation<br />

zu bringen, werden in der Synopse Schwellenwerte angegeben.<br />

Das der Synopse zugrunde liegende Verständnis von Schwellenwerten geht von der Normalität<br />

von Wirkungen in diesem Bereich aus.<br />

Zur Bewältigung von Anforderungen und zur eigenen Entwicklung stehen dem Lebewesen<br />

physiologische und psychologische Anpassungskapazitäten und Anpassungsmechanismen<br />

zur Verfügung, wie sie in den Kapiteln 3 und 4 geschildert wurden. Bei Anforderungen<br />

und Belastungen, die ein bestimmtes individuelles Maß übersteigen, kommt es zur Aktivierung<br />

solcher Prozesse, die erst einmal dazu führen, dass das Gleichgewicht körperlicher<br />

Funktionen gestört wird, um zielgerichtet und unspezifisch, d. h. unabhängig von der Art<br />

der Belastung, eine Reaktionsbereitschaft des Organismus zu schaffen. Auch die psychischen<br />

Funktionen führen zu einer Konzentration auf die entsprechenden auslösenden Anforderungen<br />

bzw. Belastungen. Das ist ein normaler psychophysiologischer Prozess, der<br />

durch die anschließende Kompensation dieser Veränderungen wieder zur Normalität, d. h.<br />

zur Optimalität in den Mensch-Umwelt-Beziehungen zurückkehrt. Ohne die Störungen<br />

dieses Gleichgewichtes gäbe es keine Entwicklung.<br />

Schwellen gibt es nicht nur für medizinisch relevante Schutzziele auf der Grundlage von<br />

somatischen Anpassungsvorgängen. Auch hinsichtlich der subjektiven Widerspiegelung<br />

von Schall, der Belästigung, wie auch der Relevanz von Kommunikationsstörungen sind<br />

solche Schwellen festzulegen. In der hier zugrunde liegenden Auffassung von Gesundheit<br />

kann man sich belästigt fühlen, ohne dass die Fähigkeit beeinträchtigt ist, Umweltanforderungen<br />

zu bewältigen und sich selbst zu entwickeln. Belästigung kann als Auslöser zum<br />

Aneignen von Bewältigungsformen werden. Belästigung stellt ein eigenständiges Kriterium<br />

für Lärmschutz dar und ist nicht nur über eine mögliche Gesundheitsschädigung relevant.


183<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 183<br />

Während für physiologische Anpassungsvorgänge gegenüber Lärm die Normalität und<br />

Zielgerichtetheit dieser physiologischen Vorgänge der Maßstab ist, bestimmt durch die<br />

Wirksamkeit der Gegenregulationsmechanismen im Organismus, lässt sich dies nicht einfach<br />

auf die Belästigung übertragen. Bei der Belästigung ist es die Wirksamkeit der ausgelösten<br />

Bewältigungsmechanismen. In nahezu allen Belästigungsuntersuchungen bei Verkehrslärm<br />

wird nach der Ausprägung der Belästigung gefragt, jedoch nicht nach den dadurch<br />

ausgelösten Bewältigungsvorgängen und ihren Erfolgen/Misserfolgen. Deshalb wird<br />

die Schwelle bei erheblicher Belästigung letztendlich nur durch Übereinkunft zu treffen<br />

sein, welches Ausmaß von Belästigung seitens der Wissenschaft und der Politik für eine<br />

Population als Schwellenwert ertragbar erscheint. Dies ist nicht der Übergang von Belästigung<br />

zu erheblicher Belästigung, sondern die erhebliche Belästigung für eine bestimmte<br />

Populationsgröße. In der Synopse wird von 25 % erheblich Belästigten ausgegangen, was<br />

auch mit deutschen und internationalen Autoren übereinstimmt.<br />

Auch hinsichtlich der Kommunikation ist ein solches Vorgehen relevant. Schwellenwerte<br />

für Kommunikationsstörungen sind solche, bei denen Beeinträchtigungen der Kommunikationsgüte<br />

auftreten können, die jedoch mit einem vertretbaren Aufwand (u. a. stimmlich,<br />

zeitliche Verzögerung) kompensierbar sind.<br />

Auch für das Schutzziel 'Vermeidung der Störung des Nachtschlafes' gelten Schwellenwerte.<br />

Sie bedeuten, dass in der Einzelnacht keine nicht kompensierbaren Effekte durch Fluglärm<br />

bei diesen Pegeln auftreten und/oder eine Gewöhnung an diesen Fluglärm möglich<br />

ist.<br />

Mit 'Schwellenwerten' in der aufgeführten Bedeutung soll verdeutlicht werden: nicht jede<br />

durch unspezifische physiologische Reaktionen verursachte somatische Veränderung durch<br />

Lärm ist eine Gesundheitsbeeinträchtigung oder eine Gefährdung der Gesundheit, nicht<br />

jedes Lästigkeitsempfinden ist Ausdruck einer gestörten Gesundheit, nicht jede Kommunikationsstörung<br />

wirkt gesundheitsbeeinträchtigend oder schränkt die Handlungsmöglichkeiten<br />

dauerhaft ein.<br />

Diese Reaktionen sind vollkommen normale Reaktionen, ebenso wie die Reaktion auf<br />

zahlreiche andere Umweltreize, sie haben nichts mit einer Schädigung zu tun. Schwellenwerte<br />

stellen demnach auch eine Einordnung der Lärmwirkungen in andere Belastungseffekte<br />

des Menschen dar. Da Lärm vordergründig unspezifische Wirkungen aufweist, müssen<br />

auch die anderen Belastungsfaktoren, die zum Leben dazugehören, in ihren Wirkungen<br />

berücksichtigt werden. Es gibt keine physiologische oder psychologische Begründung,<br />

dass bei Lärm anders verfahren werden muss.<br />

Deshalb ergibt sich aus Schwellenwerten kein unmittelbarer Handlungsbedarf für Flughäfen/Flugplätze.<br />

Sie sind für aktuelle Entscheidungsprozesse nicht relevant und haben demnach<br />

aus der Lärmwirkungssicht auch keine juristische Bedeutung.


184<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 184<br />

Auch unterhalb der in der Synopse definierten Schwellen können physiologische und psychologische<br />

Reaktionen auftreten, z. B. aufgrund der individuellen Bedeutsamkeit des<br />

Schallereignisses oder durch Richtungshören.<br />

In den Bereich zwischen Schwellenwerten und Präventiven Richtwerten können Begrenzungswerte<br />

für schutzbedürftige Bereiche eingeordnet werden.<br />

In der Synopse wird davon ausgegangen, dass prinzipiell seitens der Lärmwirkungsforschung<br />

der Auftrag zur Lärmminderung beim gegenwärtigen Erkenntnisstand resultiert.<br />

Deshalb sind die Schwellenwerte als langfristige Zielorientierung genannt, nicht wegen<br />

eines Risikos, sondern für eine quantitative und vernunftbasierte Zielstellung. Zum anderen<br />

gibt es nahezu keinen Schallpegel, bei dem es nicht zu individuellen Reaktionen kommen<br />

kann. Auch zur Minimierung des Einzelrisikos für besonders schutzbedürftige Personen<br />

stellen diese Schwellenwerte nur eine Zielvorstellung dar. Deshalb wurde in der Synopse<br />

aufgeführt, dass Schwellenwerte unter dem Minimierungsgebot langfristig angestrebt werden<br />

sollen.<br />

Es ist nicht Aufgabe der Lärmwirkungsforschung, juristische Interpretationen und Kriterien<br />

bei Vorschlägen für Begrenzungswerte zu berücksichtigen. Wie Dolde [2003] in seiner<br />

rechtlichen Beurteilung der hier vorgelegten Fluglärmkriterien kürzlich zum Ausdruck<br />

brachte, ist das Herangehen auch aus juristischer Sicht zu untersetzen und zu unterstützen.<br />

10.2.2 Begrenzungswerte und Eckwerte für Lärmimmissionen um Flughäfen<br />

Schutzziel: Vermeidung von Hörschäden<br />

Maximalpegel Äquivalenter Dauerschallpegel<br />

Kritischer Toleranzwert: Lmax = 115 dB(A) Leq,24h = 80 dB(A)<br />

Präventiver Richtwert: Lmax = 95 dB(A)* Leq,24h = 75 dB(A)<br />

Schwellenwert: Lmax = 90 dB(A)* Leq,24h = 70 dB(A)<br />

* unter Berücksichtigung der Anstiegssteilheit<br />

Anmerkung: Hörschäden sind durch zivilen Flugverkehr bedingten Umweltlärm nicht zu<br />

erwarten. Sie sind möglicherweise zu beachten, wenn die notwendigen Erholungszeiten<br />

für das Gehör nicht eingehalten werden können.


185<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 185<br />

Schutzziel: Vermeidung von Gesundheitsschäden/Krankheiten<br />

(außer Hörorgan, extraaurale Schäden)<br />

Tagwerte: 6 - 22 Uhr (außen)<br />

Äquivalenter Dauerschallpegel Maximalpegel<br />

Kritischer Toleranzwert: Leq,16h = 70 dB(A) Lmax 16h = 19 x 99 dB(A)*<br />

Präventiver Richtwert: Leq,16h = 65 dB(A) Lmax 16h = 25 x 90 dB(A)<br />

Schwellenwert: – –<br />

* Dieser Pegelhäufigkeitswert darf nicht überschritten werden<br />

Anmerkung: Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zur Schädigungsgrenze bei Umweltlärm<br />

am Tag liegen noch nicht ausreichend vor. Eine gemeinsame Betrachtung<br />

mit dem Nachtbegrenzungswert ist beim gegenwärtigen Wissenstand<br />

nicht möglich. Es sollte eine Tag-Nacht-Trennung vorgenommen werden.<br />

Schwellenwerte werden nicht angegeben, da die wissenschaftliche Grundlage<br />

derzeit zu gering ist und Spekulationen Unsicherheiten bei den Betroffenen<br />

erzeugen können.<br />

Schutzziel: Vermeidung erheblicher Belästigungen (außen)<br />

Äquivalenter Dauerschallpegel<br />

Kritischer Toleranzwert: Leq,16h = 65 dB(A)<br />

Präventiver Richtwert: Leq,16h = 62 dB(A)<br />

Schwellenwert: Leq,16h = 55 dB(A)<br />

Anmerkung: Maximalwerte werden nicht vorgeschlagen, da ihre Belästigungswirkung<br />

erheblich von der Situation und von individuellen Faktoren abhängt und<br />

wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug auf den äquivalenten Dauerschallpegel<br />

vorliegen.


Vorbemerkung:<br />

186<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 186<br />

Schutzziel: Vermeidung Schlafstörungen (innen)<br />

Grundsätzlich wird von den Sachverständigen die Vermeidung von Lärmbelastungen während<br />

der Nacht von 22 bis 6 Uhr für die optimale Lösung erachtet. Sollte dies unter dem<br />

Aspekt des international vernetzten Flugverkehrs und anderer Gründe nicht gewährleistet<br />

werden können, wird eine Konzentration des Flugverkehrs auf den weniger empfindlichen<br />

ersten <strong>Teil</strong> der Nacht vorgeschlagen.<br />

Konzentration des Flugverkehrs auf den ersten <strong>Teil</strong> der Nacht<br />

22 - 1 Uhr: zwei Drittel bis drei Viertel aller Bewegungen<br />

1 - 6 Uhr: ein Viertel bis ein Drittel aller Bewegungen<br />

Maßgeblich für die Ausweisung von Schutzgebieten sind die folgenden Maximalpegelkriterien<br />

(innen).<br />

Maximalpegel Äquivalenter Dauerschallpegel<br />

Kritischer Toleranzwert: Lmax, 22-6h = 6 x 60 dB(A)* Leq,22-6h = 40 dB(A)<br />

Präventiver Richtwert: Lmax, 22-1h = 8 x 56 dB(A) Leq,22-1h = 35 dB(A)<br />

Lmax, 1-6h = 5 x 53 dB(A) Leq,1-6h = 32 dB(A)<br />

Schwellenwert: Lmax, 22-6h = 23 x 40 dB(A) Leq,22-6h = 30 dB(A)<br />

* Dieser Pegelhäufigkeitswert darf nicht überschritten werden.<br />

Innerhalb der Maximalpegelkonturen sind für die Dimensionierung von Maßnahmen zum<br />

Schutz vor Schallbelastung zusätzlich die nachfolgend aufgeführten äquivalenten Dauerschallpegel<br />

(innen) heranzuziehen.<br />

Als mögliche Alternative für den Fall, dass eine Zweiteilung der Nacht nicht realisiert<br />

werden kann, kommt als Alternative infrage die<br />

Ungewichtete Verteilung des Flugverkehrs über die gesamte Nacht<br />

Hinsichtlich der Anwendung der aufgeführten Maximalpegel und äquivalenten Dauerschallpegel<br />

gilt das zuvor Gesagte.<br />

Maximalpegel Äquivalenter Dauerschallpegel<br />

Kritischer Toleranzwert: Lmax = 6 x 60 dB(A)* Leq,8h = 40 dB(A)<br />

Präventiver Richtwert: Lmax = 13 x 53 dB(A) Leq,8h = 35 dB(A)<br />

Schwellenwert: Lmax = 23 x 40 dB(A) Leq,8h = 30 dB(A)<br />

* Dieser Pegelhäufigkeitswert darf nicht überschritten werden.


187<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 187<br />

Schutzziel: Vermeidung von Kommunikationsstörungen<br />

Äquivalenter Dauerschallpegel<br />

Innen Außen<br />

Kritischer Toleranzwert: Leq, 16 h = 45 dB(A) Leq, 16h = 62 dB(A)<br />

Präventiver Richtwert: Leq, 16h = 40 dB(A) Leq, 16h = 59 dB(A)<br />

Schwellenwert: Leq, 16h = 35 dB(A) Leq, 16h = 56 dB(A)<br />

Anmerkung: Der Unterschied zwischen den Werten 'Innen' und 'Außen' resultiert aus der<br />

Möglichkeit zur aktiven Beeinflussbarkeit der Situation im Innenraum und<br />

der Zumutbarkeit einer befriedigenden bis ausreichenden Kommunikationsgüte<br />

in Außenbereichen im Gegensatz zu einer gut bis sehr guten in Innenbereichen.<br />

Maximalwerte werden nicht angegeben, da auch hier situative<br />

und individuelle Einflussfaktoren entscheidend sind. Andere Zeitbezüge für<br />

den äquivalenten Dauerschallpegel sind in besonders gelagerten Einzelsituationen<br />

mit erheblich schwankenden Geräuschimmissionen erforderlich.<br />

Schutzziel: Vermeidung von Erholungsstörungen (außen)<br />

Äquivalenter Dauerschallpegel<br />

Kritischer Toleranzwert: Leq,16h = 64 dB(A)<br />

Präventiver Richtwert: Leq,16h = 57 dB(A)<br />

Schwellenwert: Leq,16h = 50 dB(A)<br />

Anmerkung: Erholung/Rekreation ist auf die Nutzung der Außenanlagen einschließlich<br />

von Gärten gerichtet. Bei letzteren sowie bei Campingplätzen ist zu berücksichtigen,<br />

dass sie nicht ganzjährig bzw. über einen längeren Zeitraum genutzt<br />

werden.


188<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 188<br />

Schutzziel: Besonders schutzbedürftige Bereiche<br />

Hier gelten nur die Präventiven Richtwerte und keine Kritischen Toleranzwerte. Die Besonderheiten<br />

des intermittierenden Flugverkehrs sind gegenüber anderen Verkehrslärmvorschriften<br />

zu berücksichtigen.<br />

Kindergärten: Leq = 36 dB(A) (innen)<br />

Der Innenpegel gilt für Ganztagskindergärten, Außenpegel werden<br />

nicht angegeben, sie werden durch die anderen Schutzziele abgedeckt.<br />

Schulen: Leq = 40 dB(A) (innen)<br />

Außenpegel werden nicht angegeben, sie werden durch die anderen<br />

Schutzziele abgedeckt.<br />

Krankenhäuser: Tags: Leq = 36 dB(A) Lmax = 45 dB(A)<br />

Nachts: Leq = 30 dB(A) Lmax = 40 dB(A)<br />

Für Krankenhäuser gelten Innenraumpegel.<br />

Pflegeheime: Tags: Leq = 36 dB(A) Lmax = 51 dB(A)<br />

Nachts: Leq = 32 dB(A) Lmax = 45 dB(A)<br />

Für Pflegeheime gelten Innenraumpegel.<br />

Begrenzungswerte zur Berechnung<br />

von Isokonturen und Einzelpunktberechnungen<br />

Die Berechnungen erfolgen für den Außenbereich entsprechend der in der luftrechtlichen<br />

Praxis einschlägigen Verfahren und der im Kapitel 10.1 genannten Grundlagen. Für den<br />

Innenraum sind 15 dB(A) als Dämmwert für ein gekipptes Fenster abzuziehen, wobei für<br />

das Schutzziel 'Schlaf' die Innenangaben für den Pegel am Ohr des Schläfers gelten.<br />

Grundsätzlich haben Maßnahmen auf der Basis der Präventiven Richtwerte zu erfolgen.<br />

Schwellenwerte sind hier zur Risikoabwägung nicht geeignet, sie sollen daher bei wesentlichen<br />

Änderungen oder Neubau von Flughäfen nicht berechnet und bewertet werden. Da<br />

in der Diskussion in der Öffentlichkeit häufig eine solche Wirkungsunterscheidung von<br />

unterschiedlichen Begrenzungswerten nicht getroffen wird, trägt ihre Verwendung möglicherweise<br />

zur Risikoproduktion bei.


189<br />

Kapitel 10: Vorschlag von Bewertungsgrenzen 189<br />

Zur Bewertung des Risikoausmaßes sollten zum Vergleich auch Isokonturen für die kritischen<br />

Toleranzwerte berechnet werden.<br />

Präventive Richtwerte Kritische Toleranzwerte<br />

Tags (6 – 22 Uhr): Leq = 62 dB(A) Leq = 65 dB(A)<br />

Lmax = 25 x 90 dB(A) Lmax = 19 x 99 dB(A)<br />

Nachts (22 – 6 Uhr): Lmax 22-1h= 8 x 71 dB(A) Lmax = 6 x 75 dB(A)<br />

Lmax 1 –6h= 5 x 68 dB(A)<br />

Lmax 22-6h= 13 x 68 dB(A)<br />

Der aus dem Schutzziel 'erhebliche Belästigung' abgeleitete Präventive Richtwert (Leq =<br />

62 dB(A)) deckt als zentraler Beurteilungswert aus medizinisch-psychologischer Sicht<br />

neben den Gesundheitsbeeinträchtigungen auch die Kritischen Toleranzwerte für Kommunikation<br />

(außen) und Rekreation ab.<br />

Besonders schutzbedürftige Bereiche sind im Einzelfall als Einzelpunktberechnungen zu<br />

berechnen.


Kapitel 11: Ergänzungen – Diskussion neuerer Untersuchungen 190<br />

11 Ergänzungen – Diskussion neuerer Untersuchungen<br />

Nach Abschluss der hier vorgelegten Literaturanalyse (30.06.2003) erschienen die Endberichte<br />

einiger groß angelegter epidemiologischer und experimenteller Untersuchungen,<br />

deren Ergebnisse hier kurz zusammengefasst und im Hinblick auf die in Kapitel 10 erarbeiteten<br />

Schlussfolgerungen und Bewertungsgrenzen diskutiert werden. Dies sind im Wesentlichen:<br />

– Spandauer Gesundheitssurvey<br />

– NaRoMI-Studie<br />

– LARES-Studie<br />

– DLR-Fluglärmstudie<br />

11.1 Spandauer Gesundheitssurvey<br />

Maschke C, Wolf U, Leitmann T, 2003: Epidemiologische Untersuchungen zum Einfluss<br />

von Lärmstress auf das Immunsystem und die Entstehung von Arteriosklerose. WaBoLu-<br />

Heft 01/03, Berlin: Umweltbundesamt.<br />

Vorgelegt wurden <strong>Teil</strong>ergebnisse des 'Spandauer Gesundheitssurveys', der seit 1982 als<br />

Längsschnittuntersuchung zur Erfassung der Entwicklung des Gesundheitszustandes<br />

durchgeführt, jedoch nicht zur Erfassung lärmbedingter Gesundheitsschäden konzipiert<br />

war. Diese Fragestellung wurde – aus epidemiologischer Sicht nicht unproblematisch – erst<br />

im Nachhinein berücksichtigt. Die Publikation bezieht sich auf den 9., in den Jahren<br />

1998/1999 durchgeführten Untersuchungsabschnitt, an dem insgesamt 2 015 Probanden<br />

teilnahmen. Die Daten wurden mittels Befragungen, Messungen und ärztlichen Gesprächen<br />

erhoben. Es erfolgten Urin- und Blutuntersuchungen sowie Messungen von Blutdruck-<br />

und Atmungsfunktionen. Es wurden sozioökonomische Daten (Alter, Geschlecht,<br />

Bildung, Beruf, Familienstand, Ernährung, Alkohol, Tabakkonsum, Gesundheitszustand,<br />

aktive Gesundheitsprävention) erfasst.<br />

Die Schallbelastung durch Straßenverkehr wurde mit Hilfe einer Datenbank der Senatsverwaltung<br />

für Stadtentwicklung für jede Wohnadresse geschätzt; bei einer Unterstichprobe<br />

erfolgten Messungen. Die Fluglärmbelastung wurde anhand der Fluglärmzonen des<br />

<strong>Flughafen</strong>s Berlin-Tegel nach Fluglärmgesetz (24-Stundenwert) geschätzt. Es wurden folgende<br />

Pegelklassen gebildet: Straßenverkehr am Tag < 55 dB(A), 55-60 dB(A), 60-<br />

65 dB(A), < 60-65 dB(A) und > 65 dB(A), Straßenverkehr in der Nacht < 50 dB(A), 50-55<br />

dB(A), > 55 dB(A). Für den Flugverkehr wurden 3 Pegelklassen gebildet > 75 dB(A), 75 –<br />

67 dB(A) und 67 – 62 dB(A) (gemäß LAI).<br />

190


Kapitel 11: Ergänzungen – Diskussion neuerer Untersuchungen 191<br />

Die im Wesentlichen gut durchgeführte Querschnittsstudie unterliegt einerseits von ihrem<br />

Design her starken Selektionseffekten, andererseits ist, weil nur Personen mit vollständig<br />

vorliegenden Datensätzen berücksichtigt wurden, eine Überrepräsentierung von Personen<br />

mit Gesundheitsproblemen nicht auszuschließen.<br />

Obwohl eine Reihe wichtiger Einflussgrößen und Risikofaktoren berücksichtigt wurde,<br />

fehlen so bedeutsame Faktoren, wie z. B. berufliche Tätigkeit, familiäre Vorbelastungen,<br />

weitere Belastungen aus der Umwelt und am Arbeitsplatz.<br />

Dem im Titel der Arbeit suggerierten Anspruch, der Ermittlung kausaler Zusammenhänge<br />

wird die Untersuchung, wie die Autoren selbst einräumen ('Studie mit lediglich explorativem<br />

Charakter'), nicht gerecht. Es wurden auch weder – wie der Titel erwarten ließe – das<br />

Immunsystem noch die Arteriosklerose untersucht. Gegenstand der Untersuchung waren<br />

vielmehr Risikofaktoren, vor allem Lärm und erfragte Diagnosen. Die ärztlichen Untersuchungen<br />

sowie die Urin- und Blutuntersuchungen werden nur aufgezählt, jedoch methodisch<br />

nicht untersetzt, was eine Wertung nicht ermöglicht. Den Kriterien einer medizinischen<br />

Publikation genügt der Forschungsbericht nicht, da die entsprechenden Diagnosen<br />

lediglich erfragt worden waren. Die Periodenprävalenz (Auftreten von Erkrankungen zwischen<br />

den Erhebungszeiträumen des Spandauer Surveys) wurde mit der Frage erfasst: 'Waren<br />

Sie seit der letzten Untersuchung (seit 2 Jahren) wegen ... in ärztlicher Behandlung ?',<br />

die Lebenszeitprävalenz mit der Frage: 'Hat ein Arzt bei Ihnen jemals einen<br />

... festgestellt ?'.<br />

Hervorzuheben ist, dass die Autoren im Gegensatz zu anderen epidemiologischen Untersuchungen<br />

zwischen dem äquivalenten Tag- und Nachtschallpegel durch den Straßenverkehr<br />

differenzieren. Die aus Wirkungssicht zur Bewertung von Schlafstörungen relevanteren<br />

Maximalpegelhäufigkeiten wurden für den nächtlichen Straßenverkehr jedoch nicht erfasst.<br />

Die auf der Basis dieser Daten entwickelten Modelle sind für den Leser nicht eindeutig zu<br />

interpretieren, da manche Analysen sich offenbar nur auf reduzierte Modelle beziehen; das<br />

volle Modell wird nicht gezeigt oder es wurde nicht gerechnet. Außerdem sind keinerlei<br />

Angaben zu den Fallzahlen vorhanden. Damit ist eine inhaltliche Wertung nicht möglich.<br />

Die Autoren schreiben selbst, dass der 'Kontrollvariablensatz als weniger vollständig zu<br />

betrachten (ist), was eine zurückhaltende Interpretation diesbezüglicher statistischer Lärmeffekte<br />

erfordert'.<br />

Die Autoren berichten über statistisch signifikante Beziehungen zwischen dem nächtlichen<br />

Dauerschallpegel und einzelnen Diagnosegruppen, die nach Angaben der Probanden zur<br />

ärztlichen Behandlung geführt haben. Dies trifft für die Hypertoniebehandlung zu, wofür<br />

auch ein Dosis-Wirkungseffekt für die Periodenprävalenz als auch für die Lebenszeitprävalenz<br />

ableitbar ist, zum Taglärmpegel ergaben sich dagegen keine Beziehungen. Inwieweit<br />

die gemessenen Blutdruckwerte (siehe Methodik) mit diesen Ergebnissen übereinstimmen,<br />

wird nicht angegeben.<br />

191


Kapitel 11: Ergänzungen – Diskussion neuerer Untersuchungen 192<br />

Die ebenfalls von den Probanden erfragte ärztliche Behandlung wegen erhöhter Blutfette<br />

(die im Abschnitt Methodik angegebene Messung fand keinen Eingang in die Analysen)<br />

zeigte keine Beziehungen zum äquivalenten Dauerschallpegel am Tag, jedoch eine nicht<br />

signifikante Erhöhung für die Periodenprävalenz bei Probanden mit einer nächtlichen Belastung<br />

> 55 dB(A). Für Asthma bronchiale gab es keinerlei Beziehungen zum Lärm in der<br />

Periodenprävalenz am Tag und in der Nacht, für die Lebenszeitprävalenz jedoch für den<br />

Nachtpegel.<br />

Keine wesentlichen Beziehungen zum Tag- oder Nachtlärm wurden gefunden für chronische<br />

Bronchitis, Krebserkrankungen, Schilddrüsenbehandlungen und psychische Störungen.<br />

Auch hinsichtlich Angina pectoris und Myokardinfarkt waren die Ergebnisse sehr<br />

uneinheitlich.<br />

Auch die Belastung durch Fluglärm ergab keine nennenswerten Beziehungen zu den erfragten<br />

Krankheitsbehandlungen. Die ärztlichen Behandlungen von Krebserkrankungen bei<br />

Anwohnern aus der Fluglärmzone 3 (62 – 67 dB(A)) zeigten, dass ein 'präventiver Effekt<br />

(OR = 0,6) zu verzeichnen' war (Seite 238, Abb. 9.13). Weiter heißt es: 'Für Probanden, die<br />

sich sowohl durch Fluglärm als auch durch Straßenverkehrslärm stark gestört fühlten, war<br />

dagegen ein präventiver Effekt des Fluglärms zu verzeichnen (OR = 0,5)' (Seite 239). Derartige<br />

Feststellungen tragen dazu bei, den kausal ausgerichteten Aussagen und damit der<br />

Gesamtuntersuchung berechtigte und begründete Zweifel entgegenzubringen.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass diese Studie – wie auch andere vorher – darauf<br />

hinweisen, dass Lärmbelastungen zwar einen relevanten Einfluss bei der Entstehung oder/<br />

und bei der Chronifizierung von Erkrankungen haben können; eine bedeutsame oder gar<br />

monokausale Beziehung zwischen Lärm und Krankheit ist aus dieser Studie aber nicht<br />

abzuleiten.<br />

Für die Beurteilungskriterien im lärmmedizinischen <strong>Gutachten</strong> für den <strong>Flughafen</strong> <strong>Frankfurt</strong>/<strong>Main</strong><br />

werden hinsichtlich des Nachtlärms in erster Linie und entscheidend die Maximalpegelhäufigkeiten<br />

der flugbetriebsbedingten Schalle herangezogen und zusätzlich<br />

– unter bestimmten Voraussetzungen und Zielstellungen – die äquivalenten Dauerschallpegel<br />

zur Bewertung verwandt. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Leq von 40 dB(A)<br />

am Ohr des Schläfers einem Kritischen Toleranzwert entspricht, bei dessen Überschreitung<br />

Gesundheitsbeeinträchtigungen auftreten können. Dies entspräche bei gekipptem Fenster<br />

einem Außenpegel von 55 dB(A). Deshalb könnten die Befunde der Patienten aus den<br />

'überkritischen' Pegelklassen und die signifikanten Ergebnisse der Studie von Maschke et<br />

al. [2003] die hier erarbeiteten Beurteilungen der Fluglärmwirkungen bei den Anwohnern<br />

des <strong>Flughafen</strong>s <strong>Frankfurt</strong>/<strong>Main</strong> stützen, wenn die Untersuchungen wissenschaftlich einwandfrei<br />

ausgewertet worden wären. Die lärmmedizinischen Gutachter für den <strong>Flughafen</strong><br />

<strong>Frankfurt</strong>/<strong>Main</strong> setzen als Kriterium für die Notwendigkeit von Maßnahmen den Präventiven<br />

Richtwert fest, dieser entspricht einem Leq von 35 dB(A) innen, bzw. von 50 dB(A)<br />

außen. Nach den Ergebnissen der Studie von Maschke et al. [2003] wäre demnach auch der<br />

von den Gutachtern angestrebte Vorsorgeeffekt gestützt.<br />

192


11.2 NaRoMI-Studie<br />

Kapitel 11: Ergänzungen – Diskussion neuerer Untersuchungen 193<br />

Umweltbundesamt (Hrsg), 2004: Chronischer Lärm als Risikofaktor für den Myokardinfarkt.<br />

Forschungsbericht 297 61 003, UBA-FB 000538, WaBoLu-Heft 02/04. Berlin: Umweltbundesamt.<br />

An der 2004 vom Umweltbundesamt publizierten NaRoMI-Studie (Noise and Risk of<br />

Myocardial Infarction), der weltweit umfangreichsten Untersuchung zum Herzinfarktrisiko<br />

durch Lärm beteiligten sich 32 Berliner Krankenhäuser, in denen von 1998 bis 2001 insgesamt<br />

4 115 Patienten im Alter von 20 bis 69 Jahren untersucht wurden. Die Untersuchung<br />

war als Fall-Kontrollstudie angelegt, wobei den Infarktpatienten nach Alter und Geschlecht<br />

angepasste Kontrollpatienten der chirurgischen Abteilungen gegenüber gestellt wurden.<br />

Alle Patienten wurden während des Klinikaufenthaltes zur Belästigung durch Umwelt- und<br />

Arbeitslärm interviewt. Die Belastung durch Straßenverkehr wurde auf der Grundlage von<br />

Verkehrslärmkarten, die durch Arbeitslärm auf der Basis gezielter Befragungen geschätzt.<br />

Als Störvariablen wurden u. a. Diabetes, Hypertonie, hereditäre Belastung, relatives Körpergewicht,<br />

Rauchgewohnheiten, Schulbildung, Berufsstatus, Familienstatus, Schichtarbeit<br />

und Arbeitslärm berücksichtigt.<br />

Federführend war bei dieser Untersuchung die Charité, die zu deutlich anderen Ergebnissen<br />

kam als der epidemiologisch ausgewiesene Fachbegleiter des Umweltbundesamtes (W.<br />

Babisch). Dies kommt bereits im Vorwort des Forschungsberichts zum Ausdruck, in dem<br />

es heißt: 'Deutlich muss festgestellt werden, dass die verantwortlichen Wissenschaftler des<br />

Umweltbundesamtes und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Berlin,<br />

der Vorgehensweise der Charité bei den verkehrslärmbezogenen Auswertungen in weiten<br />

<strong>Teil</strong>en nicht folgen'.<br />

Nach den von Babisch vorgenommenen Berechnungen ergab sich bei Männern eine mit<br />

der Belastung durch Straßenverkehrslärm ansteigende Infarktrate, wobei die Odds Ratio in<br />

den beiden höchsten Schallpegelkategorien (Leq > 65 dB(A)) 1.18 gegenüber der Referenzgruppe<br />

(< 60 dB(A)) betrug aber erst bei Männern, die mindestens 10 Jahre lang nicht<br />

umgezogen waren, mit 1.33 statistisch signifikant war. Frauen zeigten keinen Zusammenhang<br />

zwischen Lärmbelastung und Infarkthäufigkeit. Dass die emotionale Beanspruchung<br />

bei diesem Ergebnis eine Rolle spielen könnte, zeigt sich darin, dass bei Männern das Gefühl<br />

der Belästigung mit der Belastung durch Straßenverkehrslärm assoziiert war, während<br />

Frauen eher durch Fluglärm belästigt waren, wobei zu konstatieren ist, dass nur ein relativ<br />

kleiner <strong>Teil</strong> der Studienteilnehmer von Fluglärm betroffen war.<br />

Die Ergebnisse dieser Untersuchung stützen aber die Hypothese, dass chronische Einwirkungen<br />

von Verkehrslärm das Risiko für ischämische Herzkrankheiten erhöhen und die<br />

Einschätzung von Experten, die die Evidenz der Beziehungen zwischen Lärm und Herzinfarkt<br />

zwischen 'begrenzt' und 'hinreichend' einstufen [Babisch 2000, 2004, Passchier-<br />

Vermeer 1999].<br />

193


Kapitel 11: Ergänzungen – Diskussion neuerer Untersuchungen 194<br />

Deshalb sind, auch weil – wenn überhaupt – Unterschiede nur bei einem Leq > 50 dB(A)<br />

auftraten, auf der Basis der NaRoMI- Studie keine Korrekturen der in Kapitel 10 dargestellten<br />

Bewertungsgrenzen erforderlich.<br />

11.3 LARES-Studie<br />

Niemann H, Maschke C, 2004: WHO LARES. Final report. Noise effects and morbidity.<br />

WHO 2004.<br />

Niemann H, Maschke C, Hecht K. 2004: Belästigung und Erkrankungsrisiko – Ergebnisse<br />

des Pan Europäischen LARES-Surveys zum Fluglärm. http://www.tuberlin.de/bzph/laerm-gesundheit/Ver%F6ffentlichungen.htm.<br />

Die LARES-Studie wurde in den Jahren 2002 und 2003 in 8 europäischen Städten durchgeführt.<br />

Sie beschreibt die statistische Assoziation zwischen der von 8 519 Personen aus<br />

3 373 zufällig gewählten Haushalten erfragten Belästigung und Störung des Schlafes durch<br />

Lärm einerseits und der wiederum erfragten ärztlichen Behandlung bestimmter Erkrankungen<br />

andererseits. Von jedem Probanden wurden mittels dreier Fragebögen je 1 079 Variablen<br />

erfasst.<br />

Ein Einwohnerfragebogen, der Wahrnehmungen zu Wohnung und Wohnumgebung erfasste,<br />

wurde von jeweils nur einer Person aus den beteiligten Haushalten beantwortet. Ein<br />

Inspektionsfragebogen zur Erfassung technischer und weiterer objektiver Daten zur Wohnung<br />

wurde von hierfür geschulten Personen ausgefüllt. Der Gesundheitsfragebogen wurde<br />

individuell für jedes einzelne Mitglied der beteiligten Haushalte beantwortet. In diesem<br />

Fragebogen sollten die Befragten angeben, ob sie arthritische, respiratorische oder kardiovaskuläre<br />

Symptome oder die Tendenz zu Depressionen (SALSA) hatten. Weiterhin wurden<br />

sie gefragt, ob sie wegen bestimmter Erkrankungen (siehe Tab. 11.1 und 11.2) in ärztlicher<br />

Behandlung waren. Erfasst wurden außerdem Kontrollvariablen wie Alter, Geschlecht,<br />

Alkoholkonsum, Rauchen, Sport, Body Mass Index, sozioökonomischer Status<br />

und wohnungsbezogene Kennwerte, die Stadt und als klimatische Faktoren die durchnittliche<br />

Temperatur und Feuchte. Angaben über die akustische Tag- und Nachtbelastung der<br />

untersuchten Personen liegen nicht vor.<br />

Die Belästigung und die Schlafstörungen wurden mit folgenden Fragen ermittelt:<br />

– Thinking about the last 12 months, when you are here at home, how much would you<br />

say that noise from the following sources bothers or annoys you ? (Wie stark fühlten Sie<br />

sich in den letzten 12 Monaten in Ihrer häuslichen Umgebung durch die im Folgenden<br />

genannten Lärmquellen beeinträchtigt ?)<br />

– Has your sleep been disturbed by noise during the past 4 weeks ? (War Ihr Schlaf in den<br />

letzten 4 Wochen durch Lärm gestört ?)<br />

Die Belästigung wurde differenziert für mehrere Geräuschquellen erhoben, wobei der<br />

Fluglärm an 7. Stelle nach Verkehrslärm, Geräuschen aus der Nachbarwohnung, Lärm der<br />

194


Kapitel 11: Ergänzungen – Diskussion neuerer Untersuchungen 195<br />

beim Parken entsteht, Geräuschen durch Tiere/Vögel, Lärm in der Wohnung oder Lärm<br />

aus dem Treppenhaus genannt worden war. Die mittels 5-stufiger Skalen vorgenommenen<br />

Beurteilungen wurden später in 3 Kategorien unterteilt (nicht, mäßig, stark). (Zur Schätzung<br />

der Belästigung von Kindern unter 10 Jahren wurde der Mittelwert der im betreffenden<br />

Haushalt lebenden Erwachsenen gebildet.)<br />

Für die Symptome und Erkrankungen wurden – unter Berücksichtigung der Kontrollvariablen<br />

– die statistischen Assoziationen mit den lärmbedingten Schlafstörungen und mit der<br />

auf Lärm bezogenen Belästigung bestimmt. Hierzu wurden die lärmbezogenen Effekte<br />

(Belästigung, Schlafstörungen) für den Verkehr insgesamt (Straßen-, Schienen-, Flugverkehr<br />

und beim Parken emittierter Lärm) einerseits und für den Nachbarschaftslärm andererseits<br />

zusammengefasst. In einer weiteren Publikation wurde der Fluglärm – für die<br />

Gruppe der Erwachsenen – gesondert betrachtet.<br />

Die Analysen wurden getrennt für die 3 Altergruppen Erwachsene im Alter von 18 bis 59<br />

Jahren, Kinder im Alter von 1 bis 17 Jahren und Ältere mit über 59 Jahren durchgeführt. In<br />

allen diesen Altersgruppen fand sich eine signifikante Beziehung zwischen der Belästigung<br />

durch Verkehrs- und durch Nachbarschaftslärm (r = 0.366, 0.29, 0.271).<br />

Die von den Autoren ermittelten relativen Erkrankungsrisiken (Odds Ratios) sind einschliesslich<br />

der Fallzahlen in den folgenden Tabellen 11.1 und 11.2 nur für diejenigen Fälle<br />

aufgeführt, in denen die Assoziation mit berichteten Schlafstörungen (innerhalb der vorangegangenen<br />

4 Wochen) und der mäßigen bzw. starken Belästigung signifikant war<br />

(wenn das zugehörige 95 %-Vertrauensintervall den Wert 1 nicht einschließt). Für die Belästigung<br />

wurden die Kategorien 'mäßig' und 'stark' festgelegt.<br />

Schlafstörungen: Bezüglich der subjektiv auf den Lärm bezogenen Schlafstörungen zeigten<br />

sich in der Gruppe der Erwachsenen statistisch signifikante Assoziationen mit den<br />

meisten Erkrankungen, bei Kindern mit respiratorischen Symptomen, Bronchitis, Migräne<br />

und der Tendenz zu Depressionen (SALSA). Bei den Älteren ergaben sich Assoziationen<br />

mit arthritischen Symptomen, Asthma, Migräne, SALSA und Magengeschwüren.<br />

Tab. 11.1 Fallzahlen und Relative Risiken (odds ratios) für bestimmte Erkrankungen bei Personen,<br />

die lärmbedingte Schlafstörungen angaben. N = Fallzahlen, OR = Odds Ratios.<br />

Erwachsene Kinder Ältere<br />

N OR N OR N OR<br />

Allergie * 183 1.5<br />

Arthritische Symptome 188 1.6 176 1.6<br />

Arthrose 161 1.7<br />

Respirat Symptome 138 1.6 50 1.9<br />

Bronchitis * 75 1.4 24 3.7<br />

Asthma * 52 1.4 23 2.0<br />

195


Tab. 11.1: Fortsetzung<br />

Kapitel 11: Ergänzungen – Diskussion neuerer Untersuchungen 196<br />

Erwachsene Kinder Ältere<br />

Kardiovaskuläre Symptome 199 1.4<br />

Herzattacken *<br />

Bluthochdruck * 191 1.5<br />

Schlaganfall *<br />

Migräne * 162 1.6 40 2.2* 59 1.7<br />

SALSA 351 2.3 38 3.5 120 1.4<br />

Depression * 111 1.5<br />

Diabetes *<br />

Magengeschwüre * 75 1.6 53 2.2<br />

Maligne Tumoren *<br />

Hauterkrankungen *<br />

vom Probanden erfragte ärztliche Diagnose.<br />

Belästigung: In der Gruppe der Erwachsenen (18 – 69 Jahre) war die mäßige Belästigung<br />

signifikant mit Asthma, Migräne und Diabetes verknüpft, die starke Belästigung mit Allergien,<br />

arthritischen und respiratorischen Symptomen, mit Bronchitis, kardiovaskulären<br />

Symptomen, Hypertonie, Migräne, SALSA und Depressionen (nicht mit Asthma und Diabetes).<br />

Die gesonderte Auswertung des Fluglärms ergab für die mäßige Belästigung Bronchitis,<br />

Migräne und SALSA, für die starke Belästigung respiratorische Symptome, Bronchitis,<br />

Asthma, kardiovaskuläre Symptome, Hypertonie und SALSA. Die auf den Fluglärm<br />

bezogenen Daten weisen aber sehr große Vertrauensintervalle auf, möglicherweise<br />

aufgrund der sehr geringen Fallzahl. Bei Kindern waren die Fallzahlen bei vielen Erkrankungen<br />

naturgemäß so gering, dass statistische Berechnungen nicht möglich waren. Die<br />

mäßige Belästigung war mit respiratorischen Symptomen und SALSA, die starke Belästigung<br />

mit respiratorischen Symptomen und Bronchitis assoziiert. Bei den Älteren wurde nur<br />

die starke Belästigung mit Erkrankungen assoziiert, nämlich mit arthritischen Beschwerden,<br />

Depressionen und Schlaganfall. Im Vergleich zu den Verkehrsgeräuschen ergaben<br />

sich für die aus der Nachbarschaft einwirkenden Geräusche in allen 3 Altersgruppen weit<br />

mehr statistische Zusammenhänge mit den Erkrankungen (Tabellen 11.1 und 11.2).<br />

Einordnung der Ergebnisse<br />

Kausalzusammenhänge lassen sich mit epidemiologischen Untersuchungen zwar nicht<br />

nachweisen, sie werden aber wahrscheinlich, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt<br />

sind. Das Vorhandensein plausibler pathophysiologischer Modelle gehört dazu, Dosis-<br />

Wirkungsbeziehungen zwischen postulierter Ursache und Effekten, der Beginn der Einwirkung<br />

vor der Manifestation der Erkrankung etc..<br />

196


197<br />

Kapitel 11: Ergänzungen – Diskussion neuerer Untersuchungen 197<br />

Tab. 11.2 Fallzahlen und Relative Risiken (odds ratios) für bestimmte Erkrankungen bei Personen, die sich durch Lärm mäßig bzw. stark belästigt fühlen.<br />

N = Fallzahlen, OR = Odds Ratios.<br />

Erwachsene 18 – 59 Jahre Kinder 1-17 Jahre Ältere >59 J.<br />

Art der Geräusche Verkehr Nachbarschaftslärm Nur Fluglärm Verkehr Nachbarschaftslärm Verkehrslärm<br />

Nachbarschaftsl.<br />

mäßig stark mäßig stark mäßig stark mäßig stark mäßig stark stark stark<br />

N OR N OR N OR N OR N OR N OR N OR N OR N OR N OR N OR N OR<br />

Allergie * 112 1.4 230 1.3 56 1.4<br />

Arthritische Symptome 105 1.8 185 1.3 85 2.3 52 2.1<br />

Respirat Symptome 94 2.0 80 1.6 19 2.8 89 1.8 11 2.6 93 1.6 23 3.6<br />

Bronchitis * 53 1.9 56 1.9 56 1.6 11 2.7 6 2.6 13 3.5<br />

Asthma * 66 1.6 7 4.2<br />

Kardiovask. Symptome 127 1.5 225 1.3 87 1.6 34 3.1<br />

Herzattacken *<br />

Bluthochdruck * 123 1.6 214 1.3 85 1.7 32 3.0<br />

Schlaganfall * 11 2.4<br />

Migräne * 181 1.3 97 2.4 85 1.8 97 1.7 20 2.2<br />

SALSA 180 1.9 178 2.3 161 1.4 39 3.2 54 1.8 21 3.3<br />

Depression * 71 2.2 60 1.8 17 2.0<br />

Diabetes * 46 1.7<br />

Magengeschwür * 23 3.7<br />

Maligne Tumoren *<br />

Hauterkrankungen * 28 3.1 4 3.0<br />

* vom Probanden erfragte ärztliche Diagnose.


Kapitel 11: Ergänzungen – Diskussion neuerer Untersuchungen 198<br />

Eine wesentliche Bedeutung hat auch die Qualität der Daten. Im vorliegenden Fall wurden<br />

subjektiv berichtete Beanspruchungen durch Lärm, ohne das dieser quantifiziert<br />

worden wäre, mit mehreren Symptomen und Erkrankungen in Beziehung gesetzt, von<br />

denen letztere nach Angabe der Befragten ärztlich diagnostiziert worden waren; die<br />

Angabe arthritischer, respiratorischer und kardiovaskulärer Symptome sowie der Tendenz<br />

zu Depressionen (SALSA) basierte auf eigener Einschätzung. Fragwürdig ist insbesondere<br />

die für Kinder unter 10 Jahren aus den Daten der in dem betreffenden Haushalt<br />

lebenden Erwachsenen geschätzten Belästigung.<br />

Basierend auf diesen Daten postulieren die Autoren eine Kausalkette, in der der Lärm<br />

als möglicher Kausalfaktor (' ... a causal chain between the three steps health – annoyance<br />

– disease') allerdings nicht mehr genannt wird.<br />

Pathophysiologisch plausible Modelle lassen sich zwar für einige der Erkrankungen<br />

formulieren. Die Problematik besteht jedoch darin, dass hier erfasste Erkrankungen<br />

überwiegend multifaktoriell bedingt sind, also durch zahlreiche weitere, ebenso unspezifisch<br />

wie der Lärm wirkende Faktoren mitverursacht werden. Darüber hinaus wird der<br />

zur Belästigung führende Verarbeitungsprozess durch zahlreiche Moderatorvariablen<br />

beeinflusst.<br />

Von den zahlreichen Faktoren wurde jedoch nur eine begrenzte Anzahl erfasst, worauf<br />

die Autoren selbst ausdrücklich hinweisen 'the control variable set has to be regarded as<br />

less complete. Therefore, a careful interpretation of the statistical effects is necessary'.<br />

So wurden beispielsweise, zum <strong>Teil</strong> mit dem Verkehr assoziierte Luftverschmutzungen<br />

nicht berücksichtigt. Auch die bei vielen Erkrankungen – z. B. der Hypertonie – entscheidende<br />

hereditäre Belastung wurde nicht erfasst, ebenso wenig wie die individuelle<br />

Lärmempfindlichkeit und die berufliche Lärmexposition. Die Möglichkeit, dass die<br />

Schlafstörungen ihre Ursache in den Erkrankungen selbst haben können, wurde nicht<br />

diskutiert.<br />

Dosis-Wirkungsbeziehungen, d. h. mit zunehmender Belastung häufiger auftretende<br />

Effekte werden von den Autoren für mehrere Erkrankungen beschrieben. Hier ist allerdings<br />

zu fragen, ob eine nicht signifikante Zunahme bei mässiger Belastung schon als<br />

Effekt gewertet werden darf. Häufig ist eine signifikante Zunahme erst bei starker Belastung<br />

zu verzeichen, weshalb die Ableitung einer Dosis-Wirkungsbeziehung problematisch<br />

ist. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte wäre dann beim Erwachsenen für<br />

den Gesamtverkehr allenfalls bezüglich der Migräne, für den Flugverkehr bezüglich<br />

SALSA und Bronchitis, bei Kindern bezüglich respiratorischer Symptome von einer<br />

Dosis-Wirkungsbeziehung auszugehen. Die in der Literatur am häufigsten auf die Einwirkung<br />

von Lärm bezogenen kardiovaskulären Erkrankungen sind hier nicht vertreten.<br />

Bei den meisten der untersuchten Erkrankungen spielt das Alter eine erhebliche Rolle.<br />

In der Relation zu der Belästigung sind diese Erkrankungen jedoch seltener, was, da mit<br />

zunehmendem Alter eine länger dauernde Belastung, also eine höhere Gesamtdosis an-<br />

198


Kapitel 11: Ergänzungen – Diskussion neuerer Untersuchungen 199<br />

genommen werden darf, einer Dosis-Wirkungsbeziehung widerspricht und somit die<br />

Ergebnisse bei der Gruppe der Erwachsenen relativiert.<br />

Zeitlicher Zusammenhang. Wie bei allen Querschnittstudien ist auch hier die Frage<br />

nach dem zeitlichen Zusammenhang zu stellen. Kausalzusammehänge sind durchaus in<br />

beiden Richtungen, von der Belästigung oder der Schlafstörung zu den Erkrankungen<br />

als auch von den Erkrankungen zur Belästigung bzw. Schlafstörung denkbar.<br />

Beides, Belästigung und lärmbedingte Schlafstörungen waren bei der Gruppe der älteren<br />

Probanden seltener, was die Autoren als Argument dafür anführen, dass die untersuchten<br />

Erkrankungen nicht zu den Belästigungen bzw. zu lärmbedingten Schlafstörungen<br />

beitragen. Die Autoren schreiben 'it seems that in comparison with adults for<br />

elderly people other factors than noise annoyance is more decisive for the appearance of<br />

a disease.' Andererseits kann dieser Befund aber durchaus auf eine Gewöhnung hinweisen.<br />

Insgesamt kann die LARES-Studie die in Kapitel 10 vorgeschlagenen Bewertungsgrenzen<br />

weder stützen noch in Frage stellen.<br />

11.4 DLR-Fluglärmstudie<br />

Basner M, Buess H, Elmenhorst D, Gerlich A, Luks N, Maaß H, Mawet L, Müller EW,<br />

Müller U, Plath G, Quehl J, Samel A, Schulze M, Vejvoda M, Wenzel J, 2004: Nachtflugwirkungen.<br />

Band 1, Zusammenfassung.<br />

www.dlr.de/me/institut/abteilungen/flugphysiologie/fluglärm/fb2004-07-d.pdf<br />

Von der in Kapitel 6 'Lärmbedingte Schlafstörungen' bereits mehrfach zitierten DLR-<br />

Fluglärmstudie liegt seit April 2004 eine im Internet publizierte Zusammenfassung vor.<br />

Die in ihrer Art größte und mit erheblichem methodischen Aufwand durchgeführte Studie<br />

setzt sich aus einer Laborstudie und einer Feldstudie zusammen, an denen insgesamt<br />

192 Männer und Frauen im Alter von 18 bis 65 Jahren teilnahmen. Die Probanden waren<br />

gesund, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung jedoch häufiger lärmempfindlich.<br />

In der Laborstudie wurden 61 Frauen und 67 Männer in je 13 aufeinanderfolgenden<br />

Nächten in der Zeit von 23 bis 7 Uhr untersucht. Auf eine Gewöhnungsnacht folgten<br />

eine Referenznacht sowie 9 Nächte, in denen 4 bis 128 Geräusche startender bzw. landender<br />

Flugzeuge mit Maximalpegeln zwischen 45 und 80 dB(A) eingespielt wurden.<br />

Die 12. und 13. Nacht diente der Erholung. Einschließlich des Grundrauschens von 30<br />

dB(A) variierte der äquivalente Dauerschallpegel (Leq3) zwischen 31.0 und 54.5 dB(A).<br />

An der Feldstudie beteiligten sich 33 Frauen und 31 Männer, deren Schlaf in je 9 aufeinanderfolgenden<br />

Nächten in deren gewohnter Umgebung zu Hause, zu den für sie<br />

üblichen Zeiten und mit der für sie gewohnten Fensterstellung registriert worden war.<br />

Von diesen hatten 20 auch an der Laborstudie teilgenommen. Die am Ohr der Schläfer<br />

199


Kapitel 11: Ergänzungen – Diskussion neuerer Untersuchungen 200<br />

gemessenen Maximalpegel variierten zwischen 20 und 73 dB(A). Im Mittel wurden bei<br />

jedem Probanden 36.2 nicht von anderen Geräuschen überlagerte Fluggeräusche sowie<br />

30.4 (nicht überlagerte) Geräusche von Pkw, Lkw und Motorrädern registriert.<br />

In allen Nächten (Labor und Feld) wurden fortlaufend das Polysomnogramm (EEG,<br />

EOG, EMG, siehe Kap. 6), das Elektrokardiogramm (EKG), die Atmungsfrequenz und<br />

die Fingerpulsamplitude registriert. Über die gesamte Bettzeit wurden die mit dem Urin<br />

ausgeschiedenen Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol bestimmt. Abends<br />

und morgens wurden Leistungstests durchgeführt und Fragebögen, etwa zur Belästigung<br />

und zur Befindlichkeit beantwortet.<br />

Die globale Änderung des Schlafs war im Labor im Vergleich zu den Ruhenächten mit<br />

einer nicht signifikanten Verkürzung der Gesamtschlafzeit um 2 und der Tiefschlafzeit<br />

um 4 Minuten gering. Im Vordergrund der Analyse stand – wie in der Feldstudie – das<br />

ereigniskorrelierte Aufwachen (Auftreten des Wachzustandes bzw. des Stadiums S1 aus<br />

den Stadien S2, S3, S4 und REM in einem Zeitfenster von 1 Minute nach Beginn des<br />

Schallreizes), das durch die spontane Aufwachhäufigkeit bereinigt wurde, die in der<br />

Referenznacht zu den Zeitpunkten der in den nachfolgenden Nächten applizierten Geräusche<br />

ermittelt wurde.<br />

Die Laborstudie zeigte, dass Startgeräusche häufiger als Landeanflüge Aufwachreaktionen<br />

evozierten (ein Unterschied, der nach Adjustierung der Geräuschdauer entfiel, vermutlich<br />

bedingt durch die mit längerer Dauer assoziierten geringeren Pegelanstiege).<br />

Die Aufwachwahrscheinlichkeit, die im Tiefschlaf erwartungsgemäß geringer war als<br />

im Flachschlaf, nahm mit der Anzahl der Geräusche ab (invers zur Dauer der lärmfreien<br />

Intervalle), mit der verstrichenen Schlafzeit zu und war dabei mit einer längeren Wiedereinschlafzeit<br />

assoziiert. Die Aufwachwahrscheinlichkeit war bei Männern und Frauen<br />

etwa gleich, zeigte aber einen Alterstrend, wobei Personen um 45 weniger empfindlich<br />

waren als die jüngeren und die älteren Probanden. Lärmempfindliche Personen reagierten<br />

häufiger.<br />

In der Feldstudie war die Aufwachwahrscheinlichkeit deutlich geringer als in der Laborsituation,<br />

auch bei den 20 Probanden, deren Schlaf sowohl im Labor als auch in der<br />

Realsituation registriert worden war. Einflüsse des Alters und der Lärmempfindlichkeit<br />

wurden hier nicht festgestellt. Das Hintergrundgeräusch hatte jedoch einen signifikanten<br />

Effekt und kurze Geräusche mit schnellen Pegelanstiegen verursachten häufiger Aufwachen.<br />

Die Autoren entwickelten aus diesen Daten ein Modell, wobei sie unter präventiven<br />

Gesichtspunkten das Aufwachen aus dem empfindlichsten Stadium (S2) in der Mitte der<br />

zweiten Nachthälfte wählten und in der Feldstudie darüber hinaus noch den Hintergrundpegel<br />

vor jedem Ereignis berücksichtigten.<br />

Eine nach den Kriterien von Rechtschaffen und Kales [1968] aus dem Verlauf der Polysomnogramme<br />

bestimmte Aufwachschwelle wurde lediglich für die Aufzeichnungen im<br />

200


Kapitel 11: Ergänzungen – Diskussion neuerer Untersuchungen 201<br />

Feld bei einem Maximalpegel von 33 dB(A) ermittelt. Danach stieg die Aufwachhäufigkeit<br />

nur mäßig an und erreichte bei einem Maximalpegel von 73 dB(A) ca. 10 %.<br />

Die Wiedereinschlafdauer war deutlich vom Maximalpegel bestimmt. Nach dem Aufwachen<br />

durch Geräusche mit Pegeln bis zu 60 dB(A) waren alle Probanden nach 1.5<br />

Minuten bereits wieder eingeschlafen. Bei Pegeln mit mehr als 60 dB(A) waren 2 % der<br />

evozierten Wachphasen nach 4 Minuten noch nicht beendet; es ist also damit zu rechnen,<br />

dass etwa jedes 50. lärmbedingte Aufwachen erinnerlich ist.<br />

In dem über die Dauer der Bettzeit gesammelten Urin waren weder das Adrenalin noch<br />

das Noradrenalin erhöht, während das Cortisol im Feld ebenfalls nicht, im Labor aber<br />

nach der Einwirkung der über die Feldbelastung hinausgehenden Pegel (Leq > 50) erhöht<br />

war.<br />

Die morgens eingeschätzte Belästigung stieg sowohl im Labor als auch im Feld mit dem<br />

äquivalenten Dauerschallpegel an, wobei die im Feld registrierten Werte wiederum<br />

deutlich unter denen der Laborstudie lagen. Während der Anteil der Belästigten im Feld<br />

von 11 % bei ca. 31 dB(A) auf 30 % bei ca. 47 dB(A) anstieg, nahm die Belästigung in<br />

diesem Pegelbereich im Labor von 15 auf 72 % zu.<br />

Die Ergebnisse der Leistungstests waren nicht mit der akustischen Belastung assoziiert.<br />

Die DLR-Fluglärmstudie bestätigt im Wesentlichen die in Kapitel 6 aus zahlreichen<br />

Untersuchungen zusammengetragenen Ergebnisse, erlaubt aber aufgrund der Menge der<br />

mit gleicher und vor allem relevanter, wenn auch aufwändiger Methodik erhobenen<br />

Daten eine genaue Schätzung der bei bestimmten akustischen Belastungen zu erwartenden<br />

Störungen.<br />

In Kapitel 10 wurde für die Nacht ein Zwei-Scheibenmodell vorgeschlagen und für den<br />

Präventiven Richtwert Maximalpegel von 56 bzw. 53 dB(A) genannt, die in der Zeit<br />

von 22 – 1 Uhr bzw. von 1 – 6 Uhr nicht überschritten werden sollen. Entsprechend den<br />

in der Feldstudie beobachteten und modellierten Aufwachhäufigkeiten ist bei diesen<br />

Maximalpegeln bei 20 bzw. 25 Überflügen mit einer zusätzlichen, durch Fluglärm bedingten<br />

Aufwachreaktion zu rechnen, die in der Regel von einem schnellen Wiedereinschlafen<br />

gefolgt ist, am folgenden Morgen also kaum erinnert wird und sich somit auch<br />

kaum auf die subjektive Bewertung des Schlafes auswirkt. Für den Kritischen Toleranzwert<br />

ist ein Maximalpegel von 60 dB(A) angegeben worden, der in der Feldstudie<br />

von Basner et al. [2004] in 6 % zu einer zusätzlichen Aufwachreaktion führt, also bei 16<br />

Ereignissen zu einem zusätzlichen fluglärmbedingten Aufwachen. Auch diese Wachperioden<br />

sind nach Basner et al. [2004] nach maximal 1.5 Minuten beendet und somit in<br />

der Regel nicht erinnert<br />

Die in Kapitel 10 vorgeschlagenen Bewertungsgrenzen werden durch die DLR-<br />

Fluglärmstudie bestätigt.<br />

201


12 Literatur<br />

202<br />

Literaturverzeichnis 202<br />

1. Abey-Wickrama I, Brook MF, Gattoni FE, Herridge CF, 1969: Mental-hospital admissions and aircraft<br />

noise. Lancet 2:1275-1277.<br />

2. Ader R, Cohen N, 1991: The Influence of Conditioning on Immune Responses. In: Ader R, Felten<br />

DL, Cohen N (eds): Psychoneuroimmunology (2nd ed). San Diego: Academic Press. pp 661-646.<br />

3. Agnew HW, Webb WB, Williams RL, 1966: The first night effect: an EEG study of sleep. Psychophy-siology<br />

2:263-266.<br />

4. Åkerstedt T, 1991: Sleepiness at work: effects of irregular work hours. In: Monk TH (ed): Sleep,<br />

sleepiness and performance. Chichester: Wiley. pp 129-152.<br />

5. AKLWF (Interdisziplinärer Arbeitskreis für Lärmwirkungsfragen beim Umweltbundesamt), 1982:<br />

Beeinträchtigungen des Schlafes durch Lärm. Z Lärmbekämpfung 29:13-16.<br />

6. AKLWF (Interdisziplinärer Arbeitskreis für Lärmwirkungsfragen beim Umweltbundesamt), 1985:<br />

Die Beeinträchtigung der Kommunikationdurch Lärm. Z Lärmbekämpfung 32:95-99.<br />

7. Altena K, 1989: Medische gevolgen van lawaai. Rapport nr GA-DR-03-01. VROM Leidenschendam.<br />

8. Altura BM, Altura BT, 1983: Influence of magnesium on vascular smooth muscle and serum biochemical<br />

parameters from diabetic and hypertensive rats. Magnesium 2:253-266.<br />

9. Arens H, 1976: Untersuchungen zur Ermittlung von Lärmgrenzwerten für erwerbstätige Schwangere.<br />

Dissertation, Essen.<br />

10. Andren L, Hansson L, Björkman M, 1982: Hemodynamic effect of noise exposure before and after<br />

beta-selective and non-selective betaadrenoreceptor blockade in patients with essential hypertension.<br />

Clin Sci 61:89-92.<br />

11. Arnberg PW, Bennerhult O, Eberhardt JL, 1990: Sleep disturbances caused by vibrations from heavy<br />

road traffic. J Acoust Soc Am 88:1486-1493.<br />

12. Atherley GRC, Gibbons SL, Powell JA, 1970: Moderate acosutic stimuli: the interrelation of subjective<br />

importance and certain physiological changes. Ergonomics 13:536-545.<br />

13. AzB: Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen an zivilen und militärischen Flugplätzen<br />

nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm vom 30. März 1971 (BGBl. I S. 282) – Anleitung zur<br />

Berechnung (AzB) – vom 27.02.1975 (GMBl. Nr. 8 S.162) Ergänzung zur Anleitung zur Berechnung<br />

von Lärmschutzbereichen an zivilen und militärischen Flugplätzen – AzB – vom 27.02.1975<br />

(GMBl. Nr. 8 S. 162) vom 20.02.1984, Der Bundesminister des Innern, U II 4 – 560 120/43.<br />

14. AzB95, 1993: Fortschreibung der Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen – AzB, Umweltbundesamt:<br />

Forschungsbericht 93-1050999, Berlin.<br />

15. Babisch W, 1998a: Epidemiological studies of the cardiovascular effects of occupational noise – a<br />

critical appraisal. Noise & Health 1:24-39.<br />

16. Babisch W, 1998b: Epidemiological studies of cardiovascular effects of traffic noise. In: Carter N,<br />

Job RFS (eds): Noise Effects ’98. Sydney: Noise Effects ’98 Pty. 1:221–229.<br />

17. Babisch W, 2000a: Traffic noise and cardiovascular disease. Epidemiological review and synthesis.<br />

Noise & Health 8:9-32.<br />

18. Babisch W, 2000b: Gesundheitliche Wirkungen von Umweltlärm. Z Lärmbekämpfung 47:95-102.<br />

19. Babisch W, 2001: Stress hormones in the research on cardiovascular effect of noise. In: Proceedings<br />

of the 17 th International Congress on Acoustics 2001, Sept. 2-7, Rom.<br />

20. Babisch W, Elwood P, Ising H, 1993a: Road traffic noise and heart disease risk: results of the epidemiological<br />

studies in Caerphilly, Speedwell and Berlin. In: Vallet M (ed): Noise & Man ‘93. Bron:<br />

INRETS. pp 3:260-267.<br />

21. Babisch W, Fromme H, Beyer A, Ising H, 1996: Katecholaminausscheidung im Nachturin bei Frauen<br />

aus unterschiedlich verkehrsbelasteten Wohngebieten. WaBoLu-Hefte 9:1-58.<br />

22. Babisch W, Ising H, 1986: Längsschnittstudie zu gesundheitlichen Auswirkungen des Lärms,<br />

Caerphilly (Wales) – Verkehrslärmstudie I. Forschungsbericht , Umweltbundesamt, Berlin.<br />

23. Babisch W, Ising H, 1992: Epidemiologische Studien zum Zusammenhang zwischen Verkehrslärm<br />

und Herzinfarkt. Bundesgesundheitsblatt 1:3-11.


203<br />

Literaturverzeichnis 203<br />

24. Babisch W, Ising H, Elwood PC, Sharp DS, Bainton D, 1993b: Traffic noise and cardiovascular risk:<br />

The Caerphilly and Speedwell studies, second phase. Risk estimation, prevalence, and incidence of<br />

ischemic heart disease. Arch Environ Health 48:406-413.<br />

25. Babisch W, Ising H, Gallacher JEJ, Sweetnam PM, Elwood PC, 1999: Traffic noise and cardiovascular<br />

risk: the Caerphilly and Speedwell studies, third phase-10-year follow up. Arch Environ Health<br />

54:210-216.<br />

26. Bach V, Libert JP, Tassi P, Wittersheim G, Johnson LC, Ehrhart J, 1991: Cardiovascular responses<br />

and electroencephalogram disturbances to intermittent noises: effects of nocturnal heat and daytime<br />

exposure. Eur J Appl Physiol 63 :330-337.<br />

27. Baekeland F, Hoy P, 1971: Reported vs recorded sleep characteristics. Arch Gen Psychiatry 24:548-<br />

551.<br />

28. Barna I, Koenig JI, Makara GB, 1997: Effects of anterolateral and posterolateral cuts around the<br />

medial hypothalamus on the immunoreactive ACTH and Beta-Endorphin levels in selected brain regions<br />

of the rat. Brain Res Bull 42:353-357.<br />

29. Basner M, Buess H, Luks N, Maaß H, Mawet L, Müller EW, Müller U, Piehler C, Plath G, Quehl J,<br />

Rey E, Samel A, Schulze M, Vejvoda M, Wenzel J, 2001: Nachtfluglärmwirkungen – eine<br />

<strong>Teil</strong>auswertung von 64 Versuchspersonen in 832 Schlaflabornächten. DLR-Forschungsbericht 2001-<br />

26, ISSN 1434-8454.<br />

30. Beckenbauer T, Schreiber L, 1997: Wie unterscheidet sich der äquivalente Dauerschallpegel nach<br />

dem Fluglärmgesetz von dem (energie-)äquivalenten Dauerschallpegel oder Mittelungspegel nach<br />

DIN 45641 ? Z Lärmbekämpfung 44:89-97.<br />

31. Bell PA, Fisher JD, Baum A, Greene T, 1996: Environmental Psychology. 4 th edition, Fort Worth:<br />

Harcourt Brace College.<br />

32. Bellach B, Dorty R, Müller D, Ziese T, 1995: Gesundheitliche Auswirkungen von Lärmbelastung –<br />

Methodische Betrachtungen zu den Ergebnissen dreier epidemiologischer Studien. Bundesgesundheitsblatt<br />

38:84-89.<br />

33. Belli S, Sani L, Scarficcia G, Sorrentino R, 1984: Arterial Hypertension and Noise.: A Cross-<br />

Sectional Study. Am J Ind Med 6:59-65.<br />

34. Belojevic G, Jakovljevic B, 1998: Traffic noise and sleep disturbances with regard to age. In: Carter<br />

N, Job RFS (eds): Noise Effects ’98. Sydney: Noise Effects ’98 Pty. pp 455-458.<br />

35. Beredovsky HO, Delrey A, 2002: Neuroendokirne Immune Interactions. Ed. Caillard RC, S. Karge,<br />

Basel.<br />

36. Berglund B, Job RFS, 1996: Theory and method in perceptual evaluation of complex sound. In: Fastl<br />

H, Kuwano S, Schick A (eds): Recent trends in hearing research – Festschrift für Seiichiro Namba.<br />

Oldenburg: BIS. pp 215-240.<br />

37. Berglund B, Lindvall T, 1995: Community Noise. Arch Center Sensory Res, Vol 2, Issue 1, Stockholm<br />

University and Karolinska Institute.<br />

38. Berglund B, Lindvall T, Schwela DH (eds): 1999: Guidelines for community noise. Geneva: World<br />

Health Organization.<br />

39. Berry B, Thiessen GJ, 1970: The effects of impulsive noise on sleep. National Research Council of<br />

Canada: Publication No. NRC-11597.<br />

40. Bläule B, Ortscheid J, 2001: Lärmbelästigung durch Straßenverkehr, Berlin: Umweltbundesamt.<br />

41. Björkman U, Åhrlin U, Rylander R, 1992: Aircraft noise annoyance and average versus maximum<br />

noise levels. Arch Environ Health 47:326-329.<br />

42. Blois R, Debilly G, Mouret J, 1980: Daytime noise and its subsequent sleep effects. In: Tobias JV,<br />

Jansen G, Ward WD (eds): Noise as a Public Health Problem. ASHA Report 10. Rockville Maryland.<br />

pp 425-432.<br />

43. Böhmer O, 1980: Über den möglichen Einfluss des Straßenverkehrslärm auf den Verbrauch von<br />

Hypnotika unter gesonderter Darstellung des Einnahmeverhaltens. Inaugural-Diss, <strong>Main</strong>z 1980.<br />

44. Bolm-Audorff U, Virnich H-F, Dörfler H, Knecht U, Ehlenz K, Woitowitz HJ, 1985: Kardiovaskuläre<br />

und hormonelle Veränderungen bei lärm- und vibrationsbelasteten Beschäftigten im Tunnelvortrieb.<br />

Verh Dt Ges Arbeitsmed. 25:73-80.<br />

45. Brandenberger G, Follenius M, Tremolieres C, 1977: Failure of noise exposure sto modify temporal<br />

patterns of plasma cortisol in man. Europ J Applied Physiology 36:239-246.


204<br />

Literaturverzeichnis 204<br />

46. Braun C, 1999: Nächtlicher Straßenverkehrslärm und Stresshormonausscheidung beim Menschen.<br />

Dissertation, Berlin.<br />

47. Brenner H, Oberacker A, Kranig W, Buchwalsky R, 1993: A field study on the immediate effects of<br />

exposure to low-altitude flights on heart rate and arrythmia in patients with cardiac diseases. Int Arch<br />

Occup Environ Health 65:263-268.<br />

48. Broadbent DE, 1971: Decision and stress. London: Academic Press.<br />

49. Bronzaft AL, Ahren K, McGinn R, O’Connor J, Savino B, 1998: Aircraft noise. A potential health<br />

hazard. Environment and Behavior 30:101-113.<br />

50. Brown AL, 1987: Responses to an increase in road traffic noise. J Sound Vib 117:69-79.<br />

51. Bullen RB, 1998: A practical index for assessment of sleep disturbance. In: Carter N, Job RFS (eds):<br />

Noise Effects ’98. Sydney: Noise Effects ’98 Pty. 2:459-462.<br />

52. Bullinger M, 1996: Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität mit dem SF-36 Health Survey.<br />

Rehabilitation 35:17-30.<br />

53. Bullinger M, Bahner U, 1997: Erlebte Umwelt und subjektive Gesundheit. Eine Untersuchung an<br />

Müttern und Kindern aus unterschiedlich lärmbelasteten Gebieten. Z Gesundheitswiss 3:89-108.<br />

54. Buschke-Kirschbaun A, 2001: Atopische Erkrankungen und Stress. Kolloquium Stress am Arbeitsplatz,<br />

BAD, Mannheim.<br />

55. Busse R, 1997: In: Schmidt RF, Thews G (Hrsg): Physiologie des Menschen, Gefäßsystem und<br />

Kreislaufregulation. Berlin-Heidelberg, Springer. 27. Auflage.<br />

56. Carter N, Crawford G, Kelly D. Hunyor S, 1993: Environmental noise during sleep and sympathetic<br />

arousal assessed by urinary catecholamines. In: Vallet M (ed): Noise & Man ’93. Bron: IN-<br />

RETS.3:388-392.<br />

57. Carter NL, 1998: Cardiovascular response to environmantal noise during sleep. In: Carter N, Job<br />

RFS (eds): Noise Effects ’98. Sydney: Noise Effects ’98 Pty. 2:439–444.<br />

58. Carter NL, Hunyor SN, Crawford G, Kelly D, Smith AJM, 1994a: Environmental noise and sleep – a<br />

study of arousals, cardiac arrythmia and urinary catecholamines. Sleep 17:298-307.<br />

59. Carter NL, Hunyor SN, Ingham P, Tran K, 1994b: A field study of the effects of traffic noise on<br />

heart rate and cardiac arrythmia during sleep. J Sound Vib 169:211-227.<br />

60. Cavatorta A, Falzoi M, Romanelli A, Cigala F, Ricco M, Bruschi G, Franchini I, Borghetti A: 1987:<br />

Adrenal response in the pathogenesis of arterial hypertension in workers exposed to high noise levels.<br />

J Hypertens Suppl 5 :463-466.<br />

61. Chang PY, Yu TS, Shen CY,Wu TN, Lai JS, 1995: Aircraft noise, hearing ability, and annoyance.<br />

Archives of Environ Health 50:6, 452-456.<br />

62. Chen TJ, Chen SS, Hsieh PY, Chiang HC, 1997: Auditory effects of aircraft noise on people living<br />

near an airport. Arch Environ Health 52(1):45–50.<br />

63. Coates TJ, George JM, Killen JD, Marchini E, Hamilton S, Thorensen CE, 1981: First night effects<br />

in good sleepers and sleep-maintenance insomniacs when recorded in the home. Sleep 4:293-298.<br />

64. Cohen S, Evans GW, Krantz DS, Stokols D, 1980: Physiological, motivational, and cognitive effects<br />

of aircraft noise on children. Moving from the laboratory to the field. Am Psychol 35:231-243.<br />

65. Cohen S, Evans GW, Stokols D, Krantz DS, 1986: Behavior, health, and environmental stress. New<br />

York: Plenum.<br />

66. Collins WE, Iampietro PF, 1972: Simulated sonic booms and sleep: effects of repeated booms of 1.0<br />

psf. Federal Aviation Administration: Report No. FAA-AM-72-35.<br />

67. Curio I, Michalak R, 1992: Ergebnisse einer Tieffluglärmstudie in der Bundesrepublik Deutschland:<br />

Extraaurale Akutwirkungen. WaBoLu-Hefte 88:307-321.<br />

68. Dancer A, 2000: Individual susceptibility to NIHL and new perspective in treatment of acute noise<br />

trauma. RTO Lecture Series 219:5.1-5.12.<br />

69. de Camp U, 1980: Eine Untersuchung über den Einfluß von Lärm und psychischen Faktoren auf den<br />

Schlaf von Patientinnen im Krankenhaus. Applied Acoustics 13:189-201.<br />

70. de Jong RG; Jurriens AA, Groot B, 1992: Geluidhinder in relatie tot gezondheid. Projectbureau<br />

Noordrand Rotterdam, Rotterdam.<br />

71. DeJoy DM, 1984: The nonauditory effects of noise: review and perspectives for research. J Audit<br />

Res 24 :123-150.<br />

72. Dement W, Kleitman N, 1957: Cyclic variations in EEG during sleep and their relation to eye movements,<br />

body motility, and dreaming. EEG clin Neurophysiol 9:673-690.


205<br />

Literaturverzeichnis 205<br />

73. Deutsche Forschungsgemeinschaft, 1974: Fluglärmwirkungen. Eine interdisziplinäre Untersuchung<br />

über die Auswirkungen des Fluglärms auf den Menschen. Bd I: Hauptbericht; Bd II: Annexband.<br />

Boppard: Boldt.<br />

74. DIN 33410, 1981: Sprachverständigung in Arbeitsstätten unter Einwirkung von Störgeräuschen –<br />

Be-griffe, Zusammenhänge. Berlin: Beuth-Verlag.<br />

75. Dieroff HG 1994: Lärmschwerhörigkeit. G Fischer, Jena.<br />

76. DiNisi J, Muzet A, Ehrhart J,Libert JP, 1990: Comparison of cardiovascular responses to noise during<br />

waking and sleeping in humans. Sleep 13:108-120.<br />

77. Dodt C, Kern W, Born J, Fehm HL, 1995: Alterseinflüsse auf die Regulation der ACTH- und Kortisolsekretion.<br />

In: Allolio B (eds): Nebenniere und Streß. Stuttgart: Schattauer Verlag, pp 1-8.<br />

78. Dolde KP, 2003: Fluglärmkriterien für ein Schutzkonzept bei wesentlichen Änderungen oder Neuanlagen<br />

von Flughäfen/Flugplätzen – Rechtliche Beurteilung. <strong>Teil</strong> 1. ZfL 50(3):88-91, <strong>Teil</strong> 2 50(4) im<br />

Druck.<br />

79. DORA Report 8008, 1980: Aircraft noise and sleep disturbance: final report. Civil Aviation Authority,<br />

London Department of Trade.<br />

80. Dreschler W.A, Leeuw A.R, 1990: Speech reception in reverberation related to temporal resolution.<br />

J Speech Hear Res 33:181-187.<br />

81. Dugué B, Leppänen E, Gräsbeck R, 1994: Preanalytical factors and standardized specimen collection:<br />

The effects of industrial noise, Stress Medicine, 10:185-189.<br />

82. Eberhardt JL, 1987: The influence on sleep of noise and vibrations caused by road traffic. Akademisk<br />

avhandling. Lund:Bloms Boktrycheri AB.<br />

83. Eberhardt JL, 1988: The influence of road traffic noise on sleep. J Sound Vib 127:449-455.<br />

84. Eberhardt JL, 1990: The disturbance by road traffic noise of the sleep of prepubertal children as<br />

studied in the home. In: Berglund B, Berglund U, Karlsson J, Lindvall T (eds): 4 th Int Congr on<br />

Noise as a Public Health Problem. New Advances in Noise Research. Stockholm: Swedish Council<br />

for Building Research. 2:65-79.<br />

85. Eberhardt JL, Akselsson KR, 1987: The disturbances by road traffic noise of the sleep of young male<br />

adults as recorded in the home. J Sound Vib 114:417-434.<br />

86. Eberhardt JL, Öhrström E, 1987: When during the night is traffic noise most disturbing to sleep ? In:<br />

Eberhardt JL, 1987: The influence on sleep of noise and vibrations caused by road traffic. Akademisk<br />

avhandling. Lund: Bloms Boktrycheri AB.<br />

87. Eberhardt JL, Stråle LO, Berlin MHB, 1987: The influence of continuous and intermittent traffic<br />

noise on sleep. J Sound Vib 116:445-464.<br />

88. Edeline JM, Weinberger NM, 1992: Associative retuning in the thalamic source of input to the<br />

amygdala and auditory cortex: Receptive field plasticity in the medial division of the medial geniculate<br />

body. Behav Neurosci 106:81-105.<br />

89. Ehrenstein W, Müller-Limmroth W, 1981: Experimentelle Untersuchungen über Langzeitwirkungen<br />

von Lärm auf den schlafenden und wachen Menschen. Umweltbundesamt.<br />

90. Ehrenstein W, Schuster M, Müller-Limmroth W, 1982: Felduntersuchungen über Wirkungen von<br />

Lärm auf schlafende Menschen. Umweltbundesamt.<br />

91. Elliot LL, 1979: Performance of children aged 9 to 17 years on a test of speech intelligibility in noise<br />

using sentence material with controlled word predictability. J Acoust Soc Am 66:651-653.<br />

92. Enderlein G, Heuchert G, Stark H, 1996: Epidemiologische Untersuchungen zur Beziehung zwischen<br />

Lärm am Arbeitsplatz und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In: Bundesanstalt für Arbeitsmedizin<br />

(Hrsg): Lärm am Arbeitsplatz und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Berlin: Wirtschaftsverlag NW.<br />

pp 21-28.<br />

93. Evans G, Lepore SJ, 1997: Moderating and mediating process in environment – behavior research.<br />

In: Moore GT, Marans RW (eds): Advances in Environment, Behavior, and Design. New York: Plenum<br />

Press. 4:255-285.<br />

94. Evans GW, Bullinger M, Hygge S, 1998: Chronic noise exposure and physiological response: a<br />

prospective study of children living under environmental stress. Am Psychol Soc 9:75-77.<br />

95. Evans GW, Hygge S, Bullinger M, 1995: Chronic noise and psychological stress. Psychol Sci 6:333-<br />

338.<br />

96. Evans GW, Johnson D, 2000: Stress and open-office noise. J Appl Psychol 85 :779-783.


206<br />

Literaturverzeichnis 206<br />

97. Evans GW, Lepore SJ, 1993: Nonauditory effects of noise on children. Children’s Environments<br />

10:31-51.<br />

98. Evans GW, Lercher P, Meis M, Ising H, Kofler WW, 2001: Community noise exposure and stress in<br />

children. J Acoust Soc Am 109:1023-1027.<br />

99. Evans GW, Maxwell L, 1997: Chronic noise exposure and reading deficits. The mediating effects of<br />

language acquisition. Environ Behav 29:638-656.<br />

100. Feldmann H, 1998: Tinnitus. Stuttgart: Thieme Verlag.<br />

101. Feldman S, Weidenfeld J, 1998: The excitatory effects of the amygdala on hypothalamic-pituitaryadrenocortical<br />

responses are mediated by hypothalamic norepinephrine, serotonin, and CRF-41.<br />

Brain Res Bull 45:389-393.<br />

102. Felscher-Suhr U, Guski R, Hunecke M, Kastka J, Paulsen R, Schümer R, Vogt J, 1995: Störungen<br />

von Alltagstätigkeiten durch Flug- und Straßenlärm. Eine methodologische Vorstudie. Bericht des<br />

Arbeitskreises ‚Ökologische Lärmforschung’. Bochum: Ruhr-Universität.<br />

103. Felscher-Suhr U, Guski R, Hunecke M, Kastka J, Paulsen R, Schümer R, Vogt J, 1996: Eine methodologische<br />

Studie zur aktuellen Erfassung von Alltagstätigkeiten und deren Störungen durch Flugund<br />

Straßenlärm. Z Lärmbekämpfung 43:61-68.<br />

104. Felscher-Suhr U, Guski R, Schuemer R, 2000: Internationale Standardisierungs-Bestrebungen zur<br />

Erhebung von Lärmbelästigung. Z Lärmbekämpfung 47:68-70.<br />

105. Felscher-Suhr U, Schreckenberg D, Schuemer R, Möhler U, 2001: Vetrauensbildung als flankierende<br />

Maßnahme zur Lärmbelästigungsminderung? In: Deutsche Gesellschaft für Akustik (DEGA,<br />

Hrsg): Fortschritte der Akustik – DAGA 2001, 27. Deutsche Jahrestagung für Akustik, Hamburg,<br />

März 26-29, 2001. Oldenburg: Deutsche Gesellschaft für Akustik.<br />

106. Festen JM, Plomp R, 1990: Effects of fluctuating noise and interfering speech on the speechreception<br />

threshold for impaired and normal hearing. J Acoust Soc Am 88:1725-1736.<br />

107. Fidell S, Barber DS, Schultz THJ, 1991: Updating a dosage-effect-relationship for the prevalence of<br />

annoyance due to general transportation noise. J Acoust Soc Am 89:221-233.<br />

108. Fidell S, Howe RR, Tabachnick BG, Pearsons KS, Sneddon MD, 1995: Noise-induced sleep disturbance<br />

in residences near two civil airports. National Aeronautics and Space Administration, Langley<br />

Research Center, NASA Contractor Report 198252.<br />

109. Fidell S, Pearsons K, Howe R, Tabachnick B, Silvati L, Barber DS, 1994: Noise-induced sleep disturbance<br />

in residential settings. Armstrong Laboratory, Air Force Materiel Command, Wright-<br />

Patterson Air Force Base, Ohio 45433-6573, AL/OE-TR-1994-0131.<br />

110. Fidell S, Silvati L, 1998: Evaluation of Community Response to Aircraft Noise Following Completion<br />

of Runway 08L/26R at Vancouver International Airport. BBN Report No. 8247, California,<br />

USA.<br />

111. Fields JM, 1990: A review of an updated synthesis of noise / annoyance relationships. NASA Report<br />

194950, Georgia Institute of Technology, Atlanta, GA.<br />

112. Fields JM, 1994: A Review of an Updated Synthesis of Noise / Annoyance Relationships. NASA<br />

Contractor report 194950. Hampton, VA.<br />

113. Fields JM, de Jong RG, Flindell IH, Gjestland T, Job RFS, Kurra S, Schuemer-Kohrs A, Lercher P,<br />

Vallet M, Yano T, 1998: Recommendation for shared annoyance questions in noise annoyance surveys.<br />

In: Carter N, Job RFS (eds): Noise Effects ’98. Sydney: Noise Effects ’98 Pty. 2:481-486.<br />

114. Fields JM, Ehrlich GE, Zador P, 2000: Theory and design tools for studies of reactions to abrupt<br />

changes in noise exposure. NASA / CR-2000-210280. Wyle Laboratories, El Segundo, California,<br />

USA.<br />

115. Fogari R, Zoppi A, Vanasia A, Mavasi G, Villa G, 1994: Occupational noise exposure and blood<br />

pressure. J. Hypertension 12:475-479.<br />

116. Follenius M, Brandenberger G, Lecornu C, Simeoni M, Reinhardt B, 1980: Plasma catecholamines<br />

and pituary adrenal hormones in response to noise exposure. Eur J Appl Physiol Occup Physiol<br />

43 :253-261.<br />

117. Forth W, Henschler D (Hrsg), 1992: Pharmakologie und Toxikologie. Spektrum-Verlag, p 558<br />

118. Franssen EAM, Staatsen BAM, Lebret E, 1998: Health impact assessment Schiphol airport: an overview.<br />

In: Carter N, Job RFS (eds): Noise Effects ’98. Sydney: Noise Effects ’98 Pty. Abstracts, p<br />

149.


207<br />

Literaturverzeichnis 207<br />

119. Fredrikson M, Matthews KA, 1990: Cardiovascular responses to behavioral stress and hypertension:<br />

A meta-analytic review. Ann Behav Med 12:30-39.<br />

120. Frerichs RR, Beeman BL, Coulson AH, 1980: Los Angeles Airport noise and mortality – faulty<br />

analysis and public policy. Am J Public Health 70:357-362.<br />

121. Friedman J, Globus G, 1975: Impact of environmental noise on sleep electrophysiology as measured<br />

in the home. In: CEC (ed): International Symposium, Recent Advances in the Assessment of Health<br />

Effects of Environmental Pollution. Vol II, Luxembourg.<br />

122. Friedman J, Globus G, Huntley A, Mullaney D, Naitoh P, Johnson L, 1977: Performance and mood<br />

during and after gradual sleep reduction. Psychophysiology 14:245-250.<br />

123. Fruhstorfer B, Pritsch MG, Fruhstorfer H, Sturm G, Wesemann W, 1990: Daytime noise load – A<br />

24-hour problem ? Environment International 16 :491-499.<br />

124. Gädeke R, Döring B, Keller F, Vogel A, 1969: The noise level in a childrens hospital and the wakeup<br />

threshold in infants. Acta Pediat Scand 58:164-170.<br />

125. Garcia AL, Garcia AM, 1992: Relationship between arterial pressure and exposure to noise at work.<br />

Med Clin Barc 98:5-8.<br />

126. Gattoni F, Tarnopolsky A, 1973: Aircraft noise and psychiatric morbidity. Psychol Med 3:516-520.<br />

127. Gjestland T, 1990: New support for a threshold based method for assessing annoyance from aircraft<br />

noise. In (Berglund B, Lindvall T, eds.) Noise as a Public Health Problem. Swedish Council Building<br />

Research, Stockholm, 3:193-199.<br />

128. Gjestland T, Liasjö K, Granöien I, Böhn HE, Gaustad A, 1990a: A noise survey around Oslo airport<br />

Fornebu. In: Jonasson HG (eds), Inter’Noise 90. Proceedings 1990 International Conference on<br />

Noise Control Engineering. Gothenburg-Sweden, 1:451-454.<br />

129. Gjestland T, Liasjo K, Granoien I, Fields JM, 1990b: Response to noise around Oslo Airport<br />

Fornebu. ELAB-RUNIT Report No. STF40 A90189. Trondheim.<br />

130. Goldstein DS, 1995: Stress, Catecholamines and Cardiovascular Disease. New York Oxford: Oxford<br />

University Press.<br />

131. Gomez-Sanchez C. E, Zhou M. Y, Cozza E. N, Morita H, Foecking M. F, Gomez-Sanchez E. P,<br />

1997: Aldosteron biosynthesis in the rat brain. Endocrinology 13:3369-3373.<br />

132. Gordon-Salant S, 1987: Age-related differences in speech recognition performance as a function of<br />

test format and paradigm. Ear and Hearing 8:277-282.<br />

133. Gray T. S, 1991: Amygdala role in autonomic and neuroendocrine responses to stress. Stress, neuropeptides<br />

an systemic disease. New York: Academic Press. 37-53.<br />

134. Griefahn B, 1975: Effects of sonic booms on fingerpulse amplitudes during sleep. Int Arch Occup<br />

Environ Health 36:57-66.<br />

135. Griefahn B, 1977a: Long-term exposure to noise – aspects of adaptation, habituation, and compensation.<br />

Waking Sleeping 1:383-386.<br />

136. Griefahn B, 1977b: Zur Ermittlung reizbedingter Pulsfrequenzänderungen. Eur J Appl Physiol<br />

37 :13-16.<br />

137. Griefahn B, 1978: Die Einwirkung von Schienenverkehrslärm auf den schlafenden Menschen. In:<br />

Jansen G, Rehm S, Griefahn B, Gros E: Wirkungen von Lärm auf besondere Personengruppen. Berlin:<br />

Umweltbundesamt. pp 239-275.<br />

138. Griefahn B, 1982: Grenzwerte vegetativer Belastbarkeit. Zum gegenwärtigen Stand der psychophyiologischen<br />

Lärmforschung. Z Lärmbekämpfung 29:131-136.<br />

139. Griefahn B, 1985: Schlafverhalten und Geräusche. Feld- und Laboruntersuchungen über Straßenverkehr,<br />

EEG-Analyse, Literaturauswertung. Stuttgart: Ferdinand Enke.<br />

140. Griefahn B, 1986: A critical load for nocturnal high-density road traffic noise. Am J Ind Med 9:261-<br />

269.<br />

141. Griefahn B, 1989: Cardiac responses caused by shots of tanks during sleep. J Sound Vib 128:109-<br />

119.<br />

142. Griefahn B, 1990a: Lärmbelastung – Lärmwirkung. Verh Dt Ges Arbeitsmed 29:83-92.<br />

143. Griefahn B, 1990b: Präventivmedizinische Vorschläge für den nächtlichen Schallschutz. Z Lärmbekämpfung<br />

37:4-14.<br />

144. Griefahn B, 1991: Lärmempfindlichkeit – ein Prädiktor lärmbedingter Gesundheitsschäden? Verh Dt<br />

Ges Arbeitsmed 30:403-406.<br />

145. Griefahn B, 1992: Noise control during the night. Acoust Austral 20:43-47.


208<br />

Literaturverzeichnis 208<br />

146. Griefahn B, 2002: The validity of the temporal parameters of the daily rhythm of melatonin levels as<br />

an indicator of morningness. Chronobiology International 19:561-577.<br />

147. Griefahn B, Felscher-Suhr U, Höger R, Jedrusik P, Müller JIF, Schreckenberg D, 2001a: Erarbeitung<br />

von Fluglärmkriterien für ein Schutzkonzept Abschlussbericht, Institut für Arbeitsphysiologie, Institut<br />

für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund.<br />

148. Griefahn B, Gros E, 1985: Zur Wirkung von Straßengeräuschen auf den Schlaf. Ergebnisse einer<br />

Feldstudie. Arbeitsmed Sozialmed Präventivmed 20:73-77.<br />

149. Griefahn B, Gros E, 1986: Noise and sleep at home, a field study on primary and after-effects. J<br />

Sound Vib 105:373-383.<br />

150. Griefahn B, Jansen G, 1975: Disturbances of sleep by sonic booms. Sci Total Environ 4 :107-112.<br />

151. Griefahn B, Jansen G, 1988: Auswirkungen von Schießgeräuschen auf den Nachtschlaf. Umweltbundesamt<br />

105 01 203/03.<br />

152. Griefahn B, Jansen G, Böhmer O, 1985: Schlafstörungen und Hypnotikakonsum bei unterschiedlicher<br />

Belastung durch Straßengeräusche. Z Arb wiss 39:15-18.<br />

153. Griefahn B, Jansen G, Klosterkötter W, 1976: Zur Problematik lärmbedingter Schlafstörungen – eine<br />

Auswertung von Schlafliteratur. Berlin UBA-Bericht 4/76.<br />

154. Griefahn B, Jansen G, Scheuch K, Spreng M, 2002: Fluglärmkriterien für ein Schutzkonzept bei<br />

wesentlichen Änderungen oder Neuanlagen von Flughäfen/Flugplätzen. Z Lärmbekämpfung 49:171-<br />

175.<br />

155. Griefahn B, Künemund C, Bröde P, Mehnert P, 2001b: Zur Validität der deutschen Übersetzung des<br />

Morningness-Eveningness-Questionnaires von Horne und Östberg. Somnologie 5:71-80.<br />

156. Griefahn B, Möhler U, Schuemer R, 1999: Vergleichende Untersuchung über die Lärmwirkung bei<br />

Straßen- und Schienenverkehr. München: SGS.<br />

157. Griefahn B, Schuemer-Kohrs A, Schuemer R, Moehler U, Mehnert P, 2000: Physiological, subjective,<br />

and behavioural responses to noise from rail and road traffic. Noise & Health 3:59-71.<br />

158. Griffith ID, Raw GJ, 1989: Adaptation to changes in traffic noise exposure. J Sound Vib 132:331-<br />

336.<br />

159. Grimm H, 1998: Sprachentwicklung – allgemeintheoretisch und differentiell betrachtet. In: Oerter R,<br />

Montada L (Hrsg): Entwicklungspsychologie, 4. Aufl, Weinheim: Psychologie Verlags Union. pp<br />

705-757.<br />

160. Grobe GT, 2001: Arbeitslosigkeit und Gesundheit. Public Health Forum 9 (33): 12 –13.<br />

161. Gros E, Griefahn B, 1985a: Habituelle Schlafqualitätseinschätzung und Lärmbelästigung bei Anwohnern<br />

von Straßen mit hoher Verkehrsdichte. Z Lärmbekämpfung 32:100-107.<br />

162. Gros E, Griefahn B, 1985b: Subjektive und objektive Ermüdungserscheinungen als Folge lärmgestörter<br />

Nachtruhe. Z Arb wiss 39:243-247.<br />

163. Grotvedt L, 1990: Neighbour Noise Annoyance and psychiatric Diseases. Environment International<br />

16:543–546.<br />

164. Guski R, 1987: Lärm. Wirkungen unerwünschter Geräusche. Bern: Huber.<br />

165. Guski R, 1994: Empfehlungen zur Siedlungsplanung am <strong>Flughafen</strong> Hamburg – Fuhlsbüttel unter<br />

dem Blickwinkel des vorbeugenden Gesundheitsschutzes. EcoR, Ecological Consulting and Research.<br />

Bochum: unveröffentlicht.<br />

166. Guski R, 1996: Einschätzungen der zu erwartenden psychologischen Auswirkungen des <strong>Flughafen</strong>-<br />

<strong>Ausbau</strong>s Dortmund-Wickede. Ruhr-Universität Bochum. (unveröffentlichtes <strong>Gutachten</strong>).<br />

167. Guski R, 1997: Interferenz von Aktivitäten und Belästigung durch Lärm aus verschiedenen Quellen:<br />

Einige neue Lektionen anhand alter Daten. In: Schick A, Klatte M (eds): Contributions to psychological<br />

acoustics. Results of the Seventh Oldenburg, Universität Oldenburg. pp 239-259.<br />

168. Guski R, 1999: Personal and social variables as co-determinants of noise annoyance. Noise & Health<br />

3:45-46.<br />

169. Guski R, 2000: Muss sich die Lärmwirkungsforschung auf Medizin zurückziehen? Z Lärmbekämpfung<br />

47:81.<br />

170. Guski R, 2001a: Moderatoren der Lärmwirkung. In (Wichman, Schlipköter Fülgraff Hrsg.) Handbuch<br />

der Umweltmedizin. Kapitel VII-1 Lärm. Ecomed-Verlag, Landsberg.<br />

171. Guski R, 2001b: Physikalische und nicht-physikalische Faktoren, die zu globalen Lästigkeitsurteilen<br />

beitragen. In: Deutsche Gesellschaft für Akustik (DEGA, Hrsg): Fortschritte der Akustik – DAGA


209<br />

Literaturverzeichnis 209<br />

2001, 27. Deutsche Jahrestagung für Akustik, Hamburg, März 26-29, 2001. Oldenburg: Deutsche<br />

Gesellschaft für Akustik.<br />

172. Guski R, 2002: Status, Tendenzen und Desiderate der Lärmwirkungsfoschung zu Beginn des 21.<br />

Jahrhunderts. Z Lärmbekämpfung 49(6):219-232.<br />

173. Guski R, 2003: Neuer Fluglärm gleich alter Fluglärm? Z Lärmbekämpfung 50(1):14-25.<br />

174. Haines MM, Stansfeld SA, Job RFS, Berglund B, 1998: Chronic aircraft noise exposure and child<br />

cognitive performance and stress. In: Carter N, Job RFS (eds): Noise Effects ’98. Sydney: Noise Effects<br />

’98 Pty. 1:329-335.<br />

175. Haines MM, Stansfeld SA, Job RFS, Berglund B, Head J, 2001: Chronic aircraft noise exposure,<br />

stress responses, mental health and cognitive performance in school children. Psychol Med 31:265-<br />

277.<br />

176. Hall FL, Birnie SE, Taylor SM, Palmer JE, 1981: Direct comparison of community response to road<br />

traffic noise and to aircraft noise. J Acoust Soc Am 70:1690-1698.<br />

177. Hall JW, Grose JH, 1991: Notch-noise measurement of frequency selectivity in adults and children<br />

using fixed-masker-lever and fixed-signal level presentation. J Speech Hear Res 34:651-660.<br />

178. Hand DJ, Tarnopolsky A, Barker SM, Jenkins LM, 1980: Relationships between psychiatric hospital<br />

admissions and aircraft noise: a new study. In: Tobias JV, Jansen G, Ward WD (eds): Noise as a<br />

Public Health Problem. ASHA Report 10. Rockville Maryland. pp 277-282.<br />

179. Hansen M, 2000: Einfluss von Kompressionszeitkonstanten auf subjektive Sprachverständlichkeit<br />

und Klangqualität von Hörgeräten. In: Deutsche Gesellschaft für Akustik e.V. (Hrsg). Fortschritte<br />

der Akustik – DAGA 2000, Oldenburg. pp 260-261.<br />

180. Harder J, Maschke C, Ising H, 1999: Längsschnittstudie zum Verlauf von tressreaktionen unter<br />

Einfluß von nächtlichem Fluglärm. WaBoLu-Hefte 4/99.<br />

181. HCN, 1991: Gezondheidsraad: Commissie Slaapverstoring en vliegtuiglawaai en slaap. Vliegtuiglawaai<br />

en slaap. Den Haag: Gezondheidsraad, 1991; publikatie 1191/5.<br />

182. HCN, 1994:Committee on Noise and Health. Noise and Health. The Hague: Health Council of the<br />

Netherlands. Publication no 1994/15E (1994).<br />

183. HCN, 1999: Committee on the Health Impact of Large Airports. Public health impact of large airports.<br />

The Hague: Health Council of the Netherlands. Publication no 1999/14E.<br />

184. Heim C, Ehlert U, Hellhammer DH, 2000: The potential role of hypoCortisolism in the pathophysiology<br />

of stress-related bodily disorders. Psychoneuroendocrinology 25:1–35.<br />

185. Hennigsen P, 1993: Psychoneuroimmunologische Forschung in der Psychosomatik. Psychosom<br />

Psychol 43:348-355.<br />

186. Henry KR, Chole RA, 1984: Hypothermia protects the cochlea from noise damage. Hearing Res<br />

16:225-230.<br />

187. Herbold M, Hense HW, Keil U, 1989: Effects of road traffic noise on prevalence of hypertension in<br />

men: results of the Luebeck blood pressure study. Soz Präventivmed 34:19-23.<br />

188. Hessel PA, Sluis-Cremer GK, 1994: Occupational noise exposure and blood pressure: longitudinal<br />

and cross-sectional observations in a group of underground miners. Arch Environ Health 49(2):128-<br />

134.<br />

189. Hill AB, 1965: The environment and disease: Association or causation? Proc Roy Soc Med<br />

58(7):295-300.<br />

190. Hirai A, Takata M, Mikawa M, Yasumoto K, Lida H et al., 1991: Prolonged exposure to industrial<br />

noise causes learning loss but high blood pressure. J Hypertension 9:1069-1973.<br />

191. Hoekstra KA, Iwama GK, Nichols CR, Godin DV, Cheng KM, 1998: Increased heat shock protein<br />

expression after stress in Japanese quail. Stress 2:265-272.<br />

192. Hofman W, 1991: Vliegtuiglawaai, sleep en gezondheid. Een literatuurstudie. Gezondheidsraad<br />

(Publikatie Nr. A91/01), Den Haag.<br />

193. Hofman W, Kumar A, Eberhardt J, 1993: Comparative evaluation of sleep disturbance due to noises<br />

from airplanes, trains and trucks. In: Vallet M (ed): Noise & Man ’93. Bron: INRETS. 2:559-562.<br />

194. Hofman WF, Kumar A, Tulen JHM, 1995: Cardiac Reactivity to traffic noise during sleep in man. J<br />

Sound Vib 179:577-589.<br />

195. Höger R, 1998: Zur Wirkung von sprachlichen Hintergrundschallen auf mentale Informationsverarbeitungsprozesse.<br />

Z Lärmbekämpfung 44:155-160.


210<br />

Literaturverzeichnis 210<br />

196. Höger R, 1999: Theoretische Ansätze und Ergebnisse der psychologisch orientierten Lärmwirkungsforschung.<br />

Umweltpsychologie 3:6-20.<br />

197. Höger R, Schreckenberg, D, Felscher-Suhr U, Griefahn B, 2002: Night-time noise annoyance – state<br />

of the art. Noise & Health (im Druck).<br />

198. Holmes TH, Rahe RH, 1967: The social readjustment rating scale. J Psychosom Res 11:213-218.<br />

199. Horne JA, 1988: Why we sleep. Oxford University Press.<br />

200. Horne JA, Pankhurst FL, Reyner LA, Hume KI, Diamond I, 1994: A field study of sleep disturbance:<br />

effects of aircraft noise and other factors on 5,742 nights of actimetrically monitored sleep in<br />

a large subject sample. Sleep 17:146-159.<br />

201. Horonjeff RD, Fidell S, Teffeteller SR, Green DM, 1982: Behavioral awakening as functions of<br />

duration and detectability of noise intrusions in the home. J Sound Vib 84:327-336.<br />

202. Horonjeff RD, Robert WE, 1997: Attitudinal responses to changes in noise exposure in residential<br />

areas. NASA / CR-97-205813. Langley Research Center, Hampton, Virginia.<br />

203. Houché A, Lärmbelastung von Kindergartenpersonal. Dissertation, Düsseldorf, 1996.<br />

204. Houtgast T, 1980: Indoor speech intelligibility and indoor noise level criteria. In: Tobias JV, Jansen<br />

G, Ward WD (eds): Noise as a Public Health Problem. ASHA Report 10. Rockville Maryland. pp<br />

172-183.<br />

205. Hume KI, Thomas C, 1993: Sleep disturbance due to aircraft noise at a rapidly expanding airport<br />

(Manchester Airport). In: Vallet M (ed): Noise & Man ’93. Bron: INRETS. 2:563-566.<br />

206. Humes LE, Christopherson L, 1991: Speech identification difficulties of hearing-impaired elderly<br />

persons: The contribution of auditory processing deficits. J Speech Hear Res 34:686-693.<br />

207. Hunter-Duvar IM, 1984: Ultrastructure of the normal, drug damaged and sound damaged cochlea.<br />

Ear Res Jpn 15:1-4.<br />

208. Hygge S, 1992: Vergleichende Untersuchungen über Wirkungen von Flug-, Straßenverkehrs- und<br />

Schienenlärm auf das Langzeitgedächtnis und das Erinnern von Texten bei 12 – 14jährigen Schülern.<br />

WaBoLu-Hefte 88:415-427.<br />

209. Hygge S, 1993: Classroom experiments on the effects of aircraft traffic, train, and verbal noise on<br />

long-term recall and recognition in children aged 12-14 years, including a follow-up on aircraft noise<br />

presented at lower dBA-levels. In: Schick A (ed): Contributions to psychological acoustics. Results<br />

of the 6 th Oldenburg symposium on psychological acoustics. Oldenburg. pp 627-641.<br />

210. Hygge S, Evans GW, Bullinger M, 1996: The Munich Airport noise study: Cognitive effects on<br />

children from before to after the change over of airports. In: Hill FA, Lawrence R (eds): Inter-noise<br />

96. St.Albans, UK: Institute of Acoustics. 5:2189-2194.<br />

211. Idzior-Walus B, 1987: Coronary risk factors in men occupationally exposed to vibration and noise.<br />

Eur Heart J 8:1040-1044.<br />

212. Ifaplan Ges angew Sozialforschung u Planung GmbH, Köln Umfrage 1989: In: Ellinghaus (Hrsg):<br />

Lärm auf den Straßen. Uniroyal-Engelbert Reifen GmbH.<br />

213. Irmer VKP, 2002: Die EG-Richtlinie zur Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm. ZfL<br />

49:176-181.<br />

214. Isermann U, 2000: Zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Flugbetriebsrichtungen auf Flughäfen<br />

bei der Beurteilung von Fluglärm. Hamann-Consult AG, 9. Konferenz Verkehrslärm, Tagungsunterlagen<br />

9 Seiten, unnummeriert.<br />

215. Isermann U, Schmid R, Kowalski T, 2000: Lärmphysikalisches <strong>Gutachten</strong> für den <strong>Flughafen</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />

–Flugbetriebsfälle 2000 und 200X-. DLR-<strong>Gutachten</strong>, Göttingen.<br />

216. Ising H, 1981: Wechselwirkung zwischen Lärmstress und Magnesiumstoffwechsel. Magnesium-<br />

Bulletin 1:65-69<br />

217. Ising H, 1983: Stressreaktionen und Gesundheitsrisiko bei Verkehrslärmbelastung. WaBoLu-Hefte 1-<br />

46.<br />

218. Ising H, 1996: Persönliche Mitteilung.<br />

219. Ising H, 1999: Stressreaktionen und Krankheitsrisiken aufgrund von chronischer Verkehrslärmbelastung.<br />

8. Konferenz ‚Verkehrslärm’, Hamann-Consult.<br />

220. Ising H, Babisch W, Kruppa B, 1998: Lärm und menschliche Gesundheit. Z Umweltmedizin 6:317-<br />

319.<br />

221. Ising H, Babisch W, Kruppa B, Lindthammer A, Wiens D, 1995: Chronischer Arbeitslärm – Ein<br />

wesentlicher Risikofaktor für Herzinfarkt. Bundesgesundheitsblatt 4:127-130.


211<br />

Literaturverzeichnis 211<br />

222. Ising H, Braun C, 2000: Acute and chronic effects of noise: Review of the research conducted at the<br />

Institute for Water, Soil and Air Hygiene. Noise & Health 7:7-24.<br />

223. Ising H, Curio I, Otten H, Rebentisch E, Schulte W, Babisch W, 1991: Gesundheitliche Wirkungen<br />

des Tieffluglärms – Hauptstudie. Umweltbundesamt Berlin.<br />

224. Ising H, Dienel D, Günther T, Markert B, 1980: Health effects of traffic noise. Int Arch Occup Environ<br />

Health 47:179-190.<br />

225. Ising H, Ising M, 2001a: Int Symp on Noise Pollution & Health. April 6-8 2001, Cambridge, UK.<br />

Programme & Abstract Book. P 39.<br />

226. Ising H, Ising M, 2001b: Stressreaktionen von Kindern durch LKW-Lärm. Umweltmedizinischer<br />

Informationsdienst 1:12-14.<br />

227. Ising H, Kruppa B, 2001: Analyse der Lärmwirkungsforschung während der vergangenen 25 Jahre<br />

bezogen auf die Nachtflugproblematik. In: Bartels KH, Ising H (Hrsg): Nachtfluglärmproblematik.<br />

Berlin: Eigenverlag Verein WaBoLu, Heft 111. pp 44-55.<br />

228. Ising H, Merker H-J, Günther T, Gelderblom H, Özel M, 1979: Increase of collagen in the rat heart<br />

induced by noise. Environment International 2:95-105.<br />

229. Ising H, Pleines F, Meis M, 1999: Beeinflussung der Lebensqualität von Kindern durch militärischen<br />

Fluglärm. WaBoLu-Hefte 5.<br />

230. Iwamoto M, Dodo H, Ishii F, Yoneda J, Yamazaki S, Goto H, 1988: The Plasma Cyclic-AMP response<br />

to noise in humans and Rats-Short-Term exposure to various noise levels. J Sound Vib<br />

127(3):431-439.<br />

231. Jansen G, 1967: Zur nervösen Belastung durch Lärm. Darmstadt: Steinkopf.<br />

232. Jansen G, 1970a: Beeinflussung des natürlichen Nachtschlafes durch Geräusche. Forschungsberichte<br />

des Landes NRW. Westdeutscher Verlag: Köln und Opladen.<br />

233. Jansen G, 1970b: Relation between temporary threshold shift and peripheral circulatory effects of<br />

noise. In: BL and AS Welch (eds): Physiological Effects of Noise, Plenum Press, New York. Pp 67-<br />

74.<br />

234. Jansen G, 1973: Grenz- und Richtwerte in der Lärmbekämpfung und ihr psycho-physiologischer<br />

Aussagewert. Kampf dem Lärm 3:71-78.<br />

235. Jansen G, Hoffmann H, 1971: Einfluss der Bedeutungsgehalte von Geräuschen und der Persönlichkeitsdimension<br />

auf lärmbedingte psychosomatische Reaktionen. XVIIe Congr. Int Psych Appl<br />

2 :1781-1786.<br />

236. Jansen G, Költzsch P 2003: Persönliche Mitteilung.<br />

237. Jansen G, Linnemeier A, Nitzsche M, 1995: Methodenkritische Überlegungen und Empfehlungen<br />

zur Bewertung von Nachtfluglärm. Z Lärmbekämpfung 42:91-106.<br />

238. Jansen G, Notbohm G, Schwarze S, 1999: Gesundheitsbeeinträchtigungen durch umweltbedingten<br />

Lärm. In Umwelt und Gesundheit, Rat der Sachverständigen für Umweltfragen (Hrsg) Metzler-<br />

Poeschel, Stuttgart. pp 249-343.<br />

239. Jansen G, Schwarze S, Notbohm G, 1996: Lärmbedingte Gesundheitsbeeinträchtigungen unter besonderer<br />

Berücksichtigung der physiologischen Lärmempfindlichkeit. Z Lärmbekämpfung 43:31-40.<br />

240. Jenkins L, Tarnopolsky A, Hand D, 1981: Psychiatric admissions and aircraft noise from London<br />

Airport: four-year, three-hospitals’ study. Psychol Med 11:765-782.<br />

241. Jenkins L, Tarnopolsky A, Hand DJ, Barker SM, 1979: Comparison of three studies of aircraft noise<br />

and psychiatric hospital admissions conducted in the same area. Psychol Med 9:681-693.<br />

242. Job RFS, 1988: Community response to noise: A review of factors influencing the relationship between<br />

noise exposure and reaction. J Acoust Soc Am, 83:991-1001.<br />

243. Job RFS, 1996: The influence of subjective reactions to noise on health effects of the noise. Environment<br />

International 22:93-104.<br />

244. Job RFS, Hatfield J, Peploe P, Carter NL, Taylor R, Morrell S, 1998: Negative attitudes to noise<br />

exposure have a pure modifying effect on noise reaction. In: Carter N, Job RFS (eds): Noise Effects<br />

’98. Sydney: Noise Effects ’98 Pty. 2:631-634.<br />

245. Johns MW, Doré C, 1978: Sleep at home and in the sleep laboratory: Disturbance by recording procedures.<br />

Ergonomics 21:325-330.<br />

246. Johnson LC, Townsend RE, Wilson MR, 1975: Habituation during sleeping and waking. Psychophysiology<br />

12:574-584.


212<br />

Literaturverzeichnis 212<br />

247. Jurriëns A, 1980: Sleeping twenty nights with traffic noise: Results of laboratory experiments. In:<br />

Tobias JV, Jansen G, Ward WD (eds): Noise as a Public Health Problem. ASHA Report 10. Rockville<br />

Maryland. pp 413-424.<br />

248. Jurriëns AA, Griefahn B, Kumar A, Vallet M, Wilkinson RT, 1983: An essay in European research<br />

collaboration: common results from the project on traffic noise and sleep in the home. In: Rossi G<br />

(ed): Noise as a Public Health Problem. Milano: Edizioni Tecniche a cura del Centro Ricerche e Studi<br />

Amplifon. pp 929-937.<br />

249. Kahn A, 2002: Noise exposure from various sources – sleep disturbance dose-effect relationships on<br />

children. WHO Technical Meeting on Exposure-response Relationships of Noise on Health. Paper<br />

5038933-2002/7.<br />

250. Kastka J, 1999a: Analyse und Bewertung von vorliegenden Beschwerdedateien zu Flugbewegungen<br />

am <strong>Flughafen</strong> <strong>Frankfurt</strong> im Hinblick auf die Abhängigkeit vom Überflugpegel und anderen Bedingungen.<br />

<strong>Gutachten</strong> im Auftrag der Mediationsgruppe <strong>Flughafen</strong> <strong>Frankfurt</strong>/<strong>Main</strong>. (Internetdokument:<br />

http://www. mediation-flughafen.de/gutachte/oe4_g/gutacht.pdf).<br />

251. Kastka J, 1999b: Untersuchung der Fluglärmbelastungs- und Belästigungssituation der Allgemeinbevölkerung<br />

der Umgebung des <strong>Flughafen</strong> <strong>Frankfurt</strong>. <strong>Gutachten</strong> im Auftrag der Mediationsgruppe<br />

<strong>Flughafen</strong> <strong>Frankfurt</strong>/<strong>Main</strong>. (Internetdokument: http://www.mediationflughafen.de/gutachte/oe4_g2/belaest.pdf).<br />

252. Kastka J, Buchta E, Ritterstaedt U, Paulsen R, Mau U, 1995: The long term effect of noise protection<br />

barriers on the annoyance response of residents. J Sound Vib 184:823-852.<br />

253. Kastka J, Faust M, Weber K, Losberg S, Borsch-Galetke EN, Kühn-Velten WN, Krauth J, 1999:<br />

Cortisolausscheidung als Nachweis einer tressreaktion von Anwohnern eines Großflughafens. In:<br />

Rettenmeier AW, Feldhaus C (Hrsg) Verh Dt Ges Arbeitsmed Fulda: Rindt. 37:655-657.<br />

254. Kastka J, Muth T, Mau U, Faust M, Linnemeier A, Borsch-Galetke E, 1998: Einzelereignisorientierte<br />

Analyse der Belästigungsreaktion von Anwohnern eines Großflughafens. In: Hallier E, Bünger J<br />

(Hrsg), Gesundheitsgefahren durch biologische Arbeitsstoffe, Neuro-, Psycho- und Verhaltenstoxizität.<br />

Verh Dt Ges Arbeitsmed Fulda: Rindt. 38:767-769.<br />

255. Kastka J, Paulsen R, 1991: Felduntersuchung zur Wirkung von Lärm und Erschütterung für verschiedene<br />

Quellen. In: Deutsche Physikalische Gesellschaft: Fortschritte der Akustik-DAGA ’91.<br />

Bad Honnef: DPG GmbH. pp 441-444.<br />

256. Kawada T, Suzuki S, Aoki S, Ogawa M, 1993: Relationship between subjective sleep rating and<br />

objective sleep parameters: A case study. Environmental Research 60:136-144.<br />

257. Keefe FB, Johnson LC, Hunter EJ, 1971: EEG and autonomic response pattern during waking and<br />

sleep stages. Psychophysiology 8:198-212.<br />

258. Keidel WD, Spreng M, 1976: Neuro-elektorphysiologische Lärmbewertung. Forschungsbericht<br />

BMI/ UB II 5-520-01. (Technische Inf. Biblio. AC 2890, Hannover). Inst. Physiologie, Uni Erlangen.<br />

259. Kerry G, Lomax C, Wheeler PD, James DJ, 1998: The aural response to noise from low flying military<br />

fast jet aircraft. In Noise Effects ´98 (Carter N, Job R. F. S. eds.) Proceedings of the 7 th International<br />

Congress on Noise as a Public Health Problem, Sydney. 2:619-622.<br />

260. Khachaturian H, Lewis ME, Tsou K, Watson S.J, 1995: Beta-endorphin, Alpha-MSH, ACTH, and<br />

released peptites. In: Björklund A, Hökfelt T (eds): Handbook of Chemical Neuroanatomy. Elsevier,<br />

Amsterdam, 4:216-272.<br />

261. Klein G, 2001: Lärmwirkungen: Gesundheitsbeeinträchtigungen und Belästigungen. Z Lärmbekämpfung<br />

48(4):119-121.<br />

262. Kleitman N, 1963: Sleep and wakefulness. Chicago, University of Chicago Press.<br />

263. Kleitman N, 1982: Basic-rest-activuty cycle – 22 years later. Sleep 5:311-317.<br />

264. Knab B, Engel RR, 1988: Perception of waking and sleeping: possible implications for the evaluation<br />

of insomnia. Sleep 11:265-272.<br />

265. Knauth P, Rutenfranz J, 1975: The effects of noise on the sleep of nightworkers. In: Colquhoun P,<br />

Folkard S, Knauth P, Rutenfranz J (eds): Experimental studies of shiftwork. Westdeutscher Verlag<br />

Opladen. pp 57-65.<br />

266. Knipschild P, 1977a: V. Medical effects of aircraft noise: community cardiovascular survey. Int<br />

Arch Occup Environ Health 40:185-190.<br />

267. Knipschild P, 1977b: VI. Medical effects of aircraft noise: general practice survey. Int Arch Occup<br />

Environ Health 40:191-196.


213<br />

Literaturverzeichnis 213<br />

268. Knipschild P, 1980: Aircraft noise and hypertension. In: Tobias JV, Jansen G, Ward WD (eds):<br />

Noise as a Public Health Problem. ASHA Report 10. Rockville Maryland. pp 283-287.<br />

269. Knipschild P, Oudshoorn N, 1977: VII. Medical effects of aircraft noise: drug survey. Int Arch Occup<br />

Environ Health 40:197-200.<br />

270. Knipschild P, Sallé H, 1979: Road traffic noise and cardiovascular disease. A population study in the<br />

Netherlands. Int Arch Occup Environ Health 44:55-59.<br />

271. Knothe M., Misterek M, Meyer G, Thümmler D, Scheuch K, 1988: Beanspruchungsunterschiede<br />

zwischen Berufsschul- und POS-Lehrern in der Unterrichtstätigkeit. Z gesamte Hyg 34(11):644-645.<br />

272. Koch K, 1999: Annäherung an die Wirklichkeit. Deutsches Ärzteblatt 96:C1949-C1951.<br />

273. Kramer M, Roth T, Trinder J, Cohen A, 1971: Noise disturbance and sleep. The relationship of noise<br />

disturbed sleep to post-sleep behavior: An exploratory study. FAA Report No. FAA-NO-70-16.<br />

Washington: FAA.<br />

274. Kristensen TS, 1989: Cardiovascular diseases and the work environment. Scand J Work Environ<br />

Health 15:165-179.<br />

275. Kristensen TS, 1998: Physical and chemical CVD risk factors at work. Work environment and cardiovascular<br />

diseases, 2. International Conference, March 22-25, Tel Aviv.<br />

276. Kryter KD, 1982: Rebuttal by Karl D. Kryter to Comments by T.J. Schultz. J Acoust Soc Am<br />

72:1253-1257.<br />

277. Kryter KD, 1990: Aircraft noise and social factors in psychiatric hospital admission rates: a reexamination<br />

of some data. Psychol Med 20:395-411.<br />

278. Kurra S, Morimoto M, Maekawa ZI, 1999: Transportation noise annoyance – a simulatedenvironment<br />

study for road, railway and aircraft noises. Part 2: Acitivity disturbance and combined<br />

results. J Sound Vib 220:279-295.<br />

279. LaBar KS, Gatanby JC, Gore JC, LeDoux JE, Phelps EA, 1998: Human amygdala activation during<br />

conditioned fear acquisition and extinction: A mixed-trial fMRI study. Neuron 20 :937-945.<br />

280. Labiale G, Vallet M, 1981 : Étude comparative du sommeil perturbé par le bruit en laboratoire et a<br />

domicile – analyse physiologique et psychologique – Les effets d’une exposition au bruit à long<br />

terme sur le sommeil et sur le performance. IRNS-CERNE. AER IV.2(7917).<br />

281. Lambert J, Simonnet F, Vallet M, 1984: Patterns of behaviour in dwellings exposed to road traffic<br />

noise. J Sound Vib 92:159-172.<br />

282. Lang F, 1990: Pathophysiologie. Pathobiochemie. Enke-Verlag, Stuttgart.<br />

283. Lang T, Fouriaud C, Jaquinet-Salord MC, 1992: Length of occupational noise exposure and blood<br />

pressure. Int Arch Occup Environmental Health 63:369-372.<br />

284. Langdon FJ, Buller IB, 1977: Road traffic noise and disturbance to sleep. J Sound Vib 50:13-28.<br />

285. Langdon LE, Gabriel JF, Coreman LR, 1974: Judged acceptability of noise exposure during TV<br />

viewing. J Sound Vib 9:263-275.<br />

286. Langford GW, Meddis R, Pearson AJD, 1974: Awakening latency from sleep for meaningful and<br />

non-meaningful stimuli. Psychophysiology 11:1-5.<br />

287. Lazarus H, 1986a: A model of speech communication and its evaluation under disturbing conditions.<br />

In: Schick A, Höge H, Lazarus-<strong>Main</strong>ka G (eds) Contributions to Psychological Acoustics. BIS,<br />

Oldenburg.<br />

288. Lazarus H, 1990: New techniques for describing and assessing speech communication under conditions<br />

of interference. In: Berglund B, Berglund U, Karlsson J, Lindvall T (eds): New Advances in<br />

Noise Research. Stockholm: Swedish Council for Building Research. pp 197-226.<br />

289. Lazarus H, 1993: Recognition of danger signals and speech communication – State of standardisation.<br />

In: Vallet M (ed) Noise & Man ´93-Noise as a Public Health Problem. INRETS, Nice. pp185-<br />

222.<br />

290. Lazarus H, Lazarus-<strong>Main</strong>ka G, 1979: Sprachverständlichkeit und Mithörschwellen verrauschter<br />

Sätze unterschiedlichen Materials. Acustica 42:281-294.<br />

291. Lazarus RS, 1966: Psychological Stress and the coping process. New York: Mc Graw-Hill.<br />

292. LeDoux JE, 1990: Information flow from sensation to emotion: Plasticity in the neural computation<br />

of stimulus value. In: Learning and Computational Neuroscience: Functions of Adaptive Networks.<br />

Gabriel M, Moore J (eds) MIT-Press, Cambride. pp 2-51.<br />

293. LeDoux JE, 1995: Emotion: Clues from the brain. Ann Rev Psychol 46:209-235.


214<br />

Literaturverzeichnis 214<br />

294. Lennartz RC, Weinberger NM, 1992: Frequency-specific receptive field plasticity in the medial<br />

geniculate body induced by Pavlovian fear conditioning is expressed in the anesthesized brain. Behav<br />

Neurosci 106:484-497.<br />

295. Leonard S, Borsky PN, 1973: A causal model for relating noise exposure, psychosocial variables and<br />

aircraft noise annoyance. In: Ward WD (ed): Noise as a Public Health Problem. Washington (DC)<br />

20460: EPA 550/9-73-008. pp 691-706.<br />

296. Lercher P, 1995: Distinguishing effect modifiers of psychological morbidity associated with traffic<br />

noise exposure and reaction. J Acoust Soc Am 83:991-1000.<br />

297. Lercher P, 1998: Medizinisch-hygienische Grundlagen der Lärmbeurteilung. In: Kalivoda MT, Steiner<br />

JW (Hrsg), Taschenbuch der Angewandten Psychoakustik: 42-101, Wien/New York: Springer.<br />

298. Lercher P, Kofler W, 1993: Adaptive behavior of road traffic noise: blood pressure and cholesterol.<br />

In: Vallet M (ed): Noise & Man ‘93. Bron: INRETS. 2:465-468.<br />

299.Lercher P, Schmitzberger R, Kofler W, 1996: Road traffic noise, self medication, and prescriptions:<br />

a community study. In: Institute of Acoustics, St Albans (ed): Noise Control –<br />

The Next 25 Years. Proceedings of the inter noise ‘96. Liverpool, UK, 1996 July 29 – Aug 2.<br />

4:2171-2176.<br />

300. Lerner AB, Case JD, Tabahaski Y, Lee Y, Mori W, 1958: Isolation of melatonin, the pineal gland<br />

factor that lightens melanocytes. J Am Chem Soc 80:2587-2592<br />

301. LeVere TE, Bartus RT, Hart FD, 1972: Electroencephalographic and behavioral effects of nocturnally<br />

occurring jet aircraft sounds. Aerospace Med 43:384-389.<br />

302. LeVere TE, Bartus RT, Morlock GW, Hart FD, 1973: Arousal from sleep: responsiveness to different<br />

auditory frequencies equated for loudness. Psychophysiology and Behavior 10:53-57.<br />

303. LeVere TE, Davis N, Mills J, Berger EH, 1976: Arousal from sleep: The effects of the cognitive<br />

value of auditory stimuli. Physiological Psychology 4:376-382.<br />

304. LeVere TE, Morlock GW, Hart FD, 1975: Waking performance decrements following minimal sleep<br />

disruption: the effects of habituation during sleep. Physiological Psychology 3:147-154.<br />

305. LeVere TE, Morlock GW, Thomas LP, Hart FD, 1974: Arousal from sleep: the differential effect of<br />

frequencies equated for loudness. Psychophysiology and Behavior 12:573-582.<br />

306. Livingstone RB, 1978: Sensory processing, perception and behavior. New York: Raven Press.<br />

307. Ludlow JE, Morgan PA, 1972: Behavioural awakening and subjective reactions to indoor sonic<br />

booms. J Sound Vib 25:479-495.<br />

308. Lundberg U, Frankenhauser M, 1979: Psychophysiological reactions to noise as modified by personal<br />

control over noise intensity. Biol Psychol 6:51-60.<br />

309. Lukas JS, 1975a: Noise and sleep: a literature review and a proposed criterion for assessing effect. J<br />

Acoust Soc Am 58:1232-1242.<br />

310. Lukas JS, 1975b: Measures of noise level: Their relative accuracy in predicting objective and subjective<br />

responses during sleep. EPA-600/1-77-010.<br />

311. Lukas JS, 1977: Effects on sleep of noise from two proposed STOL aircraft. NASA Rep, CR<br />

132564.<br />

312. Lukas JS, Dobbs ME, 1972: Effects of aircraft noise on the sleep of women. NASA Rep, CR 2041.<br />

313. Lukas JS, Dobbs ME, Kryter KD, 1971: Disturbance of human sleep by subsonic jet aircraft noise<br />

and simulated sonic booms. NASA Rep, CR 1780.<br />

314. Lukas JS, Kryter KD, 1968: A preliminary study of the awakening and startle effects of simulated<br />

sonic booms. NASA Rep, CR 1193.<br />

315. Lukas JS, Kryter KD, 1969: Awakening effects of simulated sonic booms and subsonic aircraft noise<br />

on six subjects, 7 to 72 years of age. NASA Rep, CR 1599.<br />

316. Lukas JS, Peeler DJ, Davis JE, 1975: Effects on sleep of noise from two proposed STOL aircraft.<br />

NASA Rep, CR 132564.<br />

317. Lukas JS, Peeler DJ, Dobbs ME, 1973: Arousal from sleep by noises from aircraft with and without<br />

acoustically treated nacelles. NASA Rep, CR 2279.<br />

318. Luong Na, Jonai H, Matsuda S, Villanuev MBG, Sotoyama M, Cong NT, Trinh LV, Hien Hm,<br />

Trong N, Sy N, 1996: Effects of earplugs on catecholamine and cortisol excretion in noise-exposed<br />

textile workers. Industrial Health 34(3):279-286.<br />

319. Malchaire IB, Mullier M, 1979: Occupational exposure to noise and hypertension : a retrospective<br />

study. Ann Occup Hyg 22:63-69.


215<br />

Literaturverzeichnis 215<br />

320. Manninen O, Aro S, 1979: Urinary catecholamines, blood pressure, serum cholesterol and blood<br />

glucose responses to industrial noise exposure. Proceedings of the Congress on Occupational Health.<br />

Zit. bei Maschke 2000.<br />

321. Maschke C, 1992: Der Einfluß von Nachtfluglärm auf den Schlafverlauf und die Katecholaminausscheidung.<br />

Inauguraldiss. TU Berlin.<br />

322. Maschke C, 1996: Lärmmedizinisches <strong>Gutachten</strong> für den <strong>Flughafen</strong> Hamburg.<br />

323. Maschke C, Arndt D, Ising H, Laude G, Thierfelder W, Contzens S, 1995: Nachtfluglärmwirkungen<br />

auf Anwohner. Schriftenreihe des Vereins für WaBoLu-Hygiene Bd 96. Stuttgart: Gustav Fischer<br />

Verlag.<br />

324. Maschke C, Druba M, Pleines F, 1997a: Beeinträchtigung des Schlafes durch Lärm – Kriterien für<br />

schädliche Umwelteinwirkungen. Umweltforschungsplan des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz<br />

und Reaktorsicherheit, Forschungsbericht 97-10501213/07. Umweltbundesamtes.<br />

325. Maschke C, Harder J, Hecht K, Balzer HU, 1998: Nocturnal noise and adaptation. In: Carter N, Job<br />

RFS (eds): Noise Effects ’98. Sydney: Noise Effects ’98 Pty. 2:433-438.<br />

326. Maschke C, Hecht K, 2001: Stresshormone und Schlafstörungen – elektrophysiologische und hormonelle<br />

Aspekte. In: Bartels KH, Ising H (Hrsg) Nachtfluglärmproblematik. WaBoLu-hefte, pp 91-<br />

97.<br />

327. Maschke C, Hecht K, Niemann H, Gottwald S, Bärndal S, 2000: Gutachterliche Stellungnahme zu<br />

den lärmmedizinischen <strong>Gutachten</strong> M8 und M9 ‚<strong>Ausbau</strong> <strong>Flughafen</strong> Schönefeld’.<br />

328. Maschke C, Hecht K, Wolf U, 2001: Nächtliches Erwachen durch Fluglärm – Beginnen Aufwachreaktionen<br />

bei Maximalpegeln von 60 Dezibel (A)? Bundesgesundheitsblatt 44(10):1001-1010.<br />

329. Maschke C, Ising H, Arndt D, 1995: Nächtlicher Verkehrslärm und Gesundheit: Ergebnisse von<br />

Labor- und Feldstudien. Bundesgesundheitsblatt 4:130-137.<br />

330. Maschke C, Ising H, Hecht K, 1997b: Schlaf – nächtlicher Verkehrslärm – Streß – Gesundheit:<br />

Grundlagen und aktuelle Forschungsergebnisse. <strong>Teil</strong> II: Aktuelle Forschungsergebnisse. Bundesgesundheitsblatt<br />

40:86-96.<br />

331. Maschke C, Wolf U, 2002: Umweltmed. Forsch. Prax 7(4): 214.<br />

332. Maschke Ch, Wolf U, Leitmann J, 2002: Epidemiologische Untersuchungen zum Einfluß von Lärmstress<br />

auf das Immunsystem und die Entstehung von Arteriosklerose. Bericht 298 62 515, Robert<br />

Koch Institut, FG 23/Umweltmedizin, Berlin.<br />

333. Masterton RB, 1996: Role of the mammalian forebrain in hearing. In: Syka J (ed) Acoustical Signal<br />

Processing in the Central Auditory System. New York-London: Plenum Press. pp 1-17.<br />

334. Mathur R, Douglas NJ, 1995: Frequency of EEG arousals from nocturnal sleep in normal subjects.<br />

Sleep 18:330-333.<br />

335. Matsui T, Matsuno T, Ashimine K, Hiramatsu K, Osada Y, Yamamoto T, 2001: Higher rate of lowbirth-weight<br />

and/or preterm infants observed around Kadena airfield in Okinawa. In: Proceedings of<br />

the 17 th International Congress on Acoustics, 2001, Sept. 2-7, Rom.<br />

336. Matthias S, 1961: Zur Frage der peripheren Durchblutung unter Lärmeinwirkung bei Kindern. Dissertation,<br />

Würzburg.<br />

337. Maue JH, 1988: Impulslärm an Arbeitsplätzen – der energetische Dauerschallpegel als Beurteilungskriterium<br />

für das Hörschadensrisiko. BIA-Report 3/88.Berufsgenossenschaftl. Institut für Arbeitsschutz<br />

St. Agustin.<br />

338. McEwen BS, 1998: Stress, Adaptation, and Disease. Ann N Y Acad Sci 840:33-44.<br />

339. McIntyre DA, 1980: Indoor Climate. London: Applied Science.<br />

340. McKennell AC, 1963a: Aircraft noise annoyance around Heathrow Airport. London: Her Majesty’s<br />

Stationary Office.<br />

341. McKennell AC, 1963b: Aircraft noise annoyance around London (Heathrow) Airport, S. S. 337.<br />

Central Office of Information.<br />

342. McLean EK, Tarnopolsky A, 1977: Noise, discomfort and mental health. A review of the sociomedical<br />

implications of disturbance by noise. Psychol Med 9:19-42.<br />

343. Mechelke K, 1959: Form und Bedeutung der labilen Blutdruckregelung. Cardiologia 35:348-356.<br />

344. Medick HE2000 Herzinfarkt durch Arbeits- und Verkehrslärm. ErgoMed 6:234-240.<br />

345. Medin DL, Ross BH, 1992: Cognitive psychology. Fort Worth: Harcourt Brace Jovanovich College.<br />

346. Meecham WC, Smith HG, 1977: Effects of jet aircraft noise on mental hospital admissions. Br J<br />

Audiol 11:81-85.


216<br />

Literaturverzeichnis 216<br />

347. Meier HP, Müller R, 1975: Tablettenkonsum als Reaktion auf Lärm. Soz Präventivmed 20:57-63.<br />

348. Meis M, 1998: Zur Wirkung von Lärm auf das Gedächtnis. Explizite und implizite Erinnerungsleistungen<br />

fluglärmexponierter Kinder im Rahmen einer medizinpsychologischen Längsschnittstudie.<br />

Hamburg: Kovac.<br />

349. Melamed S, Bruhis S, 1966: The effects of chronic industrial noise exposure on urinary cortisol,<br />

fatigue, and irritability. J. Occup. Environ. Med. 38 :252-256.<br />

350. Metz B, Muzet A, 1976 : Effets propres et interaction de l’elévation du niveau sonore et de la température<br />

ambiante sur le sommeil. In : Comité Bruits et Vibrations : Bruit et Sommeil. Ministère de la<br />

Culture et de l’environnement. Collection Recherche Environnement No 3. pp 81-160.<br />

351. Miedema HME, 1993a: Geliudmaten voor vliegverkeer. NIPG-TNO (Rapport C019), Leiden.<br />

352. Miedema HME, 1993b: Response functions for environmental noise in residential areas. (TNOrapport<br />

92.021). Leiden: TNO.<br />

353. Miedema HME, 1998: Revised DNL-annoyance curves for transportation noise. In: Carter N, Job<br />

RFS (eds): Noise Effects ’98. Sydney: Noise Effects ’98 Pty. 2:491-496.<br />

354. Miedema HME, Vos H, 1998: Exposure-response relationships for transportation noise. J Acoust Soc<br />

Am 104:3432-3445.<br />

355. Miedema HME, Vos H, 1999: Demographic and attitudinal factors that modify annoyance from<br />

transportation noise. J Acoust Soc Am 105:3336-3344.<br />

356. Miki K, Kawamorita K, Araga Y, Musha T, Sudo A, 1998: Urinary and salivary stress hormone<br />

levels while performing arithmetic calculation in a noisy environment. Ind Health 36:66-69.<br />

357. Miyakita T, Matsui T, Ito A, Tokuyama T, Taira K, Hiramatsu K, Osada Y, Yamamoto T, 1998:<br />

General health questionnaire survey around Kadena U.S. airfield in the Ryukyus – an analysis of the<br />

12 scale scores – In: Carter N, Job RFS (eds): Noise Effects ’98. 7 th International Congress on Noise<br />

as a Public Health Problem. Sydney, Australia, Nov 22-26, 1998. Noise Effects ’98 Pty: Sydney, Vol<br />

2, pp 608-612.<br />

358. Moehler U, Liepert M, Schuemer R, Griefahn B, 2000a: Differences between railway and road traffic<br />

noise. J Sound Vib 853-864.<br />

359. Möhler U, Liepert M, Schuemer R, Schuemer-Kohrs A, Schreckenberg D, Mehnert P, Griefahn B,<br />

2000b: Vergleichende Untersuchung über die Lärmwirkung bei Straßen- und Schienenverkehr. Z<br />

Lärmbekämpfung 47:144–151.<br />

360. Morell S, Taylor R, Lyle D, 1997: A review of health effects of aircraft noise. Aust NZ J Public<br />

Health 21:221-236.<br />

361. Morgan MA, Romanski LM, LeDoux JE, 1995: Extinction of emotional learning: Contribution of<br />

medial frontal cortex. Neurosciences Letters 163:109-113.<br />

362. Morgan PA, Rice CG, 1970: Behavioral awakening in response to indoor sonic booms. Institute of<br />

Sound and Vibration Research, University of Southampton, Technical Report No 41.<br />

363. Müller RJ, 1993: ‚Ich höre – nicht alles’. Dissertation, TU Berlin.<br />

364. Müller-Limmroth W, 1976: Experimentelle Untersuchungen über die Auswirkungen von Verkehrslärm<br />

auf die Schlafstadienmuster älterer Menschen. Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung<br />

und Umweltfragen 8680-IV/4a-22814.<br />

365. Müller-Limmroth W, Ehrenstein W, 1974: Experimentelle Untersuchungen über die Auswirkungen<br />

permanenten Straßenlärms auf die Schlaftiefenkurve gesunder Menschen. Lehrstuhl und Institut für<br />

Arbeitsphysiologie der Technischen Universität München.<br />

366. Muzet A, 1983: Research on noise-disturbed sleep since 1978. In: Rossi G (ed): Noise as a Public<br />

Health Problem. Milano: Edizioni Tecniche a cura del Centro Ricerche e Studi Amplifon. pp 883-<br />

893.<br />

367. Muzet A, 2001: The need for a specific noise measurement for population exposed to airplane noises<br />

during night time. Noise & Health 4:61-64.<br />

368. Muzet A, Ehrhart J, Eschenlauer R, Lienhard JP, 1980 : Modifications vegetatives entrainees par le<br />

bruit au cours du sommeil. Ministère de l’Environnement et du Cadre de Vie, Comité Bruit et Vibration.<br />

Convention no 76.22.<br />

369. Muzet A, Griefahn B, 1983: Proposals for further research on noise-induced sleep disturbances. In:<br />

Rossi G (ed): Noise as a Public Health Problem. Milano: Edizioni Tecniche a cura del Centro Ricerche<br />

e Studi Amplifon. pp 1007-1011.


217<br />

Literaturverzeichnis 217<br />

370. Muzet A, Schieber JP, Olivier-Martin N, Ehrhart J, Metz B, 1973: Relationship between subjective<br />

and physiological assessments of noise-disturbed sleep. In: Ward WD (ed): Noise as a Public Health<br />

Problem. Washington (DC) 20460: EPA 550/9-73-008. pp 575-586.<br />

371. Muzet A, Weber LD, Amoros C, Ehrhart J, Libert JP, Tsakona C, 1983: Electrophysiological and<br />

cardiovascular responses to noise during sleep. Effects of a benzodiazepine hypnotic. In: Rossi G<br />

(ed): Noise as a Public Health Problem. Milano: Edizioni Tecniche a cura del Centro Ricerche e Studi<br />

Amplifon. pp 985-993.<br />

372. Muzet A, Weber LD, Di Nisi J, Ehrhart J, 1985 : Comparaison de la reactivite cardiovasculaire au<br />

bruit au cours de la veille et du sommeil. Centre d’etude bioclimatique du CNRS Strasbourg<br />

Convention No 82243.<br />

373. Muzet AG, Naitoh P, Johnson LC, Townsend RE, 1974: Body movements in sleep during 30-day<br />

exposure to tone pulse. Psychophysiology 11:27-34.<br />

374. Náb lek AK, 1988: Identification of vowels in quiet, noise, and reverberation: Relationships with<br />

age and hearing loss. J Acoust Soc Am 80:476-484.<br />

375. Neumann AC, Hochberg I, 1983: Children`s perception of speech in reverberation. J Acoust Soc Am<br />

73:2145-2149.<br />

376. Nicolas A, Bach V, Tassi P, Dewasmes G, Ehrhart J, Muzet A, Libert JP, 1993: Electroencephalogram<br />

and cardiovascular responses to noise during daytime sleep in shiftworkers. Eur J Appl Physiol<br />

66 :76-84.<br />

377. Nozza RJ, Rossman RN, Bond LC, Miller SL, 1990: Infant speech-sound discrimination in noise. J<br />

Acoust Soc Am 87:339-350.<br />

378. Ohkubo C, Miyazaki K, Osada Y, 1976: Response of finger pulse amplitude to intermittent noise.<br />

Bull Ins Publ Health (Tokyo) 25:1-8.<br />

379. Ockenfels M, 1995: Der Einfluss von chronischem Stress auf die Cortisolkonzentration im Speichel,<br />

Waxmann, Münster/New York.<br />

380. Öhrström E, 1989: Sleep disturbance, psycho-social and medical symptoms – a pilot survey among<br />

persons exposed to high levels of road traffic noise. J Sound Vib 133:117-128.<br />

381. Öhrström E, 1991: Psycho-social effects of traffic noise exposure. J Sound Vib 151:513-517.<br />

382. Öhrström E, 1993: Long-term effects in terms of psycho-social, wellbeing, annoyance and sleep<br />

disturbance in areas eaposed to high levels of road traffic noise. In: Vallet M (ed): Noise & Man ‘93.<br />

Bron: INRETS. 3:209-212.<br />

383. Öhrström E, 1995: Effects of low levels from road traffic noise during night: a laboratory study on<br />

number of events, maximum noise levels and noise sensitivity. J Sound Vib 179:603-615.<br />

384. Öhrström E, 1999: Sleep disturbances caused by road traffic noise. J Acoust Soc Am 105:1218.<br />

385. Öhrström E, 2001: Before and after studies on sleep – results and comparison of different methods.<br />

Int Symp on Noise Pollution & Health. April 6-8 2001, Cambridge, UK. Programme & Abstract<br />

Book, p 52.<br />

386. Öhrström E, Agge A, Björkman M, 1998: Sleep disturbances before and after reduction in road traffic<br />

noise. In: Carter N, Job RFS (eds): Noise Effects ’98. Sydney: Noise Effects ’98 Pty. 2:451–454.<br />

387. Öhrström E, Björkman M, 1983: Sleep disturbance before and after traffic noise attenuation in an<br />

apartment building. J Acoust Soc Am 73:877-879.<br />

388. Öhrström E, Björkman M, 1988: Effects of noise-disturbed sleep – a laboraory study on habituation<br />

and subjective noise sensitivity. J Sound Vib 122:277-290.<br />

389. Öhrström E, Rylander R, 1982: Sleep disturbance effects of traffic noise – a laboratory study on after<br />

effects. J Sound Vib 84:87-103.<br />

390. Öhrström E, Rylander R, 1990: Sleep disturbance by road traffic noise – a laboratory study on number<br />

of noise events. J Sound Vib 143:93-101.<br />

391. Oliva C, 1998: Belastungen der Bevölkerung durch Flug- und Straßenlärm. Eine Lärmstudie am<br />

Beispiel der Flughäfen Genf und Zürich. Berlin: Duncker & Humblot.<br />

392. Oliva C, Hüttenmoser C, 2000: Die Abhängigkeit der Schallbewertung vom Geräuschkontext. Z<br />

Lärmbekämpfung 47(2) :47-56.<br />

393. Olivier-Martin Schneider N, 1973 : Evaluation subjective du sommeil normal ou perturbé par le<br />

bruit. Relations avec certains indicateurs physiologiques et traits de personnalité. Thèse de doctorat<br />

de troisième cycle en Psychologie. Université Louis Pasteur – Strasbourgh.


218<br />

Literaturverzeichnis 218<br />

394.Ollerhead JB, Diamond I, 1993: Social surveys of night-time effects of aircraft noise. In:<br />

Vallet M (ed): Noise & Man ‘93. Bron: INRETS. 3:373-376.<br />

395.Ollerhead JB, Jones CJ, Cadoux RE, Woodley A, Atkinson B, Horne JA, Pankhurst F, Reyner<br />

L, Hume KI, Van F, Watson A, Diamond ID, Egger P, Holmes D, McKean J, 1992: Report<br />

of a field study of aircraft noise and sleep disturbance. London: The Department of<br />

Transport.<br />

396. Omura Y, Lee AY, Beckmann SL, Simon R, Lorberboym M, Duvvi H, Heller SI, Urich C, 1996:<br />

177 cardiovascular risk factors, classified in 10 categories, to be considered in the prevention of cardiovascular<br />

diseases: an update of the original 1982 article containing 96 risk factors. Acupunct Electrother<br />

Res 21:21-76.<br />

397. Ortscheid J, Wende H, 2000: Fluglärmwirkungen. Berlin: Umweltbundesamt.<br />

398. Ortscheid J, Wende H, 2001: Lärmwirkungen und Lärmsummation. Lärmwirkungen bei mehreren<br />

und verschiedenartigen Quellen. Z Lärmbekämpfung 48(2):75-77.<br />

399. Osada Y, Ogawa S, Ohkubo C, Miyazaki K, 1974: Experimental study on the sleep interference by<br />

train noise. Bull Inst Publ Health 23:171-177.<br />

400. Osada Y, Tsunashima S, Yoshida K, 1972: Effects of train and jet aircraft noise on sleep. Bull Inst<br />

Public Health (Tokyo) 21:133-138.<br />

401. Osada Y, Tsunashima S, Yoshida K, Asano M, Ogawa S, Hirokawa A, Nakamura K, Haruta K,<br />

1968: Experimental study on the influence of noise on sleep. Bull Inst Publ Health 17:208-217.<br />

402. Osada Y, Tsunashima S, Yoshida K, Asano M, Ogawa S, Hirokawa A, Nakamura K, Haruta K,<br />

1969: Sleep impairment caused by short term exposure to continuous and intermittent noise. Bull<br />

Inst Publ Health 18:1-9.<br />

403. Oswald I, Taylor AM, Treisman M, 1960: Discriminative responses to stimulation during human<br />

sleep. In: Brain 83:440-453.<br />

404. Page RA, 1977: Noise and helping behaviour. Environment and Behaviour 9:311-334.<br />

405. Papso CF, Blood IM, 1989: Word recognition skills of children and adults in background noise. Ear<br />

& Hearing 10:235-236.<br />

406. Passchier-Vermeer, W, 1989: Het gehoor van jongeren en blootstelling aan geluid. Leiden, NIPG-<br />

TNO (Rapport Nr. 89007).<br />

407. Passchier-Vermeer, W, 1991: Noise from toys and the hearing of children.Leiden, NIPG-TNO (Rapport<br />

Nr. 91032).<br />

408. Passchier-Vermeer W, 1993: (Health Council of the Netherlands), ‘Committee on Noise and Health.<br />

Noise and Health’, The Hague: Health Council of the Netherlands. Publication no A93/02E.<br />

409. Passchier-Vermeer W, Vos H, van Gils K, Miedema HME, de Roo F, Verhoef EJ, Middelkoop<br />

HAM 1999: Aircraft noise and sleep disturbance. Pilot study. TNO-Rapport Nr 98.040, RIVM Rapport<br />

Nr 441520013.<br />

410. Passchier-Vermeer W, Vos H, Steenbekkers JHM, van der Ploeg FD, Groothuis-Oudshoorn K, 2002:<br />

Sleep disturbance and aircraft noise exposure. Exposure-effect relationships. TNO-rapport 2002.027.<br />

ISBN-number 90-6743-894-4.<br />

411. Pearsons KS, 1998: Awakening and motility effects of aircraft noise. 7 th International Congress on<br />

noise as a Public Health Problem, noise effects ‘98. Sydney, Australia. pp 427-432.<br />

412. Pearsons KS, Barber DS, Tabachnick BG, 1989: Analyses of the predictability of noise-induced<br />

sleep disturbance. BBN Systems and Technologies Co, Canoga Park. HSD/YA-NSBIT, HSD-TR-<br />

89-029.<br />

413. Pearsons KS, Barber DS, Tabachnick BG, Fidell S, 1995: Predicting noise-induced sleep disturbance.<br />

J Acoust Soc Am 97:331-338.<br />

414. Pearsons KS, Bennett RL, Fidell S, 1977: Speech levels in various noise environments. Washington,<br />

DC: EPA – 600/1-77-025.<br />

415. Pearsons KS, Fidell S, Bennett RL, Friedmann J, Globus G, 1974: Effect of cessation of late-night<br />

landing noise on sleep electrophysiology in the home. NASA CR-132543, Contract No. NAS 1-<br />

12261.<br />

416. Peterson ME, Feeney MP, Yantis PA, 1990: The effect of automatic gain control in hearing-impaired<br />

listeners with different dynamic ranges. Ear Hear 11:185-194.<br />

417. Pickering TG, 1997: The effects of environmental and lifestyle factors on blood pressure and the<br />

intermediary role of the sympathetic nervous system. J Human Hypert 11:9-18.


219<br />

Literaturverzeichnis 219<br />

418. Pickering TG, Gerin W, 1990: Cardiovascular reactivity in the laboratory and the role of behavioral<br />

factors in hypertension: A critical review. Ann Behav Med 12:3-16.<br />

419. Plath P (Hrsg), 2000: Neue Techniken – neue Chancen. 10. Multidiziplinäres Kolloquium der Geers-<br />

Stiftung, Schriftenreihe Band 13, Geers-Stiftung, Essen Schulz 1997.<br />

420. Plomp R, Duquesnoy AJ, 1982: A model for speech reception threshold in noise without and with a<br />

hearing aid. In (Pederson O. J, Poulsen T, ed.) Binaural effects in normal and impaired hearing.<br />

Scand Audiol, Suppl 15:95-111.<br />

421. Porter ND, Flindell IH, Berry BF, 1998: Health effect-based noise assessment methods: a review and<br />

feasibility study. NPL Report CMAM 16.<br />

422. Porter ND, Kershaw AD, Ollerhead JB, 2000: Adverse effects of night-time aircraft noise. R&D<br />

Report 9964. Department of Operational Research and Analysis, National Air Traffic Services Ltd.<br />

423. Pulles MPJ, Biesiot W, Stewart R, 1990: Adverse effects of environmental noise on health: An interdisciplinary<br />

approach. Environment International 16:437-445.<br />

424. Quirk GJ, Repa JC, LeDoux JE, 1995: Fear conditioning enhances short-latency auditory responses<br />

of lateral amygdala neurons: Parallel recordings in the freely behaving rat. Neuron 15:1029-1039.<br />

425. Rai RM, Singh AP, Upadhyay TN, Patil SK. P, Nayar HS, 1981: Biochemical effects of chronic<br />

exposure to noise in man. Int Arch Occup Environ Health 48:331-337.<br />

426. Raschke F, 2001: Arousals bei Fluglärm – umweltbedingte Schlaf- und Gesundheitsstörungen aus<br />

schlafmedizinischer Sicht. In: Bartels KH, Ising H (Hrsg) Nachtfluglärmproblematik. WaBoLuhefte,<br />

pp 56-69.<br />

427. Raw GJ, Griffith ID, 1990: Subjective response to changes in road traffic noise: A model. J Sound<br />

Vib 141:43-54.<br />

428. Raw GJ; Griffith ID, 1985: The effect of changes in aircraft noise exposure. (Letter to the editor.) J<br />

Sound Vib 101(2):273-275.<br />

429. Rebentisch E, Lange-Aschenfeld H, Ising H, 1994: Gesundheitsgefahren durch Lärm. BGA-Schriften<br />

1:1-113.<br />

430. Rechtschaffen A, Kales A, 1968: A manual of standardized terminology, techniques and scoring<br />

system for sleep stages in human subjects. US Dept of Health, Education, and Welfare. Public<br />

Health Service – National Institutes of Health, National Institute of Neurological Diseases and<br />

Blindness, Neurological Information Network, Bethesda, Maryland 20014.<br />

431. Regecova V, Kellerova E, 1995: Effects of urban noise pollution on blood pressure and heart rate in<br />

preschool children. J Hypertens 13:405-412.<br />

432. Roffwarg HP, Muzio JN, Dement WC, 1966: Ontogenetic development of the human sleep-dream<br />

cycle. Science 152:604-619.<br />

433. Rogan MT, LeDoux JE, 1995: LTP is accompanied by commensurate enhancement of auditory-evoked<br />

responses in a fear conditioning circuit. Neuron 15:127-136.<br />

434. Rohmert W, Rutenfranz J, 1975: Arbeitswissenschaftliche Beurteilung der Belastung und Beanspruchung<br />

an unterschiedlichen industriellen Arbeitsplätzen. Bonn: Der Bundesminister für Arbeit und<br />

Sozialordnung.<br />

435. Rohrmann B, 1978: Empirische Studien zur Entwicklung von Antwortskalen für die sozialwissenschaftliche<br />

Forschung. Z Sozialpsychologie 9:222-245.<br />

436. Rohrmann B, 1984a: Psychologische Kriterien zur ‚Erheblichkeit’ von Belästigungen. In: Schick A,<br />

Walcher KP (Hrsg): Beiträge zur Bedeutungslehre des Schalls. Ergebnisse des 3. Oldenburger Symposions<br />

zur Psychologischen Akustik. Bern: Lang. pp 139-149.<br />

437. Rohrmann B, 1984b: Psychologische Forschung und umweltpolitische Entscheidungen: Das Beispiel<br />

Lärm. Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />

438. Rohrmann B, 1993: Die Setzung von Grenzwerten als Risiko-Management. In: Bayrische Rück<br />

(Hrsg): Risiko ist ein Konstrukt. Wahrnehmungen zur Risikowahrnehmung. München: Knesebeck.<br />

pp 294-313.<br />

439. Rövekamp AJM, 1983: Physiological effects of environmental noise on normal and more soundsensitive<br />

human beings. In : Noise as a Public Health Problem, Rossi G. ed, Edizione Tecniche<br />

(Amplifon). Milano. 1:605-614.<br />

440. Rosenlund M, Berglind N, Pershagen G, Järup L, Bluhm G 2001: Increased prevalence of hypertension<br />

in a pupulation exposed to aircraft noise. Occup Environ Med 58 :769-773.


220<br />

Literaturverzeichnis 220<br />

441. RSU (Rat von Sachverständigen für Umweltfragen), 1999: Umwelt und Gesundheit (Risiken richtig<br />

einschätzen). Sondergutachten, Geschäftsstelle, Wiesbaden.<br />

442. Rylander R, Björkman M, Åhrlin U, 1980: Aircraft noise annoyance contours: Importance of overflight<br />

frequency and noise level. J Sound Vib 69:583-595.<br />

443. Rylander R, Sörensen S, Berglund K, 1972: Sonic boom effects on sleep – a field experiment on<br />

military and civilian populations. J Sound Vib 24:41-50.<br />

444. Samra JS, Clark ML, Humphreys SM, MacDonald IA, Bannister PA, Frayn KN, 1998: Effects of<br />

physiological hypercorticosolemia on the regulation of lipolysis. In subcutaneous adipose tissue. J<br />

Clin Endocrinol Metab 83:626-631.<br />

445. Saper CB, Chou TC, Scammell TE, 2001: The sleep switch: Hypothalamic control of sleep and<br />

wakefulness. Trends in Neurosciences 24:726-731.<br />

446. Sapolsky RM, McEwen, 1997:Induced Modulation of Endocrine History: A Partial Review. Stress<br />

2(1):1-12.<br />

447. Sato H, Matsui K, Sakamoto H, 1980: Comparative studies on adrenocortical response to noise in<br />

men and rats. Japanese J Hyg 35(2):499-507.<br />

448. Schäffler A, Braun J, Renz U, 1993: Klinikleitfaden – Schwerpunkt Innere Medizin. 4. Aufl. Neckarsulm,<br />

Stuttgart: Jungjohann.<br />

449. Scharnberg T, Wühler K, Finke HO, Guski R, 1982: Beeinträchtigung des Nachtschlafs durch Lärm.<br />

Umweltbundesamt Berlin.<br />

450. Schaudinischky LH, Rosenhouse G, 1974: Noise level threshold for wakening and wake-up dependence<br />

on noise level. 8 th International Congress on Acoustics, London 1974.<br />

451. Schauenstein K et al., 2001: The role of the autonomic nervous system in the immune neuroendocrine<br />

dialogue. Mens sana in corpore sana and vice versa. Int J Hyg Environ Health 204:75–79.<br />

452. Scheuch K, 1997: Psychomentale Belastung und Beanspruchung im Wandel von Arbeitswelt und<br />

Umwelt. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 32:289-296.<br />

453. Scheuch K, 2000: Occupational factors and cardiovascular diseases. In: Jaross W, Hanefeld M,<br />

Bergmann S, Menschikowski M (Hrsg), Advances in Lipoprotein and Atherosclerosis Research, Diagnostics<br />

and Treatment: Proceedings of the 10 th International Dresden Lipid Symposium, held at<br />

Dresden, December 9 – 11, 1999. Selbstverlag der Technischen Universität Dresden. pp 248-253.<br />

454. Scheuch K, 2003: Arbeitsphysiologie. In: Triebig G, Kentner M, Schiele R (Hrsg): Arbeitsmedizin.<br />

Stuttgart: Gentner Verlag pp 561-626.<br />

455. Scheuch K, Jansen G, 2001: Gutachterliche Stellungnahme zu den gegenwärtigen wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung und den daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die<br />

Bewertung von Lärmimmissionen in der Nähe von Flughäfen. Bericht, Institut und Poliklinik für<br />

Arbeits- und Sozialmedizin, TU Dresden<br />

456. Scheuch K, Schreinicke G, 1983: Stress: Gedanken, Theorien, Probleme. Verlag Volk und Gesundheit,<br />

Berlin.<br />

457. Scheuch K, Schröder H, 1990: Mensch unter Belastung. Verlag d. Wissenschaften, Berlin.<br />

458. Schick A, 1992: Lärmforschung aus der Sicht der Psychologie. Z Lärmbekämpfung 39(4):113-117.<br />

459. Schick A, Klatte M, Meis M, 1999: Die Lärmbelastung von Lehrern und Schülern – ein Forschungsstandsbericht.<br />

Z Lärmbekämpfung 46(3) :77-87.<br />

460. Schieber JP, Méry J, Muzet A, 1968 : Ètude analytique en laboratoire de l’influence du bruit su le<br />

sommeil. Centre d’etude bioclimatique du CNRS Strasbourg Convention No 63 FR 138.<br />

461. Schmeck K, Poustka F, 1993: Psychophysiologische und psychiatrische Untersuchungen bei Kindern<br />

und Jugendlichen in einer Tiefflugregion. In: Ising H, Kruppa B (eds): Noise and disease. Wa-<br />

BoLu-Hefte. Stuttgart: Gustav Fischer. pp 288-306.<br />

462. Schönpflug W, 1987: Beanspruchung und Belastung bei derArbeit – Konzepte und Theorien. In:<br />

Rutenfranz J, Kleinbeck U (eds): Arbeitspsychologie, Enzyklopädie der Psychologie, Serie Wirtschafts-,<br />

Organisations- und Arbeitspsychologie. Göttingen: Hogrefe, 1:130-184.<br />

463. Schreckenberg D, Felscher-Suhr U, Lass J, 1999: Sozialwissenschaftliche Erhebung zur Lärmbelästigung<br />

in Baden-Württemberg. Bericht-Nr. 1010/53478/33-90003913. Karlsruhe: Landesanstalt für<br />

Umweltschutz Baden-Württemberg.<br />

464. Schreckenberg D, Schuemer R, Schuemer-Kohrs A, Griefahn B, Möhler U, 1998: Attitudes toward<br />

noise source as determinants of annoyance. In: Fastl H, Scheuren J (eds): Euro-noise 98 – Designing<br />

for silence: Proceedings, Oldenburg: Deutsche Gesellschaft für Akustik, 1:595-600.


221<br />

Literaturverzeichnis 221<br />

465. Schröder H, 1992: Emotionen – Persönlichkeit – Gesundheitsrisiko. Psychomed 4:81-85.<br />

466. Schubert C, 1998: Psychoneuroimmunologische Forschung im Kontext biochemischer Erkenntnisfortschritte<br />

und ihre paradigmatischen Grenzen. Z psychosom Med 44:1-20.<br />

467. Schulte W, Otten H, 1993: Ergebnisse einer Tieffluglärmstudie in der Bundesrepublik Deutschland:<br />

Extraaurale Langzeitwirkungen. WaBoLu-Hefte 88:322-338.<br />

468. Schultz THJ, 1978: The synthesis of social surveys on noise annoyance. J Acoust Soc Am 64:377-<br />

405.<br />

469. Schwartz AH, Goldman R, 1974: Variables influencing performance on speech-sound discrimination<br />

test. J Speech Hear Res 17:25-32.<br />

470. Schwarze S, 1996: Forschungen zur Wirkung von Lärmbelastungen am Arbeitsplatz und auf das<br />

Herz-Kreislaufsystem – Übersicht und Ausblick. In: Lärm am Arbeitsplatz und Herz-<br />

Kreislauferkrankungen. In: Bundesanstalt für Arbeitsmedizin. Schriftenreihe der Bundesanstalt für<br />

Arbeitsmedizin. Tagungsbericht 12. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW. pp 6-20.<br />

471. Scientific Expert Group der USA, 1994: A strategy for defining health, adverse effects.<br />

SEG/KEY/SC. Kommission der Europäischen Union (GDV).<br />

472. Seidel D, 1993: Risikofaktoren der Atherogenese, Mechanismen ihrer Wirkung und klinische<br />

Bewertung. Deutsches Ärzteblatt 36:2363-2371.<br />

473. Seidel HJ, 1996: Umweltmedizin. Thieme Verlag, Stuttgart/New York.<br />

474. Selye H. 1950: Stress. Montreal: Acta.<br />

475. Sherman B, Wysham C, Pfohl B, 1985: Age-related changes in the circadian rhythm of plasma cortisol<br />

in man. J Clin Endocrinol Metab 61:439-443.<br />

476. Siegmann S, Siegmund K, Notbohm G, Linnemeier A, Rheingans J, Seifer, M, Borsch-Galetke E,<br />

Brinkmann H, Kellersmann M, 2001: Stress durch hochenergetische physikalische Impuls-<br />

Belastung. Jahrestagung der DGAUM, Erlangen 133-135.<br />

477. Siervogel RM, Roche AF, 1982: Longitudinal study of hearing in children II: cross-sectional studies<br />

of noise exposure as measured by dosimetry. J Acoust Soc Am 71:372-377.<br />

478. Slob A, Wink A, Radder JJ, 1973: The effect of acute noise exposure on the excretion of corticosteroids,<br />

adrenalin and noradrenalin in man. Internationale Archive Arbeitsmedizin 31:225-235.<br />

479. Smith AP, Jones DM, 1992: Noise and performance. In: Jones DM, Smith AP (eds): Handbook of<br />

human performance. The physical environment. London: Harcourt Brace Jovanovich, 1:1-28.<br />

480. Smoorenburg GF, 1990: Hearing handicap assessment for speech perception using pure tone audiometry.<br />

In (Berglund B, Lindvall T, eds.) Noise as a Public Health Problem, New Advances in Noise<br />

Research, Part I;Swedish Council Building Research, Stockholm. pp 245-254.<br />

481. Solomon GF, 1993: Whith Psychoneuroimmunology? A New Era of Immunology , of Psychosomatic<br />

Medicine and of Neuroscience. Brain Rev 7:352-366.<br />

482. Spreng M, 1976: Grenzen der sensorischen Informationsverarbeitung des Menschen. Naturwiss<br />

Rundschau 29:377-386.<br />

483. Spreng M, 1980a: Gesundheitsschäden durch Verkehrslärm. In (Ev. Akademie, Hrsg.) Der Verkehrsnotstand,<br />

Protokolldienst 12/80, Bad Boll. pp 1-33.<br />

484. Spreng M, 1980b: Addition verschiedener Lärmeinflüsse. In (Berg M. Hrsg) Lärmschäden des Ohres.<br />

Thieme, Stuttgart. pp 71-76.<br />

485. Spreng M, 1980c: Influence of impulsive and fluctuating noise upon physiological excitations and<br />

short-time readaptation. Scand Audiology Suppl 12:299-306.<br />

486. Spreng M, 1984a: Risikofaktor Lärm - Physiologische Aspekte. Therapiewoche 34:3765-3772 und<br />

(von Eiff A. W. Hrsg.): Risikofaktoren der Umwelt Schattauer-Verlag, Stuttgart-New York.<br />

487. Spreng M, 1984b: Der Reizbegriff in der physiologischen Akustik und Audiometrie. In (Schick A,<br />

Walcher K. P, Hrsg) Bedeutungslehre des Schalls. Bern: P. Lang.<br />

488. Spreng M, 1985a: Noise effects on auditory and vegetative control systems in man. Proc. Inter-Noise<br />

´85, Federal Inst Occup Safety (ed): Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven. pp 969-972.<br />

489. Spreng M, 1988: Schallwirkungen und Lärmbeurteilung aus physiologischer Sicht. In: Fortschritte<br />

der Akustik – DAGA ´88, Bad Honnef: DPG-GmbH, pp 123-144.<br />

490. Spreng M, 1994a: Kriterien für schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärm: Beeinträchtigung der<br />

Kommunikation durch Lärm. Forschungsbericht 105 01213/06. Berlin: Umweltbundesamt.<br />

491. Spreng M, 1994b: Beeinträchtigung der Kommunikation durch Lärm. Forschungsbericht 105 01<br />

213/06, Umweltbundesamt, Berlin.


222<br />

Literaturverzeichnis 222<br />

492. Spreng M, 1994c: Gehörschadensrichtige Impulsbewertung - Schädigungskriterien für Impulsschalle.<br />

In (Dieroff HG, Hrsg): Lärmschwerhörigkeit. Jena: G Fischer.<br />

493. Spreng M, 1995: Assoziationsysteme. In: Schmidtke H (Hrsg): Handbuch der Ergonomie, Band 1,<br />

Carl Hanser, München, Kap. 2.4.2, pp 1-9.<br />

494. Spreng M, 1996: Gutachterliche Stellungnahme Verwaltungsrechtstreit <strong>Flughafen</strong> Hahn. (7 C<br />

11843/93.OVG Koblenz). Erlangen.<br />

495. Spreng M, 1997: Kritische Betrachtung des Schienenbonus anhand hörphysiologischer/medizinischer<br />

Fakten. Tagungsband: Fachseminar Schienenlärm, Institut für Ökologische Studien,<br />

München 19-29.<br />

496. Spreng M, 2000a: Central nervous system activation by noise. Noise & Health 7:49-571.<br />

497. Spreng M, 2000b: Possible health effects of noise induced cortisol increase. Noise & Health 7:59-<br />

631.<br />

498. Spreng M, 2001a: Periphere und zentrale Aktivierungsprozesse. In: Wichmann HE, Schlipköter HW,<br />

Fülgraff G (Hrsg): Handbuch der Umweltmedizin VII-1, Lärm, pp 9-12.<br />

499. Spreng M, 2001b: Lärminduzierte nächtliche Cortisolausschüttung und tolerable Überflüge. In: Bartels<br />

KH, Ising H (Hrsg) Nachtfluglärmproblematik. Schriftenreihe Verein WaBoLu, Nr.111, Berlin.<br />

pp 75-90.<br />

500. Spreng M, 2001c: Stellungnahme zur Verteilung der Flugbewegungszahl bezüglich Nachtschutzgebiet<br />

am <strong>Flughafen</strong> <strong>Frankfurt</strong> und Vorschlag für eine realitätsnahere Festlegung mit Sicherheitszuschlag.<br />

<strong>Frankfurt</strong>.<br />

501. Spreng M, 2001d: Gutachterliche physiologische/medizinische Ausführungen über Lärmwirkungen.<br />

Bericht, Institut für Physiologie und experimentelle Pathophysiologie, Universität Erlangen<br />

502. Spreng M, 2002: Cortical excitation, cortisol excretion, and estimation of tolerable nightly overflights.<br />

Noise & Health 4:39-46.<br />

503. Spreng M, 2003: Physiologisch/psychphysische Aspekte der kombinierten Einwirkung unterschiedlicher<br />

Geräusche 2. Neufahrner Workshop: 'Lärmwirkungen'. (im Druck)<br />

504. Spreng M, Leupold S, Firsching P, 1992: Gehörschadensrichtige Bewertung impulsiver und tonaler<br />

Industrieschalle: Versuch eines Einwertzuschlags. Z Lärmbekämpfung 39:31-38.<br />

505. Spreng M, Leupold S; Emmert B, 1988: Mögliche Gehörschäden durch Tieffluglärm. UBA-<br />

Forschungsbericht 10501213/04, Umweltbundesamt, Berlin.<br />

506. Spreng M, Leupold S; Firsching P, 1991: Gehörschäden durch Impulsgeräusche. Schriftenreihe der<br />

Bundesanstalt für Arbeitsschutz Fb 630. Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven.<br />

507. Stansfeld SA, 1992: Noise, noise sensitivity and psychiatric disorder: epidemiological and psychophysiological<br />

studies. Psychol Med supplement 22.<br />

508. Stansfeld SA, Gallacher J, Babisch W, Shipley M 1996: Road traffic noise and psychiatric disorder:<br />

prospective findings from the Caerphilly Study. BMJ 313:266-267.<br />

509. Stansfeld SA, Haines M, Brown B, 2000a: Noise and health in the urban environment. Reviews on<br />

Environ Health 15:43-82.<br />

510. Stansfeld SA, Haines MM, Burr M, Berry B, Lercher P, 2000b: A review of environmental noise and<br />

mental health. Noise & Health 8:1-8.<br />

511. Stansfeld SA, Sharp D, Gallacher J, Babisch W, 1993: Straßenverkehrslärm, Lärmempfindlichkeit<br />

und psychische Störungen. In: Ising H, Kruppa B (eds): Noise and disease. Schriftenreihe des Vereins<br />

für Wasser- Boden- und Lufthygiene. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag, pp 167-188.<br />

512. Stark H, Enderlein G, Heuchert G, Kersten N, Wetzel AM, 1998: Stress am Arbeitsplatz und Herz-<br />

Kreislauf-Krankheiten. In. Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin,<br />

Fb 802, Dortmund/ Berlin.<br />

513. Steeneken HJM, Houtgast T, 1980: A physical method for measuring speech-transmission quality. J<br />

Acoust Soc Am 67:318-326.<br />

514. Steinicke G, 1957: Die Wirkung von Lärm auf den Schlaf des Menschen. Forschungsberichte des<br />

Wirtschafts- und Verkehrsministeriums NRW Nr 416.<br />

515. Stevens SS, 1961: The psychophysics of sensory function. In: Rosenblith WA (ed): Sensory Communication.<br />

MIT Press and John Wiley 6 Sons, Inc, New York – London. pp 1-33.<br />

516. Stevenson DC, McKellar NR, 1989: The effect of traffic noise on sleep of young adults in their<br />

homes. J Acoust Soc Am 85:768-771.


223<br />

Literaturverzeichnis 223<br />

517. Stout SC, Nemeroff CB, 1994: Stress and psychiatric disorders. Seminars in the Neurosciences<br />

6:271-280.<br />

518. Strauch I, Schneider-Düker M, Zayer H, Heine HW, Heine I, Lang R, Müller N, 1976: Der Einfluss<br />

sinnvoller akustischer Signale auf das Schlafverhalten. Archiv für Psychologie 128:75-95.<br />

519. Sudo A, Nguyen AL, Jonai H, Matsuda S, Villanueva MB, Sotoyama M, Nguyen TC, Le VT, Hoang<br />

MH, Nguyen DT, Nguyen S, 1996: Effects of earplugs on catecholamine and cortisol excretion in<br />

noise-exposed textile workers. Ind Health 34:279-286.<br />

520. Talbott E, Helmkamp J, Matthews K, Kuller L, Cottington E, Redmond G, 1985: Occupational noise<br />

exposure, noise-induced hearing loss, and the epidemiology of high blood pressure. Am J Epidemiol<br />

121:501-514.<br />

521. Talbott E, Thompson SJ, 1995: Health effects from environmental noise exposure. In: Introduction<br />

to Environmental Epidemiology. New York: Lewis Publishers: 209-219.<br />

522. Talijancic A, Mustac M, 1989: Arterial hypertension in workers exposed to occupational noise. Archiv<br />

Hig Rada Toksik 40:415-420.<br />

523. Tarnopolsky A, Watkins G, Hand DJ, 1980: Aircraft noise and mental health: I. Prevalence of individual<br />

symptoms. Psychol Med 10:683-698.<br />

524. Task Force Report, 1998: Prevention of coronary heart disease in clinical practice. Eur Heart J<br />

19:1434-1503.<br />

525. Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm. 6. Allgemeine Verwaltungsvorschrift<br />

zum Immissionsschutzgesetz vom 26.8.1998 (GMB1. p 503).<br />

526. Tegeder K, 2001: Summation von Schallpegeln verschiedener Geräuscharten. Pragmatischer Ansatz<br />

für eine ganzheitliche Lärmbeurteilung. Z Lärmbekämpfung 48(2):72-74.<br />

527. Theorell T, 1994: On the establishment of associations between psychosocial work environment and<br />

coronary heart disease. In: Proc 9 th Int Symp Epidemiol Occup Health, Cincinnati, Ohio: CDC 85-<br />

106.<br />

528. Thériault GP, Tremblay CG, Armstrong BG, 1988: Risk of ischemic heart disease among primary<br />

aluminium production workers. Am J Ind Med 13:659-666.<br />

529. Thiessen GJ, 1978: Disturbance of sleep by noise. J Acoust Soc Am 64:216-222.<br />

530. Thiessen GJ, 1980: Habituation of behavioral awakening and EEG measures of response to noise. In:<br />

Tobias JV, Jansen G, Ward WD (eds): Noise as a Public Health Problem. ASHA Report 10. Rockville<br />

Maryland. pp 397-400.<br />

531. Thiessen GJ, 1983: Effect of intermittent and continuous traffic noise on various sleep characteristics<br />

and their adaptation. In: Rossi G (ed): Noise as a Public Health Problem. Milano: Edizioni Tecniche<br />

a cura del Centro Ricerche e Studi Amplifon. pp 995-1005.<br />

532. Thiessen GJ, 1988: Effect of traffic noise on the cyclical nature of sleep. J Acoust Soc Am 84:1741-<br />

1743.<br />

533. Thiessen GJ, Lapointe AC, 1983: Effect of continuous traffic noise on percentage of deep sleep,<br />

waking, and sleep latency. J Acoust Soc Am 73:225-229.<br />

534. Thompson SJ, 1983: Effects of noise on the cardiovascular system: appraisal of epidemiologic evidence.<br />

In: Rossi G (ed): Noise as a Public Health Problem. Turin, Italy, June 21-25 1983: Edizioni<br />

Tecniche a cura del Centro Ricerche e Studi Amplifon. Milano, 1: 711-714.<br />

535. Thompson SJ, 1993: Review: Extraaural health effects of chronic noise exposure in humans. In:<br />

Ising H, Kruppa B (eds): Noise and disease. WaBoLu-Hefte. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag. pp 91-<br />

117.<br />

536. Thompson SJ, 1996: non-auditory health effects of noise: updated review. In: Institute of Acoustics,<br />

St Albans (ed): Noise Control - The Next 25 Years. Proceedings of the inter noise '96. Liverpool,<br />

UK, 1996 July 29 - Aug 2. 4:2177-2182.<br />

537. Tomei F, Fantini S, Tomao E, Baccolo TP, Rosati M, 2000: Hypertension and chronic exposure to<br />

noise. Arch Environ Health 55:319-325.<br />

538. Townsend RE, Johnson LC, Muzet A 1973: Effects of long term exposure to tone pulse noise on<br />

human sleep. Psychophysiology 10:369-376.<br />

539. Tubbs Rl, Seitz TA, 2000: Evaluation of verbal communication problems and indoor environmental.<br />

Appl Occup Environ Hygiene 15(12):869-878.<br />

540. Tulen JHM, Kumar A, Jurriëns AA, 1986: Psychophysiological acoustics of indoor sound to traffic<br />

noise during sleep. J Sound Vib 110:129-141.


224<br />

Literaturverzeichnis 224<br />

541. UBA (Umweltbundesamt) , 1989: Lärmbekämpfung '88: Tendenzen-Probleme-Lösungen. UBA<br />

(Umweltbundesamt), 1993: Gutachtliche Stellungnahme zu Lärmwirkungsbereichen (1982-1990)<br />

Berlin: E. Schmidt.<br />

542. Umweltrat der BRD, 1999: Sondergutachten Umwelt und Gesundheit (Kurzfassung).<br />

http:www.umweltrat.de, Langfassung, Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen: Sondergutachten<br />

Umwelt und Gesundheit. Stuttgart. Metzler-Poeschel.<br />

543. UVV, 1997: Unfallverhütungsvorschrift "Lärm",. VRG 121, Fassung Januar 1997. Köln: Carl Heymanns.<br />

544. Vallet M, 1979: La perturbation du sommeil par le bruit. Evaluation des effets psychologiques et<br />

physiologiques par une experience in situ. Thèse de doctorat de 3 e cycle en psychologie. Université<br />

de Lyon II.<br />

545. Vallet M, Gagneux JM, Clairet JM, Laurens JF, Letisserant D, 1983: Heart rate reactivity to aircraft<br />

noise after long term exposure. In: Rossi G (ed): Noise as a Public Health Problem. Milano: Edizioni<br />

Tecniche a cura del Centro Ricerche e Studi Amplifon. pp 965-971.<br />

546. Vallet M, Gagneux JM, Simonnet F, 1980: Effects of aircraft noise on sleep: an in situ experience.<br />

In: Tobias JV, Jansen G, Ward WD (eds): Noise as a Public Health Problem. ASHA Report 10.<br />

Rockville Maryland. pp 391-396.<br />

547. Vallet M, Olivier D, Laurens JF, Clairet JM, 1990: Effects on road traffic noise on pulse rate during<br />

sleep. In: Berglund B, Berglund U, Karlsson J, Lindvall T (eds): New Advances in Noise Research.<br />

Stockholm: Swedish Council for Building Research. 2:21-30.<br />

548. Vallet M, Vernet I, 1993: Night aircraft noise index and sleep research results. In :Noise and Disease,<br />

Ising H, Kruppa B, eds. Gustav Fischer Verlag,. Stuttgart-New York. pp 408-415.<br />

549. van Cauter E, Leproult R, Plat L, 2000: Age-related changes in slow wave sleep and REM sleep and<br />

relationship with growth hormones and cortisol level in healthy men. JAMA 284:861-868.<br />

550. van Dijk FjH, 1986: Non-auditory effects of noise in industry. Int Arch Occup environ Health<br />

58:325-332.<br />

551. van Kempen E, Kruize H, Boshnizen HC, Ameling CB, Staatsen B, de Hollander A, 2002: The association<br />

between noise exposure and blood pressure and ischemic heart disease: A Meta-analysis. Environmetal<br />

Health Perspectives 110(3):307-317.<br />

552. Verbeek HAM, van Dijk FjH, de Vries FF, 1986: Non-auditory effects of noise in industry. Int arch<br />

Occup Environ Health 58:333-335.<br />

553. Vermel AE, Zinenko GM, Kochanova EM, Snavés LT, Bogatov KM, 1988: Intensity of industrial<br />

noise and the incidence of arterial hypertension (russ). Terapevtischeskij Archiv 60:88-91.<br />

554. Vernet M, 1979: Effect of train noise on sleep for people living in Houses bordering the railway line.<br />

J Sound Vib 66:483-492.<br />

555. Vernet M, 1983: Comparison between train noise and road noise annoyance during sleep. J Sound<br />

Vib 87:331-335.<br />

556. Voigt K, 1994 und 1996: Endokrines System. In: Klinke R, Silbernagel S (Hrsg): Lehrbuch der Physiologie.<br />

Thieme, Stuttgart-New York, pp 467-468.<br />

557. von Eiff AW, Czernik A, Horbach L, Jörgens H, Wenig HG, 1974: Der medizinische Untersuchungsteil.<br />

In: DFG (Hrsg): Fluglärmwirkungen – eine interdisziplinäre Untersuchung über die<br />

Auswirkungen des Fluglärms auf den Menschen. Boppard: Harald Boldt Verlag KG. pp 349-424.<br />

558. von Eiff AW, Neus H 1980: Verkehrslärm und Hypertonie-Risiko. 1. Mitteilung: Verkehrslärm und<br />

Hypertonie-Risiko. Münch Med Wschr 122(24):893-896.<br />

559.von Eiff AW, Neus H, Friedrich G, Langewitz W, Rüddel H, Schirmer G, Schulte W, Thönes<br />

M, Brüggemann E, Litterscheid C, Schröder G, 1981: Feststellung der erheblichen Belästigung<br />

durch Verkehrslärm mit Mitteln der Streßforschung (Bonner Verkehrslärmforschung.<br />

Forschungsbericht 81-10501303. Umweltforschungsplan des Bundesministers des Innern,<br />

Umweltbundesamt Berlin.<br />

560. Wagner W, 1988: Der Einfluss von Straßenverkehrsgeräuschen unterschiedlicher Pegel- und Zeitstruktur<br />

auf den Nachtschlaf. Diss. TU Berlin 1988.<br />

561. Watzlawick P, Beavin JH, Jackson DD, 1990: Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen,<br />

Paradoxien, 8. Aufl, Bern: Verlag Hans Huber.<br />

562. Weber T, 2000: Lärm und kardiovaskuläres Risiko. FAT Schriftenreihe 156.


225<br />

Literaturverzeichnis 225<br />

563. Weinstein ND, 1978: Individual differences in reactions to noise: a longitudinal study in college<br />

dormitory. J Appl Psychol 63:458-466.<br />

564. Wende H, Ortscheid J, Kötz WD, Jäcker-Cüppers M, Penn-Bressel G, 1998: Schritte zur Reduzierung<br />

gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Straßenverkehr. BMU (Hrsg): Gesundheitsrisiken<br />

durch Lärm. 50-66, Bonn.<br />

565. Whitehead C, Hume K, 2001: A field experiment on the effect of aircraft noise on heart rate during<br />

sleep. Int Symp on Noise Pollution & Health. April 6-8 2001, Cambridge, UK. Programme & Abstract<br />

Book. p 53.<br />

566. WHO, 1947: The Chronicle of the World Health Organization 1, Genf, Schweiz.<br />

567. WHO, 1948: Constitutions of the World Health Organisation. Geneva, WHO.<br />

568. WHO 1968: World Health Organization, 1968:Yearbook of International Organizations.<br />

569. WHO, 1985: Indification and control of work-related diseases. Technical Report Series 714. Geneva:<br />

WHO.<br />

570. Wilckens T, 1995: Chronischer Stress - Interaktion von Nebennierenfunktion und Zytokinsekretion.<br />

In: Allolio B, et al., Nebenniere und Stress. Stuttgart/ New York, Schattauer. pp 119-129.<br />

571. Wilkinson RT, 1981: Effects of traffic noise upon sleep in the home. In: Sleep 1980. Karger, Basel.<br />

pp 225-228.<br />

572. Wilkinson RT, 1984: Disturbance of sleep by noise: individual differences. J Sound Vib 95:55-63.<br />

573. Wilkinson RT, Allison S, 1983: Effects of peaks of traffic noise during sleep on ECG and EEG. In:<br />

Rossi G (ed): Noise as a Public Health Problem. Milano: Edizioni Tecniche a cura del Centro Ricerche<br />

e Studi Amplifon. pp 957-963.<br />

574. Wilkinson RT, Campbell KB, 1984: Effects of traffic noise on quality of sleep: assessment by EEG,<br />

subjective report, or performance the next day. J Acoust Soc Am 75:468-475.<br />

575. Wilkinson RT, Campbell KB, Roberts LD, 1980: Effect of noise at night upon performance during<br />

the day. In: Tobias JV, Jansen G, Ward WD (eds): Noise as a Public Health Problem. ASHA Report<br />

10. Rockville Maryland. pp 405-412.<br />

576. Williams HL, 1973: Effects of noise on sleep: a review. In: Ward WD (ed): Noise as a Public Health<br />

Problem. Washington (DC) 20460: EPA 550/9-73-008. pp 501-511.<br />

577. Williams HL, Morlock HC, Morlock JV, 1966: Instrumental behavior during sleep. Psychophysiology<br />

2:208-216.<br />

578. Windle RJ, Wood SA, Shanks N, Lightman SL, Ingram CD, 1998: Ultradian rhythm of basal corticosterone<br />

release in the female rat: dynamic interaction with the response to acute stress. Endocrinology<br />

139(2):443-450.<br />

579. Wu TN, Cheu LJ, Lai IS, 1996: Prospective study of noise exposure during pregnancy on birth<br />

weight. Am J Epidemiol 143: 792-796.<br />

580. Yacullo WS, Hawkins DB, 1987: Speech recognition in noise and reverberation by school-age children.<br />

Audiology 26:235-246.<br />

581. Yasuda N, Nakamura K, 1997: Heterogeneity of corticotropin-releasing factor (CRF). Jap J Physiol<br />

47:147-159.<br />

582. Zakrisson JE, 1975: The role of the stapedius reflex in poststimulatory auditory fatique. Acta Otolaryngol<br />

(Stockh) 79:1-10.<br />

583. Zenner HP, Struwe V, Schuschke G, Spreng M, Stange G, Plath P, Babisch W, Rebentisch E, Plinkert<br />

P, Bachmann KD, Ising H, Lehnert G, 1999: Gehörschäden durch Freizeitlärm. HNO 47:236-<br />

248.<br />

584. Zhao YJ, Wang L, Pan D, Ji Y, 1998: A dose-response relationship for noise induced hypertension<br />

in chemical fertilizer factories. In: Carter N, Job S (eds): Noise effects 1998, Sydney: 240-245.<br />

585. Zhao YM, Zhang SZ, Selvin S, Spear RC, 1991: A dose-response relation for noise-induced hypertension.<br />

Brit J Ind Medicine 48:179-184.<br />

586. Zwicker E, 1991: Ein Vorschlag zur Definition und zur Berechnung der unbeeinflussten Lästigkeit.<br />

Z Lärmbekämpfung 38:91-97.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!